K omposition aus Grau und Grün · lange nicht mehr zeitgemäß. Ihre Sa-nierung, Nachverdichtung...

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12 mikado 9.2012 Thema des Monats Bauen im Bestand P 1

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Projekt 1

Erneuerung einer WohnanlageIn München setzte ein großes Wohnungsunternehmen bei der energetischen Modernisierung und Nachverdichtung auf Holz.

Wohnanlage: Komposition aus Grau und Grün 14

Steckbrief 18

Bauherr: „Die Mieter mögen das Holz“ 19

Fazit: Die Wohnungswirtschaft entdeckt den Holzbau 21

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1950er-Jahre-Wohnanlage

Komposition aus Grau und Grün Für das Modernisieren mit vorgefertigten Holzbauelementen interessieren

sich inzwischen auch große Wohnungsgesellschaften. Wenn dann noch Aufstockungen,

Anbauten und Neubauten dazukommen, ist diese Methode besonders schlüssig.

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Es lag nahe, dabei auf das große Holzbau-Know-how der TU München zurückzugreifen. Schon im Winter-semester 2006/07 hatten Prof. Her-mann Kaufmann und Florian Licht-blau ihre Architekturstudenten Entwürfe zur Weiterentwicklung der Wohnanlage anfertigen lassen. 2008 erhielten die beiden Architekten von der GWG den Auftrag zur Entwick-lung und Umsetzung eines konkre-ten Sanierungskonzepts. Parallel lief an der TU München unter Leitung der Lehrstühle von Prof. Hermann Kaufmann und Prof. Stefan Winter das große europäische Forschungs-projekt „TES EnergyFacade“, das die Fassadensanierung mit vorgefertig-ten Holzrahmenbauelementen wis-senschaftlich untersuchte und markt-fähige Lösungen entwickelte. Das traf sich gut.

Durchdachtes Maßnahmenpaket

Hochwertige Bestandserneuerun-gen lassen sich dann gut finanzie-ren, wenn dabei auch zusätzliche Flächen zum Verkaufen oder Ver-mieten entstehen, wenn sich also ein Teil der Ausgaben durch zusätzli-che Einnahmen decken lässt. Das war hier der Fall: Um 62 Prozent nahm

Schnell und billig – das waren die Prämissen des Massenwohnungs-

baus in den 1950er-Jahren. Funkti-onal, konstruktiv, gestalterisch und energetisch sind diese Gebäude schon lange nicht mehr zeitgemäß. Ihre Sa-nierung, Nachverdichtung und Auf-wertung gehört deshalb zu den wich-tigsten Bauaufgaben.

Ein typisches Beispiel dafür ist eine Wohnanlage im Münchner Stadt-teil Sendling: lange dreigeschossige Mauerwerksbauten, teils aus Kriegs-schutt errichtet, mit kleinen Zimmern, Einzelraumheizungen, fast noch im Originalzustand, jedoch ziemlich heruntergekommen. Der Heizener-giebedarf lag ungefähr beim Vier-fachen dessen, was die EnEV 2009 für Neubauten vorschreibt.

Die Sanierungsziele waren ehrgei-zig: Energieeffizienz und Nachhal-tigkeit sollten vorbildlich sein, die Bausubstanz für 40 Jahre nachrüs-tungsfrei bleiben – und Holz zum Einsatz kommen. Schon in den 1990er-Jahren hatte der Bauherr, die städtische Wohnungsgesellschaft GWG München, Neubauten in Holz-bauweise errichtet. Nun sollte der Holzbau seine Brauchbarkeit für die Gesamterneuerung innerstädtischer Bausubstanz beweisen.

Die Wohnanlage ▴nach dem

1. Bauabschnitt: Das Gebäude links

wurde moderni-siert und auf-

gestockt, das Ge- bäude rechts

in Holzbauweise neu errichtet

Die Fassaden: ▸sägeraue

Fichtenbretter mit grauer Lasur

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an dem Farbton, der sich bei unbe-handeltem Holz durch die natürliche Vergrauung der Oberflächen im Lauf der nächsten Jahre von selbst bilden würde. Falls der Regen die Farbpig-mente mit der Zeit auswäscht – kein Problem: Das natürliche Grau ersetzt das künstliche. Drei kräftige Grüntö-ne, mit denen die Metallplatten der Balkon- und Laubengangbrüstungen lackiert wurden, setzen einen mar-kanten Kontrast. Sie genügen, da-mit keine Tristesse aufkommt. Ja, die Farbbänder brauchen sogar die gro-ße graue Fläche als Hintergrund, um angenehm wirken zu können. Beru-higendes Grau und anregendes Grün sind gut ausbalanciert.

Für den Einsatz von Holz als Fas-sadenoberfläche gibt es neben ökolo-gischen und gestalterischen Gründen aber auch ganz pragmatische: Säge-raue Holzschalungen sind wesentlich preisgünstiger als Fassadenplatten. Sie sind zudem robuster – „verzei-hen“ beim Transport eventuell auf-tretende Stöße eher als Produkte mit glatten Oberflächen. Kleine Fehlstel-len fallen überhaupt nicht auf. Ein weiterer Grund für sägeraue Holz-schalungen: Sie sind lange haltbar und brauchen so gut wie keine War-tung. Da die Holzfasern und Fugen senkrecht stehen, läuft der Regen zu-dem besser ab, als das bei horizontal liegenden der Fall wäre. Das Holz ist schnell wieder trocken.

Brandschutz gliedert Fassade

Den Brandschutzbehörden aber sind Holzoberflächen noch ziemlich sus-pekt. In München unvergessen ist der große Stadtbrand von 1327, der etwa ein Drittel der damaligen Stadt zer-störte. Die Geschichte großer Stadt-brände zieht sich bis ins 19. Jahrhun-dert. Entsprechend sind die Bauregeln von Angst und Vorsicht geprägt – bis heute. Für Holzfassaden gilt: Sie dürfen nicht hinterlüftet sein, denn das würde im Brandfall dazu füh-ren, dass sich durch den Kamineffekt das Feuer über die Fassade schnell zu den höher gelegenen Geschossen ausbreitet. Daher ist eine regelmä-ßige Unterbrechung der Holzscha-lung vorgeschrieben: ein Band aus

neuen Fassaden: Sie besitzen sicht-bare Holzoberflächen. So etwas galt früher als ländlich und damit unan-gemessen für innerstädtische Lagen. Heute zeigt sich hier ein Sinneswan-del und Paradigmenwechsel.

Ausbalancierte Farbgebung

Sichtbare Holzoberflächen – das sind hier: senkrecht angebrachte, sägerau belassene, silbergrau lasierte Fich-tenbretter. Das Grau orientiert sich

die Nutzfläche zu. Drei Maßnahmen machten es möglich: (1) die Aufsto-ckung des dreigeschossigen Bestands um ein Geschoss, (2) ein neues Er-schließungssystem mit Laubengän-gen, wobei die alten innenliegenden Treppenhäuser den Wohnungen zu-geschlagen wurden, und (3) ein den Bestand ergänzender Neubau – in Holzbauweise. Für den wurde ein Teil der alten, ungeeigneten Bausubstanz abgerissen. Ansonsten aber war die Erhaltung der Bausubstanz ein er-klärtes Ziel, um Abfall zu vermeiden und die graue Energie auf ein not-wendiges Minimum zu beschränken. Die Ökobilanz eines Gebäudes be-ginnt schon in der Bauphase.

Die Maßnahmen verbesserten das Verhältnis der Außenflächen zum Raumvolumen von 0,54 auf 0,45. Schon das reduziert den Heizener-giebedarf, doch für den großen Sprung von vorher 195 kWh/(m²a) auf nachher 21 kWh/(m²a) sorgte die neue Wärmedämmung: Von 1,6 auf 0,12 W/(m²K) verbesserte sich der U-Wert der Außenwand, von 1,2 auf 0,12 W/(m²K) der des Dachs, von 2,6 auf 0,90 W/(m²K) der der Fenster.

Die Aufstockungen ersetzten un-gedämmte Dachstühle und sorgen für klarer gefasste Außenräume. Durch den querstehenden Erweiterungsbau und eine sensible Freiflächengestal-tung bekamen die vorher formlosen, zugigen Zwischenbereiche Hofcha-rakter mit höherer Aufenthaltsquali-tät. Der auffälligste Eingriff sind die

Im Neubau ▴(rechts) befinden

sich unten Büroräume der

Hausver- waltung und

oben Miet- wohnungen

Im Zuge der ▾Modernisierung

erhielten die Bestandsbauten

neue, vor- gestellte Balkone.

Sie sind nach Westen orientiert

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horizontalen Blechwinkeln pro Ge-schoss. Das hemmt die Brandausbrei-tung hinter und vor der Fassade.

Hinterlüftet ist die Holzschalung bei der Wohnanlage in Sendling aber gar nicht. Auch nicht belüftet, also unten offen und oben geschlossen. „Das braucht es bei so einer über-fälzten Holzschalung gar nicht“, er-klärt Kaufmann. „Die ist sowieso nicht luftdicht. Also findet ständig ein Luftaustausch statt, der ausreicht, damit sich im Inneren der Konstruk-tion keine Feuchtigkeit hält.“

Die Gliederung in Geschosse erin-nert nicht nur an Gründerzeitfassa-den, bei denen Gesimse zum üblichen Formenkanon gehörten, sondern kommt auch der Fassadensanie-rungsmethode entgegen: Vorgefer-tigte Holzrahmenbauelemente kön-nen aus fertigungs-, transport- und montagetechnischen Gründen nicht beliebig groß sein. Heute übliche Geschosshöhen sind noch eine gut handhabbare Größe. Ein Kran hebt die fertigen Elemente an ihre Positi-on und die Zimmerer montieren sie dort in kurzer Zeit.

Da die Bestandsbauten aufgrund der schlechten Bauqualität kaum statische Reserven besitzen, wird das

Fassadenschnitt

Balkonplatte: Betonfertigteil, Gefälle 2 %

Stahlträger IPE 140

Außenwandaufbau:Nut-und-Feder-Schalung, Fichte, sägerau, silbergrau gestrichen, 24 mm Lattung, 24 mm Winddichtung Gipsfaserplatte, 15 mm Brettschichtholz, 210 mm dazwischen Wärmedämmung Hartfaserplatte, 4 mm Ausflockung mit Zellulose als Toleranzausgleich, 3 – 7 cm Putz (Bestand), 25 mm Mauerwerk (Bestand), 300 mm Putz (Bestand), 15 mm

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Gewicht der neuen Fassade nach un-ten abgeleitet: auf einen Stahlbeton-balken, der auf den für die neuen Bal-kone und Laubengänge errichteten Fundamenten liegt.

Holzfassade eint Neu und Alt

Durch die einheitliche Fassadenge-staltung ist der Erweiterungsbau von den beiden Bestandsbauten von außen kaum zu unterscheiden – konstruktiv und innenräumlich dagegen schon: Der Neubau ist der erste Viergeschosser Münchens, der mit sichtbaren Holz-decken ausgeführt ist – sowohl in den Büroräumen der GWG als auch in den Mietwohnungen. Die Decken und Innenwände bestehen aus Brett-sperrholz, die Außenwände aus Holz-rahmenbauelementen. Alle Wände wurden aus Brandschutzgründen ein-gekapselt – die aktuelle Musterricht-linie will das so.

Holzbau braucht Bauteams

Der erste Bauabschnitt ist fertig. Der zweite beginnt demnächst: ein vier-geschossiger Neubau in Holzbauwei-se als Ersatz für einen nicht erhal-tenswürdigen, schon abgerissenen Bestandsbau. Und dann kommt wohl bald die nächste Wohnanlage. Tau-sende noch unsanierter Wohnungen aus den 1950er- und 1960er-Jahren besitzt allein die GWG, Zehntausen-de gibt es in München, Millionen in Deutschland. Ein gigantischer Markt. Eine große Chance für den Holzbau.

Auch eine große Chance für jedes Holzbauunternehmen?

„Prinzipiell ja! Es muss nur eine Werkhalle haben, um dort die gro-ßen Holzrahmenbau-Elemente vor-zufertigen“, antwortet Kaufmann. „Entscheidend für uns Architekten sind nicht Betriebsgröße und Preis, sondern: Zuverlässigkeit, Pünktlich-keit und Qualität. Das Sanieren mit großen Holzrahmenbau-Elementen sieht zwar lapidar aus, ist aber sehr anspruchsvoll. Es verlangt gewissen-haftes, hochpräzises Planen und Bau-en sowie eine exakte Taktung. Ma-ximale Vorfertigung ist das Ziel. Die Methode steht und fällt mit dem Grad der Vorfertigung!“

Die Methode erfordert ein Umden-ken bei Holzbau-unerfahrenen Archi-tekten. Im Massivbau haben sich viele daran gewöhnt, ihren Entwurf wäh-rend des Bauprozesses stufenweise anzupassen, sich irgendwie „durch-zuwursteln“. Im Holzbau funktioniert das nicht. Er verlangt eine konse-quent zu Ende gedachte Planung und Detaillierung. Die gelingt, wenn Ar-chitekten und Holzbauunternehmen schon in einer frühen Planungspha-se eng zusammenarbeiten.

Der üblichen, von der VOB ge-forderten Ausschreibungs- und Ver-gabepraxis entspricht das allerdings nicht mehr. „Die muss und wird sich ändern“, prognostiziert Lichtblau. „Bauteamverfahren sind im Holz-bau die beste Lösung. Bauteams aus Architekten und Holzbauunterneh-men führen zur Optimierung der Pla-nung, Abläufe, Kosten und Bauqua-lität. Damit Bauteams funktionieren, ist jedoch ein hohes Maß an Koope-rationsbereitschaft und Kommunika-tionsfähigkeit notwendig.“

Bauteams stellen eine mittelstän-dische Alternative zum Generalüber-nehmer dar. Für Holzbauunterneh-men bieten sie die große Chance, wegzukommen vom Konkurrenz-kampf um das niedrigste Preisange-bot. Architekten suchen zuverlässi-ge Partner und wissen, dass Qualität ihren Preis hat. Wenn die Zusam-menarbeit gut klappt, dann ist das nächste gemeinsame Projekt nur eine Frage der Zeit.

Günther Hartmann, Kissing ▪

Steckbrief

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Bauprojekt:Gesamterneuerung einer Mietwohnanlage (Baujahr 1958) D-81373 München

Maßnahmen:Fassadenmodernisierung mit ▸Holzrahmenbau-Elementen

Neues Erschließungssystem ▸und neue Grundrisse

Neue Haustechnik ▸

Aufstockungen ▸

Teilabriss Bestandsgebäude ▸

Neubau in Holzbauweise ▸(Büros und Wohnungen)

Terminablauf:Planungsbeginn: April 2008

Baubeginn: Juni 2010

Holzbau Neubau: ab März 2011

Holzbau Bestand: ab Mai 2011 / ab September 2011

Bezug: Dezember 2011 / Februar 2012

Wohnungszahl:Vorher: 36 Nachher: 46 + Büros

Bruttogeschossfläche:Vorher: 4384 m² Nachher: 6431 m²

Nutzfläche:Vorher: 2016 m² Nachher: 3323 m² (inkl. Büros)

Heizenergiebedarf:Vorher: 195 kWh/(m²a) Nachher: 21 kWh/(m²a) (PHPP)

Primärenergiebedarf:Vorher: 340 kWh/(m²a) Nachher: 22 kWh/(m²a)

Bauherr:GWG Städtische Wohnungs-gesellschaft München mbH D-80339 München www.gwg-muenchen.de

Planung:Kaufmann.Lichtblau.Architekten D-81545 München www.hermann-kaufmann.at www.lichtblau-architekten.de

Statik:merz kley partner ZT GmbH A-6850 Dornbirn www.mkp-ing.com

Brandschutz:Bauart Konstruktions GmbH & Co. KG ı D-80796 München www.bauart-konstruktion.de

Ausführung:müllerblaustein Holzbau GmbH D-89134 Blaustein www.muellerblaustein.de

Der Neubau ▾(links) besitzt große Loggien. Die Bestandsbauten (rechts) erhielten auf ihrer Westseite ein neues Erschließungs-system mit Laubengängen

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Dipl.-Ing. Architekt Hans-Otto Kraus studierte an der TU

München Architektur und arbeitete danach zunächst als Architekt im Büro „Werz, Prof. Ottow, Bach-mann, Marx“ in München, später als Technischer Leiter im „Evange-lischen Siedlungswerk Bayern“ in Nürnberg, wo er zum Technischen Geschäftsführer aufstieg. Anschlie-ßend war er bei der „Gemeinnüt-zigen Wohnungsgesellschaft für Aachen“ als Technischer Vorstand tätig, dann als Geschäftsführer der „Aufbaugemeinschaft Espelkamp“. Seit 2005 ist er Technischer Geschäfts-führer der „GWG München“, seit 2010 auch Vorstandsvorsitzender der „Vereinigung Münchner Wohnungs- unternehmen“.

mikado: Herr Kraus, wie kam die GWG als städtisches Wohnungsunterneh-men dazu, mit Holz zu sanieren und neu zu bauen?Hans-Otto Kraus: Unsere Sanierun-gen haben immer die Optimierung einer Immobilie zum Ziel. Dabei be-schäftigen wir uns intensiv mit ener-getischen Verbesserungen, aber na-türlich auch mit Materialien im Sinne der Nachhaltigkeit. Bei dem Projekt in Sendling hatten wir die Absicht, die Konstruktion bewusst anders zu machen als üblich. Die Alternative ist ja meist das Wärmedämmverbund-system. Das aber ist von Seiten der Instandhaltung nicht einfach zu be-urteilen, da man nicht weiß, wie sich die Konstruktionen auf Dauer verhal-ten und ob man sie nicht irgendwann mit großem Aufwand wieder sanieren muss. Im Gegensatz dazu lässt sich ein Holzsystem zu jeder Zeit prob-lemlos verändern oder abbauen, da

Bauherr

„Die Mieter mögen das Holz“ Die Wohnanlage im Münchner Stadtteil Sendling gehört der GWG München,

der zweitgrößten Wohnungsgesellschaft der Stadt. mikado befragte ihren Technischen

Geschäftsführer nach seinen Gründen für die Bestandserneuerung mit Holz.

es vor der Fassade steht. Im Vorfeld dieser Sanierung haben wir übrigens ein Studien-Projekt an der TU Mün-chen initiiert, bei dem eine ähnliche Lösung herauskam.

Könnten Sie das bitte etwas näher erläutern?Wir haben damals mit dem Lehrstuhl von Prof. Hermann Kaufmann einen Semesterentwurf zum Thema „Sanie-rung“ vereinbart, aus dem Wunsch, den Holzbau weiterzuentwickeln. Wir wollten untersuchen, inwieweit wir mit Holz arbeiten können. Als Ergeb-nis zeichnete sich der nun ausgeführ-te Entwurf in Ansätzen schon ab.

Haben Sie bei der GWG schon früher mit Holz gebaut?Ich selbst habe schon vor meiner Zeit bei der GWG Holzbauten realisiert, weil mich die Ökobilanz des Materi-als überzeugte. Dabei habe ich hin-reichend positive wie negative Er-fahrungen gesammelt und finde den

Holzbau trotz der negativen Erfah-rungen nach wie vor interessant. Die GWG schließlich hat schon in den 1990er-Jahren zwei Wohngebäude in Holz gebaut. Die erfreuen sich bei un-seren Mietern großer Beliebtheit. Wir haben dort weit weniger Fluktuation als in anderen Wohnhäusern. Und die Bewohner gehen sehr pfleglich mit ihrem Zuhause um und identifizie-ren sich auch mit der Konstruktion. Es ist fast so, als ob die Menschen in einer positiven Grundstimmung sind, wenn sie erfahren, dass sie in einem Holzhaus wohnen. Das einzige Manko der Holzhäuser ist, dass wir die Fassaden öfters streichen müssen als im Massivbau.

Sie sind also rundum zufrieden mit diesem neuen Projekt?Wie immer bei Experimenten haben wir ein gemischtes Ergebnis. Positiv war, dass die Konzeption auch von den Mietern gut aufgenommen wird. Sie fühlen sich durchweg wohl, fin-den das Raumklima in Ordnung, be-stätigen, dass sie auch an heißen Ta-gen angenehme Temperaturen in der Wohnung haben, und mögen grund-sätzlich das Material. Negativ war, dass der große Vorteil des Holzbaus – die Zeitersparnis durch die Vorfer-tigung von Bauteilen – bei diesem Projekt nicht zum Tragen kam. Der Holzbauer hat zu spät und nicht mit dem gewünschten Vorfertigungs-grad geliefert, weil er wohl zu ausge-lastet war. Das lag an der Konjunktur und spricht nicht gegen den Holzbau an sich. Auch die anderen Firmen hatten Terminschwierigkeiten.

Haben sich diese Verzögerungen auch finanziell ausgewirkt?

Hans-Otto Kraus, ◂Technischer Geschäftsführer der GWG München, muss länger-fristig kalkulieren und ist von der Wirtschaftlichkeit der Holzbau-weise überzeugt

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Sicherlich. Der Holzbau an sich ist ja schon etwas teurer als der Massiv-bau, in etwa um fünf bis zehn Pro-zent, je nach Lage und Größe. Wenn man es genauer wissen will, muss man jedes Projekt einzeln mit ei-ner Massivbauvariante vergleichen. Bei diesem Projekt lassen wir das Thema „Mehrkosten“ allerdings ge-rade explizit untersuchen. Der Grund für die Mehrkosten liegt darin, dass man beim Holzbau einfach sehr vie-le Details hat, die sorgfältig geplant und ausgeführt werden müssen. Ent-sprechend hoch ist der Aufwand bei der Bauleitung und der Koordinati-on der Gewerke, aber auch bei tech-

nischen Details wie der Abschottung der Fassade, um zum Beispiel Brand-überschlag zu verhindern. Diese Er-schwernisse sind bewältigbar, kos-ten aber Geld. Das wird idealerweise durch eine kürzere Bauzeit kompen-siert – und genau das hat in unserem Fall nicht funktioniert. Wir konnten das aber insofern regeln, als wir die-ses Projekt frei finanziert vermietet haben. Wir hatten hier in München keinerlei Probleme, Mieter zu dem Preis zu finden, den wir uns für die Wohnungen vorgestellt hatten.

Sie hatten aber doch ursprünglich die Auflage, dass der Holzbau nicht teurer werden durfte als ein vergleichbarer

Massivbau. Wie haben Sie dieses Pro-blem gelöst und womit haben Sie die Mehrkosten finanziert?Die entstandenen Mehrkosten wur-den durch den Einsatz von zusätzli-chem Eigenkapital gedeckt.

Wird die GWG bei künftigen Pro-jekten trotzdem wieder mit Holzbau-elementen arbeiten?Ja, denn wenn man volkswirtschaft-lich denkt, ist der Holzbau klar im Vorteil, weil er den nächsten Gene-rationen geringere Lasten aufbür-det. Das ist für uns als Bestands-halter ein wichtiger Gesichtspunkt. Bisher mussten wir bei unseren Sa-

nierungsmaßnahmen nur Ziegelbau-ten aus den 1930er- und 1940er-Jah-ren abreißen, doch selbst hier muss man gegebenenfalls Baustoffe tren-nen und darauf achten, dass eventu-ell giftige Materialien getrennt ent-sorgt werden. Das kostet. Doch wie teuer wird es, wenn Beton und die da-vorgesetzte Wärmedämmung abge-rissen werden muss? Das muss doch alles mühsam und sauber getrennt werden. Daher bauen wir im Neu-bau massiv auch nur monolithisch in Porenbeton, ohne Wärmedämm-verbundsystem, denn dann hat die nächste oder übernächste Generation nicht das Problem einer mehrschich-tigen Konstruktion, die sie eventuell

entsorgen muss. Und beim Holzbau ist man hier natürlich klar im Vorteil, zumal man ja bei dieser Bauweise problemlos immer wieder etwas ver-ändern kann, sowohl bei den Wänden als auch bei den Fenstern.

Sehen Sie noch weitere Vorteile des Holzbaus?Positiv ist eindeutig die Ökobilanz. Die ist mit keinem anderen Konstruk-tionsmaterial zu erreichen. Auch die Atmosphäre in einem Holzbau ist he-rausragend. Diese Erfahrung machen wir gerade selbst mit dem Büro-Holz-bau, der neben dem Wohngebäude in Sendling als Neubau entstand und in den unsere Hausverwaltung einge-zogen ist. Daher verfolgen wir allein aus ökologischen Gründen das Ziel, noch mehr Holzbauten zu realisieren. In der praktischen Umsetzung hapert es allerdings noch. Da sind uns an-dere Länder weit voraus.

Inwiefern?Es gibt beispielsweise in Österreich hervorragende Holzbauwerke. Da merkt man, dass sich die Österrei-cher intensiv mit dieser Materie be-fasst haben. In puncto Logistik und Ausbildung sind sie viel besser als wir. Hier in Deutschland ist es hinge-gen offensichtlich, dass der Holzbau keine Tradition mehr hat. Die Firmen bieten normale Zimmererarbeiten an, aber nur sehr wenige beschäftigen sich mit dem Holzbau an sich. Da fehlt einfach die Kapazität, wie wir bei unseren Projekten gemerkt ha-ben. Erschwerend kommt hinzu, dass es auch nur wenige Holzbauarchitek-ten und -ingenieure gibt.

„Der Holzbau ist gesamtwirtschaft-lich günstiger als der Massivbau.“

Bei den Decken ◂des Neubaus durfte das Holz sichtbar bleiben, bei den Wänden nicht

Im Neubau ▴befinden sich nun auch die Büros der GWG- Hausverwaltung Sendling- Westpark-Hadern

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FazitDie Wohnungswirtschaft entdeckt den Holzbau.

Nachdem der moderne Holzbau die letzten Jahre durch spektakuläre Bau-werke auf sich aufmerksam machte, entdecken nun große Wohnungs-unternehmen seine Vorteile für die Modernisierung und Nachverdichtung von Wohnanlagen. Die kurzen Bau-zeiten sind für sie genauso wichtig wie die Bewohnerakzeptanz und die Lebenszykluskosten. Gerade im Miet-wohnungsbereich wird nicht kurzfri-stig, sondern langfristig kalkuliert. Hier öffnet sich für Holzbauunterneh-men ein riesiger Markt, den es in enger Kooperation mit holzbauaffinen Architekten zu erobern gilt. Die Zukunft gehört guten Bauteams.

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Trotzdem wollen Sie weiter auf den Holzbau setzen?Ja, wir realisieren im nächsten Bau-abschnitt dieses Projekts ein mehr-geschossiges Gebäude in Holzbau-weise, haben allerdings derzeit damit zu kämpfen, dass die Angebots- preise aufgrund der Baukonjunktur weit über den kalkulierten Preisen liegen. Zudem wollen wir an ande-ren Stellen, etwa wenn wir zwischen bestehenden Bauten verdichten müs-sen, ebenfalls in Holz bauen. Deshalb haben wir auch schon Kontakt zu Anbietern von Holzsystembauweisen

aufgenommen, weil sich ein Holz-systembau schneller realisieren lässt als ein Massivbau. Auch wenn der Holzbau zunächst betriebswirtschaft-lich schlechter erscheint, ist er ge-samtwirtschaftlich gesehen doch günstiger als der Massivbau, da der Transport einfacher ist und die Her-stellungs- und Entsorgungskosten viel niedriger sind. Insofern lasse ich mich nicht darin beirren, den Holzbau weiter zu verfolgen, dazu ist das Material viel zu gut. Zwar brau-chen die Abstimmungsvorgänge in der Planung bzw. mit den Behörden

viel Zeit, doch wenn man mit guten Partnern wie Kaufmann und Licht-blau zusammenarbeitet, findet man immer auch eine Lösung. Auch wenn wir bei einfachen Modernisierungen aus wirtschaftlichen Gründen einen anderen Weg gehen müssen, wollen wir doch bei hochwertigen Projekten weiter mit Holz arbeiten.

Herr Kraus, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

Das Gespräch führte mikado- Autorin Christine Ryll, München.

Der große ▴Besprechungs-

raum im 1. Obergeschoss

orientiert sich nach Norden

zu einem noch nicht sanier-

ten Gebäude

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