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Kapitel 4: Rasterelektronenmikroskop Autor: Thomas Ludwig ([email protected]) Die Rasterelektronenmikroskopie ist eine bildgebende Methode, bei der eine Probe statt mit Licht mit Elektronen abgebildet wird. Die ersten Elektronenmikroskope wurden um 1935 entwickelt und hatten von Anfang eine erheblich höhere Auflösung bzw. Vergrößerung als konventionelle Lichtmikroskope. Mit der Entwicklung des Rasterelektronenmikroskops (kommerziell ab ca. 1965) konnten zusätzlich auch dreidimensionale Körper mit großer Schärfe und Vergrößerung mikroskopiert werden. Neben der reinen bildgebenden Funktion wird das Rasterelektronenmikroskop heute auch für qualitative und quantitative Analyseverfahren genutzt (Mikrosonde, EDS, KL, …) Aufbau und Funktion des Rasterelektronenmikroskops (REM) Abb. 1 zeigt – stark vereinfacht – den Aufbau eines REM. Der Elektronenstrahl wird in einer Elektronenkanone erzeugt. Die Elektronen werden von einer Glühkatode (Wolfram oder z.B. LaB 6 ) durch Glühemission (Edison-Effekt) oder durch Feldemission von einer kalten Katode emittiert. Ihre Energie erhalten die Elektronen durch die angelegte elektrische Spannung zwischen Anode (pos.) und Katode (neg.), die üblicherweise im Bereich von 1–30 kV liegt. Die Energie des Elek- tronenstrahls wird in eV („Elektronenvolt“ = Elementarladung e " Beschleunigungsspannung U) angegeben; bei einer Spannung von 10 kV ergibt sich also eine Energie von 10 keV. Der Wehneltzylinder dient zur Fokussierung des Elektronenstrahls. Die weitere Fokussierung des Elektronenstrahls erfolgt mit elektromagnetischen Linsen (Kondensorlinse 1 und 2, Objektivlinse), die aus einer stromdurchflossenen Spule und einem ferromagnetischen Kern bestehen. Die Brennweite dieser Linsen wird durch den elektrischen Strom durch die Spule eingestellt. Die beiden Kondensorlinsen dienen in Kombination mit der Strahlstromblende zur Einstellung des Strahlstroms. Dazu variieren die beiden Linsen den Durchmesser des Elektronenstrahls an der Strahlstromblende: Je größer der Strahldurchmesser hier ist, desto mehr Strom wird von der Blende nicht durchgelassen - der Strom wird so also verringert. Die Objektivlinse schließlich fokussiert den Elektronenstrahl auf die Probenoberfläche. Den Abstand der Probe von der Objektivlinse bezeichnet man als Arbeitsabstand; typische Werte sind 5–50 mm. Um Stöße der Elektronen mit Gasteilchen zu vermeiden, müssen sich Elektronenkanone, Linsen, Probe und die Detektoren im Hochvakuum ( p " 10 #3 Pa = 10 #5 mbar) befinden. Das Bild entsteht beim REM dadurch, dass der fokussierte Elektronenstrahl in einem Raster zeilenweise über die Probe geführt wird (symbolisiert durch schwarze Pfeile im Bild – Abb. 1). Der Strahl wird dabei von Ablenkspulen abgelenkt, die ein Magnetfeld quer zur Strahlrichtung erzeugen. Je geringer dabei die Ablenkung ist, desto kleiner ist die vom Strahl abgetastete Fläche und um so höher die Vergrößerung. Abb. 1 Schematische Darstellung des Aufbaus eines REM

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Kapitel 4: Rasterelektronenmikroskop Autor: Thomas Ludwig ([email protected]) Die Rasterelektronenmikroskopie ist eine bildgebende Methode, bei der eine Probe statt mit Licht mit Elektronen abgebildet wird. Die ersten Elektronenmikroskope wurden um 1935 entwickelt und hatten von Anfang eine erheblich höhere Auflösung bzw. Vergrößerung als konventionelle Lichtmikroskope. Mit der Entwicklung des Rasterelektronenmikroskops (kommerziell ab ca. 1965) konnten zusätzlich auch dreidimensionale Körper mit großer Schärfe und Vergrößerung mikroskopiert werden. Neben der reinen bildgebenden Funktion wird das Rasterelektronenmikroskop heute auch für qualitative und quantitative Analyseverfahren genutzt (Mikrosonde, EDS, KL, …)

Aufbau und Funktion des Rasterelektronenmikroskops (REM) Abb. 1 zeigt – stark vereinfacht – den Aufbau eines REM. Der Elektronenstrahl wird in einer Elektronenkanone erzeugt. Die Elektronen werden von einer Glühkatode (Wolfram oder z.B. LaB6) durch Glühemission (Edison-Effekt) oder durch Feldemission von einer kalten Katode emittiert. Ihre Energie erhalten die Elektronen durch die angelegte elektrische Spannung zwischen Anode (pos.) und Katode (neg.), die üblicherweise im Bereich von 1–30 kV liegt. Die Energie des Elek-tronenstrahls wird in eV („Elektronenvolt“ = Elementarladung

e "Beschleunigungsspannung U) angegeben; bei einer Spannung von 10 kV ergibt sich also eine Energie von 10 keV. Der Wehneltzylinder dient zur Fokussierung des Elektronenstrahls. Die weitere Fokussierung des Elektronenstrahls erfolgt mit elektromagnetischen Linsen (Kondensorlinse 1 und 2, Objektivlinse), die aus einer stromdurchflossenen Spule und einem ferromagnetischen Kern bestehen. Die Brennweite dieser Linsen wird durch den elektrischen Strom durch die Spule eingestellt. Die beiden Kondensorlinsen dienen in Kombination mit der Strahlstromblende zur Einstellung des Strahlstroms. Dazu variieren die beiden Linsen den Durchmesser des Elektronenstrahls an der Strahlstromblende: Je größer der Strahldurchmesser hier ist, desto mehr Strom wird von der Blende nicht durchgelassen - der Strom wird so also verringert. Die Objektivlinse schließlich fokussiert den Elektronenstrahl auf die Probenoberfläche. Den Abstand der Probe von der Objektivlinse bezeichnet man als Arbeitsabstand; typische Werte sind 5–50 mm. Um Stöße der Elektronen mit Gasteilchen zu vermeiden, müssen sich Elektronenkanone, Linsen, Probe und die Detektoren im

Hochvakuum

(p "10#3 Pa =10#5 mbar) befinden. Das Bild entsteht beim REM dadurch, dass der fokussierte Elektronenstrahl in einem Raster zeilenweise über die Probe geführt wird (symbolisiert durch schwarze Pfeile im Bild – Abb. 1). Der Strahl wird dabei von Ablenkspulen abgelenkt, die ein Magnetfeld quer zur Strahlrichtung erzeugen. Je geringer dabei die Ablenkung ist, desto kleiner ist die vom Strahl abgetastete Fläche und um so höher die Vergrößerung.

Abb. 1 Schematische Darstellung des Aufbaus eines REM

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Abhängig von der Probenbeschaffenheit an der vom Elektronenstrahl getroffenen Stelle werden Elektronen erzeugt und zurückgestreut (s. nächster Abschnitt) und detektiert. Das so gewonnene Signal wird verstärkt und auf einem Bildschirm als Helligkeitswert, der vom gleichen Rastergenerator synchron angesteuert wird, angezeigt. Ursprünglich wurde als Bildschirm eine Katodenstrahlröhre (Braun’sche Röhre) verwendet, bei der das Bild durch einen vom Rastergenerator abgelenkten Elektronenstrahl, der auf eine fluoreszierende Schicht trifft, entsteht. Inzwischen hat sich eine digitale Ansteuerung der Ablenkspulen durchgesetzt, die detektierten Signale werden in digitale Werte umgewandelt und das Bild im Speicher eines Computers zusammengesetzt. Die Anzeige erfolgt dann über den Computer, der einfaches Abspeichern, Ausdrucken und Manipulieren des Bildes ermöglicht. Die Größe der Bilder liegt zwischen 1–10 Millionen Bildpunkten bei digitalen bzw. 600–3000 Zeilen bei analogen REMs. Die Aufnahme eines Bildes dauert 40 ms (schlechtes Bild mit hoher Wiederholrate zum Suchen, Fokussieren und Einstellen von Helligkeit und Kontrast) bis > 100 s (Fotoqualität).

Schärfe und Auflösungsvermögen des REM Das Auflösungsvermögen d eines konventionellen Lichtmikroskops wird von der Wellenlänge ! des Lichts und von der Numerischen Apertur NA des Objektivs (Abb. 2, links) bestimmt: d = 0.61 ! / NA. Die Numerische Apertur ist der Sinus des halben Öffnungswinkels " und kann deshalb max. 1 betragen. Mit der Wellenlänge des sichtbaren Lichts (ca. 0.4–0.7 µm) beträgt das max. theoretisch mögliche Auflösungsvermögen d eines konventionellen Lichtmikroskops also ~ 0.3 µm, in der Praxis eher 1 µm. Im REM wird das Bild mit Elektronen erzeugt, die – wie die Photonen beim Lichtmikroskop – eine Wellenlänge haben: die De-Broglie-Wellenlänge ! = h / p (h = Planck’sches Wirkungsquantum, p = Impuls des Elektrons). Die Wellenlänge ! der Elektronen kann aus der Beschleunigungsspannung U der Elektronenkanone berechnet werden:

" (nm) =1.226 / U(V) – für U = 1 kV beträgt ! also ~ 0.04 nm. Diese kurze Wellenlänge (im Beispiel ca. 10000-fach kürzer als Licht) ist die Grundlage für das hohe Auflösungsvermögen und die möglichen hohen Vergrößerungen mit einem (Raster-) Elektronenmikroskop. Während beim Lichtmikroskop für hohe Vergrößerungen eine große Numerische Apertur NA benötigt wird (großer Linsendurchmesser, kleiner Abstand zum Objekt), ist ! beim Rasterelektronenmikroskop so klein, dass auch mit sehr kleiner NA (kleiner Strahlstromaperturdurchmesser, z.B. 50 µm, und großer Arbeitsabstand, z.B. 10 mm) die theoretische Auflösungsgrenze d < 1 nm ist. Die Numerische Apertur beeinflusst auch die Darstellung von Objekten, die nicht genau in der Schärfenebene des Objektivs (Licht- und

Elektronenmikroskop) liegen. Je größer NA ist, desto größer sind die Zerstreungskreise eines punktförmigen Objekts, das nicht in der Schärfenebene liegt (Abb. 2, rechts). Größere Zerstreuungskreise bedeuten größere Unschärfe, deshalb lassen sich bei kleiner NA dreidimensionale Objekte, die nicht komplett in der Schärfenebene liegen, leichter scharf abbilden. Die große Schärfentiefe bei gleichzeitig hohen Vergrößerungen (>100) ist eine wichtige Eigenschaft des REM.

Abb. 2 Numerische Apertur NA, Zerstreuungskreis und Schärfentiefe

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Sekundärelektronen- und Rückstreuelektronenbilder (SE und BSE) Sekundärelektronen (SE) sind Elektronen, die vom primären Elektronenstrahl des REM aus der Probe herausgeschlagen werden. Die Energie der SE ist niedrig (typ. 5 eV) und nur SE, die in geringer Tiefe (typ. < 2nm) unter der Probenoberfläche erzeugt werden, können die Probe verlassen und vom SE-Detektor erfasst werden. Pro primärem Elektron werden bei senkrecht zur Probenoberfläche auftreffendem Strahl im Mittel 0.1 (Kohlenstoff) bis 2 (Gold) SE erzeugt.

Abb. 3 SE-Bild der Facettenaugen einer Fliege Trifft der Primärelektronenstrahl auf eine Kante, so können seitlich deutlich mehr SE die Probe verlassen, sodass sehr feine Objekte (siehe z.B. Haare in Abb. 3) und Kanten deutlich heller erscheinen. Dieser Effekt führt dazu, dass SE-Bilder von dreidimensionalen Objekten sehr plastisch wirken. Das Auflösungsvermögen, das mit SE an einem REM erzielt werden kann, ist besser als 5 nm.

Rückstreuelektronen (Back-Scat-tered Electrons, BSE) sind von der Probe rückgestreute Primärelek-tronen. Die auftreffenden Elektronen werden dabei von den positiven Atomkernen abgelenkt (Abb. 4).

Abb. 4 Entstehung von BSE (IE = Incident Electrons = Primärelektronen)

Nach mehreren solche Ablenkungen kann ein Primärelektron die Probe wieder verlassen; es wird rückgestreut. Der Energieverlust der Primärelektronen dabei ist gering, BSE haben folglich eine hohe Energie. Da der Ablenkwinkel " mit der Kernladungszahl Z (= Ordnungszahl) zunimmt, werden mit zunehmendem Z mehr Elektronen rückgestreut. Besteht eine Probe aus mehr aus einem Element, so ist die mittlere Ordnungszahl

Z an der vom Primärelektronenstrahl getroffenen Stelle maßgebend. Das BSE-Bild liefert

Abb. 5 BSE-Bild eines zonierten (Rand) und patchy texturierten (Kern) Plagioklas-Korns. also einen Materialkontrast; die Helligkeit im Bild nimmt mit

Z zu. Abb. 5 zeigt ein BSE-Bild eines angeschliffenen und polierten Plagioklases. Die verschieden hellen Bereiche entstehen durch unterschiedlich hohen Ca-Gehalt. Der

Z -Kontrast eines BSE-Bildes ist um so höher, je größer der Rückstreuwinkel ist. Deshalb ist der BSE-Detektor konzentrisch um den Primärelektronenstrahl angeordnet (siehe Abb. 1).

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Der BSE-Detektor ist nur für hochenergetische Elektronen (E > 1keV) empfindlich, damit Sekundärelektronen, die auf den BSE-Detekor treffen, nicht detektiert werden. Die Auflösung des BSE-Bildes wird vom Radius RBSE der Halbkugel, in der die Elektronen rückgestreut werden (Abb. 4 rechts), bestimmt und beträgt typ. 1 µm. Die hohe Auflösung eines SE-Bildes lässt sich daher mit dem BSE-Detektor nicht erreichen.

Probenpräparation Proben für das REM müssen elektrisch leitend sein. Isolierende Proben (Minerale, Glas, Kunststoff, …) müssen elektrisch leitend beschichtet werden. Dazu werden die Proben entweder in einem Zerstäubungs- („Sputter“-) Prozess dünn (~ 10 nm) mit Gold beschichtet oder mit Kohlenstoff

bedampft. Beide Prozesse finden im Vakuum statt. Die Beschichtung mit Gold findet bei SE-Bildern Verwendung, weil sich eine sehr gut leitende Schicht auch bei komplexen Objektstrukturen ergibt und weil die SE-Ausbeute der Goldschicht – wie zuvor beschrieben – besonders hoch ist. Sollen von einer Probe BSE-Bilder gemacht werden, so kann Gold nicht verwendet werden, denn die Goldschicht (Z (Au) = 79) würde zu viele Elektronen zurückstreuen. Auch wenn die charakteristische Röntgenstrahlung zur Mikroanalyse verwendet werden soll, kann Gold nicht verwendet werden. In diesen Fällen werden die Proben mit Kohlenstoff bedampft.

Abb. 6 Goldbeschichtete REM-Proben auf Probentellern

Das REM LEO 440 des Instituts für Geowissenschaften Das von uns betriebene REM LEO 440 hat eine Wolframkatode, liefert digitale Bilder mit einer Größe von 1024 x 768 Pixeln und wird vollständig mit einer Software unter Windows gesteuert. Bilder werden auf einem Datei-Server abgespeichert, der über FTP Zugriff von außen auf die Daten ermöglicht. Das Gerät ist mit folgenden Detektoren ausgestattet: SE-Detektor, 4-Quadranten-BSE-Detektor und EDS-Detektor. Das minimale Auflösungsvermögen des LEO 440 ist < 5 nm.