Keine Macht Den Doofen-Big-font

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Eine Streitschrift

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Vollständige E-Book-Ausgabe der imPiper Verlag erschienenen Buchausgabe1. Auflage März 2012

ISBN 978-3-492-95579-9Deutschsprachige Ausgabe:© Piper Verlag GmbH 2012Umschlagkonzeption: semper smile,MünchenUmschlaggestaltung: Bauer + Möhring,BerlinDatenkonvertierung: CPI – Clausen &Bosse, Leck

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VORWORTWenn Dummheitepidemisch wird

Die größte Bedrohung derMenschheit geht nicht vonErdbeben und Tsunamis aus,auch nicht von skrupellosenPolitikern, raffgierigenManagern oder finsterenVerschwörern, sondern voneiner einzigartigen,weltumspannenden, alleDimensionen sprengendenRIESENBLÖDHEIT! Wer’snicht glaubt, ist schon infiziert.

Die Dummheit – sie ist diegroße Konstante der

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menschlichen Geschichte, dieeinzige Weltmacht, die seitJahrtausenden Bestand hat:Könige, Päpste undPräsidenten kamen undgingen, Gesellschaftenentstanden und zerfielen,Wahlprogramme wurdengeschrieben und vergessen –die Dummheit blieb.Revolutionen konnten ihrebenso wenig anhaben wieNaturkatastrophen, Weltkriegeoder Finanzkrisen. Zwar gab esimmer wieder hoffnungsvolleAnsätze, das Zusammenlebender Menschen vernünftiger zugestalten, doch solcheExperimente waren selten vonDauer. Die mächtigeInternationale der Doofen, der

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Engstirnigen, der ewigGestrigen, der hoffnungslosZurückgebliebenen kehrteschon bald wieder zurück ansDirigierpult der Geschichteund gab den debilen Takt vor,nach dem die Verhältnisse zutanzen haben.

John Adams, der zweitePräsident der VereinigtenStaaten von Amerika, beklagtebereits im 18. Jahrhundert:»Während alle anderenWissenschaftenvorangeschritten sind, tritt dieRegierungskunst auf derStelle; sie wird heute kaumbesser geübt als vor drei- oderviertausend Jahren.«1 Daranhat sich wenig geändert. Nochimmer fallen die Leistungen in

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der Politik weit hinter demzurück, was Menschen aufanderen Gebieten erreichthaben. Doch warum ist das so?Könnte es sein, dass die Politikhinter den Wissenschaften undKünsten geistig zurückbleibt,weil sie den geistigZurückgebliebenen besondereEntfaltungsmöglichkeitenbietet? Es dürfte nichtschwerfallen, Politiker zufinden, an deren Beispiel maneine solche These erhärtenkönnte. Dennoch zielt sie ander Realität vorbei: Denn die»Macht der Doofen« beruhtnicht auf individuellenMinderbegabungen (die in derPolitik – so fair sollte man sein– nicht häufiger auftreten als

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im Bevölkerungsdurchschnitt),sondern auf kollektivenDenkschwächen: Politischwirksam ist Dummheit nur,wenn sie epidemischeAusmaße annimmt, wenn derIrrsinn so allgegenwärtig ist,dass er als solcher nicht mehrzu erkennen ist.

Das ist, Mensch sei’sgeklagt, der Normalfall.Friedrich Nietzsche brachte esauf den Punkt: »Der Irrsinn istbei Einzelnen etwas Seltenes –aber bei Gruppen, Parteien,Völkern, Zeiten die Regel.«2

Das Vertrackte an diesem»ganz normalen Wahnsinn«ist, dass man ihn in der Regelnur erkennt, wenn man auseiner zeitlichen oder

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räumlichen Distanz herausurteilt. Denn wir alle sindGefangene der kulturellenMatrix, in die wirhineinsozialisiert wurden. Undso erscheint uns unsereeigene, gegenwärtige Kulturim Allgemeinen rechtvernünftig. Doch ist sie eswirklich? Sind wir wirklich soviel klüger als die Menschender Vergangenheit, oder trägtunsere Dummheit bloß andereGewänder? Werden künftigeGenerationen uns »gebildeteZivilisationsmenschen«vielleicht mit dem gleichenmitleidig-verstörten Blickmustern, mit dem wir Heutigenauf jene zurückschauen, dieeinst überzeugt davon waren,

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dass sie die zornigenWettergötter mithilfe vonMenschenopfern gnädigstimmen müssten? Sind wirwomöglich genauso verbohrt,genauso vorurteilsbeladen,genauso engstirnig wie sie?Wen opfern wir? Und auswelchen Gründen?

Leider gibt es keine rotePille, die man schluckenkönnte, um aus derwahnhaften Matrixauszusteigen.3 Es bedarfschon einigerDenkanstrengungen, um auchnur einen kleinen Teil derzeitbedingten Mythen zuüberwinden, die wir allesamtmit uns herumtragen. Diesallein dürfte

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bedauerlicherweiseausreichen, um einen Großteilder Menschen zeitlebens in dervorgefundenen Matrixfestzuhalten. Denn wer setztsich schon gerneDenkanstrengungen aus –außer vielleicht beim Lösenvon Kreuzworträtseln?

Arthur Schopenhauermeinte, die tiefe Abneigunggegen geistige Anstrengungsei ein typischer Wesenszugunserer Spezies: »Die großeMehrzahl der Menschen ist sobeschaffen, dass ihrer ganzenNatur nach es ihnen mit nichtsErnst sein kann als mit Essen,Trinken und sich Begatten.«4

Aus evolutionsbiologischerPerspektive ist das

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verständlich: Warum auchsollte der Mensch seinressourcenintensivesDenkorgan über Gebührstrapazieren, wenn sichsolcher Ressourcenverbrauchaugenscheinlich gar nichtlohnt? Schließlich zogendiejenigen, die es wagten, derkulturellen Matrix zuentfliehen, nur selten Vorteileaus dem übermäßigenGebrauch der Vernunft.Erschreckend viele Vordenkerder Menschheit wurden zuLebzeiten nicht geachtet,sondern geächtet, wurdenverlacht, verfolgt, verhaftet,verbannt oder gar beilebendigem Leibe verbrannt.

Zwar hat sich seit dem

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mörderischen Treiben derInquisition vieles geändert –der eherne Zusammenhangvon Macht und Dummheit istaber erhalten geblieben. Nochimmer gilt: Die herrschendeDummheit ist stets auch dieDummheit der Herrschenden.5Deshalb gerät derjenige, dersich gegen die öffentlicheVernunft (sprich: den geradegeltenden Konsensus derDummheit) auflehnt,unweigerlich in Konflikt mitden Hütern des Status quo.Wer aber will es sich schonverscherzen mit denhochdekoriertenRepräsentanten des Staates,der Gesellschaft, der Religion?Zeigt die Erfahrung nicht, dass

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derjenige, der dieDummheiten entlarvt, amEnde selbst der Dumme ist?Muss man es nicht fast schonals ein Zeichen von »Klugheit«begreifen, dass sich diemeisten Menschen lieberanpassen und alle fünf geradesein lassen, auch wenn dabeidie Logik Schaden nimmt?

Nicht ohne Grund heißt es:»(Nur) Kinder und Narrensagen die Wahrheit.« Auch inHans Christian Andersensklugem Märchen »Des Kaisersneue Kleider« ist es nichtzufällig ein Kind, das sichtraut, die Wahrheitauszusprechen, vor der sichalle anderen zunächstdrücken. Dass der Kaiser nackt

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ist, dass die Repräsentantender Macht einem einzigartigen,grotesken Schwindel aufsitzen,ist eine Einsicht, die viel zugroß, viel zu erschreckend ist,als dass vernünftigeErwachsene zu ihr gelangenkönnten. Freies Denken ist,wie es scheint, nur möglich,wenn man die Zwangsjackeder Konvention entweder nochnicht angelegt hat – wie dasKind in Andersens Geschichte– oder wenn man sie abgelegthat und in den Augen der Weltzum Narren geworden ist.

Als Narr, der sich derZwangsjacke entledigt,genießt man sprichwörtlicheFreiheit – allerdings um denPreis, nicht mehr ernst

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genommen zu werden. Sei’sdrum: Manchen Menschensteht die Narrenkappe besserals der Professorenhut. Und sowerde ich mir hier dieNarrenfreiheit erlauben, keinBlatt vor den Mund zunehmen, auch wenn ichdadurch alle Chancenverspiele, in die Liga der ernstzu nehmenden Gentlemenaufgenommen zu werden.Dass mir dies schnuppe ist,hängt mit einem gewissenkindlichen Trotz zusammen,der sich selbst imfortgeschrittenen Alter nichtausgewachsen hat: Ich kannes einfach nicht ertragen,wenn die Leute behaupten,der Kaiser sei gekleidet,

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obwohl er offensichtlich nacktist. Ich habe es satt, vonPolitikern, Religionsführern,Wirtschaftsweisen,Medienleuten – ja, selbst vonPhilosophen – Jahr für Jahr,Monat für Monat, Woche fürWoche, Tag für Tag die ewiggleichen inhaltsleeren,nichtssagenden Phrasen zuhören. Und mir dreht sich derMagen um, wenn ich mitansehen muss, wie dieseangeblich so intelligenteSpezies jeder noch so krudenWahnidee nachläuft.

Dabei halte ich michkeineswegs für besondersintelligent, ich glaube auchnicht, auf alle Fragen, die indieser Streitschrift

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angesprochen werden, dierichtigen Antworten zu wissen.Doch ich bin Narr genug, solange an meinen Positionenfestzuhalten, bis mir bessereArgumente vorgelegt werden.Bis zum Beweis des Gegenteilsgehe ich deshalb davon aus,dass unsere sogenannteHochkultur nicht nur dietechnologischen Potenzialeder Menschheit in ungeahnteHöhen schraubt, sondern auchdie menschliche Dummheit.Und genau das macht diegegenwärtige Weltlage soungemein gefährlich: WennSpitzentechnologie undSpitzenidiotieaufeinandertreffen, sind dieFolgen in der Regel

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katastrophal!Man braucht kein Genie zu

sein, um zu erkennen, dass wiruns die »Macht der Doofen«auf Dauer nicht leistenkönnen. Im Grunde genügt es,die Welt mit denunvoreingenommenen Augeneines Kindes zu betrachten. InAndersens Märchen brachteein einzelnes Kind, das in die»dummen Spiele derErwachsenen« nichteingeweiht war, den gesamtenHofstaat des Irrsinns zu Fall.Ich wünschte, seinem Beispielwürden mehr und mehrMenschen folgen. Immerhinhat uns die Evolution miteinem erstaunlich komplexenund wandlungsfähigen

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Denkapparat ausgestattet. Wirsollten beginnen, ihn aufintelligentere Weise zunutzen …

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HOMO DEMENSWarum ich michschäme, Mensch zusein

Ach, was haben wir unsschmückende Beinamengegeben, um die Besonderheitunserer Speziesherauszustellen: Homoabsconditus, derunergründliche Mensch, Homoaestheticus, der am Schönenorientierte Mensch, Homocreator, der schöpferischeMensch, Homo innovator, dererfinderische Mensch, Homoludens, der spielerische

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Mensch – und nicht zuletzt, alsKrönung derSelbstbeweihräucherung, dieoffizielle Bezeichnung unserernoblen Spezies: Homo sapiens,der weise Mensch. Wäre esnicht so traurig, könnte manes für den tollsten Witz derGeschichte halten: Der weiseMensch – das ist etwa sooriginell wie der vegetarischeLöwe, der steppendeRegenwurm oder diebürokratische Spitzmaus.

Sicher: Eine gewisseBauernschläue kann manunserer Spezies nichtabsprechen – aber Weisheit?Nein. Weisheit war und istMangelware unter uns eitlenAffen. Unsere so hoch

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gerühmte Intelligenz – wirnutzten sie nicht vorrangig,um aus dieser Welt einenbesseren, einenlebenswerteren Ort zumachen, sondern um unsgegenseitig auszutricksen,auszuplündern, auszubeuten,abzuschlachten. Und wozu dasGanze? Für nichts und wiedernichts. Denn die Sieger dieseselenden Spiels um Macht undRessourcen kamen keineswegsin den Genuss einessorgenfreien Lebens. Siemussten die Früchte ihresTriumphs vielmehr ängstlichumklammern, in ständigerFurcht davor leben, baldselber ausgetrickst,ausgeplündert, ausgebeutet,

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abgeschlachtet zu werden.Dümmer geht’s nimmer – unddoch wird dieses Spielfortgesetzt von Generation zuGeneration.

Seien wir doch ehrlich: DieGeschichte der Menschheit istüber weite Strecken eineGeschichte derUnmenschlichkeit! ÜberJahrtausende hatten wir nichtsBesseres zu tun, als unsgegenseitig niederzumetzeln.Wer zählt die Millionen undAbermillionen, die gefoltert,gehängt, gesteinigt,erstochen, erwürgt,erschlagen, erschossen,verbrannt, vergiftet, vergastwurden? Ein einzigartigerBlutstrom zieht sich durch die

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Jahrhunderte, er ist der roteFaden in jener sinnlosenAneinanderreihung von Mordund Totschlag, Ausbeutungund Gewalt, die sichGeschichte nennt.

Eine weit treffendereArtbezeichnung als Homosapiens wäre daher Homodemens6, der irre, derwahnsinnige Mensch. Denngenau das zeichnet uns vorallen anderen Tierenbesonders aus: Nur wir sindirrsinnig genug, unser Lebenfür pure Fiktionen wie »Gott«und »Vaterland«, »Ehre« und»Ruhm« aufzuopfern. KeineIdeologie ist absurd genug, alsdass wir für sie nicht bis zumbitteren Ende kämpfen

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würden. Es reicht, einen Blickin die Geschichte derReligionen zu werfen, um sichein Bild von der kolossalenWahnanfälligkeit desMenschen zu machen: Keinnoch so neurotischerSchimpanse würde jemals inden Krieg ziehen, um zubeweisen, dass er dencooleren imaginären Freund(»Gott«) an seiner Seite hat.Wir Menschen haben dasjedoch immer wieder getan –und ein Ende dieserstumpfsinnigen Groteske istnicht in Sicht: Denn nochimmer bilden wir aufrechtgehenden Deppen uns ein,dass das Universum von einem»Schöpfergott« exklusiv für

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uns und die Unsrigenerschaffen wurde.

Die menschliche Hybris, imMittelpunkt des Kosmos zustehen, ist wohl die dümmsteund politisch verheerendsteWahnidee, die Homo demensje hervorgebracht hat, sie istgewissermaßen die Mutterallen Schwachsinns. Von ihrstammen nicht nur unzähligereligiöse Idiotismen ab,sondern auch der weltlicheHerrschaftsanspruch über denGlobus, den Homo demens seitjeher gnadenlos vollstreckt. Eslohnt sich also, dieser ganzbesonderen Basisblödheit aufden Grund zu gehen.

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Die kosmischeEintagsfliegeMachen wir uns dazu zunächstdie banalen kosmologischenFakten bewusst7: Die Erdemag uns zweibeinigenWinzlingen riesig erscheinen,im kosmischen Maßstab ist sieaber so unscheinbar klein,dass es geradezu vermessenist, sie als »Staubkorn imWeltall« zu bezeichnen. Schongegenüber unserer Sonnewirkt die Erde wie einMelonenkern gegenüber einerWassermelone. Dabei ist dieSonne selbst nur ein gelberZwerg, der gegenüber demroten Riesen ArcturusMelonenkerngröße annimmtund gegenüber dem roten

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Überriesen Beteigeuze optischganz verschwindet.8

Seit Kopernikus dürfte essich einigermaßenherumgesprochen haben, dassdie Erde sich keineswegs imMittelpunkt des Universumsbefindet (den es in einemunendlichen Kosmos auch garnicht geben kann). Wirbefinden uns nicht einmal imZentrum unserer eigenenGalaxie, sondern in einem deräußeren Spiralarme,sozusagen in der tiefstengalaktischen Provinz, rund26 000 Lichtjahre vomZentrum der Milchstraßeentfernt. Neben unserer Sonnetummeln sich in unsererGalaxie 300 Milliarden

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weiterer Sterne, wobei dieMilchstraße nur eine Galaxieunter schätzungsweise100 Milliarden Galaxien mitetwa 70 Trilliarden Sternen ist.

Die von Homo demenskonsequent verdrängtekosmischeBedeutungslosigkeit desMenschen zeigt sich allerdingsnicht nur in der räumlichen,sondern auch in der zeitlichenDimension: So waren zweiDrittel der bisherigen»Lebenszeit« des Universums(insgesamt 13,7 MilliardenJahre) bereits vergangen, alsvor 4,6 Milliarden JahrenSonne und Erde in denunermesslichen Weiten desWeltalls auftauchten. Von der

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vermeintlichen Krönung derSchöpfung war da beim bestenWillen noch nichts zu erahnen.Es dauerte mehr als vierMilliarden Jahre, also90 Prozent der gesamtenbisherigen Erdgeschichte, bisüberhaupt die erstenWirbeltiere entstanden. Vor416 Millionen Jahren siedeltensich die ersten von ihnen anLand an, vor etwa250 Millionen Jahren traten dieersten Säugetiere auf.Allerdings hätte man unserenaus Reptilienhervorgegangenen Vorfahren,die gerade einmal die Größevon Mäusen oder Rattenerreichten, kaum eineverheißungsvolle Zukunft

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prognostiziert. Allzu sehrstanden sie im Schatten derDinosaurier und Flugsaurier,die das Mesozoikum(Erdmittelalter) dominierten.

Dies änderte sich erst mitden verhängnisvollenMeteoriteneinschlägen vor65 Millionen Jahren, die zurFolge hatten, dass etwa dieHälfte aller damaligenPflanzen- und Tierarten(darunter sämtliche Saurierund Flugsaurier) ausstarb. Erstnach dieser verheerendenKatastrophe konnten sich dieSäugetiere entfalten, unteranderem auch die Ordnungder Primaten, der wirangehören. Bis zur Entstehungdes modernen Menschen

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dauerte es von da an abernoch immer Jahrmillionen. Voretwa 15 Millionen Jahrentrennten sich die Vorfahrender heutigen Gibbons vonunserer Stammlinie. Vor elfMillionen Jahren schlugen dieOrang-Utans einen eigenenWeg ein, vor sechs MillionenJahren die Gorillas. Knapp eineMillion Jahre später trenntensich die Stammbäume derheutigen Schimpansen undBonobos vom Stammbaum desMenschen, weshalb wir, wasHomo demens gerneverdrängt, mit denSchimpansen enger verwandtsind als diese mit den Gorillas.

Zum Zeitpunkt derTrennung der Stammeslinien

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von Mensch und Schimpansenhätten wir unserem Vorfahrenkaum zugetraut, dass erjemals Nachkommenhervorbringen würde, dieKreuzworträtsel lösen oder insAll fliegen würden. Denn dasGehirn der Australopithecinenwar nur unwesentlich größerals das eines heutigenSchimpansen. Erst bei Homoerectus, unserem direktenVorfahren, setzte einebemerkenswerte Entwicklungdes Denkorgans ein. Innerhalbvon weniger als zwei MillionenJahren verdoppelte sich seinGehirnvolumen. (Wenn Sieheute dieBedienungsanweisung IhresFernsehers verstehen, haben

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Sie das nicht zuletzt demguten alten Homo erectus zuverdanken.) Erst vor knapp200 000 Jahren entwickeltesich aus Homo erectus dermoderne Mensch, der, was oftvergessen wird, 95 Prozentseiner bisherigen Existenz alsJäger und Sammler verbrachte.Es mag verwundern, abertatsächlich kam der moderneMensch 99 Prozent seinerArtgeschichte ohne christlicheKirche aus, 99,9 Prozent ohneDampfmaschine,99,99 Prozent ohne Handy.

Wenn man die Geschichteunseres Universums auf einKalenderjahr umlegt, wird diekosmische Irrelevanz derMenschheit besonders

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offensichtlich: Setzt man fürden 1. Januar 00.00 Uhr denUrknall an, muss man schonbis Anfang September warten,bis Sonne und Erde entstehen.Ende September entwickelnsich die ersten primitivenLebensformen. Es dauert bisMitte Dezember, bis die erstenFische in den Ozeanenschwimmen. Um den20. Dezember herum tauchenLandwirbeltiere auf. DieDinosaurier beherrschen dieSzenerie vom 28. bis zum30. Dezember. Erst am31. Dezember, wenige Minutenvor Mitternacht, tritt der ersteVertreter von Homo sapiens inErscheinung. Die menschlicheKulturgeschichte schrumpft im

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Maßstab des kosmischenKalenders auf die letztenSekunden vor Neujahrzusammen.

Zählen wir also denCountdown herunter, damitdas Neujahrsfeuerwerkbeginnen kann: 10 – dieJungsteinzeit endet, dieBronzezeit beginnt, 9 – inOberägypten wird die ersteBuchstabenschrift verwendet,8 – die Gräber im ägyptischenTal der Könige werdenangelegt, 7 – die Chinesenerfinden den Kompass, dieGriechen vollziehen denÜbergang von der Bronzezeitin die Eisenzeit, 6 – Pythagoraswirkt in Griechenland, Buddhain Indien, Konfuzius in China,

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5 – nach dem Ende dergriechischen Hochkulturentwickelt sich Rom zurWeltmacht, 4 – aus einerjüdischen Sekte entwickeltsich das Christentum zurdominanten Religion, 3 – dieantike Kultur ist nach demEnde des Römischen Reichsund der Expansion des Islamuntergegangen, dasFrühmittelalter beginnt, 2 – imHochmittelalter rufen diePäpste zu Kreuzzügen auf undführen die Inquisition ein,1 – Luther löst die Reformationaus, die europäischeHexenverfolgung beginnt, dieBerechnungen des Kopernikuserschüttern das geozentrischeWeltbild, 0 – prost Neujahr! In

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den letzten Millisekunden vorMitternacht war Homo sapiensdemens besonders rührig: Ererfand nicht nur denBlitzableiter, die Glühbirneund die Digitalkamera,sondern schlachtete auchHunderte Millionen seinerArtgenossen in unzähligenKriegen ab. Lassen wir also dieSektkorken knallen! Allzulange dürfte die Party ohnehinnicht dauern.

Denn wie viele Sekundenwird der Mensch im ersten Jahrnach dem Urknall existieren?Eine Sekunde (umgerechnetetwa 434,5 Jahre)? ZehnSekunden? Eine halbe Minute?Würden wir es bis 00.01 Uhram Neujahrstag schaffen

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(26 065 Jahre), wäre das füreine demente Spezies wie dieunsrige schon beachtlich, eineVerweildauer bis ein Uhrmorgens (1 563 927 Jahre) einkleines Wunder. Am zweitenJanuar (in 37 534 246 Jahren)wird es uns mit ziemlicherSicherheit nicht mehr geben.Allerdings werden wir nicht dieEinzigen sein, die im Laufe desJanuars von der Bühne desLebens abtreten werden. Dadie Leuchtkraft unserer Sonnekontinuierlich steigen wird,werden wohl schon am14. Januar des kosmischenKalenders (in etwa500 Millionen Jahren) keinehöheren Lebensformen mehrauf der Erde existieren, am

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24. Januar (in etwa900 Millionen Jahren) werdensämtliche Pflanzenverschwunden sein. AnfangMärz (in rund zwei MilliardenJahren) wird sich die Erde ineinen reinen Wüstenplanetenverwandelt haben. Mitte Juli(in sieben Milliarden Jahren)wird sich die Sonne zu einemRoten Riesen aufblähen unddas 250-Fache ihrer jetzigenAusdehnung erreichen.Vermutlich wird die Erde kurzdarauf in die Sonne stürzen,die nach einigen gigantischenHeliumblitzen Ende Juli (in7,7 Milliarden Jahren) zu einemWeißen Zwerg mutieren wird,der – wie die Asche einesLagefeuers – noch eine Zeit

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lang, mindestens bis zum Endedes zweiten kosmischenKalenderjahres, still vor sichhin glüht, bis am Ende auchbei unserer guten alten Sonnesämtliche Lichter ausgehen.

Der Blick in den auf zweiJahre komprimiertenkosmischen Kalender machtzweierlei deutlich: Erstens,dass das irdische Leben bloßeine flüchtigeRanderscheinung in denunendlichen Weiten desUniversums ist. Zweitens, dassder Mensch innerhalb dieserRanderscheinung nur einesehr untergeordnete Rollespielt. Im kosmischen Kalenderhat Homo sapiens allenfallsden Status einer Eintagsfliege

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(geboren am 31.12,ausgestorben am 1.1.) – beigenauerer Betrachtung nichteinmal das. Die eigentlichenHerrscher der Erde waren undsind die Bakterien, die langevor uns existierten und auchnoch lange nach unsexistieren werden.

Was also ist davon zu halten,wenn sich ausgerechnet die»kosmische Eintagsfliege«Mensch einbildet, im Zentrumdes Universums zu stehen?Gibt es einen klareren Belegfür dieUnzurechnungsfähigkeitdieser Spezies? Wie blödemuss man eigentlich sein, umden Größenwahn zuübersehen, der uns Tag für

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Tag in Kirchen, Moscheen,Synagogen, Tempelnentgegenschwappt? Dervermeintliche Schöpfer desunendlichen Universums sollwirklich nichts Besseres imSinn gehabt haben, als sichausgerechnet in Gestalt einerzufällig entstandenen undbald wieder aussterbendenAffenart auf dem Mini-PlanetenErde zu inkarnieren undgekreuzigt zu werden?Lächerlich! Er soll Wert darauflegen, dass die affenartigenLebensformen auf diesemunbedeutenden Planetchensich ihm unterwerfen, indemsie fünfmal am Tag arabischeSätze aufsagen? Grotesk! Dervermeintliche Schöpfer des

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Alls soll sich allen Ernstesdaran stören, wenn zubestimmten Zeiten, die dieseErdlinge als »Sabbat«bezeichnen, Kinderwagengeschoben werden? Völligmeschugge!

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Der Makel, Mensch zu seinEs ist schon bemerkenswert,was sich Homo demens soalles einzubilden vermag, bloßweil er die Körperbehaarungabgeworfen und dieDigitalarmbanduhr angezogenhat. Wohl nirgends wird das sodeutlich wie in unseremUmgang mitnichtmenschlichen Tieren.Selbstverständlich halten wiruns im Vergleich zu ihnen füretwas Besseres, ja: für dasBeste schlechthin, die Kroneder Schöpfung, obwohl alleFakten belegen, dass wir bloßdie Neandertaler von morgensind. In dem zwanghaftenBestreben, sich von »dem«Tier abzugrenzen, scheut sich

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Homo demens wahrlich keinerTorheit. Dabei sind wir mitvielen Tieren nicht nur imhöchsten Maße genetischverwandt, sondern teilen auchalle grundlegenden Emotionenmit ihnen.

Dass unsere nächstenVerwandten, die Schimpansen,Bonobos, Gorillas und Orang-Utans, ein Ich-Bewusstseinbesitzen, um Verstorbenetrauern, die Zukunftantizipieren, dürften Siemitbekommen haben, aberwissen Sie auch, dass schonSchweine sich im Spiegelerkennen und kognitiveLeistungen wie Primatenerbringen? Dass Kühe überden Verlust ihrer Kälber

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weinen und in der Stallhaltungregelrechte Depressionenentwickeln? Dass Hühnermiteinander über die Qualitätdes Futters kommunizierenund dass ihr Herz zu rasenbeginnt, wenn sie erkennen,dass ihre Küken in Notgeraten? Zahlreiche Tiere aufdiesem Globus empfinden Lustund Schmerz, Freud und Leid,Hoffnung und Verzweiflung inähnlicher Weise wie wir.Würden wir einsehen, dass unseine evolutionäre Kontinuitätmit allen anderen Lebewesenverbindet, würden wirbegreifen, dass wir bloß»Leben sind, das Leben will,inmitten von Leben, das lebenwill«9, so würde dies unser

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Denken und Handeln radikalverändern. Es wäre die wohlgrößte Revolution derMenschheitsgeschichte.

Doch eben das lässt Homodemens nicht zu. Mit dergleichen stumpfsinnigenKaltschnäuzigkeit, mit der erJahr für Jahr Millionen seinerArtgenossen in den Hungertodtreibt, wendet er sich seinenVerwandten im Tierreich zu:Angesichts der Tatsache, dassallein in Deutschland jährlichrund 40 Millionen Schweinegeschlachtet werden, wundertes nicht, dass jedem einzelnendieser intelligenten undhochsensiblen Tiere nur einQuadratmeter Lebensraumzugebilligt wird, dass man es

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nicht für nötig hält, sie bei derKastration zu betäuben, dassman ihnen neben Antibiotikaauch Psychopharmakaverabreichen muss, damit siedie Tortur eines Lebens untermenschlicher Obhut so langedurchstehen können, bis siereif für den Schlachter sind.

In völliger Verkennung derTatsache, dass wir nicht überder Natur stehen, sondern bloßTeil der Natur sind, machenwir uns – getreu derdummdreisten biblischenMaxime – »die Erde untertan«.Das bekommen nicht nurAbermillionen von Schweinen,Kühen, Schafen, Hühnern,Gänsen und Enten zu spüren,die Jahr für Jahr aus

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kulinarischen Gründen zu Todegequält werden, sondern auchdie vielen Millionen Tiere, diewir zu Forschungszweckenfoltern oder in zoologischenGärten unter oftmalsunwürdigen Bedingungengefangen halten.Selbstverständlich bleibenauch frei lebende Tiere vonder rasenden Tyrannei desHomo demens nicht verschont,sind wir es doch, die ihreLebensräume mehr und mehrzerstören und damit letztlichdie Grundlagen für denbeschleunigten Untergangunserer eigenen Speziesschaffen.

Laut Schätzungen des WWF(World Wide Fund for Nature)

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ging die Artenvielfalt zwischen1970 und 2005 um 27 Prozentzurück. Man kann dasArtensterben unserer Zeit alsodurchaus mit denKatastrophen derprähistorischen Vergangenheitvergleichen, etwa mit demMassensterben vor65 Milliarden Jahren, demunter anderem die Dinosaurierzum Opfer fielen. DerUnterschied freilich ist: DiesesMal sind es nichtMeteoriteneinschläge oderVulkanausbrüche, die einenGroßteil des Lebens auf derErde vernichten. Es ist einesder irdischen Lebewesenselbst, es ist Homo demens,der mit seinem grenzdebilen

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Verhalten sich und andere inden Abgrund reißt, der esoffensichtlich gar nichterwarten kann, von der Bühnedes Lebens abzutreten.

Zur Erreichung dieses Zielshaben wir innerhalb derletzten Jahrzehnte beachtlicheLeistungen erbracht: Wirhaben die Böden vergiftet, dieLuft verpestet, die Meereüberfischt, die Wälder gerodet.Wir haben innerhalb einesschlappen JahrhundertsRessourcen ausgeplündert, dieüber Jahrmillionen entstandensind, und im GegenzugTechnologien erfunden, dieganze Landstriche fürJahrtausende unbewohnbarmachen. Jane Fonda brachte

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das dämliche Gebaren vonHomo demens einmal sehrschön auf den Punkt: »Wirgehen mit der Welt um, alshätten wir noch eine zweite imKofferraum.«

Glauben Sie mir: Könnteman aus dem Club Homosapiens demens austreten, so,wie man einem miesenSportverein, einer von Idiotendurchsetzten Partei, einer vonSchwachköpfen dominiertenGlaubensgemeinschaft dieMitgliedschaft aufkündigt – ichhätte es längst getan. Dochein Austritt aus Homo sapiensdemens ist zu Lebzeitenbekanntlich nicht möglich. Wirsind geborene Mitgliederdieses Clubs, verurteilt dazu,

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den Makel, Mensch zu sein, einLeben lang mit unsherumzutragen.

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Homo sapiens oder Homodemens?Doch Jammern hilft nicht.Versuchen wir stattdessen, dasBeste aus unserer Lage zumachen. Immerhin hat uns diebiologische Evolutiondurchaus vielversprechendeAnlagen mit auf den Weggegeben. Denn – ob Sie esglauben oder nicht: DerMensch hat das Potenzial, einbesonders kluges und sanftesTier sein.10 Homo demensmuss keineswegs das Ende derFahnenstange sein.Tatsächlich trägt jeder von unsdie Anlage zu beidem in sich,zum hohlköpfig-wütendenHomo demens wie zumsanftmütig-klugen Homo

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sapiens.Um einen Vergleich aus dem

Reich der Insekten zubemühen: Bekanntlich würdesich jede beliebigeHonigbienenlarve zu einerBienenkönigin entwickeln,wenn sie konsequent mitGelée Royale gefüttert würde.(Normale Arbeiterinnenerhalten diesen speziellenFuttersaft nur in den erstendrei Larvenstadien, künftigeKöniginnen durchgehend.) Esbietet sich also an, dieBienenkönigin als Metapherfür Homo sapiens zu wählenund Gelée Royale als Symbolfür jene besonderenRahmenbedingungen, diegegeben sein müssen, damit

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sich ein solchesAusnahmeexemplar unsererSpezies entfalten kann.Allerdings hinkt der Vergleichin einer Hinsicht gewaltig: Eswäre unfair, hocheffizienteBienenarbeiterinnen mit Homodemens zu vergleichen.

Jedoch gibt es im Reich derInsekten eine gute Analogie zuHomo demens, nämlich geistigverwirrte Ameisen, die vonLeberegel-Larven befallensind.11 Ich meine: Gäbe eseinen Gott, so würde allein derLebenszyklus des kleinenLeberegels ausreichen, um zubelegen, dass der ominöse»Schöpfer« einen äußerstschrägen Sinn für Humor hat.Doch urteilen Sie selbst: In

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den Körper der Ameisegelangen die Larven deskleinen Leberegels durchinfizierte Schleimbällchen vonLandschnecken, die Ameisengerne verspeisen. Während essich die meisten Leberegel-Larven nach dem fatalen Mahlin der Leibeshöhle der Ameisegemütlich einrichten, wanderteine von ihnen ins ZentraleNervensystem des Opfers, wosie eine nachhaltigeVeränderung des Verhaltensbewirkt: Gesteuert von dem»Hirnwurm« in ihrem Kopf,verlässt die Ameise ihreGruppe, klettert auf die Spitzeeines Grashalms und beißtsich dort infolge einesStarrkrampfs ihrer

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Mundwerkzeuge fest. Ziel derselbstmörderischen Übung:Die Ameise soll von einerZiege, einem Schaf, Rind,Schwein, Hund oder Hasengefressen werden, denn nur sogelangen die Leberegel in ihr»Gelobtes Land«, die Galleihres Endwirts. IhrZwischenwirt, die vomHirnwurm gesteuerte Ameise,bleibt dabei natürlich auf derStrecke. Bei Menschen, dievon »ideologischenHirnwürmern« befallenwerden, ist Ähnliches zubeobachten. Denken Sie nuran die Attentäter des11. September …

Im übertragenen Sinnekönnen wir uns also fragen:

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Was ist das Gelée Royale, dasuns zu Homo sapiens macht?Und wie – um alles in der Welt– schützen wir uns vor jenenHirnwürmern, die uns zu Homodemens degenerieren lassen?Da aufgrund der quantitativenÜbermacht dieser Spezies weitmehr Erkenntnisse zu Homodemens und seinenHirnwürmern vorliegen als zuHomo sapiens und seinemGelée Royale, scheint essinnvoll zu sein, dieUntersuchung bei Homodemens zu beginnen.

Begeben wir uns also mittenhinein ins Hirnwurm-Wunderland. Doch Vorsicht!Gleich zu Beginn unsererExpedition werden wir einem

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der gefährlichsten undwiderstandsfähigstenHirnwürmer aller Zeitenbegegnen – einem Wurm, derdie Menschen schon seitJahrtausenden dazu bringt, dieabsonderlichsten Dinge zu tunund zu glauben, der sie zuwahrem Blutrauschaufstachelt, der Eltern dazumotiviert, ihre eigenen Kinderzu foltern, der junge Männerund Frauen so sehr verwirrt,dass sie sich mit einemLächeln auf den Lippen in dieLuft sprengen. Vielleichtahnen Sie, wohin die Reisegeht: Es ist der Heilige Graldes Stumpfsinns, ein Ort, andem Größenwahn als Demutund Blödheit als Erhabenheit

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verkauft wird, an dem sichHomo demens mit besonderserbarmungsloser Konsequenzder Lächerlichkeit preisgibt:Willkommen in derwundersamen Welt derReligioten!

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DIE WUNDERSAMEWELT DERRELIGIOTENHeilige Einfalt undihre Folgen

Homo demens erschuf dieGötter nach seinem Ebenbild –kein Wunder, dass sie sich ineinem so beklagenswertenZustand befinden. Denken Sienur an die christlicheStandardausführung des Deusdemens (des »wahnsinnigenGottes«), von dem dasmeistgedruckte Buch allerZeiten (!), die Bibel, folgendeAbsonderlichkeiten zu

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berichten weiß:Nachdem Gott das

unendliche Universum mitseinen Trilliarden von Sternenund Planeten erschaffen hatte,ärgerte er sich über dasVerhalten einiger affenartigerLebensformen auf der Erde sosehr, dass er beschloss, fastalle Lebewesen auf diesemPlaneten zu ertränken(Sintflut). Doch diesergrauenhafte Biozid reichtenicht aus, um denallmächtigen Schöpfer mitseinen Geschöpfen wieder zuversöhnen. Dies war wohl derGrund dafür, dass Gott imLaufe der Zeit einenWesenszug entwickelte, denman bei einem Menschen als

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»multiplePersönlichkeitsstörung«diagnostizieren würde, der beieinem allmächtigen Wesenaber liebevoll »Dreifaltigkeit«genannt wird. Jedenfallsersann Gott in diesemdreifaltigen Zustand einenverwegenen Plan: Sein ersterTeil (Gottvater) sandte denzweiten Teil (Heiliger Geist)aus, um eine Menschenfrau zuschwängern, sodassschließlich der dritte Teil(Gottessohn) als Menschgewordener Gott geborenwurde. Ziel der Mission: DerGottessohn sollte aufgrausame Weise hingerichtetwerden und dann am drittenTag wieder von den Toten

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auferstehen. Warum? WeilGott offenbar nur durch diesenAkt der Selbstbestrafung –auch dies ein bekanntesMuster aus der Psychiatrie –mit sich und seiner Schöpfungwieder ins Reine kommenkonnte.

Im Gedenken an diesehochgradigpsychopathologische»Erlösungstat« feiern dieAnhänger des dreifaltigenGottes noch heute einseltsames Ritual, in dessenMittelpunkt kleine, rundeTeigoblaten stehen, die an denBoden von Kokosmakronenerinnern. Die Meinungengehen auseinander, ob es anden Zaubersprüchen der

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jeweiligen Zeremonienmeister(katholische und orthodoxePriester) oder an der »GnadeGottes« (lutherische Variante)liegt – jedenfalls sollen sich dieprofanen Teigoblaten währenddes Rituals wahrhaftig (nichtbloß symbolisch!)12 in denmilliardenfach sichreplizierenden Leib desverstorbenen Erlösersverwandeln. Dieser Leib wirdvon den Gläubigen gleich nachder Wesensverwandlung derOblate verspeist, denn dashatte der Gottessohn seinenJüngern in der »HeiligenSchrift« aufgetragen: »Wermein Fleisch isst und meinBlut trinkt, hat das ewigeLeben, und ich werde ihn

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aufwecken am Letzten Tag.Denn mein Fleisch ist wirklicheine Speise, und mein Blut istwirklich ein Trank. Wer meinFleisch isst und mein Bluttrinkt, der bleibt in mir, undich bleibe in ihm.«13 Na dann:Guten Appetit! Der Sinn diesesrituell-kannibalischen Aktes(schon der ZüricherReformator Zwingli sprach von»Menschenfresserei«, SigmundFreud griff die DiagnoseJahrhunderte später wiederauf) ist ebenso obskur wie derVorgang selbst: Angeblich soller die Gläubigen vorTodsünden undDämonenbefall bewahren,sodass sie später nach ihremirdischen Dahinscheiden

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Zugang zum Himmelreicherhalten, statt postmortal imewigen Höllenfeuer gebratenzu werden.

Halleluja! Was sagt es überunsere ach so intelligenteSpezies aus, dass für einesolche Mär Millionen vonMenschen ihr Leben lassenmussten? Was verrät es überuns, dass sich trotz der»Kriminalgeschichte desChristentums«14, trotz deroffenkundigen Wahnhaftigkeitder christlichen Dogmen, nachoffizieller Statistik2,2 Milliarden Menschen dazubekennen, einen solchenDeus-demens-Hirnwurm in sichtragen?! Versuchen Sieeinmal, sich von allen

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Denkgewohnheiten frei zumachen, die Ihnen wohl schonvon Kindesbeinen aneingetrichtert wurden: WürdenSie einen Menschen, der einesolche Geschichte ernsthaftglaubt, für zurechnungsfähighalten? Würden Sie es alssinnvoll erachten, ihn in einpolitisches Amt zu wählen?Würden Sie ihm – einemrituellen Kannibalen! –bedenkenlos Ihre Kinderanvertrauen?

Lassen Sie sich ruhig Zeitmit der Beantwortung dieserFragen. Wir werden zu einemspäteren Zeitpunkt auf siezurückkommen. Hier wollenwir zunächst einen Blick aufeinige andere

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»Heilsgeschichten« werfen, diesich Homo demens im Laufeder letzten Jahrtausendeeingebildet hat. AusPlatzgründen (Homo demenswar so frei, gleich Tausendevon Göttern zu erfinden)werden wir uns dabei auf dienächsten Verwandten deschristlichen Deus demenskonzentrieren, den jüdischenJahwe, dessen Name man nichtaussprechen darf (wie LordVoldemort in »Harry Potter«),und den muslimischen Allah,dessen Name dafür gleichfünfmal am Tag von denGläubigen gepriesen werdensoll.

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Jüdische Illusionen undantisemitischer WahnJahwe, dessen vermeintlicheAutobiografie (»Wort Gottes«)später die Kopiervorlage fürden christlichen undmuslimischen Gott bildete,begann seine Karriere als»Weltenherrscher« rechtbescheiden (was in deroffiziellen Biografie allerdingshöflich unterschlagen wird): Inder Zeit des ägyptischenPharaos Ramses III.(12. Jahrhundert vor unsererZeitrechnung) taucht dieAbkürzung JHW alsBezeichnung eines Gebirgesim Ostjordanland sowie alsName eines provinziellenBerggottes auf, der von den

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dort lebenden Beduinenverehrt wurde. Tontafeln ausder Zeit weisen Jahwe als Sohndes populären Stiergottes Elaus, der als »Schöpfer derWelt« und stolzes Oberhaupteiner ansehnlichenGötterfamilie galt. (Allein mitder FruchtbarkeitsgöttinAschera soll der fleißige El70 Götter und Göttinnengezeugt haben.) Jahwe waralso zunächst nur ein Gottunter vielen Göttern. Diesbegann sich zu ändern, alsKönig Joschija im7. Jahrhundert vor unsererZeitrechnung über das kleineReich Juda herrschte. Um dieStämme Palästinas politischund kulturell zu einigen,

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erklärte Joschija denmittlerweile zum JerusalemerStadtgott aufgestiegenenJahwe zum einzigen Gott desjudäischen Volkes und setztealles daran, die unzähligenalternativen Kulte seiner Zeitauszumerzen. Wie erfolgreichJoschijas Religionspolitik war,lässt sich heute schwerlichermessen, Fakt ist aber, dassJahwe im Laufe dernachfolgenden Jahrhundertedie himmlische Karriereleiterhinauffiel und zum alleinigenGott eines »auserwähltenVolkes« wurde.

Als göttlicherEmporkömmling, der sichgegen harte Konkurrenz hattedurchsetzen müssen, wies

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Jahwe vor allem einehervorstechende Eigenschaftauf: rasende Eifersucht – einCharakterdefizit, das uns vomHomo demens her sehrgeläufig ist. Wie furchtbareifersüchtig sich Jahwegerierte, wird gleich zu Beginnder berühmt-berüchtigtenZehn Gebote deutlich, denn essteht geschrieben: »Du sollstneben mir keine anderenGötter haben. (…) Denn ich,der Herr, dein Gott, bin eineifersüchtiger Gott: Bei denen,die mir feind sind, verfolge ichdie Schuld der Väter an denSöhnen, an der dritten undvierten Generation …«15

Bei derartigenRachedrohungen (nimmt man

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Gott beim Wort, müssten nichtnur mein heute zehnjährigerSohn, sondern auch dessenungeborene Söhne,Sohnessöhne undSohnessohnessöhne für dielästerlichen Zeilen in diesemBuch büßen) fügt man sichwohl besser. Immerhin wurdeJahwes fürchterlicher Zorn inder hebräischen Bibeleindrucksvoll geschildert:Denken Sie nur an dasSchicksal der Städte Sodomund Gomorrha, die Jahwe demErdboden gleichmachte, weildort gotteslästerlichehomosexuelle Handlungenstattgefunden haben sollen.Solch grausige Erzählungenmachten auf Dumpfbacke

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Homo demens natürlichgewaltigen Eindruck, weshalbes nicht verwunderlich ist,dass Schwule in manchenTeilen der Welt noch heute als»Sodomisten« verunglimpftund verfolgt werden.

Man kann es den Verfassernder hebräischen Bibel, die vom6. bis zum 2. Jahrhundert vorunserer Zeitrechnung andiesem heterogenen Werkarbeiteten, sicher nichtverdenken, dass sie ihreeigene Gruppe zum»auserwählten Volk«stilisierten, ihren Gott zumalleinigen Weltenherrschererklärten und zurUnterstützung dieser Botschaftphantastische Geschichten

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erfanden (etwa den Auszugaus Ägypten oder dieEroberung Jerichos), diehistorisch nie stattgefundenhaben.16 Was die barockeÜberhöhung der eigenenGeschichte betrifft, standendie biblischen Schriftstellerkeineswegs alleine da: JedeVolksgruppe, die etwas aufsich hielt, besaß ihre eigenengroßspurigen Legenden undselbstverständlich auch eigeneGötter, die ihr in »ruhmreichenSchlachten« zur Seite standen.Wahrscheinlich wäre derzornige Jahwe heute ebensovergessen wie die Götter deralten Ägypter, Griechen,Römer, Kelten oder Germanen(wer glaubt noch an Atum,

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Thot, Horus, Isis, Amun, Zeus,Dionysos, Pan, Poseidon,Athene, Hera, Jupiter, Venus,Diana, Vesta, Teutates,Taranis, Esus, Odin, Thor, Tyroder Frigg?), hätte derJahwekult nicht zwei religiöseAbleger hervorgebracht, diesich, da sie zufälligerweisedem Ungeist ihrer Zeitentsprachen, recht bald zuWeltreligionen entwickelnkonnten: Christentum undIslam.

Dass das Judentum – imUnterschied zu so vielenanderen historischenReligionen – die Jahrtausendeüberdauerte, ist nicht zuletztdem Umstand zu verdanken,dass Christen und Muslime,

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nachdem sie das jüdische Erbegnadenlos ausgeplünderthatten, alles taten, um sichvon »den Juden« abzugrenzen.Besonders markant war dieserVorgang im Christentum: DerWandel von derWeltuntergangssekte einesjüdischen Wanderpredigershin zur antijüdischen,christlichen Religion vollzogsich bereits in den Texten desNeuen Testaments: So heißt esim Johannesevangelium, dassdie Juden den »Teufel zumVater« haben.17 Der Verfasserdes Matthäusevangeliumswiederum legte ihnenangesichts der KreuzigungJesu (für die im Grunde ja »dieRömer«, nicht »die Juden«

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verantwortlich waren –eigentlich hätten also »dieItaliener« als »Gottesmörder«in die Geschichte eingehenmüssen) jene verhängnisvolleSelbstverfluchung in denMund, auf die sich späterganze Generationen vonJudenhassern berufen sollten:»Sein Blut komme über unsund unsere Kinder!«18

Schon die ersten christlichenKaiser ließen entsprechendeTaten folgen. Sie schränktendie Rechte des »durchgottloses Verbrechenbefleckten« jüdischen Volkesmehr und mehr ein undunterbanden die weitereAusbreitung des jüdischenGlaubens in ihrem

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Herrschaftsgebiet, indem siedie Konversion zum Judentumunter Todesstrafe stellten. Imchristlichen Mittelalter kamder Wahn erst richtig zurBlüte: Man unterstellte den»Gottesmördern«, Ritualmordezu begehen, Hostien zuschänden, Brunnen zuvergiften und Krankheiten wiedie Pest zu verbreiten.Zahlreiche Pogrome waren dieFolge. Doch das reichte derHomo-demens-Fraktion derfrommen Eiferer noch langenicht: So fragte der ReformatorMartin Luther in seinerHetzschrift »Von den Judenund ihren Lügen«, was manmit »diesem verworfenen undverdammten Volk« anstellen

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solle. Sein Ratschlag war,»dass man ihre Synagoge oderSchule mit Feuer anstecke,und was nicht brennen will,mit Erde überhäufe undbeschütte, dass kein Menscheinen Stein oder Schlackedavon sehe ewiglich«.19

In der Reichspogromnachtvom 9. zum 10. November1938 (an »LuthersGeburtstag«, wie derevangelische Landesbischofvon Thüringen, Martin Sasse,jubilierte) wurde der »treueRat« des Reformators endlichumgesetzt. Denn Hitler, derbereits in »Mein Kampf«seinen Status als Homo-demens-Volltrotteleindrucksvoll unter Beweis

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gestellt hatte (»Indem ichmich des Juden erwehre,kämpfe ich für das Werk desHerrn … Die Aufgabe, mit derChristus begann, die er abernicht zu Ende führte, werdeich vollenden«20),glaubteallen Ernstes an eine »jüdischeWeltverschwörung«, die seit»Anbeginn der Zeit« auf eine»Vernichtung der Welt«hinarbeitete und in die sounterschiedliche Personen wieMoses, Paulus, Spinoza,Lassalle, Rothschild, Heine,Marx, Lenin und Einsteinverwickelt waren.21 Man weißgar nicht, wovor man sichmehr ekeln soll – vor derbestialischenKaltschnäuzigkeit, mit der

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Hitlers Schergen denMassenmord an Millionenjüdischer Männern, Frauenund Kindern verübten, odervor der abgrundtiefenStumpfsinnigkeit, derbrechreizerregenden Mega-Blödheit jenes Homo-demens-Hirnwurms, der dienationalsozialistischenGräueltaten heraufbeschwor.

Immerhin: Mit derzivilisatorischen Zäsur, die mitder Verarbeitung desHolocaust einherging, ebbteder traditionelle Judenhassinnerhalb des Christentumsab. Dafür nahm er innerhalbdes muslimischenKulturkreises immerbedrohlichere Ausmaße an –

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und dies, obwohl der Islamursprünglich gegenüber demJudentum toleranter war alsdas Christentum: Immerhingalten Juden (wie Christen) als»Dhimmi«, alsSchutzbefohlene, die miteingeschränktem Rechtsstatusund gegen Zahlung einerentsprechenden Steuer immuslimischen Hoheitsgebietgeduldet wurden. (Um dieserDhimmi-Steuer zu entgehenund gleiche Rechte zuerhalten, traten ab dem7. Jahrhundert im Nahen Ostenübrigens massenhaft Judenzum Islam über, sodass mandavon ausgehen kann, dassviele Palästinenser, die heuteeifrig ihren antisemitischen

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Wahn demonstrieren, selbstvon Juden abstammen.)

Auch wenn es unterislamischer Herrschaftvereinzelt zu Massakern anjüdischen Menschen kam, warder für Christen typischeJudenhass unter Muslimenüber Jahrhunderte hinwegwenig verbreitet. Dies ändertesich jedoch, als sich währenddes britischen Mandats überPalästina (1922–1948) mehrund mehr Juden in der Regionansiedelten. Als Reaktiondarauf rief die 1928 inÄgypten gegründeteMuslimbruderschaft nicht nurzum Kampf gegenKolonialismus und »westlicheDekadenz« auf, sondern eben

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auch zur Vertreibung derJuden. Schon bald fanden dieMuslimbrüder Bündnispartnerin Palästina, wo während des»Arabischen Aufstands« von1936 bis 1939 unzähligeAnschläge auf Juden verübtwurden. Führer der Revoltewar der berühmt-berüchtigte»Großmufti von Jerusalem«,Mohammed Amin al-Husseini,der bereits 1933 Kontakt zuNazideutschlandaufgenommen und seineDienste im Kampf gegen das»Weltjudentum« angebotenhatte. Nach derNiederschlagung desAufstands in Palästina floh al-Husseini 1941 nachDeutschland, wo er, von Hitler

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großzügig unterstützt, seinMöglichstes tat, umantisemitische Hirnwürmer inmuslimische Köpfe zuverpflanzen.22

Dass al-Husseini, dergegenüber Hitler, Himmler,Eichmann & Co. immer wiederdie Ausrottung der Judengefordert hatte und sich alsSS-Gruppenführer aktiv anden Nazigräueltaten beteiligte,später nicht alsKriegsverbrecher verurteiltwurde, verdankte er der»hohen Kunst der Diplomatie«:Die Siegermächte wollten denprominenten islamischenGeistlichen partout nicht aufdie Anklagebank setzen. Undso konnte sich al-Husseini, der

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1974 in Ägypten starb, dreiweitere Jahrzehnte seinerHomo-demens-Missionwidmen: der Verbreitung dergefährlichen Hirnkrankheit»Islamismus«, die bis zumheutigen Tag die Weltunsicher macht. Nichtauszudenken, wo wir ohneWirrköpfe wie al-Husseini oderHassan al-Banna, den Gründerder Muslimbrüder, stehenwürden. Womöglich wäre imNahen Osten längst Friedeneingekehrt und diekonfliktbeladeneUnterscheidung in »Juden«und »Muslime« bedeutungslosgeworden.

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Unheiliger Kampf ums»Heilige Land«Tragischerweise hat dieisraelische Politik nichtunwesentlich dazubeigetragen, dass dieserbrandgefährliche Konfliktzementiert wurde. Derpolitische Grundfehler bestandbereits darin, dass sich Israelals »Staat des jüdischenVolkes« konstituierte – undnicht als »Staat der aufisraelischem Boden lebendenMenschen«. Angesichts derJahrhunderte währendenVerfolgung jüdischerMenschen, die im Holocaustgipfelte, war dieser Bezug aufdas »jüdische Volk« zwarverständlich, doch leider das

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falsche Signal zur falschenZeit. Denn auf diese Weisewurden nicht nurnichtjüdische Israelisdiskriminiert undentsprechende Vorurteileunter Muslimen bestärkt, eswurde auch dieverhängnisvolle Fiktionaufrechterhalten, dass es ein»jüdisches Volk« als klarabgrenzbare Einheitüberhaupt gebe: Beigenauerer Betrachtung zeigtsich jedoch, dass ein»jüdisches Volk« ebenso wenigexistiert wie ein »christlichesVolk« oder ein »muslimischesVolk«.23

Tatsächlich ist dasgeschichtsträchtige Bild des

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gewaltsam aus dem »HeiligenLand« vertriebenen, überJahrhunderte in der Diasporaumherwandernden »jüdischenVolks« Unsinn. Schon zu JesuZeiten lebte die überwiegendeMehrheit der Juden außerhalbPalästinas, was nicht zuletztdaran lag, dass das Judentumeinst eine ausgesprochenmissionarische Religion war.Da viele Menschen, die zumJudentum konvertierten, keinejudäischen Vorfahren hatten,ist es nicht erstaunlich, dassder Verwandtschaftsgradzwischen den diversen»jüdischen Ethnien«24

ausgesprochen gering ist.Kurzum: »Die Juden« sind garkein Volk, sondern eine

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Gruppe von Menschenunterschiedlichster Herkunft.(In abgemilderter Form gilt dasnatürlich auch für andere»Völker«: Wer wider alleVernunft mit »völkischen«Begriffen hantiert, verrätschon allein dadurch seineZugehörigkeit zur dumpfenSpezies Homo demens.)

Sinnvollerweise kann derBegriff »Jude« nur dieZugehörigkeit zur jüdischenReligionsgemeinschaftkennzeichnen, so wie das Wort»Christ« die Zugehörigkeit zurchristlichenReligionsgemeinschaftmarkiert. Tatsache ist jedoch,dass viele, wenn nicht sogardie meisten »Juden« weltweit

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im religiösen Sinne gar keineJuden sind. Selbst in Israel sindetwa 44 Prozent der Judensäkular, haben also denGlauben an den zornigen altenDeus demens Jahweaufgegeben. Dies zeugt zwardavon, dass die Pseudogruppe»der Juden« mehr Homo-sapiens-Mitgliederhervorgebracht hat als diemeisten anderen Gruppen,bringt israelische Politikerjedoch in arge Bedrängnis:Eigentlich müssten siezugeben, dass viele »jüdischeIsraelis« im eigentlichen Sinnegar nicht jüdisch sind, wasjedoch die Formel vom »Staatdes jüdischen Volkes« adabsurdum führen würde. Um

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dies zu vertuschen, werden inIsrael absurderweise auchdiejenigen als »Mitglieder derjüdischen Religion« geführt,die die jüdische Religionentschieden ablehnen. Um als»Jude« zu gelten reicht es aus,Kind einer jüdischen Mutter zusein, die, sofern sie selbstnicht religiös war, von einerjüdischen Mutter abstammt,die, sofern sie selbst nichtreligiös war, von einerjüdischen Mutter abstammt,die … und so weiter und sofort, bis in der mütterlichenAbstammungslinie endlicheine Dame auftaucht, dietatsächlich dem altenJahwekult anhing.

Diese krude Mischung aus

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religiösen und biologischenAspekten erinnert nicht nurfatal an die Wahnideen, dieden NürnbergerRassegesetzen zugrundelagen, sie hat ausgerechnetdie moderne DemokratieIsraels einer Speziesausgeliefert, die in derisraelischen Gesellschaft völligunterrepräsentiert ist: Homodemens religiosus. Manerkennt das vor allem imZivilrecht, das weitgehend vonreligiösen Kräften bestimmtist. Um die Fiktion des»jüdischen Volkes«aufrechtzuerhalten, gibt es inIsrael keine Zivilehe. Heiratenunter Mitgliedernverschiedener

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»Glaubensgemeinschaften«sind faktisch ausgeschlossen,da jüdische und muslimischeGeistliche »Mischehen« rigorosablehnen, was sich höchstnachteilig auf die israelischeGesellschaft auswirkt. (Auch inEuropa nahmen dieSpannungen zwischenKatholiken und Protestantenerst ab, als zunehmendinterkonfessionelle Ehengeschlossen wurden.)

Es ist wahrlich einTreppenwitz der Geschichte,dass ausgerechnet »dieJuden«, aus deren Reiheneinige der entschiedenstenReligionskritiker stammen(man denke nur an Spinoza,Marx, Freud oder Einstein), es

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nicht schafften, in ihrem»eigenen« Staat die Trennungvon Staat und Religion zuverankern. Konsequenz:Ausgerechnet »die Juden«, diemehr Psychotherapeuten alsjede andere Gruppe auf derWelt hervorbrachten, lassensich von einer HordeZwangsgestörter dominieren,die so stark religiöstraumatisiert sind, dass sieschon das Aufspannen einesRegenschirms am Sabbat als»schlimme Gotteslästerung«fürchten. (Falls Sie sich fragen,warum: Ein offenbar zuabsonderlichen Scherzenaufgelegter Hirnwurm flüstertihnen ein, dass Regenschirmeso etwas wie Zelte sind und

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somit das Aufspannen einesSchirms einer am Sabbatverbotenen »Bautätigkeit«gleichkommt.)

Allein die vielenhunderttausend Seiten, die inden letzten Jahrhundertenüber die korrekte Auslegungder Sabbatregeln geschriebenwurden, bestätigen auftragisch-komische Weise dieenorme Wahnanfälligkeit desMenschen. DieAuseinandersetzungeninnerhalb der jüdischenOrthodoxie stellen sogar dendebilen Abendmahlstreitzwischen Katholiken undProtestanten (»Wer oder wasverwandelt die vegetarischeHostie in Jesu Leib – der

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geweihte Priester oder dieGnade Gottes?«) in denSchatten. Denken Sie nur andie groteske Debatte, diezwischen zionistischen undantizionistischen Vertreterndes orthodoxen Judentumsentbrannt ist: Die Knalltütenauf der einen Seite feiern dievölkerrechtswidrigeSiedlungspolitik in denbesetzten Gebieten mit demSchwachsinnsargument, dassGott »den Juden« dieses Landversprochen habe. DieHohlköpfe auf der anderenSeite empfinden bereits dieGründung Israels alsunverzeihliche Sünde, da nichtder Mensch, sondern derMessias den jüdischen Staat

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errichten müsse, weshalb siegemeinsame Sache mit jenenIrren machen, die allesdaransetzen, Israel von derLandkarte zu tilgen.

Wie bitterernst es denultraorthodoxen Antizionistenmit diesem Anliegen ist,bewiesen sie unter anderem,als sie sich 2006 an derberüchtigten Teheraner»Holocaustleugnungs-Konferenz« beteiligten, dieunter der Schirmherrschaft desiranischen PräsidentenMahmud AhmadinedschadRechtsextremisten allerLänder versammelte, um dieWelt über die »Verschwörungder Zionisten« aufzuklären.Wohl nie zuvor gab es eine

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derart bunte Ansammlung vonHomo-demens-Spinnern wieauf dieser Konferenz:Islamisten, Nationalisten,Rassisten, Neonazis, der Ku-Klux-Klan plus jüdisch-orthodoxe Antizionisten – eineInternationale desDeppentums, gesteuert vongrundverschiedenenHirnwürmern und doch vereintim gemeinsamen Wahn …

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Gottesstaat IranDass MahmudAhmadinedschad zumWortführer jener Dumpfbackenwurde, die Israel auslöschenund die Menschheit vom»verderblichen Einfluss derZionisten« befreien wollen, istkein Wunder: Schon vonKindheit an wurde Klein-Mahmud von seinem Vater mitden absonderlichsten Mythendes schiitischen Glaubensinfiziert. Später erlag er demEinfluss des AyatollahKhomeini, dem er ehrfürchtigin die tiefsten Tümpel derreligiösen Idiotie folgte: Wieeinst Khomeini, so glaubt auchAhmadinedschad an dieNotwendigkeit eines »heiligen

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Krieges« gegen dieUngläubigen, insbesonderegegen Israel, die vermeintliche»Quelle allen Übels«. Und wieder einstige islamischeRevolutionsführer, so rechnetauch der iranische Präsidentfelsenfest mit einem in Kürzebevorstehendenapokalyptischen Ereignis,nämlich der triumphalenWiederkehr des »verborgenen12. Imams« Muhammad al-Mahdi, der das »GoldeneZeitalter des Islam« einleitensoll.

Der Glaube an al-Mahdi, der869 angeblich als direkterNachfahre Mohammedsgeboren wurde und seit941 (!) »im Verborgenen lebt«,

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ist zentraler Bestandteil desschiitischen Wahnsystems.25

Dieser spezielle Hirnwurm hatvor allem Menschen im Irak, inPakistan, Afghanistan und imLibanon befallen, dasEpizentrum der Epidemie liegtjedoch im Iran: Laut Artikel 5der iranischen Verfassung istder knapp 1200 Jahre alte al-Mahdi sogar offiziellesStaatsoberhaupt desMullahregimes!Revolutionsführer, Wächterratund Staatspräsident erfüllengemäß Verfassung nur dieRolle von Stellvertretern, dieim Auftrag des verborgenenImans bis zu dessenWiederkehr regieren. Dabeiglauben Ahmadinedschad und

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seine Kollegen allen Ernstes,dass der Mahdi schon sehrbald (eigentlich war dasEintreten dieses Ereignissesschon für 2007 prognostiziert)aus einem trockenen Brunnender Jamkaran-Moscheeklettern, die Weltherrschaftübernehmen und mit AllahsSegen die gesamteMenschheit von ihrem Leiderlösen wird. Der iranischePräsident ist von dieserWahnidee so unendlichüberzeugt, dass er sie sogarvor der UNO-Generalversammlung (!)vortrug. So endete seine Redevom September 2006,vollmundig als »Beitrag zurLösung der großen

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Weltprobleme« angekündigt,mit einer wunderbarenVerheißung (sprich: mit einerÜberdosis »heißer Luft«), diean Einfältigkeit kaum zuübertreffen ist: »OAllmächtiger«, hauchteAhmadinedschad ins Mikrofon,»alle Männer und Frauen sinddeine Geschöpfe, und du hastihre Führung und Erlösungbestimmt. Beschenke die nachGerechtigkeit dürstendeMenschheit mit dem perfektenMenschen [al-Mahdi], den duuns verheißen hast, undmache uns zu seinenAnhängern und zu jenen, dieseine Wiederkehr und seineSache anstreben.«26

Die versammelten

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Staatschefs waren nach derRede des iranischenPräsidenten einigermaßensprachlos, wasAhmadinedschad auf dieungeheure Kraft seiner Worteund die Macht desverborgenen Imanszurückführte. Tatsächlichjedoch waren die meisten bloßverwirrt (weil sie den al-Mahdi-Mythos nicht kannten) oderaber (sofern sie ihn kannten)maßlos entsetzt angesichts derVorstellung, dass einapokalyptischer Spinnerdieses Ausmaßes jemals in denBesitz von Nuklearwaffenkommen könnte. In der Tat istzu befürchten, dassAhmadinedschad im Ernstfall

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jede verfügbareMassenvernichtungswaffeeinsetzen würde, um die heißersehnte Wiederkehr al-Mahdiszu beschleunigen.

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Erbschaftsstreit unterSunniten und SchiitenIm Unterschied zuimamitischen Schiiten wieAhmadinedschad haltenSunniten, die die Mehrheit derMuslime weltweit stellen, denGlauben an den verborgenen12. Imam für ausgemachtenStuss – was zweifellosvernünftig ist. Das heißtjedoch nicht, dass dersunnitische Islam inirgendeiner Weise rationalerwäre als der schiitische. DieEreignisse, die zur Spaltungder islamischen Gemeinschaftführten, verraten schon vielüber den Charakter der heutezweitgrößten Religion auf derErde: Denn die Trennung in

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Sunniten und Schiitenresultierte aus einer für Homodemens typischen Unart, derErbstreiterei. Sie kennen dassicherlich: Kaum ist einMensch gestorben, geratenseine lieben Nachfahren ineinen unerbittlichen Streit umdas Erbe des Verblichenen …

So war es auch nach demTode Mohammeds. Sofortbildeten sich zweiunversöhnliche Lager: Auf dereinen Seite stand Fatima, dieTochter des Propheten auserster Ehe, die ihren Mann AliTalib (MohammedsSchwiegersohn) als legitimenFührer der Muslime sah. Aufder anderen Seite positioniertesich Mohammeds jüngste

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Ehefrau Aischa, die mit demPropheten im zarten Alter vonsechs Jahren verheiratetworden war und nun daraufpochte, dass ihr Vater AbuBakr (MohammedsSchwiegervater) dieFührungsrolle übernehmenmüsse. Im Zuge derZwistigkeiten zwischenTochter/Schwiegersohn undEhefrau/Schwiegervater kames zunächst zu handfesteninnerfamiliärenAuseinandersetzungen (sostarb Mohammeds TochterFatima nach einem Überfalldes Schwiegervaters), wenigspäter zu verheerendenmilitärischen Schlachten, beidenen Zehntausende ihr

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Leben lassen mussten.Absurderweise

unterscheiden sich Sunnitenund Schiiten bis zum heutigenTag darin, welcher Fraktion siein der blutigen Familienfehdenach Mohammeds Tod dieStange halten: Die Sunnitensolidarisieren sich mit Aischaund Abu Bakr, die Schiiten mitFatima und Ali Talib.Demzufolge berufen sich dieeinen auf das Kalifat, das vomersten Kalifen Abu Bakr überdie Kalifen-Dynastien derUmayyaden und Abbasiden biszu den Osmanen reicht, dieanderen auf das Imamat, dieAbstammungslinie, die vomersten Imam Ali über dessenSöhne (also: die Enkel

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Mohammeds) bis zu jenemverborgenen 12. Imam führt,für dessen WiederkehrAhmadinedschad so inbrünstigvor der UNO-Vollversammlungbetete. Man mag es kaumglauben, aber tatsächlichverursachte der Familienkrachim Hause Mohammed diejahrhundertelangen blutigenAuseinandersetzungenzwischen Sunniten undSchiiten, unter denen vorallem die zahlenmäßigunterlegenen Schiiten zuleiden hatten. Noch heutewerden sie in vielensunnitischen Ländernunterdrückt – nicht zuletzt inSaudi-Arabien, dem Land, indem die wichtigsten

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Pilgerstätten des Islam (Mekkaund Medina) beheimatet sindund das vielen Muslimen alsleuchtendes Vorbild für Rechtund Ordnung gilt.

Was das heißt, verrät schonein kurzer Blick in diesesmustergültige islamischeLand: Der sunnitische Islam (inseiner konservativ-salafistischen Ausprägung)27

ist in Saudi-ArabienStaatsreligion und dasislamische »Gottesgesetz«, dieScharia, Grundlage derRechtsprechung.Dementsprechend werden»Delikte« wie Ehebruch,homosexuelle Beziehungen,der Genuss von Alkohol oderder Abfall vom allein selig

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machenden sunnitischenGlauben mit öffentlicherAuspeitschung oder dem Todebestraft. Um dieGewährleistung der strengenSittlichkeitsregeln zugewährleisten, schickt dieeigens für diesen Zweckeingerichtete »Behörde für dieVerbreitung vonTugendhaftigkeit undVerhinderung von Lastern«täglich ihre Religionspolizeiauf die Straße, die peinlichgenau darauf achtet, dass dieFrauen auch züchtig genuggekleidet sind und ihrenmännlichen Vormündern(Vater, Brüder oder Onkel,später: Ehemann) keine»Schande« bereiten. Wie ernst

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die Religionspolizisten dieseAufgabe nehmen, zeigte sichbeispielhaft im März 2002, alssie in Mekka verzweifelteSchülerinnen mit aller Gewaltdaran hinderten, ihrebrennende Schule zuverlassen, da sich die Mädchenauf der Flucht vor denFlammen nichtordnungsgemäß verschleierthatten.28

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Suren des IrrsinnsOb Saudi-Arabien oder Iran:Was den Wahn ihrerSittenwächter betrifft, kannman zwischen radikalenSunniten und radikalenSchiiten kaum unterscheiden.Das ist auch nichtverwunderlich, speisen sichbeide Wahnsysteme doch ausder gleichen trüben Quelle,dem Koran. Schon der großepersische Arzt undSchriftsteller al-Razi (Rhazes),eine wahre Lichtgestalt in derkurzen Phase der frühenislamischen Aufklärung (9. bis10. Jahrhundert), begriff dasGrundlagenwerk des Islam als»befremdendes Gemenge vonabsurden und

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unzusammenhängendenFabeln«.29 In der Tat sind die114 Suren und 6236 Verse desKorans merkwürdig konfus,streckenweise wirken sie wiedie Aufzeichnungen einespsychiatrischen Patienten. Dieeinzelnen Suren, die wederchronologisch noch inhaltlich,sondern nach ihrer Längeangeordnet sind (wahrlich einoriginellesGliederungskonzept!),springen munter von einemThema zum anderen, nur einesbleibt von Vers zu Vers aufebenso ermüdende wieverstörende Weise gleich: diean eine schwere Borderline-Störung erinnernde Schwarz-Weiß-Zeichnung von Gut und

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Böse, Himmel und Hölle,Gläubigen und Ungläubigen,Gott und Teufel, grenzenloserBarmherzigkeit und ewigerVerdammnis.

Pikanterweise liegen dieUrheberrechte für diesenverworrenen Text nachislamischem Glauben bei Allahselbst, der »im Himmel« (woimmer der auch sein mag – diefrühen Muslime wussten nochnichts vom unendlichenUniversum) die Urschrift desKorans beherbergen soll. Inseiner grenzenlosenBarmherzigkeit, so heißt es,wollte Allah den Text desKorans seinen irdischenGeschöpfen kundtun. Dazuhätte es natürlich direkte

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Wege gegeben – Gott hätte alsallmächtiges Wesen seineGebote mit donnernderStimme weltweit verkündenoder in unauslöschlichenLettern in die Kaaba ritzenkönnen –, doch ausunerfindlichen Gründen (dermuslimische Allah muss einenähnlich schlechten PR-Beraterhaben wie der jüdische Jahweoder die christlicheDreifaltigkeitGottvater/Sohn/Heiliger Geist)zog er es vor, seinen EngelGabriel zu entsenden, um eineKopie des himmlischenUrtextes im Herzen eines 40-jährigen Mannes namensMohammed anzulegen, der imJahr 610 eine Art »Midlife-

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Crisis« durchmachte und sichin die Einöde des Berges Hirazurückgezogen hatte. Gabrieloffenbarte sich Mohammed imSchlaf, was wohl jedenvernünftigen Menschen stutziggemacht hätte – nicht jedochunseren Propheten: Überzeugtdavon, der »Gesandte Gottes«zu sein, stieg er vom Bergherab und sammelte ersteAnhänger um sich.

In der mekkanischenFrühphase war MohammedsFührungsanspruch noch rechtbescheiden, er verstand sichals »religiöser Warner«, nichtals Begründer einer neuenReligion. Doch nach dem Todseiner ersten EhefrauChadidscha (um 619)

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verstärken sich offenbar diepsychotischen Schübe30: Daseine Mal berichtet Mohammed,in Begleitung Gabriels miteiner Leiter von der Kaaba inden Himmel aufgestiegen zusein. Ein anderes Mal fliegt ermit al-Buraq, einem weißen,pferdeähnlichen Reittier mitFlügeln und menschlichemGesicht, gen Jerusalem, wo ermit Abraham, Moses und Jesusbetet. Selbst demAllmächtigen darf Mohammedauf seiner Himmelsreisebegegnen. Dank derUnterstützung des Mosesgelingt es ihm sogar, Allahsursprüngliches Gebot von50 Gebeten pro Tag (!) aufläppische fünf Gebete

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herunterzuhandeln. (Offenbargeht es im Himmel zu wie aufeinem orientalischen Basar –nicht auszudenken, wennMohammed wenigerVerhandlungsgeschick gezeigthätte: Die Muslime kämenheute aus dem Beten gar nichtmehr heraus!)

Kurz nach deneinschneidenden Erlebnissenim »Himmel« zieht Mohammedvon Mekka nach Medina, wo erinnerhalb kürzester Zeit eineschlagkräftige Armee aufbaut.Der Prophet nimmt dabeizunehmend Züge einesfanatischen Gotteskriegers an,der auch vorMassenexekutionen nichtzurückschreckt. Im Jahr 630 ist

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seine Gefolgschaft großgenug, um Mekkaeinzunehmen. Als Mohammed632 stirbt, ist bereits diegesamte Arabische Halbinselunter islamischer Herrschaft,120 Jahre später – nachunzähligen Erpressungen,Eroberungskriegen undAbertausenden von Toten(man bezeichnet den Vorgangverniedlichend als »islamischeExpansion«) – erstreckt sichdas Reich der Muslime vonSpanien bis nach Indien.

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Das religiotische SyndromBrechen wir an dieser Stelledie Untersuchung ab: Wirhaben uns im Schnelldurchlaufdrei der unzähligen religiösenHeilsgeschichten angeschaut,die sich Homo demens imLaufe der Jahrhunderteeingebildet hat. Dabei ist – wieich hoffe – deutlich geworden,dass keine dieser Geschichtenauch nur annähernd einerkritischen Überprüfungstandhält. Tatsächlichzeichnen sich diegrundlegenden Mythen desJudentums, des Christentums,des Islam (auf die ganzbesonderen Verrücktheitendes Hinduismus oder destibetischen Buddhismus will

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ich hier gar nicht ersteingehen) durch einegeradezu mitleiderregendeDämlichkeit aus. Trotzdem –und allein dies zeigt schon,wie verkehrt es ist, in Bezugauf unsere Spezies von Homosapiens zu sprechen – nehmennoch immer Milliarden vonMenschen dieseUnsinnserzählungen für bareMünze. Und das hat natürlichKonsequenzen: Um sich dieFolgen dieses Wahns vorAugen zu führen, genügt es,wenn man aus der Fülle derMeldungen, die Tag für Tagüber die Nachrichtentickerlaufen, einige symptomatischeFälle herausgreift …

Meldung 1: Ultraorthodoxe

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Juden bewerfen Touristen inJerusalem mit Steinen, weildiese zur falschen Zeit ihreHandys benutzen. (Das Motivfür diesen vergleichsweiseharmlosen Vorgang ist klar:Fromme Juden glauben, dasselektrischer Strom eine Art»Feuer« sei – undFeuermachen ist nach deneingebildeten Geboten ihreseingebildeten Gottes amSabbat untersagt.)

Meldung 2: Die katholischeKirche bildet Jahr für Jahr neueTeufelsaustreiber aus, um der»dämonischen Gefahr«entgegenzuwirken. (Mitunterreichen dazu offenbar auchÜberreste eines prominenten»Seligen« aus – jetzt, da ich

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dies schreibe, wird das Blutdes verstorbenen PapstesJohannes Paul II. durchmexikanische Bistümergereicht mit dem offiziellenAuftrag, den dortigenDrogenkrieg zu beenden. KeinWitz, so meldete es RadioVatikan.31 Wie soll man soetwas noch kommentieren?Vielleicht mit den WortenKarlheinz Deschners: »Jegrößer der Dachschaden,desto schöner der Aufblickzum Himmel.«)

Meldung 3: EvangelikaleChristen in Kenia und Nigeriaverstoßen, foltern, töten ihreeigenen Kinder, weil sie sie für»Hexen« halten. (Eine derschlimmsten Homo-demens-

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Erscheinungen unserer Zeit:Auf dem afrikanischenKontinent findet seit guteinem Jahrzehnt – angeheiztvon westlichen Predigern undgetreu der biblischenForderung »Eine Hexe sollstdu nicht am Leben lassen!« –eine neue Hexenverfolgungstatt, der bereitsZehntausende Kinder zumOpfer gefallen sind.)

Meldung 4: PalästinensischeFrauen berichten voller Stolz,dass sie ihre Söhne schon imKleinkindalter auf einruhmreiches Ableben alsSprengstoffattentätervorbereiten. (Glauben Sienicht, dass diese jungenFrauen ihre Kinder nicht lieben

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würden. Das Gegenteil ist derFall: Sie wollen, wie alle gutenMütter, »nur das Beste für ihrKind« – und etwas Besseres alsAllahs Belohnung für einenMärtyrertod können sie sicheinfach nicht vorstellen.)

In den Medien wird dieseralltägliche Glaubenswahn mitdem Begriff »Religion«umschrieben. Doch ist esgerechtfertigt, dieMeisterleistungen, die imreligiösen Kontext erfolgt sind(denken Sie nur an diewunderbaren Schöpfungen aufdem Gebiet der Musik, derBildenden Kunst, derArchitektur), mit demunerträglichen Stuss in einenTopf zu werfen, der heute

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milliardenfach die Hirnevernebelt? Sollen wir wirklichdie großen Mystiker derWeltreligionen (Zen-Buddhisten, Advaita-Hinduisten, islamische Sufis,christliche Mystiker wieMeister Eckhart usw.) mitjenen debilen Spinnerngleichsetzen, die auf der Basisveralteter Texte über unsereGegenwart und Zukunftbestimmen wollen? Nein! Wirsollten lernen, zwischen dermystischen Verschmelzungmit dem Weltganzen32 unddem durch spinnerte DogmenhervorgerufenenDurchbrennen allerSicherungen im Oberstübchenzu unterscheiden. Religiöse

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Gefühle sind – so fair sollteman sein – nichtnotwendigerweisegleichbedeutend mit religiöserIdiotie, auch wenn das einemit dem anderen häufigeinhergeht.

Der Begriff »religiöse Idiotie«(kurz: »Religiotie«) magverletzend klingen, beschreibtjedoch treffender als jederAlternativbegriff eines derzentralen Probleme unsererZeit: Solange nämlichReligioten das Sagen aufunserem Planeten haben – unddas haben sie leider, Menschsei’s geklagt, in vielen Teilender Welt –, sind alle Versuche,das Zusammenleben derMenschen vernünftiger, freier,

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gerechter zu gestalten,notwendigerweise zumScheitern verurteilt. (DenkenSie nur an die muslimischenExtremisten in Somalia, die2011 die dringend benötigteinternationale Hilfe für diehungernde Bevölkerung nichtzuließen.) Versuchen wir alsoangesichts der Bedeutungdieses Phänomens eine kurzeDefinition des religiotischenSyndroms: Religiotie ist eineselten diagnostizierte (wennauch häufig auftretende) Formder geistigen Behinderung, diedurch intensiveGlaubensindoktrinationvornehmlich im Kindesalterausgelöst wird. Sie führt zudeutlich

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unterdurchschnittlichenkognitiven Leistungen sowiezu unangemessenenemotionalen Reaktionen,sobald es umglaubensrelevanteSachverhalte geht.33

Bemerkenswert ist, dass sichReligiotie nichtnotwendigerweise in einemgenerell reduzierten IQniederschlägt: Religioten sindzwar weltanschaulich zu starkbehindert, um dieoffensichtlichen Absurditätenihres Glaubens zu erkennen,auf technischem oderstrategischem Gebiet könnensie jedoch (siehe Osama binLaden) hochintelligent sein.Wie es »Inselbegabungen«

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gibt (geistig behinderte oderautistische Menschen mitüberwältigendenmathematischen oderkünstlerischen Fähigkeiten),so gibt es offensichtlich auch»Inselverarmungen« (normaloder gar hochintelligenteMenschen, die inweltanschaulicher Hinsichtvöllig debil sind). Religiotiesollte daher als »partielleEntwicklungsstörung«verstanden werden – einBegriff, den derEntwicklungspsychologe FranzBuggle schon vor Jahrenvorgeschlagen hat, um diespezifischen Denkhemmungenreligiöser Fundamentalisten zuerfassen.34

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In Westeuropa tun wir unsschwer damit, die globalenDimensionen der Religiotierichtig einzuschätzen. Denndie allermeisten Gläubigen,denen wir in unserenBreitengraden begegnen,nehmen ihre Religion längstnicht mehr tödlich ernst. Vielevon ihnen sprechen allenfallsnoch einen »religiösenDialekt«, der einigermaßenfromm klingt, es aber längstnicht mehr so meint.35

Tatsächlich wissen die meisteneuropäischen »Christen« nichteinmal, was sie von Amtswegen eigentlich glaubenmüssten: Die »Auferstehungder Toten« kennen viele nurnoch aus Zombie-Filmen – und

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das »Jüngste Gericht« haltensie womöglich für die neuesteRezeptidee von FernsehkochJohann Lafer.

Die Transformation des einstbrutal wütenden europäischenChristentums in eine harmlosePseudoreligion mitfolkloristischem Charakter istzweifellos eine erfreulicheEntwicklung. Allerdings solltenwir uns davor hüten, von demseichten »religiösenMusikantenstadl« in Europaauf die Verhältnisse weltweitzu schließen. Was wahreReligiotie bedeutet, das zeigtsich nicht nur in Saudi-Arabien, Iran, Nigeria oderSomalia, sondern schon in denUSA: Wenn US-amerikanische

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Evangelikale von»Auferstehung«, »Schöpfung«,»Himmel«, »Hölle«, »Gott« und»Teufel« sprechen, dann sinddas für sie keineunverbindlichen Metaphern –nein, diese Leute meinenwirklich, was sie sagen! Sieglauben tatsächlich, dass Gottdie Welt erschuf, als dieBabylonier bereits das ersteBier brauten. Millionen US-Bürger sind sogar überzeugt,in jener biblischen »Endzeit«zu leben, in der (lautJohannesoffenbarung) diefinale Schlacht zwischen Gutund Böse, Gott und Teufelausgetragen wird.

Da in den letztenJahrzehnten die Zahl der

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apokalyptischen Spinner inallen Religionen zugenommenhat und ihnen mittlerweiletechnische Möglichkeiten zurVerfügung stehen, von denenGotteskrieger früherer Zeitennicht einmal zu träumenwagten, ist es heute eine dergroßen Schicksalsfragen derMenschheit, ob es gelingenwird, den Einfluss derReligioten einzudämmen.(Gänzlich aufheben wird manihn wohl nie.) Allerdings ist dieReligiotie selbstverständlichnicht das einzigeschwerwiegende Problem, daswir lösen müssten, um denWeg in eine bessere Zukunftzu beschreiten. Denn diereligiotischen Hirnwürmer

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haben längst schonKonkurrenz von profaner Seitebekommen:

Die Menschen brauchenkeine Götter mehr, um sichdas Leben zur Hölle zumachen! Die neuenWahnsysteme des Homodemens kommen auch ohneFrömmelei aus und wirkendabei nicht weniger tödlich.Verlassen wir also diewundersame Welt derReligioten und tauchen ein inden ganz normalen Wahn derinternationalen Finanz-Deppokratie …

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SCHWARMDUMMHEITWie Ökonomioten dieWelt zugrunderichten

Vielleicht kennen Sie denalten Witz: Treffen sich zweiPlaneten im Universum.»Mann, geht’s mir schlecht!«,keucht der eine. »Ich fürchte,ich hab Homo sapiens!« »Oh,das ist übel!«, sagt der andere.»Homo sapiens hatte ich auchmal. Aber keine Sorge: Dasgeht schnell vorüber!« – Andiesem Witz stimmt fast alles,nur die Krankheitsdiagnose istnicht ganz korrekt: Denn der

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schwächelnde Planet leidetnicht unter Homo sapiens,sondern unter Homo demens –und das ist ein gewaltigerUnterschied: Sieben Milliardenweise Menschen könnte einPlanet wie die Erde problemlosverkraften – nicht aber siebenMilliarden Idioten!

Wie rasant das Wachstumder Weltbevölkerung in denletzten Jahrzehnten war, lässtsich anhand weniger Zahlenillustrieren: Vor 2000 Jahrenlebten etwa 300 MillionenMenschen auf der Erde,eineinhalb Jahrtausendespäter, im Jahr 1500, waren es500 Millionen, um 1800 rundeine Milliarde. Im20. Jahrhundert ging es dann –

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trotz der verheerendenWeltkriege – richtig zur Sache:1927 bevölkerten bereits zweiMilliarden Menschen die Erde,1960 waren es schon dreiMilliarden, 1974 vierMilliarden, 1987 fünfMilliarden, 1999 sechsMilliarden. Mittlerweile habenwir die Sieben-Milliarden-Grenze durchbrochen, dieAcht-Milliarden-Marke wirdwohl 2025 fallen.

Es ist eine Binsenweisheit,dass größere Menschenmassengrößere Probleme erzeugen.Dennoch: Der eigentlicheGrund für die globale Misereliegt nicht in der gestiegenenBiomasse des Menschen,sondern in der zu wenig

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genutzten Hirnmasse: Wir sindschlichtweg zu doof, um soviele zu sein! Jede ökologischeNische verträgt nur eingewisses Maß an Blödheit –und der Mensch überspanntden Bogen in dieser Hinsichtgewaltig.

Angesichts derKatastrophen, die wir bereitsausgelöst haben, muss mansich wirklich fragen, wer dieintelligentere Lebensform ist:Mensch oder Ameise?Immerhin übersteigt dieBiomasse der Ameisen die desMenschen um ein Vielfaches.(Sie stellen nicht nur viel, vielmehr Individuen, sondernbringen insgesamt auch eingrößeres Gewicht auf die

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Waage.) Und obwohl die vielenTrillionen Ameisen Tag für Tagwie die Weltmeisterproduzieren und konsumieren,gibt es bei ihnen weder einÜberbevölkerungs- noch einMüllproblem. Allem Anscheinnach verstehen sie es,intelligenter zu wirtschaftenals wir. Aber warum ist das so?Wo liegen die Gründe für dieaugenscheinliche ökologischeund ökonomische Weisheit derAmeisen und die nicht minderoffenkundige Blödheit derMenschen? Sind wir alsEinzelwesen nicht unendlichviel klüger als sie?

Natürlich sind wir das! AlsIndividuen sind wir denAmeisen kolossal überlegen,

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auf der Ebene des Kollektivshaben wir trotzdem dasNachsehen: Denn Ameisenzeichnen sich durchSchwarmintelligenz aus,Menschen durchSchwarmdummheit. Es istexakt das umgekehrtePhänomen: Während sich ausder individuellenBeschränktheit der Ameiseneine kollektive Intelligenzergibt, resultiert aus derindividuellen Intelligenz derMenschen eine kollektiveBeschränktheit: Erstgemeinsam sind wir richtigdoof! Denn das ist unsereSpezialität: Wir haben einSystem geschaffen, das dieRationalität des Einzelnen mit

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tödlicher Präzision zurGrundlage eines kollektivenIrrsinns macht, das unsEntscheidungen treffen lässt,die innerhalb des Systems als»klug«, ja sogar »vernünftig«erscheinen, obwohl sie inWahrheit vonatemberaubender Dummheitsind.

Dafür gibt es kaum einbesseres Beispiel als unsereheutige Wegwerfgesellschaft,die einerseits völlig irrsinnigeKonsequenzen hat,andererseits jedoch sehr wohlauf rationalenWirtschaftsstrategien beruht,etwa der sogenanntengeplanten Obsoleszenz.Womöglich haben Sie dieses

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Wort noch nie gehört36, diedamit verbundenenPhänomene dürften Ihnen aberwohlvertraut sein. Sie kennendas sicherlich: Kaum ist dieGarantiezeit Ihres Handys,Toasters, Druckers oderKühlschranks abgelaufen, gibtdas verdammte Ding auchschon den Geist auf! Hinterdiesem bemerkenswertenVorgang verbirgt sich nichtnur der berühmte »Zahn derZeit«, der bekanntlich anallem und jedem nagt,sondern eben auch »geplanteObsoleszenz«. Das Adjektiv»obsolet«, das in diesemsperrigen Begriff enthalten ist,bedeutet »hinfällig«,»veraltet«, »nicht mehr

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gebräuchlich« – und genaudarum geht es: Viele Produktewerden ganz bewusst sokonzipiert, dass sie genau zumrichtigen Zeitpunkt (weder zufrüh noch zu spät) »hinfällig«sind. Infolgedessen kann derfröhliche Konsument dieWirtschaft ankurbeln, indem erneue Produkte erwirbt.

Wo kämen wir auch hin,wenn die Produkte ewighielten? Die Absatzmärktewürden einbrechen, unserProfite, unsere Arbeitsplätze,unser Renten wären in Gefahr!So etwas Verrücktes wieKühlschränke mit einergarantierten Lebensdauer von25 Jahren konnte nur die DDRhervorbringen – kein Wunder,

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dass sie unterging. Wie man esrichtig macht, zeigten diegroßen Elektrokonzerne schonvor Jahrzehnten, als sie dieLebensdauer ihrer Glühbirnensystematisch von 2500 auf1000 Stundenherunterstuften. Denn dasMotto des globalen Markteslautet: »Lang lebe dieKurzlebigkeit!« Insofern war esnur konsequent, dass dieDesigner von DuPont, als sie inden 1950er-Jahren eine»unkaputtbare«Nylonstrumpfhose erfanden,postwendend zurück ansZeichenbrett geschicktwurden, um eine wenigerstrapazierfähige Variante zuentwickeln. Allzu haltbare

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Waren, das weiß jederBetriebswirt, sind eineTragödie fürs Geschäft.

In unserer schönen neuenWarenwelt hat jedes Produkteine im Vorhinein festgelegteLebensdauer – und damitdiese nicht unangemessenüberschritten wird, lassen sichdie Hersteller einiges einfallen:In erster Linie zählt hierzu dasSchaffen kurzlebigerModetrends, die die Produkteder vergangenen Saison alshoffnungslos veraltet wirkenlassen, sodass der Konsumentfreiwillig zu neuen Produktengreift. Mitunter aber sind dieKunden uneinsichtig undmüssen zu ihrem Glückgezwungen werden. Daher

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bauen einige Hersteller in ihreelektrischen Apparaturenspezielle Chips ein, die demGerät die freundlicheAnweisung geben, nach einergewissen Betriebsdauer dieArbeit einzustellen.37 Nochbeliebter ist der »kalkulierteVerschleiß«, also dasVerwenden von Materialien,die das Produkt nach einergewissen Zeit unbrauchbarmachen oder es in seiner Optikso »abgegriffen« erscheinenlassen, dass der Kunde es sichdreimal überlegt, ob er nichtdoch das teure, dafür aberprestigeträchtige Neuprodukterwerben sollte.

Aus betriebswirtschaftlicherSicht ist die Strategie der

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geplanten Obsoleszenzzweifellos clever – sehr cleversogar, denn sie garantiert denErfolg des Unternehmensdurch massenhaften Absatzseiner Produkte. Auch ausvolkwirtschaftlicher Sichtscheint Obsoleszenz Sinn zumachen, denn nur wenn wirallesamt wie die Irrsinnigenkonsumieren, erhalten wir zurBelohnung jenes sehnsüchtigerwartete wirtschaftlicheWachstum, für das westlichePolitiker ebenso inbrünstigbeten wie fromme Katholikenfür die Vergebung ihrerSünden. Global gesehen istgeplante Obsoleszenz unterden gegebenenProduktionsbedingungen

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jedoch an Hirnrissigkeit kaumzu überbieten, sie ist geradezuein Musterbeispiel für unserefehlende Schwarmintelligenzbeziehungsweise ausgeprägteSchwarmdummheit: KeinMensch käme alleine auf denGedanken, unter Einsatzseines Lebens wertvolleRessourcen zu erobern, um siedann innerhalb kürzester Zeitin wertlose Müllberge zuverwandeln. Nur in der Massesind wir blöd genug, um einsolches Verhalten an den Tagzu legen.

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Schädling oder NützlingMensch?Fakt ist, dass aufgrund derimmer kürzer werdendenProduktlebenszeiten immergrößere Mengen Abfallentstehen. Allein Deutschlandbringt es mittlerweile auf übereine Million TonnenElektroschrott pro Jahr – undLänder wie die USA, wojährlich mehr als 300 MillionenComputer »entsorgt« werden,treiben es noch toller. Dass eskeine Lösung sein kann,unsere giftigenIndustrieabfälle – wie bisher –in die Elendsquartiere der Weltzu verschiffen (zynischerweisewird dieser Gifttransportmitunter sogar als

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»Entwicklungshilfe«ausgewiesen), sollte eigentlicheinleuchten. Doch ändern wirdeshalb unser Verhalten?Mitnichten! Obwohl dieMüllberge ebenso dramatischanwachsen, wie dieRessourcen schwinden, wollenwir es nicht wahrhaben, dasssich das Paradigma derKurzlebigkeit längst überlebthat. Ganze Heerscharen vonWirtschaftsfachleuten haltenes noch immer für ein Zeichenbesonderer Intelligenz,Produkte so unintelligent zudesignen, dass sie möglichstbald durch neue Produkteersetzt werden müssen. Unddamit bleibt letztlich allesbeim Alten: Mit allergrößtem

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Aufwand produzieren wirMüllberg für Müllberg undschaffen so die idealenBedingungen für unserenkollektiven Untergang, alskönnten wir es einfach nichterwarten.

Daran hat auch die in denletzten JahrzehntenaufkeimendeUmweltbewegung weniggeändert. Zwar gab es Erfolgein einzelnen Teilbereichen (sowurden 2001 einige besondersgiftige und krebsauslösendeStoffe wie PCB oder DDTverboten), insgesamt jedochkonnte die Ökowelle demallgegenwärtigen Wahn kaummehr als einen »grünenAnstrich« verpassen. Fragen

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Sie sich selbst: Ist es wirklichökologisch oder nicht viel eherökologiotisch (also Ausdruckökologischer Idiotie), wennman einerseits denBenzinverbrauch proAutomobil halbiert,andererseits jedoch die Zahlder Fahrzeuge verdreifacht?Ist es sinnvoll, dem Imperativdes Ökologismus zu folgen,der sich darin erschöpft, dieMengen an giftigenSchadstoffen zu reduzierenund die Verwandlung vonunwiederbringlichenRessourcen in unproduktivenMüll einzuschränken? Führtdas nicht bestenfalls zu einemetwas späterenZusammenbruch der Systeme,

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schlimmstenfalls sogar zueiner Beschleunigung derZerstörung, da man die als»Öko« oder »Bio«vermarkteten Produkte ja nunohne »schlechtes Gewissen«konsumieren darf?

Unter dem Diktat desÖkologismus ist es zu unseraller Ziel geworden, »etwasweniger schädlich für dieUmwelt« zu sein. Das klingtwunderbar ökologisch, ist aberbei genauerer Betrachtungökologiotisch, denn: Wenigerschlecht ist noch lange nichtgut! Genau an diesem Punktzeigt sich der Irrsinn dergegenwärtigen Ökowelle: Siekonditioniert uns darauf, unserHeil darin zu sehen, den

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negativen ökologischenFußabdruck von Homo demenszu reduzieren, statt mitgleicher Intensität denpositiven ökologischenFußabdruck von Homo sapienszu verstärken. UnsereAufmerksamkeit ist sofokussiert auf den SchädlingMensch, dass wir den NützlingMensch ganz aus den Augenverlieren. Doch warum solltenwir notwendigerweise so vielblöder sein als alle anderenSpezies? Warum sollte unsMenschen nicht das Gleichegelingen, was Ameisen schonseit Jahrmillionen invorbildlicher Weisepraktizieren? Könnten nichtauch wir Produktion und

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Konsumtion so intelligentgestalten, dass sie nicht bloßunschädlich, sondern sogarnützlich für die Biosphäresind?

Dass dies möglich ist, habenMichael Braungart und WilliamMcDonough in ihremausgezeichneten Buch»Einfach intelligentproduzieren« dargelegt.38 Siedokumentieren nicht nureindringlich, warum wir unsvon der bisherigenProduktionsform, die von derWiege der Rohstoffgewinnungzur Bahre derSondermülldeponien führt,schnellstens verabschiedensollten, sondern zeigen mitihrem Cradle to Cradle-Prinzip

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(übersetzt: von der Wiege zurWiege) auf, wie es andersgehen könnte: In einer echtenKreislaufwirtschaft müsstenbiologische undtechnologische Nährstoffekonsequent voneinandergetrennt werden. Statt aufNimmerwiedersehen verlorenzu gehen, würden sie demProduktions- undKonsumtionsprozess erhaltenbleiben, was verlangt, dassschon bei der Planung undHerstellung eines Produktsseine spätereWiederverwertungeinkalkuliert wird. Abfälle imSinne wertlosen Mülls gibt esin einem solchenKreislaufsystem gar nicht

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mehr, da jeder Abfall zugleichNahrung für den nächstenStoffwechselprozess ist – sowie es uns die Natur seitJahrmillionen vormacht.

Das Bemerkenswerte anCradle to Cradle ist, dass dasKonzept nicht nur konsequentökologisch, sondern auchkonsequent humanistisch ist.Der Mensch erscheint hiernicht von vornherein alsBelastung für den Planeten,sondern als potenzielleBereicherung. Das ist eingewaltiger Unterschied zu dentraditionellen Ansätzen, diemeist im ökologischenBüßergewand daherkommen,die Litanei unserer tiefenSchuld predigen und Sühne

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für die schwere Versündigungdes Menschen an »Gottesheiler Schöpfung«einklagen.39 DieserUnterschied in derGrundkonzeption hatweitreichende praktischeKonsequenzen: Anders als dietraditionellen Ansätze fordertCradle to Cradle nicht zuReduktion, zu Verzicht undNullwachstum auf (dertraurigen Dreifaltigkeit desfrommen Ökologismus),sondern zu mehr Kreativität,mehr Schönheit und einerintelligenten Erweiterungunserer technischenMöglichkeiten. Leitbild vonC2C (wie das Konzeptabgekürzt wird) ist nicht die

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kahle, asketischeMönchsstube, sondern derblühende Kirschbaum, derseine Ressourcen Jahr für Jahrauf so wunderbar effektiveWeise verschwendet, dassnicht nur er, sondern auch seinUmfeld nachhaltig davonprofitieren.

Mittlerweile habenBraungart und McDonoughzusammen mit internationalenPartnern bewiesen, dass dasCradle to Cradle-Konzeptaufgeht. Sie haben Fabrikenerrichtet, aus denen dasWasser sauberer heraus- alshineinfließt, Häuser gebaut,die mehr Energie erzeugen, alssie verbrauchen, Bildschirmeentworfen, die komplett

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recycelt werden können,Textilien hergestellt, die mannicht nur bedenkenlosanziehen kann (normalerweisetragen wir Sondermüll auf derHaut), sondern die spätersogar als Kompost im Gartendienen können. DieErfahrungen der letzten Jahrehaben gezeigt, dass die C2C-Revolution, die unserenStoffwechsel mit der Naturgrundlegend ändern würde,sehr wohl machbar wäre.Renommierte Firmen habenbereits erfolgreich mit demKonzept gearbeitet40 – undohne Zweifel wären schon jetztviele, viele Unternehmen mehran Bord, wenn (ja: wenn!) esstärkere ökonomische Anreize

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für die Betriebe gäbe, aus demabsurden System derÖkologiotie auszusteigen.

Doch genau hier liegt dasProblem: Ökologische Blödheit(Ökologiotie) undökonomischer Schwachsinn(Ökonomiotie) sind einanderverstärkende Prozesse. Dieschreckliche Wahrheit ist, dassnicht nur viele Güter, die wirtäglich produzieren undkonsumieren, unintelligentdesignt sind, sondern dassunser gesamtesWirtschaftssystem aufunintelligentem Designberuht! Als würde es nichtgenügen, dass wir dummeProdukte erschaffen, versagenwir auch noch bei der Aufgabe,

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den Austausch dieser Produktevernünftig zu organisieren.Zwar ergibt minus mal minusmathematisch ein Plus – aberdas fette Plus, das aus derdoofen Verteilung dooferProdukte resultiert, landet wiedurch Zauberhand auf denKonten einiger weniger,während der überwiegendeTeil der Menschheit blöde ausder toxisch belasteten Wäscheschaut.

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ÖkonomischeSchwarmdummheitEigentlich sollte einefunktionierende Wirtschaftden reibungslosen Austauschvon Gütern undDienstleistungen garantieren.Theoretisch dürften wir sogarerwarten, dass aufgrund derstetig nachwachsendenReichtümer der Natur und derenorm gestiegenenProduktivität des Menschenjedes einzelnes Individuum aufdiesem Planeten ein mehr oderweniger sorgenfreies Lebenführen könnte. Doch, wie wiralle wissen, sieht die Realitätdeutlich anders aus: VieleMenschen genießen heutezwar einen Luxus, vor dem

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selbst die mächtigsten Kaiser,Könige und Päpste derVergangenheit vor Neiderblassen würden, gleichzeitigaber sterben Tag für Tag30 000 Kinder unter fünfJahren an den Folgen vonUnterernährung, fehlenderHygiene und mangelhaftermedizinischer Versorgung.Während wir die Sektkorkenknallen lassen, haben eineMilliarde Menschen nichteinmal Zugang zu sauberemTrinkwasser. Während wir insFitnesscenter gehen, umüberschüssige Kalorienabzutrainieren, sind700 Millionen Menschen vomHungertod bedroht. Es ist dasgroße Paradoxon unserer Zeit:

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Nie war die Menschheitreicher, nie war sie ärmer alsheute. Nie zuvor gab es solchgrandiosen Wohlstand undzugleich so fürchterlichesElend.

Manche sehen hierin einProblem der Moral. Sie meinen,dass wir, die Menschen derreichen Industrienationen,einfach zu raffgierig seien undden Ärmsten der Armenvorsätzlich noch die letztenBrotkrümel vom Teller stehlenwürden. Doch ist das wirklichwahr? Sind wir wirklich sohartherzig, dass uns das Leidder anderen nicht berührt?Streben wir tatsächlichdanach, unser Glück auf demUnglück der Allerärmsten zu

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gründen? Nein! Die meistenvon uns sind sich absolut imKlaren darüber, dass es so wiebisher nicht weitergehen darf.Die große Mehrheit derMenschen in denIndustrienationen wünschtsich eine andere, einegerechtere Welt, in der jederEinzelne sorgenfrei lebenkann.

Es liegt eben nicht amfehlenden Weltethos, sondernan fehlender Intelligenz, dassdie Dinge noch immer so sind,wie sie sind. Die ernüchterndeWahrheit ist: Wir sind nicht zuböse, sondern zu blöde, umeine gerechtere Welt zuschaffen! Und das ist dieeigentliche Tragik unserer

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Situation: Niemand will es,jeder beklagt es – und dochpassiert es: Die Scherezwischen Arm und Reich gehtimmer weiter auf – und zwarnicht nur im globalen Maßstab,sondern auch innerhalb derreichen Nationen.

Nach den Lehren derklassischen Ökonomie hätte esdazu eigentlich gar nichtkommen dürfen. Die von AdamSmith beschriebene»unsichtbare Hand desMarktes« hätte den Eigennutzder Individuen so steuernmüssen, dass sie im Laufe derZeit den Wohlstand allergarantiert. Doch es kamanders: Während dieunsichtbare Hand des Marktes

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die einen streichelte,erdrosselte sie die anderen.Man könnte den Einsatz eines»unsichtbaren Killers«, derMillionen von Opfernproduziert und auf keinemFahndungsfoto der Welterscheint, als »perfektesVerbrechen« bezeichnen –allerdings nur, wenn dasGanze bewusst geplantworden wäre. Aber eben daswar nicht der Fall. Ebensowenig wie es ein intelligentesDesign in der Natur gibt (diebiologische Evolution ist sovoller Pleiten, Pech undPannen, dass sich dieAnnahme eines intelligentenPlaners von selbst verbietet),lässt sich in unserer

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Wirtschaftsweise irgendeineForm von höherer Intelligenzerkennen. Im Gegenteil: Esgibt kaum ein Gebiet, auf demsich menschlicheSchwarmdoofheit sooffenkundig manifestiert wieauf dem Gebiet der Ökonomie.

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Finde den nächstgrößerenDeppen!Denken Sie nur an dieTurbulenzen auf deninternationalenFinanzmärkten: Jetzt, da ichdies schreibe, ist der Euroaufgrund der kolossalenStaatsschulden inGriechenland, aber auch invielen anderen europäischenLändern, massiv unter Druck.Obgleich die Regierungenimmer größere, in ihrenAusmaßen kaum nochvorstellbare»Rettungsschirme«beschließen, spekulierengewiefte Hedgefonds-Managerweiterhin erfolgreich gegendie angeschlagene

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europäische Währung.Natürlich werden sie dafür inden Medien und in der Politikzu den großen Buhmännernunserer Zeit stilisiert. Wasdabei jedoch übersehen wird:Das Kapital, mit dem dieManager gegen den Eurowetten, stammt nichtunwesentlich aus der Eurozoneselbst! So haben deutschePensionskassen, um dieAltersvorsorge ihrer Mitgliederzu sichern, ihr Kapital geradeauch in jenen lukrativenHedgefonds angelegt, die aufWährungsspekulationenspezialisiert sind.41 Folglichwird nun mit europäischenErsparnissen gegeneuropäische Ersparnisse

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gewettet. EinSchildbürgerstreich erstenRanges, bei dem Sie sichaussuchen dürfen, was Ihnenlieber ist: Wenn derNiedergang des Eurosgestoppt werden kann, fälltIhre private Altersrente;misslingt das Vorhaben, steigtIhre Rente, aber der Euro istkaum noch etwas wert.

Verrücktheiten dieser Artsind im Finanzgeschäft an derTagesordnung, genauer: Siesind für dieses Geschäftkonstitutiv. Der 1999verstorbene Börsenguru AndréKostolany behauptete, schonan seinem ersten Tag an derPariser Börse das Grundrezeptseines späteren Erfolgs erlernt

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zu haben, nämlich dass dieKursentwicklung allein davonabhängt, »ob es mehr Papiereals Dummköpfe oder mehrDummköpfe als Papieregibt«.42 In der Tatfunktionieren dieFinanzmärkte nach der Logikvon Kettenbriefen, derengrundlegende Spielregelebenso einfach wieschwachsinnig ist: Finde dennächstgrößeren Deppen!Erfolgreich ist, wem es gelingt,einen Idioten zu finden, dernoch mehr für ein Papierbietet, das man selbst schonüber Wert erworben hat. Nocherfolgreicher freilich istderjenige, der nicht nur dennächstgrößeren Deppen

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findet, sondern auch noch zumrichtigen Zeitpunkt daraufwettet, dass das miese»Finanzprodukt«, das man ihmverkauft hat, seinen Wertverliert.43 In der realenWirtschaft würde eine solcheGeschäftsidee niemalsaufgehen, aber von ihr hatsich das virtuelleKettenbriefspiel derFinanzmärkte längstentkoppelt.

Wie sehr die Real- undFinanzmärkteauseinanderdriften, zeigt eineGegenüberstellung derjeweiligen Volumen: So lag derGesamtwert aller weltweitproduzierten Güter undDienstleistungen 2010 bei

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63 Billionen Dollar, dasVolumen der Finanzderivate(der aus diesen Gütern undDienstleistungen auf höchstundurchsichtige Weiseabgeleiteten Spekulationenauf künftige Werte) jedochschon bei sage und schreibe601 Billionen Dollar, dasVolumen der Devisengeschäfte(der Handel mit Währungen)sogar bei 955 BillionenDollar.44 Angesichts diesesMissverhältnisses muss mansich nicht darüber wundern,dass Investitionen in dieProduktion realer Güter undDienstleistungen zunehmendunterbleiben. (In den 1970er-Jahren wurden in Deutschlandnoch 15 Prozent des

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Bruttoinlandsprodukts in dieErweiterung oderVerbesserung derProduktionskapazitäteninvestiert, in den 1990ernwaren es noch 10 Prozent,2010 lag der Anteil derNettoanlageinvestitionen beijämmerlichen 2,9 Prozent.45)Warum auch solltenKapitalbesitzer in neueTechniken und Produkteinvestieren, warum solltenBanken das mühsameAlltagsgeschäft derKreditvergabe an Unternehmerbetreiben, wenn dasRoulettespiel im virtuellenFinanzcasino weit höhereGewinne abwirft? Aus derBinnenlogik des

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Finanzsystems heraus ist dieseAnlagestrategie völlig rational,objektiv betrachtet handelt essich jedoch um den größtenökonomischen Schwachsinnaller Zeiten!

Denn wofür stehen dieGewinne und Verluste auf denFinanzmärkten, wenn sieeinzig und allein um sichselbst kreisen? Welche realenWerte sollen die exorbitantgestiegenen Vermögen undSchulden nochrepräsentieren? Fragen Siesich selbst: Gibt es etwasHirnrissigeres als dieVorstellung, man könne realenWohlstand dadurch erzeugen,dass man fiktives Kapital infiktives Kapital investiert statt

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in reale Güter undDienstleistungen? Muss manwirklich in Erinnerung rufen,dass der Werbespruch derBanken »Lassen Sie Ihr Geldarbeiten!« Blödsinn ist?Natürlich arbeitet Geldniemals, es sind immer realeMenschen, die für Geldarbeiten, indem sie Güter undDienstleistungen bereitstellen!Und genau in diesem Punktbeißt sich die auf »virtuelleMäuse« spezialisierteFinanzkatze in den eigenenSchwanz: Denn für welchesGeld, bitte schön, sollen dieMenschen noch arbeiten, wennein Großteil des Kapitals inspekulative Finanzproduktefließt statt in reale Güter und

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Dienstleistungen?!Wie jedes Kettenbriefsystem

wird auch derCasinokapitalismus in sichzusammenfallen, wenn dieDiskrepanz zwischen Fiktionund Realität zu groß ist, alsdass man sich noch darüberhinweglügen könnte. Es siehtso aus, als würden wir unsdiesem Punkt allmählichannähern. Immer mehrMenschen erkennen, dass dieins Unermessliche gestiegenenGeldvermögen ebensoirrationale Größen sind wie dieim gleichen Maße gestiegenenSchulden, auf denen siegründen. Wahrscheinlich wirdden allermeisten auch erstjetzt, im Moment der Krise, der

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unaufhebbare Zusammenhangvon Vermögen und Schuldenbewusst, der da lautet: OhneGeldschulden keinGeldvermögen!46

Fakt ist: Für jeden Euro, denSie ansparen, mussirgendjemand einen Euroausgeben, der ihm nichtgehört. Steigen IhreErsparnisse, was allein schonüber denZinseszinsmechanismusgarantiert ist, so müssen aufder anderen Seite auch dieSchulden steigen. Dieses Spielkann logischerweise nur solange funktionieren, wie esden Schuldnern gelingt, denEindruck zu erwecken, dass siedie verzinsten Schulden

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zurückzahlen können. Diesjedoch wird mit der Zeit immerschwieriger und irgendwann,wenn Schulden und Vermögenastronomische Höhenerklimmen, völligunrealistisch. In diesemMoment der Wahrheit wird dasIdiotenspiel der Homo-demens-Ökonomieoffensichtlich, dann nämlichzeigt sich, dass Schulden, dieniemand mehr bedienen kann,notwendigerweise auchVermögen bedeuten, die durchnichts mehr gedeckt sind.

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Die Schuld der GläubigerNormalerweise wird die Schuldam Versagen desGeldkreislaufs denzahlungsunfähigenSchuldnern aufgebürdet. »Werauch sonst sollte schuld sein,wenn nicht der Schuldner?«,glaubt der Gläubiger mitnaiver Entrüstung. Also zwingter jene, die nicht mehr zahlenkönnen, siehe Griechenland(bald wird es auch andereStaaten ereilen), Buße zu tun,»den Gürtel enger zuschnallen« und – aufFinanzteufel komm raus – zusparen (was dieangeschlagene Wirtschaftnoch tiefer in den Keller stürztund fatale soziale

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Konsequenzen hat). Doch sobequem es für die Gläubigerauch sein mag, die Schuldbeim Schuldner abzuladen,tatsächlich sind sie an derMisere gleichermaßenbeteiligt: Denn je höher dieProfitrate der einen, destohöher die Schuldenquote deranderen. Natürlich ist esrichtig, wenn es heißt, dass wiruns exorbitanteSchuldenberge nicht mehrleisten können. Jedoch darfdabei nicht vergessen werden(was regelmäßig geschieht),dass dies im Umkehrschlussauch bedeutet, dass wir unskeine exorbitanten Vermögenmehr leisten dürfen.47

Es ist keinesfalls so

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ehrenhaft, wie man vielleichtvermuten könnte, zu jenensparsamen Menschen zugehören, die – anders als diemeisten Staaten oderüberschuldete amerikanischeHäuslebauer – nicht über dieeigenen Verhältnisse leben.Denn derjenige, der unterseinen Verhältnissen lebt, istvolkswirtschaftlich nichtweniger schädlich. Dernotorische Sparer, der nichtsanderes im Sinn hat, als seinKapital zu mehren, ist vielmehrein doppeltes Übel: Er treibtnicht nur andere in dieSchuldenfalle, sondernschwächt auch ganzunmittelbar denWirtschaftskreislauf, auf dem

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sein Geldvermögen letztlichgründet. Warum? Weil Sparennichts anderes bedeutet alsKonsumverzicht,Konsumverzicht aber führt zugeringerem Absatz von Güternund Dienstleistungen undsomit zu fallenden realenProfiten, woraus wiederumhöhere Arbeitslosenzahlen,geringere Steuereinahmenund vermehrte privateInsolvenzen resultieren, amEnde sogar Staatsbankrotteund – über die Verquickungvon Schulden und Vermögen –last, but not least der Verlustder privaten Ersparnisse.

Allzu große Geldvermögensind demnach nicht nurschädlich, weil sie

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notwendigerweise aufSchulden beruhen, dieirgendwann nicht mehrbedient werden können,sondern auch, weil das Kapital,das die wenigen besitzen, denvielen fehlt, um all dieschönen Güter undDienstleistungen in Anspruchzu nehmen, die zwartheoretisch bereitgestelltwerden könnten, aberaufgrund des Ausfallszahlungsfähiger Konsumentenkeine Abnehmer mehr finden.Hier nun offenbart sich derGipfel der Ökonomiotie: Denneigentlich sollte Geld denreibungslosen Austausch vonGütern und Dienstleistungengewährleisten, unter den

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gegebenen Umständen jedochist es gerade das Geld, das denreibungslosen Austauschverhindert! Im Grunde nämlichist alles vorhanden, was einfunktionstüchtiger Marktbraucht: Menschen mitBedürfnissen undProduktionsmittel, die dieseBedürfnisse weitestgehendbefriedigen könnten. Nur dasMedium Geld, das notwendigist, um Angebot undNachfrage miteinander zuverkoppeln, ist nicht an demPlatz, an dem es gebrauchtwird. Aufgrund diesermonetären Fehldispositionentsteht eine künstlicheKnappheit von Gütern undDienstleistungen, die bei einer

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vernünftigeren Verteilung desMediums Geld gar nichtexistieren würde.

Um diesen Sachverhalt zuverstehen, muss man sich diezentrale Rolle des Geldes imWirtschaftskreislauf bewusstmachen. Wesentlich sinddabei zwei Funktionen: Gelddient erstens als zentralesZahlungs- und Tauschmittelfür Güter und Dienstleistungenaller Art. Als solches ist es einegeradezu geniale Erfindung,befreit sie uns doch vomenormen Aufwand direkterTauschgeschäfte. (Stellen Siesich vor, Sie hätten diesesBuch direkt bei mir erwerbenmüssen, im Tausch gegenÄpfel aus Ihrem Garten, eine

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ViertelstundeGitarrenunterricht oder einekurze Taxifahrt –wahrscheinlich würden wirnoch immer miteinanderverhandeln, ohne auf einengrünen Zweig zu kommen.)Geld erfüllt zweitens aber auchdie Funktion einesWertaufbewahrungsmittels.(So muss ich den Erlös ausdem Verkauf dieses Buchesnicht sofort in Äpfelinvestieren, sondern kann diesauch Monate später tun.)Zweifellos ist auch dieseWertaufbewahrungsfunktioneine sinnvolle Eigenschaft desGeldes – allerdings nur unterder Voraussetzung, dassniemand auf den Gedanken

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kommt, demWirtschaftskreislauf Geld auflängere Zeit zu entziehen.Denn Geld, das der eine hortet(beispielsweise indem er esunter dem Kopfkissenversteckt), fehlt allen anderenzum Austausch von Güternund Dienstleistungen. Wie dasBlut im Körper muss Geld inder Wirtschaft zirkulieren –wird diese Zirkulationunterbrochen, bricht dasSystem in sich zusammen.

Welch faszinierendeWirkung der Geldzirkulationzukommt, hat derFinanzjournalist Lucas Zeiseanhand einer hübschenAnekdote illustriert: »Esgeschah in einem kleinen Dorf

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im Luberon, das ausschließlichvom Tourismus lebte, bisdieser aufgrund derweltweiten Finanzkriseausblieb. Kein Tourist besuchtdas Dörfchen, und jederBewohner muss zumÜberleben bei einem anderenGeld pumpen. (…) Schließlicherscheint ein Fremder undmietet ein Zimmer. Er zahltbeim Einchecken mit einem100-€-Schein. Der Tourist istkaum mit seinem Trolley dieTreppe hinauf, da rennt derHotelbesitzer schon zu seinemMetzger, dem er seit Wochen100 Euro schuldet. DerMetzger nimmt den Scheinund läuft zum Bauern, der ihnmit Fleisch beliefert, was er

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bislang nicht bezahlen konnte.Der Bauer ergreift hocherfreutden Schein und trabt zu dereinzigen Hure des Dorfes, derer noch das Geld für dieletzten Besuche schuldig ist.Die Hure beeilt sich ihrerseits,ganz schnell den Hotelieraufzusuchen, bei dem sie hinund wieder stundenweise eineKammer mietet, die sie seitAusbruch der Krise nichtbezahlen konnte. Im selbenMoment, in dem sie denGeldschein auf denEmpfangstisch legt, kommtder Tourist die Treppeherunter, erklärt, dass ihm dasZimmer nicht gefalle, nimmtden Schein und verschwindet.In diesem kurzen Moment im

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Leben eines Dorfes wurde keinGeld ausgegeben, keiner hatetwas gewonnen und keinerverloren. Allein: alleDorfbewohner sind plötzlichschuldenfrei.«48

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Vom Tauschmittel zumTauschzweckWäre es dabei geblieben, dassGeld bloß die Funktion einesuniversellen Zahlungs-,Tausch- undWertaufbewahrungsmittelsinnehätte, sähe unsere Weltdeutlich besser aus. DochHomo demens wäre nichtHomo demens, würde er nichtalles unternehmen, um auchnoch die klügsten Erfindungender Menschheit in ihrGegenteil zu verkehren. Sowar es auch beim Geld. Stattdafür zu sorgen, dass Geldeine stabile, transparente undneutrale Verrechnungseinheitfür den Austausch von Güternund Dienstleistungen ist,

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setzten wir alles daran, es inein instabiles, intransparentesund parteiisches Instrumentder Umverteilung zuverwandeln, das denAustausch von Gütern undDienstleistungen behindert.Wie uns dieses Idiotenstückgelungen ist? Ganz einfach:Wir machten das Tauschmittelzum Tauschzweck, aus demMedium des Warenhandels dieHandelsware schlechthin.

Dass dieses Konzept nichtaufgehen kann, sollteeinleuchten. Wie auch könnteGeld ein neutraler Maßstab fürden Marktwert von Gütern undDienstleistungen sein, wennGeld selbst eine Ware ist,deren Wert durch

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undurchsichtige, eigennützigeSpekulationen auf denMärkten bestimmt wird? Mussman sich wirklich wundern,dass mit der Deregulierung derFinanzmärkte, das heißt: mitder Stärkung derWarenfunktion des Geldes, derökonomische Irrsinn inRekordgeschwindigkeit neueGipfel erreichte? Ganz gewissnicht! Allerdings wäre es einFehler, die Ursache für diegegenwärtige Misere in denentfesselten Finanzmärktenund ihrem Kettenbriefhandelzu sehen. Immerhin haben diegewieften Finanzjongleure dieWarenfunktion des Geldesnicht erfunden, sondernbereits vorgefunden. Ihre

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kreative Leistung bestandallein darin, den in derWarenfunktion des Geldesenthaltenen Wahnsinn auf dieSpitze zu treiben.

Dass Geld nicht nur einTauschmedium, sondern vorallem auch Ware ist, erkenntman daran, dass man einenPreis zahlen muss, um es zuerwerben. Im Falle des Geldesheißt dieser Preis Zins. DerZins wird in der traditionellenÖkonomie damit begründet,dass er den Geldumlaufsichert, er ist gewissermaßendie Prämie dafür, dass derGeldvermögensbesitzer seinGeld nicht im stillenKämmerlein hortet, sondernwieder in den

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Wirtschaftskreislauf einbringt,was – wie wir gesehen haben –für das Funktionieren desAustausches von Gütern undDienstleistungen unerlässlichist. Allerdings hat der Zinshöchst unangenehmeNebenwirkungen, die seinenNutzen in den Schattenstellen, ja am Ende sogaraufheben können: Denn derZins führt nicht nur zu einemin der Realität auf Dauer kaumrealisierbarenWachstumszwang derWirtschaft(Unternehmensgewinnemüssen schließlich über derZinslast der getätigtenInvestitionen stehen, da derBetrieb sonst zugrunde geht),

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sondern auch zur strukturellenUmverteilung des Vermögensvon Arm auf Reich, die – sofernkeine Gegenmaßnahmenergriffen werden – mit der Zeitso weit voranschreitet, dassder gesamteWirtschaftskreislaufzusammenbricht.49

Suchen wir also nach denUrsachen für die sich immerweiter öffnende Scherezwischen Arm und Reich, somüssen wir uns nicht nur mitkonkreten Formen derAusbeutung beschäftigen(etwa mit Lohndumping),sondern vor allem auch mitder abstrakten Form derAusbeutung, die imWarencharakter des Geldes

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angelegt ist. Gemeint ist damitinsbesondere dieverhängnisvolle Logik desZins- undZinseszinsmechanismus, dermit der Ware Geld unauflöslichverknüpft ist und dessenWirkungen sich amtreffendsten wohl mit einembekannten Bibelwortcharakterisieren lassen: »Dennwer hat, dem wird gegeben,und er wird im Überflusshaben; wer aber nicht hat,dem wird auch nochweggenommen, was er hat.«50

Genauso ist es in derwirtschaftlichen Realität: WerKapital hat, dem fließtzusätzliches Kapital in Formvon Zinserträgen zu. Wer kein

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Kapital besitzt, dem wird(sofern er nicht auf Kostenanderer an zusätzliches Kapitalherankommt) auch noch daswenige, das er hat, in Formvon Zinslasten genommen.

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Geld macht reichDie katastrophalen Folgendieses Zusammenhangszeigen sich nicht zuletzt imVerhältnis der Industrieländerzu den Entwicklungsländern.So waren die Zinserträge, diein den letzten Jahrzehnten ausdem armen Süden in denreichen Norden transferiertwurden, um ein Vielfacheshöher als dieEntwicklungshilfe, die inumgekehrter Richtung floss.Bereits Mitte der 1990er-Jahrestellte der GeldtheoretikerHelmut Creutz fest: »WirBürger sind oft stolz aufunsere Spenden, die wir fürdie Dritte Welt aufbringen.Rund 4000 Millionen Dollar

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jährlich, in den gesamtenIndustrienationeneingesammelt, sind auch einehübsche Summe. Doch diese4000 Millionen Dollar reichenden armen Ländern gerade,zwölf Tage lang ihrenZinsverpflichtungennachzukommen. In denübrigen 353 Tagen im Jahrbleibt das Zusammenkratzendieser Gelder ihr eigenesProblem. Anders ausgedrückt:Die Spenden, die von allenHilfsorganisationen desNordens in einem Jahrzusammengebracht werden,sind nach zwölf Tagen wiederbei uns. Aber keinesfallswieder in den Taschen derSpender. Sie landen vielmehr

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allesamt auf den Konten derGeldgeber, deren Ersparnisseals Kredite in den Südenweitergeleitet wurden. Sielanden also bei denen, diebereits seit Jahren aus demSüden ihre leistungslosenZinserträge beziehen unddamit weiterhin Anlass zujenen Spendenaktionengeben.«51

Natürlich findet derzinsbedingte Geldtransfer vonArm auf Reich nicht nur aufglobaler Ebene statt, sondernauch innerhalb der reichenIndustrienationen. DieDimensionen dieserbemerkenswertenUmverteilung werden deutlich,wenn man die deutschen

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Privathaushalte in zehn gleichgroße, nach Vermögengestaffelte Gruppen unterteilt.Dabei zeigt sich, dass nur diebeiden vermögendstenHaushaltsgruppen von demZinsmechanismus (der nichtnur bei Bankkrediten zumTragen kommt, sondern innahezu jedem Wirtschaftsgutversteckt ist) profitieren,während 80 Prozent derHaushalte (genau genommensind es sogar 85 Prozent)deutliche Verluste hinnehmenmüssen. Allein im Jahr 2007flossen 255 Milliarden Euro (!)von den acht ärmeren zu denbeiden reicherenHaushaltsgruppen. Diegrößten Gewinner waren dabei

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die reichsten 10 Prozent derdeutschen Haushalte, die zuihrem ohnehin üppigenVermögen einen Zinsgewinn(Zinseinnahmen minusZinslasten) von mehr als231 Milliarden Euro verbuchenkonnten.52

Macht man sich bewusst,dass dieser zinsbedingteGeldtransfer von Arm aufReich nicht nur 2007stattfand, sondern seitJahrzehnten erfolgt, wird klar,warum die reichsten10 Prozent der deutschenBevölkerung mittlerweile mehrals 60 Prozent desbundesweiten Vermögensbesitzen (1988 lag ihr Anteilam Gesamtvermögen noch bei

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45 Prozent, 2002 schon bei57,9 Prozent, 2007 bei61,7 Prozent, Tendenzsteigend).53 Den reichsten20 Prozent der Haushaltegehören mittlerweile über80 Prozent des Vermögens,während 80 Prozent derHaushalte mit weniger als20 Prozent des Kapitalsauskommen müssen und dieärmsten 50 Prozent derHaushalte mit Mühe und Not2 Prozent zusammenkratzenkönnen. Im globalen Maßstabfällt dieses Missverhältnis vonArm und Reich sogar nochdramatischer aus: Diereichsten 10 Prozent derWeltbevölkerung besitzen85 Prozent des globalen

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Vermögens, die ärmere Hälfteder Menschheitzusammengenommen geradeeinmal 1 Prozent.54

Diese Ungleichverteilungvon Vermögen ist nicht nur inethischer und politischerHinsicht völlig inakzeptabel(wie auch sollte man derartigeVermögensunterschiede überreale »Leistungen« begründenkönnen?!), sondern hat auchfatale volkswirtschaftlicheKonsequenzen. In derökonomischen Theorie wirddieses Problem mitunter unterdem Stichwort »Grenznutzen«behandelt. Was ist damitgemeint? Nun, je mehrEinheiten Sie von einemWirtschaftsgut besitzen, desto

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weniger befriedigend ist es fürSie, noch mehr Einheitendieses Wirtschaftsguts zuerhalten. Haben Siebeispielsweise großen Hunger,so freuen Sie sich über daserste, zweite, dritte, vielleichtauch noch über das fünftebelegte Brot, doch mit demzehnten, dem hundertsten,dem tausendsten Brot, das aufIhrem Tisch landet, können Siepersönlich nichts mehranfangen.

So ist es auch beim Geld: Fürdie ärmeren 80 Prozent derHaushalte in Deutschland wärejede Erhöhung desEinkommens von praktischemNutzen, denn sie würden daszusätzliche Geld

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weitestgehend in den Konsuminvestieren und dadurch dieKonjunktur beleben. Für dieohnehin Vermögenden gehtjedoch der reale Nutzenzusätzlicher Gewinne, dieihnen allein schon über denZinsmechanismus zufließen,gegen null. Schließlichbesitzen sie ohnehin schonweit mehr Kapital, als siepersönlich ausgeben könnten.Ein zusätzliches Mehr anKonsum ist für diese Gruppekaum denkbar und würde ihrauch keine zusätzlicheBefriedigung mehrverschaffen, wie ThomasStrobl sehr richtig beschreibt:»Luxusartikel sind keinMassengeschäft. Der dritte

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Porsche macht bei Weitemnicht mehr so viel Spaß wieder erste. Selbst dann nicht,wenn er mit Schwarzgeldangeschafft und auch nochfrech von der Steuer abgesetztwird. Nur mit einer HandvollSuperreicher wird sich eineMarktwirtschaft nichtbetreiben lassen – so viel stehtfest.«55

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Ökonomiotische Farce invier AktenWarum das so ist, solltemittlerweile klar gewordensein: Durch die zunehmendeKonzentration des Vermögensbei einem sehr kleinen Teil derBevölkerung geht insgesamtdie Binnennachfrage zurückund damit auch der realeAbsatz von Gütern undDienstleistungen. Folglichentstehen all jenedegenerativen Prozesse, dieich bereits als Konsequenzendes notorischen Sparensskizziert habe. Im Grundemuss man sich also gar nichtdarüber wundern, dass auf derglobalen Finanzbühnegegenwärtig eine so

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schauerlicheSchmierenkomödie aufgeführtwird. Die von derinternationalen Finanz-Deppokratie dargebotene»Ökonomiotische Farce in vierAkten« lässt sich etwafolgendermaßenzusammenfassen:

Erster Akt: Im Zuge desEinbruchs derBinnenkonjunktur könnenviele Unternehmen ihre Profitenur noch dadurch erzielen,dass sie Arbeitskräfteentlassen, was erklärt, warumdie Aktienkurse steigen, wennein UnternehmenRationalisierungsmaßnahmenankündigt. So clever dieseStrategie im ersten Moment

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erscheinen mag, auf längereSicht ist sie vonerschütternder Blödheit: Denndurch die Freisetzung vonArbeitskräften schwindet auchdie allgemeine Kaufkraft aufdem Markt, was zu einemweiteren Einbruch derKonjunktur führt.

Zweiter Akt: Um dasSchlimmste zu verhindern,muss der Staat mehr und mehreingreifen, indem er denLebensunterhalt der vomMarkt Ausgeschlossenensichert und massenhaftKonjunkturprogramme startet.Dies allerdings treibt dieöffentlichen Haushalte immertiefer in die Schuldenspirale.Die deutschen Staatsschulden

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liegen jetzt, da ich diesschreibe (1.10.2011,16:30 Uhr), bei 2 Billionen72 Milliarden 692 Millionen507 Tausend und 910 Euro.56

(Was die Zeitangabe betrifft,muss man einigermaßengenau sein, denn in derknappen Minute, die ichgebraucht habe, um dieseZahl einzutippen, ist derSchuldenstand Deutschlandsum weitere 90 000 Eurogestiegen, pro Tag wächst ergegenwärtig um134 Millionen …) Seit 1970 –damals stand der Staat mit nur64 Milliarden Euro in derKreide – ist der öffentlicheSchuldenstand um mehr alsdas Dreißigfache angestiegen.

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Nun kann eine solch horrendeStaatsverschuldung auf Dauernatürlich nicht gut gehen. Alsohat sich der deutsche Staatselbst eine »Schuldenbremse«verordnet, die sich nichtzuletzt in Kürzungen imSozialhaushalt niederschlägt(Stichwort Hartz IV). Dieswiederum sorgt nicht nur fürzunehmende sozialeSpannungen, sondern auch füreine weitere Reduzierung derBinnennachfrage mit denbekannten negativen Effekten.

Dies allein wirkt schon wieein schlechter Witz, aber diemakabre Pointe folgt erstnoch: Denn den neuenKrediten von insgesamt 1596Milliarden Euro, die

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Deutschland zwischen 1970und 2009 aufnehmen musste,standen im gleichen ZeitraumZinszahlungen in Höhe von1562 Milliarden Eurogegenüber. Das heißt: Von denüber 1,5 BillionenNeuschulden, die der Staatinnerhalb von 39 Jahrenansammelte, konnten dieöffentlichen Haushalte selbstnur magere 34 Milliarden fürallgemeine Aufgaben (etwa fürdas Bildungs- undSozialsystem) verwenden!57

Der Rest des Geldes landeteweitestgehend auf den Kontenjener kleinen Minderheit vonPrivathaushalten, dievermögend genug sind, demStaat größere Geldmengen zu

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leihen. Die ohnehin reichenGeldvermögensbesitzerwurden also auf Kosten derAllgemeinheit – und ohneeinen einzigen Finger zukrümmen – um 1562Milliarden Euro reicher!

Dritter Akt: Aufgrund desimmensen Vermögensgewinnsstehen die Luxusverwöhntenvor einem Luxusproblem:Denn wohin mit dem ganzenZaster, wenn er a) nicht selbstverkonsumiert werden kann,wenn sich b) Investitionen indie Realwirtschaft kaum mehrlohnen (da mit demNachlassen der allgemeinenKaufkraft die Profite sinken),und wenn sich c) die Staatengar nicht mehr schnell genug

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verschulden können, um alldie willigen Kreditgeber zubefriedigen? SchwierigeFragen, die den Finanzsektorin den letzten Jahren in einenregelrechten»Anlagenotstand« brachten.Die scheinbar clevere Lösungdes Problems bestand darin,fiktive Kapitalanlagen in Formvon »Finanzprodukten« zuerfinden. Also steckte manfaule Kredite (an Menschen,die sie niemals zurückzahlenkonnten) in immer originellereund undurchsichtigereVerpackungen, was tatsächlicheine ganze Weile gut ging, bisder Schwindel letztlichaufflog.58

Vierter Akt: In diesem

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Moment der Wahrheit erfolgtein weiterer dramatischerAuftritt des Staates, der mitweiterenMultimilliardenkrediten nichtnur die Banken, sondern auchdie von ihnen verwaltetenVermögen rettet. Die Pointedabei ist, dass das Vermögenzur Rettung des Vermögensaus diesem Vermögen selbststammt, sodass der rettendeStaat noch höhere Zinsbeträgean die Besitzer der gerettetenVermögen zahlen muss. Dasjedoch ist nur möglich, wenner sich weiteres Vermögen beiden Vermögensbesitzern leiht,also gerettetes Vermögeneinsetzt, um gerettetesVermögen zu retten.

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Höhepunkt des absurdenSpiels: Die Verwalter desgeretteten Vermögensrevanchieren sich beim Staatfür seine großzügigeRettungstat, indem sie nun mitgerettetem Vermögen gegenden Retter des Vermögenswetten (Euro-Staatenkrise),sodass dieser noch mehrgerettetes Vermögen braucht,um das gerettete Vermögenvor jenen zu retten, derenVermögen eigentlich gerettetwerden soll.

Merken Sie, worauf dieseFarce letztlich hinausläuft?Falls Sie den Eindruckgewonnen haben sollten, dasssich unser Geldsystem garnicht so sehr vom viel

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gescholtenen Handel mitfiktiven Finanzprodukten anden Finanzmärktenunterscheidet, dann liegen Siegoldrichtig: Tatsächlich folgtunser gesamtesWirtschaftssystem deraberwitzigen Logik vonKettenbriefen59, die eine Zeitlang wunderbar aufzugehenscheint, irgendwann aber anden Kanten der Realitätzerschellen muss. DieundurchsichtigenFinanzprodukte der letztenJahre waren daher keine bloßzufälligenAusnahmeerscheinungenunseres Wirtschaftssystems,sondern logischeKonsequenzen eines

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ökonomiotischenKettenbriefhandels, der inseine finale Phase eingetretenist. Deshalb wird das, wasbislang auf internationalerRegierungsebene beschlossenwurde, den finalen Crash nichtaufhalten können. Bestenfallswerden die Multimilliarden-Rettungsschirme dazubeitragen, etwas Zeit zugewinnen. Diese Zeit müsstejedoch dringend genutztwerden, um das Grundproblemanzugehen, das sich hinterden vielfältigenEinzelphänomenen dergegenwärtigen Finanzkriseverbirgt, nämlich dieverhängnisvolleWarenfunktion des Geldes,

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die, wie gesagt, dafür sorgt,dass Geld imWirtschaftskreislauf nicht alsstabiles, transparentes undneutrales Medium desTausches dient, sondern alsinstabiles, intransparentes undparteiisches Instrument derUmverteilung.

Was also müsste in dergegenwärtigen Situation getanwerden? Wir müssten denWarencharakter des Geldesaufheben, gewissermaßen dasGeld neu erfinden. Dazu wirdes nicht ausreichen, denFinanzsektor stärker zuregulieren und bestimmteFinanzprodukte, die reinfiktives Kapital mehren, zuverbieten. Auch die sinnvolle

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Einführung einerFinanztransaktionssteuer aufinternationaleDevisengeschäfte (Tobin-Steuer) wird das zugrundeliegende Problem nichtbeheben. Notwendig wärevielmehr, die kolossaleUmverteilung von Arm aufReich, die in den letztenJahrzehnten stattgefundenhat, rückgängig zu machen! Esbrauchte also Politiker, die denMut aufbringen, in allerÖffentlichkeit klarzustellen,dass der Abbau derexorbitanten Schulden nurmöglich ist, wenn auch dieexorbitanten Vermögenabgebaut werden. Wirbrauchten Politiker, die mit

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Entschiedenheit dafüreintreten, dass aus demKapital weniger das Kapitalvieler wird, was nicht nur einelinke, sondern auch eineliberale Forderung seinmüsste, da eineMarktwirtschaft nur unterdieser Voraussetzungfunktionieren kann.60 Wirbrauchten Politiker, die denIrrglauben, dass Geld arbeitenkönne, im Ansatz bekämpfenund darauf insistieren, dassnur reale Leistungen im realenLeben realen Wohlstanderzeugen.61

Doch sind solche Politiker inSicht? Nein! Die Vorstellung,dass unsere Politikermehrheitlich die Zeichen der

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Zeit erkennen und wirksameMaßnahmen gegen dieKettenbriefwirtschaft einleitenwerden, wirkt fast schon soobskur wie der schiitischeGlaube, dass der verborgene12. Imam aus einemvertrockneten Brunnenklettern und dieWeltherrschaft übernehmenwird. Doch warum ist das so?Um diese Frage beantwortenzu können, müssen wir einenAbstecher in dieintellektuellen Niederungender Politik wagen …

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DIE TORHEIT DERREGIERENDENPolitioten an derMacht

Ich weiß nicht, wie es Ihnengeht, aber mir persönlich fälltes immer schwerer, mich dazuzu motivieren, an Wahlenteilzunehmen und einerpolitischen Partei meineStimme zu geben. Manchmalfrage ich mich, ob die altenSpontis nicht doch rechthatten: »Wenn Wahlen etwasändern würden, wären sielängst verboten!«Sozialwissenschaftler

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bezeichnen das kulturelleErmüdungssyndrom, unterdem ich leide, alsPolitikverdrossenheit –Politikerverdrossenheit wärejedoch der passendere Begriff:Denn wie viele Bürgerinnenund Bürger hege ich nicht dengeringsten Zweifel daran, dassder politischen Klasse einezentrale Aufgabe in unseremGemeinwesen zukommt – ichbezweifle nur, dass die Damenund Herren, die dazu berufensind, diesen Job zu erledigen,die dafür erforderlichenQualitäten besitzen.

Offensichtlich handelt essich hierbei nicht bloß um einindividuelles, sondern um einstrukturelles Problem. Schon

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vor mehr als 20 Jahren hatEsther Vilar auf den»betörenden Glanz derDummheit« hingewiesen, derdas politische Geschäft wiekaum ein anderes bestimmt.62

Tatsächlich muss manfesthalten, dass gerade in derNische der PolitikSelektionskräfte am Werk sind,die nachdenkliche, kreative,empathische Menschen eherbehindern als fördern. Wieauch könnte ein origineller,phantasievoller, sensiblerMensch all den Stumpfsinn, alldie Kleingeistigkeit, all denZwang zu opportunistischerHeuchelei überstehen, dereinem Berufspolitiker währendseines Marschs durch die

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Institutionen zugemutet wird?Ist es nicht so, dass diejenigen,die schon von vornherein einegewisse Neigung zustumpfsinnigemOpportunismus in sich tragen,auf politischem Gebiet imVorteil sind?

Esther Vilar fragt zu Recht:»Wie bringt ein Mensch esfertig, jahrzehntelang in allendiesen Phrasen zu schwimmenund all diese Gemeinplätze imMund zu führen? Wie stellt eres an, das stets wechselndeParteiprogramm mit ewiggleicher Inbrunst zuverteidigen? Wie erträgt er es,in Wahlzeiten all dieseVersprechungen abzugeben,von denen er doch weiß, dass

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er sie niemals halten kann?[…] Warum ist ihm – in derRegel – keine Attitüde zugrotesk, wenn er annimmt,dadurch volksnah zuerscheinen? Da verbrüdernsich besten Kreisenentstammende Herren mitrußverschmierten Kumpels, alshätten sie ein Leben lang vonnichts anderem geträumt alsvon der Freundschaft diesergestandenen Männer. […] Werzu Unternehmern redet,bedauert die Unersättlichkeitder Lohnempfänger, undschon bei der nächstenAnsprache werden diese dannauf die Profitgier ihrer Bossehingewiesen. Und auf geht’szum nächsten Happening, wo

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das Ganze von vorn beginnt:Händeschütteln,Schulterklopfen,Freundschaftschließen. Fragenstellen, auf die keiner eineAntwort gibt. Antwortengeben, auf die keiner hört.Und das alles im Sechzehn-Stunden-Takt, an jedem Tagder Woche …«63

Angesichts der Tendenz,dass gerade »aus denhartgesottensten,unermüdlichsten undleutseligsten Händeschüttlern,Schulterklopfern,Phrasendreschern,Sitzungssitzern nach Jahrenund Jahrzehnten schließlichAbgeordnete, Staatssekretäre,Premiers und Präsidenten

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werden«64, muss man sichüber die bescheidene Qualitätpolitischer Problemlösungengar nicht wundern. Vilar siehthierin zu Recht eines derGrundprobleme derparlamentarischenDemokratie: Wie auch könntePolitik unter solchenVoraussetzungen etwasanderes sein als die»Herrschaft des Groben überdas Feine, der Dickfelligkeitüber das Zartgefühl, desBanalen über das Besondere,des Geheuchelten über dasEchte, der Geistlosigkeit überden Geist«?65

Selbstverständlich gibt es –und zwar in allen Parteien –kluge, sensible, innovative

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Politikerinnen und Politiker,die es irgendwie geschaffthaben, sich durch das Systemhindurchzumogeln, ohne dabeiihre persönliche Integrität, ihrePhantasie, ihre Feinfühligkeitzu verlieren. Doch sie bilden –in allen Parteien – eineMinderheit, die sich gegen dieMehrheit der hohlenPhrasendrescher, derzwanghaften Mobber, derdumpfen Berufsopportunistenkaum durchsetzen kann. Ichwürde diese Bilanz nicht indieser apodiktischen Härteformulieren, wäre ich in denletzten Jahren (durchTalkshows,Podiumsdiskussionen,Briefwechsel etc.) nicht

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zunehmend mit Vertretern derpolitischen Klasse konfrontiertworden. Dabei haben sichimmer wieder intellektuelleAbgründe aufgetan, die ich sobeim besten Willen nicht fürmöglich gehalten hätte.Insofern war der Satz in derEinleitung dieses Buchs »Dieherrschende Dummheit iststets auch die Dummheit derHerrschenden« nicht bloß einnettes Wortspiel, erkennzeichnet eine bittereRealität: Denn alle Formen desSchwachsinns, die wir bisheruntersucht haben, Religiotie,Ökologiotie und Ökonomiotie,vereinigen sich auf politischerEbene zu einerallumfassenden Mega-

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Blödheit, der Politiotie.

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Heilige Einfalt in derPolitikDies sei nachfolgend kurzskizziert. Beginnen wir mitdem Nachweis desreligiotischen Syndroms in derPolitik: Zunächst darf man hierglücklicherweise festhalten,dass Vollreligioten wie deriranische PräsidentAhmadinedschad in westlichenDemokratien – trotz desnachhaltigen Eindrucks, denGeorge W. Bush hinterlassenhat – eher eine Seltenheit sind.Das ist auch insofernnaheliegend, als inreligiotischen Denksystemenalle Herrschaftsgewalt vonoben, von Gott, und nicht vonunten, vom Volk, kommt.

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Kurzum: Religiotie undDemokratie sind einanderwesensfremd. Dennoch: Trotzdes Fehlens militanterGotteskrieger in denParlamenten und Regierungender westlichen Staaten wirddas politische Geschäft auch inliberalen, säkularenGesellschaften inerstaunlichem Maße noch vonreligiotischen Hirnwürmernbestimmt.

Man erkennt dies schondaran, dass – während dieKirchen im Lande immer leererwerden – die Spitzenpolitikerregelrecht darum wetteifern,wer bei öffentlichübertragenen Gottesdienstenin den vordersten

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Kirchenbänken Platz nehmendarf. Viele Spitzenpolitikerpräsentieren sich mit großemEifer als Spitzengläubige,weshalb sie nicht nur in derPolitik, sondern auch in denKirchen wichtige Postenbesetzen (etwa imZentralkomitee der deutschenKatholiken oder im Rat derevangelischen Kirche inDeutschland). Und natürlichgeben sie sich –bemerkenswerterweise querdurch alle politischen Lager –allergrößte Mühe, in ihrenReden die sogenanntenchristlichen Werte zubeschwören. Allerdings darfman stark anzweifeln, ob dieDamen und Herren der Politik

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auch nur den leisesten Haucheiner Ahnung haben, worübersie da eigentlich sprechen.

Nur ein Beispiel unter vielen:Die ehemalige deutscheFamilien- und gegenwärtigeSozialministerin Ursula von derLeyen – und sie ist wahrlichnicht die dümmste Vertreterinder Politikergilde, imGegenteil! – verkündete 2006vor laufenden Kameras, dass»die ersten 19 Artikel unseresGrundgesetzes im Prinzip dieZehn Gebotezusammenfassen« würden.66

Wer hätte das gedacht?Offenbar besitzt die Ministerineine recht eigentümlicheAusgabe des deutschenVerfassungstextes: Denn seit

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wann, bitte schön, legitimiertdas GrundgesetzReligionszwang undSippenhaft67, Sklaverei unddie Unterordnung der Frauunter den Mann68 – allesamtInhalte der Zehn Gebote?Andersherum formuliert: Seitwann enthalten die ZehnGebote unverletzliche undunveräußerlicheMenschenrechte (Artikel 1 desGrundgesetzes), das Recht aufdie freie Entfaltung derPersönlichkeit (Artikel 2), dieGleichberechtigung von Mannund Frau (Artikel 3), dieFreiheit des religiösen undweltanschaulichenBekenntnisses (Artikel 4) odergar die Gewährung von

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Meinungs-, Presse-, Kunst-,und Forschungsfreiheit(Artikel 5)? Diese Rechte sindim Kanon der Zehn Gebotenicht nur nicht enthalten, siestehen vielmehr in einemunaufhebbaren Widerspruchzur gesamten Ausrichtung derBibel!

Historisch betrachtet ist dasverständlich: Denn wie auchhätten die Menschen, die vorvielen, vielen Jahrhundertendie »Heiligen Schriften«zusammenreimten,Grundrechte formulierenkönnen, die erst auf einer sehrviel späteren Stufe derkulturellen Evolutionentwickelt werden konnten?Es wäre in der Tat ein Wunder,

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ja geradezu ein Gottesbeweisgewesen, hätte Moses beimlegendären (also: kompletterfundenen) Abstieg vom BergSinai statt der Zehn Gebotedie Allgemeine Erklärung derMenschenrechte im Gepäckgehabt. Etwas Derartiges ist inder gesamtenReligionsgeschichte jedochnicht vorgekommen. Vielmehrbestätigte sich immer wiedereine der grundlegendenErkenntnisse derReligionssoziologie: Die Götterund ihre jeweiligen Gebotewaren stets nur exakt so klugbeziehungsweise exakt sobeschränkt wie die Menschen,als deren Phantasiegebilde sieim jeweiligen historischen

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Kontext entstanden.Aufgrund dieser

Grundkonstellation sind dieReligionen notwendigerweisekonservativ. Sie schaffen keineneuen Werte für Gegenwartund Zukunft, sondern sindkulturelle Zeitmaschinen, dieüberholte Vorstellungenvergangener Epochen in dieheutige Zeit transportieren.69

Dies erklärt auch, warum einGroßteil der Werte, die denmodernen Rechtsstaatkonstituieren, keineswegs demChristentum entstammen,sondern vielmehr in einemJahrhunderte währendenEmanzipationskampf gegenden Widerstand desorganisierten Christentums

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erstritten werden mussten.Gleich welchen Aspekt desmodernen Rechtsstaats wirauch fokussieren, obDemokratie, Menschenrechte,Gewaltenteilung, ob dieFreiheit derMeinungsäußerung, die Frageder sexuellenSelbstbestimmung oder dieGleichberechtigung von Mannund Frau: Die Religionen(inklusive des Christentums)waren summa summarumkeine Motoren, sondernBremsklötze des kulturellenFortschritts – und sie sind esbis zum heutigen Tagegeblieben! Kurzum: Die vonPolitikern immer wiederstrapazierte Mär von der bis

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heute positiv prägenden Kraftder Religionen bricht wie einKartenhaus in sich zusammen,wenn man sich die Mühemacht, etwas genauerhinzuschauen.70

Nun müsste es uns nichtsonderlich stören, wennPolitiker in ihrenSonntagsreden religiotischenUnsinn verzapfen, würdendiese Denkverzerrungen nichtpolitische Konsequenzen nachsich ziehen. Leider ist jedochgenau das der Fall. InDeutschland zeigt sich diesinsbesondere in derPrivilegierung der beidenchristlichen Großkirchen, fürdie Politiker sogar dieEinschränkung

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verfassungsmäßig garantierterRechte hinnehmen.71 So heißtes beispielsweise in Artikel 4des Grundgesetzes, dass keinMensch aufgrund seinesreligiösen oderweltanschaulichenBekenntnisses diskriminiertwerden darf, weshalb sichDeutschland auch deneuropäischenAntidiskriminierungsvorschriftenverpflichtet fühlt, doch dashindert die Politik keineswegsdaran, die kirchliche Praxis derDiskriminierung mitmilliardenschwerem Aufwandzu fördern.72

Denken Sie nur an diechristlichen Stelleninserate,die tagtäglich in unseren

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Zeitungen erscheinen. Dieimplizite Aussage dieserJobangebote für Ärzte,Psychologen, Krankenpflegeretc. lautet: Judenunerwünscht, Atheistenunerwünscht, Muslimeunerwünscht! Und dies inBetrieben, die 100-prozentigöffentlich finanziert werden,wie Krankenhäuser oderAltenheime, für deren Erhaltdie Kirchen keinen einzigenmüden Cent aufbringen!Konsequenz: Da sich diekirchlichen SozialkonzerneCaritas und Diakonisches Werkdank großherziger politischerUnterstützung längst zu dengrößten nichtstaatlichenArbeitgebern Europas

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gemausert haben, sind heuteMillionen von Menschenfaktisch zurKirchenmitgliedschaftgezwungen, um ihrem Berufnachgehen zu können.Besonders hart trifft es dabeiAngestellte in katholischenBetrieben (Krankenhäuser,Kindergärten, Altenheimeetc.), die ihre Arbeitsstellebereits verlieren können, wennsie einen geschiedenenPartner heiraten oder sichdazu bekennen, in einerhomosexuellen Beziehung zuleben. Fragen Sie sich selbst:Gehört eine solcheDiskriminierung ins21. Jahrhundert? Kann eslegitim sein, einen derartigen

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Grundrechtsverstoß auch nochöffentlich zu finanzieren?Natürlich nicht! Doch bislangist kaum ein deutscherPolitiker auf den Gedankengekommen, irgendetwasgegen dieses offenkundigeUnrecht zu unternehmen.73

Führt man sich vor Augen,wie stark das religiotischeSyndrom in der Politikverbreitet ist, versteht man,warum die systematischenMenschenrechtsverletzungen,die Abertausende von Heim-und Internatskindern inchristlichen Institutionenerleiden mussten, überJahrzehnte hinweg vollständigignoriert wurden.74 Auchbegreift man, warum

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Sterbenden noch immer dasRecht auf Selbstbestimmungam Lebensende verwehrt wird.Obwohl die überwiegendeMehrheit der Bevölkerunglängst für eine Liberalisierungder Sterbehilfe eintritt, kommtdie Politik auf diesem Gebietkaum einen Schritt voran.Schuld daran ist nicht zuletztdie religiotische Vorstellung,wir seien bloß »Verwalter,nicht Eigentümer des Lebens,das Gott uns anvertraut hat«,und dürften »darüber nichtverfügen«.75 Wie viel Elend,wie viel unsägliches LeidSchwerstkranken aufgrundsolcher abergläubischenVorstellungen Tag für Tagzugemutet wird, lässt sich

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kaum in Worte fassen.

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Menschenwürde imReagenzglas?Religiotische Vorstellungendieser Art bestimmenallerdings nicht nur denUmgang mit dem Ende,sondern auch mit dem Anfangdes Lebens. Denken Sie nur andie Debatte um diesogenanntePräimplantationsdiagnostik(PID), die 2011 im DeutschenBundestag geführt wurde. Zielder PID ist es, durch einefrühzeitige Untersuchungkünstlich befruchteter Eizellennur solche Embryonen in dieGebärmutter einzupflanzen,die die bestmögliche Aussichtauf eine gesunde Entwicklunghaben. Eigentlich eine gute

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Idee, sollte man meinen – vorallem wenn man bedenkt,welch hohe physische undpsychische Kosten diebetroffenen Frauen ohnehintragen müssen, wenn sie denbeschwerlichen Weg einerkünstlichen Befruchtunggehen. Dennoch stimmten43 Prozent der deutschenParlamentarier für einrigoroses Verbot der PID,während die Mehrheit für eineGesetzgebung votierte, die dieZulässigkeit der PID auf einigewenige Fälle begrenzte. Waswaren die Gründe für diesenAkt der politischenBevormundung? Sollte mannicht meinen, dass dieBürgerinnen und Bürger eines

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liberalen Rechtsstaatesmündig genug sind, selbstdarüber zu entscheiden, wasfür sie am besten ist?Andersherum gefragt: Gab esirgendwelche überzeugendenArgumente dafür, dass derStaat seinen Bürgerinnenüberhaupt das Rechtabsprechen darf, die Qualitätkünstlich erzeugterEmbryonen kontrollieren zulassen, bevor man sie in ihrenKörper einpflanzt?

Nein, solche Gründe gab undgibt es nicht, wie einbioethisches Gutachtenverdeutlichte, das sämtlichenBundestagsabgeordneten imVorfeld der PID-Entscheidungzuging.76 Wie aber reagierten

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die deutschen Parlamentarierauf dieses Gutachten? Mankann es leider nichtfreundlicher formulieren: Diemeisten Briefe und Faxedeutscher Politikerinnen undPolitiker bewegten sich aufeinem derart unterirdischenintellektuellen Niveau, dassman sich wundern muss,weshalb der Staat nicht schonlängst unter der eklatantenDenkschwäche seinesFührungspersonalszusammengebrochen ist!77 Sobegriffen viele Parlamentariernicht einmal den gewichtigenUnterschied zwischen einerbehindertenfreundlichen undeinerbehinderungsfreundlichen

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Politik: Schon die Feststellung,dass der Staat zwar Krankeund Behinderte mit allenverfügbaren Mitteln fördernsollte – nicht aber Krankheitenund Behinderungen –,überstieg das geistigeVermögen zahlreicherPolitiker. Noch erschreckenderallerdings war, wie viele MdBsihr Votum für ein Verbotbeziehungsweise für einestrikte Begrenzung der PID mitdem »christlichenMenschenbild« begründeten.Unter Berufung auf denangeblich »urchristlichenGlaubensgrundsatz«, dass»Gott« im Moment derVerschmelzung von Samenund Eizelle dem neu

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entstehenden Lebewesen eine»unsterbliche Seele«einhauche, erklärten sie, dassschon frühe Embryonen –wohlgemerkt: wir sprechenhier von völligempfindungsfreienZellformationen, diebedenkenlos eingefroren undwieder aufgetaut werdenkönnen – als»Rechtspersonen« mit»Menschenwürde« geachtetwerden müssen.

Ob den Abgeordnetenwirklich klar war, was sie davon sich gaben? Glaubten siewirklich, dass Objekten imReagenzglas die »volleMenschenwürde« zukomme?Hatten sie sich jemals

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ernsthaft Gedanken über dieWidersprüche ihres eigenenGlaubens gemacht, etwadarüber, warum »Gott« sofurchtbar unentschlossen seinsollte, dass er zunächsta) jeder einzelnenbefruchteten Eizelle eine»unsterbliche Seele«einhaucht, um sie kurz danachb) bei der Hälfte von ihnenwieder auszuhauchen?(Immerhin gehen 50 Prozentder befruchteten Eizellenspontan wieder zugrunde,weshalb Gott, wäre er dafürverantwortlich, als »größterAbtreibungsarzt aller Zeiten«in die Geschichte eingehenmüsste …) Vor allem: Wardiesen Abgeordneten denn so

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gar nicht klar, dass ihr privaterGlaube an beseelteEmbryonen beim bestenWillen kein Grund sein kann,um andersdenkendenMenschen das Recht zuverwehren, mithilfe von PIDdie Chancen auf ein gesundesKind zu erhöhen? Hätten sienicht wissen müssen, dass esden Prinzipien der Demokratiewiderspricht, wenn sich derweltanschaulich neutrale Staatdas Recht herausnimmt,seinen Bürgerinnen undBürgern eine bestimmteweltanschaulich gebundeneHaltung vorzuschreiben?!

Wahrscheinlich, so ist zubefürchten, war den meistendieser christlich inspirierten

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Abgeordneten nicht einmalbewusst, dass das Dogma derSimultanbeseelung(»Eingießen des Geistes« imMoment der Befruchtung)keineswegs so »urchristlich«ist, wie allgemein behauptetwird. Tatsächlich ging dieKirche über viele Jahrhundertevon der alternativen Lehre der»Sukzessivbeseelung« aus,wonach sich im Embryobeziehungsweise Fötus erstallmählich eine »Seele«entwickelt, weshalb christlicheTheologen lange Zeit keinProblem darin sahen,Schwangerschaftsabbrüchevor dem dritten Monat zulegitimieren. Erst vor knapp150 Jahren machte Papst Pius

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IX. die Lehre von derBeseelung im Moment derBefruchtung zumverbindlichenGlaubensdogma, wobei dertheologische Hintergrunddieser Grundsatzentscheidungeine Farce für sich ist. Denndieses obskure Dogma derSimultanbeseelung stand inZusammenhang mit dem nochobskureren Dogma derUnbefleckten EmpfängnisMariens, das Pius IX. bereits1854 verkündet hatte. DasProblem des Papstes: Wiesollte man der EmpfängnisMariens würdevoll gedenken,wenn Maria in dem Moment, indem sie empfangen wurde,nach klassischer Auffassung

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nichts weiter war alsvernunftlose, seelenloseMaterie? Diese Frage ließ PiusIX. keine Ruhe, dennselbstverständlich war erüberzeugt, dass dieallerheiligste Jungfrau nie undnimmer je seelenlos gewesensein konnte. Also tat der guteMann, was getan werdenmusste, und strich 1869 zuEhren der Gottesmutter dieSukzessivbeseelung aus demGlaubenskanon. Traurig, aberwahr: Auf solch religiotischemUnfug beruhen noch heuteGesetze eines säkularenStaates!

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Ökologioten an der MachtKommen wir damit zumnächsten Kernelement derPolitiotie, der Ökologiotie.Auch für sie lieferte das Jahr2011 eindrucksvolle Beispiele.Man erinnere sich nur daran,wie die deutscheBundesregierung, die noch imHerbst 2010 aus demAtomausstieg ausgestiegenwar, auf das Reaktorunglück inFukushima reagierte. Hätte esnoch eines weiteren Belegs fürEsther Vilars Diagnose bedurft,dass sich politische Dummheitvor allem in mangelnderVorstellungskraft äußere78, dieReaktionen auf Fukushimahätten den ultimativen Beweiserbracht. Denn was

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behaupteten die Vertreter derRegierungsparteien im März2011 vor laufenden Kameras?Sie erklärten allen Ernstes(und ohne rot zu werden), dassman sich einen solchdramatischen Unfall wie inFukushima gar nicht hättevorstellen können.

Was für eineBankrotterklärung derVernunft! Waren dieentscheidenden Argumente,die gegen die Atomkraftsprachen, denn nichtspätestens schon seit RobertJungks Bestsellern aus den1970er-Jahren »Griff nach demAtom« und »Der Atomstaat«allgemein bekannt? Brauchtees 25 Jahre nach Tschernobyl

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wirklich eine weitereKatastrophe, um dieverheerenden Folgen einesSupergaus zu demonstrieren?Hätte die Politik nicht längsterkennen müssen, dass esgrob fahrlässig ist, eineTechnologie zu nutzen, diemenschlicheUnvollkommenheit mit niewiedergutzumachendenKatastrophen bestraft?

Wären Politiker Wesen, diein ihrem Handeln vornehmlichArgumenten folgen, wäre dieAntwort klar: Kein Mensch mitVerstand würde auf eineTechnologie setzen, derenRisiken so verheerend sind,dass sie von keinerVersicherung der Welt

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getragen werden! Jedoch gehtes im Spiel der Politik nicht umdie rationale Berücksichtigungvon Argumenten, sondern umdie gesellschaftlicheVerteilung von Macht. Politikerkönnen es sich gar nichtleisten, Argumenten zu folgen,die zwar sachlich richtig seinmögen, politisch aber nichtdurchsetzungsfähig sind. Siesind gefangen (und zugleichaufgefangen) in einemNetzwerk von Interessen,zwischen denen sie klugtaktieren müssen: denInteressen der Partei, die sievertreten, den Interessen derWähler, um deren Stimmen siekämpfen, und den Interessender Lobbyisten, die sie

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umschwärmen wie die Mottendas Licht.

Ebendieses Konglomerat vonInteressen sorgte dafür, dassdie schwarz-gelbe Koalition imHerbst 2010 wider alleökologische Vernunft denAusstieg aus dem bereitsbeschlossenen Atomausstiegverkündete. Schließlich warenbeide Parteien in derVergangenheit maßgeblich amAuf- und Ausbau derKernenergie beteiligt gewesen,von deren Sicherheit undEffizienz auch ihre Wählerweitgehend überzeugt waren.Der Reaktorunfall inTschernobyl war zum einen inVergessenheit geraten, zumanderen konnte man ihn

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wunderbar auf sozialistischeMisswirtschaft in deruntergegangenen UdSSRzurückführen, was wiederumperfekt in die Wahlprogrammebeider Parteien und insMeinungsbild ihrer jeweiligenWähler passte. Natürlichstanden beide Parteien zudemin engstem Kontakt zu dengroßen Energiekonzernen, diemöglichst viel Profit aus denbestehenden Atommeilernschlagen wollten. Warum alsosollte man bei einem sostarken Interessenskonsens inder Praxis auf Theoretikerhören, die mit ihrer Kritik ander Kernenergie ohnehinPropaganda für das falschepolitische Lager machten?

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Wäre der Unfall inFukushima nichtdazwischengekommen, wärediese realpolitische Rechnungwohl aufgegangen. In dieserHinsicht veränderteFukushima jedoch alles.Obgleich die argumentativeSachlage gleich blieb (dieNutzung der Kernenergie warnach Fukushima natürlichebenso »sicher«, wie sie es vorFukushima gewesen war),hatte sich die allgemeineStimmungslage dramatischgewandelt: Die Zustimmungbei den Wählern kippte, dieRegierungsparteien gerietenunter Druck, und auch dieStromkonzerne mussteneinsehen, dass sie Kunden

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verlieren würden, wenn sieweiterhin auf Atomstromsetzen würden. Also leitetendie Regierungspolitiker einefuriose Kehrtwende in ihrerAtompolitik ein – nicht, weil sieurplötzlich von der Richtigkeitdes Atomausstiegsargumentativ überzeugtgewesen wären (wie gesagt:die Sachlage blieb gleich),sondern weil sich nachFukushima dieMachtverhältnisse (dieInteressenlagen) radikalgeändert hatten.

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Tomaten ohne Gene?Es ist nicht erstaunlich, dassdie Grünen von diesenveränderten Verhältnissen amstärksten profitieren konnten.Immerhin treten sie schon seitJahrzehnten entschiedengegen die Nutzung derKernenergie ein. Nicht nurdeshalb ist man geneigt, denGrünen größere Kompetenz inökologischen Fragenzuzubilligen als anderenParteien. Allerdings sind auchdie Grünen gegen Ökologiotiekeineswegs gefeit. Amdeutlichsten zeigt sich dieswohl in ihrer rigorosen Abwehrder Gentechnik.

Dass gentechnischveränderte Lebensmittel

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gesundheitsgefährdend undökologisch bedenklich seien,gehört zum festenGlaubenssystem jedesordentlichen grünen Politikers.Bemerkenswerterweise istihnen nach der AKW-Kritikallerdings auch diesesAlleinstellungsmerkmalverloren gegangen. Dennmittlerweile tun sich Politikeraller Parteien dadurch hervor,den europäischen Markt vorder vermeintlichen Gefahrtransgener Produktebeschützen zu wollen. Fragenwir uns: Worauf ist diesemerkwürdige Einigkeit derpolitischen Klassezurückzuführen? Etwa aufwissenschaftliche Studien, die

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die Bedenklichkeit genetischveränderter Pflanzennachgewiesen hätten? Nein, soetwas würde Realpolitikernicht beeindrucken. Auch indiesem Fall war und ist für diepolitischeEntscheidungsfindung nichtdie argumentative Sachlage,sondern die allgemeineInteressenlage maßgeblich:Politiker aller Fraktionenwettern deshalb gegengentechnisch erzeugteNahrungsmittel, weil dieserstens im Sinne ökologischerwie konventionellereuropäischerLandwirtschaftsverbände istund weil zweitens in derBevölkerung die Angst vor

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diesen Produkten so starkverbreitet ist, dass es einempolitischen Selbstmordgleichkäme, das Gegenteil zutun.

Dass alle großenWissenschaftsorganisationendie Grüne Gentechnik79

gänzlich anders bewerten alsdie Politik, stört offenbarniemanden. Dabei sprechendie Fakten für sich80 – wennman denn bereit ist, sich aufdiesem Gebiet auf rationaleArgumente einzulassen (wasich, wie ich zugeben muss, alsalter Greenpeace-Sympathisant lange Zeit auchnicht tat81): Gentechnischveränderte Nahrungsmittelsind in der Regel weniger

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umweltzerstörend, wenigergesundheitsgefährdend,weniger allergen alskonventionelleLandwirtschaftsprodukte, ja,sie sind in diesen Punktensogar »Bio-Erzeugnissen«überlegen. Vor allem aberzeichnet sich die GrüneGentechnik durch nachhaltighöhere Erträge aus –insbesondere in Gebieten mitungünstigen ökologischenRahmenbedingungen.

Die deutscheNobelpreisträgerin ChristianeNüsslein-Volhard brachte denStand der Forschung auf denPunkt, als sie feststellte, »dassdie Anwendung derGentechnik in der

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Pflanzenzüchtung ein nochunausgeschöpftes Potenzialfür den ökologischen Landbau,für verbessertenUmweltschutz, die Erhaltungder Artenvielfalt und dieGesundheit bietet«. DieVorteile liegen auf der Hand:»Pflanzen, die resistent gegenMotten, Pilzbefall, Viren undNematoden sind, müssen nichtgespritzt werden. Pflanzen, diebesser an ungünstigeWachstumsbedingungen,Salzböden, Karst, Trockenheitangepasst sind, können sogezüchtet und angebautwerden, um verödetes Landwieder fruchtbar zumachen.«82 Natürlich bietetjede potente Technik neben

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Chancen auch Risiken, aber indiesem Fall ist das Urteil derWissenschaft erstaunlicheindeutig: Die rigorose Absagean die Gentechnik ist – andersals dies von Umweltschützerngemeinhin angenommen wird– kein Ausdruck vonökologischer Weitsicht,sondern von ökologischer undökonomischer Unvernunft.

Wenn man die Dinge etwasgenauer betrachtet, kann mansich des Eindrucks kaumerwehren, dass diegrassierende Anti-Gentechnik-Hysterie ein Luxus-Spleenverwöhnter Europäer ist, die essich leisten können, irrational-romantischen Ökomythen zufolgen, statt die ökonomischen

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und ökologischen Potenzialeeiner Technik auszuloten, diegerade den Ärmsten derArmen Chancen auf einebessere Zukunft bietet. Dabeiberuht die fast ausschließlichin reichen Nationenverbreitete Angst vortransgenen Produkten nichtzuletzt auf Unwissenheit. Sokamen Umfragen Ende der1990er-Jahre zu dem Ergebnis,dass 35 Prozent der EU-Bürgerund 65 Prozent der US-Amerikaner glaubten, dasskonventionell gezüchteteTomaten keine Geneenthielten. Noch größereBevölkerungsanteile dürftensich im Unklaren darüber sein,dass selbstverständlich auch

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die konventionelle Züchtung,die wir Menschen seit rund12 000 Jahren betreiben undohne deren Erfolge wirverhungern würden,notwendigerweise mitEingriffen ins Erbgutverbunden ist. Im Grundebesteht der Unterschiedzwischen traditioneller Zuchtund moderner Gentechnikallein darin, dass der Eingriffins Erbgut heute etwasgezielter erfolgen kann.83

Wahr ist allerdings, dassmithilfe der neuenbiotechnischen Verfahrenauch genetische Informationenfremder Arten in das Genomeiner Kulturpflanzeeingeschleust werden können.

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Dieser »horizontaleGentransfer« ist tatsächlichein neues Verfahren für unsMenschen, unnatürlich, wieviele meinen, ist es jedochnicht, denn in der Naturkommt es schon seitJahrmillionen vor, dassPflanzen genetischeSequenzen aus anderenOrganismen und Virenaufnehmen.

Dass viele EuropäerGentechnik als »unnatürlich«ablehnen, beruht nicht nur aufeiner Unkenntnis derBiotechnologie, sondern auchauf einem inadäquatenNaturverständnis. VieleÖkologiebewegte begreifendie Natur noch immer als

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etwas Statisches, das man ineinem bestimmten Zustanderhalten müsste, obwohl dieNatur stets im Fluss ist(Evolution) und sich dieGenome der Organismenselbstverständlich auch ohneEingriff des Menschen wandelnwürden. Dabei sind wirMenschen keineswegs dieeinzigen Lebewesen, die insErbgut fremder Organismeneingreifen – Mikroorganismentun dies schon seitJahrmilliarden. Kurzum: DieVorstellung, es sei eine Art»Sündenfall«, wenn derMensch das Erbgut andererOrganismen verändert, istnichts weiter als einökologiotischer Mythos, der

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sich vornehmlich aus dreiantievolutionären Quellenspeist: a) dem theologischenMythos von einergottgeschaffenen Konstanz derArten (den Darwin widerlegte),b) dem romantischen Mythoseiner »heilen Natur« (der alldie Übel ignoriert, die in derNatur real vorherrschen),sowie c) demanthroposophischen Mythoseiner in »kosmischerHarmonie« stehendenLandwirtschaft (die Pflanzen»wesensgemäß« züchten will,weshalb nicht nur jeglicheGentechnik, sondern auchschon die Kreuzung vonWeizen und Dinkel verpöntsind).

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Halten wir fest: DieTatsache, dass gentechnischveränderte Lebensmittel nichtmit dem Bio-Siegelausgezeichnet werden dürfen,ist nicht daraufzurückzuführen, dasstransgene Produkteunökologisch odergesundheitsgefährdend wären.Der Grund hierfür liegtvielmehr in den höchstirrationalen (teils auchpolitisch reaktionären)Vorstellungen, die dieansonsten so verdienstvolleökologische Landwirtschaftvon Anfang in sich trug.84 Dadiese Irrationalismen innerhalbder Ökologiebewegung niekritisch aufgearbeitet wurden,

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gelangten sie überBündnis90/Die Grünen, dieLobbypartei der ökologischenLandwirtschaft, in die Politik.Allerdings dauerte es nichtlange, bis sich auch dietraditionellen Parteien auf dieGrüne Gentechnikeinschossen. Denn dasentsprach nicht nur derHaltung vieler Wähler, dienach all denLebensmittelskandalen derjüngeren Vergangenheitzutiefst verunsichert waren,sondern vor allem auch denInteressen der konventionellenLandwirtschaftsverbände, diesich mithilfe einesEinführverbots vongentechnisch veränderten

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Lebensmitteln auf eleganteWeise gegen unliebsameaußereuropäische Konkurrenzschützen konnten. Dass dieseMarktabschottung geradeSchwellen- undEntwicklungsländern großenSchaden zufügte, die vongentechnisch verändertenKulturpflanzen besondersprofitieren, bekam derVerbraucher, der sicheinbildete, es ginge bei derAnti-Gentechnik-Politik inerster Linie um seineGesundheit, gar nicht mit.

Ein rationaler Umgang mitmoderner Biotechnologiewürde Grüne Gentechnikweder als Teufelszeugverdammen noch als

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Wundermittel zur Lösung allerProbleme anpreisen.ArgumentationszugänglichePolitiker sollten begreifen,dass die moderneBiotechnologie hilfreich seinkönnte, um das Problem desWelthungers zu lösen,allerdings nur unter derVoraussetzung, dassentsprechende politische undökonomischeRahmenbedingungengeschaffen werden. Dieentscheidende Frage solltedaher nicht lauten, ob GrüneGentechnik überhaupteingesetzt werden darf (eswäre unverantwortlich, esnicht zu tun), geklärt werdenmuss vielmehr, wie sie

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sinnvollerweise eingesetztwerden sollte. Die von denGrünen und von Greenpeacevorgebrachte Kritik amGeschäftsgebaren der FirmaMonsanto hat in dieserHinsicht selbstverständlichihre Berechtigung. In der Tatwäre es verheerend, wenn eineeinzige Firma den globalenMarkt mit transgenenKulturpflanzen beherrschenwürde. Nur: Eine solcheMonopolstellung verhindertman nicht durch einefundamentalistische Blockadeder Gentechnik, sondern durcheine verantwortungsvolleForcierung der öffentlichenForschung!

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Geschäft der Politik –Politik der Geschäfte?Wenden wir uns damit demdritten Kernelement derPolitiotie zu, der Ökonomiotie.Wie bereits imvorangegangenen Kapiteldargelegt, wäre derKettenbriefhandel derFinanzmärkte ohne politischeRückendeckung gar nichtmöglich gewesen. Wäre derStaat nicht mitmilliardenschwerenKonjunkturprogrammen,Subventionen, einemausuferndem Sozialsystemsowie Banken- undStaatenrettungsschirmen indie Bresche gesprungen,wären die Finanzmärkte

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aufgrund ihrerrealwirtschaftlichen Absurditätlängst schon kollabiert.Radikal-liberale und linkeÖkonomen sind also gar nichtso weit voneinander entfernt,wie man vermuten könnte. DerUnterschied zwischen ihnenbesteht darin, dass die einendie Irrationalität des Staateskritisieren, der den Marktsabotiert, und die anderen dieIrrationalität der Märkte, dieden Staat ausbluten lassen.Faktisch jedoch sind beideIrrationalismen systemischmiteinander verbunden: Ohnedie Irrationalität der Märktewürde sich der Staat nicht soirrational verhalten – undumgekehrt!

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Man könnte Hunderte vonSeiten über dasökonomiotische Syndrom inder Politik schreiben.Beispielsweise über denblinden Glauben der Politikeran die realen Wirkungenfiktiver Kapitalmehrungen, dersie auf die absurde Ideebrachte, die Alterssicherungder Bürgerinnen und Bürgerausgerechnet an denKettenbriefhandel derinternationalen Finanzmärktezu koppeln (Riester-Rente). Eineindrucksvolles Beispiel fürÖkonomiotie gäbe auch dasdeutsche Steuersystem ab,das fast ausschließlich mittlereEinkommen belastet unddurch unzählige

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Verschlimmbesserungen inden letzten Jahrzehnten soundurchsichtig geworden ist,dass selbst Finanzbeamtelängst den Überblick über denSteuergesetzwirrwarr verlorenhaben.85 Ähnlich groteskeBlüten treibt das ausuferndeSubventionswesen, dasProdukte und Unternehmenkünstlich am Leben hält, diesinnvollerweise längst schonvom Markt verschwundenwären. All dies zu beschreibenwürde jedoch den Rahmendieser Streitschrift sprengen.Konzentrieren wir uns deshalbauf die Gründe, diePolitikerinnen und Politikerdazu veranlassen, in solchunschöner Regelmäßigkeit

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ökonomiotischeEntscheidungen zu treffen.

Eine der Hauptursachen derpolitischen Ökonomiotie liegtin der gestiegenen Bedeutungder Lobbyisten, denen es zuverdanken ist, dass dasGeschäft der Politikzunehmend von der Politik derGeschäfte bestimmt wird. Zwarist eine Verzahnung vonWirtschaft und Politikdurchaus begrüßenswert, daalle Bürgerinnen und Bürgervon einer florierendenWirtschaft profitieren sollten –ernsthafte Probleme ergebensich jedoch, wenn in der PolitikPartikularinteressen einzelnerUnternehmen und Verbändehöher gewichtet werden als

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die Interessen derAllgemeinheit. Dazu kommt esnicht nur durch korruptePolitiker. (Es wäre falsch, diepolitische Klasse hier untereinen Generalverdacht zustellen.) Meist gehen dieInteressen der Allgemeinheitauf subtilere Weise unter,nämlich infolge desausufernden Systems derlobbyistischen Expertokratie.

Bekanntlich müssen Politikerangesichts der Komplexitätder Themen, mit denen siekonfrontiert sind, immerwieder »Experten« zurateziehen. Diese Experten fallenjedoch nicht vom Himmel,sondern entstammen häufigUnternehmen und Verbänden,

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die von einer zu treffendenpolitischen Entscheidungselbst betroffen sind: Geht esbeispielsweise umKirchenfragen, kommt dasgrundlegende Papier vonKirchenfunktionären, geht esum Energiefragen, sindVertreter der großenEnergiekonzerne am Entwurfbeteiligt, geht es umFinanzmärkte, werden dieVorstände der großen Bankengehört. Muss man sich da nochwundern, dass die PolitikPartikularinteressen eherberücksichtigt als dieInteressen der Allgemeinheit?

Was man dendemokratiegefährdendenWirkungen der lobbyistischen

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Expertokratie entgegensetzenmüsste, ist längst bekannt:Erstens eine größereTransparenz der Politik sowiezweitens eine stärkereBeteiligung von Bürgerinnenund Bürgern in politischenEntscheidungsprozessen. Esist keineswegs erstaunlich,dass die Piratenpartei unlängstgerade mit diesen Inhalten beider Wählerschaft punktenkonnte. Sollten die arriviertenParteien hierauf nicht baldangemessen reagieren, wäredies nur ein weiterer Beleg fürdie immer wieder beklagte»Torheit der Regierenden«.

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Das dumme Spiel derMachtWenn man, wie schon im Titeldieses Kapitels, von einer»Torheit der Regierenden«spricht, so sollte man natürlichberücksichtigen, zu welcherDiagnose die HistorikerinBarbara Tuchman in ihremgleichnamigen Buch gelangte.Bei ihrer Untersuchung derpolitischen Torheit von Trojabis Vietnam kam sie zu demErgebnis, dass die Wurzel desÜbels im »Bestehen auf demIrrtum« liege: Obgleich esvernunftswidrig sei, »dasNachteilige zu verfolgen,nachdem es sich als nachteiligerwiesen hat«, sei »einerRegierung nichts mehr

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zuwider, als Irrtümereinzusehen, Verlusten einEnde zu machen, den Kurs zuändern«. Den Grund für dieseBasis-Blödheit sah dieHistorikerin im Menschlich-Allzumenschlichen: Diepolitische Vernunft unterliegeallzu häufig »nichtrationalenmenschlichen Schwächen –Ehrgeiz, Ängstlichkeit, Status-Streben, Wahrung desGesichts, Illusionen,Selbsttäuschungen,Vorurteilen«.86

Nun ist es ein altbekanntesPhänomen derSozialpsychologie, dassMenschen, auch wenn es fürsie selbst von großem Nachteilist, auf Irrtümern beharren und

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sich nach der Devise »Ich haberecht, auch wenn ich michirre« das Leben schwermachen.87 Warum aber istdieses Phänomen gerade inder Politik so sehr verbreitet?Offensichtlich hängt dies mitden besonderen Spielregelnder Macht zusammen:Diejenigen, die Macht eroberthaben, befürchten, dieseMacht zu verlieren, wennruchbar wird, dass ihnenFehler unterlaufen. Schließlichmüssen sie damit rechnen,dass Vertreter konkurrierenderParteien bereits darauf lauern,solche Fehler zu entlarven undsich selbst als diejenigen zupräsentieren, die es schonimmer besser gewusst haben.

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Diese Struktur politischerDominanzmanöver ist derGrund dafür, warum politischeDiskussionen in der Regel sounbefriedigend sind: Denn imUnterschied zuphilosophischen Debattenhaben sie nicht das Ziel, dieDiskutanten gemeinsamweiterzubringen, sondern dieGegner an ihrer schwächstenStelle zu treffen. Während dasüberzeugende Argument inder philosophischen Debatteein Geschenk ist, das denBeteiligten die Chance bietet,Irrtümer zu überwinden, istdas Argument in derpolitischen Diskussion eineWaffe, die eingesetzt wird, umunliebsame Kritik an der

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eigenen Person abzuwehren.Man kann sich daher daraufverlassen: Wenn sich Vertreterder Partei A zu einerbestimmten Positionbekennen, werden – losgelöstvon der Stichhaltigkeit derArgumente – unweigerlichVertreter der Partei Bauftreten, die ebendiesePosition als einen niewiedergutzumachenden Fehlerattackieren.

An diesem Spiel der Machthat sich seit den 1980er-Jahren, in denen BarbaraTuchman über die Torheit derRegierenden schrieb, nichtsgeändert. In anderer Hinsichtjedoch ist seither einbemerkenswerter Wandel

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eingetreten – zumindest hierin Mitteleuropa: Denn es gibtkaum noch Politiker, diedogmatisch an ihrem Kursfesthalten würden – schonallein deshalb, weil sie keinemklar erkennbaren Kurs mehrfolgen. Das Navigationssystemder meisten Politiker ist heutenicht mehr bestimmt durchfeste politische Grundsätze,sondern durch das Auf und Abder Umfragewerte. DerMeinungsmarktbericht ist dasOrakel, dem der modernePolitiker folgt. EigeneÜberzeugungen, für die einPolitiker notfalls gegen denStrom seiner Zeit schwimmenmüsste, kann man sich impolitischen Tagesgeschäft

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kaum noch leisten.Kurzum: Während Politiker

früher den Fehler begingen,dogmatisch an ihrenFehlentscheidungenfestzuhalten, neigen heutigePolitiker dazu, dengegenteiligen Fehler zubegehen: Sie ziehen es vor,keine Entscheidungen zutreffen, bevor man sie ihnenals Fehler auslegen könnte.Nicht zuletzt aus diesemGrund ist es zur Modegeworden, politischeEntscheidungen anExpertenkommissionen zudelegieren. Deshalb auchverwenden Politiker in ihrenöffentlichen Auftritten sogerne Leerformeln, Phrasen,

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Worthülsen, die jeglicheinhaltliche Substanz vermissenlassen und somit den Vorteilhaben, unwiderlegbar zu sein.

Wie soll man nun den hierangedeuteten politischenWandel vom engstirnigenDogmatismus derVergangenheit zur flexiblenMeinungsmarktorientierungder Gegenwart bewerten? Istes nicht ein gutes Zeichen,wenn Politiker so sehr auf ihreWähler hören, dass sie notfalls,siehe den schwarz-gelbenAtomausstieg, ihre Ansichtenkomplett über den Haufenwerfen? Oder ist dies bloßAusdruck von blinderKonzeptionslosigkeit undblankem Opportunismus? Fakt

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ist jedenfalls, dass der Wandelin der Politik ein paradoxesErgebnis herbeiführte: Obwohlsich die Parteien heute mehrdenn je um die Zustimmungder Wähler bemühen, war dieZustimmung der Wählergegenüber den Parteien nie sogering wie heute.

Wie ist das zu erklären?Könnte es sein, dass dieWähler zunehmend über sichselbst erschrecken, da sie inder Halt- undOrientierungslosigkeit derPolitik ein Spiegelbild ihrereigenen Halt- undOrientierungslosigkeiterkennen? Schimpfen wir nurdeshalb über die »doofenPolitiker«, weil wir von unserer

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eigenen Dummheit ablenkenwollen? Die bittere Wahrheitist doch: In der Demokratiegeht nicht nur alle Macht,sondern auch alle Blödheitvom Volke aus! Warum alsomit erhobenem Zeigefingerauf unfähige Politiker,raffgierige Banker oderdurchgeknallte Hasspredigerzeigen? Letztlich erhalten wirHohlköpfe doch nur dieHohlkopf-Politik, -Ökonomieund -Religion, die wirverdienen!

Fassen wir uns also selber andie Nase: Was ist in unsererEntwicklung so schrecklichschiefgelaufen, dass wir diesenStumpfsinn zuließen? Warumist ein Ende dieser Farce noch

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immer nicht in Sicht? Wiekann es sein, dass aus all densüßen Homo-sapiens-Babys,die Tag für Tag das Licht derWelt erblicken, miterschreckenderRegelmäßigkeitminderbemittelte Homo-demens-Erwachsene werden?Werfen wir zur Beantwortungdieser Fragen einen Blick aufdie kulturelle Matrix, aus dersich die Macht der Doofenspeist …

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WILLKOMMEN INDER MATRIXAuch Dummheit willgelernt sein

Schon Sigmund Freudwunderte sich über den»betrübenden Kontrastzwischen der strahlendenIntelligenz eines gesundenKindes und der Denkschwächedes durchschnittlichenErwachsenen«.88 Einen derHauptgründe für diese»relative Verkümmerung« saher in der »religiösenErziehung«. Freud kritisierte,dass man die Kinder schon zu

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einem Zeitpunkt mit religiösenLehren konfrontiere, an demsie die Tragweite dieser Lehrennoch nicht begreifen könnten.Konsequenz der frühenIndoktrination: »Wenn danndas Denken des Kindeserwacht, sind die religiösenLehren bereits unangreifbargeworden.«89 Ebendies führtnach Freud zu einernachhaltigen Reduktion desDenkvermögens: »Wer sicheinmal dazu gebracht hat, alledie Absurditäten, die diereligiösen Lehren ihmzutragen, ohne Kritikhinzunehmen, dessenDenkschwäche braucht unsnicht arg zu verwundern.«90

Deshalb forderte der Vater der

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Psychoanalyse, dietraditionelle Erziehung zuIllusion und Denkschwächedurch eine »Erziehung zurRealität« zu ersetzen. Dies seizwar ein utopisches Ziel, dochirgendwann, da war sich Freudsicher, werde sich die »leiseStimme der Vernunft«durchsetzen: »Der Primat desIntellekts liegt gewiss inweiter, weiter, aberwahrscheinlich doch nicht inunendlicher Ferne.«91

Seit Freuds Niederschriftdieser Gedanken sind mehr als80 Jahre vergangen – unddoch könnte man es heutekaum treffender formulieren:Denn von einer »Erziehung zurRealität« sind wir noch immer

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meilenweit entfernt, nochimmer beeinträchtigenreligiöse Absurditäten dasDenkvermögen, noch immerwerden Kinder im frühestenAlter schon mit denabsurdesten religiotischenHirnwürmern infiziert.Allerdings würden wir uns dieSache zu einfach machen,würden wir die »relativeVerkümmerung«, die sich inder Wandlung intelligenterKinder in denkschwacheErwachsene niederschlägt,allein auf religiöse Erziehungzurückführen. Denn dieErziehung zur Religiotie ist nureines von vielen Hirnwurm-Unterprogrammen innerhalbder kulturellen Matrix, die uns

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so erfolgreich manipuliert,dass wir in der Regel nichteinmal merken, wie wenig wiraus unseren biologischenMöglichkeiten machen.

Um diesen Sachverhalt zuverstehen ist es zweckmäßig,sich den Zusammenhang vonNatur und Kultur bewusst zumachen. Erstens: Der Menschkommt weder als»unbeschriebenes Blatt« zurWelt noch als Gen-Roboter, derbloß vorgegebene biologischeProgramme abspulen müsste.Vielmehr ist er einKulturwesen von Natur aus –biologisch geprägt undkulturell flexibel zugleich.Zweitens: Unsere Kultur istnicht – wie es früher hieß –

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Ausdruck eines biologischenMangels, sondern vielmehreines biologischen Reichtums,denn nur besonders komplexebiologische Programme sind inder Lage, sich an veränderteUmwelten anzupassen.Drittens: Auch wenn sichmenschliche Kulturen undSchimpansen-Kulturen früherkeineswegs so deutlichvoneinander unterschiedenhaben wie heute, so muss esdoch schon damals biologischeUnterschiede gegeben haben,die die spätere kulturelleExplosion beim Menschenermöglichten. Die Preisfrage indiesem Zusammenhanglautet: Welcher biologischenEigenschaft ist es zu

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verdanken, dass sich derMensch – anders als derSchimpanse – vom Jäger undSammler zumGroßstadtneurotikerentwickeln konnte? Was alsoist der wesentliche biologischeUnterschied zwischen Menschund Schimpanse? Die Antwortauf diese Frage magdespektierlich klingen, ist aberfür das Verständnis dermenschlichen Kultur vongroßer Bedeutung. Der Menschist der Affe, der am bestennachäffen kann.

Tatsächlich wurden unsereGehirne im Verlauf derEvolution so konfiguriert, dasswir zu wahren Meistern derImitation wurden. Gerade in

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dieser Hinsicht sind wirSchimpansen deutlichüberlegen: »Vergleicht mandas Lernverhalten vonSchimpansen und Kindern«,schreibt der EvolutionsbiologeThomas Junker, »so zeigt sichbei Kindern eine höhereKopiergenauigkeit. WährendSchimpansen in ihremVerhalten eher pragmatischauf das Ziel orientiert sind,versuchen Kinder dasVerhalten anderer genaunachzuahmen, auch wenn dasim Einzelfall weniger effektivist.«92 Warum, so werden Siesich vielleicht fragen, istdieses exakte Kopieren sowichtig? Antwort: Weil es dieentscheidende Grundlage für

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die erfolgreiche Weitergabevon sozialen Lernerfahrungenist, also die Basis jeglicherTraditionsbildung. Ohneunsere Bereitschaft, dasVerhalten anderer perfektnachzuahmen, könnten wirkeine Sprache erlernen,komplexe Kulturtechniken wieLesen, Schreiben, Rechnenhätten sich nie entwickelt,geschweige dennWissenschaft, Philosophie undKunst. Mit anderen Worten:Die Fähigkeit zu genauerImitation ist die Wurzel allermenschlichenKulturleistungen, allerdings:Sie ist auch die Wurzel allermenschlichen Dummheit.

Warum? Weil der Mensch

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darauf programmiert ist, alleszu imitieren, was er in seinerKultur vorfindet – selbst denallergröbsten,hirnvernebelndenSchwachsinn! Für Kinder istdiese bedingungsloseBereitschaft zur Nachahmunglebensnotwendig. Würden sienicht von sich aus versuchen,Laute zu imitieren, deren Sinnsie nicht verstehen, könntensie niemals eine Spracheerlernen. Auch später nochsind sie in ihrem Bestreben,sich in der Welt zu orientieren,auf Gedeih und Verderb ihremkulturellen Umfeldausgeliefert. Neugierig saugensie alle Informationen auf, dieihnen geboten werden. Dabei

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ist ihr Vertrauen in dieRichtigkeit der Aussagen ihrerBezugspersonen in den erstenJahren grenzenlos. Das liegtnicht zuletzt daran, dass ihreigenes Weltbild noch nicht sofest etabliert ist, dass sie aufseiner Grundlage dieStimmigkeit vonBehauptungen überprüfenkönnten. Mit der Zeit abererlernen sie ein ganzes Arsenaltradierter Sichtweisen, die ihreVorstellungen von wahr undfalsch, gerecht und ungerecht,schön und unschönbestimmen. Ebendies ist es,was hier unter dem Begriff»kulturelle Matrix« verstandenwerden soll: ein Programm zurgesellschaftlichen Normierung

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individueller Denk-,Empfindungs- undHandlungsgewohnheiten.

Selbstverständlich sindderartigeNormierungsprogrammehistorischen Schwankungenunterworfen. Sie sehen heutedeutlich anders aus als zurZeit derSklavenhaltergesellschaft, derKreuzzüge oder des KaltenKrieges. Auch die lokalenDifferenzierungen sindbeachtlich: So unterscheidetsich die kulturelle Matrix inWesteuropa erheblich von denNormierungsprogrammen inRussland, China, Indien, Saudi-Arabien oder Iran. Dennochgibt es abseits dieser

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historischen und lokalenUnterschiede eine großeGemeinsamkeit: Alle Kulturen,die der Mensch hervorbrachte,legten großen Wert darauf,ihren Nachwuchs möglichstfrüh nach dem eigenen Bildezu formen.

Dies wäre unproblematisch,würden sich die Kulturendarauf beschränken,nachrückenden Generationenneben basalenKulturtechniken gesichertesWissen über die Welt zuvermitteln. Doch Homodemens wäre nicht Homodemens, wenn er es dabeibelassen würde. Tatsächlichgilt: Je unrealistischer, jeunsinniger, je grotesker eine

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kulturelle Vorstellung ist,desto höher ist der Aufwand,der betrieben wird, um sie indie Köpfe der Jüngsteneinzupflanzen!

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IdeologischerKindesmissbrauchNirgends wird dies deutlicher –hier muss man Sigmund Freudbeipflichten – als im Fall derreligiösen Erziehung. Es istwirklich zum Haareausreißen,mit welch debilem Quarkwehrlose Kinder schon in derFamilie, im Kindergarten, inder Grundschule, schlimmernoch: in christlichen Sonntags-oder muslimischenKoranschulen, gefüttertwerden. Muss man sich nochwundern, dass die meistenMenschen niemals einefunktionstüchtigeintellektuelle Immunabwehraufbauen können, wenn siebereits mit der kulturellen

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Muttermilch eine solcheÜberdosis hirnzersetzenderSchadstoffe aufnehmenmüssen?

Gewiss: In den meistenLändern der Welt ist der Gradder religiotischenDurchseuchung um einVielfaches höher als imweitgehend säkularisiertenEuropa. Doch auch in unserenBreitengraden ist der Schaden,der aus der frühen Infektionmit religiotischen Hirnwürmernentsteht, beträchtlich. Soerzählt man Kindern oft schonim Kindergarten, spätestensjedoch ab der ersten Klasseden naiven »Backe-backe-Kuchen-Mythos« derbiblischen

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Schöpfungsgeschichte, enthältihnen aber die damit imWiderspruch stehendenErkenntnisse derEvolutionsbiologie vor. Wennüberhaupt, so werdenSchülerinnen und Schüler inDeutschland erst im zehntenSchuljahr eingehender mitdem Thema »Evolution«konfrontiert, bis dahin jedochhaben sich kreationistischeVorstellungen in ihren Köpfenlängst verankert. Fragen Siesich selbst: Müsste es nichtgenau andersherum sein?Müssten wir den Kindern nichterst einmal vermitteln, was wirmehr oder weniger gesichertüber die »Natur der Dinge«wissen (Evolution), bevor wir

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fragwürdige Weltdeutungen(etwa die Schöpfungslehre) ansie herantragen, derenProblematik sie gar nichtabschätzen können, da ihnendazu das notwendigeGrundwissen fehlt?

Dass die gängige Praxis derweltanschaulichenManipulation von Kindern undJugendlichen in denöffentlichen Schulen so wenigproblematisiert wird, liegtdaran, dass die meistenBürgerinnen und Bürger nochimmer mit größterSelbstverständlichkeit davonausgehen, es gäbe tatsächlich»katholische«,»protestantische« oder»muslimische« Kinder. Doch

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ist das wahr? Mitnichten!»Katholische«,»protestantische« oder»muslimische« Kinder gibt esebenso wenig wie»christdemokratische«,»liberale«,»sozialdemokratische« oder»grüne« Kinder. Was wäredavon zu halten, wenn Kindernvon CDU-Wählern das CDU-Grundsatzprogramm undKindern von SPD-Wählern dasSPD-Programm in derGrundschule vermittelt würde– so wie heute den Kindernvon Katholiken katholischerund Kindern von ProtestantenprotestantischerReligionsunterricht erteiltwird?! Es wäre wohl jedem

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klar, dass es sich hierbei umeine unzulässigeIndoktrination, ja: um einenideologischen Missbrauch vonKindern handeln würde.Warum sollte dies im Falle derReligion so gänzlich anderssein?!

Die Selektion der Kinder inunterschiedlicheweltanschauliche Unterrichteführt nicht nur zu einerreligiösen Gettoisierung derGesellschaft, die demGemeinwesen schadet,sondern aufgrund der indiesen Unterrichtenvermittelten religiotischenInhalte auch zu einerSchädigung des individuellenDenkvermögens. Stellen Sie

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sich nur vor, wie ein sensibles,intelligentes Kind daraufreagieren muss, wenn es hört,dass der »liebe Gott« mitbewusstem Vorsatz (!) nahezualle Menschen und Tiere imZuge der Sintflut ertrinkenund seinen eigenen Sohn »fürunsere Sünden« blutig amKreuze hinrichten ließ. StellenSie sich bitte auch vor, wiedieses sensible Kind mit derInformation umgehen soll,dass seine Eltern »den Leib«dieses erbärmlichAbgeschlachteten in derSonntagsmesse verspeisen,um sich auf diese Weise mitihm zu »vereinigen«. Es zeigt,wie sehr wir uns an dieseblutrünstigen

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Glaubensabsurditätengewöhnt haben, dass wirdiesen »rituellenKannibalismus« gar nicht mehrals den Skandal registrieren,den er eigentlich verkörpert.Ist es nicht bestürzend, dassgroße Teile der Bevölkerung,der Medien, der Politik, deskulturellen Establishments esnoch immer – im21. Jahrhundert! – als einepädagogisch unverzichtbareAngelegenheit erachten,unmündige Kinder auf einensolchen »rituellenKannibalismus«vorzubereiten?

Sicherlich: Derüberwiegende Teil der Eltern,ja selbst der Religionslehrer,

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nimmt das »Wunder desAbendmahls«, wie auchandere Glaubenssätze desChristentums, kaum nochernst. Doch macht dies dieSache besser? Keineswegs!Denn welche pädagogischeBotschaft vermitteln wirunseren Kindern, wenn wir siein Rituale hineinpressen, anderen Sinn wir selbst nichtmehr glauben? Es ist dieKernbotschaft jeder Erziehungzur Denkverödung. Sie lautet:Schere dich nicht umArgumente! Gehe den Dingennicht auf den Grund! Sei keinNarr, der gegen dieAbsurditäten des Systemsaufbegehrt, sondern ein Tor,der der dummen Horde folgt!

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Frage niemals nach dem Sinndes Ganzen, sondern passedich an die herrschendenGepflogenheiten an – auchwenn sie noch sohimmelschreiend blöde sind!Sucht man nach der Ursachefür den »betrübenden Kontrastzwischen der strahlendenIntelligenz eines gesundenKindes und der Denkschwächedes durchschnittlichenErwachsenen« – hier wird manfündig.

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Schwachsinn auf allenKanälenDas »Prinzip Denkverödung«wird uns nicht zuletzt in denMedien vorgeführt. TheodorW. Adorno beklagte schon inden 1940er-Jahren: »Ausjedem Besuch des Kinoskomme ich bei allerWachsamkeit dümmer undschlechter heraus.«93 Was erwohl erst gesagt hätte, wenner mit dem multimedialenStumpfsinn der heutigenUnterhaltungsindustriekonfrontiert worden wäre?!Wie wären seine Kommentarezu Big Brother,Dschungelcamp undDeutschland sucht denSuperstar ausgefallen? Stellen

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Sie sich Adorno als Promigastbei Wer wird Millionär? vor:Undenkbar!

Mehr als je zuvor gehenMedienverantwortliche heutedavon aus, dass man dasPublikum nur unterhält, wennman das Niveau unten hält.Tragischerweise scheint ihnender Erfolg recht zu geben:Denn je flacher das Format,desto höher dieEinschaltquoten, jeengstirniger die Sendung,desto breiter das Grinsen derProgrammverantwortlichen.Kein Wunder, dass wir Tag fürTag, Nacht für Nacht dengleichen nervtötendenSchwachsinnsbrei vorgesetztbekommen: Talkformate, in

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denen viel gesprochen, aberwenig gesagt wird, Reality-Soaps mit »Prominenten«, dieman nicht kennt und auch garnicht kennenlernen möchte,Comedy-Sendungen ohneHumor, Quizsendungen ohneGrips, Informationssendungenohne Informationswert,Popsendungen ohne Pepp –wer all dies übersteht, ohneintellektuell völlig zudegenerieren, dem wirdspätestens von den »lustigenMutanten« der Volksmusikoder ihren Nachfahren vomBallermann 6 das letzteFünkchen Denkvermögen ausden Hirnwindungen geblasen.

Die Folgen diesermultimedialen

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Schwachsinnsverbreitunghaben Stefan Bonner undAnne Weiss in ihrem Bestseller»Generation Doof« treffendbeschrieben.94 Es ist paradox:Obwohl das Wissen der Weltheute nur noch einenMausklick entfernt ist, sindMillionen junger Menschengeistig derart retardiert, dasssie nicht einmal mehr wissen,was sie nicht wissen.Ambitionen, der eigenenVerblödungentgegenzuwirken, sind kaumvorhanden. Doch woher solltensolche Ambitionen auchkommen? Schließlich habensie nie erfahren, dass Bildungein Wert an sich ist, dass essich aus sich selbst heraus

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lohnt, tiefere Einsichten in»das Leben, das Universumund den ganzen Rest«(Douglas Adams) zu gewinnen– auch wenn man dadurchweder einen Modelvertrag beiLagerfeld noch einenPlattenvertrag bei Bohlenbekommt.

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Das universelleVerblödungssystemLeider ist die grundlegendeEinsicht in den Wertgrundlegender Einsichten nurbei sehr wenigen Menschenvorhanden. Das liegt natürlichnicht nur an denNullbotschaften unsererMedien, sondern vor allem anden Absurditäten unseresBildungssystems, das man mitFug und Recht als»Verbildungssystem«, ja sogarals »Verblödungssystem«bezeichnen könnte. Denn waslernen Kinder, Jugendliche,junge Erwachsene vorrangig inunseren Schulen,Berufsschulen,Fachhochschulen und

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Universitäten? Sie lernen, dassBildung keinen Eigenwertbesitzt, sondern allenfallseinen Tauschwert!

Der real existierendepädagogische Irrsinn(Pädagogiotie) äußert sich vorallem im absurden Zwang zurWissensbulimie, der in denLehranstalten kultiviert wird:Schülerinnen und Schülerwerden darauf trainiert, inmöglichst kurzer Zeitmöglichst viel totes Wissen insich hineinzufressen, um eszum Zeitpunkt der Prüfung imAustausch gegen Notenfristgerecht wieder zuerbrechen. Dass bei einersolchen Bildungs-Ess-Brech-Sucht nur wenige Lerninhalte

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beim Lernenden verbleiben,sollte eigentlich niemandenverwundern. Ebenso wenigmuss es uns erstaunen, dassdas Interesse an schulischenLerninhalten völlig erlischt,wenn Schülerinnen undSchüler nicht einmal mehreinen Tauschwert in derBildung erkennen können:Wer bezüglich seiner sozialenAufstiegschancen so weitresigniert hat, dass er alsBerufswunsch angibt: »Wennich groß bin, werde ich HartzIV!«, hat keinen Grund,Lerninhalte zu büffeln, die ihnim Grunde einen feuchtenKehricht interessieren.

Das Grundübel unseresBildungssystems ist leicht

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auszumachen: Das »AbenteuerWissen« wird den Kindern inder Schule meist auf solchunerträglich langweilige Weisepräsentiert, dass sie schonnach kurzer Zeit genau dieEigenschaft verlieren, die sievon Natur aus so sehr zumLernen befähigt: die Neugier.Nur sehr wenige Lehrerinnenund Lehrer verstehen es, ihreSchülerinnen und Schüler fürdie Inhalte zu begeistern, diesie vermitteln. OhneBegeisterung aber wird Lernenzu einer geistlosen Aneignungentfremdeten Wissens. Zwarheißt es, man solle für dasLeben und nicht für die Schulelernen, faktisch ist es abermeist umgekehrt:

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Schülerinnen und Schülerlernen für Prüfungen – das,was sie da lernen, hat für sieselbst, für ihr Leben, für ihrWeltverständnis keinerleiBedeutung, weshalb es kurznach dem Prüfungsterminauch wieder in Vergessenheitgerät.

Woran liegt es, dass dasLehrpersonal in der Regel sokläglich an der Aufgabescheitert, die Lernenden zubegeistern? Erstens: VieleLehrerinnen und Lehrer habenihr Wissen selbst aufentfremdete Weise erworben,sind also als Personen wedervon den Inhalten ihres Fachsbegeistert noch von derMöglichkeit, sie an junge

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Menschen weitergeben zudürfen. Zweitens: In derpädagogischen Ausbildung(insbesondere für dieweiterführenden Schulen) wirdnoch immer der Irrglaubegenährt, es ginge darum,Fächer zu unterrichten, stattMenschen zu unterrichten. Einguter, begeisternderUnterricht müsste sich an denindividuellen Stärken undSchwächen, Talenten,Neigungen und Abneigungender Schülerinnen und Schülerorientieren. StarreStandardisierungen, die alleLernenden über einen Kammscheren, sind pädagogisch imhöchsten Maße absurd, dennsie zerstören genau die

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kreativen Potenziale, dieeigentlich gefördert werdenmüssten. Drittens: UnsereBildungsinstitutionen (vomKindergarten bis zurHochschule) sind in der Regelfinanziell so schlechtausgestattet, dass einindividuelles Lernen gar nichtmöglich ist. Hier müsste diePolitik entschiedengegenlenken. Schließlich lebtjede Demokratie von derMündigkeit ihrer Bürger. Werausgerechnet an Bildungspart, beweist damit nur eines:den bemerkenswerten Gradseiner eigenen Verblödung.

Ein zentrales Manko unseresBildungssystems darf indiesem Zusammenhang nicht

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unerwähnt bleiben: Nochimmer steht das Erlernen vonEinzelfakten im Vordergrund –nicht das Verstehen vonZusammenhängen. DenSchülerinnen und Schülernwerden unsinnige Mengen vonEinzelfakten eingetrichtert,während sie bei derentscheidenden Aufgabe, diedarin besteht, diese isoliertenEinzelfakten in Beziehungzueinander zu setzen, kaumOrientierung erhalten. DochBildung bedeutetZusammenhangswissen –heute mehr als je zuvor. Denndas Problem unserer Zeitbesteht ganz gewiss nichtmehr darin, Zugang zudetailliertem Faktenwissen zu

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erhalten. Die großeHerausforderung unserer Zeitist es, in dem Meer vonInformationen, das unsohnehin umgibt, nichtSchiffbruch zu erleiden. WennSchülerinnen und Schüler mitfragmentiertem Wissenvollgestopft werden, als geltees, sie auf ein erfolgreichesAbschneiden bei Wer wirdMillionär? vorzubereiten, hatdies mit Bildung nichts zu tun.Schließlich könnte jeder Deppmithilfe von Wikipedia die»Ein-Millionen-Euro-Frage«beantworten. Bildung meinteben nicht, möglichst vielfragmentiertes Wissenanzusammeln, sie äußert sichvielmehr darin, dass man in

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der Lage ist, aus dem riesigenWissensfundus, der uns zurVerfügung steht, die richtigen,problemrelevantenInformationen auszuwählen.

Da das Bildungssystem andieser wichtigen Aufgabescheitert, sehen vieleSchülerinnen und Schüler,Studentinnen und Studentenden Wald vor lauter Bäumennicht mehr. Sie verstehenweder, in welcher Beziehungdie Inhalte eines Fachszueinander stehen, nochbegreifen sie, was dieseInhalte für die Inhalte andererFächer bedeuten, und schongar nicht wird ihnen bewusst,was diese Inhalte mit ihremeigenen Leben zu tun haben

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könnten. Für dieLernmotivation ist dies nichtgerade förderlich. Dahersollten Bildungsangebotegrundsätzlich so konzipiertsein, dass sie dieseZusammenhänge deutlichmachen: Gleich zu Beginneiner Lerneinheit müssteherausgestellt werden, warumes sich lohnt, sich mit demThema zu beschäftigen. Solltees nicht gelingen, dieRelevanz eines Themasaufzuzeigen, so ist dies einsicheres Zeichen dafür, dasses nicht in den Unterrichtgehört. (Allenfalls könnte es ineinem Spezialkurs behandeltwerden, an dem nurdiejenigen teilnehmen, die

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sich dafür begeistern können.)Rückt man auf diese Weise

den Sinn des Lernens insZentrum des Lernens, soverändert sichnotwendigerweise dasVerhältnis von Lehrenden undLernenden: Denn dieLehrenden können nicht mehrerwarten, dass die Lernendenalles bedingungslos schlucken,was man ihnen vorsetzt,vielmehr müssen sie sich anden Bedürfnissen derLernenden orientieren. DieLernenden ihrerseits sindaufgefordert, nicht mehr bloßnachzubeten, was man ihneneingeflüstert hat, sondernselbst darüber nachzudenken,inwiefern das, was sie da

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lernen, relevant für ihr Lebenist und ob die Informationen,die man ihnen zukommenlässt, tatsächlich einerkritischen Prüfungstandhalten. Im Idealfallwerden somit die Lehrendenteilweise auch zu Lernendenund die Lernenden zuLehrenden. DieEinbahnstraßenkommunikationder Bildung verwandelt sich ineinen Lerndialog, von dembeide Seiten profitieren.

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Das Gelée Royale derBildungWie man sieht, läuft das hiernur kurz angerisseneBildungskonzept auf eineUmkehrung der obenskizzierten Erziehung zurDenkverödung hinaus. Denndie zentralen Leitsätze einerpädagogischen Anleitung zurDenkstärke lauten: Scheredich um Argumente! Gehe denDingen auf den Grund! Sei einNarr, der gegen dieAbsurditäten des Systemsaufbegehrt – kein Tor, der derdummen Horde folgt! Passedich herrschendenGepflogenheiten nicht an,wenn sie himmelschreiendblöde sind, sondern frage nach

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dem Sinn des Ganzen!Würde die kulturelle Matrix

in diesem Sinne rekonfiguriert,hätte dies weitreichendesoziale, ökonomische undpolitische Konsequenzen:Denn wer bereits vonKindesbeinen an gelernt hat,Vorgegebenes kritisch zuhinterfragen, statt es imAustausch gegen gute Notenunreflektiert wiederzugeben,der wird sich vonreligiotischen, ökologiotischenoder ökonomiotischenHirnwürmern so schnell nichtmehr infizieren lassen. Er wirdweder dem alten Gerücht vomJüngsten Gericht auf den Leimgehen noch wird er sich dazudrängen lassen, Chips zu

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entwerfen, die Geräte nachAblauf der Garantiezeitfunktionsunfähig machen,oder »Finanzwerkzeuge«, dieMenschen in den finanziellenRuin stürzen. Undselbstverständlich wird erauch keine Politiker wählen,von denen er erwarten muss,dass sie derartigen Unsinnunterstützen.

Damit sind wir auf unsererSuche nach dem Gelée Royale,das uns zu »weisen Menschen«machen könnte, am Zielangelangt. Das Ergebnis dürfteniemanden sonderlichüberraschen. Es lautet: Umuns zu Homo sapiens zuentwickeln, statt zu Homodemens zu degenerieren,

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müssen wir mit dem GeléeRoyale der Bildung gefüttertwerden. Dabei ist – wie schonbei den Bienen – nicht dieQuantität, sondern dieQualität des Futtersaftsausschlaggebend. Wer vielweiß, der muss deshalb nochlange nicht gebildet, er kannauch hochgradig verbildetsein. Nicht nur Alter schütztvor Torheit nicht – auchWissen und Intelligenz reichennicht aus, um Torheit zuverhüten. (Man muss, siehePapst Benedikt XVI., sogardavon ausgehen, dass geradeintelligente Menschen anfälligfür Wahnvorstellungen sind,wenn sie frühzeitig mitentsprechenden Hirnwürmern

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infiziert wurden – und geradesie sind als Träger des Wahnsin besonderer Weisegefährlich.)

Woran also erkennt man denUnterschied zwischen Bildungund Verbildung? Im Grunde istes ganz einfach: ImUnterschied zu denHirnwürmern der Verblödungsorgt das Gelée Royale derBildung dafür, dass a) unserDenkvermögen gestärkt wird,sodass wir logischeWidersprüche als solcheerkennen, b) unserRealitätssinn geschärft wird,sodass wir uns nicht mehr ausder Wirklichkeit fortlügenkönnen, und c) unser Rückgratstabilisiert wird, sodass wir

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nicht schon beim kleinstenAnzeichen von Widerstandunsere Fähigkeit zumaufrechten Gang verlieren.

Stünde dieses Gelée Royaleweltweit zur Verfügung, sowäre es um die Macht derDoofen, der Engstirnigen, derewig Gestrigen baldgeschehen. Doch wierealistisch ist das? Ist es nichteine grandiose Illusion zuglauben, dass sich dieMenschheit von ihrengrandiosen Illusionen befreienkönne? Ist die Stimme derVernunft nicht viel zuschwach, als dass sie sichgegen all das Glockengeläut,all die Muezzinrufe, all dasMarktgeschrei, all das

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Politikergezänk durchsetzenkönnte? Sigmund Freud gabzu bedenken: »Die Stimme desIntellekts ist leise, aber sieruht nicht, ehe sie sich Gehörgeschafft hat. Am Ende, nachunzählig oft wiederholtenAbweisungen, findet sie esdoch. Dies ist einer derwenigen Punkte, in denen manfür die Zukunft der Menschheitoptimistisch sein darf …«95

Wenn nicht alles täuscht,dürfen wir Heutigen in dieserHinsicht sogar noch etwasoptimistischer sein als Freud inden 1930er-Jahren. Immerhinkönnen dank des Internetsheute auch solche Meinungenkommuniziert werden, diefrüher vom politischen

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Establishment rigorosunterdrückt worden wären.Dass das Fallen derKommunikationsbarrierenweitreichende Folgen hat, istoffensichtlich: An allen Eckenund Kanten des globalenSystems formieren sichWiderstandsbewegungen. DieHüter der etablierten Ordnungsitzen längst nicht mehr sofest in ihren Sätteln wie invergangenen Zeiten. DieDinge sind in Bewegunggeraten, ohne dassirgendjemand dies nochaufzuhalten vermochte. Undso werden wir Zeugen einesWandels, der sich vor unseraller Augen vollzieht: Denn derAufstand der Narren des

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Widerstands gegen die Torender Macht hat bereitsbegonnen …

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KEINE MACHT DENDOOFEN!Ein Aufruf zumWiderstand

In Andersens Märchen DesKaisers neue Kleider brachteein einzelnes Kind den Irrsinnder Mächtigen zu Fall. In derRealität sieht es kaum andersaus: Oft genügt schon dasengagierte Handeln einigerweniger, um das sozialeSystem zum Kippen zubringen. So markierte diesimple Weigerung von RosaParks, am 1. Dezember 1955ihren Sitzplatz im Bus für

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einen weißen Fahrgast zuräumen, den Anfang vom Endeder Rassentrennung in denUSA.

An der Wiege sozialerBewegungen standen immerEinzelpersonen, die verrücktgenug waren, die Denktabusihrer Zeit zu brechen.Natürlich wurden dieseUnzeitgemäßen, die erstmaligfür solch »abenteuerlicheVorstellungen« wie die Freiheitder Meinungsäußerung, dieAbschaffung der Sklaverei, dieAufhebung des Rassismus, dieGleichstellung von Mann undFrau oder einenvernünftigeren Umgang mitder Natur eintraten, vomEstablishment ihrer Zeit kaum

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ernst genommen (oder wenndoch: möglichst schnell ausdem Verkehr gezogen). Auflange Sicht aber konnteniemand verhindern, dassmehr und mehr Menschen vondiesen aufrührerischen Ideenangesteckt wurden.Inzwischen sind sie sogar zueinem derart festenBestandteil unserer kulturellenMatrix geworden, dass es fastundenkbar erscheint, dass siejemals als undenkbarerschienen.

Insofern ist es ermutigend,dass heute so viele Menschengegen die Torheitenprotestieren, die in diesemBuch beschrieben wurden: Soattackiert die internationale

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Tierrechtsbewegung die imzweiten Kapitel skizzierteWahnidee einerSonderstellung des Menschenim Kosmos, aus der sein (imschlimmsten Sinne desWortes) grobschlächtigerUmgang mitnichtmenschlichenLebensformen resultiert. DiereligionskritischeAufklärungsbewegung, diesich mittlerweile in vielenLändern der Welt formiert hat,setzt sich gegen die im drittenKapitel beschriebene Machtder Religioten zur Wehr.Umweltbewegungenbekämpfen seit Jahrzehntenschon die im vierten Kapitelerläuterte Ökologiotie,

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finanzkritische Bewegungenwie Attac (neuerdings auch:Occupy Wall Street) die imselben Kapitel geschilderteÖkonomiotie. Initiativen fürdirekte Demokratie (etwa MehrDemokratie e. V.) versuchender im fünften Kapiteldiskutierten Torheit derRegierendenentgegenzuwirken,Bildungsreformbewegungen(etwa die Reggio-Pädagogik)der im sechsten Kapitelskizzierten Pädagogiotie.

Ist es vorstellbar, dass sichdiese Einzelbewegungenirgendwann einmal zu einergroßen Sammelbewegung,einer Homo-sapiens-Widerstandsbewegung gegen

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die zivilisatorische Gefahr desHomo demens, vereinigenkönnten? Ausgeschlossen istdies nicht, auch wenn zurzeit(noch?) gewichtige Gründedagegen sprechen. Denn wereine Idiotie erkannt hat, istdeshalb noch lange nichtgegen andere Iditotien gefeit:Leider ist nur wenigenbewusst, wie sehr dieverschiedenen Formen desHomo-demens-Wahns –Religiotie, Ökologiotie,Ökonomiotie, Politiotie undPädagogiotie – miteinanderverknüpft sind. (Man denkenur an den Nahostkonflikt, beidem diese Denkstörungen aufunheilvolle Weisezusammenwirken und sich

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gegenseitig stabilisieren.)Die systemische Verbindung

der diversen Wahnideen istletztlich auch verantwortlichdafür, dass so viele gutgemeinte Hilfsbemühungenwirkungslos im Raumverpuffen. Es ist wie verhext:Um dem Fundamentalismusentgegenzuwirken, müssteman die wirtschaftlicheEntwicklung in denbetroffenen Ländern fördern,doch wie sollte manwirtschaftliche Entwicklungfördern, wenn derFundamentalismus ebendiesverhindert? ÄhnlicheWechselwirkungen existierenzwischen Ökologiotie undÖkonomiotie: Eine ökologische

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Wende wird erst möglich sein,wenn die Ökonomie nichtmehr von kurzfristigerProfitmaximierung geprägt ist,doch um diesenökonomiotischen Wahn zuüberwinden, müsste bereitsein ökologisches Bewusstseinexistieren, das dielangfristigen Folgen desWirtschaftens berücksichtigt.Vonseiten der Politik darf manin diesem Zusammenhangnicht viel erwarten: Denn wiekönnten sich Politiker gegendie Scheuklappenblindheitkurzfristiger Interessen stellen,wenn ihre Wiederwahl von derBefriedigung dieserkurzfristigen Interessenabhängt? Und wie könnten sie

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die Fehler unserer kulturellenMatrix korrigieren, wenn ihreigenes Denken und Handelnvon ebendieser Matrix geprägtwurde?

Vor eineinhalbJahrhunderten stand Karl Marxvor dem gleichen Problem. Inseinen berühmtenFeuerbachthesen heißt eshierzu: »Die materialistischeLehre von der Veränderungder Umstände und derErziehung vergisst, dass dieUmstände von den Menschenverändert und der Erzieherselbst erzogen werdenmuss. (…) DasZusammenfallen des Ändernsder Umstände und dermenschlichen Tätigkeit oder

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Selbstveränderung kann nurals revolutionäre Praxis gefasstund rationell verstandenwerden.«96 Damit ist zweierleigemeint: Erstens, dass unserDenken und Handeln ebensovon den gesellschaftlichenVerhältnissen bestimmt ist,wie die Verhältnisse vonunserem Denken und Handelnbestimmt werden. Zweitens,dass beides nicht statisch ist,sondern permanentem Wandelunterliegt. Besondersdramatisch sind dieseVeränderungsprozesse inMomenten der Krise, also wennoffenbar wird, dass die Formunseres Zusammenlebensoder unseres Stoffwechsels mitder Natur solch schwere

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Probleme produziert, dass wirsie mit traditionellenHilfsmitteln nicht mehr lösenkönnen. Insofern steckt injeder ernsthaftengesellschaftlichen Krise eineGefahr und Chance zugleich –die Gefahr, dass harterkämpfte kulturelleErrungenschaften verlorengehen (so geschehen etwanach dem Niedergang derantiken Hochkulturen inEuropa), aber auch dieChance, dass wir aus denKatastrophen derVergangenheit lernen (mandenke etwa an den friedlichenWiederaufbau Europas nachdem Zweiten Weltkrieg).

Auch die Krisen der

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Gegenwart sind in diesemSinne ambivalent: Aus demarabischen Frühling könnteschnell ein islamistischerWinter werden, eine kulturelleEiszeit, die alle Hoffnung aufFreiheit in den arabischenLändern erfrieren lässt – daszarte Pflänzchen der Freiheit,das nach dem Sturz derDiktatoren entstanden ist,könnte jedoch auch zu einemBaum heranwachsen, derreiche Früchte trägt. Ebensokönnte die Krise derFinanzmärkte eineökonomische Katastrophe mitverheerenden Folgenauslösen, jedoch auch einefairere Form des globalenWirtschaftens herbeiführen.

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Ob wir die Chance, die in dergegenwärtigen Krise liegt,nutzen oder nicht, wirdmaßgeblich davon abhängen,ob wir bereit sindumzudenken. Denn die großenProbleme der Welt könnennicht mit derselben Denkweisegelöst werden, mit der wir sieverursacht haben (AlbertEinstein).97

Entscheidend wird sein, obsich die Narren desWiderstands von dentradierten Mustern derkulturellen Matrix lösenkönnen oder ob sie letztlichnur alten Wein in neueSchläuche gießen. Dass indieser Hinsicht noch einigerNachholbedarf besteht, zeigt

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sich darin, dass fast alleWiderstandsbewegungenheute mit einemhochmoralischen Impetusauftreten – so, als ob dieProbleme, die die Weltbelasten, daraufzurückzuführen wären, dasssich »böse« Unternehmer,Manager, Banker, Politiker ausfreien Stücken gegen Menschund Natur verschworen hätten.Doch handelt es sich hierwirklich um ein moralischesProblem? Resultierte dieWeltfinanzkrise wirklich ausder persönlichen Raffgiereinzelner Banker? Sind dieToren der Macht wirklich soviel eigennütziger als dieNarren des Widerstands? Nein!

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Der Satiriker Wiglaf Drostedichtete einmal: »Ist das Hirnzu kurz gekommen, wird sehrgern Moral genommen.«98

Dies trifft auch imvorliegenden Fall zu: Dieglobale Misere beruht ebennicht auf moralischverwerflichen Entscheidungeneinzelner Personen, sondernauf einem System, das sounintelligent designt ist, dasses notwendigerweise zuProzessen vonSchwarmdummheit kommt.

Es wäre absurd, Politikernvorzuwerfen, dass sie sich anInteressen orientieren,Wirtschaftsleuten, dass sieProfite erwirtschaften wollen,oder Geistlichen, dass sie sich

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darum bemühen, »Seelen« zuretten. Schließlich erledigensie damit nur ihren Job. Sietun, was die jeweiligenSubsysteme ihnenabverlangen. Das Tragischedabei ist: Je effizienter, jegewissenhafter sie ihren Joberledigen, desto verheerendersind die Folgen. Denn das istdas Dumme an dummenSystemen: Wer in ihnenrational agiert, agiertirrational, wer das Falscheperfekt macht, macht dasperfekt Falsche.99

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Dummheit und Stolzwachsen auf einem HolzFür die Narren desWiderstands gibt es demnachkeinen vernünftigen Grund,sich als Moralapostelaufzuspielen. Wer sich etwasdarauf einbildet, dass er nichtzu den Toren der Machtgehört, beweist damit nur,dass er die tieferen,systemischen Ursachen derKrise nicht erkannt hat. Mehrnoch: Er demonstriert aufuntrügliche Weise, dass erselbst von einem dergefährlichsten Hirnwurm-Programme aller Zeiteninfiziert ist, dem Virus derSelbstgerechtigkeit: DennDummheit und Stolz wachsen

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auf einem Holz. Da ich inmeinen vorangegangenenBüchern sehr ausführlich aufdiese besondere Homo-demens-Torheit eingegangenbin100, kann ich mich hier aufzwei kurze Anmerkungenbeschränken:

Erstens: Die Basisblödheitdes Stolzes beruht – wie vieleandere Blödheiten auch – aufeiner Selbstüberschätzung desMenschen. Wir aufrechtgehenden Affen glauben dochallen Ernstes, über denNaturgesetzen zu stehen unduns mit unserem »freienWillen« für »das Gute« oder»das Böse«, das Wahre oderdas Falsche, das Schöne oderdas Hässliche entscheiden zu

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können. In Wahrheit jedochsind sämtlicheEntscheidungen, die wirtreffen, und auch sämtlicheEigenschaften, die wirbesitzen, von Ursachenbestimmt. Fakt ist: Jeder vonuns kann in jedem Momentseines Lebens nur genau soklug, attraktiv, liebevoll,gerecht etc. sein, wie er esaufgrund seiner jeweiligenAnlagen und Erfahrungen inexakt diesem Moment seinmuss.

Zweitens: Aus derSelbstüberschätzung desMenschen erwächst jeneverhängnisvolleSelbstgerechtigkeit, mit derdie Glücklichen über die

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Unglücklichen, die Schönenüber die Hässlichen, dieGebildeten über dieUngebildeten, die Eliten überdie Marginalisierten, die»Guten« über die »Bösen«richten. Als besondersverheerend hat sich dabei dermoralische Dualismus von Gutund Böse erwiesen: DennMenschen, die sich als»Wahrer des Guten im Kampfgegen das Böse« wähnen,suchen nicht nach fairerenLösungen fürInteressenkonflikte, sondernbringen jeden noch soharmlosen Konflikt zurEskalation. (Auch in dieserHinsicht mag derNahostkonflikt als mahnendes

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Beispiel dienen.)Was wir daher in der

gegenwärtigen Situationbrauchen, ist nicht moralischeEmpörung, sondern kulturelleEntblödung! Statt »Empörteuch!«101 sollte es heißen:»Entblödet euch!« Denn diegroße Konfliktlinie unserer Zeitverläuft nicht zwischen Gutund Böse, sondern zwischenklug und blöde! Wohlgemerkt:Bei dieser Differenz vonKlugheit und Dummheit gehtes nicht um die Eigenschafteneinzelner Individuen (auch einextrem hoher IQ bietet keinenwirksamen Schutz vorHirnwurminfektionen),sondern um die Beschaffenheitsoziokultureller Systeme (sind

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sie intelligent oderunintelligent designt, fördernsie Schwarmintelligenz oderSchwarmdummheit?)

Falls ein Individuum in derLage sein sollte, weiter zusehen als andere, so ist dieseben nicht auf sein»grandioses Selbst«zurückzuführen, sondern aufden glücklichen Umstand,dass es innerhalb derkulturellen Matrix eher mitdem Gelée Royale der Bildungals mit Hirnwürmern derVerblödung in Berührung kam.Doch selbst in diesem Punktkann man sich niemals sichersein. Denn so weit wir auchimmer sehen mögen, unserDenkhorizont ist stets

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begrenzt. (Das giltselbstverständlich auch fürden Verfasser dieser Zeilen:Schließen Sie aus demapodiktischen Stil dieserStreitschrift bitte nicht, dasses hier darum gehe,»unantastbare Wahrheiten« zuverkünden. Natürlich weiß ich,dass meine Denkergebnissevorläufig und fehleranfälligsind. Doch gerade wenn mandas weiß, sollte man seinePositionen möglichst klar aufden Punkt bringen. Warum?Weil dies die Chancen erhöht,dass der Unsinn, den manformuliert hat, von anderen,die weiter sehen, widerlegtwerden kann.)

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Entblödet euch!Eine Reformbewegung, die aufkulturelle Entblödung statt aufmoralische Empörung setzt,hat neben größererWahrhaftigkeit einen zweiten,entscheidenden Vorteil: Siekann auch jene Menschenerreichen, die in das Systemfest integriert sind, aber an derSinnhaftigkeit des Ganzen zuzweifeln begonnen haben. Inzahlreichen Gesprächen, dieich in den letzten Jahren mitPolitikern, Unternehmern,Bankern, Journalisten, Lehrern,ja sogar mitReligionsfunktionären führenkonnte, stellte sich heraus,dass erstaunlich vieleMenschen den Glauben an die

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Vernünftigkeit der Systeme,innerhalb derer sie agieren,verloren haben. Im Grundebefinden sie sich in einerähnlichen Situation wie diekaiserlichen Diener inAndersens Märchen: Siewissen zwar, dass der Kaisernackt ist – doch sie müssenihre Schleppenträger-Rolle indiesem absurden Theaterspielso lange weiterspielen, bis esin die letzten Winkel desöffentlichen Bewusstseinsvorgedrungen ist, wiegnadenlos hirnrissig diegesamte Vorführung ist.

Tun wir also unserenPolitikern, Unternehmern,Bankern, Journalisten, Lehrernund Predigern den Gefallen

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und befreien sie aus dendummen Zwängen dummerSysteme! Stärken wir dieStimme der Vernunft!Sprechen wir laut und deutlichaus, dass der Kaiser nackt ist!Denn nur so kann die Farce,die uns tagtäglich vonReligioten, Ökologioten,Ökonomioten und Politiotendargeboten wird, beendetwerden. Es ist an der Zeit, füreine grundlegende Reform dersozialen Systeme zu sorgen:Werden wir zu Architekteneiner neuen kulturellen Matrix,in der Schwarmintelligenz andie Stelle vonSchwarmdummheit tritt, in dersich die Hirnwürmer derVerblödung nicht mehr

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ausbreiten können, weil dasGelée Royale der Bildung allenErdenbürgern zur Verfügungsteht!

Der kategorische Imperativunserer Tage lautet, falscheIdeen sterben zu lassen, bevorMenschen für falsche Ideensterben müssen! Stellen Siesich vor, was eine Menschheit,die diesem Homo-sapiens-Imperativ folgt, erreichenkönnte! Um die Zukunftunserer Spezies brauchte mansich keine Sorgen mehr zumachen. Immerhin konnteselbst die VorherrschafthartnäckigsterWahnvorstellungen ihrenFortschritt nicht nachhaltigverhindern: Denken Sie nur an

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die phantastischenMöglichkeiten der Technik, diegroßartigen Erkenntnisse derWissenschaft, diewunderbaren Schöpfungen derKunst! Ist es nichtbeeindruckend, was dieMenschheit trotz all derIrrungen und Wirrungen derGeschichte, trotz all derengstirnigen Zensurversuchevon Religioten und Politiotenauf die Beine stellen konnte?

Nicht wenigerbemerkenswert ist, dass es derMenschheit auch in ethischerHinsicht gelungen ist, ihreursprüngliche BeschränktheitStück für Stück zuüberwinden: Richteten sichaltruistische Empfindungen

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zunächst nur auf die eigeneSippe, waren es spätergesellschaftliche Teilgruppen,bald darauf alle Mitgliedereiner Gesellschaft, mit der UN-Menschenrechtserklärungsogar die Menschheit alsGanzes. Doch selbst damit wardie ethischeWeiterentwicklung noch nichtabgeschlossen: Tierrechtlerfordern heute zu Recht, dassauch die Interessennichtmenschlicher Tiereberücksichtigt werdenmüssen. Wenn man einenBeleg dafür sucht, dass derMensch das Potenzial hat, einbesonders kluges undfreundliches Tier zu sein, sofindet man ihn hier: Kein

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anderes Tier sorgt sich um dieLebensqualität der Individuenfremder Spezies. Die Bestenunter uns aber tun genau dies– und schon allein deshalbwäre es schade, wenn derMensch vorzeitig von derBühne des Lebens abtretenwürde!

Damit es nicht dazu kommt,müssten diejenigen, die vonden Hirnwürmern derkulturellen Matrix verschontwurden, Farbe bekennen. Esgilt zu verhindern, dass Homosapiens Homo demens dasFeld überlässt, denn: Wennder Klügere nachgibt, trägt derDümmere den Sieg davon.Einen Triumph der Idiotenkönnen wir uns heute jedoch

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noch weniger leisten als jezuvor: Der Zug der Menschheithat durch die kulturelleEvolution, durch Technik undGlobalisierung so viel Fahrtaufgenommen, dass esunverantwortlich wäre, dieSteuerknüppel ausgemachtenHohlköpfen zu überlassen.Schaffen wir also dieVoraussetzungen dafür, dassdie Macht der Doofengebrochen werden kann! Diesist und bleibt die großeHerausforderung unserer Zeit.

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Anmerkungen

1 John Adams, zitiert nach BarbaraTuchmann: Die Torheit der Regierenden.Von Troja bis Vietnam. Frankfurt/M.2006, S. 122 Friedrich Nietzsche: Jenseits von Gutund Böse. In: Friedrich Nietzsche: Werkein drei Bänden. Herausgegeben von KarlSchlechta. München 1954, Band II,S. 6373 In den berühmten Matrix-Filmen derWachowski-Brüder war dies bedeutendeinfacher.4 Arthur Schopenhauer: Parerga undParalipomena. In: Arthur Schopenhauer:Züricher Ausgabe. Werke in zehnBänden. Zürich 1977, Band IX, S. 79(Fußnote)5 Dieses Wortspiel gründet auf einerprägnanten Formulierung von Karl Marxund Friedrich Engels, die im »Manifest

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der Kommunistischen Partei« schrieben:»Die herrschenden Ideen einer Zeitwaren stets nur die Ideen derherrschenden Klasse«, Marx-Engels-Werke (MEW), Band 4, S. 480.6 Dieser treffende Begriff wurde u. a.von dem französischen PhilosophenEdgar Morin verwendet, um einetypische Eigenart des Menschen zubeschreiben, siehe u. a. Edgar Morin:Die sieben Fundamente des Wissens füreine Erziehung der Zukunft. Hamburg2001, S. 72f.7 Siehe hierzu u. a. Heinz Oberhummer:Kann das alles Zufall sein?Geheimnisvolles Universum. Salzburg20088 Sehr schön illustriert in Ken Robinson:In meinem Element. München 2010,S. 85ff.9 Vgl. Albert Schweitzer: Die Lehre derEhrfurcht vor dem Leben. Berlin 1974,S. 3010 Vgl. Stephen Jay Gould: Darwin nachDarwin. Frankfurt/M. 1984, S. 76f.11 Daniel Dennett nutzte dieseAnalogie, um die verhängnisvolle

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Wirkung religiöser Ideen zuveranschaulichen, siehe Daniel Dennett:Den Bann brechen. Religion alsnatürliches Phänomen. Frankfurt/M.2008, S. 17. Wie wir noch sehenwerden, sind die Hirnwürmer, die Homodemens manipulieren, nicht bloßreligiöser Art.12 Die Annahme einer bloßsymbolischen Wandlung der Hostie, wiesie dem Schweizer Reformator Zwinglivorschwebte, gilt in der KatholischenKirche als Häresie (siehe Katechismusder Katholischen Kirche, Abschnitt1374), auch Luther lehnte ZwinglisVorschlag entschieden ab.13 Joh 6,54–6,5614 Vgl. hierzu Karlheinz Deschnersgleichnamiges, bald zehnbändigesWerk.15 Exodus, 20,3ff.16 Vgl. u. a. Israel Finkelstein, NeilA. Silberman: Keine Posaunen vorJericho. Die archäologische Wahrheitüber die Bibel. München 200217 Joh 8,4418 Mt 27,25

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19 Martin Luther: Von den Juden undihren Lügen. Wittenberg 1543 – hierzitiert nach der sprachlichmodernisierten Zusammenstellung vonMartin Sasse (Hg.): Martin Luther überdie Juden: Weg mit ihnen! Freiburg1939, S. 920 Adolf Hitler: Mein Kampf. München1936, S. S. 70 und S. 75121 Besonders deutlich wird dies in demgrenzdebilen Buch von Hitlers frühemMentor Dietrich Eckart: DerBolschewismus von Moses bis Lenin.Zwiegespräche zwischen Hitler und mir.München 192422 Zur wahnwitzigen Biografie desnazitreuen Großmuftis siehe u. a. KlausGensicke: Der Mufti von Jerusalem unddie Nationalsozialisten. Darmstadt 200723 Siehe hierzu wie zum Folgenden dasbemerkenswerte Buch des israelischenHistorikers Shlomo Sand: Die Erfindungdes jüdischen Volkes. IsraelsGründungsmythos auf dem Prüfstand.Berlin 201124 Man denke hier etwa an dieUnterschiede zwischen den mittel- und

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osteuropäischen, den iberischen,orientalischen, jemenitischen undäthiopischen Juden.25 Genau genommen bezieht sich diesnur auf die sogenannten Zwölfer-Schiiten oder Imamiten, die allerdingsdie überwältigende Mehrheit allerSchiiten weltweit stellen. Die Siebener-und Fünfer-Schiiten glauben (wie dieNamen schon verraten) nicht an densagenumwobenen 12. Imam.26 Rede Ahmadinedschads vor derUNO-Generalversammlung (61. Session,19. September 2006), zitiert nach demoffiziellen UNO-Dokument A/61/PV.11,S. 40, deutsche Übersetzung: MSS27 Salafisten orientieren sichvornehmlich an den Primärquellen desIslam, Koran und Sunna (überlieferteTaten und Aussprüche Mohammeds),und halten modernistischeInterpretationen für verfälschend.Aufgrund ihres wortwörtlichen(fundamentalistischen)Glaubensverständnisses vertreten sieextrem rigide Sittennormen.Grundsätzlich kann man zwischeneinem konservativen Salafismus, wie er

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in Saudi-Arabien praktiziert wird, undeinem dschihadistischen Salafismusunterscheiden, der beispielsweise vonal-Qaida vertreten wird. Politisch stehensich diese Strömungen feindlichgegenüber (so gilt Saudi-Arabien alsVerbündeter der USA im Kampf gegenden Terrorismus), ideologisch sind dieGrenzen jedoch fließend, was erklärt,warum 15 der 19 Attentäter des11. September aus Saudi-Arabienstammten.28 Vgl. Erik Möller: »Die toten Mädchenvon Mekka«, telepolis 25.3.200229 Ibn Warraq: Warum ich kein Muslimbin. Berlin 2004, S. 36930 Schon zu Lebzeiten wurdeMohammed mit dem Vorwurfkonfrontiert, verrückt oder besessen zusein. Der reichste Kaufmann in Mekka,Walid Ibn al-Mugira, wollte sogar einenerfahrenen Arzt bezahlen, umMohammed zu heilen. Nicht ohne Grundgeht auch der Koran immer wiederdarauf ein, etwa in Sure 52,29: »Du bistja dank der Gnade deines Herrn wederein Wahrsager noch besessen (wie dieUngläubigen behaupten).« Leider haben

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nur wenige Forscher den Mut, die Fragedes psychischen Zustands desPropheten so offen anzusprechen, wie esin diesem bemerkenswerten Buchgeschehen ist: Armin Geus: DieKrankheit des Propheten. Marburg 201131 Radio Vatikan vom 10.8.2011, vgl.auch »Mexiko: Papst-Blut sollDrogenkrieg beenden«, Spiegel online(10.8.2011)32 Vgl. Michael Schmidt-Salomon:Rationale Mystik: Wie man die Weisheitdes Ostens mit der Weisheit desWestens verbindet. In: Michael Schmidt-Salomon: Jenseits von Gut und Böse.Warum wir ohne Moral die besserenMenschen sind. München 200933 Erinnern Sie sich nur an dentödlichen »Karikaturenstreit«: Im Zugeder Veröffentlichung von zwölf (imGrunde recht harmlosen) Mohammed-Karikaturen in der dänischen ZeitungJyllands-Posten wurden allein im Februar2006 139 Menschen getötet und 823verletzt.34 Vgl. Franz Buggle: Denn sie wissennicht, was sie glauben. Aschaffenburg2004

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35 Das gilt sogar für Berufsreligiöse.»Hermeneutische Exegese« nennt sichder Versuch, traditionelleGlaubenswahrheiten so umzudeuten,dass sie nicht mehr ganz so verrückterscheinen, wie sie ursprünglich gedachtwaren. Auf diese Weise halten vieleeuropäische Theologen rhetorisch nochden Kontakt zu einer Tradition aufrecht,deren Boden sie inhaltlich längst schonverlassen haben.36 Ich muss zugeben, dass ich auf»geplante Obsoleszenz« auch erst durchden im Februar 2011 auf ARTEausgestrahlten Dokumentarfilm »Kaufenfür die Müllhalde« aufmerksam wurde.Buchtipp zum Thema: Giles Slade: Madeto Break: Technology and Obsolescencein America. Cambridge 200737 In »Kaufen für die Müllhalde« wirddies an einem Drucker demonstriert, dernach einer gewissen Anzahl vonDruckseiten den Geist aufgegebenhatte. Nachdem eine Hackersoftwareaufgespielt und der Druckseitenzähler-Chip auf null zurückgesetzt wurde,funktionierte der Drucker wiedereinwandfrei.

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38 Wenn Sie ein wirklich gutesökologisches Buch lesen wollen, greifenSie hier zu: Michael Braungart, WilliamMcDonough: Einfach intelligentproduzieren. Cradle to Cradle: Die Naturzeigt, wie wir die Dinge besser machenkönnen. Berlin 200339 Über den Zusammenhang vonReligiotie und Ökologiotie könnte manein eigenes Buch schreiben. Ich belassees hier bei dem Hinweis.40 Siehe Michael Braungart, WilliamMcDonough (Hg.): Die nächsteindustrielle Revolution. Die Cradle toCradle-Community. Hamburg 200941 Man muss John Taylor, Chef deserfolgreichen Hedgefonds FX Concepts,der sich auf Währungsspekulationenspezialisiert hat, glauben, wenn erdarauf hinweist, dass keine derdeutschen Pensionskassen, derenInteressen er vertritt, je auf denGedanken kam, ihn von den lukrativenWetten gegen den Euro abzuhalten, vgl.Dietmar Hawranek, Armin Mahler et al.:»Märkte außer Kontrolle«, in: DerSpiegel 34 / 2011, S. 6042 Kostolany gab dieses Bonmot

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häufiger zum Besten, u. a. in einemseiner letzten Interviews am 14. Mai1999 gegenüber boersenreport.de.43 Diese Strategie der doppeltenProfitmaximierung gab auch demKettenbriefsystem der amerikanischenImmobilienblase, die letztlich zumBankencrash des Jahres 2008 führte,seine eigentliche Würze.44 Vgl. Dietmar Hawranek, ArminMahler et al.: »Märkte außer Kontrolle«,S. 6045 Sahra Wagenknecht, derenökonomischer Sachverstand aufgrundihrer Vergangenheit als Sprecherin der»Kommunistischen Plattform« inWirtschaftskreisen noch immer zugering geschätzt wird, hat zu Recht aufdiesen dramatischen Wandelhingewiesen, siehe Sahra Wagenknecht:Freiheit statt Kapitalismus. Frankfurt/M.2011, S. 8446 Besonders gut herausgearbeitet hatdies Thomas Strobl: Ohne Schulden läuftnichts. Warum uns Sparsamkeit nichtreicher, sondern ärmer macht. München2010

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47 Die privaten Haushalte inDeutschland hatten schon vor Jahren einsensationelles Vermögen von über zehnBillionen Euro angehäuft, wobei sie nichtzuletzt von den milliardenschwerenZinszahlungen der öffentlichenHaushalte profitierten. Das heißt: Ohnedie Milliardendefizite der öffentlichenHaushalte wären auch diePrivatvermögen nicht so immensgewachsen. Vielleicht denken Sie daran,wenn Sie das nächste Mal über diehorrenden Staatsschulden schimpfen …48 Lucas Zeise: Geld – der vertrackteKern des Kapitalismus. Köln 2011, S. 6449 Theoretisch müsste der Zins, alsoder Preis für das Geld, bei einemÜberangebot von Kapital gegenüber denrealen Gütern gegen null gehen, abergenau dies geschieht aufgrund derIntransparenz der Finanzmärkte nicht,was verheerende Folgen hat, wie wirnoch sehen werden.50 Mt 25,29 – Fairerweise muss mandarauf hinweisen, dass sowohl dieThora, die Bibel als auch der Koran denGläubigen Zinswirtschaft verbieten.Leider aber griff Homo demens aus dem

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reichen Kulturschatz der Religionen mitsicherem idiotischem Gespür nicht dievernünftigen, sondern die besondershirnrissigen Elemente heraus, wie wir imvorangegangenen Kapitel gesehenhaben.51 Helmut Creutz: Das Geldsyndrom.Wege zu einer krisenfreienMarktwirtschaft. Frankfurt/M. 1995,S. 392f.52 Vgl. Helmut Creutz:Zinsumverteilungs-Ermittlung – bezogenauf 2007 und 38 Millionen Haushalte.http://www.helmut-creutz.de/pdf/grafiken/T7_Zinsumverteilungs-Ermittlung_2007.pdf53 Vgl. u. a. Joachim Frick, MarkusGrabka: »GestiegeneVermögensungleichheit inDeutschland«, in: Wochenbericht desDIW Berlin Nr. 4/200954 Vgl. World Institute for DevelopmentEconomics Research: Pioneering StudyShows Richest Two Percent Own HalfWorld Wealth, Dezember 200655 Thomas Strobl: Ohne Schulden läuftnichts, S. 47f.

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56 Abgelesen an der digitalenSchuldenuhr des Bundes derSteuerzahler, siehe:http://www.steuerzahler.de57 Helmut Creutz: »Staatsverschuldungkurz gefasst«, in: Humane Wirtschaft02/2011, S. 1258 Sehr anschaulich wurde diesesKettenbrief-und Desinformationssystembeschrieben in Max Otte: Der Crashkommt. München 2009; sowie Max Otte:Der Informationscrash. Wie wirsystematisch für dumm verkauftwerden. München 2010.59 Vgl. Thomas Strobl, Ohne Schuldenläuft nichts, S. 22760 Es geht hier nicht um einevollständige Nivellierung derVermögensunterschiede. Da Menschenaufgrund ihrer jeweiligen Anlagen undErfahrungen ungleich sind, erbringen sieunterschiedliche Leistungen, dieunterschiedlich begehrt werden, wasimmer auch soziale Ungleichheit zurFolge hat. Allerdings müssenVermögensunterschiede aufunterschiedlichen Leistungen beruhen –nicht auf automatischer

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Vermögensumverteilung. Außerdemdürfen die Unterschiede nicht derartgroteske Ausmaße annehmen wie inunserer Gesellschaft. Denn größereVermögensunterschiede schaffen nichtnur größere soziale Spannungen,sondern untergraben auch dieLeistungsfähigkeit einer Marktwirtschaft.61 Das bedeutet fürGeldvermögensbesitzer, dass sie ihrKapital nur mehren können, indem sieselbst zu Unternehmern werden, also inreale Güter und Dienstleistungeninvestieren. Sind diese Güter undDienstleistungen auf dem Markterfolgreich, werden sie für ihreRisikobereitschaft mit Gewinnenbelohnt, brechen die Produkte ein,müssen sie Verluste hinnehmen.62 Esther Vilar: Der betörende Glanzder Dummheit. AktualisierteNeuausgabe Aschaffenburg 2011. (DieOriginalausgabe erschien 1987.)63 Esther Vilar, Der betörende Glanzder Dummheit, S. 42f.64 A.a.O., S. 4465 Ebenda

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66 So Ursula von der Leyen 2006 beider Vorstellung des sogenanntenBündnis für Erziehung, vgl. Eva Lodde:»Bündnis für Erziehung – Von der Leyenerzürnt Muslime«, Spiegel online20.04.200667 Vgl. das im 3. Kapitel des Buchszitierte erste der Zehn Gebote: »Dusollst neben mir keine anderen Götterhaben. (…) Denn ich, der Herr, deinGott, bin ein eifersüchtiger Gott: Beidenen, die mir feind sind, verfolge ichdie Schuld der Väter an den Söhnen, ander dritten und vierten Generation.«(Exodus, 20,3ff.)68 Siehe das letzte der Zehn Gebote:»Du sollst nicht nach der Frau deinesNächsten verlangen, nach seinemSklaven oder Sklavin, seinem Rind undseinem Esel oder nach irgendetwas, dasdeinem Nächsten gehört.« (Exodus,20,17)69 Der Unterschied zwischen religiösenFundamentalisten und aufgeklärtenGläubigen besteht darin, inwieweitdieser Transfer überholterMoralvorstellungen in die Jetztzeitgefiltert wird. Bei manchen aufgeklärten

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Gläubigen ist der kulturelle Filter sohoch eingestellt, dass authentischereligiöse Inhalte kaum nochdurchkommen. Im Grundeargumentieren sie gar nicht mehrreligiös, sondern säkular, was jedochdadurch verdeckt wird, dass sie diesäkularen Argumente mit einer religiösanmutenden Phraseologie ummanteln,siehe hierzu meine Anmerkungen zum»religiösen Dialekt« im Kapitel über die»Heilige Einfalt«.70 Vgl. hierzu u. a. Michael Schmidt-Salomon: Manifest des evolutionärenHumanismus. Plädoyer für einezeitgemäße Leitkultur. Aschaffenburg2006; Michael Schmidt-Salomon:Anleitung zum Seligsein. Aschaffenburg2011; A. C. Grayling: Freiheit, die wirmeinen. Wie die Menschenrechteerkämpft wurden und warum derWesten heute seine Grundwertegefährdet. München 200871 Vgl. hierzu u. a. Gerhard Czermak:Religions- und Weltanschauungsrecht.Eine Einführung. Heidelberg 200872 Vgl. vor allem Carsten Frerk:Violettbuch Kirchenfinanzen. Wie der

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Staat die Kirchen finanziert.Aschaffenburg 201073 Im Grunde wäre dies ganz einfach:Der Gesetzgeber könnte öffentlicheFinanzierungen von der Auflageabhängig machen, dass in denunterstützten Betriebenweltanschauliche Diskriminierungunterbleibt. Zudem könnte (ja: müsste!)eine verantwortungsvolle Politik daraufhinwirken, dass der in der Nazizeit (!)eingeführte Eintrag der Konfession aufder Lohnsteuerkarte entfällt. DieseMaßnahme würde nicht nur dieDiskriminierungspolitik der christlichenBetriebe erschweren, sondern auchdafür sorgen, dass Artikel 140 unsererVerfassung endlich erfüllt wird,demzufolge niemand verpflichtet ist,seine religiöse Überzeugung zuoffenbaren.74 Vgl. Peter Wensierski: Schläge imNamen des Herrn. Die verdrängteGeschichte der Heimkinder in derBundesrepublik. München 2006; sieheauch die Aktionshomepage derehemaligen Heimkinder www.jetzt-reden-wir.org

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75 So wörtlich im Katechismus derKatholischen Kirche, Absatz 228076 Ethikkommission der Giordano-Bruno-Stiftung: Für eine Zulassung derPräimplantationsdiagnostik inerweiterten Grenzen. Mastershausen2011 (abrufbar über die Website derStiftung www.giordano-bruno-stiftung.de)77 Dass Sie dieses Buch in IhrenHänden halten, ist nicht zuletzt diesemUmstand zu verdanken. Ohne dendicken Stapel gesammelter Politiker-Blödheiten, der mir zum Thema PIDzugingen, wäre ich wohl nicht auf denGedanken gekommen, ein Buch überdie Macht der Doofen schreiben.78 Vgl. Esther Vilar, Der betörendeGlanz der Dummheit, S. 1479 »Grüne Gentechnik« meint, dassgentechnische Verfahren bei Pflanzenangewendet werden. Der Begriff »RoteGentechnik« kennzeichnetdemgegenüber die Anwendung solcherVerfahren bei Organismen mit rotemBlut (Wirbeltiere).80 Siehe u. a. Deutsche

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Forschungsgemeinschaft (Hg.): GrüneGentechnik. Weinheim 2011; Frank undRenate Kempken: Gentechnik beiPflanzen: Chancen und Risiken. Berlin2006.81 In meiner 1997 abgeschlossenenDoktorarbeit »Erkenntnis ausEngagement« (die 1999 in Buchformerschien) meinte ich, Gentechnik habeein ähnliches Gefahrenpotenzial wie dieKernkraft. Diese Einschätzung beruhte,wie ich es heute sehe, auf derunkritischen Übernahme vonArgumenten, die mir gerade deshalb alsplausibel erschienen, weil ich mich zumdamaligen Zeitpunkt noch nicht intensivgenug mit Fragen der Evolutionsbiologieund Genetik beschäftigt hatte.82 Christiane Nüsslein-Volhard, zitiertnach der Stellungnahme der DeutschenAkademie der Naturforscher Leopoldina– Nationale Akademie derWissenschaften, der DeutschenAkademie der Technikwissenschaftenacatech und der Berlin-Brandenburgischen Akademie derWissenschaften: Für eine neue Politik inder Grünen Gentechnik, 13.10.2009

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83 Wer sich die irrationale Angst vor derGentechnik auf genüssliche Weiseabtrainieren will, dem sei dieseswunderbare Wissenschafts-Kochbuchempfohlen: Beda M. Stadler: Gene andie Gabel. Das erste GVO-Kochbuch derWelt. Bern 200184 So speist sich die biologisch-dynamische Landwirtschaft mit derältesten Biomarke demeter direkt ausRudolf Steiners Wahnsystem derAnthroposophie, die organisch-biologische Landwirtschaft mit derheutigen Topmarke Bioland aus derSchweizerischenBauernheimatbewegung, die aufGrundlage eines politisch reaktionärenChristentums zur Bewahrung vonHeimat, Familie, Tradition undSchöpfung aufrief.85 Eine vergnügliche Einführung in denSteuerwahn findet man bei Ursula Ott:Total besteuert. Wie ich einmal ganzalleine den Staatshaushalt retten sollte.München 2010.86 Barbara Tuchman, Die Torheit derRegierenden, S. 476ff.87 Vgl. Carol Tavris, Elliot Aronson: Ich

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habe recht, auch wenn ich mich irre.Warum wir fragwürdige Überzeugungen,schlechte Entscheidungen undverletzendes Handeln rechtfertigen.München 201088 Sigmund Freud: Die Zukunft einerIllusion. In: Sigmund Freud:Studienausgabe. Frankfurt/M. 2009,Band IX, S. 18089 Ebenda90 A.a.O., S. 18191 A.a.O., S. 18692 Thomas Junker: Die Evolution desMenschen. München 2006, S. 9793 Theodor W. Adorno: Minima Moralia.Reflexionen aus dem beschädigtenLeben. Frankfurt/M. 1989, S. 2194 Stefan Bonner, Anne Weiss:Generation Doof. Wie blöd sind wireigentlich? Köln 200895 Sigmund Freud, Die Zukunft einerIllusion, S. 18696 Karl Marx: Thesen über Feuerbach.In: Marx-Engels-Werke (MEW), Band 3,S. 5f.97 Ohnehin sind Einsteins Ansichten in

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vielerlei Hinsicht deckungsgleich mit derArgumentation in diesem Buch, vgl.u. a. Albert Einstein: Mein Weltbild.Gütersloh (ohne Jahresangabe); oderAlice Calaprice (Hg.): Einstein sagt.Zitate, Einfälle, Gedanken. München199998 Wiglaf Droste: Nutzt gar nichts, esist Liebe. Leipzig 2005, S. 9899 C2C-Begründer Michael Braungartweist hierauf immer wieder in seinenVorträgen hin. Was er am Beispiel falschverstandener Ökologie belegt, trifft auchauf andere Formen unintelligentdesignter Systeme zu.100 Siehe vor allem Michael Schmidt-Salomon: Jenseits von Gut und Böse.Warum wir ohne Moral die besserenMenschen sind. München 2009; dasThema wird auch behandelt in MichaelSchmidt-Salomon, Lea Salomon: Leibnizwar kein Butterkeks. Den großen undkleinen Fragen der Philosophie auf derSpur. München 2011101 Vgl. Stephane Hessel: Empörteuch! Berlin 2011

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