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Horror TaschenbuchBand 2

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ImpressumAlle Rechte vorbehalten.

Copyright © dieser Ausgabe 2019 by KOVDVerlag, HerneCover, Umschlaggestaltung und Buchschmuck: VecS-GFX

Vignette und Kalle + Emrah Logos: J. HörethLektorat & Korrektorat: A. Jost

Schrift: Vollkorn von Friedrich Althausen

Nachdruck undweitere Verwendungnurmit schriftlicher Genehmigung.

ISBN: 978-3-96698-578-9Printed in Germany

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ERSTER TEIL

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»Siehste, es gibt auch bei Zombies Volltrottel!«,sagte Emrah.»Hm?«, entgegnete ich etwas unkonzentriert,

schließlich hatte ich meine geistigen Reservendarauf gebündelt, Stacheldraht um roh behauenePfähle zu wickeln, die unseren Aussichtspunktumgaben.»Na schau dir doch bloß mal den Kollegen da

unten an…«»Hm?«»Mensch, jetzt hör mal auf, dir mit dem Sta-

cheldraht in die Hände zu piksen. Ich mein denKerl, dem der halbe Unterkiefer fehlt und der soein adrettes Jäckchen anhat …«Ich ließ den störrischen Stacheldraht Stachel-

draht sein und blickte unseren Hügel hinunter.Tatsächlich liefen zwei Untote in ihrem altbe-

kannten Stolpergang im Kreis umher.Jede zweite Runde schafften es die beiden, auf-

einanderzutreffen und mit den zerfleddertenSchädeln zusammenzurasseln.Nach jedem Zusammenstoß glotzten sich

die zwei mit ihren toten Augen etwas irritiertan, jedoch schienen sie aus den Kollisionennicht allzu viel zu lernen, da sie danach mitfrischem Elan ihre endlosen Runden fortsetz-ten.»Ich hab mal einen gesehen, der den ganzen

lieben langen Tag nur hoch in den Himmelgeglotzt und die Wolken beobachtet hat …«,meinte ich, »der hat nicht einmal versucht, nachmir zu schnappen, den hat das gar nicht interes-siert.«

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Ein schneidend kalter Wind fegte die letztenGedanken an den Sommer fort, und ich bereute,meine Jacke im Zelt gelassen zu haben.Armageddon war gerade mal zwei Monate her,

mir kam es aber schon wie eine halbe Ewigkeitvor. Die Toten hatten sich aus ihren Gräbernerhoben und demonstrierten einen ungesundenHunger, der nicht enden wollte.Wer nicht genügend Phantasie für das

Unglaubliche aufbringen konnte, überlebte dieersten Stunden des Weltuntergangs nicht. Zuabsurd und abwegig war der Gedanke an wan-delnde Leichen, die mit einem schweren Buli-mie-Problem hausieren gingen.Viele erstarrten einfach vor so viel Irrwitz,

waren unfähig, zu flüchten und ließen sich ohneviel Gegenwehr packen und zerfleischen.Andere fingen an, draufloszuquatschen, in der

rationalen Art und Weise, die ihnen jahrzehnte-langes Leben in der Zivilisation eingetrichterthatte. Sie quatschten so lange, bis ihnen die Wie-dergänger die Litaneien aus der Kehle herausbis-sen.Wieder andere wurden so von vollkommener

Panik ergriffen, dass sie jeglichen klaren Gedan-ken verloren und wie Schafe dem Schlachter indie Arme liefen. Die Meisten überlebten, weil sierechtzeitig durch Radio, Internet oder Fernsehenvon dem Ungeheuerlichen informiert wurdenund sich ganz einfach in ihren Buden verram-melten. Dort hatten sie Zeit, das Geschehene zuverarbeiten und sich darauf einzustellen, dassihr bisheriges Leben in einer Zivilisation nun

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Makulatur war, dass sie ihren komplettenLebensrhythmus neu gestalten und den hässli-chen Arschgesichtern vor ihren Türen die Zähnezeigenmussten.Sobald man seine Gedankenwelt neu arran-

giert hatte und einem klar wurde, was in dieserhässlichen Neuen Welt zählte, hatte man guteChancen, die nächsten Monate zu überleben (essei denn, man saß beim Ausbruch des Zombie-wahns in einem Hochhaus fest, das von mehre-ren tausend kannibalischen Untoten geflutetwurde - dann schrumpften diese Chancen insMinimalistische).Ein anderer Aspekt, der die Sterbequote hoch-

schießen ließ, war die Tatsache, dass jegliche Inf-rastruktur innerhalb von 48 Stunden zusam-menbrach. Krankenhäuser wurden praktisch zuden Kernzentren der Zombieepidemie, da sievollgepropft waren mit kürzlich Verstorbenenund eingelagerten Leichen. Die Untoten wälztensich von den Seziertischen, wühlten sich aus denLeichenschränken und machten sich in denengen Gängen der Spitäler unverzüglich auf dieJagd nach Menschenfleisch. Eben noch erloschder letzte Lebensfunke des kürzlich Operiertenund schon schlug er wieder die Augen auf undverbiss sich in der Kehle seines Chirurgen.Nirgends war die schiere Masse an Zombies so

konzentriert wie in den Krankenhäusern. Sicher-lich waren auf den Friedhöfen mehr Leichen zufinden, aber hier mussten sich die Monster erstnoch ihren mühsamen Weg nach oben graben.Hart getretene Erde und vereinzelte Steine hiel-

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ten sie auf dem Weg nach oben auf, so dass dieeben Erwachten Zeit brauchten, um mit ihrenweich gewordenen Fingernägeln das verschim-melte Holz ihrer Särge zu zerpflücken und wieverkrüppelte Schwimmer ans Tageslicht zu krau-len.Aber in den engen Räumen der Krankenhäu-

ser gab es kein Entkommen. Das wenige Sicher-heitspersonal landete in Rekordzeit in diversenZombiemägen, und so waren auch die Ausgängeschnell mit geifernden Schnappmäulern ver-stopft.Und diejenigen, die nicht vollkommen ver-

speist wurden, gesellten sich zu der ständigwachsenden Armee der Untoten. So quollen tau-sende von Zombies aus den Krankenhäusernheraus. Und sie trampelten hinaus in eine Welt,die vollkommen unvorbereitet auf sie war. Da dieKrankenhäuser von den Darmfressern überranntwurden, wurden auch die Rettungswagen lahm-gelegt. So endete die Mehrzahl der Herzinfarkte,Schlaganfälle und sonstiger Notfälle, die ansons-ten eine schnelle professionelle Behandlungerforderten, tödlich. Und damit reihten sich dieseTodesfälle in die Armee der Wiedergänger ein.Die Kettenreaktion, die diese Toten initiierten,war enorm – gewaltig – irre.Innerhalb von zwölf Stunden wälzte sich eine

untote Lawine durch die Straßen, stürmte dieEinkaufszentren und drang in alle ungesichertenöffentlichen Einrichtungen ein.Die Ordnungskräfte in Form der Polizei (und

später der Armee) sahen sich mit einem Feind

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konfrontiert, auf den sie in keiner Weise vorbe-reitet gewesen waren.Bevor der Hinweis die Runde machen konnte,

dass nur ein Kopfschuss Untote permanent insNirwana befördert, wurde fleißig und überflüssigin verschiedenste Körperteile der Darmfressergeballert. Und so wurden ganze Polizeieinheitenüberrannt, bevor effektiver Widerstand geleistetwerden konnte.Ein anderer Aspekt, der die Sterbequote in die

Höhe schießen ließ, war der Kollaps so ziemlichaller Verkehrswege.Die wandelnden Toten verstopften die Stra-

ßen, taumelten in Personenwagen, LKWs undBusse und verursachten damit Massenkarambo-lagen – ineinander verkeilte Blechhaufen, dienicht beiseitegeschafft werden konnten, weil diegeifernde Kannibalenflut dies einfach nichtzuließ.Somit liefen alle Notrufe ins Leere, weil die

Rettungsfahrzeuge ihren Job nicht mehr verrich-ten konnten. Die dadurch sterbenden Leute ver-stärkten noch das ständig wachsende Heer derUntoten.Die Supermärkte und Shops konnten nicht

mehrmit Nahrungsmitteln beliefert werden, waszur Folge hatte, dass Plünderungen einsetzten,als den Leuten klar wurde, dass der Nachschubausbleiben würde.Es wurde so lange geplündert, bis es zu

gefährlich wurde, die Geschäfte aufzusuchen.Hunger grub sich in die Mägen derer, die nichtszu Hause gebunkert hatten, und derjenigen, die

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keine Waffen besaßen, um anderen Nahrungwegzunehmen.

Emrah und ich überlebten die ersten 24 Stundendes Zombiearmageddons nurmit sehr viel Glück.Ich hatte an diesem Tag einen Umzug zu

bewältigen. Meine Freundin hatte beschlossen,ihr Leben neu zu sortieren, und ich war einunangenehmes Stolpersteinchen in dieser Neu-sortierung.Emrah hatte ich dazu auserkoren, mir beim

Umzug zu helfen. Er war mein ältester und bes-ter Freund. Leider war er noch träger als ich.Dazu kam noch, dass er seine ‚Hilfe bei meinemUmzug’ so interpretierte, dass er für die Vertil-gung sämtlicher Chips und Süßigkeiten aus mei-nemVorrat verantwortlich war.Wir waren in meinem altersschwachen Opel

Kadett unterwegs, der hustete und spuckte, wasdas Zeug hielt, und dem ich täglich gut zuredenmusste, nicht den Löffel abzugeben. Emrah hieltsich an einer Tüte Fruchtgummis schadlos, die eraus meinem Süßigkeiten-Karton stibitzt hatte.Ich hatte die Rücksitze umgelegt und mit so vielKartons vollgestopft, wie der spärliche Platz her-gab.Als Steffi, meine Ex, begutachtete, wie wir

meinen Krimskrams in die Kartons packten,

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hatte sie so viel Verachtung in ihren Blick gelegt,dass ich Angst bekam, in Flammen aufzugehen(als würde uns Supermans Laserblick zerbrut-zeln).»Vergiss ja nicht deinen ganzen Bücher- und

Comicscheiß!«, zischte sie mir hinterher, dassdas sprichwörtliche Gift nur so sprühte. Ich ver-stand nicht, warum sie so sauer war, schließlichhatte SIEmir den Laufpass gegeben.»Och, werd’ ich nicht, schließlich sind Bücher

von Haus aus radioaktiv verseucht und könntendir glatt die Augen ausbrennen…«»Klugscheißer!«, donnerte sie in den Treppen-

flur.Es war das letzteMal, dass ich etwas von ihr zu

hören bekam.

»Wie hast du es nur mit dieser Klapperschlangevier Jahre ausgehalten?«, sagte Emrah, währender seine langen Beine in den mickrigen Fußraummeines Autos quetschte. Seine braunen Augenhielten ungeniert Ausschau nach Essbarem, undschließlich konnte er vom Rücksitz eine ange-brochene Chipstüte ergattern.»Hmpf, ich glaub’, ich liebe sie immer noch …«,

grunzte ich verdrossen.»Typischer Fall von Hirnfäule, mein Lieber.

Diese Trulla hat bestimmt schon einen anderen

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Stecher unterm Laken. Würde mich nicht wun-dern, wenn er hinter der Badezimmertür gelau-ert hätte …«»Meinst du wirklich?«, krächzte ich.»Mmpf, dir ist echt nicht mehr zu helfen.

Mann, vergiss die Tante einfach, sie ist’s nichtwert, dass du dir ihretwegen die Fingernägelabkaust!«»Ächz, wenn das mal so einfach wäre … mir

geht’s echt dreckig, und ich versteh’ das Ganzenicht … Es lief doch gar nicht so schlecht mit uns…«Mittlerweile schniefte ich richtiggehend.»Verflixt, jetzt hör aber auf, rumzuschniefen.

Reiß dich am Riemen, Mann, es gibt so vielattraktivere Frauen als sie auf dem Markt, unddie meisten davon sind auch keine solchen Rie-senarschlöcher …«»Uh, soll mich das jetzt wirklich trösten?

Ich…«WUMMMMMMMMMMMMMMMSSSSSSSEtwas war gegen die Windschutzscheibe des

Kadetts geklatscht. Etwas, das die Scheibe in einschönes Spinnennetz verwandelte und eine dun-kelrote Blutspur draufgeschmiert hatte.Ich stieg in die Eisen, und das Auto schlitterte

um die eigene Achse, so dass es eine 180-Grad-Drehung vollführte. Mit einem rosterfülltenKrack kam der Kadett zum Stillstand.»Ach du dicke Scheiße!«, stöhnte Emrah, wäh-

rend ich etwas wie ‚Wa…wa…wie…’ brabbelte.Der Körper, der gegen unsere Windschutz-

scheibe geknallt, nach dem Aufprall unter denWagen gerutscht war und von den Rädern eine

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1-Tonnen-Massage abbekommen hatte, krabbeltewieder nach oben.Zuerst bekamen wir eine bleiche Handmit gel-

ben, abgebrochenen Fingernägeln zu sehen, diesich schließlich an den Scheibenwischern fest-krallte. Dann rückte der Kopf des Unfallopfers inunser Blickfeld. Das rechte Auge hatte der Auf-prall aus dem Sockel gequetscht, so dass es aneinem blutigen Faden unter der leeren Augen-höhle baumelte. Die Wangenknochen warenstark nach links gequetscht, so dass es denAnschein hatte, als ob eine fleischige Welle überdas Gesicht strich. Ein Halsknochen war gebro-chen und ragte seitlich wie eine Speerspitze ausdem Hals heraus. Dieses Ding durfte eigentlichnicht mehr leben und trotzdem krabbelte esunbeirrbar auf uns zu.Dann bemerkten wir, dass diese zermatschte

Kreatur nicht allein war. Überall um uns herumtaumelten weitere Horrorgestalten auf uns zu:Wandelnde Leichen mit blutleeren, milchweißenGesichtern, ordentlich bekleidet, frisch verstor-ben, ziemlich agil, geladen mit fiebriger Energie,erfüllt mit gieriger Bereitschaft, den neu erwach-ten Hunger zu stillen.Nackte Untote, deren pappiges Fleisch teil-

weise von den Knochen abgefault war, übersätmit krustigen Geschwüren und klebriger Graber-de. Teilweise vollkommen desorientiert undgebremst vom jahrzehntelangen Kauern in derGrabestiefe.Ein Typ im feinen Anzug und Krawatte kratzte

mit seiner Klaue über die Scheibe der rechten

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Außentür. Der Großteil seines Gesichts war weg-gerissen, so dass er ein halbes skelettiertes Grin-sen zur Schau trug. Hinter ihm watschelte einealte Frau, deren Nase und Kinn schwarz ange-fault waren.Dunkler Sabber spritzte aus ihrem aufgerisse-

nen Mund und den glibbrigen Nasenlöchern.Ihre toten Augen waren weit aufgerissen undhatten einen fiebrigen Glanz. Ihr fetter Körperklatschte mit einem Wumms gegen die Seiten-scheibe und ließ denWagen erzittern, so dass ichmich vor Schreck fast einpinkelte.»Himmel, Arsch und Zwirn!«»Gib Gas, Kalle!«, schrie Emrah. Er schien vor

lauter Panik in seinen Autositz zu versinken,seine Hände krallten sich wie Schraubstöcke indie Sitzpolster.Natürlich gab ich Gas. Ich trat so kräftig auf

das Pedal, dass ich Angst hatte, den Bodendurchzutreten.Allerdings kam ich nicht weit. Wir warenmitt-

lerweile von hunderten wandelnder Leichenumringt. Ich pflügte zwar noch ein paar mit mei-nem Kühler zur Seite, doch dann verkeilte sichein halbes Dutzend Körper unter meinemWagen. Die Räder blockierten, weil zerfetztesFleisch und Knochen in die Radkästen geschleu-dert wurden.Wir standen. Nichts gingmehr.Ein Meer an fauchenden, zerstörten Gesich-

tern befand sich vor der Windschutzscheibe undden Seitenfenstern. Die Körper der vorderenUntoten wurden von ihren verfaulten Brüdern

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und Schwestern nach vorn gedrückt. Der Druckauf die Scheiben nahm zu.Es knirschte. Ein Spinnennetz aus Rissen

erschien auf der Windschutzscheibe. Wir saßenverkrampft und mit aufgerissenen Augen in denSitzen. Kalter Schweiß brach mir aus. JeglichesGefühl schien aus meinen Gliedern zu flüchten.Der Tod befand sich eine Armlänge von uns ent-fernt.Die Windschutzscheibe bog sich nach innen,

die Risse wurden größer, Glassplitter zischten inunsere Gesichter.Doch dann geschah das Wunder: Eine Sirene

jaulte auf. Ein Rettungswagen. Ein Notarzt. Oderdie Feuerwehr. Was auch immer, scheißegal, die-ses grandiose Heulen rettete uns das Leben. DieZombies wurden davon angelockt. Wie Hunde,die eine Hundepfeife hören, ruckten ihre Köpfenach oben, und dann setzten sie sich in Bewe-gung, strömten dem Geräusch hinterher. EinZombie blieb auf der Windschutzscheibe liegen.Die anderen hatten durch ihr Gewicht praktischseine sämtlichen Knochen gebrochen, und jetztkonnte er nur noch mit dem Kopf wackeln undmit der rechten Handwedeln.»Wa-was machen wir jetzt?«, japste ich. Der

Schweiß rann immer noch in Strömen an mirherunter.»Raus hier. Schnell. Beweg’ deinen Arsch!«,

zischte Emrah mir zu. Seine Stimme knirschte,als hätte er Sandkörner zwischen den Zähnen.Als ich ausstieg, zitterten mir die Beine. Fast

wäre ich auf den schmierigen Flüssigkeiten aus-

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gerutscht, die die zerfetzten Leichen unter demAuto absonderten.Wir rannten in die entgegengesetzte Richtung,

die die Zombiehorde eingeschlagen hatte, weilwir das allemal für eine gute Idee hielten.Wir sahen beim Laufen, wie einige Leute, die

sich vor die Haustür gewagt hatten, von denZombies angefallen wurden. Es war wie im Film– die Leute wurden angefallen und dann von denUntoten gefressen – dies ließ eventuelle Zweifel,dass diese Zombies vegetarische Varianten seinkönnten, verblassen.Was mich erstaunte, war, dass manche Leute

nicht etwa vor diesen Horrorgestalten flohen,sondern auf sie zukamen …Wahrscheinlich hiel-ten sie die Zombies für Unfallopfer oder … Ach,was weiß ich, keinen blassen Dunst, jedenfallsschienen diese armen Tröpfe noch nie einenZombie-Film gesehen zu haben (und was dasanging, waren Emrah und ich nahezu Experten… es gab kaum einen Zombie-Trash, den wir unsauf DVD noch nicht reingezogen hatten – undwas war die erste Regel bei Zombiekontakt?Richtig!WEGRENNEN).Ein paar vereinzelte Horrorgestalten torkelten

durch die Gegend. Sie konnten uns aber nichtgefährlich werden, wir umkurvten sie wie Sla-lomstangen, nur dass diese Stangen mit ihrenfauligen Zähnen nach einem schnappten.»Verdammt, es werden wieder mehr! Wir

müssen einen Unterschlupf finden …«, keuchteich – mit meiner Kondition stand es nicht zumBesten.

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»Pff, pff… dann da rein…«Wir befanden uns in einer Gegend mit vielen

kleinen Einfamilienhäusern. Das Haus, auf dasEmrah zusteuerte, war ein Bungalow mit einemvorgelagerten schmalen Rasenstreifen. Einehüfthohe Mauer umkränzte das Grundstück. DasTürchen an der Mauer war abgesperrt, aber soniedrig, dass wir mühelos darüber hinwegsprin-gen konnten.Emrah drückte wie ein Verrückter auf die Klin-

gel, und ich hämmerte mit der Faust auf das Holzdermassiven Haustür.Durch mein Geklopfe wurden einige untote

Spaziergänger auf uns aufmerksam und trippel-ten auf das Haus zu.»Verdammt noch mal, lassen Sie uns schon

rein, verfluchte Scheiße noch eins!«, brüllte ichverzweifelt.Meine schweißnassen Nackenhaare standen

stramm undmir graute davor, den ersten Hosen-schiss meines Lebens hinzulegen.Endlich wurde die Tür geöffnet. Eine weißhaa-

rige Omi wie aus dem Bilderbuch stand vor unsund hauchte: »Herrjemine, ach Gottchen…«Für große Erklärungen war keine Zeit, und so

griff sich Emrah das Omachen und wetzte mit ihrdurch den Eingangsflur ins Hausinnere. Ich wat-schelte hinterher und verriegelte die Tür. Die Türwar wuchtig, aus massivem Eichenholz mit einerwinzigen Sichtluke. An den Rändern war sie mitdunklem Stahl verstärkt – ein Panzer hätte seineliebe Mühe mit ihr gehabt, was mich sehr erfreu-te.

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Emrah hatte den Flur durchquert, mit der Omiunter dem Arm, und gelangte durch eine Zwi-schentür in die Küche.Dort saß ein alter Mann in einem Rollstuhl,

der gerade einen Teller mit Haferschleim auslöf-felte.Der Alte starrte uns entgeistert aus seinen

wasserblauen Augen an und keuchte: ‚Ach du lie-bes bisschen’, wobei ihm Haferschleim aus denMundwinkeln rann.

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Der Autor

Jürgen Höreth wurde 1966im beschaulichen Hof/Saalegeboren. Nach einer kauf-männischen Ausbildungfolgte er auch im Weiterendiesem Berufsfeld. Ende der90er versuchte er sich alsInhaber eines Comic-Ladens

in Hof, jedoch wurde dieser Enthusiasmus nichtbelohnt, und so verdient er seine Brötchen der-zeit als Produktmanager eines Online-Vertriebs.In den 80ern schrieb Jürgen Höreth Kurzge-

schichten und zeichnete Illustrationen für dasdamals florierende Horror-Fandom. Nach einerlangen Pause (einer sehr langen Pause), beganner Ende 2010 wieder Stories zu verfassen undsich auch später an einem Roman zu probieren.Ein kleiner Novellenband mit dem untotenRevolverschwinger „Deputy Dread“ (AmrunVerlag) und humoristische Kurzgeschichten beiLeseratten folgten, und schließlich fand sich auchfür sein Herzensprojekt Kalle & Emrah, beimKOVDVerlag eine Heimat.

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