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KLAUSUREN- SAMMLUNG Vorgerücktenübung Ausgabe 2018 Impressum Herausgeber: Fachschaftsinitiative Jura der LMU München, Ludwigstraße 29/EG, 80539 München Redaktion: Luise Althoff, Cornelius Hartig V.i.S.d.P.: Broder Ernst

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KLAUSUREN- SAMMLUNG Vorgerücktenübung Ausgabe 2018

Impressum Herausgeber: Fachschaftsinitiative Jura der LMU München,

Ludwigstraße 29/EG, 80539 München Redaktion: Luise Althoff, Cornelius Hartig V.i.S.d.P.: Broder Ernst

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Vorwort Bei den Klausuren handelt es sich nicht um von den Lehrstühlen autorisierte Musterlösungen, sondern um studentische Lösungen, die aber überdurchschnittlich bewertet wurden. Daher erheben wir keinen Anspruch auf eine fehlerfreie Arbeit. Bitte beachtet auch, dass die Benotung durchaus unterschiedlich ausfallen kann. Die ausgewählten Ausarbeitungen sollen euch dazu dienen, einen ersten Anhaltspunkt für die Schwierigkeiten von Klausuren in den Vorgerücktenübungen zu haben. Sie sollen euch vor allem dabei helfen, die Grundlagen einer guten Klausur zu erkennen. Wir bedanken uns natürlich sehr herzlich bei allen Autoren dafür, dass sie uns ihre Arbeiten zur Verfügung gestellt haben. Viel Erfolg bei euren nächsten Klausuren!

Eure Fachschaftsinitiative Jura der LMU

Inhaltsverzeichnis

1. Klausur in der VÜ Zivilrecht 10 Punkte WS 2017/2018 Prof. Dr. Spickhoff 2. Klausur in der VÜ Zivilrecht 16 Punkte SoSe 2017 Prof. Dr. Junker 3. Klausur in der VÜ Ö-Recht 11 Punkte WS 2017/2018 Prof. Dr. Walter 4. Klausur in der VÜ Ö-Recht 15 Punkte WS 2017/2018 Prof. Dr. Walter 5. Klausur in der VÜ Strafrecht 15 Punkte WS 2017/2018 Prof. Dr. Kölbel 6. Klausur in der VÜ Strafrecht 14 Punkte WS 2017/2018 Prof. Dr. Kölbel

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KLAUSUR IN DER VÜ ZIVILRECHT Prof. Dr. Spickhoff WS 2017/2018

10 Punkte

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Im Baustoffhandelsgeschäft des Eigen (E) wird eingebrochen. Der Dieb Dietrich (D) entwendet unter anderem Baumaterialien (Steine) des E. Die Steint haben einen Marktwert von 5000 Euro. Später verkauft D die Steine an den Baustoffhändler Tunichgut (T). D spiegelt dem T, der von dem Diebstahl nichts weiß, vor, er sei selbst Baustoffhändler unf habe die Steine übrig. T zahlt an den D vereinbarungsgemäß 4000 Euro gegen Erhalt der Steine. T verkauft seinerseits die Steine für 6000 Euro weiter an Karin (K), die sie gegen Bezahlung abholt und in ihrem Haus im Rahmen von Reparaturarbeiten der Mauern einbaut.

D ist mittlerweile „über alle Berge“. K ist vermögenslos geworden; auch ihr Hausgrundstück ist mit Grundschulden bereits übersichert, so dass eine Verwertung nichts zugunsten des E erhoffen lassen würde.

E bittet daher Rechtsanwalt Füchsle um Auskunft, ob er gegen T Ansprüche hat. Rechtsanwalt Breitmaul, der den T anwaltlich berät, meint, E müsse sich an D oder K halten; T habe von dem Dieb nichts erlangen können und sei selbst auf die Täuschung des D hereingefallen.

Füchlse bietet Sie um die Erstellung eines Rechtsgutachtens zu der Frage, ob E gegen T Ansprüche hat oder durch eigenes Zutun wenigstens - möglichst risikolos - einen Anspruch gegen T begründen kann.

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A. Ansprüche des E gegen T auf Herausgabe der Steine I. Vertraglich Mangels vertraglicher Beziehungen zwischen E und T gibt es keinen Anspruch aus einem solchen. II. Anspruch aus § 985 Durch den Warenverkauf der Steine ist es dem T nach § 275 I unmöglich, die Steine in natura herauszugeben.

B. Ansprüche des E gegen T auf Schadensersatz

I. Anspruch aus der angemalten Eigengeschäftsführung §§ 687 II 1, 678

E könnte einen Anspruch auf Schadensersatz aus der angemalten Eigengeschäftsführung haben.

1. Fremdes Geschäft des T Ein objektiv fremdes Geschäft liegt vor, wenn der Geschäftsführer nach außen ersichtlich im Rechts- und Interessenkreis eines anderen handelt. Vorliegend könnte T durch den Weiterverkauf der Steine im Rechtskreis des E gehandelt haben. Hierfür müssten die Steine zum Zeitpunkt der Geschäftsführung zum Rechtskreis des E gehört haben und T müsste davon gewusst haben, § 687 II 1. Vorliegend handelte T in der Ansicht die Steine seien sein Eigentum und wollte diese zu seinem eigenen wirtschaftlichen Vorteil weiterverkaufen. Eine angemaßt Geschäftsführung scheitert also bereits an der Kenntnis des fremden Geschäfts.

2. Ergebnis E hat keinen Anspruch aus §§ 687 II 1, 678

II. Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 990 I, 989 E könnte einen Anspruch aus §§ 990 I, 989 haben. Hierfür müsste zwischen E und T zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung, also der Veräußerung der Steine, eine Vindikationslage bestanden haben und T m ü s s t e g e m . § 9 3 2 I I a n a l o g b ö s g l ä u b i g s e i n e r Veräußerungsberechtigung sein.

genauer, kein Besitz des T

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1. Vindikationslage Zwischen E und T müsste eine Vindikationslage bestanden haben.

a) Eigentum E Um die Eigentumsposition zu ermitteln, kann historisch chronologisch vorgegangen werden.

aa) Ursprünglicher Eigentümer Die Steine waren ursprünglich Eigentum des E

bb)Eigentumsverlust durch Diebstahl des D Mangels Einigung, § 929 S. 1, ist das Eigentum nicht auf D übergegangen.

cc) Eigentumserwerb durch T T könnte das Eigentum von D erworben haben. Eine solche Einigung und Übergabe fanden gem. § 929 S. 1 statt, D hätte das Eigentum gutgläubig erwerben können, gem. § 932 II, da er annahm, D sei Eigentümer der Steine und gem. § 1006 auch keine weitere Nachforschungspflicht hat. Jedoch sind die Steine gem. § 935 I durch den Diebstahl abhanden gekommen und somit kein gutgläubiger Erwerb möglich. Zum Zeitpunkt der Veräußerung durch T war E immer noch Eigentümer.

b) Besitz T Nach § 854 I war T unmittelbarer Besitzer, er hatte bei der Veräußerung die unmittelbare Sachherrschaft.

c) kein Recht zum Besitz, § 986 I 1 Mangels wirksamer Veräußerung durch D besteht für T auch kein Recht zum Besitz.

d) Zwischenergebnis Eine Vindikationslage bestand zwischen E und T.

2. Bösgläubigkeit §§ 990 I 1, 932 II analog T m ü s s t e d e s We i t e r e n K e n n t n i s d e r f e h l e n d e n Veräußerungsberechtigung des D haben oder diese grob fahrlässig verkennen, § 990 I 1. Da hier nicht nur auf die Eigentumsposition, fehlt:

grobe Fahrlässigkeit

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sondern auch auf andere Berechtigungen zur Veräußerung abgestellt wird, wird hier § 932 II analog angewendet. Vorliegend wusste T nichts von D als Dieb und es gab auch keine konkreten Anhaltspunkte hierfür.

3. Ergebnis Mangels Bösgläubigkeit hat E von T keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 990 I, 989

III. Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 823 I, II, 992 T könnte aufgrund unerlaubter Handlung aus §§ 823 I, II, 992 haften. Zwar liegt eine Rechtsgutsverletzung des Eigentums durch Besitzentzug durch Erwerb und Weiterveräußerung des T vor. Jedoch ist Voraussetzung des § 992, dass der deiktische Besitzer sich diesen Besitz durch eine Straftat oder verbotene Eigenmacht verschafft hat. Ersteres ist nicht der Fall, auch verbotene Eigenmacht nach § 858 I liegt nicht vor, da T den Besitz von D erlangt hat, nicht von E. Auch §§ 823 I, II alleine sind aufgrund der abschließenden Sonderregelung des EBV nicht anwendbar.

C. Anspruch auf Wertersatz E gegen T I. Anspruch auf Wertersatz aus §§ 687 II 1, 681 S. 1, 667 Fraglich ist, ob E gegen T einen Anspruch auf Herausgabe des Erlöses aus §§ 687 II 1, 681 S. 1, 667 aufgrund angemalter Eigengeschäftsführung hat. Wie zuvor bereits geprüft, fehlte es dem T jedoch an der Kenntnis der fremden Geschäftsf+hrung, in diesem Fall fehlt es ihm also an einem Übernahmeverschulden nach § 687 II 1. Folglich hat E keinen solchen Anspruch gegen T.

II. Anspruch des E gegen T auf Wertersatz aus §§ 993 I HS. 2, 812 II 1 Alt. 1

E könnte gegen T einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten verlangen aus §§ 812 I 1 Alt. 1 iVm. 993 I HS. 2. Fraglich ist zunächst die Anwendbarkeit.

1. Anwendbarkeit Die §§ 987ff. stellen abschließende Sonderregelungen des EBV dar, weshalb diese Normen grundsätzlich den allgemeinen Vorschriften vorgezogen sollten. §§ 993 I HS. 2 sperrt hier auch deren

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Anwendungen zum Thema Schadensersatz und Nutzungsersatz. Vorliegend wird nicht auf Schadensersatz geklagt. Auch werden nicht die in § 100 definierten Nutzungen gefordert, sondern das Surrogat für die Steine, also ein Wertersatz. Ein solcher ist nach § 993 I HS. 2 nicht gesperrt. Die §§ 812 I 1 Alt. 1 und 2 sind also anwendbar.

2. Rechtsgrundverweisung § 812 I 1 Fraglich sind also die Voraussetzungen der ungerechtfertigten Bereicherung zu prüfen, genauer der Leistungskondition § 812 I 1 Alt. 1

a) Etwas erlangt T müsste einen wirtschaftlichen Vermögensvorteil erlangt haben. Er hat hier zunächst Besitz an den Steinen erlangt.

b) Durch Leistung des E Leistung ist eine bewusst, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Die Steine erhielt E zwar durch eine Leistung, jedoch durch eine solche des Diebes D als Erfüllung seiner Verpflichtung aus dem Kaufvertrag. E jedoch hatte nichts bewusst und zweckgerichtet an T geleistet.

3. Ergebnis Mangels Leistung des E an L hat E keinen Anspruch aus der Leistungskondition, § 812 I 1 Alt. 1.

III. Anspruch auf Wertersatz aus §§ 812 I 1 Alt. 2, 993 I HS. 2 E könnte jedoch einen Anspruch auf Herausgabe des Surrogates aus § 812 I 1 Alt. 2, der Nichtleistungskondiktion, haben. Hierfür müsste T etwas auf sonstige Weise auf Kosten des E erlangt haben. Anwendbar ist die Kondition wie zuvor geprüft.

1. Etwas erlangt T hat Besitz an den Steinen erlangt, dies ist ein Vermögensvorteil.

2. Auf sonstige Weise T hat die Steine nicht durch Leistung des E bekommen. Jedoch ist fraglich, ob hier nicht ein Vorrang der Leistungsbeziehungen gilt, also die Eingriffskondition subsidiär zur Leistungskondiktion gilt.

Und wieder verloren!-> § 818 III

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Vorliegend bestand zwischen D und T ein Kaufvertrag, § 433, über Steine. Aufgrund der Relativität der Schuldverhältnisse sollten alle Rückabwicklungen deshalb inter partes abgewickelt werden, also zwischen D und T.

3. Ergebnis Aufgrund des Vorrangs der Leistungskondiktion ist keine Durchgriffskondiktion des E möglich.

IV. Anspruch auf Wertersatz aus § 816 I 1 E könnte des Weiteren einen Anspruch gegen T aus § 816 I 1 haben. Hierfür müsste T als Nichtberechtigter wirksam verfügt haben.

1. Verfügung Eine Verfügung ist ein Rechtsgeschäft, das ein Recht belastet, überträgt, aufhebt oder inhaltlich verändert. T hat hier die Steine weiterveräußert an K. Das entspricht einer Verfügung.

2. Nichtberechtigter T dürfte nicht zur Veräußerung berechtigt gewesen sein. Zwar hat T aus seiner Sicht die Steine von D erworben, jedoch konnte er das Eigentum aufgrund des Abhandenkommens (§ 935 I) nicht wirksam erwerben und hatte auch keine sonstige Ermächtigung die Steine zu veräußern.

3. Wirksamkeit Aufgrund des Abhandenkommens war kein gutgläubiger Erwerb der Steine möglich. Somit war dieses Rechtsgeschäft unwirksam. E hat jedoch nun die Möglichkeit, durch Zustimmung im Nachhinein, also eine Genehmigung nach § 185 I 1, den Erwerb wirksam werden zu lassen. Dies müsste noch getan werden, am besten Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Erlangten, um auf die Solvenz des T abstellen zu können.

4. Inhalt und Umfang des Bereicherungsanspruchs Nach § 816 I 1 ist der Nichtberechtigte verpflichtet, das durch die Verfügung erlangte herauszugeben. Dem Wortlaut zufolge entspricht dies nicht dem objektiven Wert (5000€) der Steine, sondern dem Erlös, den er durch die Veräußerung bekommen hat, also 6000€.

Dieser greift nicht im Falle des § 935 (wie hier)!

nur im Ergebnis richtig

Fehlt: § 185 II 1 Alt. 1

Nicht Rückgabe, sondern Herausgabe

Fehlt: §§ 818 III, da Kaufpreiszahlung an D

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5. Ergebnis E hat gegen T einen Anspruch auf den Erlös aus der Verfügung iHv. 6000€ aus § 816 I 1.

Kommentar: I. 1) Argumentative Mängel beim Vorrang der Leistungskondition (III. 2.) 2) Ungenauigkeiten bei der Wirksamkeit der Verfügung (IV. 3.) 3) Unvollständigkeit der Prüfung: es fehlt § 818 III

II. Ansonsten aber durchaus brauchbare Ausführungen. Dabei wird ein großer Teil der Probleme erfasst. Insgesamt deshalb trotz der nicht unwesentlichen Mängel (s. I. 1) - 3)) eine bereits überdurchschnittliche Leistung, daher 10 Punkte

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KLAUSUR IN DER VÜ ZIVILRECHT Prof. Dr. Junker SoSe 2017

16 Punkte

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Notar Dr. Bärenbeiß (B) hat im Freisinget Forst eine Jagd gepachtet. An einem Sonntagabend kehrt er auf der Rückfahrt nach München in Begleitung seines Jagdhundes „Hermann“ im Osthof in Moosburg ein. In einer Ecke des Lokals fand B noch einen schönen Einzeltisch. Hermann legte sich unter den Tisch. B bestellt beim Kellner ein großes Helles (4 €) und einen Ratsherrentopf mit Prinzessböhnchen und Kroketten, der in der Speisekarte für 26,80 € unter „Frisch gemachte Speisen“ aufgeführt war. Nach kurzer Zeit kam das Helle. Als der Kellner etwas später den Ratsherrentopf brachte, kam Hermann, vom Bratenduft angelockt, plötzlich unter dem Tisch hervor. B hatte Hermann nicht angeleint. Der Kellner hatte zwar vorher beobachtet, dass der Hund unter dem Tisch lag. Beim Servieren achtete er aber nicht weiter auf das Tier, da er wegen der vielen Gäste in Eile war. Er bemerkte daher nicht rechtzeitig, dass Hermann unter dem Tisch hervorkam, und stolperte über Hermann, wobei der Ratsherrentopf vom Tablett rutschte und zu Boden fiel. Gastwirt Otto Rehbein (R), Inhaber des Posthofes, eilte sofort herbei und machte dem B Vorwürfe, dass er nicht besser auf seinen Hund aufgepasst habe. Über den zerbrochenen Teller wolle er einmal hinwegsehen, aber auf die Bezahlung des Essens könnte wirtshausseitig nicht verzichtet werden. B erklärte, da sein Essen nunmehr verdorben und nicht mehr genießbar sei, gelte der alte deutsche Rechtsgrundsatz: „Wer nicht gegessen hat, soll auch nicht bezahlen“. Der Kellner habe sich gefälligst besser in Acht nehmen müssen, denn er habe doch gesehen, dass Hermann mit in das Lokal gekommen sei. B legte 5 Euro für das Bier auf den Tisch und verließ mit Hermann die Gaststätte.

Hat R gegen B einen Anspruch auf Bezahlung von 26,80 Euro?

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Anspruch R gegen B auf Zahlung 26,80€ A. Aus § 433 II BGB R könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 26,80€ aus § 433 II haben. Das setzt voraus, dass zwischen B und R ein wirksamer Kaufvertrag geschlossen wurde und der Anspruch nicht wieder erloschen ist.

I. Entstanden Ein wirksamer Kaufvertragsschluss setzt voraus, dass sich R und B über die Merkmale des § 433 BGB geeinigt haben. Eine Einigung bedarf zweier übereinstimmender Willenserklärungen mit dem Inhalt des § 433 BGB. Vorliegend könnte ein Angebot des R bereits in der Speisekarte enthalten sein, welches B mit seiner Bestellung bei dem Kellner als mit Vertretungsmacht handelnder Vertreter, §§164ff BGB, des R angenommen hat. Richtig ist allerding, aufgrund des fehlenden Rechtsbindungswillen des R in der Speisekarte lediglich eine Invitatio ad offerendum zu sehen, sodass hierin noch kein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages zu sehen ist. Das Angebot liegt somit in der Bestellung des B bei dem Kellner. Dieser konnte das Angebot auch mit Rechtswirkung für und gegen R nach § 164ff BGB annehmen. Eine Einigung über die Merkmale des § 433 liegt somit vor. Da keine Wirksamkeitshindernisse ersichtlich sind, ist der Anspruch aus § 433 II BGB somit mit wirksamem Vertragsschluss entstanden.

II. Kein Erlöschen Aber der Anspruch könnte dadurch, dass der Teller mit dem Essen runtergefallen ist, wieder erloschen sein.

1. Gem. § 362 I BGB In Betracht kommt zunächst ein Erlöschen nach § 362 I BGB durch Erfüllung der Leistungspflicht. Allerdings wurde die Leistung vorliegend noch nicht bewirkt iSv § 362 I BGB, sodass noch keine Erfüllung eingetreten isst.

Fehlt: Rechtsnatur des Vertrags

Fehlt: §§ 651, 433 II BGB

gut

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2. Gem. § 326 I 1 Aber der Anspruch aus § 433 II BGB könnte gem. § 326 I 1 erloschen sein.

a) Anwendbarkeit Gem. § 326 I 2 BGB ist § 326 I 1 bei sog. qualitativer Unmöglichkeit nicht anwendbar, da sich sonst ein Widerspruch zu § 441 I und § 638 I BGB ergeben würde, wonach die Minderung nicht kraft Gesetzes eintritt, sondern ein Gestaltungsrecht ist, das ausgeübt werden muss. Da es sich nicht um einen unbegehbaren Mangel handelt, ist § 326 I 1 anwendbar.

b) wirksamer gegenseitiger Vertrag Ein wirksamer gegenseitiger Vertrag liegt mit dem Kaufvertrag zwischen R und B vor.

III. § 275 Der Schuldner einer synallagmatischen Leistungspflicht braucht gem. § 275 I-III nicht zu leisten. Die Übereignungs- und Übergabepflicht des R aus § 433 I 1 BGB steht mit der Zahlungspflicht des B aus § 433 II BGB im Synallagma.

1. Leistungsinhalt Zunächst ist der Leistungsinhalt festzulegen. Hier schuldet R gem. § 433 I 1 BGB Übereignung und Übergabe eines Ratsherrentopfes aus eigener Küchenproduktion. Es handelt sich somit um eine beschränkte Gattungsschuld bzw. Vorratsschuld.

2. Unmöglichkeit § 275 I Die Unmöglichkeit iSv § 275 I BGB erfordert ein dauerndes Leistungshindernis tatsächlicher oder rechtlicher Art, das auch durch Beschaffung oder Wiederbeschaffung nicht behebbar ist. Bei der Vorratsschuld ist Unmöglichkeit iSv § 275 somit nur gegeben, wenn der gesamte Vorrat untergegangen ist, was vorliegend nicht der Fall ist. Allerdings könnte sich die Vorratsschuld bereits durch Konkretisierung gem. § 243 II BGB auf diese einen Ratsherrentopf beschränkt haben, sodass tatsächliche Unmöglichkeit vorliegt, weil

gut

gut

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dieser Topf untergegangen ist. Das setzt voraus, dass die Vorratsschuld in eine Stückschuld umgewandelt worden ist gem. § 243 II BGB. Dann müsste der Schuldner das zur Leistung einer solchen Sache iSv. § 243 I seinerseits Erforderliche getan haben. Das seinerseits Erforderliche hat der Schuldner getan, wenn er die letzte geschuldete Leistungshandlung vorgenommen hat. Maßgeblich dafür ist die Art der Schuld. Bei der Bringschuld muss der Schuldner die Sache aussondern und sie dem Gläubiger an dessen Wohnsitz oder gewerbliche Niederlassung tatsächlich anbieten iSv § 294 BGB. Bei der Schockschuld muss der Schuldner die Sache aussondern und an die Transportperson übergeben. Eine Hofschuld kommt vorliegend aufgrund der Umstände, dass die Sache an den Tisch des B gebracht wurde, nicht in Betracht. Die Art der Schuld richtet sich nach dem Leistungsort, also dem Ort, an dem die letzte geschuldete Leistungshandlung zu erbringen ist. Das ergibt sich gem. § 269 I zunächst aus der Natur des Schuldverhältnisses sowie den näheren Umständen. Gem. § 269 III ist im Zweifel keine Bringschuld vereinbart worden. Vorliegend ist die letzte geschuldete Leistungshandlung des R die Übergabe der Sache an den Kellner, sodass eine Schickschuld vorliegt. Da diese erfolgt ist, hat sich das Schuldverhältnis auf diesen Topf konkretisiert gem. § 243 II BGB, sodass tatsächliche Unmöglichkeit iSv. § 275 I BGB vorliegt, da dieser Topf zerstört wurde.

3. Rechtsfolge Der Anspruch auf die Gegenleistung erlischt gem. § 326 I 1 BGB, es sei denn, es greift eine die Vergütungspflicht erhaltende Norm ein. In Betracht kommt ein Fortbestehen der Gegenleistungspflicht gem. § 326 II 1 1, wenn der Gläubiger der unmittelbar gestörten Leistungspflicht für die Unmöglichkeit allein oder weit überwiegend verantwortlich ist. Was der Gläubiger zu verantworten hat, ist gesetzlich nicht geregelt, aus Gründen der Waffengleichheit jedoch in Anlehnung an das Schuldnervertretenmüssen zu bestimmen. Danach hat B die Unmöglichkeit gem. §§ 276ff analog bei rechtswidrigem und schuldhaftem Verhalten, das zur Unmöglichkeit der Leistung des Schuldners geführt hat, zu verantworten.

gut

schöne Argumentation

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a) In Betracht kommt ein Verantworten müssen gem. § 276 I 1 BGB analog wegen fahrlässigen rechtswidrigen Verhaltens, indem B seinen Hund nicht festgeleint hat während er unter seinem Tisch lag. Fahrlässig handelt der Gläubiger, wenn er die Sorgfalt außer Acht lässt, die sich einem pflichtbewusst Handelnden in selber Lage aufgedrängt hätte. Da er seinen Hund in einem Restaurant nicht angeleint, handelte er fahrlässig. Er hat die Unmöglichkeit somit zu verantworten.

b) Weit überwiegend ist der Gläubiger verantwortlich, wenn in Folge eines Schadensersatzverlangens § 254 BGB einen Anspruch ausschließen würde, wofür eine Mitverursachungsquote von 90% mindestens aber 80% erforderlich ist. Fraglich ist somit, ob auch R die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Das Vertretenmüssen des R richtet sich nach § 276-278 BGB. In Betracht kommt lediglich ein Vertretenmüssen wegen Verschuldens, § 276 BGB.

aa) R selber hat die Unmöglichkeit nicht zu verschulden. bb) Aber R müsste sich möglicherweise gem. § 278 BGB ein Verschulden seines Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen.

cc) Ein Schuldverhältnis zwischen R und B liegt aufgrund des Kaufvertrages vor.

(1) Der Kellner müsste Erfüllungsgehilfe sein, dh. mit Wissen und Wollen des R in dessen Pflichtenkreis ggü. B tätig sein. Allerdings stellt die Auslieferung an den Kellner die letzte geschuldete Leistungshandlung des R dar, sodass der Transport nicht mehr in den Pflichtenkreis des R fällt. Aber § 278 BGB ist bei dem Transport durch eigene Leute trotzdem auch bei der Schockschuld anzuwenden, denn anderenfalls würde die Schockschuld faktisch zur Bringschuld, wenn der Schuldner, der den Transport nicht schuldet, trotzdem die Liefergefahr trägt. Der Kellner ist somit Erfüllungsgehilfe des R und auch in dessen Pflichtenkreis ggü. B tätig.

(2) Das Verhalten des Erfüllungsgehilfen muss - als verhalten des Schuldners gedacht - eine Pflichtverletzung darstellen, was hier auch

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der Fall ist, da der Kellner den Hund nicht beachtet und somit fahrlässig gehandelt hat.

(3) Bei Erfüllung und nicht nur bei Gelegenheit Die Pflichtverletzung geschah auch in Erfüllung der Pflicht ggü. B und nicht nur bei Gelegenheit.

Damit ist das Verschulden des Kellners dem R zuzurechnen und B hat die Unmöglichkeit nicht weit überwiegend zu verantworten.

c) Die Vergütungsgefahr besteht nicht gem. § 326 II 1 1 BGB fort.

d) Ferner besteht die Vergütungsgefahr fort, wenn sie bereits aufgrund einer abweichenden Gefahrtragungsnorm auf den Gläubiger übergegangen ist. In Betracht kommt lediglich § 447 I BGB, der jedoch vorliegend nicht greift, da das Leistungshindernis von beiden zu vertreten und somit nicht zufällig ist.

e) Zwischenergebnis Der Anspruch auf die Gegenleistung erlischt. 4. Korrektur Fraglich ist, ob dieses Ergebnis zu korrigieren ist, da beide das Leistungshindernis zu vertreten haben.

a) Dagegen spricht, dass eine klare Regelung in § 326 II 1 F. 1 BGB gegeben ist, wann der Gläubiger verantwortlich ist und weiterhin ist die Rechtsfolge nicht unbillig, weil der Schuldner gem. § 275 I BGB von seiner Leistungspflicht frei wird.

b) Richtig ist es, dass eine Korrektur notwendig ist. § 326 II 1 F. 1 BGB regelt nur, was bei einer weit überwiegenden Verantwortung passiert, aber die Fälle unterhalb dieser Schwelle nicht. Weiterhin ist die Rechtsfolge unbillig, da der Schuldner so keinen Schadensersatzanspruch haben würde.

sehr gut gesehen

sehr gut

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Fraglich ist nur, wie die Korrektur aussieht

aa) In Betracht kommt § 326 II 1 F. 1 BGB für den Gläubiger anzuwenden, gekürzt um den Mitverschuldensbeitrag des Schuldners gem. § 254 BGB analog. Allerdings versagt diese Lösung bei Unteilbarkeit der Gegenleistung.

bb) Nach hM stehen sich ein Anspruch des Gläubigers nach § 280 I, III, 283 S. 1 BGB und ein Anspruch des Schuldners aus § 280 I iVm der Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Kaufvertrag gegenüber, jeweils gekürzt um den Mitverursachungsbeitrag nach § 254 (analog). Allerdings kann bei Anwendung der Differenztheorie ein Schadensersatzanspruch des Schuldners maximal schadenerhöhend berücksichtigt werden.

cc) Richtig ist es, dass § 326 II 1 BGB zugunsten des Schuldners und §§ 280 I, III, 283 BGB kumulativ anzuwenden sind. Danach hat der Gläubiger den Schaden nach der Surrogationstheorie zu berechnen. Hierfür spricht, dass diese Lösung auch bei Unteilbarkeit der Gegenleistung anwendbar ist. IV. Ergebnis R hat, wenn man die Mitverursachungsquote zu 1/3 bei R und 2/3 bei B ansetzt, einen Anspruch aus § 433 II BGB iHv. 26,80€ gekürzt um ein Drittel.

B. Aus § 280 I BGB Er könnte einen Anspruch aus § 280 I BGB auf Schadensersatz wegen einer Sorgfaltspflichtverletzung des B aus dem Kaufvertrag haben. Auch dieser Anspruch besteht, da R sich das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen über § 278 BGB zurechnen lassen muss, gekürzt um ein Drittel. Insbesondere ist § 280 I BGB hier direkt und nicht über die Verweisung des § 437 BGB anwendbar, da es nicht um den Mangel einer Sache, sondern die Verletzung einer Sorgfaltspflicht geht.

sehr schön

vertretbar

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C. Aus § 833 BGB I. Anwendbarkeit Der Anspruch aus § 833 ist neben § 280 BGB anwendbar, da der Eintritt in ein Vertragsverhältnis die allgemeinen deiktischen Pflichten nicht suspendiert, sondern eher noch verstärkt.

II. Haltereigenschaft B ist Halter des Hundes, da er auf eigene Kosten und zu seinem Interesse darüber verfügen.

III. Rechtsgutsverletzung Das Essen ist ruiniert, sodass eine Rechtsgutsverletzung vorliegt.

IV. Haustier Der Hund ist ein Haustier iSv § 833 BGB dar, da er zahm ist.

V. Haftungsbegründende Kausalität Die Haftungsbegründende Kausalität ist gegeben, insbesondere stellt das Loslaufen des Hundes ein typisches tierisches verhalten dar, ohne sich über die Konsequenzen bewusst zu sein.

VI. Rechtsfolge Schadensersatz nach Maßgabe der §§ 249 BGB Hier Anspruch auf 26,80€ gekürzt um 1/3 Mitverschulden des Kellners

D. Aus § 823 I BGB Der Anspruch besteht nicht, da B sich das Verhalten des Hundes nicht zurechnen lassen muss, denn hierfür greift schon § 833 BGB.

E. Gesamtergebnis: R kann von B Zahlung von 26,80€ gekürzt um ein Drittel aus § 433 II BGB sowie aus § 280 I BGB iVm Sorgfaltspflichtverletzung des B sowie aus § 833 BGB verlangen

Ihre Klausur stellt eine sehr gute Bearbeitung des Sachverhalts dar. Sie prüfen die Klausur weitestgehend mustergültig. Es bestehen nur vereinzelt Ungenauigkeiten und Lücken. So verkennen Sie insbesondere §§ 651 S. 1, 433 II, als mögliche Anspruchsgrundlage und diskutieren leider nicht die Rechtsnatur des Vertrages als Schwerpunkt der Klausur.

Im Übrigen Handelt es sich bei Ihrer Klausur um eine sehr gute Arbeit. Insoweit ist Ihre Klausur zu bewerten mit 16 Punkten.

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KLAUSUR IN DER VÜ ÖFFENTLICHES RECHT Prof. Dr. Walter WS 2017/2018

11 Punkte

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Im lau fenden WISe 2017 /2018 b ie te t P ro fessor Mann d ie Vor lesung „Immissionsschutzrecht“ an. Die Vorlesung findet mittwochs von 16-18Uhr in einem der Ludwigstraße zugewandten Hörsaal des Hauptgebäudes statt. Der Universitätsleitung wird Anfang September bekannt, dass am ersten Mittwoch des Semesters (18. Oktober) auf der Straße vor dem Hauptgebäude auch eine Kundgebung des „Aktionsbündnisses gegen Musikverdrossenheit e.V.“ stattf inden soll. Nach einer ca. zweistündigen Auftaktveranstaltung vor dem Hauptgebäude der LMU soll die Kundgebung zum Siegestor vorbei die Leopoldstraße hinaufziehen. Die Veranstaltung, die um 16 Uhr beginnen und um 20 Uhr ihr Ende an der Münchner Freiheit finden soll, richtet sich gegen die „musikalische Verarmung des öffentlichen Lebens“. Dazu sollen die Münchener Bürger durch Musik, Ansprachen und Informationsmaterialien über die musikalischen und kulturellen Angebote in der Stadt informiert werden. Die Kundgebung, an der voraussichtlich ca. 200 Personen teilnahmen werden, wurde der zuständigen Behörde rechtzeitig und in zutreffender Weise angezeigt.

Die Universitätsleitung befürchtet, dass aufgrund der Lärmentwicklung vor dem Hauptgebäude der Lehrbetrieb (u.a. die Veranstaltung von Professor Mann) unmöglich gemacht werde. Dies sei jedoch mit der grundgesetzlich verbürgten Freiheit der Wissenschaft und der Lehre unvereinbar. Auf vergangenen Kundgebungen des Aktionsbündnisses sei es - was tatsächlich zutrifft - immer wieder zu Lärmentwicklungen gekommen, die die lärmschutzrechtlichen Höchstwerte für öffentliche Gebäude in Höhe von 79 Dezibel signifikant überschritten hätten. Am 4. September stellt die Universitätsleitung deshalb einen Traf bei der zuständigen Behörde, die Kundgebung entweder ganz zu verbieten oder einen maximalen Lärmpegel im Umfeld der Lautsprecher zu gebiten, der in den Hörsälen der LMU nicht wahrnehmbar ist. Von der Behörde auf das Ansinnen der Universität angesprochen, erklärt Dr. Wagner als Leiterin der Veranstaltung und Vorstand des Aktionsbündnisses, dass die beantragten Maßnahmen nicht in Betracht kämen, schließlich genösse die Kundgebung grundrechtlichen Schutz. WI die Kundgebung durchgeführt werde, sei allein Sache des Aktionsbündnisses. Die zuständige Behörde erlässt durch den Verwaltungsinspektor Hesse einen enden Verein gerichteten Bescheid, der Dr. Wagner als Vorstand am 8. September bekanntgegeben wird, und der unter anderem folgenden Inhalt hat:

„Es wird folgende Beschränkung angeordnet:

Der Veranstalter hat sicherzustellen, dass die Lärmentwicklung in den anliegenden Gebäuden der Ludwig- und Leopoldstraße einen Höchstwert von 70 Dezibel nicht überschreitet.

Rechtsbehelfsbelehrung: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von vier Wochen nach seiner Bekanntgabe Klage

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zum Verwaltungsgericht, schriftlich oder zur Niederschrift durch den Urkundsbeamten, erhoben werden.“

Zur Begründung führt die Behörde unter anderem aus, dass ohne die ergriffenen Maßnahmen die Aufrechterhaltung des Lehrbetriebes an der LMU nicht gewährleistet sei. Darüber hinaus dürfte auch die Feierabendruhe der „hart arbeitenden Bevölkerung“ im „gutbürgerlichen“ Schwabing nicht mit lautstarken Veranstaltungen wie der geplanten gestört werden.

Um die Kundgebung am 18. Oktober doch noch wie ursprünglich geplant zu retten, stellt Dr. Wagner als Vertreterin des Vereins am 12. Oktober einen Antrag bei Gericht auf einstweiligen Rechtsschutz. AM selben Tag erhebt sie auch Klage gegen den nach ihrer Auffassung rechtswidrigen Bescheid. Sie führt aus, dass es schon verfahrensrechtlich nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Schließlich sei Hesse nicht nur Schwager von Professor Mann, sondern auch Inhaber eine Wohnung an der Leopoldstraße und deshalb sicherlich „befangen“.

Bearbeitervermerk: Erstellen Sie ein Gutachten zu der Frage, ob der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz Aussicht auf Erfolg hat.

Bearbeiterhinweise: Die Ausführungen der Universität zur Überschreitung der einfachrechtlichen Lärmschutzvorschriften sind als zutreffend zu unterstellen. Eine Prüfung der Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetz ist nicht erforderlich. Auf die Art. 15, 24 f. des Bayerischen Versammlungsgesetz (BayVersG) sowie folgende Vorschrift des Bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSchG) wird hingewiesen.

Art. 11 - Rechtsstellung (1) Die Hochschulen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung um Rahmen der Gesetze. Sie sind zugleich staatliche Einrichtungen.

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Der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist.

A. Zulässigkeit

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs Mangels aufdrängender Sonderverweisung, richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 I 1 WwGO. Es müsste eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht-verfassungsgerichtlicher Art vorliegen. Öffentlich-rechtlich ist die Streitigkeit, wenn die streitentscheidenden Normen im Hauptsacheverfahren solche des öffentlichen Rechts sind. Dies ist der Fall, wenn sie einen Hoheitsträger einseitig berechtigen und verpflichten (modifizierte Subjekttheorie). Vorliegend geht es im Hauptsachverfahren um Normen des BayVerwG, die als besonderes Sicherheitsrecht zum öffentlichen Recht gehören und die zuständige Behörde ggf. zu Beschränkungen berechtigen. Zudem müsste die Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art sein. Mangels doppelter Verfassungsunmittelbarkeit (Normen, Beteiligte) ist dies der Fall. Somit ist besagte öffentlich rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art. Eine abdrängende Sonderverweisung ist nicht ersichtlich. Der Verwaltungsrechtsweg ist gem. § 40 I 1 VwGO eröffnet.

II. Statthafte Antragsart Die statthafte Antragsart richtet sich nach dem Antragsbegehren, das ggf. auszulegen ist ( §§ 88, 86 II VwGO). Der Verein begehrt vorliegend einstweiligen Rechtsschutz. Vorschriften hierzu finden sich in § 123, 80, 80a VwGO. Gem. § 123 V VwGO ergibt sich ein Vorrang der §§ 80, 80a VwGO, wenn in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft ist. Fraglich ist, ob dem so ist. Der Verein begehrt in der Hauptsache die Aufhebung des ergangenen Bescheides. Es könnte sich somit um eine Anfechtungsklage gem. § 42 I Var. 1 VwGO handeln, wenn es sich bei dem Bescheid um einen Verwaltungsakt gem. § 35 I VwVfG handelt (zur Auslegung des Bundesgesetzes der VwGO wird vorliegend auf das Bundes VwVfG zurückgegriffen). Der Bescheid wurde laut Sachverhalt von einer Behörde ( § 1 IV VwVfG) zur Regelung einer Rechtsfolge eines Einzelfalls, nämlich der Versammlung am 18.10. mit Außenwirkung erlassen. Es handelt sich damit um einen

genau: Art. 15 I BayVersG

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Verwaltungsakt gem. § 35 S. 1 VwVVfG, sodass in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft ist. Mangels Doppelwirkung des Verwaltungsakts ist somit die Vorschrift des § 80 VwGO einschlägig. Weiterhin dürfte die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung entfalten. Dies ist vorliegend gem. § 80 II 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 25 BayVersG. Somit ist der Antrag nach § 80 V VwGO statthaft.

III. Antragsbefugnis Der Verein müsste gem. § 42 II VwGO analog geltend machen, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Als Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes könnte der Verein zumindest in Art. 2 I iVm Art. 19 III GG verletzt sein. Zudem erscheint eine Verletzung in Art. 8 GG nicht von vornherein ausgeschlossen. Der Verein ist damit antragsbefugt gem. § 42 II VwGO analog.

IV. Beteiligtenbezogene Voraussetzungen 1. Antragsteller Der Verein ist als juristische Person gem. § 61 Nr. 1 Var. 2 VwGO beteiligtenfähig. Es wird gem. § 62 III VwGO iVm. § 26 BGB durch den Vorstand vertreten.

2. Antragsgegner Die Stadt M ist gem. § 61 Nr. 1 Var. 2 VwGO beteiligtenfähig. Sie wird gem. § 62 III VwGO iVm. Art. 38 I, 34 I 2 GO durch den Oberbürgermeister vertreten.

V. Zuständiges Gericht Gem. § 80 V 1 VwGO ist das Gericht in der Hauptsache zuständig, Dies ist vorliegend das VG München gem. §§ 45, 52 Nr. 1 VwGO iVm. Art. 1 II Nr. 1 AGVwGO.

VI. Form Mangels entgegenstehender Angaben im Sachverhalt, ist von einem formgerechten, schriftlichen Antrag gem. § 81 VwGO analog auszugehen.

VII. Rechtsschutzbedürfnis 1. Klage in der Hauptsache Gem. § 80 V 2 VwGO ist der Antrag schon vor Erhebung der Klage zulässig. Die Frage, ob die Klage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung

Schön!Gut dargestellt!

Gut!

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erhoben werden muss, kann dahingestellt bleiben, da der Verein auch Klage erhoben hat.

2. Vorheriger Antrag Fraglich ist, ob ein vorheriger Antrag bei der Behörde erforderlich gewesen wäre. Aus dem Umkehrschluss aus § 80 VI VwGO ergibt sich das Erfordernis eines vorherigen Antrages nur im Falle des § 80 II 1 Nr. 1 VwGO. Ein vorheriger Antrag war damit nicht erforderlich. 3. keine Bestandskraft Zwar bedarf es im Falle eines Antrags nach § 80 V VwGO keiner Frist, jedoch fehlt dem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Verwaltungsakt bestandskräftig wurde. Fraglich ist somit, ob im Zeitpunkt der Antragstellung der Bescheid bestandskräftig war. Bestandskraft entsteht mit Verstreichen der Klagefrist. Diese richtet sich vorliegend nach § 74 I 2 VwGO und beträgt einen Monat nach Bekanntgabe (§ 41 VwVfG). Laut Sachverhalt wurde der Bescheid dem Vorstand des Vereins am 08.09.2017 bekanntgegeben. Die Frist beginnt somit gem. §§ 57 II VwGO, 222 ZPO, 187 BGB am 09.09.2017. Zwar ist dies ein Samstag, sodass man zumindest gem. § 31 III 1 VwVfG eine Verschiebung auf den nächsten Werktag annehmen könnte. Allerdings betrifft § 31 III VwVfG nur den Fall des Fristendes, sodass im Hinblick auf Sonnabends-/Feiertagsruhe nicht derselbe Schutz des Beteiligten erforderlich ist. Die Frist beginnt somit am 09.09.2017 zu laufen und endet gem. § 57 II VwGO, 222 ZPO 188 BGB an dem Tag, der dem Tag des Ereignisses entspricht, nur einen Monat später. Dies wäre hier der 8.10.2017. Dies ist ein Sonntag, sodass sich die Frist gem. § 222 II ZPO auf den nächsten Werktag, also den 9.10.2017 verschiebt. Allerdings erhob der Verein erst am 12. 10. 17 klage, sodass der Verwaltungsakt schon bestandskräftig gewesen wäre. Gem. § 58 I VwGO beginnt die Frist nur zu laufen, wenn eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung statt fand. Dies erscheint vorliegend zweifelhaft, weil die einzuhaltende Frist für die Klage einen Monat ist. In der Belehrung ist aber nur die Rede von vier Wochen, sodass die Belehrung vorliegend bezüglich der einzuhaltenden Frist unrichtig ist. Zudem wurde auch nicht der Sitz des Gerichts benannt. Die Belehrung ist damit unrichtig, sodass gem. § 58 II VwGO die Klage innerhalb eines Jahres erhoben werden kann. Die Klageerhebung war somit fristgerecht bzw. ist die Klagefrist noch

Sehr gut!

genauer zitieren!

Sehr schön dargestellt

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nicht verstrichen, sodass der Verwaltungsakt nicht bestandskräftig wurde. Dem Verein fehlt damit nicht das Rechtsschutzbedürfnis.

VIII. Zwischenergebnis Der Antrag ist zulässig.

B. Beiladung § 65 I VwGO Eine Beiladung der Hochschule, also dessen Vertreter, könnte man gem. § 65 I VwGO andenken.

C. Begründetheit. Der Antrag des Vereins ist begründet, wenn er sich gegen den richtigen Antragsgegner richtet ( § 78 Nr. 1 VwGO analog) und das Aussetzungsinteresse des Verein das Vollzugsinteresse der Behörde überwiegt. In diesem Fall kann das Gericht gem. § 80 V 1 VwGO die aufschiebende Wirkung am oder teilweise anordnen.

I. Antragsgegner Gem. § 78 I Nr. 1 VwGO analog ist der Antrag gegen den Rechtsträger der Behörde zu richten, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Gem. Art. 24 II 1 BayVersG ist die zuständige Behörde die Kreisverwaltungsbehörde, also das Landratsamt, das staatliche Aufgaben wahrnimmt. (Art. 37 I 2 LKrO). Allerdings ist München eine kreisfreie Stadt, sodass diese selbst die Aufgaben des Landratsamtes wahrnimmt ( Art. 9 GO). Richtiger Antragsgegner ist somit die Stadt M als ihr eigener Rechtsträger.

II. Formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung Es bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte, die gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung sprechen.

III. Interessenabwägung Fraglich ist somit, ob das Aussetzungsinteresse des Vereins das Vollziehungsinteresse überwiegt. Maßgebliches Indiz hierfür sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache. Fraglich ist somit, ob die Klage des Vereins auf Aufhebung des Bescheides zulässig und begründet ist.

Es handelt sich hier nicht um eine sofortige Vollzugsanordnung

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1. Zulässigkeit Aufgrund der Akzessorietät von Antrag und Klage bestehen keine Anhaltspunkte für die Unzulässigkeit. Insbesondere ist ein Vorverfahren wegen § 68 I 2 HS. 1 VwGO i.V.m. Art. 15 II, I AGVwGO in Bayern nicht statthaft. Die Klage in der Hauptsache ist damit zulässig.

2. Begründetheit Die Anfechtungsklage des Vereins ist begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Beklagten richtet (§ 78 I Nr. 1 VwGO) soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und der Verein in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 I 1 VwGO).

(a) Passivlegitimation Richtiger Klagegegner ist die Stadt M (§ 78 I Nr. 1 VwGO) s.o.

(b) Rechtswidrigkeit des Bescheids Fraglich ist, ob der Bescheid rechtswidrig ist.

i. Rechtsgrundlage Aufgrund des Gesetzes (Art. 20 III GG), bedarf es einer Rechtsgrundlage, wenn in Rechte eingegriffen wird. Eine solche ergibt sich vorliegend aus Art. 15 I BayVersG.

ii. Formelle Rechtmäßigkeit (α) Zuständigkeit Gem. Art. 24 II 1 BayVersG i.V.m. Art. 9 GO ist die Stadt M für die Beschränkung gem. Art. 15 BayVersG zuständig.

(β) Verfahren Fraglich ist, ob das Verfahren ordnungsgemäß war. Eine Anhörung gem. Art. 28 I BayVwVfG erfolgte laut Sachverhalt. Fraglich ist aber die Beteiligung von Hesse als Schwager des Professors sowie als Inhaber der Wohnung. Er könnte gem. Art. 20 I 1 Nr. 2, V 1 Nr. 2 BayVwVfG befangen sein, weil er der Schwager des Professors ist. Gem. Art. 13 I Nr. 4, II BayVwVfG ist der Professor Beteiligter. Hesse ist somit Angehöriger eines Beteiligten und wäre demnach befangen.

fraglich

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Das Verfahren wäre somit nicht ordnungsgemäß und der Verwaltungsakt rechtswidrig. Allerdings ist ein Verwaltungsakt gem. Art. 44 III Nr. 2 BayVwVfG nicht schon deshalb nichtig, weil eine befangen Person mitgewirkt hat. Eine Heilung nach Art. 45 BayVwVfG ist jedoch nicht ersichtlich. Auch folgt keine Nichtigkeit aus Art. 46 BayVwVfG. Die Tatsache, dass Hesse eine Wohnung an der Straße hat, an dem die Versammlung vorbeiziehen will, ist kein Befangenheitsgrund nach Art. 20f BayVwVfG. Zwar liegt ein Verfahrensfehler vor, der Verwaltungsakt ist deshalb aber nicht nichtig.

(ɣ) Form Die Form des Art. 37 und 39 BayVwVfG wurde eingehalten.

iii. Materielle Rechtmäßigkeit Fraglich ist, ob die Voraussetzungen des Art. 15 I BayVersG vorliegen und ob die Behörde das Ermessen richtig ausgeübt hat. Zunächst müsste eine Versammlung vorliegen. Diese ist dem Art. 2 II GG eine Zusammenkunft von mind. 2 Personen, die sich zur gemeinschaftlichen Kundgebung zusammen getan haben. Vorliegend treffen sich ca. 200 Personen, um gegen die musikalische Verarmung des öffentlichen Lebens vorzugehen. Dies ist aufgrund der Meinungsbildung auch eine Versammlung. Sie ist auch öffentlich, da keine Beschränkung auf einen Personenkreis erfolgte (Art. 15 II BayVersG). Diese Versammlung wurde auch angezeigt (Art. 13 BayVersG). Die Behörde traf die Maßnahme nach Art 15 BayVersG auch rechtzeitig. Fraglich ist, ob die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährdet ist. Das sind vor allem die Rechtsordnung selbst, sowie Einrichtungen des Staates sowie die geltenden Regeln der Gesellschaft, die unmittelbar gefährdet sein müssen. Durch die Überschreitung der Lautstärke sind Vorschriften des BIMSchG betroffen, die auch unmittelbar gefährdet sind, wenn nicht eine Beschränkung erfolgt. Die Voraussetzungen des Art. 15 I BayVersG liegen vor, sodass die zuständige Behörde eine Beschränkung vornehmen konnte. Es handelt sich also um eine Ermessensentscheidung, die überprüfbar ist auf Ermessensfehler (§ 114 VwGO; Art. 40 BayVwVfG) In Betracht kommt vorliegend ein Ermessensfehlgebrauch, also dass die

Dies hätte ausführlicher erläutert werden müssen, vgl. Art. 20 I 2 BayVwVfG

BayVersG

Wie sieht es mit der überwiegend musikalischen Gestaltung der Kundgebung aus?

Schön!

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Behörde ihr Ermessen nicht entsprechend dem Zweck des Ermächtigung ausgeübt hat. Dies wäre insbesondere der Fall, wenn ein ungerechtfertigter Eingriff in die Versammlungsfreiheit gem. Art. 8 I GG vorliegt. Der Schutzbereich ist eröffnet, weil es sich um eine Versammlung handelt (s.o.), Gem. Art. 8 II GG gilt für Versammlungen unter freien Himmel, wie die vorliegende, ein einfacher Gesetzesvorbehalt. Dieses Gesetz ist insbesondere Art. 15 BayVersG zur Abwehr der Gefahren für öffentliche Sicherheit und Ordnung verfolgt es einen legitimen Zweck. Es ist auch geeignet, um die Gefahr abzuwehren. Ein gleich effektives aber milderes Mittel ist nicht ersichtlich, insbesondere liegt vorliegend nur eine Beschränkung der Lautstärke vor, nicht aber eine Beschränkung der ganzen Versammlung. Die Beschränkung ist damit auch verhältnismäßig. Es liegt kein Ermessensfehlgebrauch vor. Die Behörde hat ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Der Verwaltungsakt ist daher materiell rechtmäßig.

iv. Zwischenergebnis Aufgrund der Befangenheit des Hesse (s.o.) liegt ein Verfahrensfehler vor. Der Verwaltungsakt ist formell rechtswidrig, aber nicht nichtig. Aufgrund der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ist der Verein auch in seinen Rechten verletzt. (zumindest Art. 2 I i.V.m. Art. 19 III GG)

3. Ergebnis für Klage Die Klage in der Hauptsache ist zulässig und begründet.

IV. Ergebnis Abwägung Das Aussetzungsinteresse des Vereins überwiegt somit. Der Antrag ist somit begründet.

D. Ergebnis Der Antrag des Vereins ist zulässig und begründet. Das Gericht wird gem. § 80 V 1 VwGO die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung anordnen.

Gut!

Fehlt: Herstellung praktischer Konkordanz mit Art. 5 GG

Fehlt: Einstellen von sachfremden Erwägungsgründen: Schutz der Feierabendruhe eines „gutbürgerlichen Stadtteils“

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Allgemeines

Beherrscht Weitgehend beherrscht

Streckenweise problematisch

Nicht beherrscht

Gutachtenstil X

Stil und Ausdruck X

Prüfungsaufbau X

Orientierung an Aufgabenstellung X

Argumentation und Subsumtion X

Obersätze X

Problemerkenntnis/-bearbeitung X

Konsistenz; Logik, Widerspruchsfreiheit X

Schwerpunktsetzung/Klausurökönomie X

11 Punkte

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KLAUSUR IN DER VÜ ÖFFENTLICHES RECHT Prof. Dr. Walter WS 2017/2018

15 Punkte

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Die kreisangehörige Gemeinde Schönau am Königssee mit 5.544 Einwohner liegt inmitten des Nationalparks Berchtesgaden am Königssee in Oberbayern. Die Gemeinde wird wegen des einmaligen Alpenpanoramas gerne von Kurgästen und anderen Touristen besucht und erzählet ihr Einnahmen daher vor allem durch Fremdenverkehr.

Direkt am Seeufer des Königssees befindet sich eine in öffentlicher Hand stehende, bei den Gemeindebürgern als „Seeblick“ bekannte, frei zugängliche Fläche, welche sowohl bei den Kurgästen als auch bei aus den bergen zurückkehrenden Ausflüglern äußerst beliebt ist, um warme Sommerabende dort ausklingen zu lassen. Wohngebäude befinden sich nicht in näherer Umgebung. Seit Sommer 2016 entwickelte sich der „Seeblick“ zu einem beliebten Treffpunkt für Jugendliche, die dort bis spät in den Abend hinein alkoholische Getränke zu sich nehmen und unter Zuhilfenahme von tragbaren Lautsprechern Musik hören. Vor allem die Kurgäste fühlten sich schnell durch die Musik und die betrunkenen Jugendlichen gestört. Immer wieder kam es daher zu Konflikten zwischen den Jugendlichen und rüstigen Kurgästen. Im Sommer 2017 wurde mehrmals die Polizei herbeigerufen, um zwischen den Konfliktparteien zu schlichten. Zu Handgreiflichkeiten kam es dabei jedoch nie.

Dennoch sieht sich die Erst Bürgermeisterin Bauer (B) gegen Ende der Sommersaison unter dem Druck der Hotelbetreiber gezwungen, tätig zu werden, um die alte Idylle am Seeufer wiederherzustellen. Die Wurzel des Übels sieht sie im übermäßigen Alkoholkonsum vor Ort, dem sie deswegen einen Riegel vorschieben möchte. Se setzt daher den Punkt „Seeblick - Verordnungserlass“ auf die Tagesordnung der Gemeinderatssitzung vom 4. September 2017 und verschickt diese rechtzeitig an die Gemeinderatsmitglieder.

Zur Sitzung erscheinen neben B 19 Gemeinderatsmitglieder. Gemeinderat Maier (M) befindet sich berufsbedingt im Ausland und hatte sich bereits bei der letzten Gemeinderatssitzung entschuldigt, weshalb die Erst Bürgermeisterin ihn gar nicht erst geladen hat.

Da das geplante Alkoholverbot in der Gemeinde durchaus umstritten ist und die Gemeinderatsmitglieder Tumulte im Saal befürchten, entscheiden sie, zu diesem Punkte die Öffentlichkeit auszuschließen. Aus Sicht der Gemeinderätin Huber (H) ist der Ausschluss der Öffentlichkeit das falsche Zeichen. Sie kritisiert dieses „undemokratische Vorgehen“. Verärgert verweist die Erst Bürgermeisterin die Gemeinderätin Huber mit der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Gemeinderates des Saales, um weitere Störungen der Beratung und Abstimmung zu vermeiden. Unter Protest verlässt die Gemeinderätin Huber den Saal.

Daraufhin berät der Gemeinderat und beschließt schließlich bei sechs Enthaltungen mit sieben zu sechs Stimmen die folgende Verordnung:

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„§ 1 Am Seeblick ist der Verzehr von alkoholischen Getränken in der Zeit von 20.00 Uhr bis 06.00 Uhr verboten.

§ 2 Am Seeblick ist das Mitführen von alkoholischen Getränken in der in § 1 genannten Zeit verboten, soweit die Getränke den Umständen nach zum dortigen Verzehr bestimmt sind.

§ 3 De Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft und gilt für vier Jahre“

Die Verordnung wird am 11. September 2017 bei der Gemeindeverwaltung niedergelegt, worauf die regionale Tageszeitung, der „Seebote“ hinweist. Zudem wird die Verordnung auf der Homepage der Gemeinde veröffentlich. Ein eigenes Amtsblatt hat Gemeinde Schönau nicht. Da die erste Bürgermeisterin unmittelbar nach der Abstimmung über den letzten Tagesordnungspunkt in der Urlaub gefahren ist und erst am 15. September 2017 zurückkehrte, unterzeichnete sie die Verordnung erst nach ihrer Rückkehr.

Nach der Unterzeichnung erfährt die Kommunalaufsicht vom Beschluss der Verordnung. Sie hat erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verordnung: Es seien zahlreiche Verfahrensfehler bei Erlass der Verordnung passiert. Zudem fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Verordnung. Eine solche werde auch gar nicht von der Verordnung benannt. Jedenfalls seien grundrechtliche Wertungen verkannt worden. Ein Dritter, der die Bezeichnung „Seeblick“ nicht zuordnen könne, wisse im Übrigen nicht, auf welchen Ort sich die Verordnung beziehe.

Bearbeitervermerk:

Bitte beantworten Sie folgende Fragen in der angegebenen Reihenfolge:

1) Ist die Verordnung rechtmäßig? (ca. 75%) 2) Die Kommunalaufsicht hält die Verordnung für rechtswidrig. Hat die Kommunalaufsicht

Möglichkeiten, etwas gegen die Verordnung zu unternehmen, und falls ja, welche? (ca. 10%)

3) Mit welchem Rechtsbehelf könnte sich die Gemeinde gegen eine potentielle Maßnahme der Kommunalaufsicht wehren? Auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs ist nicht einzugehen.

Hinweis: Die Vorschriften des OWiG bleiben bei der Bearbeitung außer Betracht.

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1. Frage: Rechtmäßigkeit der Verordnung

D i e Ve r o r d n u n g i s t r e c h t m ä ß i g , w e n n s i e a u f e i n e Ermächtigungsgrundlage gestützt wurde und formell sowie materiell rechtmäßig ist.

A. Ermächtigungsgrundlage Die Gemeinde müsste zum Erlass der Verordnung ermächtigt sein. Grundsätzlich könnte sich diese Ermächtigung aus Art. 42 I 1 LStVG ergeben. Dazu müsste sie durch eine andere Rechtsvorschrift ermächtigt sein. Eine Ermächtigung könnte sich vorliegend aus Art. 30 I 1 LStVG ergeben. Dennoch ist die Gemeinde dazu berechtigt, den Verzehr auf öffentlichen Flächen zu regeln. Eine Ermächtigungsgrundlage liegt vor.

B. Formelle Rechtmäßigkeit Die Rechtsverordnung müsste darüber hinaus formell rechtmäßig sein.

I. Zuständigkeit Zunächst müsste die zuständige Behörde gehandelt haben. Die Verbandskompetenz liegt dabei gem. Art. 42 I 1 LStVG i.V.m. Art 30 I 1 LStVG beim Gemeinderat. Die Organkompetenz liegt grundsätzlich gem. art. 29 GO beim Gemeinderat, es sei denn, sie liegt im Zuständigkeitsbereich des Bürgermeisters nach Art. 37 I 1 Nr. 1 GO. Dazu müsste die Rechtsverordnung eine laufende Angelegenheit sein. Darunter versteht man Angelegenheiten, die keine grundsätzliche Bedeutung für die Gemeinde haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen. Jedoch ist dies gerade bei einer Rechtsverordnung nicht der Fall, denn sie hat erhebliche Bedeutung für die Gemeinde. Somit liegt die Organkompetenz gem. Art. 29 GO beim Gemeinderat.

II. Verfahren Das Verfahren müsste ordnungsgemäß stattgefunden haben. Dabei stehen vor allem die Art. 45f. GO im Fokus.

1. Ordnungsgemäße Ladung Zunächst müsste eine ordnungsgemäße Ladung gem. Art 46 II GO durch die Bürgermeisterin als Vorsitzende des Gemeinderats

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Art. 36 1 GO. Dazu müssten alle Gemeinderatsmitglieder unter Angabe der Tagesordnung und einer angemessenen Frist geladen werden. Letzteres ist eingehalten, da die Ladungen laut Sachverhalt rechtzeitig geschickt wurden. Die Bezeichnung „Seeblick-Verordnungserlass“ ist ebenfalls hinreichend bestimmt, da der Name bei den Gemeindebürgern bekannt ist. Fraglich ist, ob die Nicht-Ladung des Maier ein Verfahrensfehler gem. Art. 46 II 2 GO ist. Vorliegend stell t die Nicht-Ladung einen individuellen Verfahrensfehler da, denn die Bürgermeisten weiß nicht, ob der Maier bei einem bestimmten Thema den Auslandsaufenthalt nicht doch unterbrochen hätte oder seiner Fraktion Argumente zum Thema hätte zukommen lassen. Ein Verfahrensfehler liegt somit vor. Er könnte nur durch eine regellose Beteiligung das Maier an dem Beschluss geheilt werden können. Dies ist nicht erfolgt. Somit ist der Beschluss bereits formell rechtswidrig.

2. Beschlussfähigkeit des Gemeinderats Art. 47 II GO Darüber hinaus müsste der Gemeinderat beschlussfähig sein gem. Art. 47 II GO. Dies ist dann gegeben, wenn sämtliche Mitglieder ordnungsgemäß geladen sind (s.o.) und die Mehrheit der Mitglieder anwesend und stimmberechtigt ist. Die Ladung ist, wie bereits oben festgestellt, fehlerhaft. Gem. Art. 31 II 2 GO beträgt die Zahl der Gemeinderatsmitglieder in Schönau bei 5544 Einwohnern 20. Von diesen waren 19 Mitglieder anwesend, also die Mehrheit der Mitglieder. Dennoch ist die Beschlussfähigkeit mangels ordnungsgemäßer Ladung nicht gegeben.

3. Ausschluss der Öffentlichkeit Art. 52 I 1, 2, II GO Die Öffentlichkeit müsste ordnungsgemäß ausgeschlossen worden sein gem. Art. 52 II GO. Dennoch sind sie grundsätzlich öffentlich, soweit nicht Rücksicht auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche einzelner entgegen stehen. Über diesen Ausschluss wird in einer nichtöffentlichen Sitzung beraten und entschieden. Fraglich ist bereits, ob ein Ausschluss hätte stattfinden dürfen. Die Be te i l i gung de r Öffen t l i chke i t i s t e in Ausd ruck des Demokratieprinzips und Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 II, III GG. Dieses hohe Gut darf daher nur aus wichtigen Gründen ausgeschlossen werden. Drohende Tumulte im Saal sind dazu nicht ausreichend.

gut

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Gegen solche könnte die Bürgermeisterin auch mittels dem ihr zugestanden Hausrecht aus Art. 53 I 1, 2 GO vorgehen. Daher ist der Abschluss der Öffentlichkeit gem. Art. 52 II GO ein weiterer Verfahrensfehler. Fraglich ist, wie sich ein solcher auswirkt. Nach einer Ansicht handelt es sich dabei um eine bloße Ordnungsvorschrift, d.h. ein Verstoß würde nicht zur Rechtswidrigkeit führen. Nach dem BayVGH führt ein Verstoß zur Rechtswidrigkeit. Dabei stützt sich der BayVGH auf die Wichtigkeit der verletzten Güter aus Art. 20 I, III GG. Da bereits ein Verfahrensverstoß vorliegt, der den Beschluss rechtswidrig macht (s.o.) ist der Streit vorliegend nicht zu entscheiden.

4. Verweisung der H des Saales Art. 53 I 3 GO Fraglich ist, ob die Verweisung des Saales der H rechtmäßig war. Die Bürgermeisterin ist gem. Art. 53 I 3 GO dazu berechtigt, mit Zustimmung des Gemeinderats Mitglieder, welche die Ordnung fortgesetzt erheblich stören, von der Sitzung auszuschließen. Die Zustimmung des Gemeinderats liegt laut Sachverhalt vor. Eine erhebliche Störung liegt vor, wenn der Fortgang der Sitzung mehr als zweimal mögliche gemacht wird. Es sind hohe Anforderungen zu stellen, da das Gemeinderatsmitglied so in seinen Rechten aus Art. 48 I 1 GO verletzt wird. Die H hat lediglich den Ausschluss der Öffentlichkeit kritisiert. Hierzu ist keine erhebliche Störung der Ordnung zu sehen. Der Ausschluss gem. Art. 53 I 3 GO war also ebenfalls nicht ordnungsgemäß und stellt einen Verfahrensfehler dar.

5. ordnungsgemäße Abstimmung Art. 51 I 1 GO Die Abstimmung müsste gem. Art. 51 I 1 GO ordnungsgemäß erfolgt sein. Beschlüsse werden demnach in offener Abstimmung mit Mehrheit der Abstimmenden gefasst. Fraglich ist, wie es sich auswirkt, dass 6 Mitglieder mit einer Enthaltung gestimmt haben. Grundsätzlich darf sich gem. Art. 48 I 2 GO kein Mitglied der Stimme enthalten. Jedoch führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit des Beschlusses, sondern zu einer Geldbuße. Somit liegt eine Mehrheit gem. Art 51 I 1 GO von 7 zu 6 Stimmen für den Beschluss vor. Problematisch ist der Ausschluss der H, die dadurch um ihr Mitwirkungsrecht aus Art. 48 GO gebracht wurde und ggf. die entscheidende Stimme gegen die Rechtsverordnung gebracht oder andere von ihrer Meinung überzeugt haben könnte. Dies könnte

Entscheiden Sie sich trotzdem (für die Rechtswidrigkeit)

trotzdem entscheiden! (s.o.)

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die Rechtswidrigkeit der Abstimmung zur Folge haben. Da der Beschluss schon im verfahren formell rechtswidrig ist, ist dies ebenfalls nicht mehr zu entscheiden.

6. Zwischenergebnis Das Verfahren des Beschlusses leidet unter erheblichen Verfahrensfehlern.

III. Form Art. 51 I LStVG Die Rechtsverordnung müsste ordnungsgemäß gefertigt und bekannt gemacht worden sein Art. 51 I LStVG. Dafür ist gem. Art. 36 1 GO der erste Bürgermeister, hier die Bürgermeisterin zuständig. Die Bekanntmachung erfolgt am 11.09.2017 über die regionale Zeitung und die Homepage, Art. 52 LStVG. Die Ausfertigung der Bürgermeisten durch ihre handschriftliche Unterschrift erfolgt erst danach, am 15.09.2017. Bei der Ausfertigung und Bekanntgabe herrscht eine strenge Chronologie. Die Bekanntgabe erfolgt hier vor der Ausfertigung, wodurch ein weiterer Verfahrensfehler gegeben ist. Darüber hinaus ist fraglich, ob § 3 der VO zulässig ist. Gem. Art. 50 I 1 LStVG treten bewehrte Verordnungen eine Woche nach ihrer Bekanntmachung in Kraft. Jedoch kann gem. Art. 50 I 2 LStVG in der Verordnung ein anderer Zeitpunkt bestimmt werden, frühestens jedoch der auf die Bekanntmachung folgende Tag. Dies ist vorliegend geschehen, daher ist § 3 zulässig.

IV. Zwischenergebnis: Aufgrund von erheblichen Fehlern in Verfahren und Form ist die Rechtsverordnung formell rechtswidrig.

C. Materielle Rechtmäßigkeit Fraglich ist, ob die Verordnung auch materiell rechtswidrig ist. Zunächst ist dabei die Vereinbarkeit mit der Ermächtigungsgrundlage zu prüfen, Art. 45 I LStVG.

I. Vereinbarkeit mit Art. 30 I 1 LStVG Gem. Art 30 I 1 LStVG kann die Gemeinde durch Verordnung auf bestimmten öffentlichen Flächen den Verzehr von alkoholischen Getränken in der Zeit von 22-6 Uhr verbieten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dort aufgrund von

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übermäßigem Alkoholkonsums regelmäßig Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder Straftaten begangen werden.

1. öffentliche Fläche Der „Seeblick“ müsste eine öffentliche Fläche, also außerhalb von Gebäuden sein, Art. 30 I 1 LStVG. Laut Sachverhalt ist der Seeblick eine frei zugängliche Fläche in der in der öffentlichen Hand stehend. Eine öffentliche Fläche liegt vor.

2. Anhaltspunkte für Ordnungswidrigkeiten/Straftaten Es müssten Anhaltspunkte gem. Art. 30 I 1 LStVG vorliegen. Laut Sachverhalt ist der Seeblick zu einem beliebten Treffpunkt für Jugendliche geworden, die dort alkoholische Getränke zu sich nehmen. Zwar kam es zu Konflikten, bei denen auch die Polizei ausrücken musste, jedoch kam es nie zu Handgreiflichkeiten. Daher gab es bisher keine Anzeichen für erhebliche Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten (Art. 30 II LStVG) aufgrund des Alkoholkonsums. Insbesondere die öffentliche Sicherheit müsste gem. Art. 30 II LStVG betroffen sein, also alle subjektiven Rechte des Einzelnen, sowie die Rechtsordnung im Allgemeinen und öffentliche Einrichtung oder Veranstaltungen. Für eine solche erhebliche Beeinträchtigung gibt es keine Anhaltspunkte.

3. Uhrzeit Darüber hinaus deckt die Verordnung auch nicht die angegebene Uhrzeit von 22 - 6 Uhr, sondern enthält eine Uhrzeit von 20 - 6 Uhr. Dazu berechtigt sie die Ermächtigungsgrundlage nicht.

4. Die Befristung auf 4 Jahre gem. Art. 30 I 2 LStVG ist erfolgt.

5. Zwischenergebnis Bereits die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage aus Art. 30 I, II LStVG wurden von der Verordnung nicht eingehalten, wodurch es auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung nicht mehr ankommt. Die Verordnung ist also ebenfalls materiell rechtswidrig, Art. 45 I LStVG.

II. Zittergebot Art. 45 II LStVG Gem. Art. 45 II LStVG soll in jeder Verordnung ihre Ermächtigungsgrundlage angegeben werden. Auch dies ist vorliegend

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nicht erfüllt. Jedoch ist dies bloß eine Ordnungsvorschrift und Art. 80 I 3 GG ist nicht anwendbar.

III. Zwischenergebnis Verstoß gegen Grundrechte Vorliegend käme ein Verstoß gegen Art. 2 I GG in Betracht, also die allgemeine Handlungsfreiheit. Joch darf dagegen aufgrund eines anderen Gesetzes gem. Art. 2 II 3 GG eingegriffen werdne. Diese Schranke ist hierbei Art. 30 I 1 LStVG.

IV. Bestimmtheitsgebot Die Verordnung müsste darüber hinaus bestimmt genug sein. Fraglich ist, ob das bei der Bezeichnung „Seeblick“ ausreichend ist. Jedoch kennen die Bürger laut Sachverhalt die Fläche unter dem Namen „Seeblick“, somit isst das Bestimmtheitsgebot gewahrt. V. Zwischenergebnis Die Verordnung ist auch materiell rechtswidrig.

D. Gesamtergebnis Die Rechtsverordnung ist sowohl formell als auch materiell rechtswidrig.

2. Frage Die Kommunalaufsicht hat Möglichkeiten, sich gegen die Rechtsverordnung zu wenden. Dabei ist zunächst festzustellen, welches die richtige Aufsichtsbehörde ist (Fach- oder Rechtsaufsicht). Die Rechtsaufsichtsbehörde ist gem. Art. 100 I GO dann zuständig, wenn es sich um Angelegenheiten im eigenen Wirkungskreis Art. 7 GO der Gemeinde handelt. Die Fachaufsicht ist demnach gem. Art. 109 II GO zuständig, wenn es sich um übertragene Angelegenheiten handelt, Art. 8 GO. Vorliegend handelt es sich um eine Rechtsverordnung, erlassen nach dem Sicherheitsrecht, Art. 42 I, 30 I 1 StVG. Diese sind gem. Art. 42 I 2 LStVG Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises, sodass grundsätzlich die Fachaufsicht zuständig wäre. Es gibt jedoch eine Sondervorschrift in Art. 49 I 1 LStVG, sodass hier ausnahmsweise die Rechtsaufsicht richtige Kommunalaufsicht ist. Fraglich ist nur, welche Maßnahmen sie ergreifen kann. Gem. Art. 112 1 GO kann sie rechtswidrige Beschlüsse und Verfügungen der

Die Verordnung gilt auch für Ortsfremde!

gut gesehen!

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Gemeinde beanstanden und ihre Aufhebung oder Änderung verlangen. Kommt die Gemeinde dem nicht nach, kann sie gem. Art. 113 1 GO die notwendige Maßnahme an der Stelle der Gemeinde selbst verfügen und vollziehen. Mit diesen Möglichkeiten kann also die Rechtsaufsicht vorliegend gegen die Verordnung vorgehen.

3. Frage Die Gemeinden können sich im Rahmen der Anfechtungsklage gem. § 42 I Alt. 1 VwGO gegen Maßnahmen der Kommunalaufsicht wehren. Der Verwaltungsrechtsweg ist gem. § 40 I 1 VwGO eröffnet, da die streitentscheidenden Normen Art. 109f. GO solche der GO sind (modifizierte Subjektstheorie) Fraglich ist, ob eine Maßnahme der Rechts- oder Fachaufsicht ein Verwaltungsakt i.S.v. Art. 35 1 BayVwVfG darstellt, also ob die Außenwirkung vorliegt. Bei der Rechtsaufsicht, also Angelegenheiten im eigenen Wirkungskreis wird dies unstreitig bejahr, weil die Staatsbehörde gegen die Gemeinde vorgeht. Eine mögliche Rechtsverletzung als Klagebefugnis gem. § 42 II VwGO ergeht hier aus Art. 28 II GG, Art. 11 II BV. Bei der Fachaufsicht, also Angelegenheiten im übertragenen Wirkungskreis, ist die VA Qualität umstritten. Eine Ansicht sieht die Maßnahme als verlängerten Arm des Staates. Nach der herrschenden Meinung liegt auch hier ein Verwaltungsakt vor. In Art. 120 GO ist die Rede von einem aufsichtlichen Verwaltungsakt und gemeinden nehmen darüber hinaus und Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis selbstständig wahr. Die Klagebefugnis gem. Art. 42 II VwGO kann sich jedoch hier nicht aus Art. 28 II GG, Art. 11 II BV ergeben, da es sich um übertragene, aber dennoch staatliche Aufgaben handelt. Jedoch kommt dann gegebenenfalls eine Verletzung von Art. 109 II GG in Betracht. Somit kann sich die Gemeinde vorl iegend durch eine Anfechtungsklage gem. Art. 42 I Alt. 1 VwGO gegen eine Maßnahme der Rechtsaufsicht, die ein Verwaltungsakt darstellt, wehren.

Kommentar:

Die Bearbeitung der ersten Frage ist sehr ansprechend. Gleiches gilt für die zweite und dritte Frage. Insgesamt 15 Punkte

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KLAUSUR IN DER VÜ STRAFRECHT Prof. Dr. Kölbel WS 2017/2018

15 Punkte

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Zwischen den alleinstehenden und in die Jahre gekommenen Gastronomen A und B, die vor einiger Zeit eine Wohngemeinschaft gegründet hatten, kommt es an einem Montagabend im August 2017 mal wieder zu einem heftigen Streit. Auslöser sind die unterschiedlichen Ansichten zum gemeinsamen Putzplan. Die im Miteigentum von A und B stehende Wohnung befindet ich im ersten Obergeschoss eines dreigeschossigen Mehrfamilienhauses, das insgesamt aus drei Wohneinheiten besteht. B, der die fallen Ausreden des A, mit deren Hilfe er sich stets vor dem Putzen drücken will, satt hat, verlässt erbost gegen 23:00 Uhr die gemeinsame Wohnung. Hierbei gibt B dem Au zu verstehen, dass er beabsichtige die gemeinsame Wohnung aufgeben zu wollen.

A, der angesichts der Ankündigung des B verzweifelt ist, entschließt sich unmittelbar danach, die gemeinsame Wohnung anzuzünden, um später den durch den Brand entstehenden Schaden seiner Gebäudeversicherung zu melden. Er hofft auf diese Weise, die schon lange von B ersehnte Kinoanlage kaufen zu können und diesen so dazu zu bewegen, sein Mitbewohner - wenn auch in einer anderen Wohnung - zu bleiben. Um es wie einen Unfall aussehen zu lassen, steckt sich A eine Zigarette an, um mit dieser das im Wohnzimmer befindliche Sofa anzuzünden. Den Gedanken daran, dass andere - möglicherweise schon schlafende - Hausbewohner und Personen durch den Brand und die damit verbundene Rauchgasentwicklung sowie mögliche Flucht- und Rettungsmaßnahmen verletzt oder sogar getötet werden könnten, tut A mit einem innerlichen Schulterzucken ab. Wie beabsichtigt, fängt das Sofa durch die auf ihm abgelegt Zigarette tatsächlich Feuer, was aber unerwartet schnell zu einer erheblichen Rauchgasentwicklung führt. A ist erschrocken und schockiert. Den Flammentod der anderen Hausbewohner vor Augen, bereut A seine Tat nunmehr, weshalb er in Windeseile bei allen Hausbewohnern klingelt und diese über den Brand informiert. Gleichzeitig informiert er die Feuerwehr. Als die Feuerwehrkräfte eintreffen, steht das Sofa bereits voll in Flammen, die auf den gesamten Raum überzugreifen drohen.

Der im zweiten Obergeschoss allein lebende X erleidet - trotz der Warnung des A - beim Verlassen des Gebäudes durch das mit Rauchgas vernebelte Treppenhaus eine leichte Rauchvergiftung und muss eine Nacht im Krankenhaus verbringen. Aufgrund der geringen Menge des eingeatmeten Gases hat die Rauchvergiftung aber nur vorübergehende Kopfschmerzen und eine gewisse Übelkeit zur Folge. Die im Erdgeschoss ebenfalls allein wohnende Rentnerin R bleib aufgrund der Warnung des A unverletzt. Der Berufsfeuerwehrmann M, der mit als erster am Einsatzort eintrifft, stürzt völlig überhastet und ohne Absprache mit seinen Kollegen in das Haus. Weil er alle vorgeschriebenen Vorkehrungen unterlässt, die auch für den Rückweg aus dem Haus genügend Atemluft in seinem Atemluftgerät sicherstellen sollen, erleidet er bei den Löscharbeiten eine sehr schwere Rauchgasvergiftung. Diese ist zu keinem Zeitpunkt konkret lebensbedrohlich, führt aber zu einer derart schweren und irreversiblen Lungenschädigung, dass er auf Lebenszeit arbeitsunfähig wird. Infolge der durch den Brand verursachten Fußentwicklung werden alle Wohnung des Mehrfamilienhauses für einen Zeitraum von drei Monaten unbewohnbar und müssen kostenintensiv saniert werden.

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Wie hat sich A nach dem StGB strafbar gemacht? Ggf. erforderliche Strafanträge sind gestellt.

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Strafbarkeit des A

A. Gem. §§ 212 I, 211 I, II, 22, 23 StGB A könnte sich gemäß §§ 212 I, 211 I, II, 22, 23 StGB strafbar gemacht haben, indem er in seiner Wohnung das Sofa anzündete.

0. Vorprüfung Es ist kein Mensch gestorben, das Delikt ist nicht vollendet. Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich bei dem Mord als Verbrechen aus § 23 I, 12 I StGB.

I. Tatentschluss A müsste vorsätzlich die obj. Tatbestandsmerkmale sowieso Mordmerkmale verwirklicht haben wollen. A nahm den Tod von Menschen billigend in Kauf.

a) Mordmerkmale 2. Gruppe Zunächst könnte A die tatbezogenen Mordmerkmale der 2. Gruppe, Heimtücke und gemeingefährliches Mittel, verwirklicht haben wollen.

aa) Heimtücke Heimtücke ist das bewusste Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit im Zeitpunkt der Tat. Arglos ist, wer sich im Zeitpunkt der Tat keines Angriffs auf seine Wehrlosigkeit versieht. Die anderen Bewohner haben gegen 23 Uhr bereits als Schlafende die Arglosigkeit in den Schlaf genommen oder sich zumindest keines Angriffs auf ihr Leben v e r s e h e n u n d w a r e n a u f g r u n d d e s s e n a u c h i n i h r e r Verteidigungsbereitschaft eingeschränkt gewesen. Ob die Heimtücke eines weiteren Elements zur restriktiven Auslegung bedarf kann hier dahinstehen, da A die Arg- und Wehrlosigkeit zumindest nicht bewusst ausnutzte. Das Mordmerkmal der Heimtücke liegt nicht vor.

bb) gemeingefährliches Mittel Gemeingefährliche Mittel sind solche, deren Wirkungsweise der Täter im konkreten Fall nicht zu beherrschen vermag und die dazu geeignet sind, eine Vielzahl von Menschen in deren Leib und Leben zu gefährden. Einem Feuer liegt gerade diese Umbeherrschbarkeit zugrunde. Es handelt sich auch um ein dreistöckiges Mehrfamilienhaus mit drei

vertretbar

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Wohneinheiten, sodass durchaus eine Gefährdung über den überschaubaren Personenkreis angenommen werden kann. Auch durch R e t t u n g s m a ß n a h m e n , w i e v o n A a n g e n o m m e n . E i n gemeingefährliches Mittel lag vor.

b) Mordmerkmale 1. und 3. Gruppe

aa) Habgier Darüber hinaus könnte er auch das Mordmerkmal Habgier der 1. Gruppe verwirklicht haben wollen, indem er die Versicherung täuschen wollte. Habgier ist das ungezügelte, rücksichtslose Streben nach Gewinn um jeden Preis. Vorliegend will A jedoch nur Geld von der Versicherung erlangen, um den B wieder als Mitbewohner durch den Kauf der Konsole zurück zu erlangen. Die Habgier wäre somit nicht tatdominierend und ist daher mit Blick auf die restriktive Auslegung der Mordmerkmale zu verneinen. bb) Verdeckungsabsicht Nach Prüfung der 1. Gruppe könnte A auch das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht verwirklichen wollen. Dabei muss nach neuester Rechtsprechung nicht mehr der Erfolg Mittel zur Verdickung sein, sondern bereits die Tötungshandlung reicht aus, um aus Sicht des A die andere Tat zu ermöglichen oder zu begehen. Vorliegend wollte A mit dem Feuer die Summe der Versicherung erzielen, darin ist zumindest ein Versicherungsbetrug zu sehen, denn zumindest diente die Tathandlung dazu diese andere Tat zu verwirklichen. Bezüglich der Getöteten genüge bedingter Vorsatz, der auch gegeben ist. A nahm die Tötung von Menschen durch ein gemeingefährliches Mittel zur Verwirklichung des Versicherungsbetruges billigend in Kauf.

II. unmittelbares Ansetzen Mit dem Anzünden des Sofas hat A subjektiv die Schwelle zum jetzt gehts los überschritten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung angesetzt, gem. § 22 I StGB.

Das ist ein subj. Mordmerkmal

vertretbar

Das ist ein subj. Mordmerkmal

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III. Rechtswidrigkeit A handelte rechtswidrig.

IV. Schuld A handelte schuldhaft.

V. Schuldaufhebungsgrund A könnte gem. § 24 I 1 Var. 2 StGB strafbefreiend zurückgetreten sein.

1. subj. fehlgeschlagen Der Versuch dürfte nicht subjektiv fehlgeschlagen sein. Dies ist, wenn A erkannt hätte, dass mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln der Eintritt des Erfolgs nicht mehr oder nicht ohne zeitlich relevante Zäsur möglich gewesen wäre. A wollte die gemeinsame Wohnung anzünden. Fraglich ist, worauf abzustellen ist.

a) Tatplantheorie Die Tatplantheorie stellt auf den Plan des A ab. Danach war der Plan noch nicht vollendet.

b) Einzelakttheorie Stellt auf jeden Einzelakt ab, der aus Sicht des A zum Erfolg geführt hätte. Danach wäre der Versuch fehlgeschlagen.

c) Lehre vom Rücktrittshorizont Diese Lehre stellt auf die letzte Ausführungshandlung ab. A zündetet das Sofa an, in diesem Zeitpunkt war ihm noch eine Verhinderung des Erfolges möglich. Der Versuch war noch nicht fehlgeschlagen.

d) Streitentscheid Da Einzelakttheorie und Lehre vom Rücktrittshorizont zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ist ein Streitentscheid erforderlich. Die Einzelakttheorie reißt einzelne Geschehensabläufe auseinander und führt zu einer Gesinnungsstrafe. Die vorzugswürdige Gesamtbetrachtungslehre würdigt den opferschutz und baut dem A eine goldene Brücke.

hier käme es maßgeblich darauf an, ob bereits von Beginn an ggf. mehrere Anläufe eingeplant waren

Zweifelhaft, da A wohl davon ausging bereits durch seine Handlung das Ziel erreicht zu haben. Er geht nach dem ersten Akt grade nicht davon aus, dass sein Plan noch nicht verwirklicht wird. Er ging vielmehr von einem zeitnahen Erfolgseintritt aus.

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Insoweit ist nach der vorzugswürdigen Gesamtbetrachtungslehre der Versuch nicht fehlgeschlagen.

2. beendeter Versuch Darüber hinaus glaub A alles zur Herbeiführen des Erfolgs erforderliche getan zu haben. Damit ist der Versuch beendet, denn für ihn reicht das In Brand setzen des Sofas, um das Haus in Brand zu setzen.

3. Verhindern Da der Versuch beendet ist, muss A den Erfolgseintritt verhindern, also aktiv eine neue Kausalkette in gang setzen, die zumindest für das Ausbleiben des Erfolges ursächlich ist. A klingelte bei den Nachbarn und alarmierte die Feuerwehr, selbst wenn er nicht ganz allein handelte, hat er sich zumindest auch ernsthaft bemüht und alles aus seiner Sicht zur Erfolgsabwehr mögliche getan (§ 24 I 2 StGB).

4. Freiwilligkeit Der Rücktritt erfolgte auch aus autonomen Motiven. A war Herr seiner Entschlüsse und wurde nicht durch heteronome äußere Einflüsse zu seiner Entscheidung bewogen. Auch kehrte er dem Verbrechen den Rücken und handelte freiwillig im Sinne der Verbrechervernunft. Er holte Hilfe, selbst wenn er das Haus hätte abbrennen lass können. Damit ist auch die Franksche Formel erfüllt.

5. Zwischenergebnis A ist strafbefreiend vom versuchten §§ 211, 212, 22, 23 zurückgetreten.

VI. Ergebnis A ist nicht strafbar gem. §§ 211, 212, 22, 23.

B. Strafbarkeit gem. § 306 I Nr. 1 StGB, wegen selbiger Handlung I. Tatbestand 1. objektiver Tatbestand a) Tatobjekt Bei der Wohnung, die sich in einem Wohngebäude befindet, handelte es sich um einen umschlossenen mit dem Boden fest verbundene

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Räumlichkeit, die dem Aufenthalt von Menschen dienen kann. Darüberhinaus steht die Wohnung nur im Miteigentum und das Haus schon gar nicht in seinem Alleineigentum, sodass das Gebäude fremd ist.

b) Tathandlung A müsste ihm objektiv zurechenbar und kausal das Gebäude in Brand gesetzt haben.

aa) Dies ist der Fall, wenn wesentliche Gebäudeteile derart vom Feuer umfasst sind, dass sie aus eigener Kraft ohne Fortwirken des Zünders weiter brennen. Ein wesentlicher Bestandteil ist ein solcher, der für das Wohnen erheblich ist, also nicht ohne weiteres herausgenommen werden kann. Das Sofa ist austauschbar und kein wesentlicher Bestandteil. Es ändert auch nichts daran, dass es jederzeit wesentliche Bestandteile in Brand hätte setzen können. Entscheidend ist, dass es nicht dazu kam.

bb) zerstören/teilweise In Betracht käme nun, die subsidiäre Variante des teilweisen zerstören. Zerstören ist gegeben, wenn wesentliche Bestandteile ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit verlieren. Teilweises Zerstören liegt vor, wenn wesentliche Bestandteile in mehreren Nutzzwecken eingeschränkt sind oder für einen längeren Zeitraum nicht mehr benutzbar sind. Brandlegen umfasst, jede aus die Herbeiführen eines Brandherds gerichtete Handlung. Vorliegend sind durch die starke Außenwirkung alle Wohnungen des Mehrfamilienhauses für drei Monate unbewohnbar. Damit sind wesentliche Untereinheiten (Wohnung) des Gebäudes teilweise zerstört.

2. subjektiver Tatbestand A wollte zwar die Wohnung anzünden, also in Brand setzen. Sein Vorsatz war also nur auf die 1. Variante gerichtet. Dies ist jedoch als atypischer Kausalverlauf innerhalb eines Tatbestandes zwischen zwei Varianten umbeachtlich. A handelte vorsätzlich gem. § 15 StGB.

Zerstörung von Gewicht -> bloß impliziert

sehr schön gesehen

Sie meinen wohl eine umbeachtliche Abweichung

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II. Rechtswidrigkeit und Schuld A handelte rechtswidrig und schuldhaft.

III. Tätige Reue § 306 e A könnte trotz Vollendung eine Strafmilderung erhalten, wenn er freiwillig den Brand gelöscht hätte oder sich zusätzlich ernsthaft bemüht hätte (§ 306 e III) bevor ein erheblicher Schaden entstanden wäre. Ein erheblicher Schaden liegt bereits bei ca. 1000 € und dem Eintritt von Körperverletzungen vor. Renovierungsarbeiten dreier Wohnungen über einen Zeitraum von drei Monaten werden wohl einen höheren Schaden bedeuten, sodass § 306 e nicht erfüllt ist.

IV. Ergebnis A ist gem. § 306 I Nr. 1 StGB strafbar, die mutverwirklichten §§ 303 I und § 305 I treten im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück.

C. Gem. § 206 a I Nr. 1 wegen selbiger Handlung

I. Tatbestand 1. obj. Tatbestand A hat das Gebäude, das den Bewohnern als Mittelpunkt ihrer privaten Lebensführung, also als Wohnung dient, teilweise zerstört. Dass er seine Wohnung in Brand setzte, könnte als Entwidmung, also der Loslösung vom Wohnzweck zu sehen sein. Jedoch ist dies unerheblich, da sich zumindest die anderen nicht von ihren Wohnräumen losgelöst hatten. Es ist das Haus als ganzes zu betrachten.

2. subj. Tatbestand Dies nahm er auch billigend in Kauf gem. § 15.

II. Rechtswidrigkeit und Schuld A handelte rechtswidrig und schuldhaft.

III. Ergebnis A hat sich gem. § 306 I Nr. 1 StGB strafbar gemacht.

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D. Gem. § 306 a II StGB

I. Tatbestand 1. obj. Tatbestand A hat das Gebäude teilweise zerstört und müsste dadurch Menschen in die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung gebracht haben. Dabei muss es nur vom Zufall abhängen, dass man der Gefahr entkam. A erlitt bereits eine leichte Rauchvergiftung, bei R hing es wohl nur vom Zufall ab, dass sie ohne Schäden davon kam. Eine konkrete Gefahr lag somit kausal objektiv zurechenbar durch das Zerstören und der Rauchentwicklung vor.

2. subj. Tatbestand A hatte sogar bedingten Tötungsvorsatz, sodass ein konkreter Tötungsvorsatz anzunehmen ist.

II. Rechtswidrigkeit und Schuld A handelte rechtswidrig und schuldhaft.

III. Ergebnis A ist strafbar gem. § 306 a II.

E. Gem. § 306 b I Var. 1 I. Tatbestand 1. § 306 und § 306a I, II gegenüber M A hat einen Brand gelegt. 2. schwere Gesundheitsschädigung D u r c h d i e B r a n d l e g u n g m ü s s t e M e i n e s c h w e r e Gesundheitsschädigung erlangt haben. M erlitt eine schwere Rauchvergiftung sowie irreversible Lungenschädigung, die ihn für immer arbeitsunfähig macht. Damit ist eine schwere Gesundheitsschädigung iSd § 226 gegeben.

3. Unmittelbarkeitszusammenhang Die dem Grunddelikt anhaftete spezifische Gefahr müsste sich gerade in der schweren Folge realisiert haben. Das Brandlegen war zumindest kausal für die Vergiftung. Jedoch könnte hier der Zurechnungszusammenhang durch eine freiwillige

Gefährdungsvorsatz

etwas genauer bitte

fehlt: weitere Ansicht der Rechtsprechung

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Selbstschädigung des unterbrochen sein, sodass die Folge nicht in den Verantwortungsbereich des A fällt.

Grundsätzlich gilt es zwischen Berufsrettern und freiwilligen Rettern zu differenzieren. Bei M handelt es sich um einen Feuerwehrmann, diese sind aufgrund ihres Berufs bereits zum Einschreiten verpflichtet. Hier würde man grundsätzlich den Verantwortungsbereich des Ersttäters eröffnet sehen, da diesen als Kehrseite für die Risikoverringerung durch den Berufsretter auch dessen Verletzungen zuzurechnen sind. Eine Grenze liegt jedoch bei grob fahrlässigem Handeln. M unterließ vorliegend alle notwendigen Vorkehrungen und missachtete damit in grobem Maße die notwendige Sorgfaltspflicht. M handelte grob fahrlässig, sodass sein nicht nachvollziehbares Verhalten nicht in den Verantwortungsbereich des A fällt. Es mangelt am Zurechnungszusammenhang.

II. Ergebnis A ist nicht gem. § 306 I StGB strafbar.

F. Gem. § 306 b II Nr. 1, 22, 23 0. Vorprüfung Es wurde niemand in die konkrete Gefahr des Todes gebracht. Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus §§ 23 I, 12 I, StGB.

I. Tatentschluss A hatte bedingten Tötungsvorsatz und nahm eine konkrete Todesgefahr, die durch die Verwirklichung des § 306 a I Nr. 1 resultierte, billigend in Kauf.

II. unmittelbares Ansetzen A hat mit dem Anzünden des Sofas unmittelbar angesetzt (s.o.).

III. Rechtswidrigkeit und Schuld Er handelte rechtswidrig und schuldhaft.

IV. Rücktritt Er trat erfolgreich zurück (s.o.)

Fehlt: Ansicht, die Verantwortungsbereich des Retters als eröffnet sieht

warum?

im Ergebnis vertretbar

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V. Ergebnis A ist nicht strafbar gem. § 306 b II Nr. 1, 22, 23.

G. Gem. § 306b II Nr. 2 I. Tatbestand 1. obj. Tatbestand § 306 a ist verwirklicht (s.o.)

2. subj. Tatbestand A müsste in Absicht gehandelt haben eine andere Straftat zu v e r w i r k l i c h e n . H i e r k o m m t a l s a n d e r e T a t d e r Versicherungsmissbrauch in Betracht, selbst wenn er nicht einmal versucht wurde. Fraglich ist, ob er eine andere Tat darstellt.

Eine Ansicht verneint dies, da A nicht die dem Brand anhaftende typische Gefahr ausnutzen würde, wie Panik oder Furcht, um eine andere Tat zu begehen.

Einer anderen Ansicht besagt, dass trotz des hohen Strafmaßes, welches bereits gekürzt wurde, sich nach vorzugswürdiger Ansicht Unrecht in weiterem Unrecht verwirklicht, sodass ein Betrug als typische mit Brandstiftung einhergehende Tat zu bejahen ist, auch mit Blick auf § 211 und § 315 c.

II. Rechtswidrigkeit und Schuld A handelte rechtswidrig und schuldhaft.

III. Ergebnis A hat sich gem. § 306 b II Nr. 2 strafbar gemacht.

H. § 306 c, 22, 23 I 0. Vorprüfung s.o.

I. Selbst wenn A die Tat versucht hat, wäre sie vom Rücktritt erfasst.

hier hätte etwas genauer argumentiert werden müssen

Sie meinen wohl Versicherungsbetrug

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I. Gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 1 I. Tatbestand 1. objektiver Tatbestand a) § 223 Das erleiden einer Rauchvergiftung stellt eine körperliche Misshandlung, üble unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohl mehr als nur unerheblich beeinträchtigt, dar. Ebenso eine Gesundheitsschädigung.

b) § 224 Rauch ist ein Stoff der thermisch-mechanisch wirkt und zumindest geeignet ist eine erhebliche Gesundheitsschädigung herbeizuführen. Durch das Inbrandsetzen hat A auch eine Kausalkette in Gang gesetzt, die das Einatmen also Beibringen ermöglicht hat, damit der Rauch seine gesundheitsschädliche Wirkung entfalten konnte.

2. subjektiver Tatbestand A handelte vorsätzlich.

II. Rechtswidrigkeit und Schuld Beides ist gegeben.

III. Ergebnis A ist gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 1 Alt. 2 strafbar.

J. § 226 § 226 scheidet auch aus mangels objektiver Zurechenbarkeit durch Dazwischentreten des F.

K. § 265 A wollte die Versicherung täuschen und zündete, um den Versicherungsvorteil zu erlangen, das Sofa an. A ist gem. § 265 strafbar.

L. §§ 263 I, II iVm § 263 III Nr. 5 A hat noch nicht mal der Versicherung den Schaden angezeigt, es scheitert am unmittelbaren Ansetzen gem. § 22.

M. §§ 227, 22, 23 Selbst wenn versucht, vom Rücktritt strafbefreiend erfasst.

Fehlt: § 224 I Nr. 5 StGB

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Abschließende Bemerkung und Gesamtfazit:

Eine wirklich gute Leistung. Sie behandeln als einzige Bearbeiterin die in Frage kommenden Delikte (nahezu) vollständig, erkennen die wesentlichen Probleme und gelangen dabei - mit teils etwas zu knapper Argumentation - zu vertretbaren Ergebnissen. Negativ anzumerken ist jedoch, dass die subjektiven Mordmerkmale teilweise nicht eindeutig als solche geprüft werden und die Darstellung des Rücktritts (im Rahmen des versuchten Mordes) etwas breit geraten ist. Die teilweise zu knappe Darstellung der Meinungsstreitigkeiten (Retterfälle und Betrugsproblematik bei § 306 b II Nr. 2 Alt. 1) treten aber angesichts der Vollständigkeit der Bearbeitung in den Hintergrund. Insgesamt eine sehr gelungene Leistung. 15 Punkte

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KLAUSUR IN DER VÜ STRAFRECHT Prof. Dr. Kölbel WS 2017/2018

14 Punkte

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Der bekannte Fußballspieler Tim Möller (T) und sein Mitspieler Franz Robery (F) sind abermals enttäuscht über die Aufstellung des Cheftrainers Otto Onkelotti (O), da sie einmal mehr auf der Bank Platz nehmen müssen. Aus Wut verabreden sie, dem O einen Denkzettel zu verpassen. Hierzu planen sie O auf seinem täglichen Heimweg nach dem training zu überfallen, um ihm dessen geliebte Goldkette wegzunehmen. Da sie sich aber ein solch brutales Vorgehen nicht selbst zutrauen, treten sie an Arthur Vital (A) heran, der im Mannschaftsgeist als „ der Krieger“ bekannt ist, um sicherzustellen, dass der Plan auch wirklich gelingt. Nachdem sie A in ihren Plan eingeweiht haben, verweigert dieser jedoch seine Unterstützung.

Da T und F aber nicht von ihrem grundsätzlichen Plan abrücken wollen, vereinbaren sie, es auf die „sanfte“ Tour zu machen. Sie gehen hierzu in die Apotheke und beschaffen sich ein nicht verschreibungspflichtiges Medikament, aus dem man leicht K.O.-Tropfen gewinnen kann.

Am Abend nach dem Abschusstraining sinniert O in der Vereinsgaststätte wie üblich über die nächste Aufstellung seiner Mannschaft. Da T und F die Schwäche des P für Ramazotti kennen, überreden sie ihn noch eine Runde gemeinsam zu trinken. Wie zuvor vereinbart, versetzt T in einem unbemerkten Moment den Ramazotti des O mit den K.O. Tropfen. Kurz darauf stoßen sie an und O sackt infolge der Wirkung der K.O.-Tropfen bewusstlos - für 30 Minuten - zu Boden. Entsprechend dem vorgefassten Plan nimmt F dem Trainer O die Goldkette vom Hals. F überkommt plötzlich eine große Wut und er tritt - ohne dass T die Möglichkeit hatte einzugreifen um dies zu verhindern - mit seinem Fußballstollenschuh „Copa Mundial“ dem wehrlosen O zusätzlich noch - mit Körperverletzungsvorsatz - massiv gegen den Kopf und bricht ihm dabei die Nasse. T ist von dem brutalen Vorgehen entsetzt und macht F schwere Vorwürfe. Obwohl T und F die Todesgefahr für den nunmehr stark blutenden O erkennen, verlassen sie das Vereinsheim. Dass O ohne medizinische Versorgung sterben wird, nehmen sie billigend in Kauf. F plagen kurze Zeit später infolge des übertriebenen Vorgehens doch Gewissensbisse und er kommt zurück, um O in eine stabile Seitenlage zu bringen und einen Krankenwagen herbeizurufen. Erst jetzt fährt auch F zufrieden und mit einem ruhigen Gewissen nach Hause.

O kann schließlich durch das rechtzeitige Eintreffen des Notarztes gerettet werden und überlebt.

Bearbeitervermerk: Wie haben sich die Beteiligten nach dem StGB strafbar gemacht? § 138 StGB, § 221 StGB und § 323c StGB sind nicht zu prüfen. Ggf. erforderliche Strafanträge sind gestellt.

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Tatkomplex 1 Strafbarkeit F und T

A. Gem. §§ 249 I, 23, 22, 30 I, 25 II StGB F und T könnten sich gem. §§ 249 I, 23, 22, 30 I, 25 II strafbar gemacht haben, indem sie A zu dem Überfall überreden wollten.

0. Vorprüfung O wurde nicht überfallen, § 249 I wurde nicht vollendet. Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus § 30 iVm § 28 I, 12 I.

I. Tatentschluss T und F müssten Vorsatz hinsichtlich der Verwirklichung eines Raubes gem. § 249 I sowie Vorsatz den A zu einer Tat zu bestimmen gehabt haben.

a) § 249 I T und F wollten, dass A den O unter Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel in Form von Gewalt gegen Leib und Leben überfällt, um die Goldkette des O wegzunehmen. Wegnahme bedeutet dabei der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams. Darüberhinaus wollten sie dem O einen Denkzettel verpassen und wollten sich die Kette vorübergehend aneignen und O dauerhaft aus seiner Eigentumsposition entziehen. Sie wollten mit rechtswidriger Zueignungsabsicht handeln, § 15.

b) Bestimmen Auch wollten sie A zur tat bestimmen und bei diesem den Tatentschluss hervorrufen.

II. unmittelbares Ansetzen T und F haben mit der Anfrage bei A subjektiv die Schwelle zum Jetzt-geht-es-los überschritten und objektiv unmittelbar zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung angesetzt gem. § 22.

III. Rechtswidrigkeit T und F handelten rechtswidrig, mangels Rechtfertigungsgründen.

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IV. Schuld T und F handelten schuldhaft.

V. Ergebnis F und T haben sich gem. §§ 249 I, 23, 22, 30 I, 25 II strafbar gemacht.

B. Gem. § 30 II Alt. 3 Wegen selbiger Handlung könnten sich die beiden gem. § 30 II strafbar gemacht haben.

F und T haben sich gemeinschaftlich verabredet dem O einen Denkzettel zu verpassen. Dazu wollten sie A anstiften und ihn zur Begehung des Überfalls bewegen. F und T handelten rechtswidrig und schuldhaft und haben sich deshalb gem. § 30 II strafbar gemacht.

Tatkomplex 2: Die Tat Strafbarkeit des F

A. Gem. §§ 249 I, II Nr. 1 Alt. 2, Nr. 3b, 25 II F könnte sich gem. §§ 249 I, II strafbar gemacht haben, indem er dem O die Goldkette wegnahm.

I. Tatbestand 1. objektiver Tatbestand a) Gewalt Vorliegend müsste F Gewalt gegen O angewandt haben. Gewalt ist dabei jeder körperlich wirkende Zwang. Problematisch ist jedoch, dass nicht F sondern T dem O die KO-Tropfen verabreicht hat, die zu dessen Bewusstlosigkeit führten. Fraglich ist, ob F der Beitrag im Sinne der wechselseitigen Zurechnung gem. § 25 II zugerechnet werden kann. Dafür bedarf es eines gemeinsamen Tatplanes und einer gemeinsamen Ausführung.

Im Obersatz keine technischen Begriffe, da erst noch zu prüfen.

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aa) Tatplan F und T kamen überein dem O KO-Tropfen zu verabreichen, um ihm anschließend die Goldkette abzunehmen. Dabei sollte T verabreichen und F wegnehmen. Ein gemeinsamer tatplan lag somit vor.

bb) Tatausführung Auch wollte die Tat jeder als eigene und wollte das Tatgeschehen planvoll lenkend und mitgestaltend in den Händen halten. Sie wollten beide Tatherrschaft inne haben, nach der Tatherrschaftslehre. Auch hatten beide animus auctoris und hatten besonderes Interesse an der Tatbeteiligung, Grad und Umfang, sodass sie auch nach der objektiv-normativen Theorie Tatherrschaft inne hatten. Gleichwohl führten sie ausgeglichen die Tatbeiträge aus, sodass man von einem gemeinschaftlich, planvollen Zusammenwirken der beiden sprechen kann. Der Beitrag des T ist dem F damit gem. § 25 II zuzurechnen.

b) Wegnahme F hat O die Goldkette vom Hals genommen und damit Gewahrsam iSd. tatsächlichen Sachherrschaft über die Sache (Goldkette), die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragen ist, begründet. Damit war es dem ursprünglichen Gewahrsamsinhaber O nicht mehr möglich gegen F den Gewahrsam auszuüben. Es steht der Gewahrsamsbegründung nicht entgegen, dass O bewusstlos war, man spricht von einem potentiellen Gewahrsam. O hatte demnach Gewahrsam an der Kette bevor F diesen brach. Es erfolgte ohne den Willen des O .

c) Finalzusammenhang F und T setzten die KO-Tropfen ein, um die Wegnahme zu ermöglichen, dabei nutzen sie nicht seine Bewusstlosigkeit aus, sondern setzten die Tropfen aktiv ein, um die Wegnahe zu erzielen. Ein Finalzusammenhang ist gegeben.

2. Qualifikation F könnte auch einen qualifizierten Raub begangen haben, indem er mit dem Schuh gegen den Kopf des O trat.

gut!

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Fraglich ist, ob dies überhaupt möglich ist, da der Raub mit der Wegnahme der Kette bereits vollendet ist. Eine Ansicht bejaht die Qualifikation nach der Vollendung, denn die erhöhte Gefährlichkeit müsse auch geahndet werden. Dem ist zu entgegnen, dass obige Ansicht die Grenzen zu § 252 v e r w i s c h t . D i e s e r g r e i f e n a c h Vo l l e n d u n g , s o f e r n Beutesicherungsabsicht vorliege. Für erstere Ansicht spricht, jedoch auch, dass im Falle, wenn keine Beutesicherungsabsicht vorliege, nur eine Strafbarkeit wegen §§ 249 I - 53 - 240 gegeben wäre, was zu einer deutlich geringere Strafe führe. Insoweit ist mit der ersten Ansicht eine Qualifikation auch nach Vollendung anzunehmen.

a) § 249 I, II Nr. 1 Alt. 2 Der Einsatz eines Schuhes stellt ein gefährliches Werkzeug dar, wenn er nach der konkreten Art der Verwendung und seiner objektiven Beschaffenheit dazu geeignet ist erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Vorliegend waren die Schuhe mit Stollen besetzt und der Tritt richtete sich gegen den Kopf. Damit verwendete F ein gefährliches Werkzeug.

b) 3b, Gefahr des Todes Überdies müsste F den O durch seine Handlung in die Gefahr des Todes gebracht haben. Vorliegend wäre O an seinen Verletzungen gestorben. Damit lag eine konkrete Gefahr des Todes vor, die auf die Handlung des F zurückzuführen ist, jedoch nicht auf die erste Angriffshandlung zum Z w e c k e d e r We g n a h m e , s o d a s s d i e s b e z ü g l i c h d e r Unmittelbarkeitszusammenhang fehlt.

3. subjektiver Tatbestand a) Vorsatz A hatte Vorsatz bezüglich der Gewaltanwendung zur Wegnahme gem. § 15. Auch wollte er gegen den O durch den Tritt ein gefährliches Werkzeug einsetzen, gem. § 15.

vertretbar

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b) Zueignungsabsicht Überdies handelte er in der Absicht, sich die Kette vorübergehend anzueignen und O dauerhaft aus seiner Eigentümerportion zu verdrängen. Auch hatte er keinen einredefreien, fälligen Anspruch, was ihm auch bekannt war. Er wollte mit rechtswidriger Zueignungsabsicht handeln.

II. Ergebnis F handelte rechtswidrig und schuldhaft und machte sich gem. §§ 249 I, II Nr. 1, 25 II strafbar. Die Nötigung tritt im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück.

Strafbarkeit des T Gem. § 249 I, 25 II T könnte sich gem. § 249 I, 25 II strafbar gemacht haben, wegen selbiger Handlung.

I. Tatbestand 1. objektiver Tatbestand a) Gewalt T hat O die KO-Tropfen verabreicht und damit körperlich wirkenden Zwang gegen O ausgeübt.

b) Wegnahme F hat die Goldkette weggenommen. Dies ist gem. § 25 II wechselseitig zuzurechnen. Auch waren die KO-Tropfen Mittel zur Wegnahme.

c) Qualifikation § 249 II Nr. 1 Alt. 2 Fraglich ist, ob der Tritt des F dem T zuzurechnen ist. Abzustellen ist dabei auf den gemeinsamen Tatplan, der Grund und Grenze der wechselseitigen Zurechnung ist. Der Tatplan der beiden sollte sanft sein und gerade Brutalität vermeiden. Insoweit war die Handlung des F nicht mehr im Rahmen des Tatplans und es war auch nach den Umständen nicht damit zu rechnen. Der Exzess des F ist dem T nicht zuzurechnen. Fehlt: KO-Tropfen

§ 250 II Nr. 1 Alt. 2 StGB

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2. subjektiver Tatbestand T wollte die Goldkette wegnehmen und dazu den O betäuben. Auch handelte er mit rechtswidriger Zurechnungsabsicht. Der Exzess war nicht von seinem Vorsatz umfasst, § 15.

II. Ergebnis T handelte rechtswidrig und Schuldhaft und machte sich gem. § 249 I, 25 II, strafbar.

Strafbarkeit des F und T

A. Gem. §§ 223, 224 I Nr. 1, Nr. 4 Indem sie O die KO-Tropfen verabreichten, könnten sie sich gem. §§ 223, 224 I Nr. 1 Alt. 2 strafbar gemacht haben

I. Tatbestand 1. objektiver Tatbestand a) Körperverletzung Durch die Gabe der Tropfen liegt eine üble und unangemessene Behandlung des O vor, die dessen Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt. Durch die Bewusstlosigkeit trat überdies ein pathologischer Zustand in Form einer Gesundheitsschädigung auf.

b) Qualifikation aa) Nr. 1 Alt. 2 Die Tropfen stellen überdies einen gesundheitsschädlichen Stoff dar, der durch seine Wirkungsweise dazu geeignet ist, eine erhebliche Gesundheitsschädigung hervorzurufen. Die Tropfen wurde O auch injiziert, sodass der Stoff seine Wirkungsweise entfalten konnte. Die 30 minütige Bewusstlosigkeit stellt auch eine erhebliche Gesundheitsschädigung dar. bb) Nr. 4 Überdies gingen F und T gemeinschaftlich vor. Dies taten sie sogar in Mittäterschaft iSd. § 15 II, sodass der Streit, ob eine Teilnahme ausreicht, dahinstehen kann.

Gift?

vertretbar

Fehlt: § 224 I Nr. 5 StGB

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cc). Nr. 3 Die Verabreichung der Tropfen stellte einen plötzlichen Angriff auf O dar, um unter Verdickung der wahren Absicht dessen eingeschränkte Abwehr auszunutzen.

2. subjektiver Tatbestand F und T wollten O in der Gesundheit gemeinschaftlich erheblich schädigen. Auch wollten sie den O hinterlistig berauben.

II. Ergebnis F und T handelten rechtswidrig und schuldhaft und machten sich gem. §§ 223, 224 I Nr. 1 Alt. 2, 3, 4 strafbar.

Strafbarkeit des F

Gem. §§ 223, 224 I Nr. 2, 5 wegen des Kopftritts I. Tatbestand 1. objektiver Tatbestand Mit dem Tritt gegen den Kopf schädigte F den O in der Gesundheit und misshandelte diesen. Dabei verwendete er gem. § 224 I Nr. 2 Alt. 2 ein gefährliches Werkzeug (s.o.) Auch brachte er den O in die konkrete Gefahr des Todes, sodass auch ein Streit dahinstehen kann, ob die Handlung abstrakt oder konkret lebensgefährlich sein muss, gem. § 224 I Nr. 5. Eine das Leben gefährdende Behandlung liegt vor.

2. subjektiver Tatbestand F hatte Vorsatz O zu Verletzen und war sich wohl auch über die Gefährlichkeit seiner Handlung bewusst, also handelte er mit Gefährdungsvorsatz gem. § 15.

II. Ergebnis F handelte rechtswidrig und schuldhaft und ist gem. §§ 223, 224 I Nr. 2, 5 strafbar.

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Strafbarkeit des T

Gem. §§ 212 I, 22, 23, 13 Indem T den O liegen ließ, könnte er sich gem. §§ 212 I, 22, 23, 13 strafbar gemacht haben.

0. Vorprüfung O ist am Leben, § 212 ist nicht vollendet. Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus §§ 23 I, 12 I.

I. Tatentschluss T müsste vorsätzlich hinsichtlich der Verwirklichung aller objektiven Tatbestandsmerkmale gehabt haben, gem. § 15. T erkannt die Todesgefahr für O, nahm aber gleichwohl dessen Tod in Kauf. Auch war er sich der Nichtvornahme der gebotenen Abwehrhandlung trotz physisch realer Abwehrmöglichkeit im Klaren und wusste, dass er nur einen Krankenwagen zur Vermeidung hätte rufen müssen. Auch war ihm klar, dass die Handlung nicht hinzugedacht werden könne, ohne dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele. Er wusste auch, dass ihm aufgrund seines Vorderhaltens eine Garantenstellung aus Ingerenz traf. Zudem war er sich über die Entsprechungsklausel des § 13 ihm Klaren, dass sein Unterlassen dem Tun entspräche. F hatte Vorsatz bezüglich aller objektiven Merkmale. II. unmittelbares Ansetzen Mit dem Entfernen hat F subjektiv die Schwelle zum Jetzt-geht-es-los überschritten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Handlung angesetzt, gem. § 22 I.

III. Rechtswidrigkeit und Schuld F handelte rechtswidrig und schuldhaft.

IV. Rücktritt gem. § 24 I 2 StGB F könnte jedoch vom Versuch gem. § 24 I 2 zurückgetreten sein.

1. fehlgeschlagen Der Versuch dürfte nicht subjektiv fehlgeschlagen sein. Vorliegend erkennt F, dass mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mittel die

Problem: T hat O nicht getreten, sondern F (S. 13f., S. 18)

Problem: Unterlassen

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Herbeiführung des Erfolgs noch möglich gewesen wäre. Der Versuch ist dabei nicht fehlgeschlagen. Die Lehre vom Rücktrittshorizont stellt dabei auch die letzte Angriffshandlung ab, also das Entfernen. Die Einzelakttheorie sieht hierin einen fehlgeschlagenen Versuch, da bereits mit der ersten Entfernungshandlung der Tod noch nicht eingetreten ist. Ein Streitentscheid ist damit zugunsten der Gesamttheorie zu entscheiden, da diese dem Täter eine goldene Brücke baut und auch die Opferperspektive berücksichtigt. Ein fehlgeschlagener Versuch liegt nicht vor.

2. unbeendet Nach gleichen Ansichten war der Versuch jedoch beendet, denn F hat alles zur Herbeiführen des Erfolgs erforderliche getan. Hätte er ihn liegen lassen, wäre er gestorben.

3. freiwillig und ernsthaft bemühen Darüberhinaus handelte F nach autonomen Motiven, da er aus Reue zurückkehrte und damit freiwillig eine neue Kausalkette in Gang setzte, die für das Ausbleiben des Todeserfolgs des O zumindest mutursächlich war. Damit bemühte er sich auch ernsthaft durch das Holen des Krankenwagens und seine erste Hilfe, die ursächlich für dessen Überleben waren.

V. Ergebnis F ist nicht gem. §§ 212 I, 22, 23, 13 strafbar, da er erfolgreich zurückgetreten ist.

T ist nicht gem. § 212, 22, 23, 14 strafbar, er hat keine Garantenstellung.

Gesamtergebnis F ist gem. §§ 249 I, II Nr. 1 Alt. 2, 25 II in Tateinheit mit §§ 223, 224 I Nr. 2, 3, 4 strafbar, § 53.

Problem: Unterlassen

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Kommentar: Ihnen gelingt eine ordentliche Prüfung, in der Sie die Schwerpunkte der Klausur erkennen und zutreffend setzen. Beim schweren Raub erkennen Sie zutreffend das Problem, ob der Tritt erst nach Tatvollendung erfolgt. Doch auch hinsichtlich der KO-Tropfen wären Qualifikation zu prüfen gewesen, § 250 StGB. Die Prüfung des versuchten Totschlags durch Unterlassen gerät hinsichtlich der Personen etwas durcheinander, ist Ergebnis jedoch zutreffend. Beachten Sie noch die Probleme wegen Unterlassens im unmittelbaren Ansetzen und Rücktritt, S. 15, 17. Insgesamt 14 Punkte

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