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Europäische Ethnologie

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  • KASCHUBEN HEUTEKultur Sprache Identitt

  • Cezary Obracht-Prondzyski

    DANZIG 2007

    KASCHUBEN HEUTEKultur Sprache Identitt

  • 4ISBN 978-83-89079-78-7

    HerausgeberInstytut Kaszubski

    DruckWydawnictwo BERNARDINUM Sp. z o.o.81-130 Pelplin. ul. Bpa Dominika 11

    Aus dem Polnischen vonAnna Wilczewska

    RedaktionSawina Kwidziska

    Bindung und graphische GestaltungAnna Maciejewska, Maciej Ostoja-Lniski

    Fotos und Reproduktionen aus den Sammlungen vonKazimierz Rolbiecki und dem Kaschubischen Institut

    Copyright by Cezary Obracht-Prondzyski, Danzig 2007 Copyright by Instytut Kaszubski, Danzig 2007

    Verwirklicht dank der Hilfe des Ministers fr Inneres und Verwaltung

  • 5Einleitende Bemerkungen

    Die Kaschuben sind eine Gemeinschaft langen Bestehens vielePhnomene sind hier in weiter Vergangenheit verwurzelt und haben ihreFolgen auch fr zeitgenssische Einwohner der Kaschubei: das Erbe einerJahrhunderte langen, schwierigen Nachbarschaft mit Deutschland, dieFolgen des Bewohnens einer Grenzregion, die Bestndigkeit starkerFamilienbande, das Festhalten an den Glauben, die spezifische Menta-litt und die sozialen Einstellungen. Wichtig ist auch die Ansssigkeitin dem kaschubischen Gebiet in unserer kleinen Heimat.

    Aber andererseits sind die Kaschuben eine Gemeinschaft, die im20. Jahrhundert einen bedeutenden Wandel erfuhr, der auf dem politi-schen, sozialkonomischen und kulturellen Gebiet sichtbar war.

    Am Anfang des 20. Jahrhunderts lebten die Kaschuben im preuisch--deutschen Staat, der sowohl dieser Gemeinschaft, als auch allen Polengegenber repressiv eingestellt war. Spter, in der Zwischenkriegszeit,wurden sie in drei Teile eingeteilt der grte Teil lebte innerhalbden Grenzen der Zweiten Republik Polen, der zweite in dem Gebiet derFreien Stadt Danzig, der dritte wiederum blieb innerhalb der GrenzenDeutschlands (Kreis Btow [Bytw], Lauenburg [Lbork], Stolp [Supsk] die sog. Slowinzen [Sowicy], kleine Gruppen in den Kreisen Schlo-chau [Czuchw] und Rummelsburg [Miastko]).

    Die schwierigste Periode in der Geschichte war fr die Kaschubender Zweite Weltkrieg. Die Elite dieser Gemeinschaft wurde fast gnzlichermordet. Seit Mrz 1942 galt in Pommern die Zwangsaufnahme in dieDeutsche Volksliste (DVL). In Folge dessen mussten Tausende kaschubischeShne in der deutschen Wehrmacht dienen. Die Kaschuben starben imKZ Stutthof und in vielen anderen Konzentrationslagern in und auerhalbvon Pommern. Sie haben jedoch einen eigenen geheimen Verbund aufge-baut und auf die Befreiung gewartet.

  • 6Aber die Befreiung und die neue Ordnung im kommunistischen Staaterwiesen sich oft als sehr schwierig fr sie. In der Zeit der VolksrepublikPolen lieen sich die Behrden von Misstrauen gegenber den Kaschubenleiten. Gleichzeitig versuchten sie ihre Vertreter in die Machtstruktureneinzubinden.

    Im Jahre 1989 kam es endlich zu der demokratischen Wende dieKaschuben engagierten sich aktiv im Aufbau der neuen, demokratischenDritten Republik Polen.

    Dem politischen Umbruch folgten besonders wichtige soziokono-mische Vernderungen. In aller Krze lsst sich sagen, dass das 20. Jahr-hundert eine groe gesellschaftliche Revolution mit sich gebracht hat, diedurch Folgendes gekennzeichnet ist: 1) die intensive Verstdterung (inder Kaschubei entstand die grte neue Stadt Gdingen [Gdynia]), worauf-hin die Kaschuben aufhrten, eine lndliche Gemeinschaft zu sein undzu einer stdtisch-lndlichen Gemeinschaft wurden; 2) die Industrialisie-rung; 3) die Bildungsrevolution (Massenbildung fhrte zu einer bedeu-tenden Erweiterung des Kreises einer gebildeten kaschubischen Intelli-genz und zu der Herausbildung der Wissenschafts- und Knstlerelite mitkaschubischen Wurzeln); 4) die Migrationsbewegungen (die Kaschubenmigrierten unmittelbar ber die ehemalige Grenze, in die Gebiete, dienach 1945 an Polen angeschlossen wurden. Dann wanderten sie in den50er, 70er und 80er Jahren nach Deutschland, und gegenwrtig migrierensie, wie auch andere Polen, in verschiedenste Ecken Europas).

    Einen betrchtlichen Wandel erlebte das kaschubische Dorf (schonin der Architektur). Der Umfang der Kstenfischerei schrumpfte syste-matisch. Alte, traditionelle Berufe verschwanden (z.B. Stellmacherei) odernderten ihren Arbeitsbereich (z.B. wurde das Schmiedehandwerk zumKunstschmiedehandwerk, das Gebrauchsartikel fr verschiedene Kundenherstellt z.B. Tore, Zune, Kaminwerkzeug usw.).

    Eine Vernderung erfuhr das Familienmodell, obwohl gerade in derKaschubei das Erbe der alten Mehrgenerationenfamilie am strksten aus-geprgt ist, aber lediglich in der lndlichen Umgebung. brigens mussman unterstreichen, dass die Kaschubei die hchste Geburtenrate inPolen aufweist. Der Vernderung des Familienmodells folgt auch die n-derung der Stellung der Frau, was mit ihrer Bildung und dem Zugangzum Arbeitsmarkt zusammenhngt.

  • 7Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    Heute machen sich die Modernisierungsfolgen des EU-Beitritts, diegleichzeitig mit den Folgen der Systemtransformation auftreten, langsambemerkbar. Die Kaschubei wird zum Touristengebiet, besonders imKsten- und Seebereich (die Fischer z.B. werden zu Touristenunterneh-mern und auf dem Lande entwickelt sich Agrotourismus). Der Dienst-leistungssektor beginnt zu dominieren, obwohl das kaschubische Hand-werk, das traditionell mit dieser Region verbunden ist (z.B. Tischlerei,Mbeltischlerei), immer noch stark vertreten ist. Die Klein- und mittel-stndische Industrie entwickeln sich sehr dynamisch man braucht nurdie wirtschaftliche Struktur solcher Stdte wie Btow [Bytw], Karthaus[Kartuzy], Berent [Kocierzyna] oder Lauenburg [Lbork], oder solcherDrfer wie Sierakowitz [Sierakowice] zu betrachten.

    Die soziokonomischen Vernderungen konnten nicht ohne Einflussauf den Kulturbereich, auf die kaschubische Identitt, das Zugehrig-keitsgefhl und das Selbstbild bleiben. Hier trat wahrscheinlich die grteWende ein und in der kaschubischen Gesellschaft tauchen immer wiederFragen auf, wie: was bestimmt unsere Andersartigkeit, was entscheidetber unsere Identitt, was sind ihre Grundsteine und werden diese Grund-steine nicht etwa brckelig? Immer lebendig war die Diskussion um dieSprache der Kaschuben: was ist sie, wie ist ihr Status, welche gesellschaft-liche Funktionen erfllt sie? Verschwindet sie, oder im Gegenteil erlebtsie ihre Renaissance in Anlehnung an den Eintritt in die Schulen, die Kirche,die ffentlichkeit, die Medien? Nicht weniger strittig war der Status derkaschubischen Gemeinschaft sind die Kaschuben eine ethnische Gruppe,eine Minderheit, eine gesonderte Nation? Die letzten Jahre brachten eineweitere Aufwicklung dieser Diskussionen, um die eine betrchtliche wissen-schaftliche Literatur entstand (mit der kaschubischen Thematik beschfti-gen sich intensiv Sprachforscher, Historiker, Ethnologen, Soziologen).

    Im Angesicht dieser Vernderungen und Diskussionen ist es von Wert,wenn auch nur flchtig, das heutige Gesicht der kaschubischen Gemeinschaftzu beschreiben und dabei folgende Grundfragen zu beantworten: wie vieleKaschuben gibt es, wo wohnen sie, wie entwickelt sich ihre Kultur, wie ist ihreIdentitt, wie sind sie im ffentlichen Leben vertreten, was sind ihre wich-tigsten Institutionen, welche Probleme werden hauptschlich diskutiert

  • 8Wie viele Kaschuben gibt es?

    Auf diese, anscheinend einfachste Frage, gibt es keine einfache undeindeutige Antwort. Alles hngt nmlich davon ab, wer zu den Kaschubengezhlt werden kann, oder auch wer dazu gezhlt werden mchte. Dochwie kann man sie zusammenzhlen?

    In den letzten zwei Jahrzehnten gab es drei Versuche, die Mitglieder-zahl dieser Gemeinschaft einzuschtzen.

    Den ersten Versuch unternahm Marek Latoszek in der zweiten Hlfteder 80er Jahre. Die Untersuchung ergab, dass Pommern von 332 TausendKaschuben und etwas ber 184 Tausend Personen, die nicht besondersgeschickt als Halb-Kaschuben bezeichnet wurden, bewohnt wird (dieseKategorie bezeichnet diejenigen Mitglieder der Gemeinschaft, die z.B.nicht Kaschubisch sprachen, aber sich ihrer kaschubischen Herkunftbewusst waren und sich mit der ganzen Gruppe identifizierten, oder Per-sonen, die aus gemischten Familien kamen).

    Folglich konnten wir auf Grund der Untersuchungen die kaschubi-sche Gemeinschaft, die das Danziger Pommern bewohnte, auf etwa einehalbe Million schtzen, wovon noch nach denselben Untersuchungen 300 Tausend Kaschubisch sprachen.

    hnliche Daten erhielt in seinen Untersuchungen Jan Mordawski.Seine Untersuchungen aus den Jahren 19972004 umfassten das ganzevon den Kaschuben bewohnte Gebiet im Danziger Pommern (derzeit,seit 1998, gnzlich in den Grenzen der Wojewodschaft Pommern). DerAutor bemhte sich, die Anzahl der Kaschuben nicht nur insgesamt,sondern auch in einzelnen Kreisen und Gemeinden einzuschtzen. DieErgebnisse dieser Untersuchung werden in Tabelle 1 prsentiert.

  • 9Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    Tabelle 1Geschtzte Anzahl der Kaschuben (2005)

    Aus dieser Tabelle geht hervor, dass die meisten Kaschuben und Per-sonen teilweise kaschubischer Herkunft im Kreis Karthaus wohnen, denman zweifellos zum Herzen der Kaschubei erklren kann, auch deshalb,weil sie hier den sicherlich hchsten Prozentsatz darstellen. Aber die zweit-grte kaschubische Gemeinschaft bilden die Einwohner von Gdingen[Gdynia], was das Ausma der Vernderungen zeigt, die im 20. Jahrhun-dert stattfanden. Darber hinaus fllt ein hoher Anteil der Kaschuben inden sog. neuen Gebieten auf, d.h. in denjenigen, die nach 1945 an Polenangeschlossen wurden, besonders im Kreis Btow [powiat bytowski].

    Aus dieser Untersuchung geht ebenfalls hervor, dass es 390.509 Ka-schuben und 176.228 Personen teilweise kaschubischer Herkunft gab.

    Kreis/Stadt: Anteil (in %) an: Anzahl derKaschuben Personen Nicht- Kaschuben und

    teilweise ka- -Kaschuben Personen teilweiseschubischer kaschubischerHerkunft Herkunft

    Kreis Karthaus [kartuski] 83,8 10,0 6,2 94 136Kreis Putzig [pucki] 64,6 15,6 19,8 56 358Kreis Berent [kocierski] 61,4 13,1 25,5 49 116Kreis Neustadt [wejherowski] 47,9 18,2 33,9 113 097Kreis Btow [bytowski] 34,9 14,3 50,8 37 757Kreis Danzig [gdaski] 21,0 9,6 69,4 13 742Kreis Konitz [chojnicki] 19,1 7,2 73,7 23 926Kreis Lauenburg [lborski] 16,4 13,3 70,3 19 594Stadt Gdingen [Gdynia] 15,8 16,0 68,2 81 090Stadt Zoppot [Sopot] 5,8 7,9 86,3 5 795Kreis Schlochau [czuchowski] 5,8 7,5 86,7 7 814Stadt Danzig [Gdask] 4,7 5,6 89,7 47 163Kreis und Stadt Stolp[supski i miasto Supsk] 3,4 5,5 91,1 17 449

    Insgesamt 23,0 10,4 66,6 566.737

    Quelle: J. Mordawski, Statystyka ludnoci kaszubskiej. Kaszubi u progu XXI wieku[Statistik der kaschubischen Bevlkerung. Die Kaschuben an der Schwelle des 21. Jahr-hunderts], Gdask 2005, S. 41-44.

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    Vergliche man diese Daten mit denen von M. Latoszek, wrde sich he-rausstellen, dass sie sich ziemlich hnlich sind. Der Unterschied kann sichnicht nur aus der angewandten Methodik ergeben, sondern auch daraus,dass J. Mordawskis Untersuchung zudem diejenigen Gebiete umfasste,die M. Latoszek nicht untersuchte. Auerdem bekennt sich eine grereAnzahl von Personen zu ihren kaschubischen Wurzeln, wahrscheinlich inFolge von Vernderungen in der Politik und im Bewusstsein in der Zeitder Systemtransformation. Der alte Kaschubenkomplex, d.h. das Scham-gefhl, sich zu seinem Kaschubentum zu bekennen, wird in einigen Krei-sen sogar durch die Mode, Kaschube zu sein, ersetzt.

    Dennoch ist dieser Komplex nicht ganz verschwunden, was sichwhrend der Volkszhlung 2002 kenntlich machte. Das war der dritteZeitpunkt, zu dem man beschloss, die Kaschuben zu zhlen. Er erwiessich jedoch als sehr ungnstig und fr die Kaschuben uerst unange-nehm. So musste jeder Brger Polens seine Nationalitt angeben, gleich-zeitig durfte er aber keine Doppelnationalitt deklarieren, die fr die Ka-schuben charakteristisch ist (worber im Folgenden berichtet wird). ImFalle der Kaschuben durfte man sich als Pole deklarieren, ohne sein Ka-schubentum unterstreichen zu drfen. Ein Teil der Personen also, die ihrekaschubische Identitt nicht leugnen wollten, whlten eine andere Mglich-keit und deklarierten die kaschubische Volkszugehrigkeit.

    So haben wir heute, im Lichte der Volkszhlung, Kaschuben-Polen(in der ganzen kaschubischen Gemeinschaft bilden diese Personendie berwiegende Mehrheit) und Kaschuben mit kaschubischer Nationa-litt diese Mglichkeit haben whrend der Volkszhlung 5062 Perso-nen gewhlt. Paradox ist jedoch die Tatsache, dass gleichzeitig zehn-mal so viele Personen 52,6 Tausend deklarierten, Kaschubisch zusprechen!

    Dabei merkt man, dass es in der Volkszhlung mehrmals wenigerPersonen gab, die deklarierten, Kaschubisch zu sprechen, als es die sozio-logischen Untersuchungen zeigten. Woraus ergibt sich das? Haben sichdie Forscher geirrt und sich in der Zahl der kaschubisch sprechenden Per-sonen verschtzt? Oder wollte der berwiegende Teil der Personen seineSprachkenntnisse nicht deklarieren (das wre die Besttigung der immernoch groen Strke des Kaschubenkomplexes)? Oder verringerte sich viel-leicht der Gebrauch der kaschubischen Sprache so sehr, dass es in derVolkszhlung zum Ausdruck kam?

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    Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    Die Ursachen knnen verschieden sein und werden von Wissenscha-ftlern erklrt. In den Kreisen der kaschubischen Aktivisten steht nicht nurzur Diskussion wie man die Sprache vor dem Verschwinden retten soll,sondern auch was man tun sollte, damit sich die Kaschuben nicht schmenzu deklarieren, dass sie ihre eigene Sprache sprechen.

    Unter Beachtung der Untersuchungen von Latoszek und Mordawski undim Vergleich mit den Ergebnissen der Volkszhlung kann man schnell beobach-ten, dass die Frage nach der Anzahl der Kaschuben ungelst bleibt und dieMethoden und Forschungsweisen immer noch hchst mangelhaft sind.

    Sicherlich, wenn man von der Mitgliederzahl dieser Gemeinschaftspricht, darf man diejenigen unter den Kaschuben nicht vergessen, die inden verschiedenen Teilen der Welt leben. Denn ber 150 Jahre lang gabes eine starke Migration aus der Kaschubei, hauptschlich in die USA,nach Kanada und nach Deutschland. Bis heute lebt dort eine recht groeAnzahl der kaschubischen Bevlkerung, die sich ihrer Herkunft bewusstist und die in der letzten Zeit sogar eine ethnische Renaissance erlebt, alsonach ihren ethnischen und familiren Beziehungen zu dem alten Land sucht.Deshalb ist der Satz von Hieronim Jarosz Derdowski, den er bereits vorhundert Jahren geschrieben hat, sehr wahr: Nigdze ju na swiece nie nale-zesz ktka, gdz be po nos Kaszbach nie ba pamitka [Nirgendwo in derWelt findest du einen Ort, an dem es keine Spuren von uns Kaschuben gibt].

    Wo wohnen die Kaschuben?

    Dieser Sachverhalt ist genauso schwierig, wie die Einschtzung derMitgliederzahl der Gemeinschaft. Denn das Gebiet, das von den Kaschu-ben bewohnt wurde, schrumpfte im Laufe der Jahrhunderte in seinenAuengrenzen und unter dem Einfluss von spontanen und von obengesteuerten Siedlungsbewegungen. So verschlechterten sie die Stellungder Kaschuben in ihrer eigenen Heimat entscheidend, so sehr, dass diekaschubische Ethnie in einem Teil des Territoriums gnzlich verschwandund in einem anderen Teil zu einer Minderheit wurde. Dies dauerte seitdem Mittelalter an und nahm in der Zeit der preuischen Eroberung an

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    Strke zu. Am Anfang des 20. Jahrhunderts lebten bereits kleine kaschu-bische Enklaven in Westpommern (in den Kreisen Stolp, Btow, Lauen-burg, Schlochau und Rummelsburg), die meisten Kaschuben bewohntenwiederum das Danziger Pommern. Aber auch hier, wie Jan Karnowskischrieb: die Kaschubei ist in kleine Inseln zerschlagen, voneinander durchFiskalwlder, Domnen, Latifundien der deutschen Gutsherren getrennt;und ein Streifen der deutschen Kolonien erstreckt sich unweit von Schneck1

    ber den Kreis Berent gen pommersche Grenze, die Kaschubei schon fr immerteilend (J. Karnowski, Ludno kaszubska w ubiegym stuleciu [Die kaschu-bische Bevlkerung im letzten Jahrhundert], Kocierzyna 1911, S. 19).

    Das 20. Jahrhundert brachte wesentliche Vernderungen in Bezugauf das von den Kaschuben bewohnte Gebiet mit sich und die wichtigsteUrsache dafr waren die Folgen des Zweiten Weltkrieges. Zuerst nmlichfhrten die Deutschen eine Massenaussiedlung der polnischen Bevlk-erung aus Pommern durch, darunter auch Kaschuben (bereits seit Herbst1939), und daraufhin verlieen sie selbst nach 1945 freiwillig oder unterZwang diese Region. Auf diese Weise verschwand eigentlich, nach eini-gen Jahrhunderten die deutsche Kultur aus Pommern und ihre einzigenVertreter sind heutzutage eine recht kleine deutsche Minderheit.

    Im Zuge der Nachkriegsfolgen und der neuen Grenzengestaltungerfuhr das kaschubische Gebiet eine bedeutende Vergrerung. Die Ka-schuben bewegten sich nmlich gleich nach der Frontverschiebung imFebruar-Mrz 1945 in die Grenzgebiete in die Kreise Btow, Lauen-burg, Schlochau, Rummelsburg und Stolp im Westen und ins Gebiet derehemaligen Freien Stadt Danzig im Osten. Das Jahr 1945 ergab die Chan-ce, es der Geschichte heimzuzahlen die Kaschuben kehrten in ihre ehe-maligen Gebiete zurck. In dieser ersten Periode nach dem Kriegsendezogen nicht weniger als einige zehntausende Kaschuben in die Grenz-gebiete und wurden damit in einigen Orten zu einer geradezu domi-nierenden Gruppe. Spter hrten die Migrationsprozesse nicht mehr aufund die sich im Aufschwung befindenden Seestdte, hauptschlich Gdin-gen, Danzig und Stolp, waren besonders attraktive Siedlungsorte.

    In Folge der Verwaltungsreform aus dem Jahre 1998 befand sich dasGebiet der geschlossenen Kaschubensiedlung zum ersten Mal in der Ge-schichte in einem Verwaltungskrper in der Wojewodschaft Pommern.

    1 Heute Skarszewy [Anm. des bersetzers]

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    Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    Die Kaschubische Identitt und die damitverbundenen Schwierigkeiten

    Die kaschubische Identitt ist, wie jedes andere gesellschaftliche Ph-nomen, sehr kompliziert. Man kann versuchen, sie mit Hilfe einigerAnnahmen zu beschreiben, wobei jede von ihnen in den letzten Jahrenin Zweifel gezogen wurde.

    IDie erste Annahme besagt, dass die Kaschuben kaschubisch sind.

    Dies bedeutet, dass die kaschubische Kultur, und zwar besonders dieSprache, die Grundlage ihrer Identitt ist. In der letzten Zeit stellen dieForscher jedoch immer fter fest, dass die Sprache und ihre Rolle in derBestimmung der kaschubischen Identitt an Bedeutung verliert und an-dere Faktoren gewinnen: die kaschubische Herkunft, die Familienbande,das Geborensein in der Kaschubei usw. Von dem Standpunkt der Gruppeaus wichtig sind solche Faktoren wie: geschichtliche Erfahrung und Schick-salsgemeinschaft, vterliches Erbe, d.h. tatczzna, gemeinsame Sitten,intellektuelles und knstlerisches Erbe, gemeinsame Institutionen u. .

    Man kann heute Kaschube sein, ohne Kaschubisch zu sprechen. Vielmehr man kann ein sog. Wahlkaschube sein, ohne kaschubische Wurzelnzu haben. Andererseits sind solche Flle keineswegs selten, in denen Per-sonen, die die Sprache sprechen knnen und kaschubische Wurzelnhaben, es gar nicht zugeben mchten. Die Frage danach, was es bedeutet,Kaschube zu sein ist offen und wird stndig diskutiert.

    IIDie zweite Annahme besagt, dass die Kaschuben deutsch sind. Das

    ist die Folge schwieriger, oftmals dramatischer kaschubisch-deutscherBeziehungen in der Vergangenheit, und besonders der Ereignisse in denJahren 19391945. Dies bedeutet natrlich nicht, dass sich die Kaschuben

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    nicht germanisierten. Ganz im Gegenteil der politische Druck und dieAttraktivitt der deutschen Kultur, besonders in der Zeit der Teilungen,und in Westpommern auch in der Zwischenkriegszeit, hatten zur Folge,dass viele Kaschuben die deutsche Nationalitt whlten. Aber eine solcheWahl bedeutete automatisch den Verzicht auf das Kaschubentum. Frdie Deutschen nmlich war die kaschubische Kultur immer etwas Niederesund wurde mit Verachtung behandelt. Eine Person, die Deutsch werdenwollte, musste das kaschubische Erbe ablehnen. Die kaschubische Be-wegung im 19. Jahrhundert wurde eben aus dem Widerstand gegen dieGermanisierung geboren. Fr die Anfhrer der kaschubischen Gemein-schaft war es offensichtlich, dass man nicht gleichzeitig Kaschube undDeutscher sein kann.

    Aber die letzten Jahre brachten auch hier eine gewisse Vernde-rung mit sich. Der Beweis kann schon die Tatsache sein, dass ein bedeu-tender Teil der deutschen Minderheit in Pommern kaschubische Wurzelnhat und sie gar nicht verleugnet, ganz im Gegenteil. Andererseits fangenviele in Deutschland lebende Personen, die aus Pommern kommen, an,ihre kaschubischen Wurzeln zu entdecken und machen es zu einem at-traktiven Element ihrer eigenen Familiengeschichte. Sicherlich hatten dieWerke von Gnter Grass einen groen Einfluss darauf, aber auchdie politische Wende nach 1989, die Einrichtung freundschaftlicher Be-ziehungen zwischen Polen und Deutschland und letztendlich die Ver-nderung des Gesellschaftsklimas in Deutschland selbst, wo die Betonungder Eigentmlichkeit nicht mehr die Ursache fr das Minderwertigkeits-gefhl war. Viele Personen, die in den 70er und 80er Jahren aufgrundihrer deutschen Herkunft ausgewandert sind, deklarieren heute deshalbgerne ihr Kaschubentum.

    IIIDie dritte Annahme geht davon aus, dass sich die kaschubische und

    polnische Identitt nicht ausschlieen. Brunon Synak stellt anhand empi-rischer Untersuchungen fest: Eine starke kaschubische Identifizierung strtnicht dabei, die polnische Zugehrigkeit eindeutig zu bestimmen und zu be-tonen. Das Kaschubentum und das Polentum sind Identitten, die aufverschiedenen Identifizierungsniveaus (dem regionalen und dem nationalen),aber innerhalb derselben universellen Kulturwerte auftreten. () Die kaschu-bische Identitt und die polnische Identitt sind keine substitutiven Identitten,

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    Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    daher kann die Verstrkung der einen ohne Abschwchung und Entuerungder anderen stattfinden (B. Synak, Kaszubska tosamo. Cigo i zmiana.Studium socjologiczne [Kaschubische Identitt. Kontinuitt und Vernderung.Eine soziologische Studie], Gdask 1998, S. 72-73).

    Diese Behauptung wurde jedoch in der letzten Zeit zur Diskussiongestellt. Haben die Kaschuben wirklich eine Doppelidentitt (eine kaschu-bische und eine polnische)? Und ist es gut so?

    Die Gegner dieser These behaupten, dass die Annahme dieses Stand-punktes die Kaschuben unvermeidlich zur schnelleren oder langsamerenAssimilation (Polonisierung) verurteilt, denn die polnische Kultur (beson-ders die polnische Sprache) ist immer dominant. Mit anderen Worten die kaschubisch-polnischen Beziehungen sind nicht gleichwertig undfhren zur Abschwchung des kaschubischen Elements. Wenn mandie kaschubische Identitt schtzen und entwickeln mchte, sollte mandie These aufstellen, dass die Kaschuben ein gesondertes westslawischesVolk sind, das mit den Polen stark verbunden ist.

    Vor diesem Hintergrund kam es in den letzten Jahren zu scharfenDiskussionen innerhalb der kaschubischen Gemeinschaft; sie fhrten je-doch nicht zum endgltigen Ergebnis. Es besteht allerdings kein Zweifeldaran, dass die berwiegende Mehrheit der Kaschuben, sich mit der eige-nen Gruppe identifizierend, gleichzeitig die polnische Nationalitt zugibt.

    IVMit den oben genannten Annahmen hngt die vierte Annahme zu-

    sammen die kaschubische Identitt unterliegt Vernderungen. Sie kanngeerbt, also im Prozess der Familien- und Umfeldsozialisation gedanken-los bernommen werden. Aber sie kann auch etwas Wiedergewonnenessein im Falle der Personen, die aus kaschubischen Familien kommen, indenen man die kaschubischen Wurzeln verheimlichte oder keinen Wertdarauf legte. Letztendlich kann sie die Folge einer bewussten Wahl sein,das Ergebnis der eigenen Erkenntnisarbeit und kulturellen Aktivitt.

    Die Forscher stellen fest, dass wir es, gem den globalen Tenden-zen, mit einem allmhlichen bergang vom passiven, gedankenlosenBeharren auf der eigenen tatczzna (dem vterlichen Erbe), der boden-stndigen Kultur und den Werten, bis hin zu der immer aktiveren Sucheund Vertiefung individueller Identitt und Gruppenidentitt zu tunhaben, also mit etwas, das neue Ethnizitt genannt wird.

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    Der soziale Kontext des Funktionierensder kaschubischen Sprache die Frage nachder Sprachpolitik

    Das kaschubische Ethos setzt sich aus folgenden Werten zusammen:Sprache, Religion (Anhnglichkeit an die katholische Kirche), Familie,Herkunft (Genealogie), Territorium (im dreifachen Sinne: Raum, Heimat,Landschaft) und damit verbundene Eigenschaften des Autostereotyps(Frmmigkeit, Flei, Ausdauer, Patriotismus usw.). In diesem Wertesys-tem was selbstverstndlich ist finden unaufhrliche Vernderungenstatt, die eine Ableitung der globalen Prozesse und der von der System-wende nach 1989 hervorgerufenen Transformation sind (ihre Folge waru.a. die Abschwchung des dominierenden Kulturkanons unter denBedingungen der enthllten Multikulturalitt und der fortschreitendenPluralisierung, die nderung der Staatspolitik gegenber den Minder-heiten, die gesellschaftliche Akzeptanz fr ihre Bestrebungen, die Ver-breitung von Toleranz und Offenheit seitens der ffentlichkeit, undbesonders der Eliten usw.).

    Die zentrale Frage bleibt jedoch die nach der kaschubischen Sprache nicht nur nach ihrer Kondition und ihrem Gebrauchsumfang, nach demVerhltnis der Kaschuben selbst zu ihr (es ist vielseitig: von tiefer Affirma-tion bis hin zur totalen Verleugnung), sondern auch nach ihrem Prestigeund ihrem gesellschaftlichen Status.

    Am wichtigsten fr dieses Prestige war die Anerkennung des sprach-lichen Status des Kaschubischen am Anfang der 90er. Kaschubisch warnmlich bis dahin, hauptschlich von der Mehrheit der polnischen For-scher, als ein Dialekt des Polnischen anerkannt. Die Zuerkennung desSprachstatus war nicht nur das Ergebnis der Vernderungen, die in derwissenschaftlichen Welt erfolgt sind, vor allem bei den Sprachforschern,sondern auch der Beweis fr den gesellschaftlichen Aufstieg und die Akti-

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    Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    vitt einer wachsenden Gruppe kaschubischer Intellektueller, die anfing,einen hheren Status fr die eigene Gruppe zu fordern (sicherlich hattendie Anstrengungen der Kaschubisch-Pommerschen Vereinigung [Zrze-szenie Kaszubsko-Pomorskie] eine grundlegende Bedeutung). Dies hingmit vielen Aktivitten zusammen, die auf den gesellschaftlichen Aufstiegdes Kaschubischen hinausliefen, wie: die Frderung der kaschubischenLiteratur, die Einfhrung des Kaschubischen in die Schulen, die Medienund die Kirchen, die Herausgabe der ins Kaschubische bersetzten Bibel,die Herausgabe von Wrterbchern usw. Alfred Majewicz bezeichnetesie als innere soziolinguistische Techniken und betonte damit, dass sie auseiner eigenen, inneren Initiative des kaschubischen Milieus heraus unter-nommen wurden.

    Die Aktivitten waren bewusst und zielorientiert (das Ziel war derAufstieg des sprachlichen Status), konsequent (kontinuierlich, geplant,programmatisch; sie fanden ihre Sttze in der Ideologie des kaschubi-schen Regionalismus), institutionell untersttzt (es waren keine Aktivitten,die nur von voneinander isolierten Anhngern unternommen wurden,sondern sie fanden Untersttzung seitens der regionalen Organisationen,der wissenschaftlichen Institutionen und Gesellschaften, auch seitens derVerwaltung, z.B. der Bildungsbehrden), durch das Gesetz untermauert(Bildungsgesetz, Grundgesetz der Republik Polen) und sie waren vorallem vielfltig (fanden auf verschiedenen Stufen, in verschiedenenKreisen, mit Anwendung von unterschiedlichen Mitteln und in verschie-denen Formen statt). Sie hatten die Vernderung des Bewusstseins derSprachnutzer zum Ziel, also den Kampf gegen den Kaschubenkomplexund die nderung der Einstellung des Umfelds (z.B. der wissenschaft-lichen und politischen Kreise oder der Kultureliten).

    Neue Impulse in den Bemhungen um die Erhhung des Status desKaschubentums brachten die Bestrebungen um entsprechende gesetzlicheRegelungen, die auch die kaschubische Sprache umfassen wrden. Einegute Gelegenheit dazu war die Debatte rund um das Gesetz ber nationaleund ethnische Minderheiten. Das erhobene Postulat, die Kaschuben alsethnische Minderheit anzuerkennen, fand keine Akzeptanz bei dem Ge-setzgeber. Auerdem lste es recht groe Kontroversen in der kaschubi-schen Gemeinschaft selbst aus, die sich nicht in der Rolle der Minderheitsieht. Andererseits wurde man sich whrend der Parlamentsarbeit derTatsache bewusst, dass die Kaschuben doch eine spezifische Gruppe sind

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    und dass irgendeine Schutzform existieren sollte, besonders bezglich ihrerSprache. Daraus ergab sich ein Kompromiss, der in den Gesetzesnameneinbezogen wurde: ber die nationalen und ethnischen Minderheiten unddie regionale Sprache (das Gesetz wurde im Januar 2005 verabschiedet).

    Dank dieses Gesetzes befand sich die kaschubische Sprache zumersten Mal unter gesetzlichem Schutz, was ein groes Ereignis in der Ge-schichte der kaschubischen Gemeinschaft war. Seitdem wurde ein erfol-greiches Nutzen der Mglichkeiten des neuen Gesetzes zum Gegenstandder Bemhungen. Um es in die Tat umzusetzen, entwarf der Hauptratder Kaschubisch-Pommerschen Vereinigung die Strategie zum Schutz und zurEntwicklung der kaschubischen Sprache und Kultur. Eine der Annahmendieser Strategie war die Berufung des Rates der Kaschubischen Sprache.Er entstand im Jahre 2006, und seine Aufgabe ist es, die Entwicklung derSprache zu beobachten, die Fachterminologie zu vereinheitlichen usw.

    Dank des Gesetzes erhlt die kaschubische Gemeinschaft vom Mini-sterium fr Inneres und Verwaltung seit 2006 Mittel fr Aktivitten, dieden Schutz, die Entwicklung und die Verbreitung der Sprache zum Zielhaben. Diese Mittel werden verwendet fr die Herausgabe von Lehr-bchern und anderen Bchern, fr die Untersttzung des Radio Kaszb,fr die Organisierung von Wettbewerben usw.

    Das Gesetz hat auch andere Folgen. In einigen Gemeinden, in denendas Niveau der kaschubischen Deklarationen in der Volkszhlung die20-prozentige Schwelle berschritten hat, also in den Gemeinden Seefeld[Przodkowo] (49,0 Prozent), Sullenschin [Sulczyno] (48,6 Prozent),Stendsitz [Styca] (43,2 Prozent), Sierakowitz [Sierakowice] (39,9 Pro-zent), Semlin [Somonino] (30,8 Prozent), Chmielno [Chmielno] (34,8Prozent), Linde [Linia] (35,5 Prozent), Schnwalde [Szemud] (26,3 Pro-zent), Parchau [Parchowo] (22,3 Prozent), der Dorfgemeinde Putzig[Puck] (30,9 Prozent) kann Kaschubisch als Hilfssprache benutzt wer-den. Dies bedeutet, dass man sie in mtern benutzen kann, dass manin diesen Gemeinden offiziell kaschubische Namen verwenden kann usw.Um den Beamten die Kommunikation zu erleichtern, werden Kaschu-bischkurse organisiert. Am ersten Kurs nahmen 300 Selbstverwaltungs-beamten teil. Der Organisierung nahm sich die Akademie der Berufs-bildung in Danzig [Akademia Ksztacenia Zawodowego] an. Man muss dazubemerken, dass dieses Projekt aus gemeinsamen Mitteln der EuropischenUnion (zu 75 Prozent) und Polen (zu 25 Prozent) finanziert wurde.

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    Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    Die kaschubische Bildung

    Eine der wichtigsten Aktivitten bezglich der Sprache, die von derkaschubischen Gemeinschaft unternommen wurde, waren die Anstren-gungen, Kaschubisch in die Schulen einzufhren. Es stie nicht nur aufWiderstand seitens der Bildungsverwaltung, der Lehrer und sehr oft derEltern selbst, sondern war auch kompliziert wegen des Mangels an Pro-grammen, Lehrbchern, qualifizierten Lehrkrften Problematisch warauch das Vorhandensein verschiedener Rechtschreibungen bis in dieMitte der 90er Jahre hatte das Kaschubische keine einheitliche Rechti-schreibung und keinen orthographischen Standard und ohne diese ist esschwierig, die Sprache in den Schulen zu unterrichten. Nach langjhrigenDiskussionen und Auseinandersetzungen gelang es, am 13. Mai 1996whrend des Treffens der Bildungskommission der Kaschubisch-Pommer-schen Vereinigung in Danzig Das Protokoll der Abstimmung zu den Regelnder kaschubischen Rechtschreibung zu unterschreiben.

    Aber der Weg zur literarischen Standardisierung der Sprache ist nochlang. Deswegen haben die Forscher keinen Zweifel daran, dass das litera-rische Kaschubisch erst in statu nascendi ist, erst entsteht.

    Warum sind die Bildungsfragen so wichtig? Man kann die These auf-stellen eine riskante These, die jedoch zahlreiche Beispiele in Europafindet dass sich vor allen Augen ein Wettlauf gegen die Zeit abspielt.So wird der Prozess der natrlichen Sprachberlieferung in der Familieimmer schwcher ihre Enkulturationsfunktion verliert deutlich anBedeutung. Das Erlernen der Sprache erfolgt immer fter in Bekannten-kreisen (Freunde aus der Nachbarschaft) und in der ffentlichen Sphre,darunter besonders in den Schulen. Das Problem liegt also darin, ob derKaschubischunterricht es schafft, sich in den Schulen so zu verbreiten,dass er die Familienberlieferung erfolgreich ersetzen kann. Wenn ja, hatdie Sprache eine berlebenschance, ja sogar eine Entwicklungschance,

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    weil Kinder aus den Schulen nicht nur die passiven, sondern auch dieaktiven (schriftlichen) Sprachkenntnisse (die Kenntnis der kaschubischenLiteratur und die Fhigkeit, literarisches Kaschubisch zu benutzen) mit-nehmen. Wenn nicht, wird Kaschubisch innerhalb von einer oder zweiGenerationen, auer in kleinen Enklaven (in kleinen Dorfgemeinscha-ften oder in ideologisch motivierten Anhnger- und Aktivistenkreisen),aussterben.

    Die Anfnge der kaschubischen Bildung nach der demokratischenWende 1989 sind mit der Erffnung der Kaschubischen Allgemeinbil-denden Oberschule in Bru [Brusy] in der Sdkaschubei und der Grund-schule in Glodnitz [Godnica] (Gemeinde Linde [Linia]) im Jahre 1991verbunden. Spter fing der Kaschubischunterricht an, sich langsam zuverbreiten, vor allem an den Grundschulen und Gymnasien2. Laut Haupt-statistikamt und Bildungsministerium lernten 2003/04 4780 Kinder in 81Schulen Kaschubisch. Ende 2005, nach den Schtzungen der K-PV, lern-ten 5196 Kinder in 100 Grundschulen, 1345 Schler in 27 Gymnasienund 261 Jugendliche in 3 Oberschulen Kaschubisch. 2005 wurde zumersten Mal das Abitur im Fach Kaschubisch abgelegt (in der Oberschulein Strepsch [Strzepcz]). Dies war dank der Vorbereitung und Genehmi-gung der Abiturvorbereitung Kaschubisch 2003 [Syllabus z jzyka kaszub-skiego 2003] und der Informationsmaterialien zum Abitur 2005 durch dasBildungsministerium mglich.

    Das grte Problem war jedoch der Mangel an Lehrkrften, -bchernund -programmen. Um diesen Hindernissen beizukommen, wurde an derUniversitt Gdask der Kaschubischunterricht eingefhrt. Man hat auchversucht, im Rahmen des Fachs polnische Philologie eine Spezialisierungin Kaschubistik zu grnden. Der Studiengang Wissen ber Pommern,das Aufbaustudium fr Regionale und Alternative Bildung und das quali-fizierende Aufbaustudium fr Kaschubischlehrer wurden mehrmals wie-derholt (es gab brigens viel mehr Kaschubischkurse fr Lehrer in vielenlokalen Gemeinschaften). Heute schtzt man, dass etwa 130 Lehrer aufverschiedene Art und Weise Unterrichtsqualifikationen fr Kaschubischbekamen, obwohl natrlich nicht alle sie in der Praxis ausben.

    2 Das polnische gimnazjum entspricht nicht dem deutschen Gymnasium. DasGymnasium in Polen ist fr alle Schler im Alter von13 bis 16 Jahren Pflicht. DieGrundschule wird im Alter von7bis 13 Jahren besucht. [Anm. des bersetzers]

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    Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    Man ging ferner an die Bearbeitung der Autorenprogramme heran,die mit der Regionalbildung verbunden waren (beispielsweise RegionaleBildungsprogramme: Kaschubei, Kotzewie, Pommern [Regionalne programyedukacyjne: Kaszuby, Kociewie, Pomorze], Danzig 1998), man fing an,Lehrbcher fr den Kaschubischunterricht vorzubereiten (es gibt schonetliche davon, darunter ein Abc-Buch, obwohl einige viel zu wnschenbrig lassen, sowohl sprachlich, als auch didaktisch und graphisch).Nachfolgend stehen Beispiele von Handbchern: W. Bobrowski, K. Kwiat-kowska, Kaszbscz abecado. Twj pierszi elemetrz [Das kaschubische ABC.Deine erste Fibel], Danzig 2000; W. Bobrowski, K. Kwiatkowska, Twjpierszi sowrz. Sowrz kaszbsk-plsczi [Dein erstes Wrterbuch. Kaschu-bisch-polnisches Wrterbuch], Danzig 2003; M. Cybulski, R. Wosiak-liwa,czim s p kaszbsk. Ksika pomocnicza dla klas starszych [Wir lernenKaschubisch. Hilfsbuch fr hhere Klassen] Danzig 2001. Es wurden auchdrei Lehrbcher herausgegeben: D. Pioch: Kaszb. Zemia i ldze [Ka-schubei. Land und Leute], Danzig 2001; c codniow na Kaszbach.czbwnik kaszbsczg jzka. Dzl II [Alltag in der Kaschubei. Lehrbuchder kaschubischen Sprache. Teil II], Danzig 2004; Naj domczna.czbwnik kaszbsczg jzka 3 [Unsere Heimat. Lehrbuch der kaschubi-schen Sprache 3], Danzig 2005.

    Zudem wurde die Zusammenarbeit mit hnlichen Milieus im Auslandaufgenommen, um ihre Lsungen im Bereich des Unterrichts in ethni-scher Sprache zu beobachten (vor allem mit den Lausitzer Sorben inDeutschland und den Friesen in den Niederlanden). Von hoher Bedeu-tung fr die Bildungspraxis ist die Herausgabe des Wrterbuchs zumrichtigen Gebrauch des Kaschubischen (Sowrz kaszbsczi normatywny,Danzig 2005), sowie die volle Ausgabe von Stefan Ramuts Wrterbuchdes Pommerschen, d.h. Kaschubischen [Sownika jzyka pomorskiego, czylikaszubskiego], vorbereitet von Jerzy Treder (herausgegeben im Jahre 2003).

    Angelegenheiten der regionalen Bildung im kaschubisch-pommer-schen Milieu werden vom Bildungskollegium beim Hauptvorstand derKPV koordiniert.

    Zweifellos hat Jerzy Treder recht, wenn er bemerkt, dass die wichtig-ste Folge der schulischen Sprachbildung die Beschleunigung und Verschrfungder Normalisierungsregeln des Allgemeinkaschubischen ist, besonders in ihrerschriftlichen Form.

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    Die kaschubische Kultur was ist sie?Was ist sie nicht?

    Die mit der Rolle der Sprache verbundenen Dilemmas bleiben nichtohne Einfluss auf die Analyse des Bestehens- und Entwicklungsphno-mens der kaschubischen Kultur. Es sollte auch gleich bemerkt werden,dass sie sehr unterschiedlich begriffen und definiert wurde. Die kaschubi-sche Kultur wurde nmlich gewhnlich z.B. als Bauernkultur gesehen, denndie meisten Kaschuben waren eben Jahrhunderte lang mit dem lndli-chen Milieu verbunden. Aber sie ist doch nicht nur Bauernkultur. Sie hatauch Adelseinflsse (besonders in kleinadeliger Ausprgung) und Land-adeleinflsse inne. Sie enthlt auch Elemente der brgerlichen Kultur(erwhnenswert ist die historische Rolle von Danzig und in naher Vergan-genheit von Gdingen [Gdynia], Neustadt [Wejherowo] oder Konitz[Chojnice]). Hinzugefgt werden sollten auch die fr die Kaschubeispezifischen Elemente der Fischerkultur, die doch so anders geartet ist alsdie stereotypisch wahrgenommene Bauernkultur.

    Die kaschubische Kultur darf auch nicht ausschlielich als Volkskulturbegriffen werden, auch wenn man von der grundlegenden Frage absieht,ob die Volkskultur existierte (noch existiert). Auf diese Art und Weisewrde man nmlich auch diejenigen Bestandteile der kaschubischen Kulturweglassen, die der als hhere, elitre bezeichneten Kultur angehren(dieses Dilemma sieht man schon am Beispiel der Auseinandersetzungum die kaschubische Literatur es ist doch nicht blo eine Volksliteratur!).

    Es ist auch nicht mglich, die kaschubische Kultur auf eine Spielartder Lokalkultur zu beschrnken, die von und fr eine kleine Gemein-schaft geschaffen wird. So war es mit Sicherheit im Leben der kaschubi-schen Gemeinschaft sehr lange. Aber als die kaschubische Regionalbewe-gung entstand (d.h. seit Florian Ceynowa), fing eine einheitliche, allgemein-kaschubische Kultur an, sich zu bilden. So ist es auch heutzutage, obwohl

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    Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    es nicht bedeutet, dass die ehemals fr die Kaschubei charakteristischelokale Differenzierung verschwand. Jeder, der die Kaschubei ein Bisschenkennen lernte, wird sofort die Andersartigkeiten spren, die fr kaschubischeSubgruppen wie Bloce, Krbane, Gochy oder Lsce charakteristischsind und diese sind keineswegs nur auf die sprachlichen Differenzenbeschrnkt.

    Folgerichtig kann man sagen, dass die regionale kaschubische Kultureine Bauern-, Volks- und Lokalkultur war, heute aber zudem etwas mehrist. Es bleibt zu fragen, ob eine kaschubische Massenkultur existiertoder ob die kaschubische Kultur modern (postmodern) ist und wie sie mitdem spten Modernismus, Postmodernismus fertig wird, etc.

    Sie wird ganz gut damit fertig, wovon die neuen Unternehmungenund Erscheinungen zeugen knnen, die sehr weit weg von dem stereo-typischen Bild der Volkskultur abweichen. Als Beweis kann hier dieMusiksphre gelten. Neben den zehn Volksgruppen, neben Chren undVolkskapellen haben wir es mit Rockgruppen zu tun (Chcz, Wdzboczi,P drdzi stranie, C.Z.A.D), oder auch mit Musikgruppen, die kaschubi-sche Gedichte singen (Ktin). Und wie oft spielten bereits die kaschubi-schen Volksgruppen und kapellen mit bekannten Jazzmusikern zusam-men (z.B. Leszek Kulakowski oder Jarosaw mietana)!?

    Zur kaschubischen Musik greifen auch Berufschre gerne (z.B. nahmdie Schola Cantorum Gedanensis ein Album mit kaschubischen Weih-nachtsliedern auf), und das Musikereignis schlechthin war zweifellos dasim Jahre 1996 von Katarzyna Gaertner vorbereitete Kaschubische Lieder-buch. In der letzten Zeit hingegen wurde das von Olo Walicki aufgenom-mene Album Kaszbe bekannt, das ausgezeichnete Kritik in der Musikweltbekam. In einer der Rezensionen in Tygodnik Powszechny [AllgemeineWochenzeitung]3 schrieb Janusz Jaboski, dass das Album Kaszb sichauf mutigen Jazz und gegenwrtige kaschubische Dichtung sttzt. Das Septettvon Olo Walicki bilden: Damroka Kwidziska eine Dichterin, die alle indem Album verwendeten Gedichte geschrieben und einen Teil von ihnen vor-getragen hat; Karolina Amirian und Maria Namysowska, die den Rest gesungenhaben; Cezary Paciorek, der Akkordeon und Hammondorgel spielt; GitarristPiotr Pawlak, Schlagzeuger Kuba Staruszkiewicz (Pink Freud) und der Leader,

    3 Tygodnik Powszechny (Allgemeine Wochenzeitung) ist eine seit dem 24. Mrz1945 erscheinende katholische polnische Zeitschrift [Anm. des bersetzers]

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    der Kontrabass, akustische Gitarre und Keyboard spielte. Selbst fr die Stimmen-zusammensetzung sollte Walicki einen Preis bekommen. Das Duett des hellenMdchensoprans von Karolina Amirian und des nebligen, mit Aliquotsfeinhei-ten gefllten Altes vermitteln schon von der ersten Minute an einen enormenEindruck. () Persnliche Texte von Kwidzyska setzen diese Musik stark in denlokalen Kontext. Dank ihnen ist der Hrer berzeugt, dass er mit einem wichti-gen Werk verkehrt, das mit einem Ziel entstand. () Seit langem habe ich soeine rhrende Musik nicht gehrt. Ich hre das Album Kaszb seit zwei Wochenund nach mehrmaligem Hren habe ich immer noch nicht genug von ihm.

    Die kaschubische Literatur

    Bis vor kurzem war die schne Literatur die wichtigste Form desBewahrens und der Entwicklung der kaschubischen Sprache und bis heuteerfllt sie diese Aufgabe voll und ganz. In der ganzen Nachkriegszeit wur-den weit ber hundert Personen gezhlt, die ihre Texte auf kaschubischpublizierten. Heute sind es etwa 50-60 Personen, die Literatur in dieserSprache verfassen. Wichtig ist dabei, dass diese Literatur immer weiterlebt in jeder nchsten Generation wird es einige Personen geben, dieder kaschubischen Dichtkunst nachgehen. Noch dazu kommen sie ausverschiedenen lokalen Milieus (interessanterweise gibt es unter ihnen auchPersonen, die weit weg von der Kaschubei in Polen und in der Ferne, z.B.in den USA, wohnen).

    In dieser Literatur werden alle Gattungen prsentiert von Gedich-ten bis hin zum Drama und Kabarett (z.B.. Kaszbsczi Kabaret FiF ausPutzig http://fif.kaszubia.com/ oder das Kabarett der Schwestern Labudaaus Tuczewo). Es erscheinen neue Gedicht- und Prosabnder, Antholo-gien, Kassettenaufnahmen literarischer Werke (z.B. der Roman ec i przi-god Remusa [Das Leben und die Abenteuer von Remus] von AleksanderMajkowski, herausgegeben auf fnf Kassetten von der Danziger Abtei-lung der Kaschubisch-Pommerschen Vereinigung). Eine Untersttzungfr die Literatur sind Wettbewerbe (der literarische Wettbewerb RyszardStryjewskis in Lauenburg, der seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts

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    Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    organisiert wird, zeichnet auf Kaschubisch verfasste Werke aus; IzabellaTrojanowskas Wettbewerb, von der Redaktion der Pomerania organisiert,oder auch der literarische Wettbewerb Jan Drzedons in Neustadt; vonWettbewerben fr Kinder und Jugendliche nicht zu sprechen) und litera-rische Preise (der lteste ist der Preis Roman Wrblewskis, zuerkannt vonPomerania).

    Eine herausragende Rolle im literarischen Leben spielt auch die ka-schubische Presse, besonders die Monatzeitschrift Pomerania. Nur inden Jahren 19951999 wurden hier fast 150 kaschubische Texte von ber50 Autoren publiziert, darunter 5 dramatische Werke, ber 70 poetischeTexte und nicht weniger Prosatexte. Zur Zeit erscheint zusammen mitPomerania ein literarisches Extrablatt Stegna, ganz auf Kaschubischverfasst. In dieser Sprache wird ebenfalls ein Jahrbuch der Kleriker imPriesterseminar in Pelplin mit dem Titel Kaszbsczi Zwnk herausgegeben.Literarische Materialien lieferte auch droda (http://odroda.zk-p.pl/),Norda, Stolper Gos Kaszb [Stimme der Kaschubei] und die Zeit-schrift Naji Gch (abgesehen von vielen Titeln der Lokalpresse).

    Betonenswert ist die Tatsache, dass es viele Formen der Verbreitungdieser Literatur gibt, auch unter den Jugendlichen. Der bekannteste Vor-tragswettbewerb Dichtung in der Muttersprache [Poezja RodnejMw] mit einer langen Tradition (der erste fand im Jahre 1972 statt)umfasst die ganze Kaschubei und sein Finale ereignet sich seit vielenJahren in Chmielno.

    Von der Lebendigkeit der Literatur knnen nicht nur die originellenWerke zeugen (jedes Jahr erscheinen ein paar Werke sowie Anthologien,z.B. die Kinder- und Jugendanthologie Msl dzecka [Kindergedanken]2001, die Anthologie der kaschubischen Dichtung nach 1990 mit demTitel Dzcz gs [Wilde Gnse], Gdingen 2004), sondern auch berset-zungen, z.B. Adam Mickewiczs Sonety krymskie [Krim-Sonette], bersetztvon Stanisaw Janke, oder Triptik Rzimsczi [Das rmische Triptik] vonJohannes Paul II, bersetzt von Zbigniew Jankowski. Er hat auch dasComicheft von Janusz Christa Kajko i Kokosz. Na latowisk [Kajko undKokosz. In den Ferien] bersetzt, was ein ganz neues Phnomen in derkaschubischen Literatur ist.

    Die kaschubische Literatur ist dezentralisiert. Personen, die auf Ka-schubisch schreiben, wohnen in verschiedenen Orten, in verschiedenenTeilen der Kaschubei. Die kaschubischen Bcher erscheinen eigentlich in

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    allen Stdten der Kaschubei, ja sogar in den Drfern. Kaschubische Werkewerden in der lokalen Presse gedruckt. Einzelne literarische Wettbewerbefinden an verschiedenen Orten statt.

    Diese Dezentralisierung ist der kaschubischen Literatur zweifelsohnedienlich, weil sie ihr den Zufluss neuer Krfte und einen breiteren Emp-fngerkreis sichert. Gleichzeitig jedoch fehlt es an Zusammenarbeit undKonzentration. Eine Idee war die Grndung einer Gruppe junger Auto-ren Zymk [Der Frhling], die sich gelegentlich in Neustadt treffen undihren eigenen literarischen Almanach unter demselben Titel herausgeben(bis jetzt sind fnf Bnde erschienen). Informationen ber die Gruppe undWerke der Autoren kann man im Internet finden (http://www.zymk.net/).Bezeichnenderweise sind immer mehr sowohl klassische, als auch gegen-wrtige Werke im Netz zugnglich. Ein Beispiel sollte der Remus-Romansein, den man nicht nur lesen aber auch hren kann (http://monika.univ.gda.pl/~literat/remus/remusa.pdf hier befinden sich zustzlich eineBiografie des Autors und eine Skizze von Prof. Andrzej Bukowski).Die meisten Werke findet man jedoch auf der Seite Kaszbsk Cztnica(www.czetnica.org). Hier befinden sich die Werke von lteren Schrift-stellern (z.B. Jan Karnowski, Alojzy Budzisz, Leon Heyke, Florian Cey-nowa u.a.), von gegenwrtigen Autoren, aber auch bersetzungen derWeltliteratur (z.B. Agatha Christie, Terry Pratchett, Charles Bukowski oderCharles Dickens u a.). Es gibt auch ein Comicheft: Inverloch. Manbraucht nicht dazu zu sagen, dass alles auf der Seite, samt Beschreibungen,in kaschubischer Sprache verfasst ist.

    Das kaschubische Theater

    Man kann nicht von der kaschubischen Literatur schreiben, ohne dasTheater zu erwhnen. Um so mehr als das Volkstheater in der Kaschubeiseine eigene alte Tradition hat, obwohl die kaschubischen Inhalte zumersten Mal am Anfang des 20. Jahrhunderts verwendet wurden. Ein Durch-bruch war jedoch das Erscheinen des kaschubischen dramatischen Schrift-tums, vor allem von Jan Karnowski, Priester Leon Heyke, Jan Rompski,

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    Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    Anna ajming und wahrscheinlich von dem bekanntesten Autor, d.h. vonPriester Bernard Sychta. Viel wichtiger es tauchen immer neue Autorenauf, zu deren Werken Schpfer aus den lokalen Theatern griffen und greifen(Aleksy Pepliski, Ida Czaja). Fr den Bedarf von kaschubischen Theatern,besonders von den Kinder- und Schultheatern, werden auch klassischeTexte adaptiert und bersetzt (ein Beispiel soll Das kleine Mdchen mitden Schwefelhlzern von J. Ch. Andersen sein).

    In den 80er und 90er Jahren wirkten kaschubische Amateurtheateru.a. in Zapce (Theater BELECO) in Lusin [Luzino], Sierakowitz [Siera-kowice] (Teater Bina).

    Zur Zeit entwickeln sich auergewhnlich dynamisch Festivals vonWeihnachtslieder- und Weihnachtsspielgruppen (die ersten, sehr bekann-ten und hoch geschtzten Weihnachtspiele wurden 1983 in Lauenburgvorbereitet; es war eine Vorstellung nach dem Werk von S. Fikus Za juda-szowe strzbniki [Fr Silberlinge von Judas] und die Premiere fand am27. Mrz 1983 in der Jakobskirche statt), die manchmal erweiterte para-theatralische Vorstellungen prsentierten. Die grte Veranstaltung dieserArt ist das Festival der Weihnachtsliedergruppen in Sierakowitz, das dieganze Region umfasst und an dem jedes Jahr einige Hundert Darstellerteilnehmen. Ein betrchtlicher Teil der Stcke wird auf Kaschubisch auf-gefhrt. Vorstellungen in kaschubischer Sprache werden auch von Schul-theatern und Volksmusikgruppen vorbereitet.

    Professionelle Vorstellungen, die zur kaschubischen Literatur undFolklore griffen, fhrte einst das Stadttheater in Gdingen auf (1996 berei-tete es die Adaption des Stcks von Franciszek Sdzicki Chrystus z Btowa,czyli zabijanie starego roku [Christus aus Btow, oder vom Tten des altenJahres] vor). Fgen wir noch die kaschubischen Vorstellungen der Pup-pentheater hinzu. Die Stolper Tcza [Der Regenbogen] brachte u. a.das Stck von J. Karnowski Kaszubi pod Wiedniem [Die Kaschuben beiWien]auf die Bhne, adaptiert und inszeniert von Zofia Mikliska-Janie-wicz; gezeigt wurde es auch whrend der 300-Jahrfeier des Entsatzes vonWien in Adlig Briesen [Brzeno Szlacheckie] im Jahre 1983 und beim9. Polnischen Puppentheaterfestival in Oppeln [Opole]. Darber hinauswurde hier im Jahre 1987 auch eine freie Adaption des Romans ci przigod Remusa [Das Leben und die Abenteuer von Remus] von A. Maj-kowski vorbereitet. Kaschubische Vorstellungen bereitete auch die Dan-ziger Miniatura vor. Einen anderen Charakter hatte die Auffhrung

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    des Stcks, das an den Roman c i przigod Remusa von A. Majkowskiangelehnt war (es wurde im Fernsehtheater im Jahre 1987 gezeigt).

    Aber die interessanteste Theatererscheinung in der Kaschubei istheutzutage sicherlich das Theater Dialogus, gegrndet in Parchau [Par-chowo] 1992 von Jaromir Szroeder. Dieses Theater fhrt verschiedene expe-rimentelle Stcke auf und nutzt den Bestand der kaschubischen Kulturund Literatur. Zu seinem Repertoire zhlen einige Auffhrungen, u.a. Drzwi[Die Tr], Das kaschubische Mysterium und die Krnung des ProgrammsRemusonalia die szenische Adaption des Romans c i przigod Remusa.Jedes Jahr ist das Theater auch der Gastgeber der Biesiada Teatralna[Theaterhochgenuss], an der Ensembles aus ganz Europa teilnehmen.

    Erwhnenswert ist auch... Shakespeare auf Kaschubisch! Whrendder Jubilumsfeier des groen Schriftstellers wurden im Danziger Ostsee--Kulturzentrum [Nadbatyckie Centrum Kultury] im April 2007 Auszgeaus Der Widerspenstigen Zhmung auf Kaschubisch aufgefhrt (in denHauptrollen traten Damroka Kwidziska und Zbigniew Jankowski auf).

    Die Verlage

    Wenn man von Literatur spricht, sollte man auch die Verlageerwhnen. Vor 1989 wurden Bcher zum Themenkreis Kaschubei undKaschubei hauptschlich von der Kaschubisch-Pommerschen Vereinigungherausgegeben (vorher gab der Seeverlag [Wydawnictwo Morskie] inGdingen einige Bnde kaschubischer Literatur im Rahmen der SerieKaschubische Bchersammlung [Kaszubska Biblioteczka] heraus). Bis 1990erschienen im Verlag der K-PV fast 350 Titel in einer Gesamtauflage vonber einer Million Exemplaren. Hinzugefgt sei, dass alles ohne staatlicheZuschsse oder symbolische finanzielle Untersttzung, ohne Papierzutei-lung, ohne gesicherten Platz in den Druckereien, ohne feste Verlagsrechteund trotz stndigen Widerstandes seitens der Behrden (nicht nur seitensder Zensur!) mglich war. Ausschlielich mit einem hohen Ma an gesell-schaftlicher Anstrengung! Das ist eben der Mastab der Handlungswirk-samkeit des kaschubischen Regionalmilieus.

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    Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    Nach der demokratischen Wende wurde der Verlagsmarkt differen-zierter. Kaschubische Bcher werden immer noch von regionalen Verei-nen herausgegeben (hauptschlich K-PV), aber auch von privaten Verla-gen (Oficyna Czc, Wydawnictwo Region aus Gdingen, WydawnictwoROST, Wydawnictwo BiT, Wydawnictwo Nowator), Stiftungen, Wissen-schaftsgesellschaften (hier sollte man unterstreichen, dass die DanzigerWissenschaftsgesellschaft [Gdaskie Towarzystwo Naukowe] noch vor1989 einen groen Verdienst fr die kaschubische Gemeinschaft hatte),Museen, regionalen Selbstverwaltungen (z.B. Stadt- und Dorfmonogra-phien), Hochschulen (besonders die Universitt Danzig [UniwersytetGdaski] und die Pommersche Akademie in Stolp [Akademia Pomorskaw Supsku]), der lokalen Presse (z.B. Btower Kurier [Kurier Bytow-ski] oder Karthauser Zeitung [Gazeta Kartuska]), Schulen, Pfarrge-meinden, Dizesen (bedeutende Stellung des pelpliner Verlags Bernar-dinum), Bibliotheken etc. Manchmal kann man auch in den kaschubi-schen Milieus hren, dass jetzt jedes Jahr so viele Bcher zur kaschubisch--pommerschen Thematik erscheinen, wie vor 1989 innerhalb des ganzenJahrzehnts!

    Ein Grundproblem ist hingegen zweifellos das Defizit in der Wirk-samkeit des Vertriebsmarktes. Um so problematischer ist, dass diese Bchermeistens kleine Auflagen haben, die Verlage haben genug Ressourcen frdie Herausgabe, aber es fehlt ihnen an Ressourcen fr Werbung und Pro-motion. Es fehlt auch stndig an ausfhrlichen Informationen zum regio-nalen Buch. Es gibt jedoch einige Versuche: einer davon kann die Messedes Kaschubischen und Pommerschen Buchs [Targi Ksiki Kaszubskieji Pomorskiej] in Berent sein (sie findet im August statt und wird von derdortigen ffentlichen Bibliothek zusammen mit den Selbstverwaltungs-behrden von Berent organisiert). Jedes Mal werden Preise in den Katego-rien des kaschubischen und des pommerschen Buchs verliehen. Dies isteine Gelegenheit zur vollen Prsentation des kaschubisch-pommerschenVerlagsrepertoires. Immer wichtiger in der Werbung und im Vertrieb deskaschubischen Buchs wird das Internet.

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    Medien und Internet

    Die kaschubische Gemeinschaft versuchte immer, trotz ungnstigerBedingungen in der Zeit der Volksrepublik Polen, ihre eigenen Kanleder Gruppenkommunikation zu schaffen. Zuerst wurde direkt nach demKrieg (19451947) in Neustadt Zrzesz Kaszbska herausgegeben. Nachihrer Entstehung fing die Kaschubische Vereinigung an, die ZeitschriftKaszb herauszugeben. Sie erschien in den Jahren 19571961 als Zwei-wochenzeitschrift. Danach wurde sie von den Behrden eingestellt.

    An dieser Stelle entstand 1963 die Informationszeitschrift der Ka-schubischen Vereinigung [Biuletyn Zrzeszenia Kaszubskiego], die da-nach in die Monatszeitschrift Pomerania umgewandelt wurde. Es istdie am lngsten erscheinende Zeitschrift in der Geschichte der kaschubi-schen Gemeinschaft (die einzige Pause gab es in den Jahren 19821983in Folge der Verhngung des Kriegszustandes in Polen am 13. Dezember1981).

    Heute gibt es in der Kaschubei eine Menge von Lokalzeitungen.Praktisch in jedem Kreis gibt es einige davon. Sie haben unterschiedlicheReichweiten (kreisbergreifende und solche, die in einem Kreis eine odermehrere Gemeinden umfassen). Es gibt Selbstverwaltungszeitungen, dievon regionalen Organisationen herausgegeben werden (darunter K-PV),aber die meisten von ihnen sind eine private Initiative.

    In vielen von ihnen wird nicht nur von der Kaschubei geschrieben,sondern auch auf Kaschubisch. Darber hinaus hat die grte Tageszei-tung in der Region, d.h. die Ostseezeitung [Dziennik Batycki] ihreigenes kaschubisches Extrablatt Norda (es erscheint jeden Freitag alsZulage zu den lokalen Ausgaben). Auch in der Stolper Stimme Pom-merns [Gos Pomorza] erschien einige Jahre lang ein Extrablatt mitdem Titel Stimme der Kaschubei [Gos Kaszb].

    Kaschubisch ist auch in den elektronischen Medien prsent.

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    Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    In dem Sender Telewizja Gdask ist es das Magazin Rdno zemia[Die Heimat] (seit 2005 mittwochs und donnerstags, 25 Min.). SeineBegrnderin war Red. Izabella Trojanowska. Das Magazin wird bereitsseit 15 Jahren ausgestrahlt!

    Im ffentlichen Sender Radio Gdask gibt es zwei kaschubische Sen-dungen eine wchentliche Sendung Na btach w borach [Auf denBooten und in den Wldern] (sonntags, 55 Min.) und seit 2004 eine Infor-mationssendung Klka (Montags bis Freitags, jeweils 20 Min. abends).Der ffentliche Sender Radio Kslin [Radio Koszalin] wiederum strahltabends das Magazyn Kaszubski [Das Kaschubische Magazin] (15 Min.)und auerdem die Sendung Wiodro na weekend [Wettervorhersage frsWochenende] (jeden Freitag) und Serwis kaszubski [Kaschubische Nachtrich-ten] (jeden Sonntagmorgen) aus.

    Ein wesentliches Novum ist der seit Ende 2004 bestehende privateSender Radio Kaszb (gefhrt durch den Verein Putziger Land [Sto-warzyszenie Ziemia Pucka]). Dieser Sender ist komplett der kaschubi-schen Kultur gewidmet und informiert ber die wichtigsten Ereignisse,die in der Kaschubei stattfinden.

    Hinzugefgt sei noch, dass der private Sender Radio Weekend ausKonitz viel Platz fr regionale Problematiken einrumt.

    Eine immer verbreitetere Quelle der Informationen ber die Kaschu-bei, die kaschubische Kultur, die Institutionen, die Ereignisse, die frdiese Gemeinschaft wichtig sind, wird das Internet. Wenn wir das Schlag-wort Kaschubei oder Kaschuben (in verschiedenen Sprachen) eingeben,erhalten wir tausende Links zu Websites, die nicht nur in Polen entste-hen. Einige von ihnen sind erwhnenswert. Es existiert zum Beispiel, ob-wohl noch bescheiden in ihrem Ausma, eine kaschubische Version vonWikipedia (www.csb.wikipedia.org) bemerkt sei, dass die AbkrzungCBS als Bezeichnung fr die kaschubische Sprache angewendet wird(es ist ein internationaler Code, der von dem bei der Kongressbibliothekder Vereinigten Staaten ttigen ISO-Komitee 639-2 zugeteilt wurde).

    Ein Internetportal, in dem sich viele kaschubistische Materialien be-finden, ist Nasze Kaszuby [Unsere Kaschubei] (www.naszekaszuby.pl).Wir finden hier nicht nur aktuelle Informationen, sondern auch vielepublizistische und populrwissenschaftliche Artikel, ziemlich reichesikonographisches Material, eine kaschubische Bibliographie, Quellen derPomerania, einen Link zur Internetbuchhandlung, unter dem man

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    zahlreiche kaschubische und pommersche Bcher kaufen kann usw. Esgibt auch ein Diskussionsforum, obwohl man, wie im Falle jedes Forums,wertvolle Stimmen (und solche gibt es auch) von verschiedenen frustrier-ten Stimmen unterscheiden muss.

    Ein anderes wichtiges kaschubisches Portal ist www.kaszubia.com,verfasst auf Kaschubisch, Polnisch und Deutsch. Wir finden hier kaschu-bische Bibliographien, Materialien zu Geschichte, Ethnographie, Genea-logie, zahlreiche literarische und religise Texte, eine Konkordanz geo-graphischer Namen usw. Besonders wertvoll sind die Hilfsmaterialien undProgramme fr Computerbenutzer. Es gibt hier z.B. Cassubdict, d.h. einkaschubisches Wrterbuch fr Windows, K-Melon, d.h. eine kaschubi-sche bersetzung der Suchmaschine, ein kaschubisches Tastaturpro-gramm, das ganze Programm Linux in kaschubischer Version (Linuxcsb.org) u. a. Auerdem gibt es viele Links zu wichtigen kaschubischen Inter-netseiten.

    Einen anderen Charakter hat die Seite www.rastko.net/rastko-ka. Diesist eine kaschubische Subseite auf einem der grten slawistischen Portale.Hier gibt es eine Menge historisches, literarisches, sprachwissenschaftlichesusw. Material.

    berdies finden wir im Internet ein kaschubisches Online-Wrter-buch (www.cassubia-dictionary.com), einen kaschubischen TexteditorKaszEd (http://kaszed.zk-p.pl), die elektronische Version des RomansMajkowskiego c i przigod Remusa von A. Majkowski, Seiten voneinzelnen kaschubischen Organisationen z.B. der Kaschubisch-Pom-merschen Vereinigung (www.kaszubi.pl), des Kaschubischen Instituts(www.instytutkaszubski.pl), der kaschubischen Museen, Schulen, Selbst-verwaltungen, der lokalen Presse, Bibliotheken, Kulturzentren etc.

    Dank des Internets ist es auch mglich, Kontakt zu dem kaschubi-schen Milieu aufzunehmen, das in der ganzen Welt zerstreut ist. Organi-sationen und Gemeinschaften aus den USA, Deutschland und Kanadagrnden ihre Webseiten und geben somit den Beweis dafr, dass derkaschubische Geist auch in den entferntesten Erdwinkeln lebt. Auf derSeite http://www.studienstelleog.de/kaschuben/kaschub-inhalt.htm fin-den wir deutschsprachige Texte, die der Kaschubei gewidmet sind. Ihreeigene Webseite besitzt KANA, d.h. Kashubian Association of NorthAmerica (http://www.ka-na.org) sowie Kashubian Family Research Cen-ter (http://www.kashuba.org). Auf den Seiten http://www.wilno.org und

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    Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    http://www.kaszuby.net finden wir Informationen ber die kanadischeKaschubei. Man knnte noch mehr Beispiele aufzhlen.

    Bei der Benutzung der im Netz enthaltenen Materialien muss mansich von dem Grundsatz des begrenzten Vertrauens leiten lassen dieInformationen soll man prfen und mit anderen Quellen konfrontieren z.B. mit der wissenschaftlichen Literatur, Presse usw.

    Folklore und Volkskunst

    Das Bild der gegenwrtigen Kultur der Kaschubei wre hchst unvoll-kommen, wenn man die Volklore und die Volkskunst nicht vorstellte.Diesem Kulturbereich ging es whrend der ganzen Nachkriegszeit ganzgut, vielleicht auch deswegen, weil er nie auf einen amtlichen Folkloris-mus reduziert wurde. Niemals entstand in der Kaschubei z.B. einereprsentative folkloristische Tanz- und Gesangsgruppe, obwohl esAnfang der 50er Jahre ein solches Vorhaben gab.

    Aber eine richtige Aktivittsexplosion gab es nach 1990. Dies ist einwichtiges Phnomen trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situationgelang es, nicht nur die alten Gruppen zu erhalten, sondern auch ihreZahl zu vermehren. Heute fungieren in der Kaschubei einige zehn (manchegeben ber 100 an) Folkloregruppen, die durch die ganze Welt reisenund somit zu den besten Botschaftern der kaschubischen Kultur werden.In den 90er Jahren fanden die Kaschubischen Festivals [Festiwale Ka-szubskie] in Stolp statt und es werden nach wie vor Internationale Fol-klorefestivals [Midzynarodowe Festiwale Folklorystyczne] fortgesetzt,die von der Gruppe Krban aus Bru [Brusy] organisiert werden undan denen neben den kaschubischen Gruppen auch Gruppen aus der gan-zen Welt teilnehmen (die Konzerte finden in ein paar Orten in der Ka-schubei statt, u. a. in Btow, Sierakowitz, Konitz usw.). Es gibt noch vielmehr Festivals mit lokalem Charakter.

    In der Kaschubei sind auch Hunderte von Volksknstlern aktiv, dietraditionelle Volkskunstarten betreiben wie: Stickerei-, Flecht- und Tp-ferkunst, Volksbildhauerei, Hornkunst (Hornartikel, z.B. Tabakdosen),

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    Glasmalerei usw. Von der Lebenskraft der Volkskunst kann selbst derbereits 30-jhrige Jugendwettbewerb Volkstalente [Ludowe Talenty]zeugen, der mit seiner Reichweite die ganze Kaschubei umfasst (jedesJahr nehmen daran Hunderte von Menschen teil) und vielleicht der wich-tigste Wettbewerb ist. Unter den Knstlern hat Die Moderne Volkskunstder Kaschubei [Wspczesna Sztuka Ludowa Kaszub] das grtePrestige. Auerdem gibt es viele lokale Wettbewerbe.

    Auch etliche Freilichtveranstaltungen drfen nicht unbeachtet gelas-sen werden, darunter eine groe Veranstaltung: Bildhauerei unter freiemHimmel vor dem Papstbesuch in Zoppot im Jahre 1999. Whrend dieserFreilichtveranstaltung bereiteten einige zehn Knstler hauptschlich ausder Kaschubei (aber auch aus Kotzewie und Krajna) einen Altar vor, deraus mehreren zehn Volksskulpturen bestand. Es war wahrscheinlich einerder originellsten Papstaltre in der Geschichte der Pilgerfahrten. Heutefindet man die Figuren aus diesem Altar als kleine Kapellen, die an denStraen oder Husern in verschiedenen Teilen der Kaschubei und Pom-merns stehen.

    Ein anderes Beispiel ist die schon seit 25 Jahren organisierte Freilicht-veranstaltung der Volksknstler in Turmberg [Wieyca] und Sterbenin[Starbienino] an der Kaschubischen Volkshochschule [Kaszubski Uniwer-sytet Ludowy]. Dank dieser Veranstaltung wurde an der KVHS eine ein-zigartige Sammlung der modernen Volkskunst der Kaschubei und Pom-merns geschaffen.

    Die Volkskunst erlebt ihre Renaissance, sie wird in allen ethnogra-phischen Museen in der Kaschubei und in Pommern prsentiert. Sie istauch eine wichtige Einnahmequelle fr die Knstler geworden, die ihreWerke vor allem in der touristischen Saison an verschiedenen Jahrmrkten,Festen usw. ausstellen (der bekannteste ist wohl der seit mehreren Jahr-zehnten im Freilichtmuseum in Sanddorf [Wdzydze Kiszewskie] stattfin-dende Sanddorfer Jahrmarkt [Jarmark Wdzydzki]). Diese Kunst fandihren Weg zu Lden, die auf den Verkauf von kaschubischen Souvenirsspezialisiert sind. Dabei tauchen natrlich Fragen und Dilemmas auf, wie:wo ist die Grenze zwischen Kunst und kommerzieller Herstellung oderwird sie nicht doch verwischt?

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    Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    Wissenschaft

    Die kaschubische Frage ist stark mit der Wissenschaft verbunden,weil es die Wissenschaftler waren, die als erste ffentlich die Frage stell-ten: wer sind die Kaschuben? Als erste fingen sie an, die kaschubischeIdentitt, ethnische Herkunft, Sprache usw. zu untersuchen, zu beschre-iben und zu diskutieren. Diese am Anfang in einem kleinen Kreis gefhrtenDiskussionen lsten bereits im 19. Jahrhundert einen heftigen Streit aus,dessen Ergebnis auch die Popularisierung des Wissens ber die Kaschu-ben und die Verstrkung ihrer Identitt und Autoidentifizierung ist.

    Untersuchungen zur kaschubischen Problematik wurden in der gan-zen Nachkriegszeit gefhrt. Nach der demokratischen Wende im Jahre1989 traten hier ziemlich bedeutende nderungen ein.

    Man sieht vor allem eine eindeutige Entwicklung der Forschung, dieselbst an dem Zuwachs der Publikationen gemessen werden kann, oderan der Zahl der organisierten Konferenzen, auf denen kaschubischeThemen diskutiert werden (ein nur oberflchliches Verzeichnis der wich-tigsten Konferenzen in den letzten Jahren umfasst ber sechzig Treffen!).Noch vor der Wende 1989 war jedes wissenschaftliche Buch ber dieKaschubei und die Kaschuben ein Ereignis. Jetzt wird so viel herausgege-ben, dass es schwer ist, es zu erfassen, geschweige denn es zu kaufen. Jedeneue Person, die sich mit der kaschubischen Problematik wissenschaftlichmessen mchte, steht vor dem Problem, die lawineartig wachsende Li-teratur zu erfassen. Dabei erfolgt eine qualitative Vernderung unseresWissens ber die Kaschubei und die Kaschuben.

    Als Beispiel kann man hier die historische Forschung heranziehen,z.B. die Werke von Zygmunt Szultke, die unser Wissen ber die Kaschubenin Westpommern vernderten und eine Reihe von neuen Informationenber die ltesten kaschubischen Literaturdenkmler lieferten. Andauerndentstehen neue Dorf- und Stadtmonographien. Herausgegeben wurde auch

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    der erste Band der Geschichte der Kaschuben [Historia Kaszubw], verfasstvom Nestor der kaschubischen Gelehrten Prof. Gerard Labuda.

    In der Soziologie brachte die soziologische Monograpie Kaszubi [DieKaschuben] unter der Redaktion von Marek Latoszek einen Umbruch.Es sind auch andere Monographien dieses Autors hinzuzufgen, hnlichwie die Arbeiten von Brunon Synak mit der Kaschubischen Identitt[Kaszubska tosamo] an der Spitze.

    Die Neunziger Jahre brachten weitere lexikographische Initiativen:das zweibndige polnisch-kaschubische Wrterbuch von Jan Trepczyk,bearbeitet von Jerzy Treder, fnf Bnde des Etymologischen Wrterbuchsdes Kaschubischen [Sownik etymologiczny kaszubszczyzny], bearbeitet vonHanna Popowska-Taborska und Wiesaw Bory, und letztendlich die volleAusgabe des Wrterbuchs der pommerschen, d.h. der kaschubischen Sprache[Sownik jzyka pomorskiego, czyli kaszubskiego] von Stefan Ramut, bear-beitet von Jerzy Treder. Der Ertrag der Sprachwissenschaftler im Bereichder Untersuchungen zum Kaschubischen in den letzten Jahren ist wirklichimposant.

    Genauso bedeutend ist die Leistung der Ethnographen (z.B. die drei-bndige Monographie der musischen Folklore Kaszuby [Die Kaschubei]von Ludwik Bielawski und Aurela Mioduchowska), der Musikwissen-schaftler, der Literaturhistoriker, der Biographen (es entstanden wissen-schaftliche Biographien von Aleksander Majkowski, Jan Karnowski, Fran-ciszek Sdzicki).

    Man knnte noch vieles aufzhlen und auf die neuen Leitfden inPublikationen von Pdagogen, Politologen, Geographen hinweisen Daszweisprachige Buch Pomorze maa ojczyzna Kaszubw [Pommern diekleine Heimat der Kaschuben], das in Zusammenarbeit mit dem deutschenMilieu herausgegeben wurde, sowie ein Buch mit dem Titel KaschubistischeForschungen im 20. Jahrhundert [Badania kaszuboznawcze w XX wieku],das nach Konferenzen gesammelte Materialien enthlt, sind bis zu einem ge-wissen Grade eine Zusammenfassung des bisherigen Wissensstandes berdie Kaschuben in verschieden Domnen (von der Geographie bis hin zurEthnographie, ber die Geschichte, Soziologie, Literaturgeschichte usw.).

    Einen bedeutenden Teil des wissenschaftlichen Ertrags (bis 2004)enthlt die Bibliographie zu Studien ber kaschubisch-pommersche Fragen[Bibliografia do studiowania spraw kaszubsko-pomorskich], herausgegebenvom Kaschubischen Institut [Instytut Kaszubski] (fast 10.000 Titel).

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    Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    Es entwickelt sich auch das Milieu der Kaschubenwissenschaftler.Der Ausdruck dafr war die Grndung des Kaschubischen Instituts imJahre 1996 (die Registrierung erfolgte im Januar 1997). Es ist die erstewissenschaftliche Gesellschaft in der Geschichte der Kaschubei, die zurZeit ber 90 Personen aus verschiedenen akademischen Zentren Polenszusammenschliet (hauptschlich jedoch aus den Hochschulen der Drei-stadt) sowie aus Kanada, Deutschland, Belgien, Estland und Dnemark.Dies sind Wissenschaftler, dessen Beziehungen zu der Kaschubei entwederauf ihre Herkunft oder auf ihr Forschungsinteresse an kaschubistischenFragen zurckzufhren sind.

    Gem der Satzung sind die Hauptziele des Instituts in Anknpfungan die Bedrfnisse und Erwartungen der kaschubischen Gemeinschaft, sowiean die Tradition der kaschubistischen Forschung, die Organisierung der For-schungsarbeiten und die Verbreitung ihrer Ergebnisse, die Bereicherung undEntwicklung der regionalen kaschubisch-pommerschen Bewegung, die Inte-gration des kaschubisch-pommerschen wissenschaftlichen Milieus und dasUnternehmen von Aktivitten zu Gunsten seiner Entwicklung. Diese Zielerealisiert das Institut, indem es wissenschaftliche Konferenzen und Semi-nare organisiert (bis jetzt ber 60, darunter ein paar internationale), Verlag-sttigkeiten ausbt (Publizierung von ber 90 Bnden zu verschiedenenThemen, nicht nur wissenschaftliche Bcher, sondern auch Gedichte,Ausstellungskataloge), seine eigene Bibliothek fhrt, internationale Kon-takte pflegt, Stipendien fr Jugendliche vergibt usw. Seit 1999 gibt dasInstitut sein eigenes wissenschaftliches Jahrbuch Acta Cassubiana heraus.Prsident des Instituts ist seit der Grndung Prof. Jzef Borzyszkowski.

    Museen

    Die Kaschubei und Pommern gehren heute zu den Regionen mitden meisten Museen. Die bekanntesten und beliebtesten sind die Frei-lichtmuseen der kaschubische Ethnographiepark [Kaszubski Park Etno-graficzny] in Sanddorf [Wdzydze Kiszewskie] (das lteste Museumsolcher Art in Polen, gegrndet 1906 von Izydor Gulgowski) und das

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    Museum des Slowinzischen Dorfes [Muzeum Wsi Sowiskiej] in Kluc-ken [Kluki] (es gibt noch kleinere Freilichtmuseen in Nadolle [Nadole],Sommin [Sominy], Frankenhagen [Silno]). Betrchtliche kaschubische undpommersche Sammlungen haben die ethnographischen Museen in Oliva[Oliwa] (Abteilung des Nationalmuseums [Muzeum Narodowe] in Dan-zig), Btow (Westkaschubisches Museum [Muzeum Zachodnio-Kaszub-skie]), Konitz (Historisch-Ethnographisches Museum [Muzeum Histo-ryczno-Etnograficzne]) und in Karthaus (das kaschubische Museum[Muzeum Kaszubskie], die ethnographischen Abteilungen der Museen inStolp, Putzig und Lauenburg). Aber es gibt auch in der Kaschubei einzi-gartige Museen, z.B. das Museum der Polnischen Schule [MuzeumSzkoy Polskiej] in Platenheim [Potowo] bei Btow (seit 1929 trat hierdie erste polnische Schule in Aktion im Btower Land, das damals zuDeutschland gehrte), das Museum der Kaschubischen Keramik derFamilie Necel [Muzeum Ceramiki Kaszubskiej Neclw] in Chmielno[Chmielno], das Fischereimuseum [Muzeum Rybowstwa] in Hela [Hel],das Museum der Nationalhymne [Muzeum Hymnu Narodowego] in GroBendomin [Bdomin] (wenige Menschen in Polen wissen, dass der Autorder Nationalhymne aus einer bekannten kaschubischen Adelsfamiliekommt und mitten im Herzen der Kaschubei in Sykorschin [Sikorzyna]bei Turmberg geboren wurde).

    Besonders betonungswert ist die Tatsache, dass die Museen nach derWende 1989 erhalten blieben und sich auch entwickelten. Neben denbereits bestehenden Museen entstanden auerdem neue gegrndet vonder Selbstverwaltung (auch in den Drfern, z.B. in Sierakowitz, Lebno[ebno], Museum der Bauernwirtschaft [Muzeum Gospodarstwa Wiej-skiego] in Lippusch [Lipusz] und in kleinen Stdtchen es entstandz.B. ein Freilichthof in Bru, der in Verbindung mit dem anliegenden Hofeines besonderen Volksknstlers, Jzef Chemowski, ein einzigartigeslokales Kulturzentrum bildete), von privaten Trgern (z.B. das Museumunter dem Strohdach [Muzeum pod strzech] in Heisternest [Jastarnia], dasFischersammlungen prsentiert), von kirchlichen Trgern (z.B. von derPfarrkirche in Zuckau [ukowo] oder von dem Kloster in Neustadt),gefhrt von K-PV-Abteilungen (z.B. das kaschubische Fischerhaus inHeisternest [chcz rybacka w Jastarni]). Auerdem schtzt man die Zahlverschiedener Regionalkammern in der Kaschubei auf 40, obwohl esscheint, dass diese Zahl, besonders bei der Bercksichtigung der Schul-

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    Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    kammern, zu niedrig eingeschtzt ist. Interessanterweise evolvierten man-che von diesen Kammern in selbstndige Museen, z.B. das vor ein paarJahren gegrndete Museum in Berent im restaurierten historischenRathaus auf dem Marktplatz.

    Es gibt jedoch noch ein Museum, auf das die kaschubische Gemein-schaft besonders stolz ist: das Museum der Kaschubisch-PommerschenLiteratur und Musik [Muzeum Pimiennictwa i Muzyki Kaszubsko--Pomorskiej] in Neustadt. In Neustadt selbst wurde bereits vor und nachdem Krieg von der Grndung des Museums gesprochen, aber bis in diesechziger Jahre gab es keine Bedingungen dafr. Es gelang, es im Jahre1968 ins Leben zu rufen.

    Zur Zeit befindet es sich im schn restaurierten Schloss der FamiliePrzebendowscy [Paac Przebendowskich] und es hat in seinen Sammlun-gen Nachlsse von den hervorragendesten kaschubischen und pommer-schen Schriftstellern, Musikern, Kulturtrgern, Wissenschaftlern undregionalen Aktivisten. Hier befinden sich u. a. Nachlsse von AleksanderMajkowski, Jan Karnowski, Franciszek Fenikowski, Feliks Rogaczewski,Franciszek Sdzicki, Hubert Suchecki, Izabella Trojanowska, Jan Romp-ski, Julian Rydzkowski... Man knnte noch viele aufzhlen. Das Museumbesitzt eine beachtliche Bibliothek (auch Inkunabeln), eine riesige Samm-lung regionaler Presse und eine kartographische Sammlung Es bt auchAusstellungs- Verlags- und Vortragsttigkeiten aus, organisiert wissenschaft-liche Konferenzen (u. a. organisiert es die zyklische Konferenz Regiona-les Polnisch in Pommern [Polszczyzna Regionalna Pomorza] mit). Esist heute eine der wichtigsten Kultur- und Wissenschaftssttten in derKaschubei.

    Die kaschubisch-pommersche Bewegung heute

    Man kann die kaschubische Gegenwart nicht losgelst von der Rolleund Bedeutung der Kaschubisch-Pommerschen Vereinigung darstellen.Innerhalb von 50 Jahren ihres Bestehens (gegrndet 1956 als Kaschu-bische Vereinigung, seit 1964 Kaschubisch-Pommersche Vereinigung)

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    fhrte diese Organisation zur vorher nicht gesehenen Entwicklung derkaschubischen Kultur, zur Verbreitung und Befestigung der kaschubischenIdentitt.

    Zur Zeit umfasst die K-PV ein paar Tausend Mitglieder in 88 regio-nalen Abteilungen, von denen die meisten in der Kaschubei ttig sind,aber auch in Westpommern, in Krajno, Kotzewie [Kociewie], in derTucheier Heide [Bory Tucholskie], im Weichselland [Powile], im Kul-mer Land [Ziemia Chemiska] (in Thorn [Toru] und in Graudenz[Grudzidz]).

    Darber hinaus sind in der Organisationsstruktur nicht nur die regio-nalen Abteilungen wichtig, sondern auch andere Akteure wie: der Stu-dentenclub Pomorania, der die Jugend aus den Hochschulen der Drei-stadt konzentriert (gegrndet 1962), oder ein hnlicher Club mit demNamen Tatczzna [Vterliches Erbe], der an der Pommerschen Pda-gogischen Akademie [Pomorska Akademia Pedagogiczna] in Stolp (seitden 90ern) ttig ist, der Touristikverein Wanonik [Der Wanderer],Strickclubs usw. Eine wichtige Institution, die im Jahre 2003 auf Grunddes Abkommens zwischen dem Prsidenten von Gdingen, der ffentli-chen Stadtbibliothek und der Abteilung der K-PV in Gdingen entstand,ist das Zentrum fr Kaschubisch-Pommersche Kultur [Orodek KulturyKaszubsko-Pomorskiej]. Jeden Monat finden hier Diskussionsrunden,Werbeaktionen fr Bcher, Vortrge, Workshops und Seminare der Se-niorenuniversitt statt. Im Mittelpunkt des Zentrums steht die beacht-liche Bchersammlung zur kaschubisch-pommerschen Thematik.

    Betont sei die Tatsache, dass die Kaschubisch-Pommersche Vereini-gung viele unterschiedliche Gestalten annimmt: sie ist eine kaschubische,aber auch eine pommersche Organisation es gibt hier schlielich nichtnur Kaschuben, sondern auch andere Pommerer, Menschen, die keineFamilienwurzeln in Pommern haben, ja sogar Auslnder. Sie ist gleichzei-tig eine ethnische und regionale Organisation, eine Kultur- und Bildungs-organisation und eine kologische und politische Organisation (jedochnicht im parteilichen Sinne). Sie ist eine Intellektuellenorganisation, aberes sind darin alle Berufsgruppen reprsentiert: Unternehmer, Manager,Bauern, Arbeiter, Beamte, Priester, Fischer, Handwerker... Sie ist eineOrganisation (die man einst als Kaderorganisation zu bezeichnen pflegte),die Milieueliten konzentriert, gleichzeitig aber eine Massenorganisation,weil sie schlielich ein paar Tausend Mitglieder zhlt. Sie ist eine Organi-

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    Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    sation von gemischten Altersstufen es gibt hier vornehme Nestoren, aberauch eine betrchtliche Gruppe von Jugendlichen, nicht nur Studenten.Sie ist eine Organisation, die vor allem in den lokalen Milieus verwurzeltist, die aber auch unter den grostdtischen Wissenschafts-, Knstler-oder Politikeliten reprsentiert ist.

    Es ist nicht mglich, diese Organisation kurz zu charakterisieren. Esgibt eigentlich keinen Lebensbereich in der Kaschubei und in Pommern,in dem die K-PV nicht anwesend wre: von den kulturellen Aktivitten,ber die Wirtschaft, Wissenschaft, Touristik bis hin zur Politik und Ver-waltung (Selbst- und Regierungsverwaltung). Jedes Jahr organisiert siemehrere zehn Veranstaltungen, gibt Bcher und Zeitschriften heraus,veranstaltet aufwndige Kaschubentage (der neunte Kaschubentag fandim Juli 2007 in Bru statt), animiert lokale Milieus, unternimmt Interven-tionen, z.B. in Sachen Umwelt- und Kulturgterschutz. Sie verleiht eigenePreise und Auszeichnungen, mit der bekannten Stolem-Medaille an derSpitze (sie wird jedes Jahr von den Studenten aus dem Club Pomoraniaverliehen).

    Aber die kaschubisch-pommersche Bewegung heute wird nicht nurvon der Kaschubisch-Pommerschen Vereinigung und ihren Abteilungenoder von anderen Agenden verkrpert. In der Kaschubei sind viele lokaleOrganisationen ttig, deren Aufgabe der Schutz, die Entwicklung und dieVerbreitung der kaschubischen Kultur ist. Der Verein Putziger Land [Sto-warzyszenie Ziemia Pucka] leitet Radio Kaszb, der Verein Cassubia ausParchau organisiert Theaterhochgenuss [Biesiada Teatralna], die StiftungNaji Gch [Unsere Gochy] gibt eine Zeitschrift mit dem selbenTitel heraus. Ttig sind auch Gesellschaften der Freunde aus einzelnenOrten, Gesellschaften der Museenfreunde, Organisationen, die Menschenmit verschiedenen Interessen vereinen, Gesellschaften, die Folkloregrup-pen oder -chre leiten usw. Tatsache ist, dass die Wojewodschaft Pom-mern, darunter auch die Kaschubei, zu den brgerlich aktivsten in ganzPolen gehrt.

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    Die Kaschubische Volkshochschule

    Fr das kaschubische Milieu ist die Kaschubische Volkshochschule[Kaszubski Uniwersytet Ludowy] in Turmberg [Wieyca] eine wichtigeInstitution. Sie entstand im Jahre 1982 und wurde am 10. Juni des fol-genden Jahres erffnet. Von den Institutionen dieser Art zeichnete siesich durch die Einstellung gegenber Umweltschutz- und Regionalfragen(darunter Volkskunstschutz) sowie durch internationale Kontakte aus.

    Noch vor der demokratischen Wende wurde die KVHS zu einemwichtigen Bildungszentrum fr einen unabhngigen Selbstverwaltungs-stamm. Fr die neuen Politikmilieus aus der Wojewodschaft Danzig, Brom-berg [Bydgoszcz] und Stolp war sie ein glaubwrdiger Partner, auchwegen des Engagements des K-PV-Vorstands in der Organisierung vonSchulungen und in der Verwirklichung anderer Projekte der KVHS.brigens bemhte sich die K-PV schon seit der Wende um das Erhaltender Sttte, und spter um die bernahme. Letztendlich gelang es, dasVorhaben 1994 zu formalisieren.

    Ein Jahr spter erffnete die Hochschule eine Filiale in Strabieninoin der Nordkaschubei in der Gemeinde Chottschow [Choczewo]. Hierwurde das Umweltschutz-Bildungszentrum errichtet und das ganzeObjekt (das alte Schloss und Hinterhaus) wurde mit sehr modernen Ein-richtungen ausgestattet (u. a. mit einem Windkraftwerk, einem kologi-schen Heizungssystem, mit Solarzellen usw.). Das Zentrum entstanddank der Abmachung zwischen der K-PV, der Technischen Universittin Danzig [Politechnika Gdaska], dem Polnischen Umweltschutzverein[Polski Klub Ekologiczny] und dem dnischen Verein SFOF.

    Seit 1997 trgt die KVHS den Namen von Jzef Wybicki. Bei derSitzung des K-PV-Hauptrates am 21. Februar 2001 wurde die Entschei-dung getroffen, die Stiftung Kaschubische Volkshochschule ins Leben

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    Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    zu rufen, und am 8. Mai desselben Jahres wurde ihre Satzung angenom-men und der Stiftungsrat gegrndet.

    Das Programmspektrum der KVHS ist sehr breit es umfasst Fragenzu der Schirmherrschaft ber die Volksknstler (Freilichtveranstaltungen,Weihnachtstreffen, Diskussionen und Volkskunstseminare, Workshopsdes traditionellen Handwerks, Teilnahme am Programm AussterbendeBerufe, Ergnzung und Fhrung eigener Volkskunstgalerie), Fragen zuallgemeiner kologie (Seminare, Konferenzen, Prsentation modernerkologischer Technologien, Promotionsfeste mit gesunden Lebensmitteln),den internationalen Jugendaustausch und die Organisierung der Jugend-camps fr Teilnehmer aus dem Osten und Westen (sie lernen nicht nurdie Region und sich untereinander kennen, sondern befassen sich auchmit der Aufrechterhaltung alter Friedhfe), die Brgerbildung und Selbst-verwaltungsttigkeiten (in der KVHS wurde die Pommersche Vereinigungder Dorfgemeinden [Pomorskie Stowarzyszenie Gmin Wiejskich] gebo-ren; die KVHS organisiert Kurse zu Demokratiegrundlagen fr Lehrer,Jugendliche und lokale Politiker), Fragen zur Regionalbildung (vor allemSeminare und Workshops fr Lehrer Regionalittsinteressierete), dieOrganisierung von Journalismus- und Tourismuskursen sowie von Kur-sen fr Aktivisten-Mitglieder und Anhnger der K-PV (wie soll man dieWirtschaftsttigkeiten ausben und animieren, wie soll man finanzielleMittel gewinnen usw.), die Verbreitung des Wissens (Organisierung wis-senschaftlicher Konferenzen), die Verbreitung von Informationen berdie Europische Union (besonders im Bauernmilieu), die Erwachsenen-und Fortbildung (hier finden Treffen und Workshops von polnischen undauslndischen Erwachsenenpdagogen statt; in den Jahren 20012003wurde das internationale Programm Volkshochschule Schule frsLeben [Uniwersytet Ludowy szkoa dla ycia] veranstaltet usw.

    Dank der Rumlichkeiten der KVHS werden eben dort viele K-PV--Veranstaltungen organisiert, z.B. die in den 90er Jahren stattfindendenjhrlichen Tagungen der Pommerschen Auslandspolen [Sympozja PoloniiPomorskiej].

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    Die Kaschuben und die Kirche

    Es wurde bereits vorher erwhnt, dass eine der charakteristischenEigenschaften des kaschubischen Ethos die Anhnglichkeit an die Kircheund den Glauben ist. So soll es nicht wundern, dass auch im Kirchenlebendas Kaschubische immer strker in den Vordergrund tritt. bersetzungender Heiligen Schrift ins Kaschubische frdern bestimmt diesen Prozess(ihre Autoren sind Priester Franciszek Grucza, Eugeniusz Gobek undPater Adam Ryszard Sikora OFM). Auerdem sind auch einige andereBcher erschienen, die im religisen Leben benutzt werden und gleichze-itig von der kirchlichen Offensive der kaschubischen Gemeinschaft zeu-gen (Predigten, Gebetsbcher, Psalmbersetzungen, Breviere u. .). Auchauf den kaschubischen Internetseiten gibt es eine Menge Texte, die mitder Liturgie und dem Kirchenleben verbunden sind (z.B. das Neue Testa-ment in einer bersetzung von Priester F. Grucza samt Kommentarenhttp://www.tchr.org/bibliak/).

    In die Liturgie trat die kaschubische Sprache in der Mitte der 80erJahre ein. Zur Zeit finden in ber zehn Orten regelmig Gottesdienstestatt, die ganz oder teilweise auf Kaschubisch abgehalten werden (alserster begann sie Priester Bogusaw Godowski in der Kirche der Rosen-kranz-Mutter Gottes [Matki Boskiej Racowej] in Gdask Przymorzeregelmig abzuhalten). In dieser Sprache finden auch hier und daRosenkranzgebete, Maigottesdienste und Kreuzweggebete statt (z.B. inNeustadt auf dem Kalvarienberg). Im Sanktuarium in Zanow [Sianowo]fand nach dem Tode von Johannes Paul II ein ganznchtliches Wachenstatt, d.h. eine kaschubische leere Nacht. Der Gottesdienst, an dem einpaar Tausend Menschen teilnahmen, wurde u. a. durch das polnischeFernsehen [TVP] bertragen.

    Ein wichtiges Element im Zusammenhang mit der Anwesenheit desKaschubischen in der Kirche ist die Klerikerausbildung und ihre Sensi-

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    Kaschuben heute. Kultur Sprache Identitt

    bilisierung hinsichtlich der kaschubischen Frage. Am Hheren Priesterse-minar in Pelplin knnen sie Kaschubisch lernen. Sie sind im VereinKaschubischer Studenten [Klub Sztudrw Kaszbw] Jutrzni [DerSonnenaufgang] versammelt, der sein eigenes Blatt herausgibt ganzauf Kaschubisch verfasst Zwnk Kaszbsczi [Kaschubische Glocke].

    Die letzten Jahre brachten auch einige groe, spektakulre Unter-nehmungen von symbolischem Ausma. Zu solchen zhlt die kaschubi-sche Pilgerfahrt zum Heiligen Land, organisiert im September 2000. DiePilger, es waren 412, darunter 12 Priester und zwei Bischfe, wurden vomErzbischof Tadeusz Gocowski und dem Prsidenten der K-PV Prof. Bru-non Synak gefhrt. Es kam damals zur Einmauerung einer Tafel mit demGebetstext des Vater unsers auf Kaschubisch in der Paternosterkirche inJerusalem unter ber hundert hnlicher Tafeln in nationalen und ethni-schen Sprachen aus der ganzen Welt. Die Pilgerfahrt war ein Organisa-tionserfolg und fand groen Anklang in den Medien.

    Ein anderes wichtiges Ereignis war die Pilgerfahrt der Kaschubennach Rom vom 15-24 Oktober 2004 fr die schnelle Seligsprechung desGottesdieners Konstanty Dominik.

    Die neueste Pilgerunternehmung war eine groe kaschubische Pil-gerwanderung nach Tschenstochau [Czstochowa] und auf den Giewont.

    Die Kaschuben pilgern nicht nur in die weiten Ecken. Jedes Jahrfinden am Tag der Apostel Petrus und Paulus Fischerboot-Pilgerfahrtenvon der Halbinsel Hela bis zur Putziger Pfarrkirche statt. Es gibt aucheine Bootspilgerfahrt aus Nadolle nach Zarnowitz [arnowiec]. Darberhinaus gibt es Pilgerwanderungen auf die Kalvarienberge in Neustadt undWielle [Wiele] sowie zu den Sanktuarien in Schwanau [Sianowo] undSchwarzau [Swarzewo].

    uerst wichtig waren auch zwei Begegnungen mit dem Papst whrendseines Besuchs in Pommern. Whrend seiner ersten Pilgerfahr