Julie Wüster und Caspar Bartenstein

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Julie Der großen Dame des Hauses Wüster zum 130. Geburtstag gewidmet. Irene M. Weiß

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Heimatkundliche Serie von Irene M. Weiß

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JulieDer großen Dame des Hauses Wüster

zum 130. Geburtstag gewidmet.

Irene M. Weiß

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Irene M. Weiß

Julie

Der großen Dame des Hauses Wüsterzum 130. Geburtstag gewidmet.

Limitierte Auflage

/ 300

Eigenverlag Irene M. Weiß

Band 5

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Weiß, Irene M.:Julie

Der großen Dame des Hauses Wüsterzum 130. Geburtstag gewidmet.

1. Auflage – Wieselburg, 2006

ISBN-10: 3-9501919-8-4ISBN-13: 978-3-9501919-8-1

Eigentümerin, Herausgeberin und Verlegerin:Irene M. Weiß, A-3250 Wieselburg, Johann Wintergasse 9

Gestaltung:Mag. (FH) Johanna Weiß, A-3250 Wieselburg, Johann Wintergasse 9

Druck:radinger.print, A-3270 Scheibbs, Rutesheimer Straße 17

Copyright © 2006 Irene M. Weiß, Wieselburg

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Ende Juli 2006 erhielt ich eine An- frage von Irene Weiß aus Wiesel-burg, ob ich zu einer Doppel-Jubiläumsschrift zum 160. Ge-burtstag von Caspar Bartenstein und zum 130. Geburtstag seiner Tochter Juliana Wüster irgend-welche Unterlagen, Anekdoten, Erinnerungen, Bilder oder Doku-mente zur Verfügung stellen könnte; ich konnte – weil mir über beide Wieselburger Persönlichkeiten viele Fotos und vor allem auch drei Bände „Meine Erlebnisse“ meiner Großmutter im Ausmaß von über 800 Seiten zur Verfügung standen.

Genauigkeit und Belegbarkeit durch Dokumente sind der Autorin selbstverständlich. Mein Interesse an der Sache war aber erst dann wirklich geweckt, als ich merkte, dass ihr bei aller Wichtigkeit der aufgefundenen schriftlichen Unter-lagen sehr daran gelegen war und es ihr auch gelang, mit geradezu künstlerischer Intuition Quellen aufzuspüren, mit deren Hilfe es möglich war, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und erleb-bar zu machen.So stellte sie mir und anderen „Zeitzeugen“ ungewöhnliche Fra-gen wie: „was aß Julie gerne, wie

kleidete und bewegte sie sich, wie sprach sie, welche Accessoires trug sie, wie ging sie mit anderen Men-schen um“, usw.

Mit großem Ein-fühlungsvermögen und präziser Wie-dergabe gelang es ihr, ein zutreffen-des Bild sowohl von Caspar Bartenstein, als auch seiner Tochter Juliana Wüster – an die sich vielleicht noch einige wenige äl-tere Wieselburger erinnern können – zu entwerfen und mehr über die beiden Jubilare herauszufinden, als mir selbst bekannt war.

Jetzt, nach umfangreicher, mit viel Arbeit verbundener Korrespondenz und sonstiger Spurensuche ist, wie ich meine, ein interessantes Buch entstanden, zu dessen Gelingen ich der Autorin Irene Weiß herzlich gratulieren und danken möchte.

Thiele WüsterHeiligenberg, November 2006

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Juliana Maria Wüster wurde am 8. Oktober 1876 als Tochter des Brauereibesitzers Caspar Barten-stein und seiner Frau Juliana in Wieselburg Nr. 3 geboren. Bereits am nächsten Tag erfolgte die Taufe, die von Cooperator Franz Handlsperger vollzogen wurde. Als Taufpatin fungierte Theresia An- derle, Fleischhauers- und Bür- gersfrau in Scheibbs (2).

„Ich erinnere mich nicht mehr der Zeit, als meine Stiefschwestern noch zu Hause waren. Die älteste, Elise, heiratete bald und die jün-gere, Reserl, folgte ihrem Vater und Bruder Franz mit 10 Jahren ins Grab. Ich wuchs also allein auf, denn mein Stiefbruder Josef ist 12 Jahre älter und lebte meist außer Haus. Fast zu ängstlich gehütet, war ich wohl auch von Natur aus ein sehr schüchternes Kind. Mein Lieblingsvergnügen bildete das Zeichnen.“

Diese Worte stammen – wie alle Zi-tate, wenn nicht anders angegeben – aus Juliana Wüsters Aufzeich-nungen, welche den Titel „Meine Erlebnisse“ (1) tragen. Es sind dies drei gebundene Bücher mit einem gesamten Umfang von mehr als 800 Seiten, die Einblick in ihr Le- ben und die Umstände der Zeit geben.

Julie als Kind

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ches Julie eine lange Strecke ihres Lebensweges begleiten sollte und über das Julie schreibt: „Zu Hause wurde ich freudig empfangen, zwei dunkle Augen leuchteten jedesmal auf, wenn sie mich erblickten, sie gehörten einem kleinen, unansehn-lichen Persönchen, meiner Kinder-frau Kathi. Als ich ein halbes Jahr alt war, kam diese in unser Haus, wo sie mich seitdem mit Hingabe pflegte. Kathi kam ins Haus, nach- dem ihre Vorgängerin dabei ertappt worden war, wie sie mich in trunkenem Zustand verkehrt im Steckkissen liegend (mit dem Kopf nach innen) singend und tempera-mentvoll auf ihren Knien schaukel-te; die begeisterte Sängerin bekam sofort den Abschied und an ihre Stelle kam eben Kathi.“

Julies Vater Caspar stammte aus Alberschwende in Vorarlberg. Ihre Großeltern väterlicherseits waren Ignaz Bartenstein, geboren 1805 in Lingenau, und Magdalena Höfle, geboren 1817 in Sibratsgfäll. Julies Mutter Juliana stammte aus Yspertal, wo ihre Eltern eine Gastwirtschaft betrieben. Die mütterlichen Großeltern Julies waren Josef Pilshofer und Johanna Anderle, geboren 1813 in Gresten.In erster Ehe war Juliana Pils-hofer, mit Josef Riedmüller, Brau- ereibesitzer in Wieselburg, verhei-ratet. Aus dieser Ehe gingen vier Kinder hervor: Elisabeth (* 4. No-vember 1861, † 1. September 1932), Franz (* 12. Oktober 1862, † 6. April 1871), Josef (* 12. Februar 1863, † 3. Juni 1933) und Theresie (* 2. Ju- li 1869, † 20. Dezember 1879).Elisabeth heiratete Karl Mathes, Josef ehelichte die Gastwirtstochter Franziska Zehetner (* 11. Februar 1860, † 13. Juni 1931) aus Hainfeld und bewirtschaftete mit ihr das „Gasthaus zum Goldenen Löwen“. Josef wurde in Hainfeld am 26. No-vember 1908 in den Heimatverband aufgenommen.So wuchs Julie, wie sie selber schrieb, alleine auf. Aber da war Kathi, das tief religiöse Kinderfräulen, wel-

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Elisabeth und Josef. Nach Caspars Tod schrieb sie: „Als Vater starb faßte ich sofort den Entschluß, das an meinen Halbgeschwistern gut zumachen, was versäumt worden war.“ Das bedeutet, dass sie mit großer Sicherheit Josef und Elisa-beth Mittel aus ihrem eigenen Er- be zukommen ließ, welches wohl in der Hauptsache aus Brauereiaktien und Grundstücken bestand, deren Verkauf sie immer gut überlegte. Julie wusste ihr Erbe gut zu ver-walten. Mit viel Geschick verstand sie es, das Vermögen über die bei-den Weltkriege zu retten. Sie war bis zu ihrem Tode eine wohlhaben-de Frau.

Zu ihrer Schwester Elisabeth dürfte Julie den Kontakt zeitlebens nicht verloren haben, denn sie besuchte diese manchmal im ungarischen Holics. „Wir wohnten in dem Schlosse, wel-ches einst Kaiserin Maria Theresia besaß. [...] Jeden Herbst kam das Reitlehr-Institut nach Holics. Es bot ein farbenprächtiges Bild, wenn im Sonnenschein leuchtend die bunten Uniformen der Offiziere, die roten Fracks der Kavaliere und Reiter- innen auf den edlen Vollblutpfer-den sowie die weißbraun geflek-kten englischen Hetzhunde bunt durcheinander wimmelten. Alles zitterte darauf, losstürmen zu kön- nen.“ Julies eigentliches Interesse galt aber dabei mehr der Musik. Sie fand großen Gefallen an den Zigeunerkapellen, der Schwermü-tigkeit und der großen Leidenschaft, die den Zigeunerweisen inne lie-gen.Aufgrund der Gütergemeinschaft zwischen Juliana und Caspar Bartenstein hatte jeder Elternteil 3/6 zu vererben. Die 3/6 ihres Vaters erbte Julie zur Gänze, vom mütter-lichen Teil erbte sie 1/6 , ebenso wie

Julie (rechts) in ungarischer Tracht in HolicsTreibjagd in Holics

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Auch war es Vater Caspars Ärger-nis, dass sich Julie nicht für die Landwirtschaft interessierte. „[...] wie oft, wenn ich mit Mutter spazieren ging in die sogenannte Sonnleiten, ruhten wir kurz vor dem Walde auf ihrem Lieblings- platz aus und träumten hinüber zu dem schneegekrönten Berg. Wir sahen auf wogende Kornfelder und Mutter mit Wohlgefallen auf das weiter unten liegende Brauhaus, dessen Schornsteine von nimmer-ruhender Arbeit zeugten. Jetzt be-greife ich, wofür mir damals das Verständnis fehlte.“

Wie auch später ihr Sohn Eugen, hatte Julie als Kind großen Respekt, ja eigentlich Angst, vor Caspar Bar-tensteins gestrengem Blick: „Ich fürchtete auch den Vater mit den Feueraugen [...]“. Das Blitzen in sei- nen dunklen Augen wurde übrigens nicht nur von den Kindern, son-dern auch von seinen Arbeitern als untrügliches Zeichen seines Temperamentes und als Warnung vor Ungehörigkeiten empfunden. Manche verglichen seine schönen Augen sogar mit Karfunkelstein. Ohne Zweifel liebte Caspar seine Tochter über alles, erzog sie aber auch – und vielleicht gerade des-wegen – sehr streng. So berichtete sie folgende Episode: „Mein Vater hielt auf Bescheidenheit. Als ich aus dem Institut kam, war er be-ständig darauf bedacht, mir einen eventuell angelernten Hochmut auszutreiben. Mit Argusaugen ach-tete er darauf, dass ich jeden Gruß der Arbeiter höflich erwiderte.“Den Korb mit Vergissmeinnicht, den Julie von einem Verehrer er- hielt, warf er zornig aus dem Kut-schenfenster.

Julie mit Mutter JulianaJulie mit Vater CasparJulie

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Gegenüber der Treppe in der Tiefe des Vorhauses gelangte man in das kleine Schreibzimmer. Dort stand am Fenster ein alter Schreibtisch. An der anderen Wand waren die Bücherkästen und ein gleichartiger Gewehrschrank untergebracht. In der Ecke auf dem niederen grünen Sofa schlief nachts immer Flora, die Vorstehhündin. Diplome, welche von meines Vaters Auszeichnungen bei Ausstellungen und Pferderen-nen berichteten, schmückten die Wände. Durch eine der drei Türen gelangte man in das Schlafzimmer der Eltern.

Julie verbrachte ihre Kindheit im Brauhaus. In ihren Tagebüchern er- innert sie sich an die Wohnsitu-ation: „Zur damaligen Zeit stand meinen Eltern das erste Stock-werk zur Verfügung für ihren Pri-vatgebrauch. Im Parterre befanden sich die Komptoirräume. Von dem Hofe durch das untere Vorhaus, über eine steinerne Treppe kam man rechter Hand in das Fremden-zimmer. Auch Gemächer der Ange-stellten lagen in diesem Teil des Hauses.

Einige Stufen zurück und gegen-über wieder hinauf ging es in den mit Steinfliesen gepflasterten Haus- flur. Dort fiel zunächst ein großer Tisch ins Auge. Durch das Fenster konnte man auf den Brauhaushof sehen. Die erste Türe links führte zum Speicher. Dort stöberte ich als Kind mit Vorliebe herum. Auf der-selben Seite befand sich die Küche, eine frühere Räucherkammer.

Julie und das Kindermädchen KathiJulie

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Waren wir aber unter uns, be-nützten wir die nebenan liegende kleine Hofstube. Da spielte sich alle Gemütlichkeit ab. Früher war das mein Mädchenzimmer. Jetzt saß auf dem mächtigen, rotbeblumten Sopha Großmutter und schmunzel-te stillvergnügt, weil ihr jüngster Enkel sich an sie schmiegte.“Gemeint war Julies Sohn Eugen, welcher in ihrem Leben die wich-tigste Rolle spielen sollte.

Außer den sonst gebräuchlichen Schlafzimmermöbeln war aber auch eine Holzstaffel an dem Fen-ster, welches einen Auslug auf den Marktplatz und die Bahnhofstraße gestattete, angebracht. ,Das ist mein Balkon‘ sagte Mutter immer. Sie saß dort in der Abenddämmerung, wenn die Zweigbahn ein Züglein sandte. Zeigte sich ein Unbekann-ter, wurde Milli gerufen und um Auskunft befragt.Durch die dritte Türe des Schreib-zimmers kam man in das große Eßzimmer, dessen Möbel erst nach meiner Verheiratung angeschafft und deshalb moderner waren. Nur ein altmodischer Glasschrank, durch dessen Scheiben in Silber und anderen Metallen die Preise blitzten, welche Papa mit den Diplomen vom Nebenzimmer be- kommen hatte, paradierte dazwi-schen. Hier in dem besten Zimmer empfing Mutter ihre Gäste. Man tafelte auch daselbst mit ihnen.

Familie Bartenstein-Riedmüller: hinten v.l.n.r.: Josef Riedmüller, Elisabeth Mathes (geb. Riedmüller), Eugen Wüster, Franziska Riedmüller (Frau von Josef), Karl Mathes; vorne: Juliana Bartenstein, Julie Wüster, Caspar BartensteinJulie

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schreibt den Tag folgendermaßen: „Nachmittags besuchten wir eine Kirche, dann brachte mich der sonst so starke Mann mit Tränen in den Augen in das Sanatorium. Die Operation sollte frühmorgens stattfinden und Vater wollte noch eher zu mir kommen [...]. Mutter rief man telegraphisch nach Wien, als der Eingriff bereits gemacht war. Es sollte ihr dadurch wenigstens Angst und Aufregung erspart bleiben.“

„Als ich mit 10 Jahren schwer er- krankte, nahm mein Vater in der Herzensangst zu Gott seine Zu-flucht.“ So beschreibt Julie in ih-rem Tagebuch den Beginn ihrer Krankheit, bei der es sich um ein Schilddrüsenleiden handelte. Die Problematik der bevorstehenden Operation lag darin, dass der Ein- griff nahe der Stimmbänder vorge-nommen werden musste und daher im schlimmsten Fall der Verlust der Stimme zu befürchten war. Caspar Bartenstein gelobte den Bau einer Kapelle, sollte die Operation gut verlaufen. Er hielt dieses Versprechen und ließ die uns wohlbekannte Braue-reikapelle bauen, die auch unter den Namen Bartenstein- oder Kropfkapelle bekannt ist.

Nach etwa zehn Jahren erkrankte Julie erneut und der Eingriff mus- ste wiederholt werden. Julie be-

Die Kapelle vor dem Bau des EinkaufszentrumsHeute steht die Kapelle direkt an der Ybbser Straße

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Gipsfiguren, deren Herkunft in Julies Tagebuch belegt ist: „Mein sechzehnjähriger Eugen war bei Kriegsbeginn ebenfalls voll Begeis- terung und ich empfahl ihm des-wegen sehr das Buch der Baronin Bertha von Suttner ,Die Waffen nieder‘ zu lesen. Als mein Sohn da-vor bewahrt blieb, in den Weltkrieg 1914-18 zu ziehen, bekam dieses Kapellchen eine Statue, das von mir so verehrte Herz Jesu dar-stellend.“

Am Pfingstsonntag des Jahres 1892 wurde die von Ferdinand Andri aus St. Pölten erbaute Bar- tensteinkapelle feierlich einge-weiht.Die Kapelle ist in neugotischem Stil erbaut. An der zweiflügeligen hölzernen Tür finden sich die Initialen von Julies Eltern: KB und JB. Die Inneneinrichtung ist noch im Original erhalten. Sie besteht aus einer geschnitzten Ma- donna, die ursprünglich eine far-bige Bemalung aufwies. Nach der letzten Restaurierung blieb sie naturbelassen, wodurch eine Un-zahl von Nägeln sichtbar wurde. Sie sind, wie mir Thiele Wüster er-klärte, ein Zeichen für das geringe Alter der Madonna. Er ist der Meinung, dass sie kurz vor 1900 entstand. Die Nägel fügte man der Verleimung als Sicherung hinzu, denn möglicherweise löst sich der alte Knochenleim in feuchten Räu-men. In der Kapelle befinden sich weiters zwei weniger wertvolle

Julies Schwiegertochter Inge vor der Kapelle Ausschnitt aus dem Glasfenster der Kapelle

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Die Bartensteinkapelle nach einer Zeichnung von RoittnerDer Plan zur Kapelle

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lichen. Solange Julie lebte, fühlte sie sich ganz persönlich für die Pflege der Kapelle verantwortlich. Zu Fronleichnam wurde der Altar mit silbernen Kerzenleuchtern und passenden Vasen mit Jasmin aus dem Park des Wüster-Anwesens geschmückt. Auf dem Altar lagen zwei rote Kissen in Gobelinsticke-rei, die ich erst kürzlich von Thiele Wüster erhielt und die nach der Restaurierung wieder ihren Platz in der Kapelle einnehmen sollen. Sogar ein Teppich war vom Inne- ren der Kapelle bis auf das Vor-plätzchen gelegt. Später übernahm Julies Schwieger-tochter Ingeborg die Pflege.

Eine andere Stelle in Julies Tage-buch belegt auch die Herkunft der Josefstatue: „Im Jahre 1916 spen-dete nun diese (Anm.: gemeint ist Julie selber) in dieselbe Kapelle eine Herz-Jesu- und eine Josefsta-tue, sowie ein dazu passendes Al-tartuch. Auch flackerten durch einige Monate jedesmal am ersten Freitag zwei Wachslichter an der zugigen Straßenecke, um die Vor-übergehenden zur Herz-Jesu-Ver-ehrung zu ermahnen. Das geschah zum Danke dafür, dass Eugen nicht in den Krieg ziehen mußte. Letzter-er arbeitete aber angestrengt an dem Friedenswerk ESPERANTO, damit auch andere in Zukunft nicht mehr durch Kriegsgreuel um ihr Leben, Augenlicht und die geraden Glieder kämen.“ Zwischen den Gipsfiguren, unter dem Marienstatuensockel, befindet sich als Relief eine Szene aus dem letzten Abendmahl. An den Altar-sockel gelehnt ist ein Bild mit ei-ner Darstellung der Auferweckung der Tochter des Hauptmannes. Die beiden Kerzenleuchter links und rechts am Altar sind ebenfalls mit ziemlicher Sicherheit die ursprüng-

Die Abendmahlszene unter dem StatuensockelDer Heilige JosefDie Herz-Jesu-StatueEiner der beiden Kerzenleuchter aus der Kapelle

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der Folge gelangte sie mit dem Verkauf des Brauereigeländes an die Eigner des Einkaufszentrums, von welchen die Stadtgemeinde mit Gemeinderatsbeschluss vom 14. Dezember 2005 das sakrale Kleinod um den symbolischen Be- trag von einem Euro erwarb. Damit wahrt Wieselburg das An-denken an einen großen und sozia- len Mann seiner Stadt, an Caspar Bartenstein. Der traditionsbehafteten Kapelle ist somit eine sichere Zukunft be-schieden.

Die Brauereikapelle hat seit lan- ger Zeit im kirchlichen Leben der Stadt Bedeutung. Die Fronleich-namsprozession führt allerdings seit einigen Jahren nicht mehr hier-her. Der Fronleichnamsaltar wurde vermutlich wegen des hohen Ver-kehrsaufkommens, in den Schloss-park verlegt. Seit 1985 findet alljährlich eine Maiandachtsfeier bei der Brauerei-kapelle statt. Nach dem Tode Caspar Barten-steins ging das gesamte Betriebs-areal an die Brauerei über. Die Bartensteinkapelle blieb jedoch in Familienbesitz. Später gelangte sie in das Eigentum der Familie Riedmüller. DI Dr. Eugen Wüster, Julies Sohn, kaufte am 11. Mai 1967 die Kapelle um einen Schil-ling zurück. Sein Sohn Thiele Wüs-ter verkaufte die Kapelle 1984 – abermals um einen Schilling – an die Österreichische Brau AG mit der Auflage, dass die Kapelle in der Obhut der Brauerei bleibe und für ihre Pflege gesorgt sei. In

Die Bartensteinkapelle, Innenansicht 2006Die geschnitzte Madonna

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geschickt würde. Während der be- treffenden Entscheidung lag ich in der Hirschberger Kirche auf den Knien und mein Gebet wurde auch erhört.“ Tatsächlich befindet sich das Denkmal am Ende des Wiesenweges, welcher als Verlän-gerung der Kastanien-Allee anzu- sehen ist. Julies Enkelsohn Thiele erzählte mir bei seinem Wiesel-burgbesuch, dass ihn seine Groß- mutter als Kind an ihren Lieb-lingsplatz zu dieser Statue geführt hatte. Bemerkenswert ist, dass das Denkmal auf einer eigenen kleinen Parzelle im Kataster ausgewiesen ist. Wie ich in Erfahrung bringen konnte, erwarben Antonia Ends-dorfer und Josef Nagelhofer im Jahre 1981 das Grundstück samt Denkmal. Im selben Jahr ließen sie über dem ursprünglichen Bild das Kupferrelief anbringen.

Dort wo die Wiesen der Sonnlei-ten an die Äcker der Gemeinde Bergland grenzen, steht zwischen zwei Birken ein für unsere Gegend unüblich großes Denkmal, dessen oberer überdachter Teil eine Herz- Jesu-Statue zeigt. Auf einer Foto-grafie der 1960-er Jahre ist im Sockelbereich ein Bild, ebenfalls eine Herz-Jesu-Darstellung, zu se-hen. Heute ist dieses Bild durch ein Kupferrelief ersetzt, welches vom Purgstaller Hollaus angefer- tigt wurde. Es zeigt eine lilienum- kränzte Madonna mit dem Jesu-kinde und darunter die Inschrift „Maria bitte für uns“.

Nach langem Rätseln um den Sinn und Ursprung des Denkmales fand Thiele Wüster in Julies Tagebuch doch noch den entscheidenden Hinweis für eine fundierte Aus-sage aus ihrer Zeit in Breslau: „Bei strömendem Regen machte meine Freundin mit mir den Aus- flug nach Oberschreiberhau. Gele- gentlich meiner einsamen Spazier-gänge am Kynast gelobte ich, auf einem Promenadenwege mit ähnlich schöner Fernsicht eine Herz-Jesu-Kapelle bauen zu las- sen. Das sollte zum Dank gesche-hen falls Eugen nicht ins Feld

Das Herz-Jesu-Denkmal mit seinem ursprünglichen SockelbildDas Herz-Jesu-Denkmal auf der Sonnleiten, 2006Lageplan SonnleitenNahaufnahme der Herz-Jesu-Statue

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in diesem Hause frisches Leben. Viel Zeit zum Sprechen war uns wohl nicht gegeben, aber die weni-gen Minuten nützten wir gehörig aus, um die lange zurückgehalte-nen Mitteilungen möglichst alle anzubringen. Kam eine Neue an, wurde sie schon am Eingange des Rekreationssaales umringt und mit Fragen bestürmt. Die vorwiegend-ste lautete: ,Was ist Ihr Vater?‘ Die Antwort diente als Richtschnur, wie man eingeschätzt wurde von den Alten, unter denen sich einige Aristokratinnen befanden. Man war ziemlich hochmütig in dieser Ge-sellschaft. Frisieren mußten wir uns ohne Spiegel, weil Eitelkeit Sünde ist. Gerade der Mangel an Eitelkeit wurde mir in meinem späteren Leben manchmal zum Nachteil.

Man möchte meinen, dass ein rei- ches und wohlbehütetes Mädchen wie Julie Bartenstein von Privat-lehrern unterrichtet worden wäre. Da Caspar Bartenstein aber immer ein sehr volksnaher Mann war, zudem auch im Gemeindeaus-schuss und im Schulausschuss en-gagiert, war es naheliegend, dass er seine Tochter in die Wieselburger Volksschule schickte. Nach absol-vieren dieser lernte Julie bei den „Klosternönnchen“ in Pöchlarn weißnähen. Durch ein später er-wähntes, unvorhergesehenes Er- eignis wurde Julie in die Kloster-schule der Englischen Fräulein in St. Pölten förmlich verbannt und erhielt dort Unterricht in den Fäch-ern Französisch, Musik, Gesang und Klavier.

Am eindrucksvollsten ist es, mit Julies eigenen Worten die damalige Situation im Internat zu erfahren: „Das Institut St. Maria in der stillen Kremsergasse machte einen kerkermäßigen Eindruck mit sei- nen mächtigen Fenstervergitterun-gen. Meine Mutter sagte später, ihr war die Stille in den Empfangs-räumen immer unheimlich. Wenn man aber weiter vordrang, wo die Jugend sich aufhielt, fand man auch

Andenkenbild an die ErstkommunionJulie

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französisch parlieren. Leider hatte ich keine Gelegenheit, Malen zu lernen, weil meine Eltern es nicht verlangten, obwohl ich besser zeich-nete als die so Bevorzugten. Ich beneidete glühend diejenigen, wel-che in dem Malsaale arbeiteten.Alle vier Wochen erhielten wir einige Stunden frei, an denen uns die Eltern ausführten. Stets kam meine gute Mutter aus Wieselburg. Sie holte dann gleichzeitig auch immer ihren achtzehnjährigen En- kel Wilhelm, den ältesten Sohn meiner Stiefschwester, der damals in der St. Pöltener Militär-Real-schule untergebracht war. Unsere Tanzstunden und Tanzprü-fungen wurden ohne männliche Wesen abgehalten. Eine ungarische Ballettänzerin lehrte uns sehr pom-pöse Tänze und Reigen.

Jedes Schmuckstück mußte man beim Eintritt in das Institut ab-geben. Darunter habe ich nie ge-litten. Beim Spaziergang durften wir nicht unsere Zweite oder Dritte in der Reihe auswählen, sondern wurden füreinander bestimmt. Wenn jemand im Schulausweise ungenügend bekam, sollte er tagsüber eine weiße Schlafhaube tragen. Ärgere Vergehen brachten die schwarze, wobei man allein an einem kleinen Tischchen essen mußte und sich vor sämtlichen hundertfünfunddreißig Mädchen, welche im Refektorium aßen, zu schämen hatte. Ich war nie in der unangenehmen Lage, mein haupt-sächlichstes Vergehen bestand da- rin, dass ich den scheußlichen Kneippkaffee nicht trinken konnte und so fing jeder Tag mit diesem Ärger an, bis ich gleich anderen Bevorzugten auf Mamas Bitte pure Milch bekam.Die Vorlauten bekamen eine rote Zunge auf den Rücken geheftet, so wie der Krampus vorne eine besitzt. Wir trugen an Werktagen maus-graue Uniformen, welche nicht eng anliegen sollten. Abends bei Tische notierte eine Meisterin, wer tagsüber das Silen-tium gebrochen oder Deutsch ge-sprochen hatte. Wir sollten uns selbst anklagen und durften bloss

Julies Abschlusszeugnis, unterschrieben von Religionslehrer Johann Kleestorfer, Lehrer Adolf Gumpinger und dem Leiter der Schule, Matthias BalatkaJulie mit Vater Caspar

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rer Tochter. Aus allen übrigen Wor-ten merkte ich, dass dies Lob mir galt. Ich freute mich aber nicht da-rüber. Im Winter, als mich Mutter einmal besuchte, sagte sie zögernd: ,Er-schrecke nicht, G. ist gestorben‘. Damit war meine Institutszeit be-endet, obwohl ich nicht ungerne noch ein Jahr bei den englischen Fräuleins verlebt hätte.“ Diese Nachricht der Mutter bezieht sich auf das Ereignis, das Julies „Verbannung“ in das Institut zur Folge hatte und im kommenden Kapitel Aufklärung findet.

Einmal im Jahre, ich glaube um die Osterzeit, hatten wir Exerzitien. Man trug dann schwarze Kleider, blaugestickte Schürzen und hörte täglich Predigten, welche wir schriftlich besprechen mußten. Re- den war drei Tage nicht gestattet. Am Schlusse kam eine General-beichte. Ich hielt mich für eine große Sünderin, meiner Liebe zu G. wegen. Habe auch überlegt, ob ich nicht ins Kloster gehen soll, obwohl uns nie jemand von den Klosterfrauen und Geistlichen dazu animierte. Ich fühlte aber deutlich, daß ich nicht dafür geschaffen bin. Lange anhaltend zu beten ver-mochte ich nicht, ohne daß die Gedanken abirrten. Dazugelernt an Frömmigkeit habe ich also nichts im Kloster.Als ich nach den Ferien in das Institut zurückkehrte, hielt die Oberst-Vorsteherin für das neue Schuljahr eine Eröffnungsrede und erwähnte auch, dass sie sich freue über die glänzenden Resultate ihrer Erziehung. Besonders die Eltern eines Zöglings seien so sehr zufrie-den mit dem geänderten Wesen ih-

Die „Facade“ des Institutes St. Maria in St. PöltenDie Révérendmère des Intitutes

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ich jeden Abend ein Weilchen bei meiner Mutter in dem Honoratio-renstübchen. Dort wurde der neue Lehrer, der, aus der Stadt kom-mend, ein liebenswürdiger, ge-wandter Gesellschafter war, bald der Mittelpunkt dieses Kreises. Er spielte wundervoll die Geige und machte bei festlichen Gelegenhei-ten passende Gedichte und eben alles. Mir gefiel dieser Fremdling so sehr, daß ich ihn immerzu ansehen mußte. [...] Vater hatte ihm schon das Du-Wort angeboten, Mutter war entzückt von ihm. Meine Kla- vierlehrerin schätzte ihn und stu-dierte zu irgendeinem Feste meiner Eltern Musikstücke für Klavier und Violine mit uns ein.

Über ihre erste Liebe möchte ich Julie selbst erzählen lassen: „Die Zeit, an welche ich mich schmerz-lich erinnere, ist die meiner ersten Liebe. Viel zu zeitig hat das begon- nen und es kam über mich mit ele- mentarer Gewalt. Die erste Begeg-nung ereignete sich in Gegenwart meiner Kousine. Von einem Spa-ziergang heimkehrend sah ich unter einem Haustor den großen, schlan- ken Jüngling stehen. Er mochte da- mals 24 Jahre gezählt haben. Hübsch war sein Gesicht eigent-lich nicht zu nennen, nur sehr aus- drucksvoll. Lange Nase, tiefschwar- zes, langes Haar, welches er mit energischer Kopfbewegung aus der Stirne schüttelte, waren ihm eigen. Seine Augen hatten wohl nicht ihresgleichen.

Ein karger schwarzer Schnurrbart und Spitzbart ließen die Blässe des Gesichtes noch mehr hervor-treten. Bei diesem ersten Zusam-mentreffen durchzuckte es mich wie ein elektrischer Schlag, als ob ich geahnt hätte, was über mich kommt. Wie schon erwähnt, saß

Lehrer Adolf Gumpinger (* 1865, † 7. Februar 1892 in Laurana)Julie

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Sie sagte, daß es Sünde sei, meiner großen Jugend wegen. Ich kämpfte auch ehrlich, schwer und wollte mich dazu zwingen, anders zu füh- len. Meine guten Vorsätze machte Lehrer Seyringer, der Freund des G. wankend, indem er erzählte, wie unglücklich Adolf ist, weil er sich mir nicht mehr nähern darf. Natürlich wurde ich schwach und erlaubte dem Letzteren, mich aus der Klavierstunde heimzubegleiten. Auf so einem Weg war es ja wohl auch, daß er mir das Notizbuch zeigte, worin er jedes Wiedersehen zwischen uns verzeichnete.

Mir durfte aber derjenige nicht ge-fallen, welcher alle Herzen gewann, weil ich noch zu jung war. Ganz unbefangen machte ich wohl auch mal mit meiner Kousine und dem Lehrer im Lenz einen Spaziergang an dem klaren Wasser der Erlauf. Wie glücklich war ich damals und wußte nicht warum.Da jagte eine rauhe Hand die ers- ten Wolken in meinen Frühlings-himmel. Menschen, welche selbst nicht mehr an reine Liebe glauben konnten, weckten in meinem Vater das Mißtrauen. Meine Eltern waren tüchtige Geschäftsleute, aber keine Erzieher. Sie fuhren eines Tages weg und ließen mir durch Ange-stellte sagen, ich muß alle Bücher und Noten dem G. zurückgeben, darf nicht mehr mit ihm sprechen. Das war am besten geeignet, mich darüber aufzuklären, was ich mir bisher noch nicht eingestanden hatte, nämlich wie sehr ich an dem plötzlich Verbannten hing und welcher Art meine Anhänglichkeit ist. Kathi (das Kindermädchen) hatte den größten Einfluß auf mich.

Das Kindermädchen KathiJulie mit Kathi

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Weg nach Kemmelbach, wohin wir in unserem Wagen fuhren, flossen noch zahlreiche Abschiedstränen auf das Fell meines Hündchens, welches ich am Arme hielt. Dann bestiegen Mama und ich den Eisenbahnwagen und fort ging es nach St. Pölten ins Kloster. Ich verscherzte mir die Gunst einer mir wohlwollenden Nonne, als ich ein Akrostichon auf den Namen Adolf mit entsprechendem Text dichtete, Strafe gab es dafür nicht, aber eine Miene dauernd unter dem Gefrierpunkt. Als ich in die Ferien gehen wollte, ließ mich die Révérendmère rufen und gab mir gute Lehren für den Aufenthalt in Wieselburg. Durch die Blume merkte man, daß sie meinen Roman kennt.

Dort stand auch die Frage, ob ich später seine kleine Frau werden will. In solchen Augenblicken ver-gißt wahrscheinlich jeder Verlieb-te, was er darf oder nicht. Ich sagte nicht nein. Um dieselbe Zeit hatte ich meine Schulzeit beendet und kam nach Pöchlarn, der Nibelungenstadt. Da-selbst sollte ich weissnähen lernen, bei ehrsamen Klosternönnchen. Mein einziger Trost war meine bildschöne Freundin Adele, welche damals den Telegraphenkurs in Pöchlarn machte und zu diesem Zweck täglich aus Wieselburg ge-fahren kam. Eines Tages brachte sie mir den Be-scheid, daß Freund G. nach Maria Taferl fährt und sich sehr freuen würde, mich bei seiner Rückkehr am Pöchlarner Bahnhof zu sehen. Ich ging natürlich nur zu gerne an den Bahnhof mit meiner Freundin. Kaum waren wir aber dort, kam auch der Wienerzug gefahren und demselben entstieg, zu unserer größten Überraschung, meine Mut-ter. Auch diese war erstaunt, als sie G. erblickte. Bald darauf erhielt ich ein Tele-gramm, welches mich nach Hause rief. Ich sollte noch weiter weg und noch sicherer aufgehoben sein. Am

Adele GötzlJulie

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langen Tafel zwischen den Vereins-mitgliedern und mir gegenüber, hatte G. Platz genommen. Mit um- florter Stimme, seine wundervollen Augen schwermütig auf mich ge-richtet sang er voll besonderem Ausdruck die Worte des alten Wild-schützen, als er mit brennender Sehnsucht sein Stelldichein aus ver-flossenen Jahren zurüchwünschte – es sollte nicht sein. Nicht noch einmal sahen wir uns, es war das letzte Mal. Unsere einzigen Lieb-kosungen waren zärtliche Blicke. Im Winter, als mich die Mutter einmal besuchte, sagte sie zögernd: ,Erschrecke nicht, G. ist gestorben‘.

Obwohl mein Vater beobachtete, wie ferne man sich blieb, gerieten wir während einer Theaterauffüh-rung wieder in den alten Bann, wenn wir uns auch nur mit den Blicken im Wandspiegel begegnen und festhalten konnten, als die an- deren Leute alle Aufmerksamkeit der Bühne zuwandten. Bei einem Ausflug nach Merkenstetten ver-weilte ich noch ein bißchen in dem großen Gasthausgarten als alle den- selben verlassen hatten. Da bemerk-te ich, daß G. einen vergessenen Shawl holen wollte, ohne die Gele-genheit auszunützen, um mir einen Händedruck zu geben. Trotzdem hatte jemand beobachtet, daß für einen Augenblick nur wir beide allein im Garten waren, obschon dort kein Wort gewechselt wurde. Zum letzten Mal sah ich ihn in Steinakirchen. Dorthin machte der Wieselburger Gesangsverein einen Ausflug; auch Vater und Mutter waren mit mir zugegen. In frühe-ren Jahren nahmen wir G. mit in unserem Wagen. Jetzt saß man wieder in dem selben Garten unter schattigen Kastanien und war sich doch so unerreichbar ferne. An der

JulieAdolf Gumpinger

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was er nachher dachte und fühlte. Bei einem Feste des Gesangsverei-nes trug Lehrer Bienenstein, der jetzt schon bekannte Schriftsteller, ein wundervolles Gedicht vor, wel-ches dem am fernen Meeresstrande gebetteten Mitglied der Harmonie, seinem Freunde G., gewidmet war.Leider konnte ich nicht die Num-mer des Erlaftal-Boten bekommen, in welcher diese in Poesie gekleide-ten Worte der Freundschaft er-schienen waren. [...] Eine große Sehnsucht nach solch einer Liebe, wie ich sie einmal gefühlt und be-sessen, erfüllte mich all mein Leben lang und ich konnte nicht glücklich sein. Nur jetzt, wenn mein Sohn bei mir weilt, dann bin ich froh [...].“

Als ich in den Ferien nach Wiesel-burg kam, konnte ich Näheres darüber erfahren. Mein lieber Ver- storbener war schwindsüchtig ge-worden. Er kränkte sich sehr über die Ablehnung durch meine Eltern, rauchte viel Zigaretten und auch der anstrengende Schulberg hat sein Leiden beschleunigt. Durch all- gemeine Beliebtheit haben alle bei-gesteuert, um dem unbemittelten Lehrer einen Aufenthalt im Süden zu ermöglichen. Es war jedoch zu spät. Auch in Lovrana eroberte der Kur-gast bald alle Herzen. Man erfüllte seinen Wunsch, bestattete ihn an dem Platze zur Ruhe, wo er so gerne auf das Meer schaute, gelegentlich seiner Spaziergänge. Eine Freundin brachte mir getrocknete Rosen von dem Grabe. Die Tante Seyringers besaß ein kleines Gut bei Lovrana und tat G. die letzte Treue. Sie erzählte, daß dessen letzte Worte lauteten: ,Julchen, Dein auf ewig‘. Auch G.‘s Tagebuch wurde mir ausgehändigt. Leider endeten mit unserem letzten Zusammensein vor meinem Pöchlarner Aufenthal- te die Aufzeichnungen. Ich bedau-erte sehr, nicht lesen zu können,

Das 1892 von Karl Bienenstein verfasste Gedicht für Adolf GumpingerDer Schriftsteller Karl Bienenstein (* 1. November 1869, † 1. Februar 1927)

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Gumpingers wurde in der Folge bis 15. Juli 1891 verlängert. Trotz seiner gefährlichen Erkrankung wurde Adolf Gumpinger per Dekret vom 14. Juni 1891 zum definitiven Lehrer der hiesigen Schule ernannt. Mit 17. August 1891 nahm er seine Lehrtätigkeit wieder auf und es wurde ihm die „II. Classe“ zuge-teilt. Mit 1. November 1891 wurde Lehrer Gumpinger vom „löblichen Landesschulrat“ ein sechsmonati-ger Urlaub zuerkannt, „um im Sü-den seine geschwächte Gesundheit wieder herstellen zu können“ (6).Aber bereits am 7. Februar 1892 kam aus Lovrana die Trauerbot-schaft, dass Adolf Gumpinger eben an diesem Tag seinem Lungenlei-den erlegen sei (7). Am Montag, den 15. Februar, wurde in der Pfarr-kirche von Wieselburg für den Ver-storbenen ein Seelenamt gehalten, welchem die Schuljugend, der Lehr-körper und viele seiner Freunde beiwohnten.1930, im Alter von 54 Jahren, reiste Julie zum Grab von Gumpinger, den sie nie vergessen konnte: „Nach einer schlaflosen Nacht kam ich

In der Schulchronik von Wiesel-burg gibt es mehrere Eintragun-gen über Lehrer Gumpinger. So ist zu lesen, dass die ausgeschriebe- ne Unterlehrerstelle Herr Adolf Gumpinger, bisher Unterlehrer in Aschach, Oberösterreich, mit 1. September 1887 erhält (3).Weiters findet sich der Eintrag, dass der Unterlehrer Adolf Gum- pinger am 1. August 1887 seinen Dienst angetreten hat, „wozu er vom kaiserlich-königlichen ober-österreichischen Landesschulrat die Bewilligung erhielt.“ (4) In den Schuljahren 1888/89, 1889/90 und 1890/91 ist Gumpinger unter der Aufzählung der Lehrer zu finden. Das uns bereits bekannte Unheil kündigte sich schon in der Eintra-gung des Oberlehrers Matthias Balatka an: „Am 10. April (Anm.: 1891) erkrankte Herr Gumpinger Adolf plötzlich an einem sehr ge- fährlichen Lungenleiden, weshalb ihm v.B.S.R. (Anm.: vom Bezirks-schulrat) zur Wiederherstellung seiner Gesundheit ein Urlaub bis 20. Mai bewilligt wurde.“ (5)

Dieser krankheitsbedingte Urlaub

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in Abbazia an und von dort nach dem Hotel ,Alpako‘ in Laurana. Ei-gentlich hatte ich selbst während der Reise aus dem Briefe der Emilie von Tepser (Anm.: Emilie Luise, geboren 1875 als Tochter von Friedrich von Tepser, geboren 1844, Gutsverwalter der Herrschaft Weinzierl) einige Anhaltspunkte gefunden über die Leute in Laura-na, welche Adolf Gumpinger ge-kannt haben. Der Gepäckträger wollte nicht wei-ter Auskunft geben, als er merkte, welchen Eindruck mir seine Mit-teilung machte, als er erklärte, die Kapelle in dem kleinen Gärtchen auf der Halbinsel gegenüber dem Hotel, in welches er mich brachte, gehörte zu dem ehemaligen Fried-hof. Den Brief Emilies auf meinem Balkon lesend sah ich, daß direkt vor mir der Platz sei, wo meine ers-te Liebe begraben lag. Der neue Friedhof war auf einem Berg und bei Errichtung desselben wurden die Gebeine der unbemittelten Ver- storbenen aus dem früheren Fried- hof in das Meer geworfen. Die Überreste der vermögenden Leute

kamen in die neue Ruhestätte auf dem Hügel. Ich holte baldigst mei-ne Malutensilien aus Abbazia und malte mit Wasserfarben auf Papier ohne Staffelei jene Kapelle mit dem Meereshintergrund und dem klei-nen Garten. Ein alter italienischer Dienstmann, welchen Emilie von Tepser gekannt hatte und in ihrem Briefe als vermutlichen Bekannten des Gumpinger angab, zeigte mir eine Stelle, wo letzterer begraben war und jetzt weiße Rosen blühten. Pfingsten suchte ich den Pfarrer, welcher in den Sterbebüchern nachsah und fand, wo Gumpinger wohnte. Ich besah nach der Angabe jenes Priesters Gumpingers Sterbe-zimmer und Sterbehaus.“ Mit der Erinnerung Thiele Wüsters endet die Liebesgeschichte um Julie und Adolf: „Noch im hohen Alter be-kam sie rosa Wangen, als ich sie nach Herkunft und Bedeutung eines Aquarelles fragte, welches in ihrem Zimmer hing und einen efeuumrankten Grabhügel darstell-te.“

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terten Eltern nicht nötig hatte, nach einer reichen Frau zu suchen. Va-ter und Mutter hörte ich in allen Tonarten sein Loblied singen. [...] Dann kamen die Vorbereitungen zur Hochzeit. Der protestantische Pfar-rer in St. Pölten machte Schwierig-keiten. Da er sich aber zur selben Zeit durch Verwechslung eines Me- dikamentes vergiftete, kam ein an- derer an seine Stelle, der uns kein Hindernis in den Weg legte.“ Laut Trauschein wurden Julie und Eugen am 4. November 1895 in der Votiv-kirche in Wien von Cooperator Paulus Poppe getraut. Als Trau-zeugen fungierten einerseits Eugens Onkel Bernhard Wüster, der das Wiener Familienunternehmen lei-tete, andererseits Julies Halbbruder Josef Riedmüller aus Hainfeld.

Mit großer Sicherheit hatte Julie ei-ne Vielzahl von Heiratswerbern, ei- ner jedoch faszinierte sie, obgleich sie Adolf Gumpinger nicht verges-sen konnte – es war Eugen Bern-hard Wüster. Er war einer der Söh- ne des Fabrikanten Heinrich Wüs-ter (1833-1915), welcher mit seinen beiden Brüdern Bernhard (1840-1899) und Albert (1843-1905) die Stahlwarenfabriken „Brüder Wüs-ter“ und „Wüster & Co.“ in Ybbs und Wieselburg gegründet hatte.„Er war seiner Gesinnung nach ein Preusse, hatte 10 Jahre in Wien gelebt. Das äußere Wesen jedoch und seine stattliche Erscheinung verriet sofort den Norddeutschen. Er sandte erst Blumen und suchte meine Gesellschaft, was ihm leicht wurde, da damals seine deutschen Basen zu Besuch bei der Tante weilten und mit mir verkehrten. Mir gefiel die schlanke Gestalt des Preussen. Daß er nicht so aufdring-lich war wie die sonstigen österrei-chischen Bewerber reizte mich ebenfalls.

Man brachte jedem, der um mich warb, von vornherein Mißtrauen entgegen, nur bei dem Preussen nicht, weil er es durch seine begü-

Julie und Eugen WüsterJulie

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im neuen Domizil sehr wohl ge-fühlt. „Wir hatten ein Haus für uns mit einem großen Grasgarten, in welchem keine Kunstarrangements von Blumen etc., sondern nur schattige Obstbäume das Auge er-freuten.“Julie hatte ein Mädchen für alles, welches ganz sicher unter anderem mit dem Kochen betraut war, denn Julie hatte viele Talente, doch das Kochen gehörte nicht dazu.„Der junge Ehemann entpuppte sich als ziemlich anspruchsvoll. Er speiste früher in ersten Wiener Res-taurants, schien ziemlich verwöhnt zu sein und liebte andere Speisen, als sie bei meinen Eltern zubereitet wurden und in den Wiener Häu-sern, wo meine Köchin gedient hat- te. Das war eine peinliche Verle-genheit. Ich holte mir Rat bei der Schwiegermutter, aber zu Hause schmeckte nichts so gut wie bei ihr.“

„Damals zählte ich 19, der Bräuti-gam 31 Jahre. Ich soll in dem weis- sen Brautkleide mit dem Braut-schleier sehr hübsch ausgesehen haben. Der vom Bräutigam über-gebene Brautschmuck bestand aus einem Brillantarmband mit Rubin. Ich selbst schwärmte jedoch nicht für solche Liebesbeweise. [...]Als ich (Anm.: nach der Hochzeit mit Eugen Wüster) Abschied von meinen Eltern nahm, weinte Vater bittere Tränen. Nach unserem Ab-gang hielt er eine wunderschöne Ansprache. Er bat die Verwandt-schaft, sein Kind liebevoll aufzu-nehmen.“ Die Hochzeitsreise führte das jun-ge Paar über Linz, München, Inns- bruck, Meran und Bozen nach Verona, wo Julie besonderes Inter-esse an der Arena und am Balkon von Romeo und Julia fand. Über Triest, Fiume, Abbazia, Venedig und Graz ging es nach Wien und von da nach Wieselburg.„Dann kamen wir in das Nest, wel- ches uns die Güte meiner Eltern so schön gebaut hatte.“ Damit ist das Haus in der Grestnerstraße ge- meint, das den Wieselburgern auch als Scholz-Haus bekannt ist und damals die Bezeichnung „Au Nr. 17“ trug. Caspar Bartenstein hatte es gekauft, da es in dem kleinen Ort Wieselburg keine passende Woh-nung für die junge Familie Wüster gab. Wie mir scheint, hat sich Julie

Das Haus in der Grestnerstraße, damals „Au Nr. 17“Julie

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Der kleine Eugen liebte seine Groß-eltern und nannte sie in seiner kindlichen Sprache „Bimama“ und „Bipapa“, was soviel bedeutete wie „Biermama“ und „Bierpapa“.Ehemann Eugen züchtete im Haus in der Grestnerstraße Bernhardi- ner. Die Zucht erreichte anzahlmäs-sig ihren Höhepunkt mit 22 Hun- den! Julie war über dieses Hobby ihres Mannes nicht gerade ent-zückt. „Ich war immer ängstlich da-rauf bedacht, mein Kind den Tie- ren fernzuhalten. Der Hund lag aber oft am selben Teppich, auf dem nachher der Junge herum-kroch. [...] Ich konnte kaum den Briefträger erwarten in der Hoff-nung, daß er eine Anfrage bringe nach einem Tier aus unserer Zucht. Ich war stets froh, wenn jemand die Anzahl der Kläffer kleiner machte.“

Im Haus in der Grestnerstraße wurde am 3. Oktober 1898 Eugen geboren. „Mein Vater war Pate (bei der Taufe meines Sohnes) und schrak zusammen, als der Geist-liche die Namen Eugen, Bernhard, Kaspar aussprach. Es sollte eine Überraschung für ihn werden, aber er selbst ärgerte sich immer darü-ber, daß man ihn so getauft hatte und er mußte bei den Ämtern im- mer extra aufgefordert werden, sei-nen Vornamen ganz auszuschrei-ben. Er wollte es jedesmal nur an dem Anfangsbuchstaben genügen lassen. [...]Mein Schwiegervater, Heinrich Wüster, war wie mein Vater ziem-lich schweigsam. Wie eine Uhr ging er früh zur Fabrik und abends zu Bett. Er besuchte wohl auch ein Lo- kal, wo er im Kreise mehrerer alter Herren, die um die Wette schwie-gen, bis 1/2 11 Uhr abends blieb. Man nannte die Runde der Schweigsa-men den ,Karpfenteich‘.

Mein Vater und mein Schwieger-vater waren sich in ihrem großen Fleiß ähnlich. Mein Sohn erbte den Fleiß von beiden und Offenheit, wel-che nicht immer Freunde schafft, war beiden Großvätern eigen.“

Julies Sohn EugenEin Bernhardiner aus der Zucht Eugen Wüsters

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„Das hängte sich mein Kleiner un- ternehmend über die Schulter und los ging es in den Südpark. Am Teiche standen wir gerne, um die Karpfen zu beobachten. Als gegen mein Verbot der Junge nach den dicken Karpfenköpfen schoß, tauch- te plötzlich ein Parkwächter auf und entwaffnete ihn. Ich versprach Besserung und unsere Zerknir-schung muß wohl dem Manne er- sichtlich gewesen sein, da wir das Gewehr wieder ausgefolgt beka-men. Jenny schoß fortan nicht mehr auf Karpfen, sondern erprob-te die Zielsicherheit an den Bildern unserer Wohnung. Eine Landschaft und das eigene Porträt fielen sei-nem Übermut zum Opfer.Mit Kathi vertrug sich Jenny nicht so gut wie in Wieselburg. Wenn er zum Fenster des 2. Stockwerkes lief oder auf die Schränke kletterte und dergleichen Bubenwildheiten ausführte, ängstigte sie sich fürch-terlich. Ihm jedoch galt das als Be-lustigung und weiterer Ansporn. Er löste ihr auch die Schürzenbänder oder verübte andere Neckereien [...] Kathi erkrankte später schwer und verstarb schließlich, zum großen Schmerz meiner Großmutter in Breslau, fern der Heimat.“Julie nannte ihren Sohn zeitlebens „Jenny“, abgeleitet von der zweiten Silbe der französischen Form sei-nes Namens „Eugène“.

Die Zeit, welche die junge Familie in Wieselburg verbrachte, ging dem Ende zu. „So mußte ich denn mei- nen Eltern die betrübende Mit-teilung machen, daß wir sie ver-lassen werden. Das war für meine gute Mutter ein großer Schmerz, denn meinen Eltern war diese Hei-rat auch deshalb so erwünscht, weil sie dadurch hoffen konnten, mich in ihrer Nähe zu behalten. [...] Meine alte Kathi gab man uns mit in die Fremde.“ Eugen sollte im Auftrag der Firma Wüster eine Schirmteil-fabrik in Schlesien aufbauen. So bezog Familie Wüster am 26. Mai 1904 eine Wohnung in Breslau.

Manchmal nahm Eugen seinen Sohn mit in die Firma. Er dürfte ein sehr lebhaftes Kind gewesen sein, denn angeblich hat er den Werk-meister mit getrockneten Erbsen beschossen. Als Vater und Sohn abends den Heimweg antraten, musste der kleine Eugen einige Schritte vor seinem Vater hertra-ben, denn er hatte schmutzige Ho-sen bekommen und das entsprach gar nicht den Vorstellungen des Va-ters.Ein andermal hatte Eugen junior ein Spielschießgewehr bekommen:

Das Haus in Breslau

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Der Heimatschein von JulieDie Rückseite des Heimatscheines

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war, gehe ich lieber zur Schule‘. Sobald er aus derselben kam, wol-lte er gar nicht essen, sondern erst seine Schulaufgaben machen. Aber auch die Pause im Schulhofe mit den Kameraden machte ihm die Sache lieb. Durch sein rotes Lei-nenhütchen fand man ihn leicht aus der sich lustig tummelnden Jungensmenge heraus.“In den Ferien kam er als Praktikant in die Hirschberger Fabrik von Linke und Hofmann. Er verein-barte selbst mit dem Direktor die Arbeitsbedingungen, weil er keiner-lei Bevorzugung, bedingt durch den bekannten Namen seines Vaters, wollte.

Breslau war der Sitz der Firma Wüster, hier ging Eugen auch zur Schule. „Im Oktober (1904) fing unser Kleiner an, den Unterricht zu besuchen. Er war so lebhaft und machte uns so viel zu schaffen, daß wir dachten, es wäre gut, wenn er schon zur Schule ginge und dort Beschäftigung bekäme. Seinem Pa- pa gelang es, den Sohn im Elisa-beth-Gymnasium (Breslau) unter-zubringen. Vorher war er schon mal dafür, Jenny privat unterrich-ten zu lassen. Ich zog immer den Schulunterricht vor. Schon als ich zum ersten Male das Kind im Schulzimmer beim Eintreten des Lehrers verließ, merkte man, daß ihm die Sache Spaß macht.

Zu Ende der Stunde holten die Mütter oder Väter und Fräuleins die ABC-Schützen nach Hause. Als wir Einlass bekamen, schaute sich Eugen wohl kurz nach mir um, tat aber, als ob er mich nicht er- blickt hätte. Am Heimweg fragte ich, ob er nicht doch den Pri-vatunterricht vorziehe, er antworte-te: ,Wenn es so bleibt wie es heute

Eugen junior (Ölgemälde von Julie)Julie

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Balkontüre ihrer Wohnung ausge-brochen werden, damit man das Klavier aufstellen konnte.Ihr Enkelsohn Thiele berichtete mir über Julies Musikbegeisterung fol-gendes: „Ausgerechnet mir, der da- für überhaupt keine Ader hat, wol- lte sie unbedingt das Singen bei-bringen und zwar mit dem Lied ,Ich schieß den Hirsch im wilden Forst, im tiefen Wald das Reh, den Adler auf der Klippe Horst, die Ente auf dem See‘, aber daraus wurde nichts, Melodie und Text habe ich mir allerdings gemerkt. [...]

Betreffend Eugens Gesundheit leg-te sich Julie eine Art Tick zu. So schickte sie ihn des guten Klimas wegen in Hirschberg, welches am Rande des Riesengebirges gelegen war, zur Schule.Vermutlich war der Tick nicht ganz uneigennützig, denn sie unter-nahm mit Eugen nun regelmäßige Kuraufenthalte in Davos, Grado, Wölfelsgrund und Schreiberhau. Hier machte sie Bekanntschaft mit der Schwester des Schriftstellers Gerhard Hauptmann.

Julie hatte zwei große Leidenschaf-ten: die eine war die Musik, die an-dere die Malerei.Wir wissen, dass sie in Wieselburg eine Musiklehrerin hatte. Aber auch im Institut der Englischen Fräulein wurde sie im Klavierspiel unterrichtet. In hohem Alter erhielt Julie zu einem Geburtstag ein Kla-vier von ihrer Familie geschenkt. Zu diesem Zweck musste sogar die

Julie und Gerhard Hauptmanns SchwesterJulie

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Kopfende des Bettes angebracht und bestand aus einer sich drehen-den Stange, auf welcher oben eine Scheibe angebracht war. Vom äuße-ren Rand dieser Scheibe hingen an Schnüren Bleikugeln, welche durch die Fliehkraft wie die Sitze eines Ringelspiels fast waagrecht nach außen flogen. Bei Betrieb durfte man sich jedoch im Bett keinesfalls aufsetzen [...]“. Diese netten und amüsanten Details erfuhr ich von Enkelsohn Thiele, der sich seiner Großmutter bestens erinnert.

Sie spielte ausgezeichnet Klavier und ich erinnere mich, daß sie noch 1967, also im Alter von 91 Jahren, anläßlich der Taufe meiner Tochter zwei Stunden lang auswendig eine Wagner-Oper spielte. Zu meiner Hochzeit ein Jahr zuvor, bat ich die zu diesem Anlass spielende Musik-kapelle, einen langsamen Walzer zu spielen, um mit meiner damals 90-jährigen Großmutter den Ehren-tanz absolvieren zu können, was hervorragend funktionierte. Als ich sie später fragte, wie ihr die Hoch-zeit gefallen habe, antwortete sie ,Sehr gut, nur die Musik hat den Walzer viel zu langsam gespielt‘.“

Julie machte auch immer gerne kleinere Erfindungen, wie z.B. „eine Wespenvertreibungsvorrichtung, eine Lupe mit Kopfreif zum Auf-setzen, einen Einkaufswagen auf Rädern (heute gibt es sowas serien-mäßig) oder eine Fliegenverscheu- chungsvorrichtung. Diese war am

Julie am KlavierJulie

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wollte, wurde von mir skizziert. Erst mußte ich ein halbes Jahr Kohle-zeichnen nach lebenden Modellen. Die Lehrerin lobte meine flotte Cha-rakteristik.“ Das Malen und Zeichnen blieb Ju-lies große und zum Teil unerfüllte Sehnsucht. Frauen war es zu dieser Zeit schwer oder gar nicht möglich die Akademien zu besuchen und von ihrem Mann erfuhr sie dies-bezüglich keine Förderung. Den-noch malte und zeichnete Julie ihr Leben lang. Auf den folgenden Seiten, die eini- ge Porträts aus Julies Oeuvre zei- gen, können sie sich selbst, ge-schätzter Leser, von ihrem Können überzeugen.

Schon während der Zeit, da Julie mit ihrer Familie noch in der Grestnerstraße wohnte, erlernte sie von Olga Belloberg von Delivor die Brandmalerei. Olga war Julies Schwägerin, verheiratet mit Eugens Bruder Heinrich, welcher das Ybbser Wüster-Werk leitete. Es hat mich ganz besonders gefreut, eine von Julie mit Brandmalerei verzier-te Truhe ausfindig zu machen. Julie malte schon als Kind beson-ders viel, und bedauerte dann im Institut, keinen Malunterricht zu bekommen. Die Brandmalerei ver-stärkte ihre Lust zum Malen und so erkundigte sie sich in Breslau bald nach einer Lehrerin im Porträt-zeichnen.

„Der günstige Zufall, daß die be-kannte Porträtistin Ann Kritschker- Kunzendorf in unserer Nähe wohn-te und dort Damen unterrichtete, kam mir sehr zu statten. Ich nahm Stunden, während mein Söhnchen in der Schule weilte und ging auf in dieser Beschäftigung; wer sitzen

Die Truhe mit der BrandmalereiJulie

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Gelegentlich wollte die schon be-tagte Julie ihre beiden Enkelkinder Tryn und Thiele porträtieren, diese aber waren, wie es Kindern zusteht, zu ungeduldig für die langen Sit-zungen.Thiele aber war gerne bei der Großmutter: „Jedenfalls verdanke ich ihr die Anregung und die Be-geisterung für das Malen und ich hielt mich gerne in ihrem Atelier auf, wo es so gut nach Farbe roch und wo eine schöpferische Unord-nung herrschte.“Julies Malstil änderte sich ver-mutlich in ihrer 50-jährigen Kar-riere als Malerin und so ist es zu weilen irritierend, wie verschieden ihre Bilder sind.

Einmal soll Julie ein Bild von ihrer Enkelin Tryn gemalt haben. Es zeig- te Tryn am Volksfest, wie sie gerade von einem Frankfurter Würstel ab- biss. Julies Sohn Eugen und seine Frau Inge waren über diese Dar-stellung ihres Kindes wenig erfreut. Kurzerhand und mit dem Mut zur Improvisation übermalte Julie das Würstel und pinselte Tryn eine Rose in das Kinderhändchen, was das Bild aber noch komischer machte. Diese entzückende Ge-schichte erzählte mir Thiele Wüster mit folgender Antwort, die ich auf die Frage nach dem Verbleib des Bildes erhielt:

„Ob das Rosenwürstelbild noch vorhanden oder dem barmherzigen Zahn der Zeit anheimgefallen ist – manchmal legt man aus Pietäts-gründen nicht selbst Hand an ein etwas zweifelhaftes, um nicht zu sagen missratenes Werk, sondern lässt die Zeit arbeiten – kann ich im Moment nicht sagen.“ Zu mei-nem großen Bedauern ist das Bild nicht mehr aufgetaucht.

Julie

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ger Werk und übersiedelte in die Villa Albert in Rottenhaus. Julie hielt sich häufig in Wien auf, wo sie in der Wüster-Villa in der Für- fanggasse in Grinzing das Erdge-schoß bewohnte.Immer öfter aber zog es sie nach Wieselburg, um ihrem geliebten Sohn Eugen nahe zu sein. Er hatte in Berlin studiert und befasste sich schon dort intensiv mit Esperanto.

Im Jahre 1916 wurde die Breslauer Fabrik verkauft, das Ehepaar Wüs-ter kehrte nach Österreich zurück und bezog eine Wohnung in Wien, am Schwarzenbergplatz 15. Sohn Eugen war in Deutschland ge- blieben um das Gymnasium abzu- schließen und sein Studium aufzu-nehmen. Dies war die Zeit, in welcher sich Julie von ihrem Mann trennte und ihr eigenes Leben aufbaute. Damals war sie 44 Jahre alt. Geschieden wurde das Paar aus verschiedenen Gründen freilich nie, doch ging jeder seiner eigenen Wege.

Als 1929 die Firmen „Brüder Wüs- ter“ in Ybbs und „Wüster & Co.“ in Wieselburg getrennt wurden, übernahm Eugen das Wieselbur-

Die Wüster-Villa in Wien GrinzingDie Villa heuteJulie

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welche in Kilb beheimatet war, die Anderle-Villa in der Augasse. Hier wohnte sie etwa 20 Jahre. Jene Räume, die sie selber nicht benö-tigte, vermietete sie weiter. Als die Villa zum Verkauf ausgeschrieben wurde war es für sie an der Zeit, ein neues Domizil zu finden.

Vater und Sohn Wüster standen wohl immer in Verbindung. Die Briefe des Vaters an den in Deutsch-land weilenden Sohn endeten stets mit den Zeilen: „Wenn du etwas brauchst, wende dich immer ver-trauensvoll an mich, ich werde dir helfen wo ich kann.“ Oftmals und immer wieder lud er den Sohn ein, doch nach Wieselburg zurückzu-kehren und die Führung der Fabrik zu übernehmen. 1930 folgte Eugen dem Ruf seines Vaters. Dies war auch die Zeit, in der Julie nach Wieselburg zurückkehrte. Ab 1. August 1930 mietete sie von Karoline Winkler, der Mutter des Zimmermeisters Winkler und de-ren Schwester Rosa Seidenschwan,

Julie (vordere Reihe, 3. von rechts) bei der Taufe von Enkelin TrynDie Anderle-VillaJulie mit einem Ybbser Cousin von Thiele

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terin, die Villa Albert. Marie und Eugen hatten ein sonderbares Ver-hältnis zueinander und sprachen sich ausschließlich in der dritten Person an. Als Enkelin Tryn einmal ganz verliebt in Eugens Vitrine einen kostbaren Porzellanhund be-trachtete, sagte Eugen in scharfem Ton zu Marie: „Sieht sie denn nicht, dass das Kind den Hund möchte?“ Niemandem war es jemals erlaubt, in den Vitrinen die kostbaren Por-zellansammelstücke zu berühren, doch scheint es, dass Eugen eine große Schwäche für seine Enkel-kinder hatte. Dies bestätigt auch nebenstehendes Bild mit Enkel-sohn Thiele.

Zu dieser Zeit bauten Johanna und Alois Hinterleitner in der Arbeiter-gasse gerade ein Haus. Julie kann-te Alois Hinterleitner, weil er sie einmal aufsuchte, um von ihr Bau-grund zu erwerben – sie jedoch lehnte ab. Nun aber trat sie mit einem sonderbaren Anliegen an die Familie heran: sie wollte mit der Familie in dieses Haus ziehen. Vertraglich wurde 1952 festgelegt, die Wohnung in der Mansarde an Julie auf Lebensdauer gegen eine einmalige Zahlung zu vermieten. Die Wohnung bestand aus Zimmer, Küche, überdachter Terasse, WC, sowie einem zur ebenen Erde gele-genen Zimmer. Außerdem mietete Julie den gesamten Dachboden und ein Kellerabteil und sie hatte das Mitbenutzungsrecht für Bade-zimmer und Waschküche. (8)

Frau Hinterleitner stand in einem Dienstverhältnis zu Julie und es war ihre Aufgabe, die nun schon betagte Dame zu versorgen. Ehemann Eugen bewohnte mit Marie Breitenbach, der Haushäl-

Julies Ehemann Eugen mit Enkelsohn ThieleDie Villa Albert in RottenhausEugen Wüster

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freundlich trifft es am besten. Sie behandelte alle Menschen gleich ohne Ansehen der Person, was ihr von ihrem Mann den Vorwurf ein-trug, sie habe einen ,Hang zum Personal‘. Wen sie einmal schätzte und mochte, den konnte ihr nie-mand mehr vergraulen, da war sie unbestechlich.Was ihre Kleidung betrifft, so hat sie sich nicht nur beim Schwim-men, sondern auch sonst recht abenteuerlich gekleidet, nicht be-sonders elegant (auch zum Leid-wesen ihres Mannes). Den Hut schräg und eingedepscht auf dem Kopf, das Kleid irgendwie umge- hängt, immer in braunen, ver-rutschten, faltigen Wollstrümpfen und Schnürschuhen.

Julie Wüster gehörte in Wieselburg sozusagen zum Inventar. Im Alter etwas schrullig geworden, umwob sie ein geheimnisvoller Mantel der Undurchsichtigkeit. In Wirklichkeit wussten die Menschen hier sie nicht einzuschätzen. War sie eine Vereinsamte, um ihr Leben Betro-gene oder wogte hinter dem be-scheidenen Äußeren noch immer der wache Geist einer Frau, die ihre Selbstständigkeit und ihren eigenen Weg gefunden hatte? Eines aber schien immer klar zu sein: sie war eine Dame mit Bildung, gepflegter Sprache und entsprechendem Be-nehmen. Dass sie zu wenig der Untugend „Eitelkeit“ besaß, darauf wies sie selber bereits hin, als sie über das Internatsleben berichtete.Ihre Familie hätte sie lieber in etwas weniger sorgloser Kleidung gesehen.

Thiele Wüster erinnert sich seiner Großmutter: „Tatsächlich war sie eine kleine, zierliche Person. Sie war weder ernst noch heiter, aber herzlich, auf keinen Fall unnahbar, sondern sie hatte immer waches Interesse an anderen Menschen,

Julie

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feur, zum Abendessen in die Villa Albert geholt. Wie sich mehrere Personen dessen erinnern, nahm sie tagtäglich ihr eigenes Essen mit, bestehend aus einem Stück Tirolerbraten bzw. Leberkäse (dies-bezüglich scheiden sich die Geis- ter), einer Topfengolatsche und einer Flasche Bier, die sie für ge-wöhnlich mit ihrer Schwiegertoch-ter teilte. Da ihr Sohn Eugen niemals Alkohol trank, gab es auch im Haus kein Bier. Brachte Julie Tirolerbraten mit, dann durfte sich Schnicki, der Dackel, an den Fetträndern erfreuen.

Schmuck sah ich sie niemals tragen, weder einen Ring, noch Ohrringe, noch Perlenkette oder Uhr, Hand-tasche immer und manchmal sogar ziemlich voluminös, sie war voll-kommen uneitel. Das Haar quoll irgendwie genial kraus unter dem Hut hervor, nie ganz weiß, eher dunkelgrau, an manchen Stellen et-was weiß. Einziges Accessoir waren ein Vergrößerungsglas, welches an einer Schnur um den Hals hing und eine überdimensionale, etwa eineinhalb Meter lange Silberkette mit einem großen Schlüsselbund daran, der ungefähr zwischen Hüft- und Kniehöhe herumbaumelte. Einen Stock hatte sie auch, benützte ihn aber eher wie ein Skifahrer, der mit Stockeinsatz fährt, wenn sie mit leicht wankendem Gang, aber ziemlich schnell herumwieselte. [...] Kochen konnte sie meines Wissens überhaupt nicht. Das Einzige, was ich sie jemals zubereiten sah, war Ribiselsaft, von dem sie sehr viel hielt.“Julie wurde täglich von ihrer Schwiegertochter Inge oder von Herrn Kamptner, dem Chefchauf-

Hanna mit Dackel Schnicki Julie, Schwiegertochter Inge und deren Mutter Antonia HuberJulie mit Schwiegertochter IngeChefchauffeur Karl Kamptner

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genau wissen wollte wer ein Buch gekauft hatte. So entschloss er sich, eine Liste über die Käufer anzule-gen. 1968 stellte sie einen zweiten Teil der Chronik zusammen, von dem es nur sehr wenige Exemplare gab – meines Wissens waren es nur etwa sechs Stück. Dieser war reich bebildert und enthielt auch einige Korrekturen des ersten Bandes. Das gesamte Wissen dieser hier vorliegenden Veröffentlichung aber beruht auf Julies Tagebuch „Meine Erlebnisse“ (in 820 Seiten), welches sich in der Hand von Thiele Wüster befindet.

„Sohn Eugen war überhaupt ihr Herzbinkerl; als er schon deutlich über 70 war, konnte sie es nicht lassen, ihn in der kalten Jahreszeit zu ermahnen, unbedingt warme Unterwäsche anzuziehen, nicht ohne Hut und Schal auszugehen, während meine Mutter insgeheim die Augen verdrehte. Auch mir gab sie gerne altmodisch anmutende Verhaltensregeln mit auf Geschäfts-reisen: , ... Daß d‘ma nicht umwirfst mit‘m Automobil und daß d‘ma nicht herunterfallst mit‘m Luft-schiff ...‘“, so die Erinnerung Thieles an seine Großmama.

Mit großem Eifer widmete sich Julie der Heimatforschung und 1966 erschien ihr erstes Werk „Mein Wieselburg“. Darin hatte sie alles gesammelt, was sie über den Ort in Erfahrung bringen konnte. Das Buch im DIN-A4-Format wur-de im Kaufhaus Grießler in der Scheibbser Straße verkauft. Herr Grießler selber erzählte mir, dass Julie jede Woche vorbei kam und

Julie, Sohn Eugen und Schwiegertochter IngeThiele Wüster

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zu fragen: „Ist der alte Herr schon da?“Von Herrn Hinterleitner, ihrem Hausherrn, weiß ich, dass Julie im Sommer gerne im Freien schlief. Ursprünglich war so etwas wie ein Zelt auf der Terrasse aufgestellt, dann aber wurde ein Pavillon er-richtet, der etwas komfortabler war.Frau Dr. Loibl erinnert sich, dass Julie immer in die Erlauf zum Schwimmen ging, wobei sie in einer abenteuerlichen Garderobe erschien. Dies bestätigte mir Thiele und fügte hinzu, dass sie meist ihre Arme über dem Kopf verschränkt hatte und darauf Bedacht nahm, dass ihre Ellenbogen nicht nass wurden.

Toni Resch war der Nachfolger von Chefchauffeur Karl Kamptner. Er fuhr mit Julie wöchentlich zum Einkaufen und hatte von der Fa-milie den Auftrag, auf die alte Da- me aufzupassen. Manchmal chauf-fierte er Julie nach Wien. Bei solcher Gelegenheit lud sie ihn zum Essen ein, wobei sie sehr einfach speiste, während Herr Resch nach Herzenslust unter den Speisen auf der Karte wählen durfte.

Karl Grießler, der mit seiner Frau Hilde in der Scheibbser Straße das Geschäft unterhalb des Kirchen-berges betrieb, erzählte mir von einem Keller, der in den Felsen hin-ter seinem Haus gesprengt worden war. Dieser diente als Lager für die Waren. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Keller, nachdem er von Zimmermeister Josef Winkler ge- pölzt und mit hölzernen Sitzgele-genheiten versehen worden war, als Luftschutzkeller verwendet. Hierher kamen auch Julie und Eugen Wüster – natürlich getrennt voneinander – um Schutz zu su-chen. Eugen Wüster hatte einen fixen Platz mit einer Decke im Kel-ler – Julie pflegte beim Eintreten

Karl Grießler legt den Eingang des Luftschutzkellers freiChefchauffeur Toni Resch

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Wie dankbar Julie für geleistete Hilfe war, beweist eine Erzählung von Johanna Scheinhart, der lang- jährigen Wirtschafterin der Familie Wüster. In einer der Wieselburger Baracken lebte eine alte Russin, die angeblich während der Besat-zungszeit der Familie Wüster durch ihre Sprachkenntnis geholfen hatte. Das dankte ihr Julie über Jahrzehn-te hinweg. Alljährlich zur Weih-nachtszeit ging sie zu ihrem Fenster und brachte ihr ein Geschenk.

Im Kaufhaus Neubacher im Markt hat Julie gerne ungarische Sala- mi gekauft. Sie war der Meinung, dass diese gesünder sei als alle anderen Wurstsorten. Natürlich war gerade die echte ungarische Salami sehr teuer und kaum zu ver-kaufen in Wieselburg. Aber da Julie nach ihren Möglichkeiten doch die Salamibestände aufkaufte, besorg- te man diese immer extra ihret- wegen. Das erzählte mir Paula Neubacher und fügte hinzu, dass Julie die ers-te Frau in Wieselburg war, die mit einem nachziehbaren Einkaufswa-gerl einkaufen ging. Sie beschrieb Julie als eine kleine, zierliche Per- son, die immer nach der Schrift sprach und große Gesprächsbereit-schaft zeigte.Julie war auch die Firmpatin von Ingrid Reiter, der Tochter Dr. Eugen Wüsters langjähriger und unentbehrlicher Privatsekretärin Rosa Reiter.

Julie mit Firmling Ingrid Reiter und deren ElternJulie

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Geburtstag seiner Mutter ein.“ (10) Direktor Moser schrieb anlässlich des Geburtstages von Julie einen sehr schönen Artikel im Erlaftal-Boten: „Am 8. Oktober begeht Frau Julie Wüster, die Mutter des Chefs des renommierten Wieselburger Fabrikunternehmens Wüster & Co., ihren 90. Geburtstag. Als gebürtige Wieselburgerin steht die betagte Jubilarin im Blickfeld der Auf-merksamkeit. Ihr Leben ist eine lange Kette von Ereignissen, die mithalfen, ein Stück Wieselburger Geschichte mitgestaltet zu haben. Schon ihre Abstammung sagt uns, dass bereits an ihrer Wiege ein hoffnungsvoller Wegweiser stand, der für die spätere Entwicklung Wieselburgs geradezu lokalhisto-rische Bedeutung bekam. [...]

Julies soziales Engagement zeigte sich schon in jungen Jahren. In der Schulchronik fand sich ein Ein-trag (9), der bestätigt, dass eine Da-menrunde, der Julie angehörte, 40 Gulden spendete, wovon arme Kinder mit Schuhen, Unterröck-chen, warmen Strümpfen, Tüchern und Pulswärmern ausgestattet wer-den konnten. Da sie eine vermögende Frau war, stellte sie nachweislich in späteren Jahren der Firma Wüster in schwie-rigen Zeiten immer wieder Mittel in Form von Grundstückschenkun-gen zur Verfügung. Um ihre Finanz-kraft zu erhalten, wählte sie, im Gegensatz zu ihrem Mann, einen bescheidenen Lebensstil. Angeblich ließ sie finanzielle Zuwendungen immer nur ihrem Sohn Eugen zu-kommen, der viel zielstrebiger und bescheidener war als Eugen senior, der am 8. Oktober 1952, an Julies 76. Geburtstag, verstarb.

Ein großes Ereignis war Julies 90. Geburtstag und sie selber schreibt in ihrer Chronik folgendes: „Am 8. 10. 1966 lud Dozent Dr. Eugen Wüster den Gesangverein Harmo-nie, Angestellte der Firma Wüster & Co sowie den Betriebsrat zum 90.

Julie mit Familie bei ihrem 90. Geburtstag, v.l.n.r.: Sally, Thiele, Eugen, Hanna und Tryn, im Vordergrund Julie mit IngeJulie

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gnädige Frau, dass Ihnen – wie bisher – die Sympathien aller Wie- selburger auch weiterhin für alle Zukunft gehören. Unsere aufrichti-gen Glück- und Segenswünsche be-gleiten Sie dabei!“ (11)

Tatsächlich feierte die Familie ein schönes Fest in den Belegschafts-räumen der Fabrik. Julie wurde von der Villa Albert abgeholt und die Familie geleitete sie mit leuchten-den Lampions zum Fest.

In ihrer Zurückgezogenheit waren ihr aber auch als Private die Herzen der Wieselburger zugetan. Ihre vor- nehme Art, ihre Klugheit, ihr ge-bildetes Wesen, ihr nimmermüder Geist, ihre schöpferische Tatkraft, ihr hervorragender Kunstsinn und nicht zuletzt ihre am Schicksal an- derer immer teilnehmende herz-liche Menschlichkeit ließen sie zur ungekrönten First Lady werden. [...] Wenn wir nun um den Geburts-tagstisch dieser großen Dame aus großem Hause stehen, dann tun wir das im aufrichtigen Bewusstsein der Verehrung. Die Jubilarin erfreut sich gottlob noch recht guter Gesundheit sowie körperlicher und geistiger Frische. Das allein mag genügen, dass sie unsere allerherzlichsten Glückwün-sche für ein weiteres gesegnetes ho- hes Alter höchstpersönlich auf die-sem Wege entgegennehmen kann.Es sei Ihnen versichert, verehrte

Josef Bernhard gratuliert im Namen der Belegschaft der Firma WüsterJulie

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brauereigewaltigen Kaspar Barten-stein, in unsere Tage reichte. Kein Wunder, dass es ihr solcherart vor-behalten blieb, als begabte, musisch wohlerzogene und gebildete Dame eine Chronik in Form einer Bro-schüre mit dem treffenden Titel ,Mein Wieselburg‘ herauszugeben, die zur Fundgrube weiterer lokaler Geschichtsschreibung wurde.

Am 21. April 1973 starb Julie hoch-betagt im Krankenhaus Scheibbs. Da sich ihr Krankenzimmer unter der Spitalkapelle befand, konnte es zutreffen, dass sie unter Orgel-klängen ins Jenseits übertrat. Noch einmal schrieb Dir. Franz Moser eine Hymne auf Julie: „Die Nach- richt vom Tode der betagtesten Wieselburgerin, der Fabrikantens-witwe Julie Wüster, hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Am Kar-samstag 1973, 21. April, verstarb sie im Alter von 96 Jahren.

Mit ihr trug man am 27. April nicht nur eine Frau und Mutter zu Grabe, sondern auch ein Stück klassisches Wieselburg, weil ihr Leben sich wie eine Brücke ausnahm, die aus der Ära ihres Vaters, des legendären

Die ParteJulie

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Mit Frau Julie Wüster zu sprechen war stets ein Vergnügen. Geist und Seele wusste sie wohltuend unauf- dringlich und behutsam zu präsen-tieren, niemals müde, von einem Licht in das andere zu gehen. Ihr kluger Humor war faszinierend. [...] So manche würzige Anekdote kön- nte man über die nunmehr Ver-ewigte berichten. Ihre immerzu vornehme Art, ihre Toleranz, ihre Menschlichkeit, ihre Hilfsbereit-schaft und nicht zuletzt ihre nim- mermüde Sorge um das Wohl der Betriebsgemeinschaft der Firma Wüster & Co. sind für jedermann Merkmale genug, um in kurzen Zü- gen ein Porträt ihrer Persönlich-keit skizzieren zu können. Wenn sich daher ihr Begräbnis zu einer Manifestation der Verehrung ge- staltete, war das nur selbstver-ständlich. Das ungewöhnlich zahl-reiche Trauergefolge, angeführt von

der Betriebsleitung und der gesam-ten Belegschaft, waren Zeugnis je-ner Sympathie, die man der Toten nicht nur im Augenblick des Weges zur letzten Ruhestätte zollte. Es möge daher den Angehörigen ein Trost sein, dass ganz Wieselburg der großen alten Dame des Hauses Wüster ein bleibendes ehrbares Andenken bewahren wird.“ (12)

Julie

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Quellen- und Literaturnachweis

(1) Wüster, Juliana, Meine Erlebnisse, unveröffentlichtes Tagebuch in 3 Bänden(2) Beglaubigte Abschrift Z.189 des Geburts- und Taufbuches Tom. VII. Fol. 294 der Pfarre Wieselburg an der Erlauf(3) Schulchronik Wieselburg, S. 52(4) Schulchronik Wieselburg, S. 57(5) Schulchronik Wieselburg, S. 86(6) Schulchronik Wieselburg, S. 94(7) Schulchronik Wieselburg, S. 95(8) Bestandvertrag vom 19. Mai 1952(9) Schulchronik Wieselburg, S. 105(10) Wüster, Julie, Mein Wieselburg, Band 2 – Bilder zu Mein Wieselburg, unveröffentlicht, nur in wenigen unterschiedlichen Exemplaren vorhanden, keine Seitenangabe(11) Erlaftal-Bote, 76. Jg., Nr. 41, 8. 10. 1966, S. 4(12) Erlaftal-Bote, 83. Jg., Nr. 18, 3. 5. 1973, S. 5

Bildnachweis

Grubmüller, Hermine: S. 83Reiter, Rosa: S. 82 rechts oben, S. 88Resch, Anton: S. 90Scheinhart, Johanna: S. 18, S. 82 links oben und unten, S. 87, S. 92Stadtgemeinde Wieselburg: S. 26 untenWeiß, Irene M.: S. 16, S. 17, S. 19, S. 22, S. 23, S. 24, S. 25, S. 26 links oben, S. 64, S. 86Weiß, Mag.(FH) Johanna: S. 26 rechts oben, S. 27, S. 74 untenWinkler, Josef: S. 76 unten

alle anderen und Umschlagbilder: Wüster, Thiele

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Dank

Besonderer Dank gehört jenen, die mir bei meinen Recherchen geholfen bzw. meine vielen Fragen beantwortet und mir Materialien zur Verfügung gestellt haben:

Thiele Wüster, er war meine erste Adresse für alle Fragen und er hat mit bewundernswerter Geduld Seite um Seite gemailt, Bilder geschickt und meine unglaublichsten Fragen beantwortet.

Anna AmashauferMag. Michael BartensteinBrauunion WieselburgHarald Brunner (Bahnhofschronik I)Maria EilenbergerDir. Karl Fahrnberger & Dir. Erwin Rohbausch (Schulchronik Wieselburg)Hubert Gmeiner, Gemeinde AlberschwendeKarl Grießler und seiner Frau Hilde JerschabekHermine GrubmüllerAlois HinterleitnerIng. Manfred HölzlDr. Edelgard Loibl, Enkelin des Dichters Karl BienensteinPaula Neubacher, Geschäftsfrau i. R.NÖ LandesarchivFa. Radinger (Erlaftal-Bote)Franz RappelFriederike ReischlRosa Reiter, ehemalige Chefsekretärin von Dr. Eugen WüsterAnton ReschGerhard Ruspekhofer (Bahnhofschronik II)Johanna ScheinhartStadtgemeinde WieselburgWaltraud StraßmayrWalfriede WagnerJosef Winkler, Zimmermeister i. R.Christl WurmEdith Wutzl

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Caspar BartensteinJulies Vater

zum 160. Geburtstag gewidmet.

Irene M. Weiß

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Irene M. Weiß

Caspar Bartenstein

Julies Vaterzum 160. Geburtstag gewidmet.

Limitierte Auflage

Eigenverlag Irene M. Weiß

Band 6

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Weiß, Irene M.:Caspar Bartenstein

Julies Vaterzum 160. Geburtstag gewidmet.

1. Auflage – Wieselburg, 2006

ISBN-10: 3-9501919-8-4ISBN-13: 978-3-9501919-8-1

Eigentümerin, Herausgeberin und Verlegerin:Irene M. Weiß, A-3250 Wieselburg, Johann Wintergasse 9

Gestaltung:Mag. (FH) Johanna Weiß, A-3250 Wieselburg, Johann Wintergasse 9

Druck:radinger.print, A-3270 Scheibbs, Rutesheimer Straße 17

Copyright © 2006 Irene M. Weiß, Wieselburg

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Ein geschichtsträchtiges und ereig-nisreiches Jahr geht dem Ende zu – das Jahr, in dem wir die 30. Wiederkehr der Stadterhebung Wieselburgs feierten. Dieses Jahr soll aber nicht enden, ohne eines Mannes zu gedenken, der für un-sere Stadt zahlreiche nachhaltige Maßnahmen gesetzt hat und dessen Engagement für die Gesellschaft enorm groß war. Caspar Barten-stein, vor 160 Jahren geboren, kam aus dem „Ländle“ nach Wieselburg und wurde einer der größten Gön- ner dieser Stadt. Als ich in den Bau- akten des Stadtarchives zahlreiche Pläne und Protokolle mit Barten-steins Unterschrift fand, war es für mich unvermeidlich, diesen Mann mit der Herausgabe des vorliegen- den Buches zu würdigen – nicht nur den Bauherrn, den Gemeindeman-datar, den Vereinsgründer – nein, auch den Menschen, den Familien-vater, den Ehemann und den Wie-selburger, der er letztlich mit Leib und Seele war.

Eng verbunden mit seinem Jubilä-um ist jenes seiner Tochter Julie. Ihr Geburtstag jährte sich am 8. Oktober zum 130. Male. Sie ist vie- len Wieselburgern noch in Erinne-rung – die große alte Dame des Hauses Wüster, wie sie Dir. Franz Moser in seiner Hommage zum ihrem 90. Geburtstag nannte.

Hat man ein Buch fertiggestellt, ist es immer an der Zeit all jenen „danke“ zu sagen, die am Gelingen beteiligt waren.Ich danke in erster Linie meinem Mann, der mich wieder mit sicherer Hand durch den Aktenwald kurren-ter Niederschriften gelotst hat. Seinem Drängen nach Ge- nauigkeit ist es zu verdanken, dass Chroniken, zahl-reiche Akten und Pläne des NÖ Landesarchives, des Stadtarchives Wieselburg und der BH Scheibbs aufgestöbert, entziffert und bear-beitet wurden – gewürzt mit einer Briese Berichterstattung aus dem Archiv des Erlaftal-Boten. An dieser Stelle muss erwähnt sein, dass ich im Archiv der Familie Radinger immer herzlich und freundlich will- kommen war und es war unglaub- lich spannend, die überdimensio-nalen Schwarten der gebundenen Jahrgänge des ETB durchzustö-bern. Eigentlich wollte ich nur über Cas-par Bartenstein schreiben, aber fast über Nacht beschloss ich, auch Julie zu „erforschen“, die schließlich zu meinem Hauptthema wurde.Irgendwann zu Beginn meiner Ar-beit kontaktierte ich Thiele Wüster, den Urenkel Caspar Bartensteins,

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denn ich dachte, dass er vielleicht noch über weitere Materialien ver- füge. Meine erste Mail beantworte-te er sehr höflich, aber doch irgend-wie final. Doch ich fragte weiter und weiter und es entspann sich ein reger Mailwechsel, bei dem sich Steinchen an Steinchen fügte, bis ein fast lückenloses Mosaik ent-stand, welches sich in „Julie“ wider-spiegelt. Herr Wüster las immer wieder in Julies Tagebüchern und zitierte ganze Passagen in seinen Mails, dann schickte er die dazu passenden Bilder. Mit jeder Zeile schloss ich Julie mehr ins Herz. Herrn Wüster ist es zu danken, dass aus „Julie“ eine authentische Geschichte geworden ist, die das Andenken an eine Frau wahren soll, die lange Zeit sozusagen zum „Stadtbild“ von Wieselburg gehör-te. Eine Frau, die in der Stille in einem Maß emanzipiert war, wie es viele von uns heute noch nicht sind. Herzlichen Dank allen Wieselbur- gern, die meine Fragen beantwor-teten und ihre Schatzkästchen der Erinnerung mit mir öffneten, mir Informationen und Bilder zur Ver- fügung stellten. Es ist einfach nicht selbstverständlich, beim Recher-chieren offene Türen vorzufinden. Ich aber hatte das Glück, mit lau- ter liebenswerten Menschen zu-sammenzutreffen und ich habe den Kontakt zu jedem einzelnen von ihnen wirklich genossen.

Letztlich danke ich meiner Tochter Johanna, die sich wieder um das „Äußere“ des Buches gekümmert hat, mit mir Fototouren unter-nommen hat und schließlich auch eine hervorragende Korrekturlese-rin ist.Wie immer habe ich mit meinem Vorhaben die gesamte Familie be-schäftigt und Sohn Sebastian hat meine Forschungen wieder gedul-dig ertragen. Meistens ist es so, dass nach der Vollendung eines Buches da und dort wieder Quellen auftauchen, die sich leider nicht zum richtigen Zeitpunkt geöffnet haben. Lieber Leser, sollten Sie über eine solche Quelle verfügen, dann teilen Sie mir dies bitte mit, ich werde jeden weiteren Hinweis mit Sorgfalt archivieren.Nun aber hoffe ich, dass sie soviel Freude beim Lesen und Blättern in „Julie“ und „Caspar Bartenstein“ haben, wie ich beim Schreiben hat- te – und wenn Sie durch die Barten-steingasse gehen oder gar in dieser wohnen, dann wissen Sie nun ganz genau, nach welch bedeutendem Manne diese benannt wurde.

Herzlichst, Ihre Irene M. Weiß

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Der Dorfplatz von Alberschwende mit der uralten Dorflinde

CBs Geburtshaus in Alberschwende, heute im Eigentum von Lothar Gmeiner

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Der Name Johann Caspar Barten-stein ist mit Wieselburg und seiner Geschichte eng verbunden.Mancher Wieselburger mag sich des Namens noch entsinnen und er-kennt in diesem den Begründer der modernen Brauerei. Wenigen aber ist bekannt, dass Caspar Bartenstein im öffentlichen Leben des Ortes eine entscheidende Rolle spielte. Sein Engagement bezog sich – außerhalb der betrieblichen Interessen – auf die Arbeit als Gemeindemandatar und als Mitbegründer und Gönner vieler Vereine.Johann Caspar Bartenstein wurde am 6. Februar 1846 in Alber-schwende, Hof 13 (heute: Zipfel 13) in Vorarlberg geboren. Sein Vater Ignatius Bartenstein (* 24. Jänner 1805, † 18. März 1879) stammte aus Lingenau. Seine Mutter war Maria Magdalena Höfle (* 25. Juni 1817, † 18. Juni 1862). Das Paar hatte acht Kinder:Johann Caspar (* 6. Februar 1846),

Maria Anna (* 16. Dezember 1848), Maria Agatha (* 11. Juni 1850), Franz Peter (* 28. April 1853), Johann Martin (* 20. Oktober 1854), Anna Barbara (* 31. Dezember 1855), Franz Josef (* 22. November 1857) und Johann (* 25. Oktober 1859). Der älteste bekannte Vorfahre Cas- pars war Andreas Bartenstein, wel-cher 1553 in Lingenau geboren wurde und auch dort 94-jährig im „Heumonat“ (= Juli) des Jahres 1647 starb. Sein Bruder Michael wirkte als „artium et philosophiae Magister“ und 1602 sogar als Rek- tor auf der Poetenschule in Mün-chen. (1)

Caspar Bartenstein (künftig als Abkürzung CB zu lesen) hatte mit seinen Brüdern, die wie er großteils im Braugeschäft tätig waren, Zeit seines Lebens regen Kontakt, wie der Briefwechsel zeigt. Eine Jahres-karte der Staatsbahnen beweist auch, dass CB mehrmals jährlich seine Heimat Vorarlberg aufsuchte.

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Caspar Bartenstein und seine Brüder

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Jahreskarte der „k. k. Österreichische Staatsbahnen“

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Brief von CBs Bruder Johann, geboren am 25. Oktober 1859

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Brief von Bruder Franz Peter, dessen Nachkommen noch heute in Uster eine Brauerei betreiben

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Das Brauhaus des Josef Riedmüller

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Der junge Caspar erlernte das Brau-ereigewerbe in Österreich und prak-tizierte anschließend in Bayern, der Schweiz und Frankreich. In die Heimat zurückgekehrt, zog es ihn in den Osten Österreichs. Rosenau und später Waidhofen an der Ybbs waren seine Domizile. In der Ried-müller‘schen Brauerei in Waidho-fen war er zwei Jahre als Brauführer tätig. Zu Peter und Paul des Jahres 1860 war die Brauerei des Johann Nepo- muk Mutzer in Wieselburg einem Brand zum Opfer gefallen. Josef Riedmüller (* 2. Februar 1833), Sohn des Brauereibesitzers aus Waidhofen, welcher gleichen Na-mens war, kaufte die Brandruine um 12.000 Gulden und baute sie zu einer neuen Brauerei auf. 1861 heiratete Josef Riedmüller Juliana Pilshofer (* 2. April 1838), eine Gastwirtstochter aus Yspertal, welche bei der Hochzeit Miteigen-tümerin der Brauerei wurde. Der Ehe entstammten vier Kinder: Eli-sabeth (* 4. November 1861), Franz (* 12. Oktober 1862), Josef (* 12. Fe-

bruar 1863) und Theresie (* 2. Juli 1869). Franz starb bereits 9-jährig am 6. April 1871. Als Josef Riedmüller nur 42-jährig am 13. Februar 1875 bei einem Un-fall mit dem Pferdegespann ums Leben kam, sah sich Juliana einer großen Aufgabe als Mutter und al-leinige Eigentümerin der Brauerei gegenüber. CB, der in Waidhofen bereits zum Geschäftsführer aufgestiegen war, sah in einer Heirat mit der Witwe Riedmüller seine Chance. Bei der „Löblichen Gemeindevorstehung in Wieselburg“ suchte er um Aufnah-me in den Gemeindeverband an. Dabei wies er auf den Verlobungs-pakt mit Juliana Riedmüller hin, der ihm durch die Heirat seine und seiner Familie „Subsistenz“ si- cherte. Mit Sitzungsbeschluss der Gemeindevorstehung von 28. Au-gust 1875 und gegen eine Taxe von 50 Gulden, wurde CB in den Gemeindeverband von Wieselburg aufgenommen. CB aber gab sich nicht damit zufrieden, dass seine Existenz abgesichert war. Er wollte

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Juliana und Julie Bartenstein

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Miteigentümer der Brauerei wer- den – dies war auch seine Bedin-gung für eine Hochzeit mit Juliana Riedmüller.Mit dem Ehevertrag vom 19. Au-gust 1875 und dem dazugehörigen Nachtrag vom 7. Oktober 1875 wurde das Eigentumsrecht an der Brauerei zur Hälfte CB übertragen. Bereits am 30. August 1875 heira-tete der 29-jährige CB die damals 37-jährige Juliana und war damit auf einen Schlag Brauereibesitzer und Vater von drei Kindern.Man mag CB wegen dieser Heirat Berechnung vorwerfen, aber man muss eingestehen, dass er zum Wohle der Familie, der Brauerei und des Ortes Großes leistete. Er war ein ehrbarer, pflichtbewusster Mann mit enormem Weitblick und einem gütigen Herzen. Sein rastlo-ser Fleiß gepaart mit ungeheurem kaufmännischen Talent sollten die Brauerei in wenigen Jahren an ih-ren Höhepunkt führen. Vereine sollten in CB nicht nur ei-nen Mitbegründer finden, sondern auch einen Mäzen, der nicht nur

finanziell, sondern auch ideell für sie da war. Sein Engagement reichte bis in die Gemeindestube, wo er als Ausschussmitglied und Ge- meinderat bedeutende Entschei-dungen mittrug und teilweise so-gar finanziell unterstützte. Er nahm regen Anteil am gesellschaftlichen Leben und war durch die Bekannt-heit der Brauerei und den Erfolg seiner Pferdezucht wesentlich da-ran beteiligt, den Ruf Wieselburgs weit über die Grenzen der Region hinauszutragen. Sein Name klingt noch heute, 160 Jahre nach seiner Geburt, wie ein Mythos und muss immer wieder Erwähnung finden, da die Folgen seines Wirkens noch heute greifbar sind.Am 8. Oktober des Jahres 1876 wurde Juliana und Caspar Barten-stein ihr einziges gemeinsames Kind, ihre Tochter Juliana, gebo- ren. Drei Jahre später, am 20. Dezember 1879 starb Tochter Re-serl aus erster Ehe. Somit waren in der Familie noch 3 Kinder: Elisabeth, Josef und Juliana (siehe „Julie“).

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Caspar Bartenstein

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Gemäß der Aussagen von Thiele Wüster, CBs Urenkel, kann CB als ein tatkräftiger, strenger, voraus-schauender und gerechter Mann dargestellt werden, fürsorglich und liebevoll gegenüber seiner Familie. Ohne Zweifel war er für seine Ar- beiter ein korrekter und sozialer Mensch, wie wir aus den Aufzeich- nungen seiner Tochter schließen können: „Auch ein Sohn der lang-jährigen Dienerin meiner Schwes-ter war in der Binderwerkstatt des Brauhauses durch die Protektion meines Vaters beschäftigt. Er kon- nte nämlich weder deutlich spre-chen, noch stramm gehen. Er war überhaupt nicht ganz normal und wurde außerdem vom Doktor für lungenkrank gehalten. [...] Wir kochten damals für unsere Oekonomiearbeiter und ziemlich einfach. Ich legte auch wenig Wert auf den Genuß guter Speisen. Wenn man Sonntags ausfuhr, be-suchten wir die Landkunden, also die bäuerischen Gasthäuser.“ (1)

Sicherlich war die Verbindung von Caspar Bartenstein mit der Witwe

Riedmüllers keine reine Liebes-heirat, doch ist aus verschiedenen Passagen von Julies Tagebuch he-rauszulesen, dass das Verhältnis der Eheleute zueinander ein absolut positives war: „Meinem Vater war es gelungen, das Geschäft um ein Vielfaches zu vergrößern, seitdem er die Leitung desselben übernom-men und Mutter geehelicht hatte. [...] Er war nicht eigentlich zum Ehemann geschaffen. Die Häuslich-keit war ihm zu kleinlich. Trotzdem liebte ihn Mutter immer mehr. Die willensstarke Frau, welche in ihrer ersten Ehe regierte, beugte sich immer mehr – liebte und half dem Vater ihre Habe vervielfältigen. [...] Wie oft, wenn ich mit Mutter spazie-ren ging in die sogenannte Sonn-leiten, ruhten wir kurz vor dem Walde auf ihrem Lieblingsplatz aus und träumten hinüber zu dem schneegekrönten Berg. Wir sahen auf wogende Kornfelder und Mut-ter mit Wohlgefallen auf das weiter unten liegende Brauhaus, dessen Schornsteine von nimmerruhender Arbeit zeugten. Jetzt begreife ich,

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Juliana Bartenstein, gemalt von ihrer Tochter Julie Wüster

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wofür mir damals das Verständnis fehlte, nämlich die Freude Mutters an dem, was sie mit Vater geschaf-fen und an den Erfolgen, welche sie gemeinsam erzielt hatten. Höflich gegrüßt wanderten wir durch die Felder und sahen überall blühende zufriedene Gesichter von emsig schaffenden Menschen.“ (2)

In Juliana hatte CB eine ebenbür-tige Partnerin gefunden, die ihn unterstützte und die – wie ihr Nachlass zeigt – ihm in Wohltätig-keit und Großzügigkeit um nichts nachstand. Testamentarisch ver-fügte sie, dass ihr Erbe zu gleichen Teilen an ihre Kinder Elisabeth Mathes, Josef Riedmüller und Ju- liana Bartenstein überging. Doch sie bedachte auch ihre Halbschwes- tern Josefa Holzinger, Gemischtwa-renhändlerin in Wien, und Katha- rina Kanal, Bäckerswitwe in Wien.

Weiters schließt sie die Kinder ih-rer verstorbenen Halbschwestern Franziska Fall in St. Pölten und Johanna Salzer in Linz in das Testament ein. Auch dem Dienst-mädchen Ludmilla Hofstandler, falls es zum Zeitpunkt des Todes noch in Julianas Diensten stehe, und dem Mädchen der Tochter Elisabeth, Theresia Schedlmayer, sowie dem Taufpatenkind Julius Schedlmayer wurden einmalige Zuwendungen zuteil.Auch verschiedene Vereine und In-stitutionen erhielten aus Julianas Nachlass eine einmalige Zahlung. So bekam der Veteranenverein 1.000 Kronen, die Freiwillige Feu-erwehr 400 Kronen, ebenso die Pfarrkirche Wieselburg, die armen Schulkinder von Wieselburg, die Armen der Gemeinde und der Kin-dergarten. (3)

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Plan vom Bau der Eisgrube

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Mit der Heirat übernahm CB 1875 einen Brauereibetrieb, der sich nach außen hin ähnlich einem bäuerlichen Vierkanthof zeigte (siehe Bild S. 10) und dessen Bierproduktion man gut als hand-werklich bezeichnen konnte. Da-mals wurden pro Jahr etwa 2.700 Hektoliter Bier erzeugt. (1) Bereits nach Ablauf eines Dezeniums, also 1885, erreichte der Bierausstoß mit 13.384 Hektolitern eine mehr als fünffache Steigerung. Nach weite- ren zehn Jahren hatte sich die Produktion auf das fünfzehnfache (41.892 Hektoliter) gesteigert und erreichte um die Jahrhundert-wende etwa 60.000 Hektoliter pro Jahr. (2) Um eine solche Produk-tionssteigerung zustande zu brin- gen, bedarf es natürlich verschie-dener Maßnahmen. Die Grundlage der enormen Leistungssteigerung war ohne Zweifel die Umstellung des Betriebes von Göpelwerk auf Dampfkraft. Wie die Akten beweisen, nahm CB fast alljährlich Baumaßnahmen im Brauereibereich vor. Die aktenmä-

ßige Dokumentation dieser langen Bauphase beginnt im April 1886 mit dem Zubau einer Eisgrube, ei-nes Kellers und eines Zimmers an die bestehende Malztenne und des darunterliegenden Gärkellers. (3) Die Anrainer, der Hausbesitzer Alois Lasser und Friedrich von Tepser, für die kaiserliche Gutsverwaltung Weinzierl, erhoben keine Einwände gegen das Bauvorhaben. Im Ortsteil Au, am Fuße des heu-tigen Kellerberges, befand sich das Kellerstöckel mit der Hausnummer „Au Nr. 16“. Dieses ist sozusagen als „Grundstein“ für die spätere

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Plan der Wagenremise

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„Brauerei am Kellerberg“ anzuse- hen. Hier ließ CB einen Lagerkeller errichten, den er 1888 in nordwest-licher Richtung sowohl in den Kellerräumen, als auch im Stock-werk verlängerte. (4) CB verpflichtete sich, die bestehende „Facade“ gleich zu halten und das Gebäude feuer-fest einzudecken.Das Jahr 1889 war für die Brauerei im Markt und den dazugehörigen Meierhof durch mehrere Um- und Zubauten gekennzeichnet. Am 1. Mai 1889 erfolgte die Bauanzeige für eine Wagenremise, anstoßend zwischen den bereits bestehenden gemauerten Stallungen des Meier-hofes – die Brauerei verfügte über Pferde und Ochsen, welche die Bierfässer zu den Wirtshäusern be- förderten – und der „Scheuer“ längs der Landstraße Pöchlarn-Scheibbs. (5) An der Straßenseite der Wagenremise befanden sich zwei große doppelflügelige Holztore von jeweils 3,80 m Breite. Die „Mau- ern“ entsprachen daher bestenfalls massiven Pfeilern, da die Gesamt-breite der Remise 10,80 m betrug.

Obwohl sich die breiten Torflügel zur Straßenseite öffneten, erhob der Bezirksstraßenausschuss keine Einwände.Am 7. Juni des Jahres 1889 melde-te Bartenstein im Gemeindeamt, dass er die Düngerstätte, die sich hinter dem Brauhaus befand, in ein Kohlenmagazin umgestalten wolle. (6) Über diesem und der an-grenzenden Malztenne errichtete er ein Stockwerk für eine weitere Malztenne. Die Bauverhandlung führte die BH Scheibbs, weil CB zu diesem Zeitpunkt Mitglied des Gemeindevorstandes war.

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Plan vom Umbau der Düngerstätte in ein Kohlenmagazin

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Plan vom Bau einer Wagenremise

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Plan zum Bau einer Wohnung über der Eisgrube

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1889 musste CB, um der neuen NÖ Bauordnung gerecht zu werden, die Dampfkesselanlage, welche seit 31. Dezember 1882 genehmigt war, umbauen. (7) Im Kesselhaus ent-fernte er den Plafond, sodass es bis unter die Dachfläche frei wurde. Auch musste eine Tür direkt ins Freie – mit Oberlichte – geschaffen werden. (8)

Im Juli 1890 meldete CB, dass es sich bei der Dachreparatur des Kellerstöckels in Au herausgestellt habe, dass Dachstuhl und Decke schadhaft wären und er daher das Gebäude als Wohnung auflassen und anstatt deren einen Eiskeller errichten möchte. (9) Aus unbe-kannten Gründen erfolgte keine Antwort der BH Scheibbs, worauf CB im Oktober mit den Umbau-arbeiten begann. In einem Schrei-ben der Bezirkshauptmannschaft vom Oktober des Jahres an den Bürgermeister steht zu lesen: „Der Gemeinderat und Brauhausbesitzer Caspar Bartenstein in Wieselburg soll einen Eiskeller bauen, ohne ei-ne Baubewilligung hiefür erhalten

zu haben. Durch diesen Bau sollen auch bedeutende sanitäre Übel-stände entstehen.“ CB wurde über die Situation einvernommen und musste binnen 14 Tagen unter Plan-vorlage um die Baubewilligung ansuchen. So geschah es auch.Zur gleichen Zeit nahm CB auch Umbauten im Wittekhaus in der Bahnhofstraße vor, in welchem sich Wohnungen für seine Arbeiter befanden. Diese beiden Bauvorha-ben verquickten sich, als die BH Scheibbs bekannt gab, dass am 4. Juni 1891 gleichzeitig mit der Kommissionierung des Wagen-schuppens im Wittekhaus die nachträgliche Erteilung der Bau-genehmigung für den Eiskeller erfolgte. (10) Dabei wurde betont, darauf zu achten, dass die sanitä-ren Übelstände beseitigt werden. Da aber in der Zwischenzeit CB sein Mandat im Gemeindevorstand mit der Begründung des Zeitman-gels zurückgelegt hatte, wurden die Bauakten von der BH an die Gemeinde zurückübermittelt. Ob dieser Rücktritt tatsächlich wohl

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Situationsplan

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auch zum Teil aus taktischen Gründen erfolgte? Das „sanitäre Problem“, welches durch den Bau des Eiskellers entstand, wurde erst durch den Ausbau des Kanalnetzes 1892 verbessert. CB verlegte eine Rohrleitung vom Lagerkeller und band diese an das neu geschaffene Kanalnetz an. (11) Diese Rohrleitung verstopfte sich immer wieder durch Glasscherben und Korkreste, wo-durch es fallweise wieder zum Was-seraustritt kam. Erst im Jahre 1897, durch den Einbau eines Siebes und die Auflage, dass dieses regelmäßig kontrolliert und gereinigt werden müsse, wurde das Problem endgültig beseitigt. Das Jahr 1892 war wieder durch umfangreiche Bauvorhaben in der Brauerei im Markt gekennzeichnet, welche sich teilweise über mehrere Jahre erstreckten. Der Beginn die-ser war im April 1892 mit dem Bau einer Wagenremise, welche an die bestehende gemauerte Scheu- er mit der Front zur Kemmelbacher Bezirksstraße angebaut wurde. Sie hatte eine Länge von 26,10 m und

eine Breite von 8 m (12) und war straßenseitig bis zum Dach ge-mauert, hofseitig bestand eine Bretterverschalung zwischen Mau-erpfeilern. Das größte Bauvorhaben reichte CB aber im Juli 1892 ein. Es umfasste folgende Schritte: (13)

1. Neubau der Malzdarre, welcher schon 1889 erstmals geplant und bewilligt war2. Bau des Maschinenhauses in der 1889 geänderten Malztenne Nr. 43. Umbau des Kohlenmagazins in ein Kesselhaus4. Errichtung eines 40 m hohen Schornsteins für die Kesselheizun-gen 5. Bau eines eigenen Brunnens für die Versorgung der Dampfmaschi-ne und der Kühlanlage6. Erweiterung der Malztenne Nr. 4

Im selben Monat noch erhielt CB von der BH Scheibbs wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit – vorbehaltlich des Schlotes – die Baugenehmigung für seine Vorhaben.

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Plan vom Bau der Malzdarre (nicht realisiert)

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Plan zur Vergrößerung der Malzdarre (realisiert)

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Plan zur Erbauung des Schornsteins

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1

2

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Bau des Maschinenhauses (1), der Malzdarre (2) und Erweiterung der Malztenne (3)

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Plan zum Bau des Maschinenhauses

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Schon im März 1893 war ein Groß- teil der Bauvorhaben bereits erle-digt. Lediglich die Malzdarre war nicht fertiggestellt und der Schup-penumbau war in Arbeit.Der Umbau des Maschinenhauses, welches durch eine Mauer in zwei Räume geteilt wurde, war abge-schlossen. In einem Raum standen die Dampfmaschine, ein Kompres-sor, ein Kondensator, ein Verdamp-fer und zwei Dynamomaschinen für die elektrische Beleuchtung, im anderen Raum befanden sich die Transmission und das Reservoir für die Kühlung. Darüber ließ CB ein neues Stockwerk bauen, welches als Malztenne Verwendung fand und in dem auch Wasserreservoirs aufgestellt waren. Auch der Um-bau des Kohlenmagazines in ein Kesselhaus für zwei Dampfkessel war abgeschlossen. Der Rauchschlot für die beiden Kesselheizungen wurde an der Hauptmauer der Malztenne Nr. 2 zwischen dem Kesselhaus und der Landesstraße errichtet und wies eine Höhe von 40 m auf.

Anstoßend an den Gärkeller war ein Brunnen mit 2,5 m Durchmes-ser gegraben worden. Sein Wasser wurde für die Dampfmaschine und die Kühlanlage benötigt, sein Pumpwerk wurde von der Trans-mission betrieben.Im August 1893 reichte CB eine Planänderung für die Malzdarre und den 23 m hohen Schornstein ein. Demnach sollte die Darre eine Länge von 9,10 m, eine Breite von 5,65 m und eine Höhe von 12,45 m haben und bestand aus zwei Eta- gen mit Stabeisenrosten auf eiser-nen Traversen. Die Decke bestand aus einem traversengestützten Ge- wölbe, darauf ruhte ein 10 m ho- her „Ventilationsschlot“ mit einem Rauchableitungsrohr. Im Dezem- ber 1893 war die Malzdarre beina-he fertiggestellt. Im Zuge der Bau-arbeiten stellte sich heraus, dass eine neue Sudpfanne samt neuem Schlot notwendig geworden war. Das Sudhaus wurde erweitert und erhielt Fenster mit einer Höhe von 3,60 m und einer Breite von 1,80 m. Der Schlot hatte eine Höhe von

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Plan der Dampfmaschinenkessel-Kühlanlage samt Brunnen

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22 m. Im April 1894 war das ge-samte Bauvorhaben abgeschlossen und genehmigt.Auch das Jahr 1894 war von enor-mer Bautätigkeit gekennzeichnet. Beim Lagerkeller errichtete CB ei-ne Eisgrube. (14) Im April 1894 ersuchte CB um Um-bau des bestehenden Eiskellers an der Kemmelbacher Bezirksstraße in zwei Beamtenwohnungen (15) mit je einem Zimmer und einer Küche beiderseits des Ganges. Unter den Wohnungen blieb der Eiskeller be- stehen. Drei Monate später stellte er das Ansuchen, einen Vorbau zu errichten, sodass die Doppelein-gangsstiege einen Vorraum erhielt. Dieser Vorbau sollte bis in die Hö- he des Dachfirstes hochgezogen werden, sodass ein weiterer Raum, aus dem er schließlich zwei kleine „Kabinete“ machte, entstand. Be- reits am 8. Oktober wurde kollau-diert.1894 baute CB die Wagenremise zu einer Werkstätte für verschiedene „Profeßionisten“ aus. (16) Auf einer Länge von 19 m und einer Breite

von 8 m ließ er sozusagen ein Zentrum für alle seine Handwerks-sparten errichten, dazu gehörten Tischlerei, Zimmerei, Wagnerei, Schmiede, Schlosserei. Um auch im Winter ein gutes Arbeitsklima zu schaffen, baute er eine Feuerung in das neue Werkstättenzentrum. Dieser Umbau erforderte die Er-richtung einer neuen Wagenremi-se, die er rechtwinkelig an die Werkstätten erbauen ließ. (17) Diese neue Wagenremise wies eine Länge von 33 m und eine Breite von 8 m auf und war somit beinahe doppelt so lang wie die alte Remise. CB hatte von der k. & k. Gutsver-waltung Weinzierl den Körnerkas-ten (Gebäude Nr. 1), welcher an der Landesstraße Pöchlarn-Lassing ge- legen war, erworben und errichtete einen Verbindungsbau zum Brau- ereigebäude. In diesen integrierte er den bis dahin freistehenden 40 m hohen Schlot zwischen Ma-schinenhaus und Malztenne Nr. 2. Ebenerdig war nur die Einfahrt in den Hof der Brauerei. (18) Die alten Decken des Körnerkastens ent-

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Umbau des Eiskellers zu Beamtenwohnungen

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Werkstätten und Neubau einer Wagenremise

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Plan zum Umbau des Körnerkastens zu einer riesigen Malztenne

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fernte er, ersetzte sie durch neue Gewölbedecken und hob den Dach-stuhl. Die ehemalige ebenerdige Wohnung wurde aufgelassen. Den gesamten Gebäudekomplex nutzte er als Malztenne. 1897 erfolgte die Verlängerung des Gärkellers und der darüber befind-lichen Malztenne, welche an das Grundstück des Alois Lasser grenz-ten. Das zweite Bauvorhaben die- ses Jahres betraf die Brauerei am Kellerberg, wo er den Lager- und Eiskeller um 30 m in westlicher Richtung verlängerte. (19)

1899 wurde an der Längsfront des Lagerkellers ein ebenerdiger Zu- bau für eine Kühlanlage „System Linde“ errichtet. (20) Zusätzlich ent- stand ein begehbarer Verbindungs-tunnel zwischen dem Brauhaus und dem Lagerkeller. Dieser be- gann beim Gärkeller am südöst- lichen Hoftrakt der Brauerei, in welchem ein 4 cm starkes Kupfer- rohr mit einer Wandstärke von 3 mm verlief, durch welches mit- tels eines Kompressors das Bier in

die Fässer im Lagerkeller hinein-gedrückt wurde. Außerdem verlief im Tunnel auch eine Kaltwasser-leitung, die mit dem Brunnen auf Parzelle 148 in Verbindung stand (= Brunnen in der Johann Winter Gasse). Später wurden auch die Stromleitungen darin verlegt.Im Jahre 1900 baute CB zum vier-ten Male eine Wagenremise und wiederum wurde die vorherige an Größe überboten. Diese Remise, rechtwinkelig angeschlossen an die große Malztenne, den früheren Körnerkasten, hatte ein Länge von 45,90 m. (21)

Somit hatte die Brauerei im Markt weitgehendst das Ausmaß erreicht, welches im Lageplan vom Mai 1940 dargestellt ist.Mit der Kollaudierung zweier Eis-teiche, einer Fasswäscherei, einer Picherei und eines neu erbauten Schornsteines waren auch die Bauvorhaben CBs in der Brauerei am Kellerberg weitgehendst abge-schlossen. (22)

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Lageplan aller Brauereigebäude, des Tunnels (grün) und der Schleppgeleise (blau)

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Die brauereieigenen Gebäude im Markt mit dem Meierhof, im Hintergrund die Beamten-wohnungen und die Kapelle, rechts vorne der Brauhof, rechts von der Brauerei das Wittekhaus

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Die Drehscheibe am Bahnhof und die Schleppgeleise zur Brauerei

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Im Jahre 1899 trat CB Grundstücke für den Bau des Stationsgebäudes Wieselburg samt Vorplatz ab. (1) Die Gemeinde ersuchte damals, auch das Grundstück vom Bahnhofvor-platz bis zur Bahnhofstraße abzu- treten, um die Zufahrt zu erleich-tern.An jenem Platz, an dem sich heu- te die Radständer neben dem Bahnhofsgebäude befinden, gab es damals eine Drehscheibe, von wel-cher ein Schleppbahnanschluss zur Brauerei abzweigte. Von hier wurden mit Ochsengespannen die Waggons in das Brauereigelände zum Be- und Entladen geschleppt. In welchem Jahr das Brauhaus diesen Schienenanschluss an die Erlauftalbahn erhielt, ließ sich nicht definiftiv eruieren. Allerdings fand sich in der alten Bahnhofschronik (2)

ein Plan, in dem die Drehscheibe und der Anschluss eingezeichnet sind und der mit 1896 datiert ist.

Weiters ist in der Bauverhandlung vom 26. April 1900 (3) von einem „Industrie Geleise“ die Rede. Im Akt der BH Scheibbs (4) ist zu lesen, dass eine Verlängerung bzw. Ab- zweigung der Schleppbahn bis zum Lagerkeller im Jahre 1911 vorge-nommen wurde. Die Abzweigung von der bestehenden Schleppbahn erfolgte bei Kilometer 0.17 mit ei- ner rechten Weiche. Die Trassen-führung verlief östlich der Brauerei, kreuzte den Gemeindeweg (heutige Adalbert Stifter Straße), verlief über den Parkplatz des alten „Spar-Bauer“, querte die heutige Johann Winter Gasse und verlief dann parallel zur heutigen Adalbert Stif-ter Straße unterhalb der Sachervilla bis zum Lagerkeller, wo sich eben-falls eine Drehscheibe befand. Ohne Zweifel war der Bahnanschluss für die Brauerei von besonderer Wich- tigkeit und erleichterte den Trans-port der Güter ungeheuer.

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Das dreifach gebrochene Breiteneicher Wehr

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Bereits im Jahre 1895 suchte CB um den Bau eines Turbinenhauses auf der Parzelle Nr. 18 in Breiten-eich an. (1) Im Dezember des selben Jahres war die Bauverhandlung und im Jänner 1896 erfolgte der positive Bescheid. Gleichzeitig er- hielt er die Bewilligung, vom be- stehenden Werksbach der Breiten-eicher- und Kendlmühle, welcher von der Breiteneicher Wehr an der Gemeindegrenze Wieselburg-Petzenkirchen gespeist wird, eine Abzweigung zu errichten. 525 m un- terhalb des Wehres musste er ei- ne 3 m breite Teilungsschleuse aus Holz errichten, welche sich mittels Zahngetriebe bewegen ließ. (2)

Um sich das Wasserrecht zu si-chern, kaufte CB noch im Jahre 1896 die beiden unterliegenden Mühlen. Die Breiteneicher Mühle war damals in Besitz von Julius Grießler und den Eheleuten Franz und Anna Jank. (3) Die Kendlmühle erwarb er von Franziska Mayer-hofer. (4) Die Wiesen am Erlaufufer und die vorhandenen Stallungen der Kendlmühle waren wie geschaf-

fen zur Unterbringung und Zucht seiner Rennpferde. Schon im Mai 1897 verkaufte CB die Breiteneicher Mühle an Franz und Cäzilia Hau- benberger. (5) Vertraglich wurde festgehalten, dass für den Betrieb der Breiten-eicher Mühle künftig 1 m3 Wasser/sec zur Verfügung stehe. Die Ein-lassschleuse bei dem Wehr war auf 6 m3/sec ausgelegt worden, wovon 5 m3 für CBs E-Werk zur Verfü- gung stehen sollten.Der Erhaltungs- und Reparaturbe-teiligungsbeitrag für den Mühlbach und das Wehr aber war mit 25 % für die Besitzer der Breiteneicher

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Die Breiteneicher Mühle

Die Kendlmühle

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Mühle festgelegt. Weitere 25 % der Kosten entfielen auf die Kendl-mühle und 50 % auf die Brauerei Bartensteins. Bemerkenswert ist, dass diese Regelung bis zum Jahre 1951 beibehalten wurde. (6)

Das Erlaufhochwasser vom August 1897 beschädigte das Breiteneicher Wehr schwer. Durch die Reparatur- maßnahmen wurden die Fertigstel-lung und die Inbetriebnahme des E-Werkes verzögert. Am 4. Dezem-ber 1899 war die Kollaudierung, im Jänner 1900 erfolgte die Betriebs-bewilligung. Die „Centrale Breiteneich-Wiesel-burg“ wurde zur Stromversorgung des Brauhauses und des Lager-kellers, später auch für die Kühl- anlagen der Brauerei am Keller- berg herangezogen. Ursprünglich war das 4,5 mm dicke Stromkabel über Masten, Dachständer und Mauerträger zum Lagerkeller ge- führt worden. (7)

Später wurden die Stromkabel im Verbindungstunnel zwischen der Brauerei im Markt und der Brau-erei am Kellerberg verlegt.

Seit Ende 1901 hatte CB auch die Bewilligung, in Kendl Strom zu erzeugen. Als „Hydromotor“ diente ein imposantes, unterschlägiges Wasserrad von 7 m Durchmesser und 3 m Breite, das außer den Mühlen- und Sägemaschinen auch eine „Gleichstromdynamomaschine“ betrieb. (8)

Mit dem Kaufvertrag vom 27. Juni 1906 (9) erwarb Karl Amashaufer die Kendlmühle. Amashaufer leite-te das Gestüt Bartensteins in Kendl und hatte zu CB ein ausgesprochen gutes Verhältnis. Angeblich soll CB Amashaufer zum Kauf ermutigt haben.In direktem Zusammenhang mit dem Bau des Wasserkraftwerkes Breiteneich steht die Möglichkeit CBs, der Gemeinde den Bau einer Ortsbeleuchtung anzubieten. 1892 trug CB dem Gemeinderat dieses Ansinnen erstmals vor, worauf der Gemeinderat den Beschluss fasste, sich von CB das Projekt genauer vorstellen zu lassen. Im Jahre 1900 entschloss sich die Gemeinde, 14 Stück Lampen zu je 12 Gulden jähr-

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Ansichtskarte mit der Brauerei im Markt (großes Bild), dem Elektrizitätswerk (links unten) und der Brauerei am Kellerberg

Die „Centrale Breiteneich-Wieselburg“, das Elektrizitätswerk der Brauerei

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lich zu finanzieren, wenn sich CB verpflichtete, sämtliche Installie-rungen auf seine Kosten herzustel-len. (10)

Am 6. Dezember 1900 legte Engel-bert Baumböck (Bürgermeister von Mitterwasser) in der Gemeinde-ratssitzung das Ansuchen der Fir-ma Bartenstein, um „Ertheilung der Concession zur Abgabe von elek-trischen Licht und Kraft in der Ortsgemeinde Mitterwasser unter gleichzeitiger Vorlage eines schrift- lichen Vertrages über Beleuchtun-gen in Straßen und Zimmern mittels elektrischen Stroms“ zur Verhandlung vor. (11) Der Vertrag mit Bartenstein wurde unter der Bedingung genehmigt, dass die Interessenten – das sind die Haus-besitzer und die Gewerbetreiben-den der Ortschaft Mitterwasser – für die öffentliche Beleuchtung (Straßenbeleuchtung) aufkommen. Von der Gemeinde wurde den Interessenten eine jährliche Sub-vention von 50 Kronen für die

Straßenbeleuchtung zugesagt. Die-ser Beschluss wurde im Erlaftal-Boten wie folgt dokumentiert: „Die günstige Gelegenheit benützend, beschloss Mitterwasser vom Bar-tenstein‘schen Elektricitätswerk aus, den Ort elektrisch zu beleuch-ten und 6-7 Lampen anzubringen. Der Gemeindeausschuß Mitterwas-ser fördert durch Zahlung eines Beitrages diese gemeinnützige Ein-richtung. Bravo!“ (12)

„Geht man abends durch unseren freundlichen Markt, macht die gute Beleuchtung desselben einen angenehmen Eindruck. In der lan-gen Bahnhofstraße wäre jedoch die Anbringung einer Lampe noch sehr wünschenswert.“ (13)

Als Bahnhofstraße wurden da- mals sowohl die heutige Bahnhof-straße wie auch die heutige Ried-müllerstraße bezeichnet.Vergleichsweise hat Wieselburg heute, 100 Jahre später, etwa 1.100 Lichtpunkte im gesamten Stadt-gebiet.

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Brief mit besonders schönem Briefkopf der Brauerei Caspar Bartensteins

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1904 erfolgte die Umwandlung der Brauerei in die „Wieselburger Ak-tienbrauerei vorm. K. Bartenstein“ gegen ein Entgelt von 1,660.000 Kronen. Caspar Bartenstein wurde der erste Präsident der Aktienbrau- erei. Über die erste „Generalver-sammlung der Wieselburger Ak- tienbrauerei vormals K. Barten-stein“ schrieb der Erlaftal-Bote: „Am 28. Dezember l. J. fand in Wieselburg die erste ordentliche Generalversammlung der Wiesel-burger Aktienbrauerei unter dem Vorsitze ihres Präsidenten Herrn Kaspar Bartenstein statt. Zur Ver- sammlung waren 13 Aktionäre er- schienen, welche 5125 Aktien ver-traten. Dem vom Verwaltungsrate vorgelegten Rechenschaftsberichte entnehmen wir, dass die Produk-tion der Brauerei von 58426 Hek-toliter in der Betriebsperiode 1902/03 auf 69038 Hektoliter in der Betriebsperiode 1903/04, der Bierausstoß in den gleichen Zeit- räumen von 56513 auf 65611 Hek-toliter stieg, sodaß die Gesellschaft trotz des nachteiligen Einflusses

der teueren Hopfenpreise auf einen Reingewinn von 123.923 K 61 h hinweisen kann. Die Generalver-sammlung genehmigte einstimmig die vorgelegte Jahresrechnung, be- schloß, von dem erzielten Reinge-winne dem Reservefonde die statu-tenmäßige Dotierung mit 6197 K zuzuwenden, den Aktionären 114.000 K als 6 % Dividende zuzu-wenden und den nach Abzug der statutenmäßigen Tantiémen ver-bleibenden Rest per 1453 K 95 h auf neue Rechnung vorzutragen.Die Generalversammlung beschloß ferner, den Verwaltungsrat zum Ankaufe des Kremser Brauhauses zu ermächtigen und in Hinblicke hierauf, das Aktienkapital auf 2,500.000 K zu erhöhen und in den Verwaltungsrat Herrn Franz Pölzl, Privatier in Krems neu zu wählen. Nach Erledigung der Tagesordnung sprach die Generalversammlung der Leitung der Gesellschaft, ins-besondere den Herren Kaspar und Martin Bartenstein den Dank der Aktionäre für ihre Geschäftsfüh-rung aus.“ (1)

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Brief mit Briefkopf der Aktienbrauerei

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Durch die Übernahme von Nach-barbrauereien vergrößerte CB sein Unternehmen und schaltete gleich- zeitig die Konkurrenz aus. Folgende Brauereien wurden bis zu seinem Tode in das Wieselburger Unter-nehmen eingegliedert: 1904 Krems, Kröllendorf bei Amstetten, Potten-brunn bei St. Pölten, 1905 Melk und 1909 Waidhofen/Ybbs. Laut Angaben von Julie Wüster (2) ka-men auch die Brauerei Gresten, die Brauerei Kamptner in Pöchlarn und die Brauerei Menolf in Scheibbs in CBs Besitz.„Jetzt als Brauereidirektor und Prä-sident der Gesellschaft bezog er nur ein kleines Gehalt im Verhältnis zu den Spesen, welche erwuchsen und den Opfern, die er für das Unter-nehmen brachte [...]“ (3), so Julie Wüsters Sicht der neuen Situation.CB blieb bis zu seinem Tode im Jahre 1912 Präsident der Aktien-brauerei.

Ausschnitt aus einem Bild der „Brau-ereigesellschaft“ (v.l.n.r.): Eugen Wüs-ter, unbekannte Dame, Bruder von CB und Julie Wüster

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Plan vom Umbau des Brauhofes

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CB kaufte 1888 von Franz und Anna Ambichler das der Brauerei gegenüberliegende Haus Nr. 26, den heutigen Brauhof. (1) In der Chronik der Familie des Zimmer-meisters Winkler allerdings ist festgehalten, dass nach dem Tod Anna Ambichlers Franz Ambichler aus Wieselburg wegzog, zuerst den Brauhof nur verpachtete und ihn schließlich 1890 an CB verkaufte. (2)

Die bis zum Kauf des Hauses Nr. 26 in der Brauerei betriebene Gast-wirtschaft wurde eingestellt und CB suchte um den Betrieb eines Schankgewerbes im Brauhof an. (3)

„Mit Schreiben der BH Scheibbs vom 27. 11. 1888 wird Herrn Caspar Bartenstein das zum Betrieb des Gast- und Schankgewerbes auf dem Haus Nummer 26 in Wieselburg das vollkommene Vertrauen ausge-sprochen und festgestellt, dass das Betriebslokal geeignet ist und durch seine günstige Lage zur Poli-zei leicht überwachbar ist.“ Nach- dem der Lokalbedarf ebenfalls ge- geben war, erfolgte der einstimmige Beschluss des Gemeindevorstandes,

dass der Erteilung des Gast- und Schankgewerbes nichts im Wege stand, da CB auch als unbescholten und verlässlich galt. (4)

1892 bis 1897 nahm CB verschiede-ne Umbauarbeiten im Brauhof vor. Manchmal aber eilte er dem Behör- denweg etwas voraus, wie folgende etwas zynische Antwort der Ge-meinde auf sein Ansuchen um den Umbau des Rauchfanges beweist: Bewilligung für den Rauchfang im Hause Nr. 26, „welcher übrigens schon vor Einbringung des Ansu-chens hergestellt war [...]“. (5) 1896 baute er eine Knechtkammer direkt an das Stallgebäude. (6) Hierbei wur-den zwei Fenster eingebaut, die in den Hof des Josef Lossgott zeigten. Dieser stellte zur Bedingung, dass die Fenster mit Eisenstäben und engmaschigen Drahtgittern verse-hen werden müssen, damit nie-mand in seinen Hofraum eindrin-gen kann. 1897 errichtete CB über den Stallungen ein Stockwerk für acht Fremdenzimmer und baute einen Teil des Stalles zu einer Wohnung um. (7)

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Das Wittekhaus in der Bahnhofstraße

Plan von Umbauarbeiten im Wittekhaus

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Zu CBs Besitzungen gehörten auch einige, heute noch die Stadt prägen-de, Villen. So erwarb er die „Villa Mizzi“ in der Wiener Straße im Zuge eines Tauschgeschäftes im Jahre 1908 und nutzte sie als Woh-nung für zwei Beamtenfamilien. (1) Ebenfalls im Jahre 1908 erwarb CB die „Sacher-Villa“ in der Johann Winter Gasse. Sie war 1899 gebaut worden und stand im Eigentum des Lehrers Leopold Sacher. Hier wurde auch Friedrich Sacher, der 1982 verstorbene Lyriker und Erzähler, geboren. (2)

Als Wohnhaus für seine Arbeiter erwarb CB das Wittekhaus in der Bahnhofstraße. 1890 bis 1907 fan-den immer wieder Umbauarbeiten im Wittekhaus statt. Am 1. Jänner 1890 übersiedelte der Schlosser August Thoner aus der Zeil (Ge-meinde Rottenhaus) in das Wittek-haus. CB ließ aus diesem Grunde die Waschküche zu einer Werkstät-te umbauen. (3) Am 11. Mai 1891

schrieb CB an die BH Scheibbs: „Ich beabsichtige im Hofraum meines Hauses Nr. 8 (Wittekhaus) in Wie- selburg eine Wagenschupfe zu erbauen und mit feuersicheren Materialien einzudecken.“ (4) Er bat auch um die Genehmigung der „k&k Staatseisenbahnen Betriebs-Direktion“ in Wien, falls sich beim Lokalaugenschein erweisen sollte, dass sich das Objekt noch im „Feuer-Rayone“ der Eisenbahn be-findet, da das Objekt 44 m von den Bahngeleisen entfernt ist. Im Zuge dieser Arbeiten beseitigte CB auch das Schindeldach seiner Scheuer und der Binderwerkstätte, die sich zu dieser Zeit im Wittekhaus befand und ersetzte es durch ein Ziegeldach, welches gegen den Funkenflug der Eisenbahn weitaus sicherer war. 1893 schließlich baute CB den Fut- terboden des Wittekhauses zu Wohnungen um. (5) 1907 errichtete er neuerlich zwei Wohnungen über der Binderwerkstätte. (6)

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Das Haus Au Nr. 17 in der heutigen Grestner Straße

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Zeit seines Lebens war CB sozusa-gen „betrieblicher Bauherr“ und er versuchte immer wieder bauliche Verbesserungen im Brauereibereich durchzuführen. Das Haus in Au Nr. 17 kaufte er allerdings aus pri-vaten Gründen von Zimmermeister Josef Winkler, dem Großvater un-seres nun schon längst in Pension weilenden und allen bekannten Zimmermeisters Winkler in der Zeil. Josef Winkler hatte in Au Nr. 17 seine Zimmerei eingerichtet. Da damals der Platz zwischen der Grestner Straße und der Erlauf un- bebaut war, war er für die Zim-merei, die ja zu einem großen Teil im Freien stattfindet, hervorragend geeignet. Lediglich die immer wie- der vorkommenden Hochwässer waren für die Lagerung der Hölzer nicht besonders günstig, weshalb Zimmermeister Winkler in der Fol- ge das heutige Durz-Haus baute und danach endgültig in die Brei-teneicher Straße übersiedelte, wo der Betrieb heute noch besteht. (1)

Der Erwerb und Umbau des Hauses in der Grestner Straße war begrün-

det in der bevorstehenden Hochzeit von CBs Tochter Julie mit Eugen Wüster. Da sich in dem kleinen Ort Wieselburg für das junge Ehepaar keine geeignete Wohnmöglichkeit ergab, adaptierte CB das Haus Au Nr. 17 als Wohnung für die neu gegründete Familie. CB dürfte mit der Renovierung ziemliche Eile ge-habt haben, denn am 12. November 1895 erfolgte gleichzeitig mit der Bauverhandlung auch die Kol-laudierung, da der Umbau bereits fertiggestellt war. (2) Wie aus dem Akt hervorgeht, war ursprünglich an das Haus eine Werkstätte an- gebaut. Diese ließ CB zu einer Waschküche und zwei Holzhütten umbauen. Im ersten Stock wurden ein Schlafzimmer, ein Arbeitszim- mer und ein Dienstbotenzimmer für die junge Familie eingerichtet. Im schon bestehenden Haus er- neuerte man die Zwischenmauern. Die hölzerne „Schupfe“, die rück-wärts beim Haus in Richtung Wein-zierl bestand, musste zugunsten eines größeren Gartens weichen.

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Die Bartensteinvilla

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CB hatte mit seiner Familie im Brauhaus gewohnt. 1911 ließ er von Baumeister Karl Schmoll aus Mank den Plan für eine Villa erstellen. Wenige Monate vor Fertigstellung starb CB jedoch unerwartet und Juliana brachte den Ausbau alleine zu Ende. Julie notierte in ihrem Tagebuch im Jahr 1913, dass sich ihr Sohn Eugen schon auf die Fe-rien in Großmutters neuer Villa in Wieselburg freue. Den Wunsch sei-ner Frau Juliana, alleinige Besitze-rin der Villa zu sein, berücksichtigte CB in seiner Verlassenschaft: „Da es ausdrücklicher Wunsch der Frau Juliana Bartenstein ist, die bereits von Herrn Kaspar Bartenstein be-gonnene und von ihr zum Ausbau gebrachte Villa als Alleineigentum zu besitzen, so ist zwischen den der- zeitigen grundbücherlichen Mitei-gentümerinnen nachstehende Aus-einandersetzung zu treffen: Die Villa samt sie umgebenden Garten umfasst [...] 3265 m2 wovon auf die Bauarea der Villa 305 m2 und auf den Garten 2.690 m2 entfallen. [...] Es hat dagegen Frau Juliana

Bartenstein das Entgelt für die Abtretung des ihr nicht gehörigen 1/3 tel Anteiles dieser Grundfläche und ferner die von Herrn Kaspar Bartenstein für den Bau bestritte-nen Auslagen zu einem Drittel an Frau Julie Wüster zu ersetzen.“ (1) Der Sachverständige für die Be-wertung der Villa wie auch für die Auflistung der Aufwendungen (Ze-ment, Rohre, Traversen, Kalk, ...) war Baumeister Hubert Schinner. Der Schätzwert der Villa belief sich auf 62.000 Kronen. Diese Summe entsprach etwa 1/32 des gesamten Nachlasswertes. Juliana Barten-stein bewohnte die Villa bis zu ih-rem Tode und vererbte sie danach ihrer Tochter Elisabeth Mathes, zu- sammen mit dem „Beamtenwohn-haus“ mit der Hausnummer 66 – heute steht hier die „Riedmüller-villa“, welche im Besitz der Familie Nemecek ist – und dem dazugehö-rigen Garten. Julie Wüster aber wurde – solange Elisabeth in Besitz der Villa ist – das Wohnrecht im Fremdenzimmer der Villa Barten-stein zugestanden. (2)

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Plan der Bartensteinvilla

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Das Gebäude des „Vorschuß- und Sparvereines Wieselburg“

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CB trug in der Wieselburger Ge-meindestube fast 30 Jahre hin-durch Verantwortung. In der Folge seien nur einige Eckpunkte seines Wirkens herausgegriffen. Der erste Nachweis Caspar Bartensteins als Gemeindemandatar findet sich im Sitzungsprotokoll des Gemeinde-ausschusses Wieselburg vom März 1883. (1) In diesem steht, dass Karl Grießler und Kaspar Bartenstein zu Straßenkomissaren gewählt und gleichzeitig beschlossen wurde, die Herstellung der Straßen nach dem Steuergulden zu verteilen.1885 beantragte der Gemeinderat Bartenstein, die Nachtwächter zu kontrollieren. (2) Daraufhin wurde beschlossen, eine „Controluhr“ an- zuschaffen. Auch 1885 war CB, diesmal gemeinsam mit Engelbert Lasser, in das „Comité für Straßen“ gewählt worden. (3)

1886 ermächtigte der Gemeinderat seine Vertreter Johann Winter, Caspar Bartenstein, Julius Grießler und Johann Wenzel Holinka, das Haus der Frau Aloisia Altmüller hinsichtlich des Bauzustandes zu

besichtigen und mit der Besitzerin in Kaufverhandlungen zu treten. (4) Das Objekt sollte von der Gemein- de angekauft werden, um Schub-arrestlokalitäten und Lokalitäten für die Naturalverpflegungsstation zu schaffen.Mit Schreiben von 30. Mai 1891 legte CB seine Stelle als 1. Gemein-derat zurück und begründete die- sen Schritt mit seinem hohen Zeit-aufwand in der Brauerei. (5)

Als Brauereibesitzer war CB dazu verpflichtet, monatlich eine Bier-steuer an das k. & k. Steueramt ab- zuführen. Die Gemeinde hatte die Haftung für das Abliefern dieser Steuer übernommen. In der Okto- bersitzung 1892 aber stellte Julius Grießler den Antrag, dass die Ge-meinde diese Haftung zurücklegen möge. Bartenstein war bei dieser Sitzung nicht anwesend. (6) Auf Antrag von Bürgermeister Winter aber wurde die Haftung auf die Funktionsdauer der Gemeindever-tretung erneuert. (7)

1894 war CB wieder Mitglied des Baukomitees, ebenso wie Alois Las-

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Im Gebäude des „Vorschuß- und Sparvereines Wieselburg“ war auch die Gemeindestube untergebracht.

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ser, Wenzel Holinka, Carl Grießler und Josef Winkler.Im Jahre 1898 (8) beschloss die Gemeindevorstehung, dass jährlich zwei Viehmärkte (einer im Früh- jahr und einer im Herbst) abgehal- ten werden können. Der Auftriebs-platz sollte die Viehweide sein, da-her war mit dem Pächter CB eine Vereinbarung zu treffen. Offensichtlich war CB auch Pächter der Gemeindejagd, denn im Okto-ber 1900 (9) erfolgte der Beschluss, die Jagdpacht des CB um weitere sechs Jahre um den Betrag von 80 Gulden zu verlängern. Im Jahre 1901 bekleidete CB zwei Ausschüsse. Einerseits wurde er in den Straßenausschuss und andrer-seits in das „Revisionscomitee“ gewählt, welches dem heutigen Prü-fungsausschuss entspricht. (10)

Aufgrund der Zuschrift (11) des Ortsschulrates Wieselburg vom April 1903 stellte das Ausschuss-mitglied Dr. Hermann Schredt den Antrag auf Überprüfung der Schul-baurechnungen, weil Herrn Josef K. wegen wiederholt vorgekomme-

ner Unregelmäßigkeiten kein Zu-trauen geschenkt werden könne und in der besagten Rechnung tat-sächlich Differenzen vorkommen, welche „geringe gesagt“ als unrich-tig bezeichnet werden müssen. Die k. & k. Bezirkshauptmannschaft sei daher zu ersuchen, unter Angabe der genannten Gründe und Be-zeichnung der beanstandeten Rech- nungspunkte, diese ganze Schul- baurechnung samt den Beilagen unter Beziehung eines Sachverstän-digen einer genauen Durchsicht und Revision unterziehen zu las- sen. Dieser Antrag wurde einstim-mig angenommen und CB mit der Durchführung betraut.1903 wurde CB an Stelle des ver-storbenen Alois Lasser zum „ersten Gemeinderate“ gewählt und war somit mit 30. Juni 1903 im Amte vergleichbar mit dem heutigen Vizebürgermeister. (12)

Aufgrund seiner großen Verdienste um Wieselburg beschloss der Ge-meinderat in seiner Sitzung vom 31. Jänner 1906, CB zum Ehren-bürger zu ernennen. (13) Der Erlaftal-

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Die Uhrkette CBs, ein Geschenk seiner Kinder Julie, Elise und Josef zum 60. Geburtstag

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Bote schreibt wie folgt darüber: „Herr Kaspar Bartenstein, erster Gemeinderat und Präsident der Wieselburger Aktien-Brauerei, wur- de infolge seiner besonderen Ver-dienste um das Wohl und Ansehen der Gemeinde Wieselburg zufolge einstimmigen Beschlusses der Ge-meindevertretung anläßlich seines 60. Geburtsfestes zum Ehrenbür-ger ernannt und demselben ein künstlerisch ausgeführtes Diplom überreicht.“ (14)

Über die im Jahre 1906 statt-gefundene Bürgermeisterwahl be- richtete der Erlaftal-Bote: „Bei der am 8. d. M. vorgenommenen Wahl des Bürgermeisters wurde der ver- dienstvolle Bürgermeister Herr Jo-hann Winter neuerdings einstim-mig gewählt. Herr Winter tritt jetzt als Bürgermeister die 5. Wahlpe-riode an. Zum 1. Gemeinderate wurde Herr Kaspar Bartenstein, zum 2. Gemeinderate Herr Johann Gärber und zum 3. Gemeinderate Herr Joh. Karg gewählt.“ (15)

1906 übernahm CB gemeinsam mit Carl Grießler wieder das „Comi-té für Straßen-Angelegenheiten“. (16)

1909 (17) wurde CB gemeinsam mit Anton Gärber in die Kommission berufen, welche die Pläne der Lokal- bahn Ruprechtshofen-Gresten zu begutachten hatte.Mit Schreiben vom 9. Juli 1910 legte CB aus Gesundheitsgründen seine Funktion als Erster Gemein-derat zurück (18), stand aber als Gemeindebeirat weiterhin zur Ver-fügung. In diesem Jahr wurde CB bei den Ausschusssitzungen fast immer als entschuldigt geführt.Im Jahre 1911 war er bis auf eine im Februar bei allen Sitzungen an-wesend.Am 5. August 1912 und am 12. Au-gust 1912 war er ebenfalls anwe-send, zwei Wochen später verstarb CB.Am 1. September 1912 hielt der Ge-meinderat eine Trauersitzung für den verdienstvollen Mann ab. (19)

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Blick auf Wieselburg mit dem Marktschloss links im Bild

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Im Jahr 1908 feierte Kaiser Franz Josef sein 60-jähriges Regierungs-jubiläum. (1) Aus diesem Grunde äußerte der Monarch den Wunsch, dass dieses Festjahr nicht durch rauschende Feierlichkeiten began-gen werden möge, sondern als „Jubiläumswerk für das Kind“ Erfüllung fände. In diesem Sinne handelte der Gemeinderat von Wieselburg mit der einstimmigen Zustimmung zum Antrag von Ge-meinderat Nacal auf Errichtung eines Jubiläums-Kindergartens und beschränkte sich auf eine kleine Feier für den Kaiser: „Mittwoch den 28. Oktober d. J. wurde seitens der Schule Wieselburg eine Kaiser-Huldigungsfeier veranstaltet, wozu Herr Kaspar Bartenstein die soge- nannte Malztenne, welche zu die-sem Zwecke sehr hübsch dekoriert worden war, bereitwilligst zur Ver- fügung gestellt hatte. Vortrag und Gesang der Kinder erregten allge-meinen Beifall.“ (2)

Zur Durchführung des von der Be-völkerung mit Freuden begrüßten Kindergartenprojektes wurde ein

Fünferausschuss gebildet, dem die Gemeindebeiräte Bartenstein, Karg, Gärber, Günther und Nacal ange- hörten. Die Eröffnung des Kinder-gartens war für 18. August 1908 geplant. Das Errichtungs-Komitee wendete sich mit der Bitte an die Bewohner des Ortes, speziell an die Mütter, anlässlich des kaiserlichen Regierungsjubiläums Spenden zur Errichtung des Kindergartens zu leisten. Für den Gründungsfonds wurden von der Gemeinde 500 Kronen gezeichnet, ebenso 500 Kro-nen von Herrn Kaspar Bartenstein. Tatsächlich findet sich im Gemein-deprotokoll vom 30. Dezember 1909 der Vermerk, dass für die Wohnung Nummer 11 im Schloss zur Einrichtung des Kindergartens 450 Kronen und für die Gartenbe-nutzung 50 Kronen von der Ge-meinde zu entrichten seien. Im Mai 1910 erfolgte der Beschluss, dass die Herren des Kindergarten-kommitees eine Exkursion nach Pöchlarn unternehmen sollen, um die dortige Einrichtung zu besich-tigen. (3)

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„Lieber Schönerl (Anm.: = Spitzname des Bartenstein-Enkels Eugen Wüster, abgeleitet von der zweiten Silbe der französichen Form Eugène), Deine Fothos (?) habe ich erhalten, danke dafür. Schaue diese Fothos (?) gut an ob du Wieselburg kennst, grüße Dich mit viele Bussl. Großmutter Bartenstein“

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Mit den Erlässen des NÖ Landes-ausschusses vom 9. November 1910 an den Bezirksschulrat Scheibbs und vom 26. Jänner 1911 an die Gemeinde Wieselburg wurde der Landeskindergarten bewilligt. (4)

Im Erlaftal-Boten findet sich die entsprechende Nachricht: „Der NÖ Landesausschuss verständigte die Marktgemeinde Wieselburg, dass der Landeskindergarten am 1. Jän-ner 1911 eröffnet werden kann. Da jedoch die Einrichtung noch nicht besorgt wurde, dürfte sich die Er- öffnung bis 1. Februar 1911 hinaus-ziehen.“ (5)

Am 19. Februar 1911 beschloss die Gemeinde Wieselburg auf Antrag von Gemeinderat Gärber, ein Dankschreiben an den hohen NÖ Landesausschuss in Wien zu schik- ken. (6)

Schlussendlich wurde der Landes-kindergarten Wieselburg am 1. März 1911 eröffnet. Er war im Schloss untergebracht. Als erste Kindergärtnerin in Wieselburg ist Fräulein Elise Asperl zu nennen. (7)

CB war, wie auch seine Frau Ju-liana, zeitlebens ein Förderer des Kindergartens.

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Gründungs- und Ausschussmitglieder des „Vorschuß- und Sparvereines Wieselburg“ aus dem Jahre 1900

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Casino:In Wieselburg wurde 1891 – wie zu dieser Zeit fast in allen größeren Orten – ein landwirtschaftliches Casino gegründet. Unter einem Ca- sino verstand man die Vereinigung von Landwirten mit der Idee des genossenschaftlichen Zusammen- stehens. Bei der Gründungsver-sammlung am 3. März 1891 waren zahlreiche Gäste anwesend. Zu-gleich mit der Gründung erfolgte ein Aufruf zu tatkräftiger Mitar- beit, denn es genüge nicht, einfach nur seinen Mitgliedsbeitrag zu be-zahlen, da sonst ein Verein entste- he, der in „apathischer Thatenlo-sigkeit ein Scheindasein fristet“. An diesem Tag traten dem Vereien 58 Mitglieder bei. Kaspar Barten-stein wurde in den Ausschuss ge-wählt. (1)

Volksbank:Das Gründungsdatum des „Vor- schuß- und Sparvereines Wiesel- burg“ lässt sich mit 14. Juli 1880 festlegen. (2) Der 26 Seiten umfas-sende Genossenschaftsvertrag be-

schreibt die Statuten und die Re-gelungen für den Geschäftsbetrieb und nennt auch die Gründer der neuen Kreditgenossenschaft mit Namen und Beruf. Der Vertrag sah vor, dass vier Gründungsmitglieder in den Vorstand gewählt wurden, nämlich der Direktor, dessen Stellvertreter, der Kassier und der Buchhalter. Es waren dies der Reihenfolge nach: Anton Eckhart, Gastwirt und Fleischhauer in Wie- selburg; Alois Lasser, Realitätenbe-sitzer in Bodensdorf; Caspar Bar- tenstein, Brauereibesitzer in Wie-selburg; Julius Grießler, Kaufmann in Wieselburg. Am 28. April 1887 erwarb der „Vorschuß- und Sparverein Wie-selburg“ von Alois und Barbara Lasser jenes Haus, in dem sich die Bank – freilich nach mehreren Umbauten – heute noch befindet. In der außerordentlichen General-versammlung vom 23. Februar 1903 wurden über Antrag von CB Stammaktien der Lokalbahn nach Gresten im Wert von 10.000 Kronen angekauft. (3)

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Die Freiwillige Feuerwehr Wieselburg

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Als Gründungstag der Freiwilligen Feuerwehr Wieselburg kann der 1. August 1880 angesehen werden. Den Recherchen von Karl Kraus-hofer (1) zufolge, gab es aber schon früher ein Feuerschutzwesen in Wieselburg. Zu den zahlreichen Gründungsmitgliedern gehörte auch CB, der schließlich der erste Haupt-mann des neu gegründeten Vereines wurde. Er behielt dieses Amt für drei Jahre, also bis 1883 inne. Sein Nachfolger war Johann Wenzel Holinka.In den Berichten des Erlaftal-Boten über diverse Veranstaltungen und Festlichkeiten der FF Wieselburg steht CB immer wieder als Besucher angeführt. „Mit schwarz-gelben und roth-weißen Fahnen, sowie weißen Spitzenvorhängen und Epheu-Gu-irlanden mit künstlichen Rosen ge-

wunden, war der Saal geschmack-voll geschmückt. An der rechten Langseite des Saales prankten un- ter einer schwarz-gelben Drape-rie die Büsten unseres erhabenen Kaisers Franz Josef und Kaiserin Elisabeth. Schon vor 8 Uhr war der Saal dicht gefüllt. Alles, was zur vornehmen Gesellschaft unseres freundlichen Marktes zählte, hatte sich ein Stelldichein gegeben. Wir sahen unter Anderen: Herrn k. und k. Hauptmann Fürtner, Herrn k. und k. Lieutnant v. Sabrosky, Herrn Bürgermeister Winter, Herrn C. Bartenstein, Dampfbrauereibesit-zer, Albert Wüster, Chef der Firma Wüster, sammt seiner hochverehr-ten Familie [...].“ (2)

Es ist anzunehmen, dass CB die FF Wieselburg zeitlebens auch finan-ziell unterstützte.

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v.l.n.r.: Chormeister Schwarzbauer, Caspar Bartenstein und Chormeister Matthias Balatka im Schlosspark Wieselburg

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Im Jahre 1885 fanden sich sing-freudige und gesellige Männer zu- sammen und gründeten den „Män- nergesangverein Harmonie 1885 Wieselburg“. (1) Unter den Grün-dern befanden sich Caspar Barten- stein und der Dichter Karl Bienen-stein. Das Motto des Vereines war „Harmonie bis zum fernsten Meeres-strand, schlingst um deutsche Her-zen du ein festes Band.“CB war erster Obmann der „Har-monie“, Matthias Balatka der ers- te Chormeister. Besondere Aner-kennung fand die Harmonie 1903 und 1907, wo sie den 1. Preis beim Sängerwettstreit in Scheibbs errin-gen konnte. Es wurde eine große Anzahl von Theateraufführungen, Konzerten, Sängertreffen, Ausflü-gen, Bällen, Gartenfesten und auch Festabenden veranstaltet und oft-mals stellte CB seine Malztenne zur Verfügung. Ab 1889 wurden auch Frauen in den Chor aufge-nommen, um das Gesellschaftliche im Verein etwas zu beleben.„Sonntag den 14. Juni hatte sich Wieselburg einer sehr gelungenen

Liedertafel zu erfreuen. Einer lie- benswürdigen Einladung des hiesi-gen Brauhausbesitzers Herrn C. Bartenstein folgend, unternahm die Linz-Urfahrer Gesellschaft ,Wolfs-schlucht‘, aus 26 Mitgliedern des Linzer Männergesangvereines be- stehend, eine Spritzfahrt nach Wie-selburg. [...] So sah man abends an 200 Weiblein und Männlein, so- wohl der hiesigen Gesellschaft als auch der Umgebung, in einer der riesigen Malztennen des Herrn Bar-tenstein versammelt, die derselbe als ,Sängerhalle‘ ausgestattet hatte. Hoch und luftig war sie wohl nicht, diese Halle, aber des Basses Grundgewalt zu verspüren, dazu waren diese langgestreckten Ton-nengewölbe wohl geeignet, und die Decoration der Malztenne, außer dem gemalten Sängerspruche bloß aus einem Kranze schöner Damen bestehend, sowie der glatte Ce-mentboden ließen ein tanzsinniges Gemüth ahnungsvoll vibrieren.“ (2)

Am 29. Juni 1903 fand ein großes Sängerfest in Wieselburg statt. (3) Dies war der Anlass, dass CB die

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Gäste zur Besichtigung des Brau-hauses und zu einem Frühschop-pen einlud. Um 8 Uhr früh sam-melten sich die Sänger vor dem Märzenkeller bei „fröhlichem Be-cherklang“. Anschließend machte ein Teil der Sänger einen Ausflug in das Ybbstal, der größere Teil aber, unter Führung der Wieselburger Sangesbrüder, brach zu einem Aus-flug nach Ybbs auf, um danach mit dem Schiff die Heimreise anzutre-ten.Das Engagement Bartensteins im Gesangverein war offensichtlich ein sehr großes: „Der Männergesangs-verein Harmonie ernannte Herrn Kaspar Bartenstein, Brauereibesit-zer, in Anerkennung seiner vielen und großen Verdienste, die er sich um den Verein seit seines Bestan- des erworben hat, zum Ehrenmit-gliede.“ (4) Am Freitag den 30. Oktober 1903 erhielt CB das Ehrendiplom des Gesangvereines Harmonie im Rah- men einer Festveranstaltung.

Vereinsvorstand Leo Sacher (der Vater des Schriftstellers Friedrich Sacher) würdigte in einer Anspra-che die Verdienste Bartensteins. Chormeister Schwarzbauer kompo-nierte zu Bartensteins Ehren einen Festmarsch. „Das unterhaltende Programm war ein sehr gediegenes und abwechselndes und soll ge-raume Zeit bis zur vollständigen Ab-wicklung beansprucht haben. [...] Das Diplom wurde in kunstvoller Handarbeit von Herrn Zovralek, welcher als Lehrer in Kemmelbach tätig war, angefertigt und fand all- gemeinen Beifall. ,Unserem 1. Eh- renmitgliede Herrn Kaspar Barten-stein rufen wir hier nochmals ein kräftiges >Heil< entgegen!‘“ (5)

1905 feierte die Harmonie ihr 20-jähriges Bestandsjubiläum, gleich- zeitig fanden auch das Gausänger-fest und die Weihe der Vereinsfahne statt. Patin war Frau Amalie Bar- tenstein, Frau des Martin Barten-stein. Das sonnige Wetter war wie geschaffen für das Fest im Schloss-

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park. (6) Am 25. Februar 1910 fand eine Festsitzung zum 25-jährigen Jubiläum der Harmonie im Vereins-saale statt. Kaspar Bartenstein war leider an diesem Tage aus geschäft-lichen Gründen verhindert und sandte ein Entschuldigungs- und Glückwunschschreiben. Seit seiner Gründung gehörten dem Verein be- reits 114 Mitglieder an, davon wa-ren drei Ehrenmitglieder: Caspar Bartenstein, August Krölling und Franz Vogel. Zum Festtage wurden 34 ausübende und 38 unterstüt-zende Mitglieder gezählt.Zur Feier des 25-jährigen Beste-hens folgte der Festsitzung im Fe-bruar nun am 12. Juni 1910 das Gründungsfest, welches durch eine Festvollversammlung um 9 Uhr früh eingeleitet wurde. Bei dieser Gelegenheit wurde Franz Schwarz-bauer, der elf Jahre hindurch Chor-leiter war, zum Ehrenchorleiter ernannt. Dem Gründer und Ehren- mitglied CB sowie den Mitgrün-dern Josef Grießler, Josef Karg

und Roman Schramm wurden sehr hübsch ausgeführte Erinnerungs-medaillen überreicht. Um 1/2 11 Uhr vormittags wurden die eingetroffe-nen Sänger, allen voran die Eisen- bahner-Kapelle Amstetten, in die Malztenne geleitet, die sehr ge- schmackvoll dekoriert war. Hier nahmen die Sänger den Früh-schoppen ein und die Wieselburger Frauen und Mädchen waren die Gastgeberinnen. Es folgte das Fest- konzert. Um 8 Uhr abends wurde der Festkommers in der Malztenne eröffnet, wobei sich musikalische Darbietungen und Dialektvorträge eines Wiener Komikers abwechsel-ten. Erst nach Mitternacht schloss der offizielle Teil. (7)

Beim Begräbnis von Caspar Bar-tenstein am 2. September 1912 hielt der Vorstand des Gesang-vereines einen schönen Nachruf und der Chor sang ein eigens kom-poniertes Abschiedslied, dessen Partitur ins Grab versenkt wurde.

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Pferderennen auf der Wieselburger Trabrennbahn

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CB hatte ein Faible für schnelle Pferde. Mit seinen „Juckern“, wie er sie nannte, fuhr er oft nach Wet- ten in wenigen Minuten nach Kem-melbach zur Eisenbahn. (1)

Auch Zimmermeister i. R. Josef Winkler berichtete mir, dass sein Vater mit CB im „Goassl“ (Gassl-wagen) unterwegs war, die beiden fuhren sogar auf diese Weise bis München. Wieselburger Pferdesportveranstal-tungen fanden im Erlaftal-Boten immer ausführliche Berichterstat-tung: „Unser freundlicher Markt gewinnt alljährlich an Bedeutung, da alle von hier ausgehenden Ver- anstaltungen auf das Beste durch-geführt werden. Einen geradezu glänzenden Verlauf nahm das Preis-Gassel- und Schlitten-Fahren am 1. und 2. Februar laufenden Jahres [...] Am Faschingdienstag fin- det in Wieselburg ein Juxfahren für die Fahrer des Bezirkes Scheibbs und der Gemeinde Petzenkirchen, veranstaltet von den Wieselburger Juxbrüdern, statt, wobei jeder Fah- rer einen Preis gewinnt.“ (2)

Weil diese Veranstaltung so erfolg-reich war, organisierte man in der darauffolgenden Woche gleich noch eine. (3) „Über Anregung des Feuer-wehrhauptmannes Herrn Holinka und freundliches Mitwirken meh- rerer Bürger Wieselburgs fand Dienstag den 10. d. M. ein Jux-Gasselfahren statt, das sich [...] zu einem recht gelungenen Fasching-dienstagscherz gestaltete. [...] Gro- ße Heiterkeit erregten die beiden ,Drahrer‘, zwei Masken auf einem Wagenrad sich auf und niederbe-wegend, das italienische Clavier-werkl, eine große Kiste aus der die Melodien einer Ziehharmonika ertönten. [...] Zum Jux-Gasslfahren hatten sich 14 Fahrer gemeldet, die sämtlich costümiert erschienen. Viel Spaß erregte die darauffolgen- de Preis-Vertheilung am Markt-platze vor dem Gasthof zur Stadt Wien. Der 1. Preis, ein Spanferkel in einem Vogelkäfig, fiel auf Herrn Berger aus Wieselburg, dessen Kut- scher sich später als ein Stuben-mädchen der Bräuhausrestauration entpuppte. Kapauner, ein Zucker-

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Die Wieselburger Trabrennbahn

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hut, Extrawürste, eine Peitsche, ein Fassel Russen u. u. kamen zur Ver-theilung und jedem Preise folgte ein Tusch und eine vielhundertköp-fige Lachsalve. Ein über alle Erwar-tungen zahlreiches Publicum hatte sich eingefunden und dürfte die Wieselburger Feuerwehr, zu deren Gunsten das Erträgnis gewidmet ist, mit demselben zufrieden sein.“Die erste Berichterstattung über CBs Teilnahme an Pferderennen war 1895 beim Rennen um den Preis von St. Pölten, bei welchem sein Pferd Matros den zweiten Preis erlangte. (4)

CBs Begeisterung für schnelle Pferde war so groß, dass er die Gründung eines Trabrennvereines initiierte. Dem Vereinskataster (5) zufolge wurde dieser am 10. März 1896 mit den Statuten genehmigt. CB war Präsident. Die Gründung des Vereines hatte den Bau einer Trabrennbahn in Wieselburg zur Folge. Die Rennbahn hatte eine Länge von 804 Metern und reichte von der Marktbrücke bis fast zum Weinzierler Steg.

Julie erinnert sich in ihrem Tage-buch: „Gegenüber auf den Wiesen bis zur Erlauf (etwa, wo heute das Hochhaus steht) hatte mein Vater eine Trabrennbahn angelegt, worauf jeden Vormittag die ,Amerikaner‘ seines Rennstalles trainiert wurden. Papas Gestüt war in den Auen nächst der idyllischen Kendl-Mühle an der Erlauf bei Petzenkirchen untergebracht.“ (6)

1896 erwarben Juliana und Caspar Bartenstein von Franziska Mayr-hofer die Mühle in Kendl. CB war an den Wasserrechten, aber auch an den Gründen und Gebäuden der Mühle interessiert, denn er wollte hier seine Pferdezucht und sein Gestüt positionieren.Auf dem Areal der heutigen Firma Amashaufer in Kendl (7) waren CBs Pferde untergebracht. Auch die Pferdewärter und Trainer hatten ihre Wohnungen in Kendl. Neben der Kendlmühle befand sich auch eine Schmiede. Ein Sattler aus Pet- zenkirchen versorgte CBs Pferde mit Zaumzeug und allem rennmä-ßigen Zubehör. Wurde die Arbeit

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Reges Treiben herrschte bei den Pferderennen des Trabrennvereines Wieselburg

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für diesen zu viel, dann holte man Leopold Resch, den Großvater von Toni Resch (Chefchauffeur von Eugen Wüster). Er war Sattler in Neumühl Nr. 8. Am 2. Februar 1896 (8) führte das „Renn-Comité“ Wieselburg unter Eröffnung der neuen Rennbahn in Wieselburg folgendes Schlittenfah-ren durch: Inländer-Fahren für in Österreich-Ungarn geborene und gezogene Pferde über eine Distanz von 3.216 Metern. Das Rennen war mit folgenden Preisgeldern dotiert: 50, 40, 30, 20, 14, 10 und 8 Kronen, also insgesamt 172 Kronen. Dieses Rennen konnte Bartensteins 9- jähriger russischer Rappenhengst „Matros“ für sich entscheiden. Den 2. Preis erlangte Bartensteins 6-jähriger niederösterreichischer Braunhengst „Oudjar“ und den 4. Preis Bartensteins 7-jähriger un-garischer Rappenhengst „Poszony“.„Bei schönstem Wetter und herr-lichem Sonnenschein fanden auf der eigens hergestellten Trabrenn- bahn des Wieselburger Rennverei-nes, welche durch Schneezuführen

für das Schlittenrennen sehr gut er- halten wurde, die programmäßig festgesetzten Preis Gasselfahren am Sonntag, den 2. Februar d. J. statt. Eine zahlreiche Menschenmenge hatte sich bereits eingefunden, als um ca. 3 Uhr nachmittags von der Brauhaus-Restauration der Auszug mit Musik auf den Rennplatz statt- fand, wo sodann das Inländerfah-ren, offen für in Österreich-Ungarn geborene Pferde, begann, an wel-chen sich 10 Fahrer betheiligt hat- ten. [...] Nach längerer Pause, wäh-rend welcher die Musikkapelle spielte, wurde das zweite, Inter-nationale Fahren, offen für Pferde aller Länder, zur Durchführung gebracht. [...] Gleich nach Verlauf dieses Rennens wurde in den Markt gezogen, wo vor dem Gasthofe des Herrn Wenzl Holinka jun. die Preisvertheilung stattfand [...].“ (9)

Der Trabrennverein belebte den kleinen Ort Wieselburg enorm, der während der Rennen zum gesell-schaftlichen Mittelpunkt der Regi-on aufrückte. Vornehme Menschen tummelten sich und Wetten wur-

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Ansichtskarte aus Kendl: links das Gestüt, unten der hohe Rauchfang der Schmiede und der Eingang zum „Greißler“

CBs Gestüt in Kendl

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den abgeschlossen. „Sonntag den 24. d. M. findet auf der eigenen Rennbahn des Rennvereines Wie- selburg ein Wettfahren statt. Hie-bei können 1800 K in 3 Rennen gewonnen werden. Außerdem fin- det ein Herrenfahren statt, in wel-chen dem Ersten, Zweiten und Dritten ein hübscher Ehrenpreis zufällt. Das 1. Rennen beginnt um 2 Uhr. Auf dem Rennplatze wird ein Totalisateur Einsätze für Wetten entgegen nehmen.“ (10)

Eine gleichermaßen spannend er-heiternde und doch sonderbare Aktivität fand im Jahre 1898 statt. Es war ein Radwettfahren auf der neuen, 765 m langen, eigens herge- richteten Rennbahn des Trabrenn- vereines mit folgender Rennord-nung: „I. Auffahrt sämtlicher anwesen- der Radfahrer zur Rennbahn halb 3 Uhr nachmittags. II. Aufstellungsort Marktplatz. III. Beginn der Rennen genau 3 Uhr nachmittags.Folgende Bewerbe wurden durch-geführt:

I. Eröffnungsfahren, 2.500 m offen für alle HerrenfahrerII. Seniorenfahren, 1.500 m, offen für Vereinsmitglieder des Radfah-rerclubs Pegasus, welche über 30 Jahre alt sindIII. Ermunterungsfahren, 2.500 m, offen für alle Herrenfahrer, die bei einem öffentlichen Bahnwettfahren noch keinen ersten Preis erhalten habenIV. Kampf um die Meisterschaft des Radfahrerclubs Pegasus, 4.000 m, offen für dessen Mitglieder. Der Sieger erhielt den Titel ,Meister-fahrer des Radfahrerclub Pegasus 1898‘.V. Vorgabefahren, 3.160 m, offen für alle HerrenfahrerVI. Match, eine Bahnrunde zwischen einem amerikanischen Traber und dem Fahrwarte des Radfahrerclubs Pegasus.Zum Radwettfahren hatten sich 31 Fahrer gemeldet, sodass in verschie-denen Rennen bis zu 17 Teilnehmer waren.Es kam auch zu einem bedauerlichen Zwischenfall: bei diesem Fahren

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Josef Neubacher, der „Radchampion“ bei einer Hochzeitsgesellschaft

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wurde durch einen über die Bahn laufenden Hund ein Fahrer zum Sturze gebracht.Im Ermunterungsfahren wurde Ig- naz Gallhuber aus Wieselburg drit-ter, beim Meisterschaftsfahren des Radfahrerclubs Pegasus siegte Ignaz Gallhuber (9 Minuten 15 1/2 Sec), Josef Neubacher (9 Minuten 37 1/5 Sec) wurde zweiter, dritter Anton Stöckler (9 Min 38 2/5 Sec).Einen interessanten Verlauf bot das Match zwischen dem amerika-nischen Traber und dem Radfahrer. Den Sieg trug der Radfahrer davon, der die Bahnrunde in 1 Min 14 Sec zurücklegte, während der Traber 1 Min 17 Sec in Anspruch nahm. Die Siegerlisten wiesen eine Beteiligung von Fahrern aus Krems, Wien, Linz und Amstetten auf.Die Preisvertheilung an die Sieger wurde im Park vorgenommen, in welchen bald ein sehr bewegtes und heiteres Leben herrschte, wozu die Volksbelustigungen, wie Mena- gerie, Ringelspiel, Tanz, Kegelspiel, Schießen etc. nicht das wenigste beitrugen. Ein türkisches Cafee, wo

hübsche Türkinnen den Mokka cre- denzten, wurde stets in Anspruch genommen, während die Budenbe-sitzer das Publicum zum Besuche einluden. Der ganze Platz erstrahlte in elektrischer Beleuchtung, welche Herr Brauereibesitzer Bartenstein bereitstellte. Spät abends wurde diese Feststimmung durch einen niedergehenden Regen etwas ge-trübt.“ (11)

Ganz besonders freut es mich, dass ich den hier erwähnten Herrn Neu-bacher im Gespräch mit Paula Neubacher eruieren konnte. Frau Neubacher stellte mir dann auch das Bild zur Verfügung, auf welchem der heimische Sportsmann zu sehen ist. Dieser war der Bruder (* 1866) von Franz Neubacher (* 1876), dem Vater von Bäcker Neubacher, welcher mit seiner Frau Paula das Geschäft am Hauptplatz 22 führte. Die Trabrennen gaben den Musik-kapellen immer wieder Gelegenheit zu musizieren. So auch beim Früh-jahrs-Meeting 1899: „Beginn der Rennen 3 Uhr nachmittags. Von halb 3 Uhr an und während der

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Das Gestüt in Kendl

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Rennen Concert der Musikcapelle Wieselburg.“ (12)

„Herr Altenreiter von Neumühl hat seit 1. d. M. (Anm.: 1903) die Bil- dung einer Musikkapelle übernom-men, nachdem Herr Bilek von Bodensdorf das Musikgewerbe zu-rückgelegt hat. Die Musikkapelle wird beim Gasslfahren am 25. d. M. zum erstenmale konzertieren.“ (13)

Ab dem Jahr 1910 spielte oftmals die Knabenkapelle vom Jugendasyl in Weinzierl bei den Rennen. Es war der Brauch, dass die jungen Musiker – ehe sie die Musiktribüne bestiegen – musizierend eine Eh-renrunde um die gesamte Renn-bahn schritten.Die Wieselburger Trabrennen wa-ren gesellschaftliche Großereignis-se, die Besucher aus Nah und Fern anlockten.Aus dem Protokollbuch der Frei-willigen Feuerwehr Wieselburg ist zu ersehen, dass diese den Karten-verkauf inne hatte. Dies verwundert nicht, da ja auch bekannt ist, dass Bartenstein Gründungsmitglied und erster Kommandant der FF Wie-

selburg war. Auch die Redaktion des ETB blickte spannend auf die „Rennmetropole“ Wieselburg und beschwerte sich förmlich, wenn sie keine Meldungen erhielt: „Schlit-tenfahren in Wieselburg. Einen Bericht über das letzten Sonntag abgehaltene Schlittenfahren kön-nen wir heute nicht bringen, da der dortige Rennverein es unterließ, uns ein Verzeichnis der Bestgewinner einzusenden.“ (14)

1900 spendete Frau Henriette von Dittl einen prachtvollen Ehrenpreis, welchen CB im Bürgerfahren mit „Senator F.“ und Fahrer Herrn Bauer errang. (15) Aber auch über der Freude an seinen Pferden und den Erfolgen, die er mit ihnen erzielte, versiegte CBs soziale Ader nicht. Der Ertrag aus dem Preis-Gassl-fahren 1901 in der Höhe von 120 Kronen wurde dem Christbaum-fonds zur Bekleidung armer Schul-kinder gewidmet. (16)

Beim Sommer-Meeting 1901 ge-wann CB den Staatspreis, der mit 630 Kronen dotiert war, über eine Distanz von 2.300 m mit der 3-jäh-

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Die Kendlmühle

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rigen cisleithanischen braunen Stu-te „Kemmelbacherin“ von Depuiy. (17)

„Vom herrlichsten Winterwetter be-günstigt, hielt der Trabrennverein Wieselburg am 25. d. M. (Anm.: 1903) bei sehr guter Bahn sein Winter-Meeting (Schlittenfahren) ab. Zu demselben hatten sich ein zahlreiches distinguiertes Publikum aus Wieselburg und Umgebung, sowie auch viele Gäste aus weiter entfernten Ortschaften eingefun-den. Eine große Anzahl eleganter Schlitten sah man im Innenraume der Rennbahn aufgestellt. [...] In den Zwischenpausen konzertierte die Wieselburger Musikkapelle. Nach dem Rennen fand die Preis-verteilung vor der Bräuhaus-Res-tauration statt und waren sämtliche Preise mit Fahnen geziert.“ (18)

Am 7. Juni 1903 wurden beim Frühlings-Meeting gleich 3 große Preise vergeben: im ersten Rennen der Preis von Wien, im zweiten Rennen der Staatspreis und im drit-ten Rennen der Preis von Baden. (19)

Bei allen drei Rennen waren unter den Siegern Pferde aus dem Gestüt

Bartensteins. Rennen dieser Größe gab es zu Bartensteins Zeiten all-jährlich mehrere.Bartenstein war nicht nur Grün- der und Präsident des Trabrenn-vereines, sondern auch Pferdezüch-ter. Zahlreiche Pferde aus seiner Zucht waren bei diversen Rennen erfolgreich. Liest man sich die Rennergebnisse im Erlaftal-Boten durch, dann findet man eine Menge klingender Pferdenamen, die dem Gestüt Kendlhof entstammten. Ein Pferd benannte CB sogar nach sei-ner geliebten Tochter „Julie B.“. Die anschließende Auflistung der Namen von siegreichen Pferden aus dem Bartenstein‘schen Gestüt soll einen Eindruck davon vermitteln, mit welcher Intensität sich CB den Pferden widmete.

Pozsony, ungar. RappenhengstOudjar, NÖ BraunhengstMatros, der russische Rappen-hengst war ohne Zweifel eines von Bartensteins erfolgreichsten RennpferdenPepi von Pann-Vérese, ungarisches

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Eine der zahlreichen Trophäen CBs

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Pferd, 1897 Sieger im Preis von St. Pölten Bella L., ungarische StuteLeo, russischer RappenhengstHeja, ungarischer RappenhengstSzeles, ungarischer RappenhengstBergen Belle, braune StuteAbdullahAliSenator F., 2. im Austria-Preis 1900 Pava E.KemmelbacherinLunedi, cisleithan. FuchshengstLandlord, FuchshengstErlauftal, NÖ brauner HengstJulie B., NÖ Fuchsstute Bruder Martin, Sieger im Inländer Schlittenfahren 1903Extrascherz, Sieger im Inter-nationalen Schlittenfahren 1903Risiko I, cisleithanische braune Stute, Siegerin im Staatspreis 1906 Risiko II, cisleithan. braune StuteQuirinal III., cisleith. Rappen-hengst Quirinal, RappenhengstGeneral Simons, HengstLord Gazella, Sieger im Staats-preis 1907

Biota, Sieger im Preis von Wien 1910Belladonna, Siegerin im Staatspreis 1909Barille, braune Stute, 2. beim Staats-preis 1909Adonis, brauner Hengst, 3. im Preis von Wieselburg 1909

„Das sonntägige Herbstmeeting des Wieselburger Trabrennvereines nahm einen sehr schönen Verlauf. Der Besuch war vortrefflich. Die Rennen, die unter der Leitung des rührigen Vereinspräsidenten Herrn Kaspar Bartenstein sehr präszise verliefen, brachten foldende Resul- tate: Staatspreis. Herr Kaspar Bar-tensteins 5 jähr. Br. H. ,Falkland‘; 1. Preis von Wien Herrn C. Barten-steins 4 jähr. R. H. ,Waldgeist‘.“ (20) Die Bedeutung der Wieselburger Rennen kann man auch an der Höhe der Preisgelder ermessen, war doch im Jahre 1910 der Preis von Wieselburg mit 600 Kronen dotiert. Die Krönung seiner pferdesport-lichen Ambitionen erlebte Barten-stein 1908 durch den Derby-Sieg (45.000 Kronen Preisgeld) mit sei-

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Ansichtskarte von der Trabrennbahn

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ner Fuchsstute Grete N. auf dem Wiener Trabrennplatz beim Fahren für inländische Pferde. „Herr Kas-par Bartenstein hat dieses schnelle und wohlgebaute Tier selbst gezüch-tet und aufgezogen.“ (21) Die Farben Bartensteins waren blaue Bluse mit roter Schärpe.Bis zum Tode Bartensteins fanden zahlreiche Rennen und im Win-

ter Gasselfahren statt. CB war der Motor und die Seele des Trabrenn- vereines Wieselburg.Als er 1912 im Alter von 66 1/2 Jah- ren starb, war das Geschick des Vereines besiegelt. Im Vereinskataster ist im Jahr 1914 die Löschung des Wieselburger Trabrennvereines vermerkt.

Antonia und Karl Amashaufer, die späteren Besitzer der Kendlmühle

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CBs erfolgreiches Leben wurde jäh und unerwartet beendet. Julie Wüster, seine Tochter, hat in ihrem Tagebuch über die letzten Tage ih- res Vaters folgendes notiert: „Mein Vater klagte seit einiger Zeit über heftige Kopfschmerzen, war aber nicht zu bewegen, einen Arzt zu konsultieren. Er war von einer Ge- schäftsreise aus Waidhofen zurück- gekehrt und unheimlich schweig-sam. Jedes Wort schien ihm schwer-zufallen. Er wollte sich durchaus wach halten, schlief aber immer wieder ein. Geängstigt schickten wir nach Dr. Schredt, der aber nicht zu finden war. Als er dann am Morgen frühzeitig erschien, war der Kranke schon wieder tätig im Geschäfte. Wir reisten deshalb doch etwas beruhigter nach Breslau ab. Einige Tage darauf fanden wir aber die traurigste Mitteilung vor. Vater war in einer Nervenheilanstalt in München untergebracht und dem Tode nahe. Mein Gatte war tief er-griffen und beschloß, am nächsten Tag mit seiner Familie den kranken Schwiegerpapa zu besuchen. Wir

benützten den Nachtschnellzug und wurden in München von Schwester Lisi empfangen. Diese erzählte, daß ihn auch Mutter schon nicht mehr lebend traf. Später erfuhr ich, daß Vater vor Beginn des Kopfleidens einmal heftig gestürzt sei [...].“ (1)

Am Tode CBs nahm die gesamte Re- gion Anteil, wie der berührende Be-richt im ETB beweist: „Wieselburg a.d. Erlaf. (Kaspar Bartenstein †) Jäh tritt der Tod den Menschen an. [...] Wer hätte gedacht, dass Herr Kaspar Bartenstein, den wir vor einigen Wochen noch als gesunden, rüstigen Mann gesehen, nach einer Krankheit von nur wenigen Tagen zur großen Armee abberufen wurde! Der Verblichene, ein aufrichtiger, ehrlicher Charakter, war eine weit über die Grenzen Niederösterreichs bekannte Persönlichkeit, die sich sowohl um die Brauindustrie, als auch um die Pferdezucht und um den Pferdesport Oesterreichs Ver-dienste erwarb, die in den Annalen der Geschichte stets mit goldenen Lettern verzeichnet sein werden. [...] Mit Herrn Bartenstein verliert

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nun die Gemeinde einen ihrer ers-ten und besten Bürger und Förde- rer, unzählige Vereine und huma-nitäre Korporationen einen Gön-ner, der stets bereitwillig seine Person und seine finanzielle Hilfe in den Dienst der Sache stellte. Bis in die letzte Zeit widmete sich der Verblichene in gewohnter Weise seinen vielfachen Obliegenheiten und Funktionen und nichts deutete darauf, dass der Tod so nahe. In den letzten Tagen des August, am 24., ließ sich Herr Bartenstein in das Sanatorium Neuwittelsbach in München aufnehmen und schon am 28. August brachte der Tele-graph die traurige Nachricht, dass der Leidende, fern seinen Lieben, sanft entschlafen sei. Die sterbliche Hülle wurde von München nach Wieselburg überführt und am 2. September zur ewigen Ruhe be- stattet. Das imposante Leichen-begängnis legte Zeugnis ab von der Hochachtung und Verehrung, die der Tote allenthalben gefunden.Ueber 3000 Trauergäste waren er- schienen, dem Verblichenen die

letzte Ehre zu erweisen. Dem reich mit Kränzen geschmückten Sarge, der durch die Hauptstraße von Wieselburg, in welcher die mit Trauerflor umhüllten Straßenlam-pen brannten, getragen wurde, folg- ten die Verwandten, der Verwal-tungsrat der Wieselburger Aktien-brauerei vorm. K. Bartenstein, der Verwaltungsrat der Poschacher Brauerei in Linz A. G., der Vor-stand des Brauhauses Amstetten G. m. b. H., der Beamtenkörper, die Werkführer und Arbeiter des Unternehmens, Herr k. k. Statthal-tereirat Ritter Hammer von Pohlau aus Scheibbs, der Bürgermeister von Wieselburg mit sämtlichen Ge- meinderäten und Ausschüssen, Vertretungen der umliegenden Ge- meinden, Vertreter sämtlicher lo- kaler Aemter und Behörden, Prä- sident Poschacher und Herr Winkler vom Linzer, Herr Land-tagsabgeordneter Pittner sowie Herr Brustmann vom St. Pöltner Trabrennverein, Herr Baron Riel-mansegg von Amstetten, Herr Graf Rigobert Schaffgotsch von Purg-

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stall, Herr Straßenobmann Forst-meister Singer von Neubruck, Herr Wirtschaftsdirektor Martin Müller des Benediktinerstiftes Melk, die Herren Brauereibesitzer Winger, St. Pölten und Kühtreiber, Laa, namens des Bundes n. ö. Provinz-brauer, Vertreter des n.ö. Brau-herren-Vereines, sowie viele Indus-trielle und Geschäftsfreunde. Ferner rückten aus: die Feuerwehren von Blindenmarkt, Brunn, Brunnwiesen, Erlauf, Kemmelbach, Neumarkt, Neustift, Oberndorf, Petzenkirchen, Purgstall, Randegg, Ruprechtshofen, Steinakirchen, St. Leonhard am Forst, Sarling, Scheibbs, Zarnsdorf, Wang und Wieselburg; die Vetera-nenvereine Gresten, Oberndorf, Scheibbs, St. Pölten, St. Leonhard, Steinakirchen, Purgstall, Ybbs, Randegg und Wieselburg; die Turn-vereine Scheibbs, Purgstall, Ybbs und Wieselburg, die Gesangvereine Haag, Scheibbs, Purgstall, Ybbs und Wieselburg. Die Vertreter der Lehrkörper der Schulen in Kilb, Scheibbs, Purgstall,

Randegg, Petzenkirchen, Ybbs, Waidhofen a. d. Y., Schloß Wein- zierl und Wieselburg, der Schützen-verein Ybbs a. d. Donau, der christl. Arbeiterverein Wieselburg, sowie viele hundert Teilnehmer aus nah und fern beteiligten sich beim Lei- chenbegängnis. In der Kirche sang der Männergesangverein ,Harmo-nie‘ Wieselburg seinem Gründer und Ehrenmitgliede einen Trauer-chor. Der Ehrenchormeister des Vereines, Herr Franz Schwarzbauer komponierte diesen Chor als letzten Gruß seinem alten Freunde und verwendete hiezu die passenden Worte von Gustav Filke:

Es sprach die Not: Ich quäle dich.Es sprach der Mut: Ich stähle dich.Es sprach der Sieg: Ruhm winkt und Licht.Es sprach der Tod: Ich will es nicht.

O Tod, das hast du schlecht gemacht,So schöne Kraft für nichts eracht!Viel‘ Kräuter stehen hundertweis,

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Was raufest du dies Edelreis?Fühl‘ nicht wie ihr, bin hart und schneidAll Kraut und Gras ohn‘ Luft und NeidUnd schon‘ auch nicht der Blumen.Hüt‘ dein Röslein du, solang es blüht!

Tod, das hast du schlecht gemacht, so schlecht gemacht.

Tief ernst und ergreifend erklan-gen die Akkorde. Gar bald lagen die irdischen Ueberreste dieses seltenen Menschen in der kühlen Gruft, die Fahnenjunker schwänk-ten ihre Fahnen über dem Gra-be zum Zeichen der Trauer, der Gesangverein Wieselburg gab die Partitur des Nachrufes Schwarz-bauers in einer Metallhülse verlötet mit ins Grab und die Trauergäste verließen nur langsam den Ort der ewigen Ruhe, mit dem Gefühl, dass ein edler Mensch für immer von uns gegangen. Ruhe sanft!“ (2) Das Grabmal am Wieselburger Friedhof

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CB hinterließ ein gewaltiges Ver-mögen und sein Nachlass ist in zwei Büchern von 227 und 143 Seiten ge-regelt, in denen er jede Kleinigkeit bis hin zum Hausrat auflistete. Er teilte die 738 Positionen im Ge- samtwert von 1,972.944,86 Kronen seines Besitzes in neun Haupt- gruppen: Barschaft, Wertpapiere, Einlagebücher und Geschäftsbetei-ligungen, Forderungen und Konto- guthaben, Pretiosen, Wohnungs-einrichtung, Kleidung und Wäsche, sonstige bewegliche Vermögen, un- bewegliches Vermögen. Unter den unbeweglichen Vermögen sind 45 Parzellen mit einer Gesamtfläche von 178.000 m2 im Wert von 55.000 Kronen. Darin sind aus-drücklich jene Grundstücke aus-genommen, die CB zu Lebzeiten an die Brauerei verkaufte. Wörtlich steht geschrieben: „Hiezu wird be-merkt, daß die an die Wieselburger Aktienbrauerei vorm. K. Barten-stein verkauften Parzellen, die am Todestage zwar noch nicht grund-bücherlich übertragen, aber schon vor dem Tode des Erblassers in

den faktischen Besitz der Brauerei übergegangen waren. [...] Die Wert- angaben für die einzelnen Parzel- len sind, wie zur Gebührenbemes-sung und der Schätzung des Bau- sachverständigen und Schätzmeis-ters Herrn Hubert Schinner in Wie-selburg a./Erlaf festgesetzt [...].“ (1)

So möchte ich meine Betrachtun-gen über einen Menschen, dessen Andenken in Wieselburg viel zu wenig gepflegt wird, mit den Aus-schnitten aus seinem Nachruf im ETB beschließen, denn besser kön- nte sich seine Bedeutung für unse-ren Ort nicht ausdrücken lassen: „Wieselburg. (Todesfall.) Nach kur- zem Leiden starb Mittwoch abends in einer Heilanstalt in München der Präsident der hiesigen Aktien-brauerei und vormaliger Besitzer derselben, Herr Kaspar Barten-stein, im 67. Lebensjahre. Jeder, der die Verhältnisse Wieselburgs kennt, wird mit größter Bewunde-rung zu diesem Manne aufgeblickt haben, der als einfacher Brauer-bursche vor zirka 40 Jahren aus dem Bregenzerwald nach Wiesel-

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burg kam und hier dank seinem rastlosen Fleiße, unermüdlicher Energie und eminenter kaufmän-nischer Befähigung ein in jeder Weise auf der Höhe stehendes Brauhaus geschaffen hat, das das Viertel ob dem Wienerwald mit Ge-tränk versorgt. Herr Bartenstein war aber auch langjähriges Ge- meindevorstands-Mitglied und nahm an den Arbeiten der Gemein-de stets regen Anteil. So setzte er sich auch ein schönes Denkmal anlässlich der Errichtung eines Kindergartens, den er mit einem namhaften Betrag unterstützte. Ne-ben der Arbeit seines sich weiter stets entwickelnden Etablissement war er in früheren Jahren auch ein eifriger Sportsmann, dessen Name in den Trabrenn-Vereinen des In- und Auslandes den besten Klang hatte. Aus seinem eigenen Gestüt Kendlhof gingen vorzügliche Traber hervor und einem seiner so gezogenen Pferde gelang es, das Derbyband, die höchste quali-fizierte Leistung, zu erringen. Aber auch ein warmer Förderer aller

möglichen Vereine war Herr Kas-par Bartenstein. Es wird kaum ei-nen Verein in nächster und weiterer Umgebung geben, dessen Mitglied derselbe nicht war und kamen diese Vereinsleitungen mit noch so merkwürdigen Bitten, kaum blieb eine unerfüllt. Der Gesangverein ,Harmonie‘ in Wieselburg verliert mit ihm seinen besten Gönner und Freund und es ist selbstverständ-lich, dass das Sterben dieses Man-nes im gesellschaftlichen Leben Wieselburgs eine große Lücke reißt, die nie ersetzt werden wird. Daß ein Mann wie er auch seine Gegner hatte, ist selbstverständlich, doch auch die geben heute unumwun-den zu, dass er ein erstklassiger Mensch war. War doch eine seiner schönsten Eigenschaften die, dass er eine Beleidigung nach Erledi-gung derselben nie nachtrug. So wird sein Name in Wieselburg wohl unvergesslich bleiben, da er sich zu viele Erinnerungspunkte geschaffen hat.“ (2)

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Quellen- und Literaturnachweis

Abstammung:(1) Wüster, Thiele, Stammbaum der Familie Bartenstein

Familie:(1) Wüster, Julie, Meine Erlebnisse, unveröffentlichtes Tagebuch in 3 Bänden(2) wie (1)

(3) Testament und Kodizill der Juliana Bartenstein vom 14. 6. 1913, kundgemacht am Bez. Gericht Scheibbs, Abt. I am 6. 2. 1917, UV 10/17

Brauerei:(1) Amstettner Wochenblatt, Nr. 36(2) Denk, Stefan, Bier bereitet Behagen, Abriss der Geschichte der Brauerei Wieselburg, Stadtarchiv Wieselburg(3) Stadtarchiv Wieselburg, Z. 216-1886(4) Stadtarchiv Wieselburg, Z. 614-1888(5) Stadtarchiv Wieselburg, Z. 312-1889(6) Akt der BH Scheibbs, NÖ Landesarchiv, H6024-1889(7) Akt der BH Scheibbs, NÖ Landesarchiv, H6978-1889(8) Akt der BH Scheibbs, NÖ Landesarchiv, H10404-1889(9) Akt der BH Scheibbs, NÖ Landesarchiv, H5890-1891 und Stadtarchiv Wieselburg Z. 479-1891(10) Akt der BH Scheibbs, NÖ Landesarchiv, H5854-1891(11) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung vom 10. 10. 1890(12) Stadtarchiv Wieselburg, Z.247-1892(13) Akt der BH Scheibbs, NÖ Landesarchiv, H7872-1892 und H3748-1894(14) Akt der BH Scheibbs, NÖ Landesarchiv, H 7939-1894 und Stadtarchiv Wieselburg, Z.594-1894(15) Stadtarchiv Wieselburg, Z.292-1894 und Z.532-1894(16) Stadtarchiv Wieselburg, Z.659-1894(17) Akt der BH Scheibbs, NÖ Landesarchiv, H11210-1894 und Stadtarchiv Wieselburg, Z.340-1895(18) Stadtarchiv Wieselburg, Z.748-1895(19) Akt der BH Scheibbs, NÖ Landesarchiv, H8320-1897(20) Stadtarchiv Wieselburg, Z.1448-1899(21) Stadtarchiv Wieselburg, Z.498-1900(22) Stadtarchiv Wieselburg, Z.697-1906 und Z.698-1906

Bahnanschluss: (1) Akt der BH Scheibbs, NÖ Landesarchiv, H4247-1899 (2) Chronik des Bahnhofes Wieselburg(3) Stadtarchiv Wieselburg, Z.498-1900(4) Akt der BH Scheibbs, NÖ Landesarchiv, X-141-A-45-1911

Wasserkraft:(1) Wasserbuch der BH Melk PZ 133, in Brauereiakten(2) Wasserbuch der BH Melk PZ 275 in Brauereiakten(3) Reischl, Alfred und Friederike, Besitzurkunde(4) Wasserbuch der BH Melk PZ 132, in Brauereiakten(5) Kaufvertrag über den Verkauf der Breiteneicher Mühle vom

14. 5. 1897, Brauereiakten(6) Wasserbuch der BH Melk PZ 167, in Brauereiakten(7) Stadtarchiv Wieselburg, Zl.1448-1899(8) Wasserbuch der BH Melk PZ 132, in Brauereiakten(9) Amashaufer, Anna, Kaufvertrag vom 27. 6. 1906, k. & k. Steueramt Ybbs(10) Stadtarchiv Wieselburg, Protokoll der Gemeinde-ausschusssitzung vom 26. 10. 1900(11) Wüster, Julie, Mein Wieselburg, Band 2 – Bilder zu Mein Wieselburg, unveröffentlicht, nur in wenigen unter-schiedlichen Exemplaren vorhanden, keine Seitenangabe(12) Erlaftal-Bote, X. Jg., Nr. 50, 16. 12. 1900, S. 4(13) Erlaftal-Bote, XVI. Jg., Nr. 46, 18. 11. 1906, S. 4

Aktienbrauerei:(1) Erlaftal-Bote, XV. Jg., Nr. 1, 1. 1. 1905, S. 4(2) Wüster, Julie, Mein Wieselburg, Wieselburg 1966(3) Wüster, Julie, Meine Erlebnisse, unveröffentlichtes Tagebuch in 3 Bänden

Brauhof:(1) Denk, Stefan, Die Brauerei in Wieselburg a. d. Erlauf, Wieselburg 1937(2) Abl, Inge, Chronik der Familie Winkler(3) Stadtarchiv Wieselburg, Protokoll der Gemeindeausschusssitzung vom 1. 12. 1888(4) wie (3)

(5) Stadtarchiv Wieselburg, Z.335-1892(6) Stadtarchiv Wieselburg, Z.274-1896(7) Stadtarchiv Wieselburg, Z.462-1897

Wittekhaus:(1) Ebner, Waltraud, Johann Kaspar Bartenstein, Volksmann und Herr, S. 72(2) wie (1) (3) NÖ Landesarchiv, G1656-1890(4) NÖ Landesarchiv, H5854-1891 und Stadtarchiv Wiesel-burg, Z.449-1891 (5) Stadtarchiv Wieselburg, Z.164-1893 (6) Stadtarchiv Wieselburg, Z.1059-1907

Au Nr. 17:(1) Abl, Inge, Chronik der Familie Winkler(2) Stadtarchiv Wieselburg, Z.959-1895

Bartensteinvilla:(1) Verlassenschaft nach Caspar Bartenstein, Band 1, S. 209(2) Testament und Kodizill der Juliana Bartenstein vom 14. 7. 1913, kundgemacht am Bez. Gericht Scheibbs, Abt. I am 6. 2. 1917, UV 10/17

Gemeinde:(1) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 30. 3. 1883

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(2) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 28. 3. 1885(3) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 6. 10. 1885(4) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 21. 11. 1886(5) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 11. 7. 1891 (6) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 10. 10. 1892(7) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 5. 12. 1894(8) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 18. 2. 1898(9) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 26. 10. 1900(10) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 16. 3. 1901(11) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 28. 4. 1903(12) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 30. 6. 1903 und Erlaftal-Bote, XIII. Jg., Nr. 36, 6. 9. 1903, S. 4(13) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 31. 1. 1906(14) Erlaftal-Bote, XVI. Jg., Nr. 6, 11. 2. 1906, S. 3(15) Erlaftal-Bote, XVI. Jg., Nr. 32, 12. 8. 1906, S. 5(16) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 6. 10. 1906(17) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 16. 11. 1909(18) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 11. 7. 1910(19) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 1. 9. 1912

Kindergarten:(1) Erlaftal-Bote, XVIII. Jg., Nr. 26, 28. 6. 1908, S. 4 und Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 15. 6. 1908(2) Erlaftal-Bote, XVIII Jg., Nr. 45, 8. 11. 1908, S. 4(3) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 11. 5. 1910(4) Schulchronik Wieselburg, S. 299(5) Erlaftal-Bote, XX. Jg., Nr. 51, 18. 12. 1910, S. 4(6) Protokoll der Gemeindeausschusssitzung Wieselburg vom 19. 2. 1911(7) Schulchronik Wieselburg, S. 299

Casino und Volksbank:(1) Erlaftal-Bote, I. Jg., Nr. 12, 22. 3. 1891, S. 1/2(2) Festschrift 100 Jahre Volksbank Wieselburg, 1980, S. 24 f.(3) wie (2)

Freiwillige Feuerwehr:(1) Festschrift 100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Wieselburg, 1980(2) Erlaftal-Bote, V. Jg., Nr. 6, 10. 2. 1895, S. 3

„Harmonie“:(1) Hareiter, Dr. Karl, Wieselburger Chronik, 1975, S. 184(2) Erlaftal-Bote, I. Jg., Nr. 26, 28. 6. 1891, S. 2(3) Erlaftal-Bote, XIII. Jg., Nr. 27, 5. 7. 1903, S. 4(4) Erlaftal-Bote, XIII. Jg., Nr. 45, 8. 11. 1903, S. 3(5) wie (4)

(6) Wüster, Julie, Mein Wieselburg, Wieselburg 1966, S. 105(7) Erlaftal-Bote, XX. Jg., Nr. 25, 19. 6. 1910, S. 2/3

Trabrennverein:(1) Hareiter, Dr. Karl, Wieselburger Chronik, 1975, S. 170/71 (2) Erlaftal-Bote, I. Jg., Nr. 6, 8. 2. 1891, S. 3 (3) Erlaftal-Bote, I. Jg., Nr. 7, 15. 2. 1891, S. 2(4) Erlaftal-Bote, V. Jg., Nr. 36, 8. 9. 1895, S. 3(5) Stadtarchiv Wieselburg, Sammlung Kraushofer, Artikel über die Trabrennbahn, 1976(6) Wüster, Julie, Meine Erlebnisse, unveröffentlichtes Tagebuch in 3 Bänden(7) Flossmann, Dr. Gerhard, Häuserbuch Bergland, Teil 1, Bergland 2002, S. 236(8) Erlaftal-Bote, VI. Jg., Nr. 5, 2. 2. 1896, S. 3(9) Erlaftal-Bote, VI. Jg., Nr. 6, 9. 2. 1896, S. 2/3(10) Erlaftal-Bote, VII. Jg., Nr. 43, 24. 10. 1897, S. 4(11) Erlaftal-Bote, VIII. Jg., Nr. 33, 14. 8. 1898, S. 4(12) Erlaftal-Bote, IX. Jg., Nr. 16, 16. 4. 1899, S. 4(13) Erlaftal-Bote, XIII. Jg., Nr. 4, 25. 1. 1903, S. 4(14) Erlaftal-Bote, X. Jg., Nr. 3, 21. 1. 1900, S. 3/9(15) Erlaftal-Bote, X. Jg., Nr. 23, 10. 6. 1900, S. 3(16) Erlaftal-Bote, XI. Jg., Nr. 7, 17. 2. 1901, S. 4(17) Erlaftal-Bote, XI. Jg., Nr. 33, 18. 8. 1901, S. 3(18) Erlaftal-Bote, XIII. Jg., Nr. 5, 1. 2. 1903, S. 2(19) Kraushofer, Karl, Vor achzig Jahren: Gründung des Wieselburger Trabrennvereines, Sammlung Theresia Göschl, Stadtarchiv Wieselburg(20) Erlaftal-Bote, XIV. Jg., Nr. 36, 4. 9. 1904, S. 3(21) Erlaftal-Bote, XVIII. Jg., Nr. 20, 17. 5. 1908, S. 5

CBs Tod:(1) Wüster, Julie, Meine Erlebnisse, unveröffentlichtes Tagebuch in 3 Bänden(2) Erlaftal-Bote, XXII. Jg., Nr. 36, 8. 9. 1912, S. 3

Erbe:(1) Bartenstein, Caspar, Nachlass, in zwei Büchern, unveröffentlicht(2) Erlaftal-Bote, XXII. Jg., Nr. 35, 1. 9. 1912, S.4

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Bildnachweis

Akten der BH Scheibbs im NÖ Landesarchiv: S. 24 (H6024-1889), S. 30 (H6978-1889), S. 31 (H7872-1892), S. 32 (H7872-1892), S. 33 (H7872-1892), S. 34 (H7872-1892), S. 36 (H7872-1892), S. 58 oben (G1656-1890)Amashaufer, Anna: S. 48 unten, S. 90 untenArchiv der Stadtgemeinde Wieselburg: S. 12, S. 20 (Z.216-1886), S. 21 (aus: Zl.X-407-A-1942), S. 22 (Z.312-1889), S. 23 (aus: Zl.X-407-A-1942), S. 25 (Z.247-1892), S. 26 (Z.479-1891), S. 28 (aus: Zl.X-407-A-1942), S. 38 (Z.532-1894), S. 39 (Z.340-1895), S. 40 (Z.748-1895), S. 42 (Zl.X-407-A-1942), S. 52, S. 54, S. 56 (Z.462- 1897), S. 58 unten, S. 66, S. 68, S. 84, S. 88Bartenstein, Mag. Michael: S. 6 obenBrauerei Wieselburg: S. 43, S. 46, S. 47, S. 50 beideChronik des Bahnhofes Wieselburg: S. 44

Gemeinde Alberschwende: S. 6 untenHölzl, Ing. Manfred: S. 64, S. 65Neubacher, Paula: S. 92Rappel, Franz: S. 62Reinbacher, Waltraud: S. 78Reischl, Alfred und Friederike: S. 48 obenStraßmayr, Waltraud: S. 101 beideWeiß, Irene M.: S. 105Winkler, Josef: S. 76Wüster, Thiele: S. 8, S. 9, S. 10, S. 11, S. 14, S. 16, S. 18, S. 55, S. 60, S. 70, S. 72, S. 74, S. 80, S. 86, S. 90 oben, S. 94, S. 96, S. 98, S. 100, Umschlagbilder

Band 1„Brücken und Stege über die Große Erlauf“

von Irene M. Weiß, 2003

Band 2„Gemeindewappen im Bezirk Scheibbs“

von Irene M. Weiß, 2004

Band 3„Lebensspuren - Franz Knapp zum 88. Geburtstag“

von Irene M. Weiß, 2004

Band 4„Die Tapfere - Catharina Regina von Greiffenberg“

von Heimo Cerny, 2005

In dieser Serie erschienen bis dato:

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