Klang als Weg zur Achtsamkeit · 2020. 7. 23. · 32 Lauschen – achtsames Hören 32 Hörsinn als...

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Klang als Weg zur Achtsamkeit Anna Elisabeth Röcker Übungen zur Entfaltung des eigenen Potenzials mit Musik

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  • Klang als Weg zur Achtsamkeit

    Anna Elisabeth Röcker

    Übungen zur Entfaltung des eigenen Potenzials mit Musik

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  • l Si

    4 Vorwort

    6 Einleitung

    7 Klang und Musik als Weg zur Achtsamkeit

    8 Wegweiser durch das Buch

    10 Achtsamkeit –der Weg zur Freiheit

    12 Wahrnehmen und genießen

    12 Erweiterte Wahrnehmung

    18 Frischer Wind für das Gehirn

    20 Freiheit im Denken und Handeln

    22 Achtsamkeit als Übungspraxis

    Inhalt25 Die sieben Säulen

    der Achtsamkeitspraxis

    30 Einstimmung auf das Hören

    32 Lauschen – achtsames Hören

    32 Hörsinn als Fühler in die Außenwelt

    34 Was beim Hören geschieht

    36 Das Universum ist Klang

    38 Der Klang der Welt

    38 Wie ein Klang entsteht

    42 Musik – die Königin der Klänge

    43 Musik bewegt den ganzen Menschen

    47 Klassische Musik als Heilungsweg

    52 Musik und Achtsamkeit

    60 In Resonanz mit Klängen und Musik

    62 Widerhall und Widerklang

    62 Das Phänomen der Resonanz

    64 Resonanz und Musikhören

    68 Übungen zur Schulung der Achtsamkeit

    70 Bevor es losgeht

    Achtsamkeit hilft uns, uns selbst und unsere Umgebung wieder

    besser wahrzunehmen – seien es unsere Mitmenschen oder die

    Natur in all ihren wunderschönen Facetten.

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  • Si

    70 Was Sie auf der CD finden

    73 Vier Achtsamkeitsübungen

    75 Acht Programme zu den Musikstücken auf der CD

    77 Programm 1: Naturgeräusche –das Gras wachsen hören

    79 Programm 2: Flötenmusik –vom Zauber der Flöte

    82 Programm 3: Violinmusik –der Himmel hängt voller Geigen

    85 Programm 4: Klaviermusik –ein gutes Tier ist das Klavier

    87 Programm 5: Stimme I –stimmig sein

    95 Programm 6: Stimme II –die Sprache des Gefühls

    97 Programm 7: Klangobjekte –die Welt ist Klang

    101 Programm 8: Percussion und Rhythmus

    103 Zusätzliche Übungen

    116 Das Vier-Wochen- Achtsamkeitsprogramm

    118 Achtsamkeit im Alltag

    123 Nützliche Adressen

    124 Literatur und Quellen

    125 Register

    127 Über dieses Buch

    Musik hat die Fähigkeit, uns in Bewegung zu bringen, in eine

    der ursprünglichsten Bewegungsformen überhaupt: den Tanz.

    Auch die Energiezentren

    in unserem Körper, die

    Chakras, werden beim

    achtsamen Hören von

    Klängen und Musik sti-

    muliert bzw. harmonisiert.

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  • Die Rezeptive-Musik-therapie-Methode GIM

    (Guided Imagery andMusic) ist eine Formder Psychotherapie,

    bei der mit klassischerMusik gearbeitet wird.

    Damit sollen Blockadengelöst und die seelische

    sowie die Entwicklungder Persönlichkeitgefördert werden.

    Vorwort

    VorwortSeit vielen Jahren erlebe ich die großartige Wirkung der Musik in meinenSeminaren und in meiner Praxis in der psychotherapeutischen Arbeit mitMusik. Speziell ausgewählte klassische Musik spielt bei dieser Form derRezeptiven Musiktherapie eine wesentliche Rolle. Mit ihrer Hilfe könnenInhalte des Unbewussten in Form von Bildern oder Symbolen bewusstgemacht werden. Seelische Probleme, körperliche Symptome oder dieHintergründe von Krankheiten können dadurch von einer bisher nichtbewussten Seite beleuchtet werden. Oft entsteht auf diese Weise ein »see-lisches Aufatmen«; Blockaden können gelöst und Ressourcen freigesetztwerden. Die Heilkraft der Musik selbst verbindet sich dabei mit denbefreiten psychischen Kräften.Neben dieser Arbeit in meiner Praxis beschäftige ich mich als Yogalehre-rin seit Jahrzehnten mit Klängen und Musik. Im Yogaweg gehört dasTönen und Singen sowie die Schulung der Achtsamkeit mit Musik zu denGrundpfeilern. Achtsamkeit ermöglicht uns, den eigenen Körper, Gefüh-le und Gedanken wahrzunehmen, und ist unerlässliche Voraussetzungfür Meditation und tiefe Seinserfahrungen.

    Die Anregung zu diesem Buch

    Damit lag die Idee zu einem Buch nahe, das beides verbindet: Klang undAchtsamkeit. Allerdings dauerte es noch eine ganze Weile, bis es zu einerpraktischen Umsetzung kam. Erst an jenem Abend, an dem ich in Salz-burg im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Dialoge« ein wundervollesKonzert hörte, kam der zündende Funke – der tiefe Wunsch, diese Erfah-rung weiterzugeben, und die Klarheit, wie diese Idee umzusetzen sei.Die Werke arabischer und europäischer alter Musik, die bei diesem Kon-zert in beeindruckender Weise dargeboten wurden, berührten mich tief.Eine selten erlebte Art von Wachheit ergriff mich, ein Empfinden vonZeitlosigkeit. Die intensive Erfahrung gesammelten Bewusstseins wareinfach da – mit den ersten Tönen der Musik war sie erschienen. Der»Monkey Mind«, die aufgescheuchte Affenherde der Gedanken, wie dieYogalehre sie nennt, war plötzlich zur Ruhe gekommen. Gedanken angestern oder morgen, Befürchtungen, Sorgen oder einfach nur alltägliche

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  • Die Seele aufatmen lassen

    Fragen spielten keine Rolle mehr. Mithilfe der Musik war ich ganz da,ganz im »Jetzt«. Diese besondere Achtsamkeit des Augenblicks hielt nichtnur auf der Fahrt zurück nach München an, sondern begleitete mich auchdie nächsten Tage. Obwohl ich weiß, dass es nicht möglich ist, solcheMomente des tiefen Erlebens zu »machen«, zeigt uns gerade der Yoga-weg, dass wir uns durch Einübung in Achtsamkeit die Chance geben, sieentstehen zu lassen. Um Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, dafür eine Hilfe an die Hand zugeben, finden Sie auf der beiliegenden CD kurze Musikstücke und im Pra-xisteil des Buches (siehe S. 68ff.) viele Übungen. Ich wünsche mir, dass ich Sie mit meiner Begeisterung für die Musikanstecken und inspirieren kann. Hören Sie Klänge und Musik achtsamerund nutzen Sie die Möglichkeiten der Musik, um sich, Ihren Körper, IhreGefühle und Ihre Gedanken achtsamer wahrzunehmen. Ich möchte IhreLust wecken, mit eigenen Klängen, mit Ihrer Stimme und Ihrer Lieblings-musik Erfahrungen im Sinne der Achtsamkeit zu machen.

    Viel Freude beim Lesen und Hören!

    Anna Elisabeth Röcker

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    Anna Elisabeth Röcker

    beschäftigt sich als

    Psychotherapeutin und

    Yogalehrerin seit vielen

    Jahren mit der heilen-

    den Wirkung, die

    Musik und Klänge auf

    Körper, Geist und Seele

    ausüben.

    Klang und Musik helfenIhnen dabei, Ihren Kör-per, Ihre Gefühle undIhre Gedanken achtsa-mer wahrzunehmen.

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  • Von ADS sind mittlerweile zwischen

    drei und zehn Prozentaller Kinder betrof-

    fen – ein alarmierenderAusdruck unseres

    immer hektischer wer-denden Alltags.

    Einleitung

    EinleitungGleich zu Beginn möchte ich auf die Besonderheit dieses Buches hinwei-sen: die Übung der Achtsamkeit mit Klang und Musik. Die positiven Aus-wirkungen des achtsamen Umgangs mit sich und der Welt verbinden sichmit der Fähigkeit der Musik, unsere allgemeine Wahrnehmungs- undErlebnisfähigkeit zu trainieren. Über die vielen positiven Auswirkungender Musik werden Sie in den nächsten Kapiteln noch mehr erfahren. Die Bedeutung der Achtsamkeit ist unumstritten, sie ist heute wichtigerdenn je. Unsere Welt wird immer vielfältiger, immer schneller und durchdie Informationsflut auch immer unübersichtlicher. Konzentrationsstö-rungen schon im frühen Lebensalter nehmen zu, das sogenannte Auf-merksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS bzw. ADHS) ist nur ein Ausdruckdafür. Bücher zu den Themen Entspannung und Achtsamkeit sowie ent-sprechende Seminare haben Hochkonjunktur. Das im »Jetzt« Verweilen-können, weg von Zerstreuung und Gedankenflut, erweist sich als wirk -sames Mittel zur Vorbeugung und Behandlung von Stresssymptomen.Achtsamkeit im Alltag beginnt beim Umgang mit dem eigenen Körper,beim ungeduldigen Warten auf den Bus, in überfüllten Kaufhäusern, aufAutobahnen, im Kontakt mit unseren Mitmenschen und vielem mehr.

    Was ist Achtsamkeit?

    Achtsamkeit bedeutet eine erweiterte Wahrnehmung, die Körper, Gefüh-le und Gedanken ebenso umfasst wie die Erscheinungen der Außenwelt.Damit unterscheidet sie sich deutlich von Konzentration oder Fokussie-rung auf etwas Bestimmtes. Bei Achtsamkeit geht es nicht um den Tunnel-,sondern um den Weitwinkelblick. Die schwierige Aufgabe dabei ist, dassich ständig drehende Gedankenrad anzuhalten und sich dessen bewusstzu sein, was gerade ist. Nur so kann verhindert werden, dass wir in dieDramen der Vergangenheit abtauchen oder uns in den Befürchtungen derZukunft verlieren.Vor allem in den östlichen Kulturen haben sich viele Übungswege zurSchulung der Achtsamkeit entwickelt. Eine wichtige Rolle dabei spielt derAtem. Wenn Sie kurz eine praktische Erfahrung machen möchten, schlie-ßen Sie einen Moment die Augen und beobachten Sie Ihren Atem. Neh-

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  • Das Wort »Mantra«stammt aus dem Sans-krit und bedeutet etwaso viel wie Ratspruch.Die heiligen Silben wurden und werden bei Meditationen undGebeten rezitiert odergesungen und könnenden Zuhörer und Spre-cher in einen Zustandder Trance versetzen.

    Der Gedankenflut entkommen

    men Sie achtsam wahr, ob Ihr Atem lang oder kurz ist, ob er tief oderflach ist, und finden Sie heraus, wo Sie den Atem deutlicher spüren – imBauch, im Brustkorb oder im oberen Lungenbereich? Vielleicht haben Siegemerkt, dass es uns der Atem relativ leicht macht, den Körper achtsamwahrzunehmen. Auch über die Gefühle geben Tiefe und Länge des AtemsAuskunft.Zur Wahrnehmung der Gedanken und Gedankenmuster wird die Beob-achtung der Gedanken empfohlen. Dabei wird jeder auftauchendeGedanke – ob angenehm oder unangenehm – einfach nur wahrgenom-men, ohne Bewertung und ohne sich darin zu verlieren.

    Klang und Musik als Weg zur Achtsamkeit

    Töne, Klänge, Musik, Mantras – d. h. heilige Silben – und Gesang werdenin östlichen und westlichen Traditionen als eine wichtige Möglichkeit zurSchulung der Achtsamkeit angeboten. Übungen daraus habe ich in die-sem Buch mit meinem Wissen der Musiktherapie und meinen persön-lichen Erfahrungen verbunden. So ist ein ganz eigener Weg der Achtsam-keitsschulung entstanden, bei dem Klang und Musik die Hauptrollespielen. Klang und Musik erleichtern die Achtsamkeit auf allen Ebenen:auf der körperlichen, der emotionalen und der mentalen.Wenn Sie sich der Musik auf diesem Weg anvertrauen, werden Sie einigeganz erstaunliche Dinge erleben:l Die Schwingung von Klang und Musik tritt mit Ihrer Körperschwin-

    gung in Resonanz, wodurch Sie Ihren Körper deutlicher spüren. Span-nung und Widerstand machen sich klarer bemerkbar, und Ihr Körperzeigt Ihnen deutlich, was er gerade braucht oder was er nicht möchte.Gleichzeitig kann Klang Ihre Körperrhythmen harmonisieren, sieanregen oder beruhigen.

    l Klang und Musik bringen Sie in Resonanz mit Ihren Gefühlen. Siewerden deutlicher spürbar, vertiefen sich oder lösen sich auf. Musikhilft Ihnen, verborgene Gefühle wie z. B. kindliche Lebensfreudewiederzuentdecken, verdrängte schmerzhafte Gefühle an die Oberflä-che zu bringen und zu wandeln. Oft hängt ja beides zusammen: Erst

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  • Auch wenn Sie glau-ben, nichts von Musik

    zu »verstehen«: LassenSie sich auf das acht-

    same Hören ein und Siewerden feststellen,

    dass Ihr Körper undIhre Seele viel vertrau-

    ter mit Klängen sind, alsSie vielleicht denken.

    Einleitung

    müssen schmerzhafte Gefühle ins Bewusstsein dringen dürfen, damitsich dahinterliegende positive Gefühle zeigen können.

    l Klang und Musik bringen Sie mit Ihren Gedanken und Gedankenmus -tern in Resonanz. Sie erkennen deutlicher, welche Gedanken Ihnendurch den Kopf gehen, sich wiederholen, Ihre Stimmung beeinflussenoder Sie unruhig werden lassen.

    Musik gibt Ihnen darüber hinaus die Möglichkeit, Ihre Wahrnehmung zuschulen, indem Sie die Musik selbst achtsam betrachten: Anfang undEnde eines Musikstücks, Tonhöhe, Melodie, Rhythmus oder die erklin-genden Instrumente. Sie können nicht nur gedanklich zur Ruhe kommen,sondern insgesamt Ihre Fähigkeit zur Konzentration verbessern.Wenn Sie die Achtsamkeit auf die Klänge der Natur, auf das Rauschen derBäume, das Singen der Vögel richten, werden Sie deutlich wahrnehmen,wie diese Töne in Resonanz mit Ihrer eigenen Natur treten, und die Ver-bundenheit mit Pflanzen und Tieren, ja sogar mit Steinen wird sich ver-tiefen (siehe dazu Praxisteil S. 77ff. sowie CD Track 4, 5, 6 und 29).Nicht zuletzt kann Musik Sie mit einer transpersonalen, göttlichen Ebenein Resonanz bringen. Sie kann Allverbundenheit und Urvertrauen we -cken und eine tiefere innere Sicherheit vermitteln, die nichts Äußeres zugeben vermag.

    Wegweiser durch das Buch

    Der Theorieteil setzt sich mit Achtsamkeit, Klang und Musik sowie mitdem Phänomen der Resonanz auseinander. Der Praxisteil umfasst spe-zielle Achtsamkeitsübungen mit Klängen und Musik, die Sie auf der bei-gefügten CD finden, sowie Achtsamkeitsübungen, die in Verbindung mitKörperhaltungen – z. T. aus dem Yoga – und Tönen ausgeführt werdenkönnen. Bei jedem der kurzen Musikprogramme finden Sie Hinweise,wofür es besonders geeignet ist. Bei der Auswahl der Musik wurden ver-schiedene Musikrichtungen und Instrumente berücksichtigt, die sich fürdiese Übungspraxis speziell eignen. Die Übungen sind so angelegt, dassSie mit etwas Erfahrung auch Ihre eigenen Musikstücke verwenden kön-nen. Am Ende des Praxisteils finden Sie Beispiele, wie Sie die Achtsamkeitim Alltag schulen können, wo sie ja am nötigsten ist. Sie finden Hinweise,wie Sie mit der zunehmenden Lärmüberflutung, mit Musikberieselungoder mit störenden Ohrgeräuschen besser umgehen oder wie Sie Ihre

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  • Achtsamer durchs Leben gehen

    Achtsamkeit im Konzert schulen können. Im Anschluss daran finden Sieein Vier-Wochen-Übungsprogramm.

    Auf die Praxis kommt es an!

    Alle noch so guten Übungswege bewähren sich immer erst in der Praxis.Erst hier zeigt sich, in welcher Weise Stress mithilfe der Achtsamkeit bes-ser bewältigt bzw. vermieden werden kann. Um das zu erfahren, müssenSie den Übungen eine Chance geben; lesen Sie also weiter und fangen Siemöglichst gleich an zu üben – frei nach einem indischen Sprichwort:»Einen Brunnen muss man bohren, solange man noch keinen Durst hat.«Wenn Sie sich entschließen, sich einer Übungspraxis der Achtsamkeit mitKlang und Musik zuzuwenden, wird Ihr Gewinn groß sein. Er könntesich beispielsweise darin zeigen, dass Sie nicht mehr so leicht über einenBordstein stolpern, Ihre Brille oder andere wichtige Utensilien nicht mehrso häufig verlegen. Ihr Schlaf könnte sich schon nach kurzer Zeit verbes-sern, Ihre Lebensfreude könnte intensiver werden. Vielleicht hören Sieplötzlich auf dem Weg zur Arbeit Vögel singen oder »riechen« den Früh-ling. Vielleicht hüpfen Sie plötzlich zwei links, zwei rechts, weil Sie IhreUmgebung achtsamer wahrgenommen und ein Kind beim Hüpfen beob-achtet haben. Vielleicht zeigt sich die Wirksamkeit der Achtsamkeitspra-xis darin, dass Sie öfter als früher singen oder mehr Mitgefühl mit einemMitmenschen haben, ihn mit Ihrer Lebensfreude anstecken, anstatt sichüber ihn zu ärgern.

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    Mithilfe der Achtsamkeitsübun-

    gen in diesem Buch können Sie

    lernen, Ihren Körper und Ihren

    Geist wie ein Instrument zu

    stimmen – sie auf die Klänge um

    Sie herum einzustellen.

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  • Klang der Achtsamkeit_001_128__ 06/09/10 16:54 Pagina 10

  • Achtsamkeit – derWeg zur Freiheit

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  • »Die Wirklichkeit unserer Existenz

    ist momentane Erfahrung.«

    Quelle unbekannt

    Wahrnehmen und genießen

    In Indien lebte einmal ein König, der zugleich ein Weiser war. Er regierteein großes Reich und verlor dabei doch nie seine innere Achtsamkeit.Eines Tages fragte ihn ein Bewohner seines Reiches: »Wie ist es möglich,einen meditativen Zustand beizubehalten und achtsam zu bleiben, wäh-rend du mit so vielen weltlichen Dingen beschäftigt bist?« Der König ant-wortete: »Ich werde es dir zeigen!« Er nahm ein Gefäß und goss Wein hin-ein, gab es dem Schüler in die Hand und sagte: »Wandere jetzt mit diesemGefäß durch den ganzen Palast. Es gibt dort viele wunderbare Sehens-würdigkeiten, viele schöne Frauen, wertvolle Edelsteine, zauberhafteMusik, großartige Skulpturen und erlesene Bücher und Kunstwerke, diedu nie vorher gesehen hast. Halte dieses Gefäß, während du durch denPalast wanderst, ohne auch nur einen einzigen Tropfen des Inhalts zu ver-gießen. Dann komm zu mir zurück.«Der Schüler dachte bei sich: »Das kann ich, aber ich muss besonders vor-sichtig sein.« Und so fasste er den Entschluss, den Dingen um sich herumkeinerlei Aufmerksamkeit zu schenken. »Ich werde mich nur auf dasGefäß konzentrieren, nichts wird mich dabei stören.« Sehr langsam undvorsichtig wanderte er durch den Palast, und so gelang es ihm, diese Auf-gabe zu erfüllen. Als er zum König zurückkam, sagte er mit einem gewis-sen Stolz: »Ich habe es geschafft. Heißt das, dass ich jetzt dein Geheimniskenne und weiß, wie Achtsamkeit aussieht?« Mit einem Lächeln sagte derKönig: »Nein, das ist nur der erste Schritt. Geh jetzt zurück in den Palast,aber diesmal sollst du jedes Detail wahrnehmen und alles genießen – unddenke daran: Vergieße nicht einen einzigen Tropfen!«Diese Geschichte veranschaulicht auf ganz einfache Weise den Unter-schied zwischen Achtsamkeit und Konzentration: Beim ersten Durch-wandern des Palasts hatte der Schüler Konzentration geübt, beim zweitenMal bekam er den Auftrag, den gleichen Weg mit Achtsamkeit zu gehen.

    Erweiterte Wahrnehmung

    Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Achtsamkeit synonym für Auf-merksamkeit verwendet, die sich allerdings eher auf etwas Konkretesrichtet und daher in naher Verwandtschaft zu Konzentration oder Fokus-

    12 Achtsamkeit – der Weg zur Freiheit

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  • Verweilen im Augenblick

    sierung steht. In diesem Buch wird der Begriff »Achtsamkeit« im Sinneeiner erweiterten Wahrnehmung verwendet, so wie es die Parabel vomachtsamen König beschreibt. Die Yogalehre kennt dafür den Begriff der»schwebenden Aufmerksamkeit«. In den letzten Jahrzehnten wird dieseDeutung von Achtsamkeit häufig im Sinne der buddhistischen Lehregebraucht, bei der das Verweilen im Augenblick einen hohen Stellenwerthat. Das Gewahrwerden und gleichmütige, akzeptierende Gewahrblei-ben des Körpers, der Gedanken, Gefühle und Handlungen im »Jetzt« wirdals existenziell wichtig erachtet. Nur wer es immer wieder schafft, denAugenblick wahrzunehmen und ganz präsent im »Jetzt« zu sein, wird amEnde glücklich werden, weil er nicht in der Sehnsucht nach Vergange-nem, in der Trauer über Verlorenes oder in der Hoffnung auf Zukünftigesdas Leben verpasst, das immer nur jetzt ist.

    Achtsamkeit bringt Gewinn

    »Wenn du Menschen lehren willst, Schiffe zu bauen, lehre sie zuerst dieSehnsucht nach dem Meer.« Dieser Satz wird einem antiken griechischenPhilosophen zugeschrieben und ist heute noch genauso aktuell wiedamals. Erst wenn das, was zu lernen oder zu üben ist, mit einem positi-ven Gefühl wie etwa mit einer Sehnsucht verbunden ist, wird es wirklich

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    Das Gewahrwerden und gelasse-

    ne Gewahrbleiben nimmt in der

    buddhistischen Lehre einen

    hohen Stellenwert ein. Diese

    Form der Achtsamkeit zu erlan-

    gen, erfordert Übung.

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  • Achtsamkeit – der Weg zur Freiheit

    Erfolg haben. Deshalb möchte ich Ihren Blick zuerst auf das lenken, wasSie erwartet, wenn Sie sich und die Welt achtsamer wahrnehmen – aufdie positiven Auswirkungen der Achtsamkeit (siehe nebenstehendenKasten, S. 15).Stress gehört heute zu den Hauptursachen körperlicher und seelischerKrankheiten. Man spricht mittlerweile nicht mehr von Eu- und Disstress,also von positivem und negativem Stress, sondern von der persönlichenStresstoleranz, die entscheidet, wann das »Hochgefühl«, das häufig dieSpitze einer Stressphase anzeigt, abstürzt und in Erschöpfung umschlägt.Wenn Sie Ihren Körper und die Signale, die er Ihnen gibt, achtsam wahr-nehmen, werden Sie sehr viel früher spüren, wann diese Grenze über-schritten wird. In Zeiten intensiver Belastung ist deshalb die Praxis derAchtsamkeit besonders wichtig.

    Mit unvoreingenommenem Blick

    Eine andere wichtige positive Auswirkung der bewussten Achtsamkeit istder bessere Umgang mit anderen Menschen. Im Laufe der Jahre berichte-ten mir viele Menschen, wie sehr ihnen beispielsweise in Beziehungspro-blemen, in Konflikten mit dem Partner, den Kindern oder Arbeitskollegendie Fähigkeit zugutekam, den anderen Menschen achtsam jetzt imAugenblick wahrzunehmen und nicht schon mit einem voreingenomme-nen Blick zu betrachten. Achtsamkeit hilft bei der Lösung von Problemenjeder Art, die ja meist viele Hintergründe haben. Oft scheinen sie auseinem Knäuel von Gedanken und Gefühlen, Erinnerungen und altenMustern zu bestehen, das nur schwer zu entwirren ist. Dabei sind dieeigenen Stimmen im Kopf meist untrennbar mit den Stimmen andererMenschen und Beeinflussungen von außen verwoben. Schmerzlich wirdder berühmte »rote Faden« vermisst, der wieder Ordnung in das Gedan-ken- und Gefühlschaos bringt.Erst das achtsame Betrachten und Zulassen all dieser chaotischen Gefüh-le und Gedanken lässt Ruhe einkehren, die Voraussetzung für eine innereKlarheit und für die Erkenntnis des Wesentlichen ist. Achtsamkeit bedeu-tet aber gerade nicht, dass sich alle Probleme plötzlich lösen; es kann imGegenteil anfangs sogar unangenehmer sein, sich plötzlich negativerGedanken und Gefühle deutlicher bewusst zu werden. Sich ehrlich deneigenen Gefühlen und Gedanken zu stellen, bedeutet in der Regel die Her-ausforderung, konfliktbereiter zu werden und mehr Mut zu entwickeln.

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    Schon durch kurzeMomente der bewuss -

    ten achtsamen Wahr-nehmung des Atems

    und der innerenAnspannung, die sich

    z. B. in einer flachenAtmung zeigt, könnenStress abgebaut und

    die totale Erschöpfungverhindert werden.

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  • Achtsamkeit führt zumehr Mitgefühl – mitunseren Mitmenschen,mit der Natur und denDingen um uns herum,aber auch mit unsselbst. Wer sich selbstverzeihen kann, kannauch anderen leichterverzeihen.

    Ein Knäuel von Gedanken und Emotionen

    Achtsame Wahrnehmung – mit frischen Augen sehen

    Eine Freundin erzählte mir, dass sie kürzlich zusammen mit ihrem Manndas Grab ihrer Schwiegereltern besuchen wollte. Auf der Fahrt dorthinwaren sie in einen Stau geraten, es regnete in Strömen, und die Stimmungwar äußerst angespannt. Als dann auch noch das Gespräch auf denSchwiegervater kam, mit dem sie ein sehr schwieriges Verhältnis gehabthatte, war ihre Stimmung ganz auf dem Nullpunkt. Auf dem Friedhofhörte zwar der Regen auf, aber die Wolken hingen immer noch tief am

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    Positive Auswirkungen der Achtsamkeitl Sie sind weniger anfällig für Stress, weil Sie die Dinge des

    Lebens ruhiger und entspannter angehen.l Sie haben mehr Freizeit, weil Sie sich doppelte Wege ersparen,

    weniger Dinge verlegen und dergleichen mehr.l Sie sind gelassener und können besser mit den Störquellen des

    Alltags umgehen, etwa mit Musikberieselung oder mit Handy-telefonaten anderer beim Essen.

    l Sie können Gedanken an Vergangenes oder Verlorenes leichterloslassen.

    l Ihr Schlaf wird erholsamer, weil Sie das Gedankenrad besseranhalten und damit abschalten können.

    l Sie nehmen körperliche Symptome rechtzeitig wahr, bevor eszu einer Krankheit kommt.

    l Ihre Selbstheilungskräfte werden aktiviert.l Sie bekommen mehr Klarheit über die eigenen Gedanken und

    Gefühle und finden damit zu einer besseren Selbstwahrneh-mung sowie zu einer größeren Freiheit im Denken.

    l Sie nehmen Ihre innere Stimme deutlicher wahr.l Sie bekommen ein besseres Selbstbewusstsein durch mehr Ver-

    trauen in die Intuition.l Sie werden unabhängiger von der Meinung anderer.l Sie gelangen zu mehr Seelenruhe und einer tieferen Religio-

    sität im Sinne der religio, der »Rückbindung« oder Verbunden-heit mit den eigenen Wurzeln.

    l Sie bekommen mehr Mitgefühl und Achtung vor dem Lebenund finden dadurch zu einem besseren Umgang mit sich selbst,mit Ihren Mitmenschen und mit der Umwelt.

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  • Klang und Musik können uns die Er -

    fahrung der Ganzheitbescheren. Wenn wir

    uns ihnen achtsam hin-geben, bekommen wir

    einen neuen Zugang zuunserem Körper, unse-

    ren Gedanken undunseren Gefühlen.

    Achtsamkeit – der Weg zur Freiheit

    Himmel. Sie fühlte sich rundherum elend. Da kam ihr – so erzählte sie –ein Gespräch in den Sinn, das wir wenige Tage zuvor über das ThemaAchtsamkeit geführt hatten. Schon das Wort wirkte magisch auf sie undließ sie tiefer durchatmen. Während sie die verblühten Blumen abzupfte,nahm sie sich vor, nicht ihren Gedanken nachzuhängen, sondern einfachnur achtsam wahrzunehmen. Plötzlich sah sie die Farben der Blumen,nahm Gerüche wahr und hörte ein eigenartiges, schnarrendes Geräusch.Sie schaute sich um und entdeckte einen kleinen Vogel, der direkt vor ihrauf einer Hecke saß. Er schien mit ihr zu sprechen. Meine Freundinerzählte weiter, dass sie das Gefühl hatte, als sei sie aus einem Schlaferwacht und entdecke alles um sich herum neu.

    Wahrnehmen üben

    Ein anderes Beispiel aus meiner Praxis zeigt, dass die »frischen Augen«der Achtsamkeit große Auswirkungen haben können. Ein Klient, derziemlich verzweifelt in meiner Praxis erschien, berichtete mir, dass seineFrau sich in einen anderen Mann verliebt habe. Sie denke darüber nach,ihn nach 15-jähriger Ehe zu verlassen. Diese Botschaft kam für ihn wieaus heiterem Himmel, er hatte die Entfremdung, von der seine Frausprach, nicht wahrgenommen. Für ihn schien wirklich eine Weltzusammenzubrechen. In den folgenden Stunden kamen ihm während derMusiktherapiesitzungen Erinnerungen an große Verlassenheitsängste ausder Kindheit ins Bewusstsein. Ihm wurde immer mehr bewusst, wie ersich an seine Frau geklammert und ihr dadurch buchstäblich die Luftgenommen hatte. Trotz dieser Erkenntnisse, dass es sich bei dieser Kriseauch für ihn um einen wichtigen Erfahrungsprozess handelte, konnte erdie panische Angst vor dem Verlassenwerden kaum abschütteln. Nebenden wöchentlichen Therapiestunden empfahl ich ihm die tägliche Praxisder Achtsamkeit mit Musik, damit seine Gedanken zur Ruhe kommenkonnten.Zunächst wählten wir dazu kurze Musikstücke, dann einen ganzen Satzaus einem Konzert. Seine Aufgabe war, die Musik anfangs mit Achtsam-keit auf seinen Körper, dann auf seine Gefühle und Gedanken zu hören.Er berichtete, dass sich diese Zeit des Hörens wie eine rettende Oase inseiner Verzweiflung anfühlte. Nach und nach versuchte er während desMusikhörens, seinen Körper und seine Gefühle gleichzeitig wahrzuneh-men und sich dabei immer mehr in seiner Ganzheit zu spüren. Schließ-

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  • Sich in Ganzheit spüren

    lich begann er, die Musik selbst zum Achtsamkeitsobjekt zu machen. Erhörte die Stücke viele Male und nahm schließlich jedes Detail wahr, bis erzum Schluss sogar den Atem der Querflötenspielerin spüren konnte.Wie von selbst schärfte sich durch diese Übungen seine Wahrnehmungetwa für die Stimme und die Stimmungen seiner Frau. Er hörte wirklich,was sie ihm sagte, und nicht nur das, was er hören wollte. Immer öfterkonnte er seine Verletzung und Kränkung überwinden und mit ihr eingutes Gespräch führen. Er versuchte zu verstehen, was sie entfremdethatte, er nahm sie als eigenständigen Menschen wahr und nicht mehr nurals »seine« Frau. Hatte sie anfangs gesagt, dass sie ihn nicht verlassen kön-ne, weil sie Angst hätte, er würde sich etwas antun, so äußerte sie jetztimmer öfter, dass sie selbst im Zweifel sei über ihren nächsten Schritt.Auch die körperliche Präsenz meines Klienten veränderte sich durch dieAchtsamkeitspraxis. Mithilfe der Musik konnte er sich an manchen Tagenaus den größten Tiefs herausholen. Er spürte wieder Energie in seinemKörper, fing wieder an zu joggen und fand trotz der schwierigen Zeitimmer öfter zu einer heiteren Gelassenheit. Das wiederum zog seine Fraustärker zu ihm zurück, sie fand ihn deutlich attraktiver. Inzwischen sinddie beiden dabei, einen neuen Weg miteinander zu finden und sich undihrer Beziehung mehr Achtsamkeit zu widmen.

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    Wie gut es tut, bei den vielen

    Reizen, die uns täglich überflu-

    ten, »einfache« Dinge wie das

    Sonnenlicht oder eine Blume

    einmal wieder ganz bewusst

    wahrzunehmen, erfahren Sie

    beispielsweise bei einem Spazier-

    gang in der Natur.

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  • »Sich selbst auf dieSpur kommen« – auch

    so könnte man dasÜben von Achtsamkeit

    bezeichnen. Denndabei lernen Sie nicht

    nur viel über IhreUmgebung, sondern

    auch über sich selbst.

    Achtsamkeit – der Weg zur Freiheit

    Neue Perspektiven

    Nach einem Seminar zum Thema Achtsamkeit bekam ich eine Rückmel-dung, die ich Ihnen weitergeben möchte. Eine Teilnehmerin schrieb mir,sie hätte von sich geglaubt, dass sie extrem positiv denke – bis zu diesemSeminar! Nun müsse sie – so schrieb sie – seit mehreren Wochen durchdie tägliche Übung der Achtsamkeit erkennen, dass sie sehr oft negativerund wertender dachte, als sie geglaubt hatte. Sie beschrieb eine diesbe-zügliche konkrete Erfahrung. Als sie in einem Café nicht sofort bedientwurde und merkte, wie ärgerlich sie wurde, entschloss sie sich zu einerAchtsamkeitsübung. Sie nahm wahr, wie angespannt sich ihr Körperanfühlte, wie viele Gedanken ihr durch den Kopf gingen, die alle damit zutun hatten, dass man sie bestimmt wie immer übersehen hätte. Je längeres dauerte, umso negativer wurden ihre Gefühle und umso mehr Stressbaute sich in ihr auf. Und das alles nur wegen einer Tasse Kaffee, die sienicht rechtzeitig bekam. Interessant scheint mir der Schluss dieser Aus-führungen zu sein. Sie schreibt, dass diese Übung der Achtsamkeit unddie damit verbundenen Erkenntnisse zu einem neuen Blick auf ihre Eheund die damit verbundenen Probleme geführt hätten. Sie hatte ihrenMann für den Schuldigen gehalten, er war es ja in ihren Augen, derimmer nur negativ dachte und nicht offen war für neue Wege. »Was fürein spannendes Abenteuer, sich selbst auf die Spur zu kommen! Ich glau-be, es wird mein Leben verändern.« Mit diesem ermutigenden Satzschloss sie ihren Bericht.

    Frischer Wind für das Gehirn

    Inzwischen bestätigen viele Neurowissenschaftler die Empfindung, dassAchtsamkeit die Sicht des Lebens verändert. Wer regelmäßig die Auf-merksamkeit auf das Hier und Jetzt bündelt, verändert langfristig seinGehirn. Die frischen Wahrnehmungen und Erkenntnisse führen zu neu-en neuronalen Verbindungen im Gehirn, zu neuen Gehirnstrukturen. Dasmenschliche Gehirn und damit der bewusste Umgang mit dem Lebenkönnen letztlich bis ins hohe Alter trainiert werden – mit Achtsamkeit als»Trainingsgerät«.Werfen wir zunächst einen Blick in unser Gehirn, dorthin, wo alle Infor-mationen zusammenlaufen. Die folgende Beschreibung dessen, was

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  • Das limbische Systemist ein ausgesprochenursprünglicher Teil desGehirns, in dem unsereGefühle und Triebeverarbeitet werden.Zudem reguliert es dieAusschüttung körper-eigener »Glückshor -mone«, sogenannterEndorphine.

    Neue Nervenvernetzungen

    dabei im Gehirn und im Nervensystem passiert, erhebt allerdings keinenAnspruch auf Vollständigkeit, sondern gibt nur einen kurzen Einblick indas Geschehen.

    Die Sinne bewegen uns zum Handeln

    Das Nervensystem ist unablässig damit beschäftigt, Informationen überdie Sinne aufzunehmen und an die verschiedenen Areale des Gehirns zusenden. Die Informationen aus der Außenwelt, z. B. vom Hörsinn, wer-den zum Großhirn gefunkt, wo anschließend alle Informationen zu demGehörten gesammelt werden. Am Ende wird die Bewertung der Gefühls -zentrale, des limbischen Systems, hinzugefügt. Das neu Aufgenommenetrifft auf bereits vorhandene Informationen, beispielsweise auf Emotio-nen, die mit dem Gehörten verbunden sind. Durch die Wahrnehmung desäußeren Geschehens und die eigene Reaktion darauf wird eine innereWelt »erschaffen«. Das trifft besonders dann zu, wenn wir glauben, das,was wir hören, bereits zu kennen, und deshalb gar nicht mehr wirklichhinhören. So fallen wichtige Informationen durch das innere Raster, diewomöglich für eine Entscheidung wichtig gewesen wären.Aber bleiben wir beim ganz Alltäglichen: Die Nase riecht Fisch – undschon kommen unzählige Prozesse in Gang. Der Geruch wird genau ana-lysiert und mit bereits bestehenden Informationen verglichen, etwa:»Heute riecht es anders als sonst.« Das Gefühlszentrum erinnert sich viel-leicht, dass der Gehirnbesitzer Fisch mag – also wird das Auge aufgefor-dert herauszufinden, wo der Geruch herkommt. Ist der Geruch ange-nehm, werden über das Nervensystem die Beine informiert, sich inRichtung des Geruchs zu begeben. Plötzlich meldet sich der Magen, undim Gehirn entsteht das Wort »Hunger«. Hört das Ohr jetzt plötzlich eineStimme, die sagt: »Hier soll der Fisch nicht sehr gut sein«, entsteht Kon-fusion. Das Gehörte muss zugeordnet werden, um herauszufinden, ob dieStimme glaubwürdig klingt.

    Achtsames Hören und Hinhören

    Ein anderes Beispiel betrifft das Hören. Wir hören eine Stimme, die in derinneren Relaisstation als unangenehm eingestuft wird. Das Gehörte wirdsofort gedeutet und bewertet und löst unter Umständen eine Kaskade von

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  • Es ist erstaunlich, wieoft das, was geschieht,

    nur so geschieht, weilwir erwartet haben,

    dass es so geschieht.Mit unseren Erwartun-

    gen formen wir bis zueinem gewissen Grad

    die Realität.

    Achtsamkeit – der Weg zur Freiheit

    Gefühlen und Gedanken aus: Dieser Mensch ist mir unangenehm, dieserMensch mag mich nicht, ich wusste es schon immer, aber ich zeige jetztauch nichts mehr von mir. Allerdings können diese Informationen beinicht achtsamer Betrachtung falsch sein. So traut man beispielsweise demBesitzer einer Stimme, die wohlige Gefühle auslöst, weniger zu, dass manvon ihm betrogen wird oder dass hinter der Stimme eine verletzende Bot-schaft stecken könnte. Das zumindest zeigen viele entsprechende Tests,und das macht sich auch die Werbung zunutze. Und so erklären sich dievielen Enttäuschungen, die Menschen zu mir in die Praxis führen. Eskommt oft auf das achtsame Hören an, auf das genaue Hinhören, umZwischentöne wahrzunehmen. So kann man verhindern, dass man einemMenschen »hörig« wird oder gehorcht, anstatt der eigenen inneren Stim-me zu folgen.Doch oft hören wir nur das, was wir hören wollen. Auch das wird vonden Gehirnforschern inzwischen bestätigt, wenn sie sagen, dass das, waswir aufnehmen, auf bereits vorhandene Muster und Wertungen trifft. DieInformationen, die wir aufnehmen, hängen demnach in starkem Maßedavon ab, was das Gehirn durch Erfahrungen bereits gespeichert hat. Daskann folgenschwere Wirkungen haben, z. B. in der Beziehung zu Part-nern oder Kindern. Hier haben wir über die Jahre viele innere Parametergebildet, die immer Gedanken und Wahrnehmung beeinflussen. Denn, sosagen Gehirnforscher, die sich mit diesem Thema beschäftigen, erwartenwir, das halb leere Glas zu sehen, so haben wir eine große Chance, dasswir es tatsächlich entdecken.

    Freiheit im Denken und Handeln

    Achtsamkeit scheint ein Weg zu mehr Freiheit im Denken und damitauch im Handeln zu sein. Das zumindest sagen die alten Weisheitslehrendieser Welt. Auch wenn sie damit in einem gewissen Widerspruch zu denErkenntnissen mancher Gehirnforscher stehen, gibt ihnen die Erfahrungrecht. Achtsame Wahrnehmung hilft uns in der Tat, den inneren »Autopi-loten« auszuschalten und so zu handeln, wie wir eigentlich möchten,auch wenn andere den roten Knopf bei uns drücken oder den wundenPunkt treffen. Mithilfe der Achtsamkeit kann eigenständiges Denken vonReaktionen unterschieden werden, die auf alten eingeübten Denk- undVerhaltensweisen basieren, die wir immer noch anwenden, auch wenn sie

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  • Seelenruhe – in derbuddhistischen Philo-sophie oft auch als heitere Gelassenheitbezeichnet – ist einLebensziel, das mannicht irgendwannerreicht, sondern demman sich Tag für Tag,Stückchen für Stück -chen immer wieder neuannähern muss.

    Zwischentöne wahrnehmen

    nicht mehr hilfreich sind. Achtsamkeit macht es uns leichter, die innereStimme oder Intuition von den vielen Stimmen im Kopf zu unterschei-den. Sie ist die Fähigkeit, in einem Augenblick das Wesentliche zu erken-nen. Ein entspannter Körper, Ruhe in den Gedanken und ein Freiwerdenvom Einfluss anderer Menschen sind Voraussetzungen für die innereKlarheit, zu der Achtsamkeit einen Schlüssel darstellt.Viele Menschen bezeichnen das Erlangen einer gewissen Seelenruhe alsden größten Gewinn der Achtsamkeit. Man könnte das Ziel der Achtsam-keit auch als heitere Gelassenheit oder als größere Fähigkeit zum Loslas-sen beschreiben. Mit dem Gelassensein, dem Loslassen dessen, was nichtzu ändern ist, schwinden häufig Ängste, unter denen die Menschen heu-te mehr denn je leiden. Auch wenn sich die Angst scheinbar an vielenunterschiedlichen Themen festmacht – etwa Angst um den Arbeitsplatz,Angst vor Krankheit oder Angst vor materiellen Verlusten –, ist es imGrunde doch immer die Angst vor dem Loslassen, dem Kontrollverlustund damit letztlich die Angst vor dem Tod. Wer im Augenblick lebt, wirddiesen Gefühlen weit weniger ausgeliefert sein und der Zukunft gelasse-ner entgegenblicken können. Wer selbst gelassen ist, kann auch mit ande-ren Menschen gelassen umgehen und sie so lassen, wie sie sind.Achtsamkeit ist die Basis echten Mitgefühls und der Achtung vor unserenMitmenschen, das lehrt der Buddhismus seit mehr als zweitausend Jah-ren. Im Deutschen hat das Wort »Achtung« bereits diese Doppelbedeu-tung – einmal in Sinne von aufmerksam sein, aufpassen, wahrnehmen,beachten und im Sinne von Wertschätzung. Achtsamkeit verbindet diesebeiden Bedeutungen: das Wahrnehmen und Beachten sowie die Achtungvor den Menschen und vor der ganzen Schöpfung.

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    Was Achtsamkeit bedeutetl Erweiterte Form der Wahrnehmung – im Gegensatz zur Kon-

    zentration, bei der es sich um eine punktuelle Aufmerksamkeithandelt

    l Völlig im Augenblick, in der Gegenwart, im »Jetzt« seinl Gewahrsein des Körpers und seiner Befindlichkeit, der Gefüh-

    le und Gedanken sowie der Gedankenmusterl Wahrnehmen der unbewussten Inhalte, die in einer Haltung

    der Achtsamkeit aufsteigen und ins Bewusstsein integriert wer-den können

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  • Im Buddhismus gehörtAchtsamkeit auch zuden »fünf Fähigkei-

    ten«, zu denen darüberhinaus Vertrauen,

    Energie, Sammlung und Weisheit zählen.

    Achtsamkeit – der Weg zur Freiheit

    Achtsamkeit als Übungspraxis

    Werfen Sie einen Blick auf die nachfolgend beschriebenen grundlegendenFaktoren der Achtsamkeitspraxis, bevor Sie mit den Übungen (sieheS. 68ff.) beginnen.Vielleicht geht es Ihnen dabei so wie vielen Passagieren im Flugzeug:Sobald die Informationen über das Öffnen und Schließen der Sicherheits-gurte, über den Ort, an dem die Schwimmwesten aufbewahrt sind, durch-gegeben werden, werfen sie wieder einen Blick in ihre Zeitung oderschließen die Augen, um sich auf ihre Ruhephase vorzubereiten. Schließ-lich hat man ja alles schon so oft gehört und längst gespeichert.Für den Sicherheitsgurt trifft das sicher zu, aber ob man im Notfall denlebensrettenden Notausgang oder die Schwimmweste sofort findet, istnicht so sicher. So ähnlich geht es oft auch mit wichtigen Informationenfür unser Leben: Wir hören sie, nicken zustimmend, denken vielleichtsogar noch einen Moment nach – doch in der nächsten akuten Situationscheinen wir sie vergessen zu haben. Das bedeutet: Sie sollten weiter -lesen, auch wenn es sich scheinbar um nichts Neues handelt. Im Gegen-teil, es handelt sich um etwas sehr Altes. Um die Grundbefindlichkeit desMenschen nämlich, um seine Sorgen, Ängste und Widerstände, um denKampf mit den Dingen des Alltags und um einen guten Umgang mit sichund anderen. Hier hat sich in all den Jahrtausenden nichts Wesentlichesgeändert, deshalb können wir getrost auf alte Weisheitslehren zurück -greifen und sie mit neuen Erkenntnissen und Methoden für die heutigeZeit verbinden.

    Die vier Grundlagen der Achtsamkeit

    In der buddhistischen Lehre über die Achtsamkeit ist von vier Grund -lagen der Achtsamkeit die Rede: l Achtsame Wahrnehmung des Körpersl Achtsame Wahrnehmung der Gefühlel Achtsame Wahrnehmung der Gedankenl Achtsame Wahrnehmung der GedankenmusterIm Praxisteil dieses Buches (siehe S. 68ff.) werden Sie entsprechende Hin-weise darauf finden, wie Sie bezüglich dieser vier Grundlagen der Acht-samkeit mit den Musikstücken umgehen können.

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  • Bei einem »Spaziergangdurch Ihren Körper«können Sie sichbewusst machen, wasIhr Körper täglich fürSie leistet: welche Lastdie Füße tragen, wasIhre Hände alles tun,ohne dass Sie für jedenHandgriff eine bewuss -te Entscheidung tref-fen müssten. DurchAchtsamkeit gewinnenSie auch Achtung vorIhrem Körper.

    Ein spiritueller Weg

    1. Achtsame Wahrnehmung des Körpers

    Unser Körper ist die Basis unseres Lebens. »Der Körper ist der Ort derWahrheit«, sagt ein indisches Sprichwort. Die Körpersprache sagt oftmehr als alle Worte. Die körperlichen Prozesse können immer nur im»Jetzt« ablaufen, das Herz schlägt jetzt, der Atem geschieht jetzt. Es istnicht immer leicht, ein gutes Gleichgewicht zu finden zwischen einemkrankhaften Lauschen auf jedes kleinste Unwohlsein und einem bestän-digen Überhören der körperlichen Signale. Immer wieder erlebe ich, dassMenschen bestimmte Symptome nicht wahrgenommen haben, bis eszum Ausbruch einer schweren Krankheit kam. Ein gutes Körperempfin-den verhindert, dass es zu schweren Erschöpfungszuständen kommt, wiees das Burnout-Syndrom darstellt, das immer öfter schon bei jungen Men-schen diagnostiziert wird.Die liebevolle Wahrnehmung des Körpers stellt deshalb die Basis jederAchtsamkeitspraxis und jedes spirituellen Weges dar. Es ist sehr heilsam,mindes tens einmal täglich achtsam seinen Körper wahrzunehmen, eineArt Spaziergang durch alle Körperteile und vielleicht sogar durch dieOrgane zu machen, einmal täglich bewusst seine Beine und Füße, Armeund Hände zu spüren.

    2. Achtsame Wahrnehmung der Gefühle

    In der Yogalehre werden Gefühle mit Pferden verglichen, die den Wagen– unseren Körper – voranbringen. Allerdings führen sie nur zum richti-gen Ziel, wenn sie vom Kutscher – unserem bewussten Ich – gelenkt wer-den, der wiederum den Anordnungen des Reisenden – des Selbst, derinneren Führung – gehorchen muss.Gefühle – das zeigt das Bild der kraftvollen Pferde – haben mit Energie zutun und sind in Verbindung mit Gedanken und inneren Vorstellungensehr mächtig. Dieses manchmal explosive Gemisch bereitet dem Men-schen seit je zwar Freude, aber weit öfter auf Dauer Probleme. Begriffewie »von Gefühlen überwältigt werden« oder »außer sich sein« machendas deutlich. Viele intensive Gefühle schlummern im Unbewussten undwarten nur auf einen Auslöser. Der Verstand hat in diesen Bereichen desUnbewussten wenig oder nahezu gar nichts zu sagen. Die Erkenntnisseder Gehirnforschung zeigen, dass es keine neutrale, rein intellektuelleWahrnehmung gibt, alles muss durch die »Gefühlsschleuse« des limbi-

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  • UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

    Anna Elisabeth Röcker

    Klang als Weg zur AchtsamkeitÜbungen zur Entfaltung des eigenen Potenzials mit Musik60-minütige CD zur Schulung der Achtsamkeit

    Paperback, Klappenbroschur, 128 Seiten, 17,2 x 23,5 cmISBN: 978-3-517-08632-3

    Südwest

    Erscheinungstermin: Oktober 2010

    Wie Klangreisen zu innerer Weisheit führen Längst ist das buddhistische Prinzip der Achtsamkeit im Westen angekommen, denn dieachtsame Lebensweise ist für Körper, Geist und Seele gleichermaßen eine wohltuendeBereicherung. Wer achtsam ist, richtet seine Aufmerksamkeit bewusst auf die Gegenwart.Wer achtsam ist, dessen Wahrnehmungsfähigkeit erweitert sich. Achtsamkeit stärkt dieSelbstheilungskräfte, erlaubt eine bessere Urteilsfähigkeit, aktiviert die kreativen Ressourcen,erleichtert den Zugang zur inneren Stimme und führt zu mehr Gelassenheit gegenüber denHerausforderungen des Alltags. Die bekannte Musiktherapeutin und Yogalehrerin Anna Elisabeth Röcker beschreibt indiesem praktischen Ratgeber, wie durch Übungen diese Achtsamkeit erlernt, in das täglicheLeben integriert und das eigene schlummernde Potenzial entfaltet werden kann. Musik istein wichtiger Bestandteil der Übungen: Sie lenkt den Fokus auf den Hörsinn und führt zu derKonzentration, die Voraussetzung für Achtsamkeit ist. Musik wirkt positiv auf Körper, Gefühleund Gedanken. Musik funktioniert wie ein Spiegel, weil sie verborgene Inhalte ins Bewusstseinrufen kann. Deshalb werden die zahlreichen Schritt-für-Schritt-Anleitungen von unterschiedlichenMusikstücken auf der beiliegenden 60-minütigen Audio-CD begleitet. Ihre Vielfalt reicht voneinfachen Tönen und Akkorden über klassische Musik bis hin zur Weltmusik und erlaubt aufunterschiedliche Weise und unter sanfter Führung der Autorin, sich auf die Reise zur innerenWeisheit zu machen. Das Buch können allen nutzen, die Achtsamkeit schnell und leicht integrierbar erfahren möchten,ohne einen buddhistischen oder yogischen Hintergrund haben zu müssen.