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Garrett TPE 331 Turbine © 2009 K.L.S. Publishing, all rights reserved 1 e-Journ Nr. Tt-10 Kleine Geschichte der Garrett TPE 331 Turbine Die Historie von PT6 und Allison Model 250 wurde bereits in früheren e-Journs geschil- dert. Es fehlt die dritte im Bunde der erfolg- reichen amerikanischen Gasturbinen, die Garrett TPE331. Sie entstand zur selben Zeit, war und ist ähnlich erfolgreich und muss daher im selben Atemzug genannt werden. Die wenigsten Piloten werden ihre Geschichte kennen. Mit diesem Beitrag wollen wir Abhilfe schaffen. Beginnen wir zunächst mit ein wenig Firmen- geschichte. Die Firma wurde durch Cliff Gar- rett unter dem Namen Garrett Supply Compa- ny im Jahr 1936 in Los Angeles gegründet und war am Anfang nichts weiter als eine Vertriebsniederlassung an der Westküste für die an der Ostküste angesiedelten Hersteller von Flugzeugwerkzeug, Flugzeugausrüstun- gen und sonstigen Luftfahrthandelsgütern. Man verkaufte an Consolidated Aircraft, Dou- glas, Lockheed, Northrop, North American, Ryan und andere. Die Firma expandierte bald und man stellte neben dem Handel auch Produkte unter Li- zenz her. Unter anderem war Garrett an der Technik des Fliegens in großer Höhe interes- siert. Die Technik der Kabinenbedruckung stand erst in ihren Kinderschuhen. Er gründe- te 1938 die AiResearch Manufacturing Divi- sion und man entwarf und entwickelte dort zunächst einen Intercooler für die Turbo- supercharger der Boeing B-17 und Druckre- gelsysteme für Druckkabinen. Die Produkte waren von Anfang an erfolgreich. Bedingt durch die steigende Nachfrage im Zweiten Weltkrieg konnte man die Fertigungskapazi- Abbildung 1: Garrett (Honeywell) TPE 331-14 (Foto: Honeywell)

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Kleine Geschichte der Garrett TPE 331 Turbine

Die Historie von PT6 und Allison Model 250 wurde bereits in früheren e-Journs geschil-dert. Es fehlt die dritte im Bunde der erfolg-reichen amerikanischen Gasturbinen, die Garrett TPE331. Sie entstand zur selben Zeit, war und ist ähnlich erfolgreich und muss daher im selben Atemzug genannt werden. Die wenigsten Piloten werden ihre Geschichte kennen. Mit diesem Beitrag wollen wir Abhilfe schaffen. Beginnen wir zunächst mit ein wenig Firmen-geschichte. Die Firma wurde durch Cliff Gar-rett unter dem Namen Garrett Supply Compa-ny im Jahr 1936 in Los Angeles gegründet und war am Anfang nichts weiter als eine

Vertriebsniederlassung an der Westküste für die an der Ostküste angesiedelten Hersteller von Flugzeugwerkzeug, Flugzeugausrüstun-gen und sonstigen Luftfahrthandelsgütern. Man verkaufte an Consolidated Aircraft, Dou-glas, Lockheed, Northrop, North American, Ryan und andere. Die Firma expandierte bald und man stellte neben dem Handel auch Produkte unter Li-zenz her. Unter anderem war Garrett an der Technik des Fliegens in großer Höhe interes-siert. Die Technik der Kabinenbedruckung stand erst in ihren Kinderschuhen. Er gründe-te 1938 die AiResearch Manufacturing Divi-sion und man entwarf und entwickelte dort zunächst einen Intercooler für die Turbo-supercharger der Boeing B-17 und Druckre-gelsysteme für Druckkabinen. Die Produkte waren von Anfang an erfolgreich. Bedingt durch die steigende Nachfrage im Zweiten Weltkrieg konnte man die Fertigungskapazi-

Abbildung 1: Garrett (Honeywell) TPE 331-14 (Foto: Honeywell)

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täten schnell ausweiten. Es entstand zusätz-lich eine Produktionsstätte in Phoenix, Arizo-na, in der unter anderem auch Ölkühler für Kampfflugzeuge produziert wurden.

Auf dem Weg zum Turbinenbusiness Im Jahr 1943 entwickelte Northrop den XB-35, ein Höhenbomber mit großer Reichweite. Man benötigte einen Kompressor für die Druckkabine und Garrett wollte in das Ge-schäft einsteigen, weil man sich Vorteile für den kommerziellen Markt nach dem Krieg ausmalte. Zu dieser Zeit hatte man allerdings keinerlei Erfahrung mit Strömungsmaschinen. Northrop sorgte dafür, dass Waldemar F. Mayer, ein Experte für Wasserpumpen bei der Northill Company, einer Tochter von Nor-throp, beim Projekt aushelfen sollte. Mayer begann mit dem Entwurf eines zweistufigen Radialverdichters für die Kabinenbedru-ckung, damals bekannt unter „Project A“. Ein Labormuster erreichte eine Druckzahl von 1,75 bei einem Luftmassendurchsatz von 0,35 kg/sec. Obwohl der Verdichter später nicht eingesetzt wurde, war es doch die Ge-burtsstunde für Garretts Turbinenbusiness. Es folgte 1944 die erfolgreiche Entwicklung einer Turbine für die Kühlung der Kanzel bei der Lockheed XP-80A, die vor der Kühlmaß-nahme im Flug so heiß wurde, dass sich die Piloten Blasen an den Hebeln zuzogen. Im Jahr 1945 suchte Boeing für seinen Stra-tocruiser 337 ein Hilfsaggregat, das Gleich- und Wechselstrom bereitstellen, Druckluft für Kabinendruck und Klimatisierung liefern und ferner heiße Luft für die Tragflächenent-eisung abgeben sollte. Garrett stand finanziell gut da und man hat-te bereits Überlegungen angestellt, wie man mittels einer Gasturbine die Probleme bei Bedruckung und Klimatisierung der Kabine

lösen konnte. Die Geschäftsleitung gab grü-nes Licht für die Entwicklung einer kleinen Gasturbine, die als Basis für Boeings Hilfsag-gregat dienen sollte. Der Zeitrahmen war seitens Boeing äußerst eng gesetzt. Die Arbeit begann 1945. Obwohl sich das Anwerben weiterer Experten für Mayer als schwierig erweisen sollte, kamen Roy Schin-nerer (Entwicklung und Tests) und Wilton Parker als Chefmechaniker zum Team hinzu. Es entstand die „Black Box“, wie sie im Unter-nehmen genannt wurde, wahrscheinlich weil einige die Innereien mit einer gewissen Magie verbanden. Tatsächlich bestand die Black Box aus einem dreistufigen Radialverdichter, einer Brennkammer und einer einstufigen Axialtur-bine (siehe Abb. 2). Über ein Getriebe wurde ein Generator und ein Gebläse angetrieben. Ein Teil der Abgase

wurde dem Enteisungssystem zugeleitet. 1946 begann man mit den ersten Tests. Der

Abbildung 2: Die Black Box (Foto: Garrett)

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Verdichter hatte einen guten Wirkungsgrad von 81 bis 82 % bei einem Druckverhältnis von 3:1. Auch die Brennkammer arbeitete zufriedenstellend, obwohl man bei Garrett vorher noch nie etwas Vergleichbares gebaut hatte. Die Turbinenstufe ließ sich nur im zu-sammengebauten Endprodukt testen. Man stellte schnell fest, dass die axiale Turbinen-stufe nicht effizient genug arbeitete, sodass die Black Box nicht eigenständig lauffähig war, die Turbinenstufe konnte bei 70 % Wir-kungsgrad nicht genügend Leistung produ-zieren. Aufgrund der unlösbaren Probleme und des engen Zeitplans bei Boeing wurde das Projekt eingestellt. Der Versuch war zu dieser Zeit wohl doch etwas zu ehrgeizig gewesen. Man hatte allerdings eine Menge gelernt. Für die Zukunft würde man statt der Axialturbine die Radialturbine bevorzugen, da man auch mit Radialverdichtern gute Erfahrungen gesam-melt hatte. Etwa zur selben Zeit suchte man bei der US Navy ein Hilfsaggregat zum Anlassen des Allison XT40 Turboproptriebwerks mit 5.525 PS, wie es im Convair Flugboot XP5Y-1 ver-wendet wurde. Garrett konnte einen Vertrag des Navy Bureau of Aeronautics für sich ge-winnen zur Entwicklung einer Hilfsturbine mit 50 PS Nutzleistung. Das Projekt erhielt zu-nächst den Namen GTP50 (GTP=Gas Turbine Power), wurde aber später als reiner Druck-lufterzeuger beauftragt, der den ebenfalls von Garrett stammenden Druckluftstarter ATS35 mit Druckluft zum Anlassen versorgen sollte. Die Einheit erhielt demnach den Na-men GTC43/44 (GTC= Gas Turbine Com-pressor), wobei 43 lb Luft bei 44 PSI Druck produziert wurden, daher die Bezeichnung. Chefingenieur wurde Homer Wood.

Er ließ sich durch die Erkenntnisse des Black Box Projektes beeinflussen und projektierte die GTC-Unit mit einem zweistufigen Radial-verdichter und einer einstufigen Radialturbi-ne. Die beiden deutschen Experten Dr. von der Nuell und Dr. Hans von Ohain, die per Operation Paperclip in die USA gekommen waren, wurden zum Projekt interviewt. Die US Air Force ordnete an, dass von der Nuell das Projekt unterstützen solle und er kam 1948 zum Team dazu und half dabei, das Produkt zu verbessern. Im selben Jahr noch passierte der GTC43/44 den 200-Stunden-Ausdauer-test und ging danach in Produktion. Die Ver-wendung im Convair Flugboot XP5Y-1 be-gann erst im Jahr 1950, dort waren jeweils zwei GTC installiert, die Druckluft für das Anlassen der Triebwerke lieferten und ferner Wechselstromgeneratoren antrieben und somit für den Bordstrom sorgten. Es folgten weitere Anwendungen unter anderem als Bodenstarteinheit. Der erste kommerzielle Einsatz war als Startwagen zum Anlassen der Lockheed Electra. Bei der ersten Produktions-reihe entstand eine Vielzahl von Problemen und Ausfällen durch Rissbildung am Rand der Radialturbine. Die Radialturbine wurde durch von der Nuells Team überarbeitet. Weitere Probleme resultierten aus der zweigeteilten Brennkammer, die man mit verschiedenen Maßnahmen in den Griff zu bekommen ver-suchte. Obwohl bei seiner Einführung nicht vollkom-men problemfrei, war der GTC43/44 ein wirt-schaftlicher Erfolg, es wurden mehr als 500 Stück produziert. Der GTC43/44 war Garretts erstes Turbinenprodukt und legte die Grund-lage für Garretts späteren Erfolg als führen-der APU-Hersteller.

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Im Rahmen des Projektes GH4, bei dem sechs GTC43/44 zur Vorwärmung des Convair B-36 Flugzeuges bei arktischem Einsatz ver-wendet wurden, entstand die Forderung sei-tens des US Militärs nach mehr Leistung. Helmut Schelp, ein weiterer Wissenschaftler aus der Operation Paperclip verfasste eine Spezifikation für eine Auxiliary Power Unit mit zwei Radialverdichterstufen und einer Radial-turbine. Garrett bot auf die RFP des US Mili-tärs und erhielt den Auftrag. Dieser Auftrag war der Beginn der Entwicklung einer APU, die später in Stückzahlen von etlichen zehn-tausend gefertigt werden würde. Chefentwickler des GTC85 Kompressors war wieder Homer Wood. Es kam eine Radialver-dichterstufe mit doppeltem Lufteintritt ge-folgt von einer zweiten Radialverdichterstufe zum Einsatz, die zusammen eine Druckzahl von 3,36 erreichten. Als Brennkammer wurde eine Einzelkammer mit tangentialer An-

strömung der Radialturbine fest gelegt. Der Luftmassendurchsatz betrug 1,13 kg/sec. Die GTC85 lief im Frühjahr 1952 zum ersten Mal. Durch eine Wettbewerbsituation bei der Ausstattung der Lockheed C-130 mit einer geeigneten APU, bei der man gegen die fran-zösische Turbomeca Palouste antreten muss-te, wurde der Luftdurchsatz des ursprüngli-chen Designs innerhalb kurzer Zeit auf 2,25 kg/sec verdoppelt und die neue Version GTC85-10 gewann den Wettbewerb. Hierbei wurde auch die Turbinenstufe durch einen verbesserten Entwurf von Dr. von Nuell mit einem Wirkungsgrad von 93 bis 94 % ersetzt. Neben der GTC85 entstand bald auch die Variante GTCP85, bei der zusätzlich über eine Nutzleistungswelle ein Stromgenerator ange-trieben wurde. 1951 erhielt Garrett einen Auftrag der Navy über 36 Mio. US$ und wurde damit zum Hauptlieferant für APUs, Druckluftanlasser und Druckregelsysteme. Die Produktion wur-

Abbildung 3: Schnitt durch den Garrett GTC85 (Quelle: www.vectorsite.net, Hiller Aviation Museum)

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de in Phoenix aufgebaut und die Auslieferun-gen begannen 1954. Garrett konnte bald auch Erfolge im kommerziellen Bereich ver-zeichnen. Garretts APU wurde bei Eastern Airlines zunächst als Ground Unit genutzt, die zum Anlassen der Lockheed Electra diente. Eastern Airlines überzeugte Boeing, dass die APU in der Boeing 727 eingebaut werden sollte. Diese Installation und später auch jene in die Douglas DC-9 war für Garrett ein wich-tiger Schritt zum zukünftigen Erfolg. Zwi-schen 1952 und 1996 wurden in der Folge mehr als 30.000 Stück der 85er Serie in di-versen Flugzeugtypen verbaut. Garrett wurde damit der führende Hersteller von Hilfsturbi-nen für Luftfahrzeuge.

Von der APU zum Turboproptriebwerk Garrett stand in der zweiten Hälfte der Fünf-ziger Jahre wirtschaftlich gut da und man suchte Möglichkeiten zur Expansion. Da zu dieser Zeit eine zunehmende Nachfrage nach kleineren Gasturbinentriebwerken vorherge-sagt wurde, beschäftigte sich Garrett mit diesem Feld. Man hatte auch ein Auge auf das Light Observation Helicopter Program (LOH) der Army. Helmut Schelp stellte eine erste Designstudie für ein Turboproptriebwerk in der Klasse zwischen 200 und 300 PS Nutz-leistung an und nannte sein Konzept ‚Model 231’. Eine Überarbeitung der Studie führte zu einer Turbine mit 330 PS und Schelp nannte es kurz ‚Model 331’. Man versprach sich von einer Neuentwicklung auch Vorteile beim spezifischen Verbrauch zukünftiger APUs. Cliff Garrett war zunächst zögerlich bei der Entscheidung, ein eigenes Triebwerk zu entwickeln, da ein solcher Schritt bedeutete, dass man sich auch als Wettbewerber zu den eigenen Kunden posi-tionieren würde.

1959 begann man mit der Arbeit an einem Triebwerk in der 400 PS Klasse, das aber Potenzial bis 700 PS haben sollte. Es durfte maximal 100 kg wiegen, einen SFC-Wert von 300 g/PSh und ein TBO von 1.000 h haben. Wegen der angestrebten Robustheit entschied man sich für einen zweistufigen Radialver-dichter mit möglichst hoher Druckzahl, einer Reverse-Flow Ringbrennkammer und einer dreistufigen Axialturbine, bei der die Turbi-nenschaufeln bei ein und demselben Durch-messer direkt aus dem vollen Material als integrierte Schaufeln hergestellt werden soll-ten. Bei den radialen Verdichterstufen ging man aufgrund der geringeren Herstellkosten von nach hinten gebogenen Radialsegmenten zu geraden Segmenten über. Die Entscheidung für die Axialturbine zu-gunsten der bislang favorisierten Radialturbi-ne fiel wegen des kostengünstigeren Her-stellprozesses, ihrer kompakten Bauweise und nicht zuletzt wegen der Möglichkeit, die im ersten Ansatz gewählte Einwellenausle-gung später in eine freilaufende Variante ändern zu können. Die Einwellenauslegung war bedingt durch die Anwendung der Turbi-ne auch als APU. Tatsächlich kam der erste Auftrag von der Army und Garrett baute zwei GTP331 APUs für dieses Programm. Im Jahr 1960 wurde die Gasturbine zum ers-ten Mal mit dem Untersetzungsgetriebe ge-koppelt und erste Dauertests begannen. Im folgenden Jahr ging Garrett auf eine An-frage der Navy ein, die nach einem Triebwerk für ihr Assault Support Helicopter (ASH) Pro-gramm suchten. Garrett bot ein modifiziertes 331 Triebwerk an mit Namen TSE331-7. Es handelte sich dabei um die GTP331 APU mit 440 PS Nennleistung und einem modifizierten Getriebe für den Helikoptereinsatz.

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Garrett reagierte auch auf die Anfrage der Army, die nach einem passenden Triebwerk für das LOH-Programm suchte. Beim bislang favorisierten Allison Model 250 (T63) waren Probleme aufgetreten. Garrett stellte der Pia-secki Aircraft Corporation ein TSE331 zur Verfügung. Beide Helikoptertests, der eine in einem Republic Lark, der andere in einem Piasecki Airjeep waren zwar erfolgreich, es stellte sich aber heraus, dass das TSE331 wegen seiner Einwellenauslegung einen Nachteil beim Hochlaufen der beiden Rotoren hatte. Die Army wählte bekanntlich das Allison T63 Triebwerk für ihr LOH-Programm und der ASH Hubschrauber wurde von der Navy nie produziert. Damit war Garretts Ver-such, mit dem Triebwerk im Heli-koptermarkt Fuß zu fassen, geschei-tert. Garrett orientierte sich daher, ähnlich wie damals Pratt & Whitney, in Richtung eines Turboproptrieb-werks für die General Aviation.

Das COIN Flugzeug Es kam gelegen, dass zur selben Zeit, d.h. etwa 1962, die Navy ein Counterinsurgency (COIN) Flugzeug bauen wollte, für das man ein Triebwerk mit ca. 500 PS benötigte, wobei diese Forderung schnell auf 600 PS anstieg. Garrett musste also die Leistung des TSE331 etwas er-höhen und ein Reduktionsgetriebe entwickeln. Es entstand das TPE331-25 (militärische Bezeichnung YT76-G-2). Den Lufteinlass positionierte man als Fronteinlass ans vordere Ende, wobei das Reduktionsgetriebe so gebaut war, dass der Lufteinlass unterhalb oder oberhalb des Getrie-

bes liegen durfte. Letzteres ergab einen bes-seren Schutz gegen FOD bei nichtasphaltier-ten Start- und Landebahnen. Die Tatsache, dass eine Seite des Lufteinlasses vom Getrie-be gebildet wurde, hatte besondere Vorteile hinsichtlich der Enteisung. Man brachte die Leistung auf 575 PS, indem man das Druckverhältnis des Verdichters und die maximale TIT erhöhte. Die Entscheidung für ein Einwellentriebwerk brachte gewisse Vorteile beim Einsatz als Turboproptriebwerk in einem Flugzeug, der in wesentlich kürzerer Reaktionszeit beim Hochdrehen des Triebwerks beispielsweise bei einem Go-around oder im Fall eines Startabbruchs mit Umkehrschub bestand.

Abbildung 4: Erster Testlauf am 31. Juli 1963 (Foto: Garrett)

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Das TPE331-25 (YT76) wurde am 31. Juli 1963 auf einem externen Propellerteststand zum ersten Mal getestet (siehe Abb. 4). Die Navy entschied sich im COIN-Programm für die North American OV-10A „Bronco“ und bestimmte wenig später im Oktober 1964, dass der Prototyp mit dem Garrett Triebwerk ausgestattet werden sollte. Aufgrund einiger Probleme mit der ersten Version des Trieb-werks wurde ein paar Änderungen einge-bracht und der Prototyp wurde mit der Ver-sion YT76-G-6 ausgestattet, die 665 PS leis-tete.

Abbildung 5: North American OV10A Bronco

(Foto: Wikipedia) Bei den Testflügen stellte sich heraus, dass die Entscheidung für die vereinfachten gera-den Radialsegmente des Verdichters dazu geführt hatten, dass die Turbine im Betrieb keinen ausreichenden Abstand zur Pump-grenze hatte. Das Triebwerk wurde erneut überarbeitet und erhielt nach hinten geboge-ne Radialsegmente des sogenannten B2-Compressor, den man auch mit neuen Leit-segmenten (13 statt früher 8) zwischen den beiden Radialstufen ausstattete. Auch die Turbine wurde neu entworfen. Man ging weg von der kostengünstigen Verwendung des-selben Schaufelprofils für alle drei Stufen und verwendete ab sofort auf die jeweilige Turbi-nenstufe angepasste Profile und änderte fer-

ner auch die Anzahl der Schaufelblätter je Stufe. Der Wirkungsgrad konnte signifikant verbessert werden und das Triebwerk leistete nun 715 Wellen-PS. Die Version erhielt 1966 die militärische Be-zeichnung T76-G-10 und war nun der Re-leasekandidat. Das Triebwerk wurde den üb-lichen Zulassungstests unterzogen. Teil der Tests waren unter anderem Versuche, bei denen neben Staub, Steinen, Eis und Hagel-körnern und allerlei Teile wie Schrauben, Scheibenwischblätter und Ähnliches in den Einlass geschleudert wurden. Das Triebwerk war äußerst robust und nahm nur geringen Schaden. Mit dem T76 konnte der Preliminary Flight Rating Test (PFRT) und im Jahr 1967 auch der Model Qualification Test (MQT) erfolgreich absolviert werden. Wenig später begann die Serienlieferung. Die erste OV-10A aus der Serienproduktion flog am 6. August, 1967 zum ersten Mal. Bis zum Produktionsende im Jahr 1992 wurden insge-samt 1.078 TPE331 in OV-10A verbaut und man darf sagen, dass die Entscheidung der Navy Garrett die Tür geöffnet hatte, zum Triebwerkhersteller zu avancieren.

Erfolg mit Executive Turboprops Parallel zur Entwicklung des militärischen T76 Triebwerks begann Garrett auch mit der Arbeit an einer kommerziellen Variante, die unter der Bezeichnung Series I bekannt wur-den (TPE331-25). Sie war identisch zum YT76-G-2. Bereits vor der offiziellen Zulassung hatte Garrett Kunden für das Triebwerk. Als Erstes wurde es 1963 an Volpar geliefert, einem Spezialisten für Konversionen in Van Nuys. Es wurde in eine Beech C-45 eingebaut und das Flugzeug machte seinen Erstflug im April

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1964 noch vor den ersten militärischen Test-flügen. Der erste Flugzeughersteller für das TPE331 wurde dann Mitsubishi, der sich nach nicht zufriedenstellenden Testergebnissen mit dem französischen Turbomeca Astazou (562 PS) für dieses Triebwerk als Antrieb seiner MU-2 entschied. Garrett vereinbarte mit Mitsubishi, die ersten drei Flugzeuge in Los Angeles mit dem TPE331 auszustatten. 1964 begann man mit den Installationen. Damit hatte Mitsubishi Vorführflugzeuge und Garrett hatte sein Triebwerk im damals schnellsten Turboprop für den Executive-Transport untergebracht. Das TPE331-25A der MU-2B erhielt im No-vember 1965 seine FAA Zulassung. Ein weiterer Flugzeughersteller mit Interesse für das TPE331 war Aero Commander. Aero Commander vermarktete zur dieser Zeit er-

folgreich den kolbenmotorgetriebenen Grand Commander, ein zweimotoriges High-Performance Flugzeug mit Druckkabine und zweimal 380 PS Kolbenpower. Ein Deal wurde geschlossen und der Prototyp des Turbo Commander mit dem TPE331 machte am 31.Dezember 1964 seinen Erstflug. Die Ver-wendung der 575 PS starken TPE331-43 (-43 linkslaufend, -25 rechtslaufend) verbesserte die Reisegeschwindigkeit um 12 % und die Steigrate um 55 %. Die Auslieferung des Tur-bo Commander 680T von Aero Commander (die Firma wurde später durch Rockwell über-nommen) startete im Juni 1965. Auch das militärischen YT76-G-6 und T76-G-10 Triebwerke erhielten eine FAA-Zulassung. Sie wurden als TPE331-1 (665 PS) und TPE331-2 (715 PS) zugelassen und lau-fen allgemein unter ‚Century Series’.

Abbildung 6: Schnitt durch das TPE331 (Foto: en.wikipedia.org)

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Das TPE331-2 war genau das Triebwerk, das Ed Swearingen von Swearingen Aircraft für seinen achtsitzigen Merlin II suchte. Das Flugzeug war bereits mit dem 550 PS PT6A als Merlin IIA zugelassen. Swearingen war wie immer auf der Suche nach mehr Speed und das Garrett Triebwerk konnte ihn wegen der Konstruktion mit vorderem Einlass und hinte-rem Auslass und daher geringerem aerody-namischen Widerstand mehr überzeugen. Er setzte es in sein kleines Geschäftsflugzeug und konstruierte so den Merlin IIB. Am Ende (1968) hatte er, was er wollte, nämlich einen echten 300 mph Renner. Das TPE331 war somit zum direkten PT6-Konkurrenten geworden und das Pro und Kontra wurde zu dieser Zeit immer wieder diskutiert. Auf der Pro Seite standen beim TPE331 die bessere Performance, der bessere SFC-Wert und der Vorteil der straight-in Aus-legung mit vorderem Einlass und hinterem Auslass und somit guter Restschub-verwertung. Hinzu kam die Robustheit durch den Radialverdichter und die schnelle Reak-tion beim Schubwechsel. Für das PT6-Triebwerk sprach im wesentlichen die Ausle-gung als freilaufendes Zweiwellentriebwerk, was es drehzahlseitig flexibler machte. Ein Nachteil für Garrett gegenüber Pratt & Whit-ney war, dass man mit dem TPE331 später herauskam und Pratt & Whitney bereits einen soliden Kundenstamm, guten Service und somit einen guten Ruf aufgebaut hatte. Ein zweiter Nachteil lag in Garretts Image, man betrachtete die Firma vielfach eher als Liefe-rant von APUs statt als Triebwerkhersteller. Ein Grund lag möglicherweise auch in der sehr erfolgreichen Paarung Beech KingAir und Pratt & Whitney begründet. Es wurde zwar 1976 die KingAir B100 auch mit Garrett Tur-binen eingeführt, das Gros der Kunden ent-

Abbildung 7: von oben nach unten: Aero Com-

mander Turbo Commander 680T, Mitsubishi MU-2B, Swearingen Merlin, Beech KingAir B100

(Collage: KLSP, verschiedene Quellen im Internet)

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schied sich aber für die PT6A angetriebenen Varianten.

Das Commutergeschäft 1968 begann Ed Swearingen mit dem Entwurf eines 19/20-sitzigen Regionalflugzeugs, dem Modell SA-226TC (später Metro I und II). Hierfür benötigte er ein Triebwerk mit mehr Leistung und Garrett entwickelte daraufhin die 840er Serie (840 PS), die unter der Be-zeichnung TPE331-3, -5, -6 eingeführt wur-den mit 840, 776 und 715 PS. Hierzu wollte man zunächst die TIT erhöhen, doch Bob Bullock, ein Mitarbeiter, der vom NACA Lewis Research Center kam, schlug vor, den Luft-massenstrom zu vergrößern, indem man ein neues high-flow-Verfahren anwandte. Das Verfahren erhöhte sowohl den Luftmassen-durchsatz als auch die Druckzahl. Das ‚–3’ wurde im März 1969 zugelassen und leistete 840 PS. Das Triebwerk hatte genau die pas-sende Charakteristik und Ed Swearingen nutzte es im Metroliner. Damit wurde Garretts TPE331 zum ersten Mal bei einem Regional-flugzeug eingesetzt. Das ‚–3’ wurde auch im kleineren Merlin III und IIIa eingesetzt und auch im Century Aviation Jetstream (Handley Page C10A), ähnlich wie der Metroliner ein Regionalflugzeug für maximal 12 Passagiere. Für den Jetstream war ursprünglich das Tur-bomecas Astazou XIV vorgesehen. Dieses Triebwerk verursachte allerdings Probleme, die sich auch finanziell auswirken und das Unternehmen ging 1970 in Konkurs. Das Flugzeug war allerdings so interessant, dass die Rechte von Scottish Aviation aufgekauft wurden. Scottish Aviation wurde 1978 durch British Aerospace übernommen und das Flugzeug wurde erst danach in höheren Stückzahlen produziert, als Jetstream 31, einem 19/20-sitzigen Commuter, als Jet-

stream 32 für 14 Passagiere mit mehr Raum fürs Gepäck und als Jetstream 41 mit maxi-mal 29 Passagierplätzen. Alle Jetstream-Flugzeuge verwendeten als Antrieb verschie-dene Varianten des TPE331. Die Varianten –5 (776 PS) wurde außerdem im Rockwell Turbo Commander 690, CASA C-212-100, Mitsubishi 2N und in der Dornier Do 228 verwendet, die noch leistungsschwä-chere Variante –6 (715 PS) wurde bei Mitsubi-shi MU-2S/K/L/M und in der Beech KingAir B100 verbaut. Mit der 840er Serie gab es allerdings Proble-me. Das Triebwerk war bis an seine Grenzen ausgelastet und es stellten sich bald Ver-schleißprobleme ein, d.h. die Leistungswerte nahmen beim Betrieb im Laufe der Zeit merk-lich ab. Dies führte 1980 sogar zu einer Untersuchung durch die FAA bei den Metro Flugzeugen. Garrett bot an, Upgrades zur Verfügung zu stellen. Man hatte zwischenzeitlich auf Anforderung des Militärs das T76 auf 1.040 PS gepuscht. Es erhielt die militärische Bezeichnung T76-G-420 und wurde im verbesserten COIN-Flugzeug OV-10D installiert. Die 45 %-ige Leistungssteigerung hatte man durch Steigerung der Turbineneinlasstempe-ratur erreicht. Die erste Turbinenstufe war

Abbildung 8: Cessna 441 Conquest II mit TPE331-8 Triebwerken (Foto:Wikipedia)

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nun bei Statoren und Schaufeln mit Luftküh-lung ausgeführt und die Brennkammer war verkürzt worden. Ansonsten blieb das Trieb-werk insbesondere in der Größe nahezu un-verändert. Die militärische Variante führte zur Zulassung der kommerziellen Varianten –8/-9 und –10/-11. Die ersten beiden wurden 1976 zu-gelassen. Das ’–8’ leistete 865 PS (flat-rated) und wur-de Cessnas Antrieb in der Conquest 441, einem weiteren Executive Flugzeug. Die redu-zierte Leistung gegenüber dem –10 rührte von der geringeren maximalen TIT her. Das ‚–

8’ arbeitete äußerst verbrauchseffizient und reduzierte den Treibstoffverbrauch beispiels-weise in FL300 bei 300 KTAS um 12,5 Pro-zent. Das TPE331-10 war die direkte Übersetzung der militärischen T76-G-420 Variante für den kommerziellen Markt. Es wurde 1978 zuge-lassen und leistete dort maximal 1.000 PS. Die 1979 ergänzte Version –11 hatte ein er-höhtes Leistungslimit beim Getriebe und konnte am Propeller maximal 1.100 PS abge-ben. Etwas später wurde die Version ‚-12’ entwickelt, bei dem man die im Maßstab ver-kleinerte Turbine des –14 verwendete. Diese

Abbildung 9: Regionalflugzeuge mit Garrett TPE331

(Collage: KLSP, verschiedene Quellen im Internet)

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letzte Version der „kleinen TPE331“ leistete maximal 1.070 PS und wurde 1985 im Shorts Tucano Trainer der Royal Air Force, und in

Untervarianten in der CASA C-212, im Super Jetstream 31 und im Fairchild Metro einge-setzt. 1990 waren insgesamt mehr als dreißig ver-schiedene Unterversionen des –10/-11/-12 bei einer Vielfalt von Flugzeugen im Einsatz darunter Gulfstream Commander 980 und 1000, CASA C-212-300, Bae Jetstream (Super) 31, Mitsubishi Solitaire und Marqui-se, Fairchild Merlin IIIB und IIIC und Metro II, III und IV.

Die große TPE331 Bis zur Version –12 hatte man alle Leis-tungssteigerungen des TPE331 bei unverän-derten Außenmaßen (66 cm im Durchmesser und 117 cm in der Länge) und nur geringfü-gig verändertem Gewicht zwischen 160 bis 180 kg durchgeführt. Die Leistung des Triebwerks wurde dabei von anfänglich 575 PS auf 1.100 PS nahezu verdoppelt. Die kommenden Anforderungen der regiona-len Fluggesellschaften nach noch mehr Leis-tung waren mit der kleinen TPE331 nicht mehr zu erreichen und so beschloss man

1979 die Entwicklung der großen –14/-15 Versionen bei der man eine vollkommene Überarbeitung vornahm inklusive Änderung des Getriebes, denn auch hier waren die Grenzen erreicht. Die Zielvorgabe lag bei 1.645 PS thermodynamischer Power. Um dies zu erreichen, wurde das Triebwerk um 20 % vergrößert. Nebenbei änderte man auch die Struktur in eine wirklich modulare Aufteilung zur Erleichterung der Wartungsarbeiten für die Regionalbetreiber. Das –14 Triebwerk lief 1981 zum ersten Mal, wurde ausgiebig getestet und 1984 mit einer Leistung von 1.250 Wellen-PS zertifiziert. Das Triebwerk verlor leider gegen das GE C7 im Wettbewerb um die Ausstattung der Saab 340A, einem 35-sitzigen Commuter, da es zu schwach war. Man suchte bei Garrett eine alternative Anwendung. Piper nahm ein güns-tiges Angebot an und man nutzte es dort für den achtsitzigen Executive Renner Piper Cheyenne 400 LS. Die Triebwerke erhielten dabei ein Flat-Rating auf 1.000 PS, die riesige Rotol-Vierblattpropeller von Dowty antrieben.

Das Flugzeug erreichte damit eine erstaunli-che Maximalgeschwindigkeit von knapp 360 KTAS und positionierte sich auch mit der maximalen Flughöhe von FL410 in der Jet-

Abbildung 10: Shorts Tucano mit TPE331-12B (1.070 PS) (Foto: Wikipedia)

Abbildung 11: Piper Cheyenne 400 LS mit

TPE331-14 (Foto: Controller.com)

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klasse. (Interessante weitere Details hierzu liest man z.B. auf Mullers Website: http://www.mullers.net/mike/cheyenne/) Das –15 Triebwerk wurde 1988 zugelassen

leistete 1.645 PS und diente zum Antrieb des Northrop Grumman S-2T Turbo Tracker, der beispielsweise bei der argentinischen Navy eingesetzt wurde. Das –14 wurde weiter überarbeitet und als –14GR/HR mit einer Maximalleistung von 1.650 Wellen-PS bei 1.759 thermodynami-schen PS und einem Power Reserve Rating von 1.960 PS im Jahr 1989 zertifiziert. Er-reicht wurde die höhere Leistung durch eine höhere Drehzahl und höhere maximale TIT bei verbesserten Materialien in der Turbinen-sektion. Das Triebwerk stellte sich als sehr erfolgreich heraus. Es diente als Antrieb des BAe Jetstream 41 (Zulassung 1992), einer vergrößerten Version des Jetstream 31 für 29 Passagiere. Auch die russische Antonov An-38 (Zulassung 1994), ein regionales Commu-ter- und Transport-Flugzeug für maximal 27 Passagiere, nutzte eine –GR Variante dieses Triebwerks mit maximal 1.500 PS.

Die Helicopter-Pirouette Dass man bei Garrett anfänglich ein paar Anläufe in puncto Nutzung des TPE331 als

Turboshafttriebwerk im Helikopter gemacht hatte, wurde schon erzählt. Aber es gibt hier noch mehr zu berichten. Man hatte nämlich 1968 ein leichtes Helikop-tertriebwerk zum Antrieb des Enstrom T-28 entwickelt, das auf der kleinen GTCP36-4 APU basierte, das TSE36-1. Es leistete 240 PS und wog gerade einmal 80 kg und wurde 1970 FAA-zugelassen. Der Enstrom T-28, eine Turbinenversion des Enstrom F-28 wur-de nie gebaut, da Enstrom 1970 sein Busi-ness beenden musste. Das TSE36-1 ver-schwand in der Schublade. Ein weitere Helikopteraktivität ist noch inte-ressanter, da sie direkt mit dem TPE331 zu-sammen hängt. Gates Learjet Corporation plante nämlich zur selben Zeit, einen Execut-ive Helikopter mit Namen Lear Twinjet auf

den Markt zu bringen, für den man ein star-kes Triebwerk suchte, weil das Allison Model 250 als Option zu dieser Zeit zu schwach war. Garrett kam mit dem Management von Gates überein, hierfür ein modifiziertes 331-Triebwerk zu entwickeln. Das Resultat war ein neuer Turbinenentwurf bei Garrett, das TSE231-1. Das Triebwerk wich von allen bisherigen Entwürfen ab, denn es war ein Zweiwellentriebwerk mit freilau-fender Nutzturbine. Man verwendete den zweistufigen Radialverdichter des TPE331 und eine einstufige Axialturbine im Gasgene-ratorteil. Als Nutzturbine kam eine freilaufen-de, einstufige Axialturbine zum Einsatz, die ihre Leistung von 474 PS an einer Turbos-

Abbildung 12: Grumman S2T Turbo Tracker mit TPE331-15AW (Foto: Wikipedia)

Abbildung 13: Lear Twinjet Helikopter 1970

(mockup) (Quelle: Flightglobal Magazine 1970)

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haft-Abtriebswelle abgab. Das Triebwerk war in seinen Maßen und der Anordnung der Ab-triebswelle so ausgelegt, dass man es direkt im Austausch gegen die Allisonturbine mon-tieren konnte. Ein viel versprechender Test-flug in einem Bell JetRanger erfolgte im De-zember 1970. Lear geriet leider wenig später in finanzielle Probleme und musste sich auf den Learjet 35 konzentrieren, der Lear Twin-jet Helikopter wurde deshalb gestrichen. Garrett fuhr eine Zeit lang mit der Entwick-lung des TSE231-1 fort und versuchte es, der Bell Helicopter Company und auch der US Army zu verkaufen, beides ohne Erfolg. Es sollte bis 1988 dauern, bis Garrett zusammen mit Allison im LHTEC Joint Venture einen Auftrag für ein Helikoptertriebwerk erhalten sollte.

TPE331 in Zahlen Bis Ende 1996 wurden insgesamt 12.774 TPE331 ausgeliefert. Die Triebwerke wurden zu 69 % in Executive Flugzeuge, zu 20 % in Regionalverkehrsflugzeuge und zu 9 % in militärische Flugzeuge eingebaut. Dabei han-delte es sich um etwa 70 verschiedene Flug-zeugtypen, viele davon Varianten der Grund-typen. Geht man nach 1996 wegen des Um-schwungs auf Turbofantechnik von stark rückläufigen Verkaufszahlen aus, lassen sich aktuell etwa 14.000 verkaufte TPE331-Triebwerke abschätzen. Damit ist das TPE331 nicht ganz so erfolgreich wie die PT6A Trieb-werksreihe, man muss es aber zweifelsohne in der selben Liga einordnen. Warum das TPE331 nicht ganz so erfolgreich wie das PT6A war, hatte sicherlich mehrere Gründe, einer davon liegt möglicherweise in der etwas geringeren Zuverlässigkeit begründet.

Problemzonen des TPE331 Wie alle Triebwerke, so hatte auch das TPE331 seine Problemzonen. Garrett hatte aufgrund von schlechten Erfah-rungen bei seinen APUs den Drehzahlschalter für den Start innerhalb der Getriebebox ein-gebaut. Bei Problemen mit dem Schalter mussten die Mechaniker die Getriebebox öffnen. Später wurde der Schalter als elektro-nisches Steuergerät außerhalb montiert. Ein frühes Problem in der Entwicklung war das Verlöschen der Flamme in der Brenn-kammer bei magerem Gemisch. Es lag an den eingesetzten axialen Simplexdüsen. Es wur-den fünf Radialdüsen ergänzt, womit das Problem gelöst war. Als weiteres Problem stellte sich das Kugella-ger zwischen erster Radialstufe und der Ge-triebebox heraus, dass bei den hohen Dreh-zahlen von etwa 40.000 U/min keine ausrei-chende Dauerfestigkeit aufwies. Auch beim Drehmomentsensor waren Zuverlässigkeits-probleme zu verzeichnen. Zur Abhilfe wurden höhere Toleranzwerte der Einbauteile vorge-schrieben. Aufgrund der Auslegung als Einwellentrieb-werk mussten Treibstoffzufuhr, Gasgenera-tor-Governor (Drehzahl) und Propellerregler (Pitch) sehr präzise synchronisiert werden, um Verdichterpumpen zu verhindern. Dies stellte anfänglich eine große Herausforderung für den Lieferanten Woodward dar. Nur durch den Einsatz einer sehr komplexen hydrome-chanischen Regelung mittels 2D- und 3D-Wellenführungen waren die auftretenden Probleme in den Griff zu bekommen. Beim TPE331 wurde im Laufe der Zeit von der FAA eine relativ hohe Anzahl an Airworthiness Directives (AD) erlassen. Sie wurden unter anderem auch durch Garrett selbst initiiert, um die erkannten Probleme zu beseitigen,

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darunter Probleme im Turbinenbereich, durch Vibrationen, bei Lagern und im Getriebe durch Verschleiß oder nicht ausreichende Schmierung. Wir wollen hier nicht auf Ein-zelheiten eingehen. Ein weiteres Problem betraf Garretts War-tungspolitik, bei der man anfänglich die War-tungsarbeiten durch externe Wartungsarbei-ten nicht zulassen wollte. Dies stieß auf den Unmut der regionalen Betreibergesellschaf-ten, die eine schnelle Abwicklung vor Ort forderten. Etwa ab 1980 begann Garrett zusätzlich Ser-vice Center aufzubauen und zu qualifizieren. Im Rahmen der kontinuierlichen Produktpfle-ge ließen sich die Probleme lösen und das Triebwerk gewann an Zuverlässigkeit und Wartbarkeit. Interessanterweise ist das TPE331 das Triebwerk mit der höchsten TBO-Werten im Vergleich zu PT6 und Allison 250. Sie reichen von 5.400 h z.B. beim –5 bis zu 9.000 h beim –14GR/HR, sofern man einen entsprechenden Wartungsvertrag abschließt. Im Vergleich zum PT6A hat das TPE331 je-doch eine schlechtere Statistik, was die In-Flight Shut Down (IFSD) Rate angeht. Sie lag 1996 bei einem Shutdown pro 10.000 Stun-den bei einer akkumulierten Gesamtflugzeit von 66 Millionen Betriebsstunden.

Fazit Bei Turbproptriebwerken in der Klasse zwi-schen 500 und 2.000 PS Wellenleistung hat sich neben der marktführenden PT6A Serie von Pratt & Whitney die TPE331 Serie von Garrett am Markt durchgesetzt. Interessant ist, dass beide Serien, diktiert durch die An-forderungen des Marktes, sowohl eine kleine wie auch eine große Variante umgesetzt ha-ben. Ansonsten könnten die Triebwerke

unterschiedlicher nicht sein. Auf der einen Seite ein Zweiwellentriebwerk mit zweimaliger 180 Grad Umlenkung der Luftströmung, na-hezu vollständig axialer Auslegung, Particle Separator und vorderem Hirschgeweih als Auslass, auf der anderen Seite ein straight-in Triebwerk in Einwellenauslegung mit rustika-lem Radialverdichter, Axialturbine und klassi-schem Auslass am hinteren Ende des Trieb-werks. Besonders interessant beim TPE331 scheint mir sein besserer Wirkungsgrad, her-rührend von der besseren Druckzahl von 11,2 und einem SFC von 235 g/PSh. Hierbei ist das PT6A mit einem SFC-Bestwert von 245 g/PSh um 4,2 % schlechter, d.h. mit dem TPE331 kann man theoretisch bei gleicher Treib-stoffmenge ein Stück weiter fliegen. Auf der anderen Seite hat das PT6A-Triebwerk den besseren Ruf und die bessere Statistik. Unstrittig ist, dass beide Triebwerke, einge-baut in die aufkommenden Turboprops der General Aviation, ab den Sechziger Jahren im Vergleich zu den damaligen Kolbenflugzeu-gen zu ganz neuer Performance verholfen haben, war man damit doch auf einmal mit ganz anderen Airspeeds und in anderen Flight Level unterwegs, teilweise sogar bis hin zu Jetdimensionen. Interessant ist das Garrett TPE331 auch we-gen seines Bezugs zu diesem Magazin, denn Heiko Teegen hatte seinerzeit eine MU-2B als Redaktionsflugzeug erworben und dort waren zwei dieser Garrett-Ungetüme (genauer 2 Garrett TPE331-5 mit je 776 PS) eingebaut. Vielleicht machen Sie es wie ich und lesen in dem Zusammenhang noch einmal die alten Berichte von Heiko Teegen aus dem Jahr 2003. [email protected] (Juni 2009)

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Abbildung 14: Daten des Honeywell TPE331-14 (Quelle: Honeywell)

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Abbildung 15: TPE331 und PT6A Serien im Zahlenvergleich (Quelle: KLSP)

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Quellen: 1. Leyes, Fleming, The History of North American Small Gas Turbine Engines, AIAA, ISBN 1-56347-332-1 2. Treager, Aircraft Gas Turbine Engine Technology, Glencoe McGraw-Hill, ISBN 0- 02-801828-1 3. Honeywell (Garrett) in Phoenix, USA http://www.honeywell.com/sites/aero 4. Diverse Foto- und Daten-Quellen im Internet.

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Was ist ein e-Journ? Ein e-Journ ist ähnlich wie ein e-Book eine elektronische Publikation, nur dass es sichdabei wegen der geringeren Größe (minimal 2, maximal 30 Seiten) nicht um vollständigeBücher handelt, sondern um einzelne Bausteine ähnlich einem Kapitel in einem Buchoder einem journalistischen Beitrag in einer Zeitschrift. K.L.S. Publishing e-Journs sind allesamt als Fachartikel für Luftfahrtmagazine oder alsabgeschlossene Kapitel für Luftfahrtbücher entstanden. K.L.S. Publishing bietet e-Journs als Einzelwerke zum Kauf an. So hat jeder Leser dieMöglichkeit, einzelne Bausteine oder einzelne Artikel jeweils frei nach Interesse selbstzusammenzustellen. Hiermit kann der Leser flexibel eine eigene Wissensbibliothekaufbauen. Die Preise der E-Journs werden auf der Basis eines geringen Seitenpreiseserrechnet und sind damit kostengünstig im Vergleich zu Büchern. K.L.S. Publishing, Köln http://klspublishing.de/