Julia Koplin Nachhaltigkeit im...
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Julia Koplin
Nachhaltigkeit im Beschaffungsmanagement
WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT
Julia Koplin
Nachhaltigkeit im Beschaffungs-management
Ein Konzeptzur Integration von Umwelt- und Sozialstandards
Mit einem Geleitwort von PD Dr. Stefan Seuring
Deutscher Universitats-Verlag
Bibiiografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibiiografische Daten sind im Internet uber <http://dnb.ddb.de> abrufbar.
Dissertation Universitat Oldenburg, 2005
Die Ergebnisse, Meinungen und Schliisse der Dissertation sind nicht notwendigerweise die der Volkswagen AG.
I.Aufiage Juni2006
Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag i GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006
Lektorat: Ute Wrasmann / Ingrid Walther
Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media, www.d uv.de
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Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, DipL-Designerln, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany
ISBN-10 3-8350-0270-8 ISBN-13 978-3-8350-0270-8
Geleitwort
Das Beschafflings- und das Supply Chain Management haben in den letzten Jahren eine stiir-
mische Entwicklung genommen. Eine dabei immer wieder angefuhrte Ursache findet sich in
der zunehmenden Globalisierung wirtschaftlicher Aktivitaten. Als reale Folge davon zeigt
sich, dass weltweit sowohl neue Beschafflings- aber auch Absatzmarkte erschlossen werden
(konnen). So ist dies nicht nur fur muhinationale Konzeme ein normaler Teil ihrer Geschafts-
tatigkeit, sondem selbst fur kleine und mittelstandische Untemehmen mehr und mehr iiblich.
Untrennbar mit diesen Geschaflsprozessen verbunden ist der Aspekt daraus resultierender
okologischer und sozialer Wirkungen. Hier konnen Untemehmen eine aktive RoUe spielen,
um so auch ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Gleichzeitig besteht
insbesondere fiir global aufgestellte Markenartikelanbieter ein wesentliches Risikopotenzial.
Durch soziale und okologische Probleme in der Lieferantenkette, kann das Markenimage
bzw. die Reputation eines Untemehmens erheblich beschadigt werden. Daraus ergibt sich die
Herausforderung, das Management von Nachhaltigkeit in das Beschafflings- und Supply
Chain Management zu integrieren, um okologische und soziale Bereiche im Rahmen der Ge-
schaflstatigkeit berucksichtigen zu konnen.
Dies ist bisher nur begrenzt Gegenstand betriebswirtschafllicher Forschungsarbeiten gewesen.
Vor diesem Hintergrund bildet die vorliegende Doktorarbeit von Julia Koplin einen wichtigen
Baustein sowohl theoretisch-konzeptioneller als auch empirischer Forschung.
Auf der Basis eines Aktionsforschungsprojektes, das in Kooperation mit der Volkswagen AG,
Wolfsburg, durchgefuhrt wurde, bietet die Arbeit eine konzeptionelle Fundierung flir die In
tegration von Umwelt- und Sozialstandards in die Beschafflingspolitik und die Beschafflings-
prozesse flir Untemehmen. Solche Standards erweisen sind dabei als in besonderem MaBe
geeignet, das Verhaltnis zwischen Abnehmer und Lieferant zu gestalten und Rahmenbedin-
gungen festzulegen, da sie ein zusatzliches Auswahlkriterium und Kontrollinstmment jenseits
der einzelnen Liefemng darstellen.
Das aufgezeigte Thema entfaltet sich im Kontext der klar stmkturierten Theoriearbeit, so dass
ein Beitrag zur normativen Erweitemng des Beschaffungsmanagements geleistet wird.
Gleichzeitig werden auch die konkreten Herausfordemngen einer praktischen Umsetzung
erortert.
Zusatzlich bereichert die Arbeit das sich rasch entwickelnde Forschungsfeld „Nachhaltigkeit
in Wertschopfungsketten" in hervorragender Weise. Sie flihrt unsere bisherigen Forschungen
zum Thema weiter und erganzt diese um Inhalte, die flir viele kleine und groBe Untemehmen
aktuell und in den nachsten Jahren von erheblicher Bedeutung sein werden.
VI Geleitwort
Da ich die Arbeit als groBen Gewinn betrachte, wunsche ich der vorliegenden Doktorarbeit
einen breiten Leserkreis aus Wissenschaft und Praxis.
PD Dr. Stefan Seuring
VII
Vorwort
„Eine mdchtige Flamme entsteht aus einem winzigen Funken."
Dante Alighieri (1265-1321)
Die vorliegende Dissertation entstand in enger Anlehnung an das von der Volkswagen AG, Wolfsburg, in Kooperation mit der Carl von Ossietzky Universitat durchgefiihrte Praxisfor-schungsprojekt „Nachhaltigkeit in der Lieferantenkette". Die gewonnenen Erkenntnisse bil-den die empirische Basis der vorliegenden Arbeit. Dabei war es mir vergonnt, das Projekt sowohl aus wissenschaftlicher Perspektive durch meine Arbeit am Lehrstuhl fiir Produktion und Umwelt von Prof. Dr. Uwe Schneidewind an der Carl von Ossietzky Universitat Oldenburg als auch operativ wahrend meiner Doktorandenzeit bei der Volkswagen AG zu begleiten und dadurch besonders intensiven Zugang zu dem Thema zu gewinnen. Das Buch soil den Leserinnen und Lesem Einblicke in die Forschungsergebnisse und entsprechend nachvoll-ziehbare und wissenschaftlich begriindete Handlungsempfehlungen bieten. Gleichzeitig hoffe ich, dem einen oder anderen durch meine Arbeit DenkanstoBe fur den eigenen Erkenntnispro-zess geben zu konnen.
Es ist nicht einfach, die spannendste und wichtigste Zeit meines Lebens, in der ich sehr viel sowohl fachlich als auch menschlich und nicht zuletzt iiber mich selbst gelemt habe, hinter mir zu lassen. Ich habe neue Freunde und Mitstreiter gefunden und mein Weltbild und meine Gedanken in einer Weise erweitert, die ich mir am Anfang nie hatte vorstellen konnen. Ich bin mir bewusst, dass diese Arbeit ohne die UnterstUtzung einiger, mir sehr wichtiger Menschen nicht moglich gewesen ware, denen ich in diesem Zusammenhang meine tiefste Dankbarkeit aussprechen mochte, fur die Worte nicht ausreichen. An der Universitat Oldenburg sind dies vor allem mein Doktorvater PD Dr. Stefan Seuring, dem ich besonders fur die intensive Betreuung, die konstruktiven Diskussionen und Hinweise und meine wissenschaflliche Wei-terentwicklung danken mochte. PD Dr. Martin Muller danke ich herzlich fur die Ubemahme des Zweitgutachtens und die UnterstUtzung durch zahlreiche Findungs- und Motivationsge-sprache wahrend unserer gemeinsamen Zeit am Lehrstuhl. AuBerdem sind zu erwahnen meine Korrekturleser Juniorprofessor Dr. Bemd Siebenhiiner, Norgand Schwarzlose als auch meine Eltem Petra und Frank Koplin. Ein ganz besonderer Dank gilt weiterhin Dr. Michael Mesterharm, der mich auf Seiten der Volkswagen AG uberdurchschnittlich betreut und gefor-dert hat, meinem Lebensgefahrten sowie meiner Freundin Mandy Schiel, welche mich stets emotional aufgefangen und tiber die gesamte Zeit durch ihre treue Freundschafl stark gemacht haben. Ich danke zusatzlich alien, die mich auf meinem Promotionsweg begleiteten, hier je-doch leider keine Erwahnung fmden konnten.
Julia Koplin
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis XIII
Tabellenverzeichnis XV
Abkiirzungsverzeichnis XVII
1 Einleitung 1
1.1 Problemstellung der Arbeit 1
1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen 4
1.3 Gang der Untersuchung 6
1.4 Das Forschungsprojekt 9
1.5 Wissenschaftstheoretische/forschungsprogrammatische Grundlagen 12
1.5.1 Anwendungsorientierte Wissenschaft 12 1.5.2 Betriebswirtschaftslehre als anwendungsorientierte Sozialwissenschaft 15 1.5.3 Kategorien und Instrumente praxisbezogener Forschungsergebnisse 17
2 Konzeptionelle Grundlagen 19
2.1 Nachhaltige Entwicklung 19
2.1.1 Definition von Nachhaltigkeit 19 2.1.2 Dimensionen Nachhaltiger Entwicklung und ihre Ziele 22 2.1.3 Nachhaltigkeit als untemehmensstrategische Frage 33 2.1.4 Globalisiemng - Chancen und Risiken 44 2.1.5 Umweltstandards und Sozialstandards 47 2.1.6 Der Stakeholderansatz 63
2.2 Strategisches Beschaffungsmanagement und Lieferantenketten 68
2.2.1 Abgrenzung und Definition 68 2.2.2 Ebenen des Beschafftingsmanagements 70 2.2.3 Aufgaben und Strategien des Beschaffiingsmanagements 72 2.2.4 Ablauf eines Beschaffungsprozesses 76 2.2.5 Lieferantenstrategien: Management der Lieferantenbeziehungen 77 2.2.6 Nachhaltigkeit in der Beschaffung 86
2.3 Zwischenfazit 95
2.4 Herausforderungen fur ein Konzept zur Umsetzung von Nachhaltigkeit in
Lieferantenbeziehungen 96
2.4.1 Entwicklung eines Kriterienrasters 97
2.4.2 Fordemde und hemmende Faktoren 104
3 Forschungsmethodik und deren Umsetzung in der Arbeit 109
3.1 Empirische Sozialforschung 109 3.1.1 Einordnung 109 3.1.2 Anforderungen - allgemeine Giitekriterien Il l
X Inhaltsverzeichnis
3.2 Qualitative Sozialforschung 112
3.2.1 Grundlagen qualitativen Denkens 112
3.2.2 Giitekriterien qualitativer Datenerhebung 116
3.2.3 Untersuchungsdesigns 122
3.2.4 Forschungsmethoden 124
3.3 Aktionsforschung - Reflexivitat zwischen Prozess und Ziel 127
3.3.1 Stellung im Kanon sozialwissenschaftlicher Forschung 127
3.3.2 Die Entwicklung der Aktionsforschung 128
3.3.3 Programmatik und besondere Merkmale 130
3.3.4 Forschungsprozess und zentrale Forschungsmethoden 134
3.3.5 Probleme und Risiken der Aktionsforschung 143
3.4 Uberpriifung der methodischen Giitekriterien qualitativer Sozialforschung 146
3.4.1 Grundsatze qualitativer Forschung 146
3.4.2 Giitekriterien qualitativer Forschung 150
3.5 Umsetzung der Aktionsforschung 155
3.5.1 Grundlagen und doppelte Zielsetzung 156
3.5.2 Informationssammlung, Dateninterpretation und Diskurs 158
3.5.3 Forschungsprozess, Giitekriterien und Forschungsmethoden des Projektes 161
3.5.4 Umgang mit Problemen und Risiken im Projekt 170
4 Entwicklung eines Nachhaitigkeitskonzeptes 175
4.1 Die Branche der Automobilindustrie 175 4.1.1 Allgemeine Grundlagen 176
4.1.2 Entwicklungen im Bereich der Abnehmer-Zulieferer-Beziehungen 176
4.1.3 Nachhaltigkeit in der Automobilindustrie 186
4.1.4 Die Volkswagen AG 203
4.2 Umsetzung des Forschungsprojektes 210
4.2.1 Vorbereitende Analysen 210
4.2.2 Workshops 211
4.2.3 Bestandsaufhahme VW (methodisch) (August-September 2003) 213
4.2.4 Einbeziehung Lieferanten 214
4.3 Bestandsaufnahme VW 222
4.3.1 Normative Bezugspunkte 223
4.3.2 Friiherkennungssysteme 223
4.3.3 Der VW-Beschaffungsprozess 224
4.3.4 Monitoring und Lieferantenentwicklung 226
4.3.5 Die B2B-Plattform „VW Group Supply.com" 227
4.3.6 Dezentrale Regelungen in den Lieferantenketten der Volkswagen AG 228
4.4 Analyse umweltbezogener/sozialer Schwachstellen (Chancen/Risiken) 228
4.4.1 Normative Ebene 229
4.4.2 Friiherkennung 229
4.4.3 Beschafiungsprozess 230
4.4.4 Monitoring und Lieferantenentwicklung 230
Inhaltsverzeichnis XI
4.5 Entwickelte Losungsoptionen 231
4.5.1 Normative Ebene 232
4.5.2 Friiherkennung 233
4.5.3 Beschaffungsprozess 234
4.5.4 Monitoring und Lieferantenentwicklung 237
4.6 Das Konzept einer Integrationsstrategie 238
4.6.1 Normative Ebene 239
4.6.2 Friiherkennung 241
4.6.3 Beschaffungsprozess 242
4.6.4 Monitoring und Lieferantenentwicklung 245
4.6.5 Zusammenfassung 247
4.7 Bewertung des VW-Konzeptes auf Basis des Kriterienrasters 249
4.8 Ableitung eines allgemeinen Nachhaltigkeitskonzeptes fiir das strategische
Beschafflingsmanagement 262
5 Zusammenfassung und Ausblick 265
5.1 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 265
5.2 Forschungsbeitrag der Arbeit 268
5.2.1 Operationalisierung untemehmensstrategischer Nachhaltigkeit 268
5.2.2 Nachhaltigkeitskonzept fur das strategische Beschafflingsmanagement 270
5.2.3 Generalisierbarkeit der Ergebnisse auf Basis der Aktionsforschung 272
5.2.4 Grenzendes Forschungsdesigns 274
5.3 Weiterffihrender Forschungsbedarf 275
Literaturverzeichnis 279
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit 8
Abbildung 2: Die drei Dimensionen einer Nachhaltigen Entwicklung 23
Abbildung 3: Entstehung von Zielen 27
Abbildung 4: Schnittmengenmodell okonomischer, okologischer und sozialer
Nachhaltigkeit 33
Abbildung 5: Nachhaltige Untemehmen im gesellschaftlichen Kontext 35
Abbildung 6: Einordnung der vier Konzepte 40
Abbildung 7: Verschiedene Stakeholder eines Untemehmens 65
Abbildung 8: Vier Ebenen von Beschaffungsentscheidungen 72
Abbildung 9: Traditioneller Beschaffungsprozess 77
Abbildung 10: Hauptaktivitaten des Lieferantenmanagements 78
Abbildung 11: Ubersicht der Beschaffungsstrategien 79
Abbildung 12: Wesentliche Argumentationslinien der inhaltlichen Auswertung 106
Abbildung 13: Komponenten qualitativer Forschungsdesigns 123
Abbildung 14: Doppelte Zielsetzung der Aktionsforschung 132
Abbildung 15: Zyklischer Verlauf des Aktionsforschungsprozesses 137
Abbildung 16: Das System Fahrzeugbau und seine Prozessketten 177
Abbildung 17: Veranderungen der Wertschopfungsprozesse 178
Abbildung 18: Strukturwandel durch Modularisierung 179
Abbildung 19: Zulieferstruktur in der Automobilindustrie 180
Abbildung 20: Veranderung der Zulieferpyramide 182
Abbildung 21: Produktionsanteile groBer Automobilhersteller im Jahr 2000 186
Abbildung 22: Bestandteile eines Automobils 188
Abbildung 23: Der okologische Produktlebenszyklus 190
Abbildung 24: Nachhaltigkeitsleitbild der Volkswagen AG 206
XIV Abbildungsverzeichnis
Abbildung 25: Strategische Beitrage zur nachhaltigen Entwicklung bei Volkswagen 206
Abbildung 26: Beschaffungsstrategie der Volkswagen AG bis 2015 208
Abbildung 27: Ablauf Forward/Global Sourcing Prozess bei Volkswagen 210
Abbildung 28: Hauptsitz der befragten Untemehmen 215
Abbildung 29: Regionen der Geschaftstatigkeit 216
Abbildung 30: Vorprodukte aus anderen Regionen 217
Abbildung 31: Umgesetzte Standards der befragten Untemehmen 218
Abbildung 32: Geforderte Standards Sub-Lieferanten 218
Abbildung 33: Anreize fur die Umsetzung von Umwelt- und Sozialstandards 219
Abbildung 34: Mogliche Verbesserungen okologischer und sozialer Problemfelder 220
Abbildung 35: Analysetools und Lebenszyklus offentlicher Meinungsbildung 233
Abbildung 36: Losungsoptionen flir die Prozessstufe Technische Angebotspriifung 235
Abbildung 37: Erweiterung des Beschaffungsprozesses (Stufen 1-2) 244
Abbildung 38: Erweiterung des Beschaffungsprozesses (Stufen 3-5) 244
Abbildung 39: Erweiterung des Beschaffungsprozesses (Stufe 6) 245
Abbildung 40: Erweiterung des Beschaffungsprozesses (Stufe 6) 245
Abbildung 41: Allgemeinkonzept „Nachhaltigkeit im Beschaffungsmanagement" 264
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Schematisierter Ablauf derForschungsstudie 11
Tabelle 2: Unterschiede zwischen Grundlagenwissenschaft und angewandter Wissenschaft .16
Tabelle 3: Vergleich Formen praxisbezogener Forschungsergebnisse 18
Tabelle 4: Vorstellungen von Nachhaltiger Entwicklung 21
Tabelle 5: UbersichtNachhaltigkeitskriterien/-prinzipien fur Untemehmen 36
Tabelle 6: Einordnung der Standards in die verschiedenen Formen 61
Tabelle 7: Ubersicht Anspruchsgruppen und Ziele 66
Tabelle 8: Ubersicht zu Definitionen des Beschaffungsmanagements 69
Tabelle 9: Systematisierung von Sourcing Konzepten 74
Tabelle 10: Mogliche Konsequenzen des Abnehmers auf Lieferantenbewertungen 82
Tabelle 11: Verfahren zur Integration okologischer Aspekte in das
Beschaffungsmanagement 91
Tabelle 12: Griinde fur die Ubemahme von Verantwortung in Lieferantenbeziehungen 97
Tabelle 13: Funktionale Kriterien ftir die Konzeptbewertung 98
Tabelle 14: Prozessbezogene Kriterien fur die Konzeptbewertung 100
Tabelle 15: Verfahrenstechnische Kriterien fur die Konzeptbewertung 103
Tabelle 16: Verfahrenstechnische Kriterien ftir die Konzeptbewertung 104
Tabelle 17: Fordemde/hemmende Faktoren fiir Nachhaltigkeit im
Beschaffungsmanagement 107
Tabelle 18: Phasenverlauf des Aktionsforschungsmodells 136
Tabelle 19: Ubersicht Giitekriterien der Aktionsforschung 139
Tabelle 20: Merkmale der Aktionsforschung im Vergleich zur traditionellen Forschung 139
Tabelle 21: Uberblick zentrale Forschungsmethoden der Aktionsforschung 141
Tabelle 22: Umgesetzte Giitekriterien nach Mayring 155
Tabelle 23: Umsetzung der Aktionsforschungsphasen im Forschungsprojekt 165
XVI Tabellenverzeichnis
Tabelle 24: Umsetzung der Gutekriterien der Aktionsforschung im Projekt 168
Tabelle 25: Uberblick Einsatz zentraler Forschungsmethoden im Projekt 169
Tabelle 26: Auswahl sozialer Problemfelder in verschiedenen Landem 197
Tabelle 27: Umweltbezogene und soziale Anforderungen an Lieferanten bei
Wettbewerbem 201
Tabelle 28: Hauptsitz, Regionen der Geschaftstatigkeit und Vorprodukte der befragten
Untemehmen 215
Tabelle 29: Einordnung der Standards/Prinzipien in die Nachhaltigkeitsdimensionen 223
Tabelle 30: Einstufung der Auditierungsergebnisse 226
Tabelle 31: Losungsoptionen zum Ausbau der normativen Bedingungen 232
Tabelle 32: Erweiterungsmoglichkeiten der Friiherkennungsmethoden 234
Tabelle 33: Losungsoptionen fur die Prozessstufe Betriebsmittelanforderungen 234
Tabelle 34: Losungsoptionen fiir die Prozessstufe Lieferantenvorschlag 235
Tabelle 35: Losungsoptionen fiir die Prozessstufe Kaufteileanfrage 235
Tabelle 36: Losungsoptionen fur die Prozessstufe Lieferantenbewertung 237
Tabelle 37: Losungsoptionen ftir die Prozessstufe Pre-Meeting/CSC 237
Tabelle 38: Erweiterte KontrollmaBnahmen 238
Tabelle 39: Klassifizierungsschema fiir Selbstauskunft 243
Tabelle 40: Nachhaltigkeitskonzept ftir Beschaffung Fahrzeug-Serienmaterial 248
Tabelle 41: Geplanter Zeithorizont fiir die Umsetzung des Nachhaltigkeitskonzeptes 249
Tabelle 42: Zusammenfassung der Bewertung des Konzeptes anhand des Kriterienrasters..257
Tabelle 43: Integrative Regelungen fiir ein nachhaltiges Beschaffungsmanagement 271
Tabelle 44: Zusammenfassung der Anforderungen fiir die Generalisierbarkeit 274
Abkiirzungsverzeichnis
AA AccountAbility
AG Aktiengesellschaft
BA Beschaffung Allgemein
BMBF Bundesministerium fur Bildung und Forschung
BME Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik
BMU Bundesministerium fur Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
BMW Bayrische Motorenwerke
BP Beschaffung Produktion
BS British Standard
BWL Betriebswirtschaftslehre
B2B Business-to-Business
CEPAA Council on Economic Priorities Accreditation Agency
COP Cary-Over-Parts
CO2 Kohlenstoffdioxid
CSC Corporate Sourcing Committee
CSR Corporate Social Responsibility
DC DaimlerChrysler
EMAS Eco Management and Audit Scheme
ESH Environment, Safety and Health
ESL Electronic Supplier Link
EU Europaische Union
FS Forward Sourcing
GM General Motors
GmbH Gesellschafl mit beschrankter Haflung
GRI Global Reporting Initiative
GS Global Sourcing
Hrsg. Herausgeber
ICC International Chamber of Commerce
XVIII Abkiirzungsverzeichnis
ILO International Labor Organisation
lOW Institut fur okologische Wirtschaftsforschung
ISEA Institute for Social and Ethical AccountAbility
ISO International Organisation for Standardization
lUCN International Union for Conservation of Nature and natural Resources
LDB Lieferantendatenbank
LPT Local Purchasing Team
NGO Non Governmental Organisation
OE Organisationseinheit
OECD Organisation for Economic Co-operation and Development
OHSAS Occupational Health and Safety Assessment Series
PROSA Product Sustainability Assessment
QM Qualitatsmanagement
QS Qualitatssicherung
SA Social Accountability
SEA Supplier Environmental Advisory
SES Safety Evaluation System
SRU Rat der Sachverstandigen fur Umweltfragen
TE Technische Entwicklung
TS Technical Specification
UBA Umweltbundesamt
UMS Umweltmanagementsystem
UNCED United Nations Conference on Environment and Development
UNEP United Nation Environmental Program
VDA Verband der deutschen Automobilindustrie
VW Volkswagen
WBCSD Word Business Council for Sustainable Development
WCED World Commission for Environment and Development
ZSB Zusammenbauteile
1 Einleitung
1.1 Problemstellung der Arbeit
Der Begriff Globalisierung hat sich in den vergangenen Jahren zu einem zentralen Kristallisa-
tionspunkt der Politik, des Umweltschutzes und der intemationalen Aktivitaten von Unter-
nehmen entwickelt. Er steht fur eine neue Qualitat intemationalen Handelns, welche aus der
zunehmenden Reichweite, Dynamik und Komplexitat intemationaler Wirtschaftsbeziehungen
erwachst. Untemehmen tatigen in steigendem Mafie auslandische Direktinvestitionen, er-
schlieBen Beschaffungs- und Absatzmarkte in Schwellen- und Entwicklungslandem, installie-
ren globale Einkaufsplattformen mit Hilfe des Internets und nutzen die weltweiten Finanz-
markte zur Akquirierung von Kapital. Konzentrierte sich das intemationale Geschaft fruher
auf den Export von Produkten aus dem Heimatland in Auslandsmarkte, so sind mittlerweile
globale Produktions- und Zulieferstrukturen entstanden.
Die fortschreitende Globalisierung konfrontiert Untemehmen gleichzeitig mit einer immer
starker werdenden Intemationalisiemng des Wettbewerbs.' Dadurch ergibt sich die Notwen-
digkeit, nach neuen, effizienteren Moglichkeiten zur Gestaltung von Geschaftsprozessen und
der Erhaltung der Marktposition zu suchen.̂ Hierbei milssen alle Aktivitaten der gesamten
Wertschopfungskette eines Untemehmens beriicksichtigt werden.̂ Amold spricht in dem Zu-
sammenhang vor allem jenen weltweit agierenden Untemehmen Wettbewerbsvorteile gegen-
iiber ihren Konkurrenten zu, die versuchen, vertikale Kooperationsformen mit ihren Lieferan-
ten aufzubauen, um so die immer komplexeren Organisationsstmkturen im Beschaffungsbe-
reich zu bewerkstelligen. Die Anzahl an Lieferanten, auf die ein Untemehmen ftir den Bezug
seiner Rohstoffe bzw. Vorprodukte zuriickgreifen kann, ist in den letzten Jahren im Zuge der
Globalisiemng stark angestiegen und hat dadurch die Komplexitat des Beschaffungsbereiches
erheblich gesteigert/ Dies ermoglicht Abnehmem eine groBere Auswahl und somit eine Star-
kung derjenigen Lieferantenuntemehmen, die in Billiglohnlandem (Schwellen- und Entwick-
lungslander) produzieren und deshalb zu giinstigen Preisen anbieten konnen. Jene sind in der
Wertschopfungskette meist „upstream" angesiedelt und stehen dadurch oftmals nicht unter
dem direkten Einfluss des endabnehmenden Untemehmens. Meist sind sie dem Endhersteller
sogar nicht einmal bekannt.
Vgl. Teece et al. 1997. Vgl. Handfield et al. 2005, S. 18. Vgl. Amold 1997a. Vgl. Amold 1997b, S. 111 ff.; auch Piontek 1997.
2 1.1 Problemstellung der Arbeit
Gleichzeitig werden an exponierte Firmen von ihren gesellschaftlichen Anspruchsgruppen^ immer mehr direkte Anforderungen beziiglich umweltbezogener und sozialer Aspekte ihrer Untemehmenstatigkeit gestellt/ Vor allem Organisationen wie Greenpeace, Amnesty International Oder andere Nicht-Regierungsorganisationen (Non-Governmental Organisations (NGO)) verfiigen, im Gegensatz zu unkoordinierten Protestbewegungen, iiber hoch professio-nalisierte Kommunikationsformen und -wege gegeniiber Untemehmen und der breiten Of-fentlichkeit.' Hauptaufgabe eines Untemehmens war mehrere Jahrhunderte lang die Schaffung von Werten durch die Herstellung von Giitem bzw. Dienstleistungen. Seit geraumer Zeit voll-ziehen Untemehmen jedoch ein Umdenken in ihrer untemehmenspolitischen Ausrichtung. Grund dafur sind neue Formen okologischer und sozialer Forderungen, wie z. B. die Schaffung von Arbeitsplatzen, und der daraus resultierende Wettbewerbsdruck.* Besonders Firmen, die mit ihrer Marke den Kontakt zum Endverbraucher - dem Kunden - herstellen, sehen sich vermehrt diesem Offentlichkeitsdruck ausgesetzt.' Zum Beispiel wiirden nach einer Umfrage aus dem Jahr 1996 75 % der amerikanischen Konsumenten ihre Kaufentscheidungen von dem Umweltbewusstsein der Untemehmen abhangig machen und sogar 80 % sind bereit, Mehr-kosten fur umweltfreundlichere Produkte zu bezahlen.'® 2002 gaben ebenfalls 45 % der Deut-schen an, Produkte von Untemehmen zu boykottieren, die sich nachweislich umweltschadi-gend verhalten." Langsam verstarkt sich damit das Bewusstsein, dass dauerhafter wirtschaft-licher Erfolg nur einhergehend mit bewusstem Handeln unter Berucksichtigung von Umwelt-schutz und sozialer Verantwortung erreicht werden kann. Untemehmen miissen sich deshalb sowohl der wirtschaftlichen als auch okologischen und sozialen Auswirkungen ihres Wirt-schaflens bewusst sein.'̂
In direktem Zusammenhang mit den beschriebenen Entwicklungen der Globalisiemng stehen die Arbeitsbedingungen, unter denen Arbeitnehmer vor allem in Schwellen- und Entwick-lungslandem Konsumgiiterprodukte, wie z. B. Textilien und Bekleidung oder Spielwaren, herstellen, die hauptsachlich in den Industrielandem konsumiert werden.'̂ Immer wieder wird von den verschiedensten NGOs, insbesondere den Menschenrechtsorganisationen, auf soziale Missstande hingewiesen, indem sie Untemehmen in der Offentlichkeit anprangem, die durch Arbeitnehmerausbeutungen Profit machen.'̂ Kritisiert werden vor allem: Kinderarbeit, unzu-reichende Arbeitssicherheit, Unterschreitung gesetzlich vorgeschriebener Mindestlohne, Un-
In der folgenden Arbeit wird entweder der englische Begriff „Stakeholder" oder die deutsche Ubersetzung „Anspruchsgruppen" verwendet. Beide Begriffe sind gleichbedeutend und stehen synonym fureinander. Vgl. Ulrich 1977, S. 1 ff.; Schaltegger/Sturm 1994, S. 1. Vgl. Teubner 2000. Vgl. Pfriem 1996. Vgl. Lawrence 2002, S. 187 f Vgl. Drumwright 1994 (zitiert nach Lamming/Hampson 1996, S. 45). Vgl. Kuckartz/Grunenberg 2002, S. 77. Vgl. Kommission der Europaischen Gemeinschaften 1998, S. 5 f Vgl. Krauss 1997; Lai 1998; Connor 2002. Vgl. Griineberg et al. 2001, S. 70 f
1 Einleitung 3
terdriickung gewerkschaftlicher Betatigung, Diskriminierung, unzumutbare Arbeitzeiten, er-
zwungene Arbeitsstunden etc.'̂ Diese Unterschiede in den jeweiligen Arbeitsbedingungen der
einzelnen Lander ergeben sich durch die unterschiedlichen vorherrschenden gesetzlichen
Rahmenbedingungen bzw. okologischen und sozialen Standards. In Schwellen- und Entwick-
lungslandem entsprechen die Arbeits- und Sozialgesetze haufig nicht den MaBstaben der
westlichen Industrienationen bzw. konnen von den jeweiligen Behorden in einem Land nicht
durchgesetzt werden.'^
Globalisierung eroffnet somit Untemehmen einerseits neue Beschaffungsmoglichkeiten mit
sinkenden Preisen, erfordert andererseits jedoch gleichzeitig eine komplexere Organisations-
struktur aufgrund der gestiegenen Lieferantenanzahl. Die Ausweitung der Beschaffung eines
Untemehmens auf andere Lander birgt neue umweltbezogene und soziale Verantwortlichkei-
ten auf globaler wie nationaler Ebene gegentiber Stakeholdem.'^ Vorrangig Verbraucher so-
wie NGOs erwarten immer mehr Informationen iiber die Bedingungen, unter denen Produkte
und Dienstleistungen produziert werden, und strafen VerstoBe auf umweltbezogener und so-
zialer Ebene mit gesellschafllicher Verachtung (vgl. als Beispiele Shell, Nike)'^ Besonders
die Reputation und das Image eines Untemehmens sind als fundamental Erfolgskriterien der
Geschaftstatigkeit zunehmend gefahrdet und ziehen mogliche EinbuBen der Wettbewerbsfa-
higkeit auf den Absatzmarkten nach sich." Deshalb ist es sinnvoll fur Untemehmen, a priori
umweltbezogene und soziale Aspekte in ihre Lieferantenbeziehungen zu integrieren, um da-
mit Risikopotenziale bezuglich solcher Missstande zu reduzieren bzw. auszuschlieBen sowie
zusatzliches Vertrauen bei Stakeholdem aufzubauen.̂ ° Doch gerade aufgmnd der gestiegenen
Lieferantenanzahl entstehen Untemehmen verstarkt Probleme bei der Umsetzung von Stake-
holder-Anfordemngen in ihren immer starker ausdifferenzierten Lieferantenbeziehungen.
Hierbei stellen sich Fragen nach neuen Kriterien beziiglich der Bewertung und Auswahl von
Lieferanten, nach moglichen Formen der Einfuhmng und Umsetzung von Umwelt- und Sozi-
alstandards in Lieferantenbeziehungen sowie Kontrollmechanismen und Einhaltungsanreizen
fiir Lieferanten. Dies lasst ein sehr komplexes Organisationsproblem ftir Untemehmen erken-
nen.
Insbesondere die Automobilindustrie ist durch ein hochkomplexes Netzwerk weltweit tatiger
Zulieferer gepragt. '̂ Sichtbar wird dies sowohl an der Vielzahl von Lieferanten, mit denen ein
Automobilhersteller in direktem Kontakt steht (horizontale Lieferantenstmktur), als auch an
der Tatsache, dass der jeweilige Lieferant seinerseits haufig auf eine mehrstufige Lieferanten-
Vgl. Time 1996; Washington Post 1996; Spiegel 1998, 2001. Vgl. Scherer 2002, S. 11. Vgl. Kommission der Europaischen Gemeinschaften 2002, S. 5. Vgl. Mohr/Schneidewind 1996; Murphy/Matthew 2001. Vgl. Roberts 2003, S. 160. Vgl. Kommission der Europaischen Gemeinschaften 2002, Roberts 2003, S. 161; S. 5; Simpson 2005, S. 314. Vgl. MendiusAVendeling-Schroder 1991, S.ll f.; Simpson/Power 2005, S. 61.
4 1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen
kette" zuruckgreift (vertikale Lieferantenstruktur)." Durch die globale Beschaffung von Vor-
produkten beziehen auch Automobilhersteller heutzutage Lieferanten aus Schwellen- und
Entwicklungslandem in dieses Netzwerk ein, die an ihren Produktionsstandorten teilweise
andere gesetzliche Rahmenbedingungen bzw. okologische und soziale Standards aufweisen,
welche zum Teil deutlich von den eigenen Standards des Automobilherstellers im Industrie-
land abweichen. Bei mehrstufigen Lieferantenbeziehungen konnen Untemehmen allgemein
kaum garantieren, dass ihre Lieferanten die Standards einhalten, denen das Untemehmen im
eigenen Land folgen muss.̂ '* Da Anspruchsgruppen — hier vor allem NGOs —, welche sich oft
als Forderer einer Nachhaltigen Entwicklung ansehen, die Verantwortung fiir das Verhalten
von Lieferanten in der Regel ihren offentlich exponierten Auftraggebem zuweisen, entstehen
enorme Risiken ftir die offentliche Reputation und fiir die Attraktivitat des Absatzuntemeh-
mens gegeniiber seinen Kunden. Deshalb ist es fiir einen Automobilkonzem, wie beispiels-
weise die Volkswagen AG (VW), wichtig, Risiken aufgrund von VerstoBen ihrer Lieferanten
bezogen auf selbst beriicksichtigte Umwelt- und Sozialstandards zu verringem bzw. wenn
moglich auszuschliefien.
1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen
Vor diesem Hintergrund ist das Ziel dieser Forschungsarbeit, ein Integrationskonzept zur Um-
setzung umweltbezogener und sozialer Standards im Beschaffungsmanagement bzw. in den
Lieferantenbeziehungen eines Automobilherstellers am Beispiel der Volkswagen AG unter
Beriicksichtung der in diesem Fall spezifischen Strukturen, Prozesse und Verantwortlichkei-
ten zu entwickeln. Die Arbeit geht von der These aus, dass sich der Grundgedanke Nachhalti-
ger Entwicklung, der immer starker auch im Beschaffiingsmanagement der Untemehmen in
den Blickpunkt des Interesses riickt, durch die Beriicksichtigung umweltbezogener und sozia
ler Standards in Zusammenarbeit mit den Lieferanten eines Untemehmens auch im Bereich
Beschaffung etablieren lasst." Gleichzeitig wird damit die Erhohung der Transparenz inner-
halb der Wertschdpfimgsketten fiir vorgelagerte Stufen der Direktzulieferer (First Tier-
Supplier) angestrebt sowie die Verantwortungsiibemahme von Untemehmen fiir okologische
und soziale Auswirkungen in der gesamten vor- und nachgelagerten Wertschopfiingskette
gefi)rdert.
Hierbei ergeben sich in doppelter Hinsicht positive Auswirkungen fiir die Untemehmenstatig-
keit. Einerseits beeinflusst die Anerkennung umweltbezogener und sozialer Verantwortung
Im Rahmen der Arbeit werden die Begriffe „Lieferantenkette", „Wertsch6pfungskette" und „Supply Chain" synonym verwendet. Vgl. Arnold 1997b, S. 95 f Vgl. BMU 2002a, S. 77. Vgl. Seuring/Miiller 2004, S. 119; ftir den Umweltbereich siehe auch Walton et al. 1998; Hall 2000; Bowen etal. 2001; Sarkis 2003.
1 Einleitung 5
eines Untemehmens bezogen auf seine Lieferantenkette das Image und den Ruf des Unter-nehmens in der Offentlichkeit, da Stakeholder-Gruppen (vor allem NGOs und Verbraucher) mehr und mehr Informationen dariiber erwarten, unter welchen Bedingungen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe bzw. Vorprodukte beschafft und anschlieBend Produkte und Dienstleistungen produziert werden. Solche Informationen gewinnen im stetig ansteigenden intemationalen Wettbewerbsdruck zunehmend an Bedeutung und stellen somit einen Wettbewerbsvorteil dar.̂ ^ Andererseits wurde versucht, im Rahmen der Arbeit einen Such- und Lemprozess anzu-stoBen, welcher dem Untemehmen die Moglichkeit eroffhet, sich wieder ein Stuck in Rich-tung Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln. Aus der aufgezeigten Problemstellung ergibt sich folgende Forschungsfrage fur die vorliegende Arbeit:
Wie konnte ein strukturiertes Konzept zur Integration und Kontrolle von Umweh- und So-
zialstandards in das strategische Beschaffimgsmanagement im Sinne einer Nachhahigen
Entwicklung aussehen?
Fiir die Beantwortung dieser Fragestellung konnen wiederum folgende Unterfragen abgeleitet werden:
1. Welche Bedeutung haben umweltbezogene und soziale Standards im Rahmen Nach-hahiger Entwicklung bisher allgemein fur Untemehmen?
2. Welche Umwelt- und Sozialstandards werden derzeit bereits von Lieferanten der Au-tomobilindustrie umgesetzt oder sogar wiederum von ihren Vorlieferanten gefordert?
3. Wie stellt sich der Ist-Zustand von Automobilherstellem, und speziell am Beispiel der Volkswagen AG, bezogen auf die Beriicksichtigung von Umwelt- und Sozialaspekten innerhalb der Beschaffungsstrukturen (Lieferantenauswahl, Lieferantenvorgaben und Lieferantenkontrolle) dar?
4. Welche Handlungsempfehlungen konnten aus einem speziellen Nachhaltigkeitskon-zept zur Integration und Kontrolle von Umwelt- und Sozialstandards in die Lieferan-tenbeziehungen ftir die Volkswagen AG als Automobilhersteller fur ein von anderen Untemehmen einsetzbares Allgemeinkonzept abgeleitet werden?
Die Arbeit widmet sich somit einem neuen Gestaltungsfeld fur Untemehmen auf dem Weg zu einer Nachhaltigen Entwicklung: der Integration und Kontrolle von Umwelt- und Sozialstandards in das Beschaffungsmanagement bzw. die Lieferantenbeziehungen, ftir das in der Lite-ratur bisher keine Ansatze zu konzeptionellen Modellvorschlagen gefunden werden konnten.̂ ' In diesem Zusammenhang stellt besonders die Uberfordemng von Lieferanten mit nicht um-setzbaren Anspriichen, die alle Standards beinhalten, ein Problem dar. Gleichzeitig muss je-
Vgl. Sarkis 1999. Die gleiche Feststellung findet sich auch bei Simpson 2005.
6 1.3 Gang der Untersuchung
doch darauf geachtet werden, ein Konzept zu entwickeln, welches zum einen in die vorhande-
nen Untemehmensstrukturen implementiert werden kann und zum anderen das Risikopoten-
zial beziiglich umweltbezogener oder sozialer ProblemeA^erstoBe innerhalb der Wertschop-
fungsketten wirklich reduziert und damit die Leistungsfahigkeit der gesamten Supply Chain
verbessert.̂ *
1.3 Gang der Untersuchung
Die vorliegende Arbeit beschreibt den Prozess sowie die Inhalte eines Aktionsforschungspro-
jektes und nimmt eine Bewertung der Ergebnisse vor. Sie besteht aus einem theoretischen
(Kapitel 2), einem methodischen (Kapitel 3) und einem empirischen Teil (Kapitel 4) und setzt
sich aus insgesamt funf Kapiteln mit folgenden Inhalten zusammen:
Das erste Kapitel, die Einleitung, zeigt als Ausgangsbasis die grundlegende Problemstellung
der Arbeit auf. Davon ausgehend wurden eine allgemeine Zielsetzung und entsprechende For-
schungsfragen abgeleitet. Der Gang der Untersuchung gibt einen Uberblick iiber den Ablauf
der Arbeit. Danach wird kurz das Forschungsprojekt dargestellt, welches der Arbeit als empi-
risches Forschungsfeld diente. AbschlielJend erfolgt eine ausftihrliche Erlauterung des wis-
senschaftstheoretischen und forschungsprogrammatischen Grundverstandnisses.
Im zweiten Kapitel werden die theoretischen Grundlagen Nachhaltiger Entwicklung und des
Beschaffungsmanagements aufgearbeitet. Fur den ersten Hauptteil wird das Thema Nachhal-
tigkeit ausfuhrlich diskutiert. Hierbei wird auf die Definitions- und Verstandnisfrage sowie
den Drei-Saulen-Ansatz („tripple bottom line") eingegangen. Zudem wird Nachhaltigkeit als
untemehmensstrategische Frage untersucht, um die Bedeutung von Untemehmen als wesent-
liche Akteursgruppe bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit in der Gesellschaft aufzuzeigen.
Ein dritter Aspekt beriicksichtigt die Chancen und Risiken, die sich fur Untemehmen im Zuge
der fortschreitenden Globalisierung ergeben. AbschlieBend werden die Themen Umwelt- und
Sozialstandards und Stakeholder vorgestellt. Die Arbeit soil zeigen, wie Umwelt- und Sozial-
standards zur Forderung einer nachhaltigen Untemehmensentwicklung besonders im Bereich
der Beschaffung eingesetzt werden konnen. Der zweite Hauptteil umfasst die Einordnung der
Arbeit in den Bereich des Beschaffungsmanagements. Ein erster wichtiger Block beinhaltet
die theoretischen Grundlagen des Beschaffungsmanagements. Der zweite Abschnitt geht auf
das Thema Lieferantenbeziehungen ein. In einem dritten Schritt werden die beiden Themen-
komplexe Nachhaltigkeit und Beschaffungsmanagement zusammengeftihrt. AnschlieBend
wird ein Zwischenfazit aus den vorherigen theoretischen Ausfuhrungen des gesamten Kapi-
tels gezogen. Den Schluss bildet die Entwicklung eines Anforderungskataloges auf Basis ei
nes Kriterienrasters fur ein Konzept zur Integration von Nachhaltigkeit in das Beschaffungs-
Siehe dazu auch Simpson 2005, S. 314.
1 Einleitung 7
management eines Untemehmens. Anhand der Kriterien soil das im Rahmen des Forschungs-projektes entwickelte VW-Konzept in Kapitel 4 bewertet werden. Gleichzeitig wird auf for-demde und hemmende Faktoren ftir die Umsetzung von Nachhaltigkeit im Beschaffungsma-nagement eingegangen, welche ebenfalls im Rahmen des Konzeptes teilweise berucksichtigt wurden.
Das dritte Kapitel gibt zuerst eine theoretische Einftihrung in den Bereich der Qualitativen Sozialforschung und stellt daraus abgeleitet die der Arbeit zugrunde liegende Forschungsme-thodik vor. Unter Berucksichtigung der Zielsetzung und ausgehend vom zu untersuchenden Forschungsfeld soil fur das Forschungsprojekt auf die Methodik der Aktionsforschung zu-riickgegriffen werden. Deshalb wird im zweiten Teil des Kapitels auf die Grundlagen, die Zielsetzung, den Prozessverlauf, die Methoden sowie die Gutekriterien von Aktionsforschung eingegangen. Den Schluss bilden Erlauterungen zu moglichen Problemen und Risiken bei der Durchfuhrung von Aktionsforschung. Der dritte Teil beschreibt abschlieUend anhand der auf-gezahlten Merkmale die Umsetzung der Aktionsforschungsmethodik im Projekt, einschlieB-lich aller analysierten Schwierigkeiten, Probleme und Mangel, und nimmt dazu Stellung.
Im vierten Kapitel wird am Anfang eine kurze Darstellung der Merkmale und Besonderheiten der Automobilbranche, des Wettbewerbs sowie der okologischen und sozialen Herausforde-rungen und speziell des Automobilherstellers Volkswagen AG in Bezug auf Nachhaltigkeit und Beschaffungsmanagement gegeben, da Volkswagen empirischer Untersuchungsgegens-tand des Forschungsprojektes war. Weiterhin zeigt der zweite Teil zum einen die Umsetzung und Ergebnisse der verschiedenen Projekteinheiten und stellt zum anderen alle Losungsoptio-nen fiir die Integration von Nachhaltigkeit in den einzelnen Ebenen dar, die wahrend des Pro-jektes erarbeitet wurden. Erst danach wird das endgiiltige Konzept der Integrationsstrategie, welches sich aus verschiedenen Losungsoptionen zusammensetzt, als Forschungsergebnis beschrieben und erlautert. AnschlieBend fmdet in diesem Kapitel eine Bewertung des Konzeptes auf Basis des in Kapitel 2.4 entwickelten Kriterienrasters sowie der fordemden und hemmenden Faktoren fur Nachhaltigkeit statt. Im letzten Abschnitt werden aus dem spezifi-schen VW-Konzept Handlungsempfehlungen ftir andere Untemehmen und somit allgemeine Elemente eines Nachhaltigkeitskonzeptes ftir das Beschaffiingsmanagement als Orientie-rungsrahmen abgeleitet.
Das ftinfte Kapitel schlieBt die Arbeit mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse und einer Gesamtbetrachtung des Forschungsprojektes. Weiterhin werden die Forschungsbeitrage der Arbeit zur Operationalisierung von Nachhaltigkeit, ftir das strategische Beschaffungsmanagement sowie die, die sich aus dem Einsatz von Aktionsforschung ergeben, aufgezeigt und die Grenzen des Forschungsdesigns diskutiert. AbschlieBend erfolgt ein Ausblick auf den
8 1.3 Gang der Untersuchung
weiterftihrenden Forschungsbedarf. Abbildung 1 fasst den Aufbau der Arbeit noch einmal im
Uberblick zusammen.
Kapitel 1: Problemstellung, Zielsetzung, Gang der Untersuchung und Wissenschaftstheorie
I Kapitel 2: Konzeptionelle Grundlagen
Nachhaltige Entwicklung
, 1 Untemehmen
1 Globalisierung
•
1 Umwelt-/
Sozialstandards
1 Stakeholder
Beschaffungsmanagement
1 Aufgaben
1 Strategie-
ebenen
1 Prozess
1 Kontext
> , Lieferanten- 1
ketten |
Entwicklung eines Kriterienrasters zur Bewertung
i i i Forderade/hemmende Faktoren
I Kapitel 3:
Empirische Sozialforschung
1
Forscliungsniethodil( und Einordnung der Arbeit
Qualitative Sozialforschung
1 Aktionsforschung
1 Umsetzung der Aktionsforschung im Projekt
I Kapitel 4: Entwicklung und Bewertung einer Integrationsstrategie
Empirisches Feld: Automobilindustrie und Volkswagen AG
1 Konzept
. i Bestands-aufnahme
y f
\ Losungsoptionen
1 Konzept
Bewertung des Konzeptes
Ableitung eines allgemeinen Nachhaltigkeitskonzeptes
T Kapitel 5: Schlussbetrachtung, Forschungsbeitrag und Ausblick
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
1 Einleitung 9
1.4 Das Forschungsprojekt
In diesem Kapitel wird auf die Inhalte und den Ablauf des Forschungsprojektes „Nachhaltig-
keit in der Lieferantenkette" eingegangen. Dieses diente als Grundlage und Datensammlung
fiir den in Kapitel 3 dargestellten Aktionsforschungsprozess sowie die in Kapitel 4 beschrie-
benen und bewerteten Ergebnisse der Untersuchungen. Das Forschungsprojekt stellte ein
Gemeinschaftsprojekt der Volkswagen AG und Wissenschaftlem der Universitat Oldenburg,
speziell dem Lehrstuhl fur Produktion und Umwelt am Institut BWL, dar und wurde im Zeit-
raum von Januar 2003 bis August 2004 durchgefuhrt.
Das Vorhaben gestaltete sich von Beginn an als ein Dialogprozess mit relativ weitgehender
Ergebnisoffenheit durch den Praxispartner. Ausgehend von der zentralen Forschungsfrage
ergaben sich einzelne Fragestellungen fur das konkrete Vorgehen innerhalb des Projektes:
• Welche Bedeutung haben umweltbezogene und soziale Aspekte im Rahmen nachhal-
tiger Entwicklung bisher ftir Lieferanten der Volkswagen AG? Welche Umwelt- und
Sozialstandards werden derzeit bereits von Lieferanten umgesetzt oder sogar wieder-
um von ihren Vorlieferanten gefordert?
• Wie stellt sich der Ist-Zustand der Volkswagen AG bezogen auf die Berticksichtigung
von Umwelt- und Sozialaspekten innerhalb der Beschaffungsstrukturen (Lieferanten-
auswahl, Lieferantenvorgaben und Lieferantenkontrolle) dar, welche Liicken konnen
aufgezeigt werden?
• Welche Herausforderungen (Chancen und Risiken) ergeben sich fur die Volkswa
gen AG als global tatiges Untemehmen?
• Wie konnte eine Strategic zur Integration und Kontrolle von Umwelt- und Sozialstan
dards in die Lieferantenbeziehungen ftir das Untemehmen Volkswagen aussehen?
Als wissenschaftlicher Partner und somit in der Rolle des Forschers iibemahm die Universitat
Oldenburg vor allem folgende Aufgaben:
• Beratungsfunktion ftir das Projekt,
• wissenschaflliche Analysen zu grundlegenden theoretischen Themen,
• eine empirische Untersuchung zur Umsetzung von Umwelt- und Sozialstandards im
Rahmen einer Lieferantenumfrage,
• Moderations- und Beratungsfunktionen innerhalb des Diskursprozesses,
• Strukturierung, Aufbereitung und Dokumentation der einzelnen Prozessergebnisse und
• Mitwirkung an der Entwicklung eines Konzeptes zur Umsetzung der Ergebnisse.
10 1.4 Das Forschungsprojekt
Auf der Seite des Praxispartners wurden in den gesamten Projektverlauf im Rahmen von
Workshops folgende Organisationseinheiten (OE) der Volkswagen AG involviert:
• Arbeitsumwelt- und Arbeitsschutz,
• Beschaffling/Beschaffungsstrategie,
• der Gesamtbetriebsrat,
• Umweltstrategie und Umweltplanung,
• Qualitatssicherung (QS) fur die Bereiche Geschaftsprozesse und Lieferanten-Audit,
• Regierungsbeziehungen,
• die Technische Entwicklung
• sowie das Zentrale Personalwesen.
Unabhangig davon existierte gleichzeitig ein Kemprojektteam (KPT) bestehend aus drei Ver-
tretem des Praxispartners (Beschaffung, Umweltstrategie und Personalwesen) und zwei Ver-
tretem der Wissenschaft zur Koordination sowie Vor- und Nachbereitung der Workshops.
Das Forschungsprojekt kann grundsatzlich in vier wesentliche Projekteinheiten gegliedert
werden, welche einmaligen oder prozessoralen Charakter aufwiesen und somit teilweise im-
mer wieder durchlaufen wurden:
1. Vorbereitende Analysen, 2. Projektteamtreffen und Workshops, 3. Bestandsaufnahme VW (Interviews) und 4. Einbeziehung von Lieferanten (Umfrage/Lieferanten-Workshop).
1 Einleitung
1 Nr.
1 •̂
2.
3.
1 •̂
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
Projektabschnitte
Vorbereitende Analysen • Herausforderungen • Standards • Best Practice-Untemehmen
Workshop 1 • Einfiihrung in die Thematik • Problemdefinition/Ergebnisse der Analyse • Ziele VW „Nachhaltigkeit Lieferantenkette"
Bestandsaufnahme VW • Erfassung Vorgaben intern/extern • Strukturen und Prozesse • Problembereiche Lieferanten
Workshop 2 • Ergebnisse Bestandsaufnahme VW • Zieldefinition • Diskussion verschiedener LSsungsstrategien • Planung vor Ort-Besuche bei Lieferanten
Lieferantenumfrage
Workshop 3 • Ergebnisse Lieferantenumfrage • Konzeptentwurf Integrationsstrategie • Entwicklung LieferantenerklSrung • Planung Lieferanten-Workshops
Workshop 4 • Ergebnisse vor Ort-Besuche Mexiko • Uberarbeitung Konzeptentwurf und Lieferanten-
erklarung • Diskussion Risiko-Fruherkennung
Workshop 5 • Vorstellung der vorlaufigen Projektergebnisse • Vorbereitung der Lieferanten-Workshops
Einbeziehung Lieferanten • Lieferantenumfrage aus Ausgangsbasis • L Lieferanten-Workshop • IL Lieferanten-Workshop
Workshop 6: • Abschlussdiskussion • Verabschiedung des Endkonzeptes
Abschlussbericht
Zeitraum
Februar-Juni 2003
10. Juli 2003
August-September 2003
September 2003
Juli-November 2003
November 2003
28. Januar 2004
16.Marz2004
November 2004
24.Juni 2004
28.06.2004
30. August 2004
Juni-August 2004
Beteiligte
UOL
VW, UOL
KPT
VW, UOL 1
UOL 1 VW, UOL
VW, UOL 1
VW, UOL
VW,UOL,EX 1
VW, UOL
UOL 1
VW = alle einbezogenen OEs von Volkswagen
KPT = Internes Projektteam (VW Organisationseinheiten + UOL)
UOL = Forschungsteam der Carl von Ossietzky Universitat Oldenburg
EX = Ausgewahlte Lieferanten von Volkswagen |
Tabelle 1: Schematisierter Ablauf derForschungsstudie
Da Kapitel 4.2 eine ausftihrliche inhaltliche Aufarbeitung der Umsetzung der einzelnen Pro-
jekteinheiten darstellt, soil an dieser Stelle nicht darauf eingegangen werden.
12 1.5 Wissenschaftstheoretische/forschungsprogrammatische Grundlagen
1.5 Wissenschaftstheoretische/forschungsprogrammatische Grundlagen
Die folgende Arbeit widmet sich einem konkreten Praxisproblem, der Integration umweltbe-
zogener und sozialer Standards in die Beschaffungsstrukturen des Volkswagen Konzems ftir
eine Nachhaltige Entwicklung. Sie besitzt dadurch ein gestaltungsorientiertes Anliegen. Dabei
wird ausgehend von den extemen gesellschaftlichen Bedingungen und den intemen struktu-
rellen Zwangen des Untemehmens versucht, einen Ansatz fur die Entwicklung eines ganzheit-
lichen, das heiiJt alle tangierenden Prozesse umfassenden, Konzeptes zu bieten. Gleichzeitig
zielt die Untersuchung auf situationsspezifische Handlungsempfehlungen ab und konzentriert
sich auf einen intemationalen Automobilhersteller, die Volkswagen AG, als konkreten For-
schungsgegenstand.^' Somit liegt der Arbeit ein qualitativer Forschungsansatz^" zugrunde und
die Forschung an sich wird als iterativer Lemprozess verstanden, welcher eine standige Inter-
aktion zwischen Fragen an die Realitat, Sammlung von Daten, kritischer Reflexion und Abs-
traktion sowie theoretischer Verarbeitung beinhaltete.^' Eine ausfuhrliche Beschreibung des
Forschungsansatzes der Arbeit einschlieBlich der Umsetzung im Forschungsprojekt wird in
Kapitel 4 gegeben, weshalb an dieser Stelle darauf verzichtet werden soil. Dieser Forschungs-
ansatz baut auf dem Grundverstandnis der Betriebswirtschaftslehre als anwendungsorientierte
Wissenschaft nach Hans Ulrich auf, welches im Folgenden ausfiihrlich beschrieben ist.̂ ^
1.5.1 Anwendungsorientierte Wissenschaft
Als wissenschaftstheoretisches Grundverstandnis wird der Arbeit das Verstandnis Hans Ul-
richs zu anwendungsorientierter Wissenschaft zugrunde gelegt. Darunter versteht er „[...] die
Tdtigkeit von Hunderttausenden von wissenschaftlich gebildeten Menschen, die darauf ge-
richtet ist, mit Hilfe von Erkenntnissen der theoretischen oder Grundlagenwissenschaften
Regeln, Modelle und Verfahren fur praktisches Handeln zu entwickeln /...7""- Diese Forschung steht somit als Diskrepanz zwischen Grundlagenforschung und Praxis und ist unab-
dingbare Voraussetzung fur ein wissenschaftsgeleitetes praktisches Handeln. Dabei wird die
Bestimmung von Forschungszielen und Fortschrittskriterien des Wissens von praktischen
Interessen abhangig gemacht.̂ ^
Bisher wurde dieser Bereich jedoch kaum von Seiten der Wissenschaftstheorie berucksichtigt.
Grundsatzlich gibt es in diesem Zusammenhang zwei verschiedene Ansatze: Zum einen wird
davon ausgegangen, dass zwischen theoretischer und anwendungsorientierter Forschung
„In unserer bisherigen Forschung erfiihren wir, dass eine qualitative und tief schiirfende Forschung von Ein-zelfallen und Branchen oft zielftihrender ist, als eine herkommlich, quantitativ ausgerichtete und representative Forschung.", Belz/Tomczak 1994, S. 22. Siehe ausfiihrlich Kapitel 5.2. Fiir nahere Erlauterungen siehe Kapitel 1.3.4. Vgl. Ulrich 2000. Ulrich 2000, S. 203. Vgl. Ulrich 2000, S. 205 ff
1 Einleitung 13
kaum Unterschiede existieren, zum anderen wird anwendungsorientierte Forschung direkt der Praxis zugeordnet und nicht als Wissenschaft anerkannt." Ulrich selbst vertritt keinen der beiden Ansatze. Seiner Meinung nach gibt es wesentliche Unterschiede zwischen beiden For-schungsarten, die sich aus den spezifischen Zusammenhangen bei der Problementstehung und den verschiedenen Strukturen ergeben. Dementsprechend konnen die jeweiligen Forschungs-methodiken und Fortschrittskriterien nicht miteinander gleichgesetzt werden. Die Merkmale anwendungsorientierter Wissenschaft fasst er in folgenden fiinf Punkten zusammen:̂ *̂
1. Ausgangsort ftir Probleme angewandter Forschung ist die Praxis und nicht die Wissenschaft. Nicht die Giihigkeit und die Erklarungskraft von Theorieentwiirfen und all-gemeinen Hypothesen sind hierbei von Bedeutung, sondem man fi-agt nach der An-wendbarkeit von Modellen und Regeln ftir anwendungsorientiertes Verhalten in der Praxis. Anwendbarkeit bedeutet in dem Rahmen sowohl, dass das identifizierte Problem durch das entwickehe Modell und die Regeln angemessen dargestellt werden kann, als auch eine Anschlussfahigkeit bei den Adressaten der Modelle und Regeln gewahrleistet ist." Ausgangsort ftir Untersuchungen der Arbeit war der Beschafftings-prozess eines multinationalen Untemehmens. Problemstellung des Projektes bildete das Fehlen umweltbezogener und sozialer Standards in den Lieferantenbeziehungen als ein Risiko ftir Reputationsverluste von Untemehmen gegeniiber offentlichen An-spruchsgruppen im Sinne Nachhaltiger Entwicklung. Volkswagen besafi vor der Durchftihrung des Projektes keine systematischen Strukturen und Prozesse, um um-weltbezogene und soziale Anforderungen bei Lieferanten beriicksichtigen und kontrol-lieren zu konnen. Ftir die Entwicklung einer geeigneten, den Rahmenbedingungen an-gepassten Integrationsstrategie wurden alle vom Beschafftmgsprozess beeinflussten Organisationseinheiten auf Konzemebene in das Projekt einbezogen. Im Rahmen von diskursorientierten Workshops wurde gemeinsam ein Konzept zur Umsetzung von Nachhaltigkeit erarbeitet und verabschiedet.
2. Der Inhalt von Problemen handelnder Menschen lasst sich nicht in die verschiedenen Disziplinen der Grundlagenft)rschung einordnen und ist somit a-disziplinar. Daraus ergibt sich von vomherein eine gewisse Interdisziplinaritat ftir den Bereich angewandter Forschung. Dieser Herausft)rderung wird die vorliegende Forschungsarbeit nur teilweise gerecht. Ein erster Ansatz entsteht durch die Verbindung eines betriebswirt-schaftlichen Themas, des Beschafftingsmanagements, mit einer sozialwissenschaftli-chen (auch soziologisch bzw. psychologisch gepragten) Forschungsmethodik, der Ak-tionsftjrschung, welche in der Betriebswirtschaftlehre (BWL) eher selten Anwendung findet.^ Ein weiterer interdisziplinarer Aspekt ergibt sich aus der Einbeziehung meh-
Vgl. Ulrich 2000, S. 206. Vgl. Ulrich 2000, S. 206. Vgl. Schneidewind 1998, S. 23. Vgl. Kaplan 1998; auch Gleich 2001, S. 133 ff.
14 1.5 Wissenschaftstheoretische/forschungsprogrammatische Grundlagen
rerer Organisationseinheiten eines Untemehmens und einzelner Lieferanten als Stakeholder in den Forschungsprozess. Auch wenn auf wissenschaftlicher Seite nur Wirt-schaftswissenschaftler beteiligt waren, so wird das grundlegende Forschungsthema Nachhaltigkeit inzwischen von den verschiedensten Wissenschaflen aufgegriffen und beforscht und besitzt damit aus sich selbst heraus schon eine gewisse Interdisziplinari-tat.
3. Angewandte Forschung beinhaltet das Ziel, eine neue Wirklichkeit zu entwerfen. Die-ser Ansatz geht einen Schritt weiter als der Versuch empirischer Grundlagenforschung die vorgefundene Wirklichkeit zu beobachten und anhand allgemeiner Theorien zu analysieren und zu begriinden. Die bestehende Wirklichkeit ist nur die Basis fur die Entwicklung moglicher zukiinftiger Wirklichkeiten.̂ ' Ziel des Forschungsprojektes war die Umstrukturierung und Erweiterung des bestehenden VW-Beschaffungs-prozesses auf alien Ebenen (Normative Ebene, Fruherkennung, Beschaffungsprozess und Monitoring einschlieBlich Lieferantenentwicklung) um umweltbezogene und so-ziale Anforderungen (Kriterien) fur eine nachhaltigere Lieferantenauswahl und -bewertung. Hierfur wurde von den Ergebnissen einer Bestandsaufnahme (Ist-Analyse) bei Volkswagen ausgegangen, prozessbedingte Schwachstellen abgeleitet und ver-sucht, geeignete Losungsoptionen fiir Veranderungen zu entwickeln.
4. Als Regulativ des Prozesses angewandter Forschung steht nicht die Wahrheit wissenschaftlicher Aussagen, sondem der Nutzen der zu entwickelnden Entwiirfe fur die Praxis. Dabei wird von einem erweiterten Wahrheitsbegriff ausgegangen. In dem Kontext kann Wahrheit verschiedene Bedeutungen haben: Wahrheit als „Korrespondenz" meint die Ubereinstimmung von Aussagen und objektiver Wirklichkeit, Wahrheit als „Koharenz" betriflft die Konsistenz und innere Logik von Aussagen, Wahrheit als „Pragmatischer Nutzen" fokussiert auf die praktischen Folgen einer Aussage.*" AuBer-dem konnen die Fortschrittskriterien angewandter Forschung eher als Nutzkriterien betrachtet werden. Dazu zahlen Leistungsgrad, Zuverlassigkeit, universelle Anwend-barkeit usw. der geflindenen Aussagen. Die Ergebnisse der Arbeit sollen fiir Volkswagen als zuverlassige Methode dienen, Umwelt- und Sozialstandards in Lieferantenbe-ziehungen erfolgreich zu integrieren und dadurch Reputationsrisiken zu minimieren. Wichtig war hierbei die Einftihrung von entsprechenden Prozessen in der Beschaffung und die Entwicklung geeigneter Instrumente, um Probleme innerhalb der Kette kurz-fristig zu erkennen und zeitnah im Falle jedes einzelnen Lieferanten darauf reagieren zu konnen. Anhand dieser Kriterien lasst sich der Nutzen des Konzeptes fur die Praxis bemessen.
5. Diese forschungsleitenden Nutzkriterien stellen direkte, standig durch den Forscher angewendete Werturteile dar, wodurch das Wertfreiheitspostulat fur eine angewandte
Vgl.Lenk;S. 189 f Vgl.Kvalel991.