Katharina Wisotzki, Sara R. Falke {Hg.) - Buch.de · stellvertretend für das "Tote" - um das...

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Katharina Wisotzki, Sara R. Falke {Hg.) Böse Macht Musik

KATHARINA WrsoTZKr, SARA R. FALKE (HG.)

Böse Macht Musik Zur Ästhetik des Bösen in der Musik

[ transcript]

Das dieser Publikaton zugrundeliegende Symposium wurde mit Mit­teln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01PMnsso8 gefördert.

GEFÖRDERT VOM

Bundesministerium für Bildung und Forschung

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:/ jdnb.d-nb.de abrufbar.

© 2012 transcript Verlag, Bleiefeld

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Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: The Listen-To-It Network j photocase.com Lektorat & Satz: Katharina Wisotzki Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-r358-2

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http:jjwww.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

INHALT

Vorwort 7

Grußwort SU SANNE BINAS-PREISENDÖRFER

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Versuch über das Anorganische in der Musik: Der Mephisto­Komplex und das 19. Jahrhundert

NINANOESKE

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" ... denn sicher kommt der Tod!" Der Tod als das Böse in György ligetis le Grand Macabre

WOLFGANG M ARX

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Schritt für Schritt der Hölle entgegen - mittelalterliche Tänze im Fokus der kirchlichen Kritik

S ARA F ALKE

49

Ein Instrument im Kontext des Bösen -Warum Graf Zahl die Orgel spielt

DANIEL F ROMME

61

Die Heimorgel ist ein Tabu - sie muss zerstört werden! KAI HOFFMANN

79

Rock 'n' Roll Werewolves- literarische, mytho- und ikonografi­sche Aspekte der Werwölfe in Popsongs

UWE SCHWAGMEIER

89

What is Teutonic? -An Update on the German Question SEAN NYE

113

"The Blood of my Ancestors" - Nostalgia in White-Supremacist Hate Rock

KIRSTEN DYCK

131

0 God, the Aftermath- Can Christian Metal Redeern the Heavy Metal Genre in America?

MATTHEW STEINBRON

141

Turbo-folk as "Bad Music"- Politics of Musical Valuing SRDAN ATANASOVSKI

157

The Perception of "Evilness" in East German Music in the United States

AMYM. PUETT

173

Fan-Gesänge als Ausdruck von Macht? CHRISTOPH GREGER

181

"like the wind drives dead leaves" -Music in Concentration Camps

SLAWOMIR W IECZOREK

191

Imagines "böser" Musik B EATE K UTSCHKE

201

Autorinnen und Autoren 219

Vorwort

"Wo man singt, da lass dich ruhig nieder" lautet es in einem Kinder­lied, denn "böse Menschen" haben ja bekanntlich keine Lieder. Sind wir ehrlich zu uns selbst, so ist dieses Bild der Musik als "weiße Kunst" auch im wissenschaftlichen Diskurs weit verbreitet. Doch kann Musik nicht auch zur "Kraft, die Gutes will und Böses schafft" werden? Sind die Konzepte von "gut" und "böse" überhaupt auf Mu­sik anwendbar? Gibt es musikalische Parameter, die dies definieren oder sind doch die Kontexte bestimmend?

Das Verhältnis Böse - Macht- Musik erweist sich als ein Vielfäl­tiges und Schwieriges. Ist die Verbindung der Macht zum Bösen und umgekehrt noch recht klar umrissen, so bringt die Musik als dritte Variable augenscheinlich einiges durcheinander: Macht Mu­sik Böse? Musik: Böse Macht? Macht böse Musik!

Dieser Band versucht anhand verschiedener Sujets das Chaos zu entwirren und Ansätze für eine Ästhetik des Bösen in der Musik zu beschreiben. Selbstverständlich lassen sich keine abschließen­den, statischen Antworten finden, aber die Analyseinstrumente werden definiert, verfeinert und diskutiert und so eine Annäherung an die Ästhetik des Bösen in der Musik ermöglicht.

Die Herausgeberinnen des Bandes haben verschiedene Überle­gungen zur gendergerechten Sprache in diesem Band angestellt und haben sich dennoch entschieden, durchgängig die männlichen Formen zu verwenden. Neben den sprachlichen und orthografi­schen Schwierigkeiten, die sich unweigerlich ergeben, scheiterte der Versuch gendergerecht zu schreiben sprachlich in den englisch­sprachigen Beiträgen und inhaltlich, da an vielen Stellen Frauen explizit nicht gemeint sind (der Virtuose im 19. Jh. war mit Sicher­heit männlich, auch wenn der Begriff zunächst eine Funktionsbe­zeichnung ist). Diese Entscheidung bedeutet nicht, dass wir die in der deutschen Sprache eingeschriebenen Diskriminierungen und Einschränkungen akzeptieren, sondern nur, dass an dieser Stelle keine geeignete Lösung gefunden wurde, diesen entgegenzutreten.

Die Datumsangabe der Internetquellen bezeichnet jeweils das Datum des letzten Zugriffs und nicht das Datum, an dem die Seite

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Böse Macht Musik

zuletzt geändert wurde. Literaturangaben, die nicht im jeweiligen Artikel zitiert wurden, jedoch ins Literaturverzeichnis aufgenommen wurden, sind mit "*" markiert (hier insbesondere der Artikel von Matthew Steinbron, der zahlreiche Studien zur Thematik angibt). Diese Publikation wurde durch eine Vielzahl von Menschen und In­stitutionen unterstützt und ermöglicht:

Zuallererst gebührt unser Dank dem gesamten Organisations­team des 22. Internationalen studentischen Symposiums des DVSM e.V., welches vom 09.-12. Oktober 2008 in Oldenburg mit dem Titel Böse.Macht.Musik stattfand. Sie ermöglichten ein breitgefächertes Programm, dessen Früchte in diesem Band zum Tragen kommen: Leif Brodersen, Jannis Wichmann, Dr. Markus Gärtner, Jan Blum, Sören Koselitz, Roberto Reale und Bianca Dettke. Großen Anteil an den Vorbereitungen des Symposiums nahmen zudem die Wissen­schaftlichen Mitarbeiter des Instituts für Musik der Carl von Os­sietzky Universität Oldenburg, die das Symposium mit initiierten und zu jeder Zeit unterstützten: Lydia Grün, Till Knipper, Julia Wieneke und Jörg Siepermann.

Dem derzeitigen Vorstand des DVSM e.V. sowie allen Autoren möchten wir für die reibungslose Zusammenarbeit danken sowie Mia Kukuk, Katrin Windheuser, Jannis Wichmann, Friederike Grabner und Jenifer Sindair für ihre Unterstützung bei der Her­ausgabe dieses Bandes.

Finanziell ermöglicht wurde diese Publikation durch die Unter­stützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung so­wie des Instituts für Musik der Universität Oldenburg (hier beson­derer Dank an die derzeitige Institutsdirektorin Prof. Dr. Susanne Binas-Preisendörfer), der Fakultät III der Universität Oldenburg so­wie dem Präsidium der Universität Oldenburg. Herzlichen Dank!

Katharina Wisotzki und Sara Falke

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Grußwort

SUSANNE BINAS-PREISENDÖRFER

Fast auf den Tag genau vor sieben Jahren stand ich vor den Teil­nehmerinnen und Teilnehmern des 16. Internationalen Studenti­schen Symposiums des DVSM e.V. musik-netz-werke in Berlin. Un­ter dem Titel Studieren und Forschen in offenen Sys temen themati­sierte ich das Spannungsfeld von dynamischem Musikleben und weitestgehend hermetischer Musikwissenschaft, arbeitsmarkt­

politischen Herausforderungen der Gegenwart und kulturpolitischer Bunkermentalität sowie den Verflüssigungen von Kunst und Wis­senschaft. Es waren nicht die technologischen Voraussetzungen al­lein- Stichwort: Internet-, die damals das Interesse der Studieren­

den auf ein Thema gelenkt hatten, das in Nachfolge dieser Tagung insbesondere in musiksoziologischen Zusammenhä ngen Furore machen sollte, sondern vor allem die sozialen, kulturellen, ökono­mischen, historischen und systematischen Aspekte, die es inner­halb und außerhalb musikwissenschaftlicher Diskussionen ein­nehmen sollte.

Dieser Weitblick findet sich bisher in nahezu allen Themen der Symposien des DVSM e.V.; neben der unmittelbaren Reflektion des Faches aus studentischer Sicht waren es immer wieder Themen, die zum Zeitpunkt ihrer Behandlung Desiderate musikwissen­schaftlicher Forschung darstellten, zumindest wa s den Mainstream musikwissenchaftlicher Forschung anging. Ich denke da z.B. a n Themen wie Musikgeschichte als Kulturgeschichte (1992), popmusic­yesterday-today-tommorrow ( 1993), Genderstudies und Musik (1996), Musik und Spiel (2004) oder Musik und Krieg (2005). Aus den meisten Tagungen gingen Publikationen hervor, deren Beiträge mittlerweile Eingang in die Literaturlisten von universitären Lehr­veranstaltungen und Forschungsprojekten weitergehender Art ge­funden h a ben, wie z.B. der Tagungsband popmusic-y esterday-today­tomorrow.

Die Themen der Symposien stellen jedoch nicht nur Desiderate musikwissenschaftlicher Forschung dar, sie sind gleichsam Beleg für die intellektuelle Rechtschaffenheit angehender Musikwissen-

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Böse Macht Musik

schaftleiinnen und Musikwissenschaftler, weil sie sich an gesell­schaftspolitischen und aktuellen Fragen und Problemen des Musik­lebens orientieren.

Böse.Macht.Musik, Macht.Musik.Böse?, Macht.Böse.Musik: Je nachdem wie man es dreht und betont, zielt das Thema mitten hin­ein in aktuelle und historische Diskussionen, Zuweisungen, Miss­verständnisse, Überzeichnungen, Ängste, künstlerische Praktiken, ästhetische Paradigmen, Wertbegriffe, Tabuzonen, Aufmerksam­keitsstrategien. Das Design der Symposiumsmaterialien (Plakat, Website, Katalog) trägt deutliche Zeichen: schwarze dicke Balken, grobe, brüchige Schrift, eine düster dreinschauende Hexe, die dann aber irgendwie auch verspielt, hölzern und kess wirkt. Eben Kas­perletheater, da wo Rollen präzise zugeordnet sind und gleichsam jede Figur in die Haut der anderen schlüpfen kann. Diese Hexe fährt nicht wirklich mit uns in die Hölle? Die Raster von gut und böse, weiß und schwarz, Tugendhaftigkeit und Sittenverfall, Kopf und Bauch, Geist und Körper, Kunst und Geld, links und rechts, rechts und links scheinen als diskursive Konstruktionen im Kampf um Macht und den Hinweis auf das Zerfließen dualer Ideologien heute entlarvt und dennoch haben sie weder in politischen Sann­tagsreden noch im Gestaltbildungsprozess von Werbung oder Dis­tinktionsstrategien kultureller Praktiken ihre Wirkmächtigkeit verlo­ren. Warum das offensichtlich nicht nur in diesen aber vor allem in diesen Bereichen so ist, sollte uns zu denken geben; nicht als eine moralische Frage, sondern als eine Frage an Wertbildungsprozesse in menschlichen Gemeinschaften überhaupt.

Ich habe mich bisher mit der Kategorie des "Bösen" in der Mu­sik explizit nicht befasst, allerdings begegnen auch mir entspre­chende Fragen auf Schritt und Tritt: in der Ästhetik von Musikvi­deos, in Zensurpraktiken gegenüber Musik bzw. Texten von Musik in Geschichte und Gegenwart, in Deklassierungen jugendkulturel­len Verhaltens im 20. Jh., in Images von Popstars oder der Bewer­tung bestimmter Akteure im Musikprozess. Bilder und Texte - kei­neswegs nur diejenigen in populären Zusammenhängen - zelebrie­ren das "Böse", um uns anzulocken, Lesehilfen zu geben, um uns zu erschüttern, zu verunsichern, abzustoßen und Verweigerung an­zuzeigen.

Das Klanggeschehen selbst trägt das "Böse" nicht in sich, es gibt kein akustisches Substrat, was an sich "böse" wäre, auch wenn uns eine massive Überlagerung hoher Frequenzen weh tut oder ein phonstarker Bassklang mitten in die Magengrube schlägt. Manch einer findet es abscheulich, andere freut es. Die Mehrheitsgesell­schaft jedoch glaubt fest daran, dass Computerspiele, Meta! und Amokläufe etwas miteinander zu tun hätten.

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Binas-Preisendörfer: Grußwort

Todesfurcht und Todessehnsucht spielen in Ritualen, den Küns­ten als auch den populären Genres immer wieder eine bemerkens­werte Rolle. Sie sind Gestaltungsräume und Projektionsflächen des Umgangs mit dem Bösen und ich wage zu meinen, mehr sogar als ein Eldorado des Guten, Schönen, Erbaulichen oder Liebenswerten. Die Künste standen deshalb immer auch unter besonderer Be­obachtung derjenigen, die durch Künstler und ihre gezeigten Ab­scheulichkeiten in ihrer Herrschaft angezweifelt wurden. Kirche und staatliche Diktaturen wollten definieren, was sittlich und was im Sinne ihrer Machtsicherung als Kunst Geltung erhalten sollte, also immer auch was als richtig bzw. gut und was als falsch bzw. böse galt. Entsprechende Regulierungspraktiken stehen in engem Zu­sammenhang mit der medialen Verbreitung von Kunst, Schriften, Büchern, Bildern, Fotos, Filmen, Videos und Internet.

Die andere Dimension des "Bösen" bildet immer wieder der in bzw. mittels Musik dominant gemachte Körper bzw. Leib. Ihm galt über Jahrhunderte hinweg die Zuweisung des Bösen und ihn galt es aus der Musik zu vertreiben. Die Etikette des Hoftanzes, das Verbot von Walzer und Rock 'n' Roll gehören in diese Traditionsli­nie. Verbote erzeugen Neugier und das "Böse" gehörtangesichtsdes Kampfes um unsere Aufmerksamkeit fest ins gegenwärtige Gestal­tungs- und Diskursrepertoire.

Damit ist vielleicht angedeutet, welch schwieriges und komple­xes Thema dieses Mal zur Debatte steht. Das bisher Gesagte soll Sie jedoch nicht entmutigen, ganz im Gegenteil, nehmen Sie es bitte als Herausforderung. Ich wünsche dem Symposium Böse.Macht.Musik hervorragende Redebeiträge, angeregte Diskussionen und einen für alle Beteiligten reibungslosen organisatorischen Ablauf.

Prof. Dr. Susanne Binas-Preisendörfer

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Versuch über das Anorganische in der Musik:

Der Mephisto-Komplex und

das 19. Jahrhundert

NINANOESKE

"[D]ie Dämonisierung des Sinnlichen ist der Preis

für die Mythologisierung des Geistigen."1

Dass Tod und Teufel viel miteinander zu schaffen haben und einem bestimmten Assoziationskomplex zugehörig sind, ist bekannt. Wenn es also im Folgenden sowohl um die Figur des Mephisto als auch -stellvertretend für das "Tote" - um das "Anorganische" in der Musik geht, so findet damit gleichsam eine Annäherung an die Schatten­seite des Lebens aus zwei verschiedenen Richtungen statt. Der Schwerpunkt der Überlegungen liegt dabei auf dem Musikleben des 19. Jh. , in welchem die Instanz des Teufels in m ehrfacher Hins ich t eine wesentliche Rolle spielte.

Zunächst seien einige Aspekte angeführt, die im 19. Jh. mit der Vorstellung vom Teufel eng verbunden waren und unterschwellig häufig mit-thematisiert bzw. mit-gedacht wurden, wenn dieser ins Spiel kam. Hieraus lässt sich die Skizze einer Art diskursiven Land­karte erstellen, aus der ersichtlich wird, dass der Teufel ein ganzes Feld von zusammengehörigen Vorstellungen abdeckt_und damit ei­ne bestimmte Funktion innerhalb der Musikkultur einnimmt. An­schließend sei das Anorganische als Kontrastbild zum Organischen knapp fokussiert: Organizität war (und ist) ein wesentliches Kriteri­um, dem ein Werk genügen musste , wenn es in den Kanon der gro­ßen Kunstwerke aufgenommen werden wollte. Umgekehrt bedeutete es für eine Komposition eine Art Todesurteil, wenn ihr die Eigen-

1 Bernd Sponheuer: Musik als Kunst und Nicht-l<unst. Untersuchungen zur

Dichotomie von ,hoher' und ,niederer' Musik im musikästhetischen Denken

zwischen Kant und Hansliek (= Kieler Schriften zur Musikwissenschaft, Bd.

30), Kassel u.a. 1987, S. 197.

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Böse Macht Musik

schaft des "Organischen" abgesprochen wurde: Die Feststellung, dass ein Werk mehr "mechanisch zusammengestückelt" sei als "or­ganisch empfunden", bedeutete im ästhetischen Diskurs des 19. Jh. fast immer, dass es sich nicht um Kunst im emphatischen Sinne handeln konnte. Ein musikalisches Kunstwerk musste lebendig sein, es musste atmen und "aus sich heraus leben": Eine Ansamm­lung scheinbar willkürlich zusammengetragener, "lebloser" Töne konnte niemals zu höheren ästhetischen Weihen gelangen. Welche Funktion schließlich der Teufel einnimmt, wenn es um die (Selbst-) Definition einer Kultur auf dem Feld der Musik geht, soll, drittens, anhand des dritten Satzes aus Franz Liszts Faust-Symphonie, dem Mephisto-Satz und dessen Rezeption, skizziert werden. Was in die­ser Musik zusammenkommt, ist ein Panorama dessen, was Mitte des 19. Jh. gewissermaßen die Nachtseite der Musikkultur darstell­te: Man war sich zutiefst uneinig darüber, was von diesem Satz zu halten sei. Denn schließlich hatte man es nicht nur mit dem Teufel, sondern zugleich mit Unernst, Ironie, Parodie, Virtuosität und ei­nem gewissen sinnlichen Kitzel, der zeitweise sogar in Hässlichkeit überging, zu tun.

Mephisto als Kritiker und Virtuose

Auch wenn die Gestalt des Mephisto aus Johann Wolfgang von Goe­thes Faust keineswegs das "absolut Böse" darstellt: Das Bild, das man sich in bildungsbürgerlichen Kreisen des 19. Jh . vom Teufel machte, war offenbar maßgeblich durch jenes bekannte Drama ge­prägt. "Teufel" und "Mephisto" gingen in der Vorstellung des 19. und 20. Jh. häufig nahtlos ineinander über, und ein Blick auf die Erscheinung der goetheschen Figur auf der Theaterbühne verrät entsprechend viel über die Idee, die eine Zeit vom "Bösen" hat.

Wer also war Mephisto? Zunächst handelt es sich um eine Ge­stalt, die paradoxerweise keine eigene Gestalt besitzt, die mithin unendlich viele Formen, Farben und Konsistenzen annehmen kann. Der Mephisto des goetheschen Dramas ist zunächst ein Pudel und tritt kurz darauf, bevor er als edler Junker erscheint, als ein fah­render Scholast auf, d.h. er nimmt die Gestalt eines wandernden Gelehrten an. Damit findet innerhalb kürzester Zeit eine Metamor­phose vom rein "Körperlichen" (Tier) zum vorwiegend "Geistigen" statt. Dass der Teufel - in der Verkleidung Fausts - auch als Wis­senschaftler dem Sinnlichen keineswegs abgeneigt ist, den Habitus des Gelehrten also nur äußerlich annimmt, wird deutlich , wenn er den in Fausts Studierstube eintretenden Jüngling und potentiellen Studiosus nach einigen pflichtschuldigen Hinweisen auf die ver­schiedenen Disziplinen darauf hinweist, dass es vor a llem darauf

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