Kapitel 4.1 Prinzielle Vorgehensweise und Vergleich mit ... · LEHRSTUHL FÜR BAUSTATIK...

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UNIVERSITÄT SIEGEN LEHRSTUHL FÜR BAUSTATIK Baustatik II – SS 2019 4. Verschiebungsgrößenverfahren 4.1 Prinzipielle Vorgehensweise und Vergleich mit dem Kraftgrößenverfahren 1

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Baustatik II – SS 2019

4. Verschiebungsgrößenverfahren

4.1 Prinzipielle Vorgehensweise und Vergleich mit dem Kraftgrößenverfahren

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Das Verschiebungsgrößenverfahren (VV)

Im Verschiebungsgrößenverfahren (VV) werden die Knotenverschiebungsgrößen(Verschiebungen und Verdrehungen) als unbekannte Größen eingeführt. Es gibtverschiedene Bezeichnungen für das Verschiebungsgrößenverfahren (VV): Weggrößenverfahren (WGV) Formänderungsgrößenverfahren Deformationsmethode Steifigkeitsmethode

Bemerkungen: Werden als Verschiebungsgrößen nur Knotendrehwinkel und Stabdrehwinkel gewählt,

dann spricht man vom Drehwinkelverfahren. Das Drehwinkelverfahren wird in der Vorlesung nicht behandelt (siehe Literaturangaben).

Das Drehwinkelverfahren gilt nur für , d.h. nur für dehnstarre Stäbe und damit kann nur die M-Linie bestimmt werden, die Q-Linie und N-Linie müssen dann nachträglich mit Hilfe der M-Linie bestimmt werden.

EA

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4.1 Prinzipielle Vorgehensweise und Vergleich mit dem KV

Am Beispiel eines Einfeldträgers wird die Vorgehensweise des VV erläutert.

Ursprüngliches System mit Belastung:

l

q

EA

A B

1. Schritt: Wahl eines geometrisch bestimmten GrundsystemsUmwandlung des ursprünglichen Systems in ein geometrisch bestimmtes Grundsystemdurch Einfügen von zusätzlichen Festhaltungen bzw. Festeinspannungen an jedemKnoten.

1K1

1D

A B

Dabei wird der Drehwinkel D (bzw. die Verdrehung ) ausgeschaltet bzw. gesperrt.

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4.1 Prinzipielle Vorgehensweise und Vergleich mit dem KV

2. Schritt: Nullzustand ( )1 0D q

A B

20 01 12B

pK M 2

0 01 12A

pK M

0M

Durch die eingefügte Festhaltung wird ein Moment am Auflager B hervorgerufen. Somit istdas Gleichgewicht dort verletzt!

3. Schritt: Einheitsverschiebungszustand ( ) 1 1D

0 -LinieM

1 -LinieM

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4.1 Prinzipielle Vorgehensweise und Vergleich mit dem KV

Durch die Gleichgewichtsbedingung wird der Fehler vom 1. Schritt korrigiert. Am Auflager Bmuss das Moment gleich 0 sein, da im ursprünglichen System eine gelenkige Lagerung ist.

4. Schritt: Gleichgewichtsbedingung (Bedingungsgleichung)

0110 BBB MDMM 011

1011 KDKK

31

1 48pD

EI

oder

5. Schritt: Superposition (Endzustand)

A B

M

A B

31

48 BpD

EI

w

0 1 1M M D M

0 1 1w w D w

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Bemerkungen zum VV

Das obige Beispiel zeigt, dass das VV (WGV) gewisse Ähnlichkeit zum KV (KGV) hat. EinVergleich beider Verfahren ist in den nachfolgenden Tabellen angegeben.

Die durch den Einbau zusätzlicher Festhaltungen entstandenen Kraftgrößen nennt man Versteifungskräfte, Festhaltekräfte oder Zwangskräfte. Diese Kräfte sind im Originalsystem nicht vorhanden und müssen daher aus der Gleichgewichtsbedingung eliminiert werden (im obigen Beispiel !).

0 11 1 1, und K K K

01 K

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Gegenüberstellung vom KV und VV

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Vorgehensweise vom KV und VV

(bzw. )iiD D

0 (bzw. 0)kkD D

00 (bzw. )i iK K

1 (bzw. 1)kkD D

(bzw. )kik iK K

(bzw. )kkD D

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Das KV ist sehr anschaulich und eignet sich für dieHandrechnung. Es ist aber schwierig zuprogrammieren bzw. zu automatisieren.

Das VV ist weniger anschaulich aber sehr formal. Es istleichter zu programmieren bzw. zu automatisieren. Diemeisten Rechenprogramme verwenden das VV (auchdie FEM verwendet das VV).

Das KV verwendet ein statisch bestimmtes System alsGrundsystem.

Das VV verwendet ein geometrisch bestimmtesSystem als Grundsystem.

Vergleich vom KV und VV

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Definition eines geometrisch bestimmten Systems

Geometrisch bestimmtes System:Bei einem geometrisch bestimmten System sind alle Knotenverschiebungenbekannt (in der Regel gleich Null).

Ein geometrisch bestimmtes System wird auch als „Starrsystem“ oder„Volleinspann-system“ bezeichnet.

Ein geometrisch bestimmtes System ist grundsätzlich statisch unbestimmt!

EA

1D

2D

2-fach geometrisch unbestimmt! (2 unbekannte Verformungen)

1K

2K

geometrisch bestimmt (unbekannte Verformungen gesperrt)

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Kriterium: Man wählt am besten dasVerfahren, in dem weniger Unbekanntenauftreten.Je weniger Unbekannten, desto geringer

ist der Rechenaufwand.

Wahl des Berechnungsverfahrens

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Bei diesem Beispiel ist das VV vorteilhafter, da weniger Unbekannte im VV auftreten!

Bei

spie

l zur

Wah

l des

Rec

henv

erfa

hren

s

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Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Ch. Zhang Lehrstuhl für Baustatik Department Bauingenieurwesen BAUSTATIK II UNIVERSITÄT SIEGEN Arbeitsblätter

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Vergleich vom KV und VV an einem einfachen Beispiel Zum Vergleich vom KV und VV werden die 5 Rechenschritte von beiden Verfahren an einem einfachen Beispiel im Folgenden näher erläutert.

1b D

1b D : unbekannte

Verschiebungsgröße 1aM X : unbekannte

Kraftgröße

Statisch bestimmt durch Hinzufügen von Mechanismen Hier: Momentengelenk bei a

Geometrisch bestimmt durch Hinzufügen von Festhalterung Hier: Einspannung bei b

Einfach statisch unbestimmt Einfach geometrisch unbestimmt

M-Linie w-Linie

Syst

em u

nd B

elas

tung

Grundsystem ist geometrisch unbestimmt

Grundsystem ist statisch unbestimmt

EA EA

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Einheitsverschiebungszustand: Einheitsverschiebung 1 1D

Einheitskraftzustand: Einheitskraft 1 1X

1 1X 1 1D

w1-Linie M1-Linie

M1-Linie w1-Linie

M0-Linie w0-Linie

M0-Linie w0-Linie

Verträglichkeit bei a verletzt Gleichgewicht bei b verletzt

11 1 3alEI

1 11

4b

EIK Ml

3

10 0 24aql

EI

20 01 12b

qlK M

Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Ch. Zhang Lehrstuhl für Baustatik Department Bauingenieurwesen BAUSTATIK II UNIVERSITÄT SIEGEN Arbeitsblätter

3

0 1 11 1 1

0 1

0oder

0b b b b

K K D K

M M M

1 10 1 11

0 1 1

0oder

0a a a

X

X

0 21 1

11

31

12 4

48b

K ql lDK EI

qlDEI

310

111

2

1

324

8a

ql EIXEI l

qlX M

0 1 1

0 1 1

m m m

m m m

M M X Mw w X w

0 1 1

0 1 1

m m m

m m m

w w D w

M M D M

M-Linie

M-Linie w-Linie

w-Linie

3

48bql

EI

(Kontrolle!) (Kontrolle!)