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Kapitel 4 Vielteilchentheorie 4.1 Erzeugungsoperatoren und Vernichtungsoperato- ren 4.1.1 Fockraum aßt man im Hilbertraum eine beliebige Anzahl von (hier: identischen) Teilchen zu so nennt man diesen (Produkt-) Raum den Fockraum. Man kann nun “Absteige-” und “Auf- steigeoperatoren” zwischen Segmenten des Fockraums mit verschiedenen Teilchenzahlen definieren. Diese Operatoren erzeugen und vernichten als Teilchen, man nehnt sie dem- zufolge die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren. Sie spielen eine zentrale Rolle bei allen ernsthaften Rechnungen innerhalb der Quantenmechanik. Vakuum Das Segment des Fockraumes ohne ein einziges Teilchen nennt man das Vakuum, wir bezeichnen es mit |0: Vakuum . Die (basisunabh¨ angige) Notation f¨ ur einen Zustand mit N Teilchen mit (vollst¨ andigen) Quantenzahlen α 1 ,...,α N (z.B. (α i = k i i ur Elektronen) bezeichnen wir mit |α 1 ,...,α N : N-Teilchen Zustand . Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren Die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren bezeichnen wir mit c α und c α ur Fermionen und b α und b α ur Bosonen. Sie sind via c α |0= |α,c α |α= |0: Fermionen , b α |0= |α,b α |α= |0: Bosonen 47

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  • Kapitel 4

    Vielteilchentheorie

    4.1 Erzeugungsoperatoren und Vernichtungsoperato-

    ren

    4.1.1 Fockraum

    Läßt man im Hilbertraum eine beliebige Anzahl von (hier: identischen) Teilchen zu sonennt man diesen (Produkt-) Raum den Fockraum. Man kann nun “Absteige-” und “Auf-steigeoperatoren” zwischen Segmenten des Fockraums mit verschiedenen Teilchenzahlendefinieren. Diese Operatoren erzeugen und vernichten als Teilchen, man nehnt sie dem-zufolge die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren. Sie spielen eine zentrale Rolle beiallen ernsthaften Rechnungen innerhalb der Quantenmechanik.

    Vakuum

    Das Segment des Fockraumes ohne ein einziges Teilchen nennt man das Vakuum, wirbezeichnen es mit

    |0〉 : Vakuum .

    Die (basisunabhängige) Notation für einen Zustand mit N Teilchen mit (vollständigen)Quantenzahlen α1, . . . , αN (z.B. (αi = ki, σi für Elektronen) bezeichnen wir mit

    |α1, . . . , αN〉 : N-Teilchen Zustand .

    Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren

    Die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren bezeichnen wir mit c†α und cα für Fermionenund b†α und bα für Bosonen. Sie sind via

    c†α|0〉 = |α〉 , cα|α〉 = |0〉 : Fermionen ,b†α|0〉 = |α〉 , bα|α〉 = |0〉 : Bosonen

    47

  • 48 KAPITEL 4. VIELTEILCHENTHEORIE

    definiert, diese Darstellung nennt man auch zweite Quantisierung. Für einen allgemeinenN-Teilchenzustand gilt analog

    c†α|α1, . . . , αN〉 = |α, α1, . . . , αN〉 , cα|α, α1, . . . , αN〉 = |α1, . . . , αN〉 ,b†α|α1, . . . , αN〉 = |α, α1, . . . , αN〉 , bα|α, α1, . . . , αN〉 = |α1, . . . , αN〉 .

    Das Vakuum enthält keine Teilchen, also cα|0〉 ≡ 0 .

    4.1.2 Vertauschungsrelationen

    Zentral ist nun die folgende Fragestellung (hier am Beispiel von 2-Fermionen): Sind dieZustände

    c†αc†β|0〉 und c†βc†α|0〉

    gleich oder unterscheiden sie sich durch eine Phase? Mehr als durch eine Phase können siesich nicht unterscheiden, denn c†αc

    †β|0〉 und c†βc†α|0〉 haben identische Quantenzahlen. Die

    Anwort hierauft wird durch die Vertauschungsrelationen gegeben. Wir definieren dennKommutator [ , ]− und den Antikommutator [ , ]+ via

    [A,B]− = AB − BA , [A,B]+ = AB +BA .

    Bosonen

    Für Bosonen und diskrete Quantenzahlen sind die Vertauschungsrelationen

    [bα, bβ]− = 0, [b†α, b

    †β]− = 0, [bα, b

    †β]− = δα,β .

    Für kontinuierliche Quantenzahlen ersetzen wir δα,β → δ(α−β). Bosonen unterschiedlicherQuantenzahlen vertauschen also.

    Fermionen

    Für Fermionen lauten die Vertauschungsrelationen

    [cα, cβ]+ = 0, [c†α, c

    †β]+ = 0, [cα, c

    †β]+ = δα,β .

    Damit können wir die Eingangsfrage beantworten. Es gilt

    |α, β〉 = b†αb†β |0〉 = b†βb†α|0〉 = |β, α〉

    für Bosonen und|α, β〉 = c†αc†β |0〉 = −c†βc†α|0〉 = −|β, α〉

    für Fermionen. Insbesondere folgt hieraus für α = β, daß für Fermionen

    |α, β〉 = −|β, α〉 = 0 .

  • 4.1. ERZEUGUNGSOPERATOREN UND VERNICHTUNGSOPERATOREN 49

    Also: Zwei Fermionen können nicht die gleichen Quantenzahlen haben.

    Teilchenzahloperator

    Aus den Vertauschungsrelationen folgt zudem, daß der Operator nα = c†αcα (für Bosonen:

    nα = b†αbα) der Teilchenzahloperator ist: Für Ferimonen gilt

    nα|0〉 = c†αcα|0〉 = 0nα|α〉 = c†αcαc†α|0〉 = c†α

    (

    1 − c†αcα)

    |0〉 = |α〉 .

    Für Bosonen gilt

    nα(

    b†α)N |0〉 = N

    (

    b†α)N |0〉 ,

    wie man leicht rekursive beweisen kann.

    Basiswechsel

    Gehen wir von einer Teilchenbasis |i〉 zu |̃i〉 über, also

    c̃+j |0〉 ≡ |j̃〉 =∑

    i

    |i〉 〈i|j̃〉 =∑

    i

    c+i |0〉 〈i|j̃〉 , (4.1)

    so gehen aus ci die Operatoren c̃j gemäß

    c̃+j =∑

    i

    〈i|j̃〉 c+i , c̃j =∑

    i

    〈j̃|i〉 ci (4.2)

    hervor.

    4.1.3 Operatoren in zweiter Quantisierung

    Wir haben bisher eine diskrete ein-Teilchen-Basis |i〉 betrachtet. Wir wollen nun Feld-operatoren ψ(~x) über die ein-Teilchen-Zustände zum Ortsoperator und analog c~k zumImpulsoperator definieren:

    ψ(~x) =∑

    ~k

    〈~x|~k〉c~k, c~k =1

    √2π

    3

    d3x e−i~k·~x ψ(~x) .

    Mit∫

    d3x e−i~q·~x = (2π)3δ(3)(~q) gilt

    ψ(~x) =1

    √2π

    3

    d3k ei~k·~x c~k (4.3)

  • 50 KAPITEL 4. VIELTEILCHENTHEORIE

    sowie

    {ψ(x), ψ(y)} = {ψ+(x), ψ+(y)} = 0 ,

    {ψ(x), ψ+(y)} =∑

    i,j

    〈~x|i〉〈j|~y〉 {ci, c+j }

    =∑

    i

    〈~x|i〉〈i|~y〉 = 〈~x|~y〉 = δ3(~x− ~y) (4.4)

    und das analoge für c~k.

    Bemerkung

    Für Systeme mit endlichem Volumen V definiert man ψ(x) und ck wie oben, dabei variiert

    ~x kontinuierlich über V und ~k ist quantisiert mit zugehörigem Volumen d3k = (2π)3

    V.

    Umtransformieren von ψ(x) auf ck mit 〈x|k〉 = 1√V ei~k~x. Die (Anti) Kommutatorrelationen

    gelten wie oben notiert, das δ-Symbol für Operatoren c(+)k wird zum Kronecker-Delta.

    Hamilton-Operator

    Der Hamilton-Operator für ein System von Teilchen mit kinetischer Energie − h̄22m

    ∇2 undPaarwechselwirkung V (x− y) ist in zweiter Quantisierung

    H =∫

    d3xψ+(x)

    (

    − h̄2

    2m∇2)

    ψ(x)

    +1

    2

    d3x1d3x2 ψ

    +(x1)ψ+(x2)V (x1 − x2)ψ(x2)ψ(x1) . (4.5)

    Unter Verwendung von (4.3) wird die Orstraum-Darstellung (4.5) des Hamilton-Operatorszur Impulsraum-Darstellung

    H =∫

    d3k ǫ~k c+~kc~k +

    d3k d3p d3q c+~k+~q c+~p−~q V~q c~p c~k , (4.6)

    wobei ǫk = h̄2k2/(2m) die Dispersionsrelation freier Elektronen ist und

    V~q =1

    (2π)3

    d3x e−i~q·~xV (~x) . (4.7)

    die Fourier-Transformierte des Wechselwirkungs-Potentials. Man beachte die Impulser-haltung

    (~k + ~q) + (~p− ~q) = ~p+ ~kim Wechselwirkungs-Term von Gl. (4.6).

    4.2 Lineare-Antwort-Theorie

    Wir behandeln den Fall eines Systems beschrieben durch H0 mit kleiner Störung,

    H(t) = H0 +H′(t), H ′(t) = A · F (t) ,

  • 4.2. LINEARE-ANTWORT-THEORIE 51

    wobei A ein Operator ist und F (t) eine reelle Funktion. Dieses ist die Form, welche fastalle (experimentellen) Messungen beschreibt.

    Adiabatische Störung

    Für die theoretische Behandlung nehmen wir nun an, dass die Störung adiabatisch einge-schaltet werde. Darunter verstehen wir folgendes:Vor der Störung (d.h. bei t = −∞) soll der Dichteoperator ρ0 sein (insbes. zeitunabhängigbzgl. der Evolution unter H0). Nach dem Einschalten von H

    ′(t) sollen sich (im Schrödin-gerbild) zwar die Zustände gemäß H(t) entwickeln, die statistischen Gewichte sollen sichnicht ändern. Formal läßt sich dies durch eine Zeitabängigkeit

    H ′(t) ∼ eδ t , (t < 0) (4.8)

    erreichen.

    0 t0

    0.5

    1

    Dichte-Matrix

    Wir sind nun an dem Erwartungswert einer Observablen B zur Zeit t interessiert:

    〈B〉ρ(t) = Sp(Bρ(t)) , mit ρ(t) = eiH t ρ e−iH t (4.9)

    (Heisenberg-Darstellung). Die Dichtematrix

    ρ =1

    Z

    n

    e−βEn |n〉〈n| , Z =∑

    n

    e−βEn , (4.10)

    genügt der Bewegungsgleichung (von Neumann-Gleichung)

    ρ̇(t) = i [H(t), ρ(t)] , mit ρ(t = −∞) = ρ0 . (4.11)

    Diese hat die Lösung

    ρ(t) = U(t) ρ0 U−1(t) mit U̇(t) = iH(t)U(t) . (4.12)

    Für H(t) ≡ H (zeitunabhängig) ist U(t) = ei Ht.Wechselwirkungs-Bild

    Wir gehen jetzt ins Wechselwirkungs-Bild, d.h. zum Operator X definieren wir

    Xw(t) = U−10 (t)X(t)U0(t) , mit U0(t) = e

    iH0t . (4.13)

  • 52 KAPITEL 4. VIELTEILCHENTHEORIE

    Es gilt nun

    〈B〉ρ(t) = Sp(Bw(t)ρw(t)) , ρw(t) = U−10 (t) ρ(t)U0(t) . (4.14)

    Die Bewegungsgleichung lautet im Wechselwirkungs-Bild

    ρ̇w(t) = U−10

    (

    ρ̇(t) − i [H0, ρ(t)])

    U0 = i U−10

    (

    [H, ρ(t)] − [H0, ρ(t)])

    U0

    = i U−10 (t) [H′(t), ρ(t)]U0(t) = i [Aw(t), ρw(t)]F (t) , (4.15)

    mit der Anfangsbedingung ρw(t = −∞) = ρ0. Das Anfangswertproblem für ρw(t) istäquivalent zur Picard’schen Integralgleichung

    ρw(t) = ρ0 + i∫ t

    −∞[Aw(t

    ′), ρw(t′)]F (t′) dt′

    Iteration führt zur Lösung in 1. Ordnung in F (t)

    ρw(t) = ρ0 + i∫ t

    −∞[Aw(t

    ′), ρ0]F (t′) dt′ + O(F 2) . (4.16)

    Verallgemeinerte Suszeptibilitäten

    Der Mittelwert von B wird somit

    〈B〉ρ(t) = B0 + i∫ t

    −∞〈 [Bw(t), Aw(t′)] 〉ρ0 F (t′) dt′ + O(F 2) , (4.17)

    mit B0 = Sp(Bw(t)ρ0) und

    Sp(Bw(t)[Aw(t′), ρ0]) = Sp

    (

    [Bw(t), Aw(t′)]ρ0

    )

    . (4.18)

    Wir sehen also, daß die Änderung in B auf die Störung Amit Stärke F in linearer Ordnunggegeben ist durch

    ∆B(t) =∫ ∞

    −∞χB,A(t− t′)F (t′) dt′ (4.19)

    gegeben ist, mit der Responsefunktion χ (verallgemeinerte Suszeptibilität):

    χB,A(t− t′) = iΘ(t− t′) 〈 [B(t), A(t′)] 〉ρ0 . (4.20)

    Der Index w wurde fallengelassen und ab hier vorausgesetzt, daß die Zeitentwicklung zumungestörten Operator H0 gemeint ist.

    Bemerkungen

  • 4.3. GREEN-FUNKTIONEN 53

    • Retardierte Green-FunktionDie Responsefunktion ist eine sog. retardierte Green-Funktion

    χB,A(t− t′) = −GrB,A(t− t′) (4.21)wobei “retardiert” sich auf θ(t − t′) bezieht. Eine Störung zur Zeit t′ bewirkt eineÄnderung zur Zeit t, sofern t′ < t.

    • Lineare Antwort vs. ungestörtes SystemDie lineare Antwort ∆B ist allein durch Gleichgewichtsgrößen bestimmt, d.h. durchdie Eigenschaften des ungestörten Systems.

    • Dynamische DielektrizitätskonstanteBeispiel: H ′(t) = e~r· ~E(~r, t), Dipol-Kopplung an ein äußeres elektrisches Feld ~E(~r, t).Dann ist die Responsfunktion χ~r,~r′(t − t′) die (nicht-lokale) dynamische Dielektri-zitätskonstante.

    4.3 Green-Funktionen

    4.3.1 Definitionen

    Wir haben im vorherigen Paragraphen den Nutzen der zeitabhängigen retardierten Green-Funktionen kennengelernt. Hier wollen wir verschiedene mathematische Eigenschaftenerläutern. Später wird dann zu besprechen sein, wie man Green-Funktionen konkret be-rechnen kann.

    Wir wollen mit dem Symbol [., .]ǫ Kommutatoren (ǫ = −1) und Antikommutatoren (ǫ =+1) bezeichnen, d.h.

    [A,B]ǫ = AB + ǫBA , [A,B]−1 = AB − BA,[A,B]+1 = AB +BA . (4.22)

    Typischerweise tritt der Kommutator mit ǫ = −1 häufig im Zusammenhang mit Bosonenund ǫ = +1 bei Fermionen auf.

    Zeitordnungs-Operator

    Wir definieren zu Operatoren A, B die retardierte Green-Funktion, die avancierte Green-Funktion und die kausale Green-Funktion durch (vergl. Gl. (4.12))

    GrA,B(t) := −iΘ(+t)〈 [A(t), B]ǫ 〉 , A(t) = eitHAe−itH ,GaA,B(t) := +iΘ(−t)〈 [A(t), B]ǫ 〉 , (4.23)GcA,B(t) := −iΘ(+t)〈A(t)B 〉 + iǫΘ(−t)〈BA(t) 〉 ≡ −i Tt 〈A(t)B 〉 ,

    wobei Tt in der letzten Gleichung der Zeitordnungs-Operator,

    Tt A(t)B(t′) =

    {

    A(t)B(t′) (t > t′)ǫB(t′)A(t) (t < t′)

    ist.

  • 54 KAPITEL 4. VIELTEILCHENTHEORIE

    • Wenn A und B zwei fermionische Operatoren sind, welche antikommutieren, sowählt mann ǫ = 1 in (4.23), für den Fall von zwei kommutierenden Operatorenǫ = −1.

    • Häufig werden diese Green-Funktionen “2-zeitig” genannt, obwohl bei uns nur eineZeitvariable t auftritt. Bei uns ist die Zeitvariable des Operators B gleich 0. Dies istjedoch keine Einschränkung, da z.B.

    GrA,B(tA − tB) = GrA,B(tA, tB) = −iΘ(tA − tB)〈 [A(tA), B(tB)]ǫ 〉 .

    Im Folgenden werden wir uns auf die retardierte Green-Funktion konzentrieren, die Ei-genschaften der avancierten (und der kausalen) Green-Funktion folgen dann analog.

    Spektraldarstellung

    Bei der Berechnung der Erwartungswerte von Operatoren O in der thermodynamischenGesamtheit macht man häufig Gebrauch vom Einschieben von Darstellungen der Eins1 =

    n |n〉〈n| durch orthonormierte Eigenzustände zu H

    〈O〉 = Sp(ρO) = 1Z

    Sp(e−βHO) = 1Z

    n

    〈n|O|n〉e−βEn . (4.24)

    Da En durch die Grundzustandsenergie E0 nach unten beschränkt ist, ist (−βEn) nachoben beschränkt und die Reihe konvergent.Analog analog erhalten wir mit

    〈A(t)B〉 = 1Z

    n,m

    〈n|A|m〉〈m|B|n〉ei(iβ+t)En−itEm . (4.25)

    Diese Spektraldarstellung wird auch Lehmann-Darstellung genannt.

    4.3.2 Frequenzdarstellung

    Komplexe Zeiten

    Im folgenden werden wir die Definitionen (4.23) für reelle t auf komplexe Zeiten erweitern.Zu diesem Zwecke führen wir mit f(t)

    f(t) := 〈A(t)B〉 = 1Z

    Sp(ei(iβ+t)HAe−itHB), −β ≤ Im t ≤ 0

    〈BA(t)〉 = 1Z

    Sp(ei(iβ−t)HBe+itHA), 0 ≤ Im t ≤ +β (4.26)

    eine Hilfsfunktion ein, welche, für den Fall dass GrA,B eine Response-Funktion ist, auch(dynamischer) Strukturfaktor genannt wird.Wir sehen aus (4.26), daß f(t) auch für komplexe t definiert ist, sofern die Imaginärteilein den angegebenen Intervallen liegen. Betrachten wir z.B. für die erste Gl. in (4.26) undt = t′ + it′′:

    ei(iβ+t)H = e−(β+t′′)Heit

    ′H , e−itH = et′′He−it

    ′H ,

  • 4.3. GREEN-FUNKTIONEN 55

    damm wird mit t′′ ∈ [−β, 0] gewährleiste, daß die Exponentialausdrücke von nach obenbeschränkten Operatoren genommen werden.Ferner gilt

    f(t− iβ) = 1Z

    Sp(eitHAe−i(t−iβ)HB) =1

    ZSp(BeitHAe−itHe−βH) = 〈BA(t)〉 (4.27)

    und somitGrA,B(t) = −iΘ(+t)

    [

    f(t) + ǫf(t− iβ)]

    . (4.28)

    Frequenzdarstellung

    Wichtig sind nicht die eigentliche Fouriertransformierten der avanzierten und der retar-dierten Green’s Funktionen sondern insbesondere die Frequenzdarstellungen,

    Gr(z) =∫ ∞

    0dtGr(t) eizt , Ga(z) =

    ∫ 0

    −∞dtGa(t) eizt , (4.29)

    welche für all komplexe z definiert sind. Es gilt:

    Gr(z) ist in der oberen komplexen Halbebene ana-lytisch, denn für z = z′ + iz′′ und z′′ > 0 konver-giert Gl. (4.29).

    Analog ist Ga(z) in der unteren komplexen Halbebene analytisch.

    Frequenzdarstellung vs. Fourier-Transformation

    Als nächstes wollen wir die Fourier-Transformierten aller Green-Funktionen auf die Fou-riertransformierte,

    f(t) =∫ ∞

    −∞

    2πf(ω) e−iωt, f(ω) =

    ∫ ∞

    −∞dt f(t) eiωt ,

    von f(t) = 〈A(t)B〉 zurückführen. Unter Benutzung von∫ ∞

    0dt ei(z−ω)t =

    −1i(z − ω) (4.30)

    für Im z > 0 und ω reell (obere komplexe Halbenene), folgt mit Gl. (4.27)

    Gr(z) = −i∫ ∞

    0dt[

    f(t) + ǫf(t− iβ)]

    eizt

    = −i∫ ∞

    −∞

    2πf(ω)(1 + ǫe−βω)

    ∫ ∞

    0dt ei(z−ω)t

    =∫ ∞

    −∞

    1 + ǫe−βω

    z − ω f(ω) . (4.31)

    Wir halten hier die Asymptotik von Gr(z),

    Gr(z) ≃ 1z, für z → ∞ , (4.32)

    fest.

  • 56 KAPITEL 4. VIELTEILCHENTHEORIE

    4.3.3 Spektralfunktion

    Wir definieren die Spektralfunktion als Sprung der Green-Funktion an der reellen Achse

    A(ω) = −1π

    limδ→0

    ImGr(ω + iδ) = −1

    2πi

    [

    Gr(ω) −Ga(ω)]

    (4.33)

    Mittels der Frequenzdarstellung (4.31) für Gr(z) folgt mit z = ω + iδ und

    limδ→0

    Im1

    x+ iδ= −πδ(x)

    der Zusammenhang

    A(ω) =−1πIm

    ∫ ∞

    −∞

    dω′

    1 + ǫe−βω′

    ω + iδ − ω′ f(ω′)

    =∫ ∞

    −∞

    dω′

    (

    1 + ǫe−βω′)

    δ(ω′ − ω) f(ω′)

    =1

    (

    1 + ǫe−βω)

    f(ω) . (4.34)

    Damit finden wir für die Funktion f(t), welche bisher nur implizit aufgetreten ist:

    f(ω)

    2π=

    A(ω)

    1 + ǫe−βω(4.35)

    〈A(t)B〉 = f(t) =∫ ∞

    −∞

    2πf(ω) e−iωt =

    ∫ ∞

    −∞dω

    A(ω)

    1 + ǫe−βωe−iωt . (4.36)

    Komplexe Ebene

    Nun wollen wir noch die Green-Funktion G(z) auf der gesamten komplexen Ebene (ohnereelle Achse) durch einen Integralausdruck mittels der Spektralfunktion schreiben. AusGl. (4.28) und (4.36) sehen wir

    GrA,B(t) = −iΘ(t)[

    f(t) + ǫf(t− iβ)]

    = −iΘ(t)∫ ∞

    −∞dωA(ω) e−iωt (4.37)

    und mit Gr(z) =∫∞0 dtG

    r(t) eizt folgt nun

    Gr(z) =∫ ∞

    −∞

    z − ωA(ω). (4.38)

    Derselbe Ausdruck gilt auch für die avancierte Green-Funktion in der unteren komplexenHalbenbene.Ein “unabhängiger” Beweis für (4.38) verläuft so:

  • 4.3. GREEN-FUNKTIONEN 57

    (i) Die Funktionen auf der linken und der rechten Seite sind beide analytisch für zoberhalb und unterhalb der reellen Achse;

    (ii) Für z → ∞ verhalten sich beide Seiten wie ≃ 1/z;

    (iii) An der reellen Achse liegt ein Sprung vor, der auf der linken Seite per definitionemgleich A(ω) ist, und auf der rechten Seite nach Cauchy!

    Normierung

    Nach der Definition (4.23) gilt und Gl. (4.37) gilt

    limt→0+

    Gra,B(t) = −i〈[A,B]ǫ〉, 〈 [A,B]ǫ 〉 =∫ ∞

    −∞dωA(ω) . (4.39)

    Die Spektralfunktion A(ω) ist also normiert. Für die Einteilchen-Greensfunktion, A = c~r(Vernichter) und B = c+~r′ (Erzeuger) ist sowohl für Bosonen wie für Fermionen 〈[A,B]ǫ〉 =1 und die dazugehörige Spektralfunktion ist auf eins normiert.

    Symmetrie der Spektralfunkion

    Wir betrachten nun den Fall B = A. Dieses ist häufig sinnvoll. Z.B. möchte mann wissenwie gross die induzierte Magnetisierung M ist wenn ein äusseres Magnetfeld angelegtwird, welche via −MB ankoppelt, die ResponseIn diesem Fall gilt

    A(−ω) = ǫA(ω) .

    Zum Beweis betrachten wir Gl. (4.26),

    f(t) = 〈A(t)A〉 = 1Z

    Sp(ei(iβ+t)HAe−itHA),1

    ZSp(ei(iβ−t)HAe+itHA), = 〈AA(t)〉 ,

    für den Fall B = A. Zusammen mit der Beziehung (4.27), f(t − iβ) = 〈AA(t)〉 ergibtdieses

    f(−t) = 〈AA(t)〉, f(−t) = f(t− iβ) .Damit folgt für die Fouriertransformierte

    f(−ω) =∫ ∞

    0dtf(t) e−iωt =

    ∫ ∞

    0dt̃f(−t̃) eiωt̃ =

    ∫ ∞

    0dt̃f(t̃− iβ) eiωt̃

    =∫ ∞

    0dt̄f(t̄) eiω(t̄+iβ) = e−βωf(ω) .

    Nun folgt damit aus der Beziehung (4.34)

    A(−ω) = 1 + ǫ eβω

    2πf(−ω) = 1 + ǫ e

    βω

    2πe−βωf(ω) =

    e−βω + ǫ

    2πf(ω) = ǫA(ω)

    (mit ǫ2 = 1), was zu beweisen war.

  • 58 KAPITEL 4. VIELTEILCHENTHEORIE

    4.3.4 Einteilchen-Green-Funktionen

    Die am häufigsten betrachteten Green-Funktionen sind die “Propagatoren” von Teilchenmit A = c~r (Vernichter) und B = c

    +~r′ (Erzeuger), da diese ein-Teilchen-Green-Funktionen

    das Propagieren eines am Ort ~r′ zur Zeit 0 erzeugten Teilchens beschreiben zum Ort ~rzur Zeit t, wo es dann vernichtet wird.

    Freie Fermionen

    Wir betrachten freie Elektronen mit der Dispersions-Relation ǫk, z.B. ǫk = h̄2k2/(2m) und

    dem Hamilton-Operator

    H0 =∑

    ~k

    ξ~k c+~kc~k , c~k =

    1√V

    ~r

    ei~k·~rc~r, ξ~k = ǫ~k − µ , (4.40)

    wobei µ das chemische Potential ist. Die Zeitentwicklung der Operatoren ist

    c~k(t) = eiH0t c~k e

    −iH0t = e−iξ~kt c~k , (4.41)

    was mit c~k(0) = c~k aus der Bewegungsgleichung

    d

    dtc~k(t) = i e

    iH0t [H0, c~k] e−iH0t = iξ~k e

    iH0t [c+~k c~k, c~k] e−iH0t

    = iξ~k eiH0t

    (

    c+~k c~kc~k︸︷︷︸= 0

    − c~kc+~k︸ ︷︷ ︸

    1−c+~k

    c~k

    c~k

    )

    e−iH0t = (−i ξ~k) c~c(t)

    folgt.

    Retardierte Green-Funktion freier Fermionen

    Die retardierte Einteilchen-Green-Funktion G~k(t) hat also (mit ǫ = +1 in (4.23)) die Form

    G~k(t) = −iΘ(t)〈 {c~k(t), c+~k } 〉 = −i e−iξ~kt Θ(t)〈 {c~k, c+~k }

    ︸ ︷︷ ︸

    =1

    〉 = −i e−iξ~kt Θ(t) .

    Aus der Frequenzdarstellung

    ∫ ∞

    0dtG~k(t) e

    izt = G~k(z) =1

    z − ξ~k(4.42)

    finden wir mit z = ω + iδ für das Spektralgewicht

    −1π

    limδ→0

    ImG~k(ω + iδ) = A~k(ω) = δ(ω − (ǫk − µ)) . (4.43)

    Damit wird das Spektralgewicht auch seinem Namen gerecht, die normale Zustandsdichteρ(ω) ist dann durch

    ρ(ω) =∫

    d3k

    (2π)3δ(ω − ξ~k) =

    ∫d3k

    (2π)3A~k(ω) (4.44)

  • 4.3. GREEN-FUNKTIONEN 59

    gegeben.

    Harmonischer Oszillator

    Bevor wir uns der Green-Funktion freier Bosonen zuwenden rekapitulieren wir kurz denharmonischen Oszillator

    H =h̄ω

    2

    (

    β2x2 − 1β2d2

    x2

    )

    , β2 =mω

    h̄,

    welcher mittel der Auf-/Absteige-Operatoren a† und a diagonalisiert werden kann:

    H = h̄ω(

    a†a+1

    2

    )

    , x =1

    β√

    2

    (

    a + a†)

    ,d

    dx=

    β√2

    (

    a− a†)

    .

    Die Auf-/Absteige-Operatoren erfüllen die bosonischen Kommutationsrelationen. Habenwir viele harmonische Oszillationen, wie bei den Phononen, dann schreiben wir allg.

    H =∑

    ~q

    h̄Ω~q

    (

    a†~q a~q +1

    2

    )

    , [a~q, a†vecq′ ] = δ~q,~q′, a~q(t) = e

    −ih̄Ω~qta~q .

    Photonen oder Phononen sind keine Elementarteilchen mit fester Anzahl, sie könnenin beliebiger Anzahl erzeugt oder vernichtet werden, man bezeichnet sie als Austausch-Bosonen.Es ist üblich den Impuls von Austausch-Bosonen mit ~q zu bezeichnen.

    Freie Austausch-Bosonen

    Da Austausch-Bosonen in der Regel in der Kombination a+ a† auftreten, und da

    (a~q)† = a†−~q

    ist, definiert man die bosonische Greenfunktion D~q(t) als

    D~q(t) = −iΘ(t)〈 [a~q + a†−~q, a−~q + a†~q] 〉= −iΘ(t) e−ih̄Ω~q 〈 [a~q, a†~q]

    ︸ ︷︷ ︸

    =1

    〉 − iΘ(t) eih̄Ω−~q 〈 [a†−~q, a−~q]︸ ︷︷ ︸

    =−1

    〉 ,

    wobei wir[a~q, a−~q] = 0, [a

    †−~q, a

    †~q] = 0

    verwendet haben. Damit erhalten wir

    ∫ ∞

    0dtD~q(t) e

    izt = D~q(z) =1

    z − h̄Ω~q− 1z + h̄Ω−~q

    . (4.45)

    Im allgemeinen haben wir aufgrund einer Inversionssymmetrie Ω~q = Ω−~q und somit

    D~q(z) =2h̄Ω~q

    z2 − (h̄Ω~q)2

  • 60 KAPITEL 4. VIELTEILCHENTHEORIE

    4.3.5 Kramers-Kronig-Relationen

    Wir nutzen nun die Analytizität von Gr(z) in der oberen Halbebene für ein geeigentesKontour-Integral.

    RCz

    R−R

    z

    Aufgrund des Satze von Cauchy gilt mit z = ω + δ,

    Gr(z) =1

    2πi

    obengeschl.

    Halbkreisdz′

    Gr(z′)

    z′ − z =1

    2πi

    relle

    Achsedω′

    Gr(ω′)

    ω′ − ω − iδ

    =1

    2Gr(z) +

    1

    2πi

    Hauptwertdω′

    Gr(ω′)

    ω′ − ω (4.46)

    für δ → 0. Die Umformungen sind die folgenden:

    • Das Integral über den großen Halbkreis trägt nicht zum Kontour-Integral bei, auf-grund der Asymptotik Gr(Z) ∼ 1/z für z → ∞, siehe Gl. (4.32),

    ∼ 1R2

    R → 0, (R→ ∞) .

    • Das Integral über den kleinen Halbkreis berchnet sich zu∫

    dω′Gr(ω′)

    ω′ − ω ≈ Gr(ω)

    ∫ d(ηeiφ)

    ηeiφ= iGr(ω)

    ∫ 2π

    πdφ = iπGr(ω) ,

    mit d(ηeiφ) = ηeiφi(dφ).

    z

    Re Reω+ηω−η

    Im ω

    ω

    Im ω ωω

    ω

    ω

    Kramers-Kronig-Relationen

    Wir benutzen jetzt z = ω + iδ und stellen um

    Gr(ω) =1

    πi

    Hauptwertdω′

    Gr(ω′)

    ω′ − ω . (4.47)

  • 4.3. GREEN-FUNKTIONEN 61

    Wenn wir nun Real- und Imaginär-Teile Gl. (4.47) nehmen erhalten wir die Kramers-Kronig-Relationen

    ReG(ω) =1

    π

    Hauptwertdω ′

    ImG(ω′)

    ω′ − ωImG(ω) = −1

    π

    Hauptwertdω ′

    ReG(ω′)

    ω′ − ω

    (4.48)

    wobei wir den Index r unterdrückt haben.

    • Allein aus dem Realteil (oder Imaginärteil) kann die vollständige Funktion repro-duzieren werden. Dazu muss man den Real-/Imaginärteil allerdings mit hoher Ge-nauigkeit für alle Frequenzen kennen.

    • Die Kramers-Kronig Relationen gelten für alle Funktionen welchen in der oberenkomplexen Halbebene analytisch sind, insbesondere für alle Responsfunktionen.

    • Ein Beispiel ist die die dynamischen Dieletrizitätskonstante

    ǫ(ω) = ǫ0 + iσ(ω)

    ω,

    welche nach Kap. 4.2 eine retardierte Green-Funktion ist. Experimentell kann mannun den Realteil von ǫ(ω) durch Infrarot-Absorbtion messen und dann mittelsKramers-Kronig die dyamische Leitfähigkeit σ(ω) gewinnen.

    4.3.6 Bewegungsgleichungen

    Mit

    Ȧ(t) = i[H,A(t)],d

    dtΘ(t) = δ(t)

    finden wir für die Zeitableitung der retardierte Green-Funktion im Heisenberg-Bild

    d

    dtGrA,B(t) = −i δ(t) 〈 [A(t), B]ǫ 〉 − iΘ(t) 〈 [Ȧ(t), B]ǫ 〉

    = −i δ(t) 〈 [A,B]ǫ 〉 + i Gr[H,A],B(t) . (4.49)

    Die Green-Funktion hat also i.A. einen Sprung bei t = 0. Tatsächlich gilt eine analogeDGL auch für die kausale und die avancierte Green-Funktion, so daß wir zusammenfassen

    id

    dtGA,B(t) = δ(t) 〈 [A,B]ǫ 〉 + G[A,H],B(t) . (4.50)

    Im allgemeinen ist der Operator [A,H ] irgendetwas kompliziertes und die obigen DGLverknüpfen zwei gleichermaßen schwer zugängliche Funktionen. Es mag jedoch sein, daß[A,H ] “vom Typ des Operators A” ist. Dann schließt die obige DGL. (Manchmal kannein Schließen nach mehrmaligem Differenzieren vorliegen.)

  • 62 KAPITEL 4. VIELTEILCHENTHEORIE

    Als Beispiel wollen wir zunächst ein Vielteilchensysteme ohne Wechselwirkung behandeln.Anschaulich ist ja zu erwarten, daß eine Reduktion auf Einteilchenprobleme möglich seinmuß.

    Freie Teilchen

    Der Hamilton-Operator ist∫

    d3xψ+(x)

    (

    − h̄2

    2m∇2)

    ψ(x), ψ(~x) =1

    √2π

    3

    d3k ei~k·~x c~k ,

    siehe Gl. (4.3). Da der Hamilton-Operator im k-Raum diagnonal ist,

    H =∑

    ~k

    ǫ~kc†~kc~k, ǫ~k =

    (h̄~k)2

    2m,

    wäre es eine triviale Aufgabestellung die Bewegungsgleichungen im Impulsraum zu lösen.Wir wollen jedoch im Ortsraum bleiben, um zu motivieren woher der Name Green-Funktion kommt, insbesondere den Zusammenhang mit den Green-Funktionen welchein der Lösungstheorie partieller Differentialgleichungen verwendet werden.

    Green-Funktion im Ortsraum

    Wir betrachten nun den Fall der ein-Teilchen-Green-Funktion im Ortsraum mit

    A = ψ(r), B = ψ+(r′) . (4.51)

    Unter Verwendung der allgemeinen Beziehungen

    [ab, c] = a[b, c]ǫ − [c, a]ǫb , [a, bc] = [a, b]ǫc− b[c, a]ǫ ,sowie von

    [A,B]ǫ = [ψ(r), ψ+(r′)]ǫ = δ(r − r′)

    gilt nun

    [A,H ] =∫

    d3x[

    ψ(r), ψ+(x)

    (

    − h̄2

    2m∇2)

    ψ(x)]

    (4.52)

    =∫

    d3x[

    ψ(r), ψ+(x)]

    ǫ

    (

    − h̄2

    2m∇2)

    ψ(x)

    =

    (

    − h̄2

    2m∇2)

    ψ(r) . (4.53)

    Damit folgt

    id

    dtGr,r′(t) −

    (

    − h̄2

    2m∇2r)

    Gy,r′(t) = δ(t)δ(r − r′) (4.54)

    oder allg.(

    id

    dt−H

    )

    Gr,r′(t− t′) = δ(t− t′)δ(r − r′) ,

    wobei wir t→ t− t′ ersetzt und für den Integraloperator, der auf den Ausdruck rechts alsFunktion von r wirkt, die Notation H eingeführt haben.Die letzte DGL ist aus der Theorie der partiellen Differentialgleichungen bekannt. DieLösung dieser DGL wird Green-Funktion genannt und ist der Grund der Namensgebungfür die oben eingeführten Korrelationsfunktionen!

  • 4.3. GREEN-FUNKTIONEN 63

    4.3.7 Das Hubbard Atom

    Wir betrachten ein isoliertes Atom/Ion mit nur einem relevanten Orbital, welche leer seinkann oder einfach/doppelt besetzt. Die intra-atomare Coulomb-Abstossung zwischen denElektronen beschreiben wir durch den Parameter U :

    H =∑

    σ=↑,↓(εσ − µ)nσ + Un↑n↓ , (4.55)

    wobei nσ = c†σcσ die Anzahl der Elektronen mit Spin-σ mißt, µ das chemische Potential

    ist und εσ die orbitale Ein-Teilchen-Energie. Ohne ein äusseres Magnetfeld ist εσ ≡ ε0.

    moment forms

    Γ

    ε

    µ

    2ε+U

    Wir sind daran interesiert die retardierte Einteilchen-Greens-Funktion (4.23)

    Gσ(t) = −iΘ(+t)〈[

    cσ(t), c†σ

    ]

    +〉 (4.56)

    auszurechnen. Hierzu verwenden wir die Bewegungsgleichungen (4.49)

    d

    dtGσ(t) = −i δ(t) 〈

    [

    cσ(0), c†σ

    ]

    +︸ ︷︷ ︸

    = 1

    〉 − iΘ(t) 〈[

    ċσ(t), c†σ

    ]

    +〉 , (4.57)

    mit ċσ = i[H, cσ].

    Kommutatoren

    Wir berechnen zunächst eine Reihe von Kommutatoren:

    [nσ′ , cσ] = δσ,σ′(

    c†σcσcσ − cσc†σcσ)

    = −δσ,σ′(

    1 − c†σcσ)

    cσ = −δσ,σ′ cσ[n↑n↓, cσ] = −n−σ cσ (4.58)

    [nσ′ , n−σcσ] = −δσ,σ′n−σ cσ[n↑n↓, n−σcσ] = −n−σ cσ

    Die letzte Gleichung gilt das nσnσ = nσ, für Fermionen. Wir finden daher

    ċσ = i [H, cσ] = −i (εσ − µ) cσ − iUn−σcσ (4.59)d

    dt(n−σcσ) = −i (εσ − µ)n−σcσ − iUn−σcσ . (4.60)

  • 64 KAPITEL 4. VIELTEILCHENTHEORIE

    Der Operator n−σcσ ist daher ein Eigenoperator des Hamilton-Operators. Damit wird dieBewegungsgleichung (4.57) zu

    d

    dtGσ(t) = −i δ(t) − i (εσ − µ)Gσ(t) − iUG̃σ(t) , (4.61)

    wobei wir mit G̃σ(t) = −iΘ(+t)〈[(

    n−σcσ)

    (t), c†σ]

    +〉 eine neue Greens-Funktion definiert

    haben. Diese genügt mit[

    n−σcσ, c†σ

    ]

    += n−σ der Bewegungsgleichung

    d

    dtG̃σ(t) = −iδ(t)〈n−σ〉 − iΘ(t)〈

    [

    d

    dt

    (

    n−σcσ)

    (t), c†σ

    ]

    +

    〉 . (4.62)

    Mit Hilfe von (4.60) wird (4.62) zu

    d

    dtG̃σ(t) = −iδ(t)〈n−σ〉 − i (εσ − µ+ U) G̃σ(t) . (4.63)

    Die beiden Gleichungen (4.61) und (4.63) bilden ein geschlossenes System welches zu lösenist.

    Frequenzdarstellung

    Unter einer Fourrier-Transformation werden (4.61) und (4.63)

    ωGσ(ω) = 1 + (εσ − µ)Gσ(ω) + UG̃σ(ω)ω G̃σ(ω) = 〈n−σ〉 + (εσ − µ+ U) G̃σ(ω) ,

    mit der Lösung

    Gσ(ω) =1 − 〈n−σ〉ω − (εσ − µ)

    +〈n−σ〉

    ω − (εσ − µ+ U). (4.64)

    Wir haben hier ein Beispiel eines echten Zweiteilchen-Effektes. Wenn z.B. kein ↑-Teilchenvorhanden ist, dann hat die Greens-Funktion für das ↓-Elektron die bekannte Form 1/(ω−(εσ − µ)) einer Ein-Teilchen-Greens-Funktion, vergleiche (4.42).Wenn jedoch ein ↑-Teilchen vorhanden ist, dann muss eine zusätzliche Energie U bezahltwerden um ein ↓-Elektron auf das Ion zu setzten, die Greens-Funktion hat dann die Form1/(ω − (εσ − µ+ U)).

  • 4.4. STREUEXPERIMENTE IN BORN’SCHER NÄHERUNG 65

    4.4 Streuexperimente in Born’scher Näherung

    4.4.1 Einleitung

    Wir wollen die Streuung von Teilchen (Neutronen, Photonen) am Kristall untersuchen. ImGegensatz zum bisher untersuchten idealen, starren Kristall, der nur Impulsübertrag aufdas Streuteilchen erlaubte, sind im realen Kristall Impuls- und Energie-Übertrag durchPhononen und andere elementare Anregungen möglich.Wir wollen in der weiteren Beschreibung Streuteilchen mit einer Energie-Impuls-Dispersionǫ(k) voraussetzen. Dabei denken wir insbesondere an Neutronen, welche einmal an denKernen durch Ankopplung an die Dichte streuen und zum anderen ein magnetisches Mo-ment besitzen und somit an den magnetischen Momenten der Elektronen (Spin) in ma-gnetischen Systemen streuen.Da Neutronen nur schwach wechselwirken, dringen sie tief ein:

    • Oberflächeneffekte spielen keine Rolle

    • Thermische Neutronen (Reaktor) lassen grosse Energie- und Impuls-Bereiche zu:ǫk =

    h̄2k2

    2m. Neutronen mit Wellenlänge 1 Angström besitzen eine Energie von 0.082eV ≃

    950K (1eV = 11.000K)

    Aufgrund der schwachen Wechselwirkung messen die Streuteilchen die Eigenschaften desSystems aus ohne es zu modifizieren. Mehrfachstreuung spielt zudem keine Rolle unddamit ist die Born’sche Näherung zulässig

    h

    k, ε ’εk’,

    k, ε

    ’εk’,Streuteilchen

    nicht beobachtet

    beobachtet

    q=k-k’

    a b

    ω=ε−ε ’

    Abstraktes Diagramm:

    System

    Neutron

    Was wird gemessen?Man kennt das einfallende Teilchen (~k, ǫ) und man mißt das gestreute Teilchen (~k′, ǫ′).Im System:

    • im thermischen Gleichgewicht ist der Eigenzustand |a〉 des Systems mit dem Gewichte−βEa/Z zu versehen, es ist über alle |a〉 zu summieren.

    • Man man mißt nicht den Endzustand |b〉 des Systems, d.h. alle Endzustände |b〉verträglich mit Energie- und Impulserhaltung sind grundsätzlich möglich.

  • 66 KAPITEL 4. VIELTEILCHENTHEORIE

    4.4.2 Born’sche Näherung

    Das Wechselwirkungspotential sei

    W (r) =N∑

    i=1

    vi(r − ri) ,

    wobei r die Position des Neutrons und ri die des Atoms i kennzeichnet. Da die Neutronenim Wesentlichen nur mit dem Atomkern in Wechselwirkung treten können wir FermisPseudopotential

    vi(r) =(

    α + γ ~σ · ~Si)

    δ(r)

    benutzen, mit dem Spinoperator des Streuteilchens ~σ, und dem Kernspin ~Si des Atoms i.Allerdings werden wir an dieser Stelle nicht die die magnetische Streuung am Kernspinbetrachten und setzen hier γ = 0.

    Übergangswahrscheinlichkeiten

    Die Übergangswahrscheinlichkeit vom Ausgangszustand |k, a〉 = |k〉|a〉 in den Endzustand|k′, b〉 = |k′〉|b〉 ist in erster Born’scher Näherung (ǫ=̂Ek und ǫ′=̂Ek′)

    w(k, a→ k′, b) = 2πh̄

    ∣∣∣〈k′, b|W |k, a〉

    ∣∣∣

    2δ(Ek + Ea − Ek′ − Eb) . (4.65)

    Der Detektor mißt nicht einen Zustand mit scharfem k′, sondern hat Auflösung mit Raum-winkel dΩ und Energie dω. Für relativistische Teilchen gilt

    E2k = (M0c2)2 + (ch̄k)2 (4.66)

    also

    EdE = c2h̄2kdk , vk =1

    dE

    dk=

    c2h̄k

    E=

    h̄k

    M(4.67)

    mit der impulsabhängigen Masse M = E/c2 und der Geschwindigkeit vk. Die Variationder Energie des austretenden Neutrons ist

    h̄dω = dE ′ =c2h̄2k′dk′

    E ′=

    h̄2k′dk′

    M ′.

    Da die Energie des einfallenden Neutrons nicht variert wird, ist dω auch klein die Ände-rung der Energiedifferenz. Die Anzahl der Zustände kompatibel mit Raumwinkel dΩ undEnergiedifferenz h̄dω ist

    # Endzustände =V

    (2π)3k′2 dΩ dk′ =

    V

    (2π)3k′ dΩ

    (

    M ′h̄dω

    h̄2

    )

    =V

    (2π)3h̄2vk′ M

    ′2 dΩ dω . (4.68)

    Die Stromdichte des einfallenden Teilchens ist

    Stromdichte =v

    V. (4.69)

  • 4.4. STREUEXPERIMENTE IN BORN’SCHER NÄHERUNG 67

    Der doppelt differentielle Streuquerschnitt berechnet sich zu

    d2σ

    dΩdω=

    a,b

    e−βEa

    Z

    (4.65)(4.68)

    (4.69) dΩdω(4.70)

    =2πV 2

    (2πh̄)3v′

    vM ′2

    a,b

    e−βEa

    Z

    ∣∣∣〈k′, b|W |k, a〉

    ∣∣∣

    2δ(Ea −Eb + h̄ω)

    Im Ortsraum

    Mit dem Fourier-Integral der δ-Funktion

    δ(Ea − Eb + h̄ω) =1

    2πh̄

    ∫ ∞

    −∞dt e

    i

    (

    ω+ Eah̄

    −Ebh̄

    )

    t(4.71)

    und der Fourier-Darstellung der Matrixelemente

    〈k|W |k′〉 =∫

    d3r V ei(k′−k)r W (r) =

    d3r V e−iqr W (r) (4.72)

    folgt direkt

    d2σ

    dΩdω=

    M ′2

    h̄4v′

    v

    1

    (2π)3(4.73)

    ·∫ ∞

    −∞dt eiωt

    d3rd3r′ e−iqreiqr′∑

    a,b

    e−βEa

    Z〈a|W (r, t)|b〉〈b|W (r′, 0)|b〉 ,

    wobei wir die Heisenberg-Darstellung

    W (r, t) = eiHh̄

    tW (r) e−iHh̄

    t (4.74)

    benutzt haben. Benutzen wir nun noch

    b

    |b〉〈b| = 1∑

    a

    e−βEa

    Z〈a| . . . |a〉 = 〈. . .〉 , (4.75)

    so erhalten wir

    d2σ

    dΩdω=

    M ′2

    h̄4v′

    v

    1

    (2π)3

    ∫ ∞

    −∞dt eiωt

    d3rd3r′ e−iq(r−r′) 〈W (r, t)W (r′, 0)〉 . (4.76)

    Dynamischer Strukturfaktor

    Das Wechselwirkungspotential hat die Form

    W =N∑

    i=1

    v(r − ri) =∫

    v(r − r̃)n(r̃)d3r̃ , (4.77)

  • 68 KAPITEL 4. VIELTEILCHENTHEORIE

    wobei r und ri die Ortsoperatoren des Streuteilchens und des i-ten Atoms sind, v(r) dasWechselwirkungspotential und n(r) der Dichteoperator. Damit wird (4.76) zu

    d2σ

    dΩ dω=

    M ′2

    h̄4v′

    v

    |vq|2(2π)3

    Sq(ω) (4.78)

    wobei vq die Fourier-Transformierte von v(r). Der dynamische Strukturfaktor für Dichte-Dichte-Fluktuationen ist Sq(ω), d.h. Sq(ω) ist die die Frequenz- und Impulsdarstellungder Dichte-Dichte-Korrelationsfunktion

    Sq(t) = 〈nq(t)n−q(0)〉 =∫d3rd3r′

    V 2e−iq(r−r

    ′) 〈n(r, t)n(r′, 0)〉 . (4.79)

    Fluktuations-Dissipations-Theorem

    Nach Gl. ((4.36)) (mit ǫ = −1 da die Dichte-Fluktuationen Bose-artige Operatoren sind)hängt Sq(ω) (dort f genannt) mit der Spektralfunktion Anqn−q wie folgt

    Sq(ω)

    2π=

    Anqn−q(ω)

    1 − e−βω (4.80)

    zusammen. Gl. (4.80) nennen wir auch Fluktuations-Dissipations-Theorem.Die Dichte-Dichte Korrelationsfunktion Sq(ω) misste die Dichte-Fluktuationen, die Spek-tralfunktion Anqn−q(ω) ist ein Mass für die Dissipation, da diese ja proportional zumImaginärteil der retartdierten Green-Funktion ist.