Kleine Geschichte der Städtepartnerschaft · Wer schon an dem Austausch teilgenommen hat, wird...

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Sylvie Poidevin Kleine Geschichte der Städtepartnerschaft Erzählt von denen, die sie erlebt haben Herzogenaurach Sainte-Luce-sur-Loire

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Sylvie Poidevin

Kleine Geschichte

der Städtepartnerschaft

Erzählt von denen , die sie erlebt haben

Herzogenaurach

Sainte-Luce-sur-Loire

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Grußwort von German Hacker, Bürgermeister der Stadt Herzogenaurach

Liebe Leserinnen und Leser,

wenn Sie dieses deutsch-französische Werk lesen, werden Sie auf eine Reise zwischen Herzogenaurach und Sainte-Luce-sur-Loire mitgenommen, die offiziell vor genau 20 Jahren begonnen hat. Es ist die Geschichte einer Partnerschaft, erzählt für und durch die Bürgerinnen und Bürger unserer beiden Städte, die Geschichte einer Freundschaft, die viele Gesichter hat.

Wer schon an dem Austausch teilgenommen hat, wird diese kleine Geschichte unserer Partnerschaft genießen, wie wenn man sich ein Fotoalbum mit schönen Erinnerungen ansieht. Man wird sich ganz sicher in mancher Situation wiedererkennen.

Wer bei den Begegnungen zwischen den Lucéens und den Herzogenaurachern noch nicht dabei war, wird nach dieser Lektüre sicher Lust bekommen, daran teilzunehmen.

Ich danke Frau Sylvie Poidevin für die Verfassung dieses Werks. Es ist ein schönes Präsent im Jahre des 20-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft an die Bürgerinnen und Bürger unserer beiden Städte.

Ich gratuliere den „Jubilaren“ und wünsche viele weitere Jahrzehnte des gemeinsamen Glückes!

Dr. German Hacker

Bürgermeister der Stadt Herzogenaurach

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Grußwort von Bernard Aunette, Bürgermeister von Sainte-Luce-sur-Loire

Auch die Entwicklung der neuen Technologien und der virtuellen Gemeinschaften wird daran nichts ändern : nichts ist wertvoller als eine Reise, als ein menschlicher Kontakt. Die Welt entdecken, den Anderen kennen lernen, diesen unbekannten Bruder, der irgendwo am anderen Ende der Welt existiert. Genau das macht den Zauber einer Städtepartnerschaft aus : neue brüderliche Beziehungen ins Leben rufen, von Land zu Land.

Im Verlauf meiner Begegnungen mit den Einwohnern, Bürgern und Vereinen von Sainte-Luce bin ich immer wieder erstaunt, in welchem Maße die Partnerschaft mit Herzogenaurach im täglichen Leben präsent ist. Jede Fahrt ist von Freude, ungeduldiger Erwartung getragen und in jeder Trennung ist ein wenig Emotion…Vorfreude aufs nächste Mal !

Eine Städtepartnerschaft ist die Geschichte von Frauen und Männern, die sich engagieren, um ein kleines Stück Europa leben zu lassen. Sylvie Poidevin erzählt im Folgenden die schöne Geschichte unserer Partnerschaft, und zwar an Hand ihrer Akteure von gestern und heute. Im Rahmen eines Praktikums in der Kommunikationsabteilung während ihrer Vorbereitung auf den Beruf des öffentlichen Schreibers bot sie uns an, einen Teil der lokalen Erinnerungsarbeit an Hand der Aussagen von jenen zu leisten, die an der Gestaltung dieses Kapitels der Geschichte unserer Stadt beteiligt waren.

Der Tod von Pierre Brasselet, der mit Hans Ort 1988 den Partnerschaftsvertarg unterzeichnete färbt dieses Dokument mit besonderer Emotion : der ehemalige Bürgermeister gibt hier seiner europäischen Leidenschaft Ausdruck. Vor dem Zweiten Weltkrieg geboren, war er von den zerstörerischen Auswirkungen dieses Konflikts gezeichnet, was sicherlich die Leidenschaft seines europäischen Engagements erklärt.

Als Kind des Wiederaufbaus bin ich mir der Bedeutung der Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern, unseren beiden Nationen, unseren beiden Städten voll bewusst.

Die Aussagen derer, die unsere Städtepartnerschaft gestaltet haben, vermitteln das Portrait eines wirklich existierenden, lebenden, pulsierenden Europas der Völker, wirkungsvolles Mittel gegen jegliche Isolierungstendenz von Identitätsgemeinschaften.

Heute beginnen wir gemeinsam ein neues Kapitel.

Dies ist erst der Beginn der Geschichte unserer Partnerschaft.

Bernard Aunette,

Bürgermeister von Sainte-Luce-sur-Loire

Vizepräsident von Nantes Métropole

Vertreter des Bezirks Carquefou im Rat des Départements

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VORWORT ..................................................................................................................... 7

DIE ERSTEN SCHRITTE..................................................................................................... 8

Ein wenig Geschichte .................................................................................................................... 8

Von Herzogenaurach nach Sainte-Luce-sur-Loire .................................................................... 9

Alles beginnt mit Gymnasialschülern ...................................................................................... 10

Vom Schüleraustausch zur Städtepartnerschaft ..................................................................... 12

MOTIVATION UND EMOTIONEN ....................................................................................... 14

Kommunikation ohne Grenze................................................................................................... 14

Einen neuen Horizont entdecken ............................................................................................. 15

Freundschaftliche Bande knüpfen............................................................................................ 17

Auf den Anderen zugehen .......................................................................................................... 18

2 300 KILOMETER UND EINIGE ERINNERUNGEN ............................................................... 23

Welch langer Weg! ....................................................................................................................... 23

Einen andere Kultur entdecken ................................................................................................ 24

Das Symbol der Geselligkeit....................................................................................................... 25

DIE UNVERZICHTBAREN STÜTZEN DER PARTNERSCHAFT.................................................... 27

Cercle d’Amis und Freundeskreis ............................................................................................. 27

Die Vereine.................................................................................................................................... 28

Eine außergewöhnliche Wanderung ........................................................................................ 30

Die jungen Generationen ........................................................................................................... 31

UND WENN ES NOCH MAL ZU TUN WÄRE?......................................................................... 35

NÜTZLICHE ADRESSEN.................................................................................................. 36

ANHANG ..................................................................................................................... 37

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VORWORT

Im Jahr 2008 ist die Partnerschaft zwischen Herzogenaurach und Sainte-Luce-sur-Loire

zwanzig Jahre alt. Zwanzig Jahre, die ersten Teilnehmer an der Partnerschaft haben einige

Falten mehr und es ist notwendig, die Erinnerung an die vergangenen Begegnungen und

Ereignisse wach zu halten.

Mein besonderer Dank gilt allen Franzosen und Deutschen, die bereit waren, meine Fragen

zu beantworten, um Zeugnis abzulegen über den Geist, der diese Partnerschaft beherrschte

und nach wie vor beherrscht, sowie Daniel, der stets als Übersetzer bei den Kontakten mit

Herzogenaurach zur Verfügung stand.

Manche werden vielleicht erstaunt sein, nicht hier vorzukommen oder nicht angesprochen

worden zu sein. Die Berichte konnten nicht in ihrem vollen Umfang gedruckt werden, und

es war vom Aufwand her nicht möglich, alle Teilnehmer anzusprechen.

Auch wenn dieser Bericht nicht vollständig ist, so ist er doch allen gewidmet, den offiziellen

Persönlichkeiten genauso wie den einfachen Bürgern, die aus der Nähe oder aus der Ferne

an den Austauschen teilgenommen haben. Ich wünsche mir, dass jeder im Folgenden etwas

von seinem persönlichen Mitwirken an diesem großen Abenteur wieder findet.

Mein Dank gilt ebenfalls der Stadtverwaltung von Sainte-Luce-sur-Loire, insbesondere

Chrystèle Poisson und Thierry Saurat, die es mir ermöglicht haben, im Rahmen des

Praktikums meiner Ausbildung zum öffentlichen Schreiber an der Université Paris III

Sorbonne Nouvelle diese Sammlung von Zeugnissen für den zwanzigsten Geburtstag der

Partnerschaft zusammenzutragen.

Sylvie Poidevin

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DIE ERSTEN SCHRITTE

Ein wenig Geschichte

Vor genau zwanzig Jahren haben die beiden Städte Herzogenaurach und Sainte-

Luce-sur-Loire ihre Partnerschaft begründet. Anlässlich des fünften Geburtstages wurde

seinerzeit gefeiert, dann zur zehnten Wiederkehr dieses Datums. Für den Menschen

bedeutet der zwanzigste Geburtstag das Ende der Jugend und den Eintritt in das

Erwachsenenleben ; ähnlich kann man für Gemeinden diese Zeitdauer mit jener der Reife

gleichsetzen, jenem Lebensabschnitt, in dem die Erfahrung es uns erlaubt, aus der

Vergangenheit zu lernen, um die Zukunft vorzubereiten. Die Generationen folgen einander

und die Erwartungen sind nicht mehr unbedingt die der Pioniere. Die im Folgenden

erfassten Zeugnisse sollen zum besseren Verständnis der Partnerschaft beitragen und den

Beitrag der verschiedenen Teilnehmer aufzeigen. Der Geist der vorangegangenen

Teilnehmer kann die Motivation der Erben für die Zukunft nähren.

Herzogenaurach und Sainte-Luce-sur-Loire1 zählen zu den 15 000 europäischen

Kommunen, die eines Tages beschlossen haben, eine Partnerschaft zu begründen. Der

AFCCRE2 erklärt: «die Partnerschaft zwischen Städten des europäischen Kontinents

ermöglicht es, die menschlichen Beziehungen im Alltag konkret zu machen und Meinungen

auszutauschen, im Hinblick auf eine aktive europäische Bürgerschaft ». Dieser Verband folgt

dem am 22. Januar 1963 zwischen der Bundesrepublik unter Kanzler Adenauer und

Frankreich unter General de Gaulle unterzeichneten Vertrag, der Zusammenarbeit und

Austausch zwischen den beiden Ländern fördern sollte.

1 Siehe Anhang 1 : geographische Lage der beiden Kommunen

2 Französicher Verband des Rates der Regionen und Kommunen Europas

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Der Vertrag hat drei Ziele, die in der kurzen gemeinsamen begleitenden Erklärung

formuliert wurden :

• Symbolisch die deutsch-französische Aussöhnung besiegeln

• Zwischen beiden Völkern, und insbesondere deren Jugend, eine echte

Freundschaft begründen

• Und somit den Aufbau eines geeinten Europas fördern, welcher das Ziel der

beiden Völker ist

Die Bundesrepublik ist stets das erste Land gewesen, mit dem französische Städte

Beziehungen aufgenommen haben. Seit den achtziger Jahren ist indessen eine

Diversifizierung der Partnerschaften mit den Ländern Ost- und Südeuropas zu beobachten.

Das an der Europa-Meile von Sainte-Luce-sur-Loire angebrachte Hinweisschild gibt

an : « Herzogenaurach 1 150 Km ». Seit 1983, dem Jahr des ersten Austauschs zwischen

Gymanasialschülern, haben die Einwohner von Sainte-Luce-sur-Loire und jene von

Herzogenaurach diese Distanz mehrer Male pro Jahr überwunden. Dies entspricht im

Zeitraum von zwanzig Jahren der Distanz von mehreren Erdumrundungen. Die

Transportmittel waren vielfältig : vor allem der Reisebus und das Auto, aber auch per Zug

wurde gefahren, per Flugzeug, per Rad und sogar zu Fuß. Jede Reise war Anlass zu

fruchtbaren und freundschaftlichen Austauschen, die sich im Laufe der Jahre verstärkten.

Die gesamte Geschichte der Partnerschaft zu erzählen wäre unmöglich und sicher

müßig. Nur Anekdoten zu berichten, die den Weg der beiden Kommunen begleitet haben,

wäre reduzierend. Die markierenden Ereignisse zu erzählen, die als unumgängliche

Fixpunkte dienen, würde kein gerechtes Bild der Partnerschaft wiedergeben. Keine dieser

Methoden kann alleine umfassend sein. Die Begegnung mit den Menschen suchen, deren

Engagement als Individuum oder in Vereinen über die Jahre hinweg die Partnerschaft

ausgemacht hat, öffnet die Tür zu Zeugnissen eines interessanten und leidenschaftlichen

menschlichen Abenteuers. Es sind die Menschen, die sich wie ein roter Faden durch die

Geschichte, Anekdoten und Ereignisse ziehen.

Von Herzogenaurach nach Sainte-Luce-sur-Loire

Zunächst soll Herzogenaurach einmal vorgestellt werden. Es handelt sich um eine

angenehme, typische fränkische Stadt. Diese Region des Bundeslandes Bayern2 liegt im

Süden Deutschlands, fünfundzwanzig Kilometer von Nürnberg entfernt. Mit etwa 23 500

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Einwohnern und 13 Stadtvierteln und Dörfern, umliegenden Kommunen, die seit 1972

verwaltungsmäßig integriert wurden, ist diese Gemeinde größer als Sainte-Luce-sur-Loire.

Die Altstadt verfügt über zahlreiche, sehr schöne Fachwerkhäuser. Die beiden großen

mittelalterlichen Türme aus dem 14. Jahrhundert, der « Fehnturm » im Osten und der

« Türmersturm » im Westen, sind Überreste der Stadtbefestigungsanlagen. Im Jahre 2002 hat

die Gemeinde auf unvergessliche Weise ihre tausendjährige Vergangenheit gefeiert. Bei

einem Spaziergang durch die Straßen des gut erhaltenen historischen Zentrums kann man

sich unmittelbar des ganzen Reichtums dieser Vergangenheit bewusst werden. Die René-

Goscinny-Mediathek in Sainte-Luce-sur-Loire besitzt ein ins französische übersetztes Buch

über Herzogenaurach, mit schönen Aufnahmen der Stadt3.

Herzogenaurach ist aber auch eine Stadt, die wirtschaftlich eine Rolle spielt, da sie Sitz der

berühmten Sportschuhfabrikanten ist : Adidas (2 100 Mitarbeiter) und PUMA AG (600

Mitarbeiter), sowie Sitz der Ina-Schaeffler KG, Hersteller von Kugellagern, der in

Herzogenaurach 7 500 Mitarbeiter beschäftigt. Sainte-Luce war offensichtlich keineswegs

dazu vorherbestimmt, gerade mit dieser deutschen Gemeinde Kontakte zu knüpfen. Der

Zufall hat die Dinge wohl gerichtet.

Alles beginnt mit Gymnasialschülern

Die Geschichte beginnt im Schuljahr 1979/1980 in der sechsten Klasse von Françoise

Chevrel, Deutschlehrerin am Collège de la Reinetière. Ihre Schüler möchten sehr gerne zum

Abschluss ihrer Schulzeit eine Fahrt nach Deutschland machen. Sie verspricht der ganzen

Klasse, die sie während vier Schuljahren betreuen wird, folgendes: « Ich verspreche euch,

während der troisième (4. Jahr Gymnasium) einen Austausch mit einer deutschen Schule zu

organisieren». Nach einigen vergeblichen Versuchen mit Erlangen, einer Nachbarstadt,

entdeckt sie das 1974 eröffnete Gymnasium von Herzogenaurach und versucht einen

Austausch zu organisieren. Anfang 1982 kommt es zu einem ersten Briefwechsel mit

deutschen Kollegen: Brigitte Höfer und Roland Pitter. In Bayern empfängt das „Gymnasium“

Schüler der Altersgruppen „CM2“ (fünfte französische Grundschulklasse [Anmerkung des

Übersetzers]) bis zum Abitur; „Collège“ und „Lycée“ sind also in derselben Einrichtung

vereint.

Der allererste Schüleraustausch findet 1983 mit dem Besuch von vierzehn

französischen Schülern der Sekundarstufe I in Herzogenaurach statt; zwei Monate später, im

Mai, fahren die jungen Deutschen nach Sainte-Luce-sur-Loire. Vor ihrer Abfahrt sind die

Eltern ein wenig besorgt : « Mein Sohn ist noch nie weiter als bis Préfailles verreist» und auch

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die Schüler standen vor dem Ungewissen : « Das war das erste Mal, dass ein solcher

Austausch in Sainte-Luce-sur–Loire stattfand. Wir wussten nicht so recht, wie das alles

ablaufen würde ». Nach einem Tag Besichtigung von Paris, geht die Reise per Nachtzug

weiter.

Die Unterbringung ist natürlich in den Familien vorgesehen. Eine der Schülerinnen

von Françoise Chevrel wird übrigens von der Familie Dassler aufgenommen, den Gründern

des Unternehmens Adidas. Sie wird erst bei der Ankunft am Bahnhof von Erlangen den

Namen ihrer Gastfamilie von Frau Chevrel erfahren: « Mir war ein wenig bange bei dem

Gedanken, bei ihnen untergebracht zu sein. Es ist gut gegangen. Jeden Tag wurde ich mit

einem Auto mit Fahrer ins Gymnasium gebracht ». Die fruchtbaren Kontakte und die

Begeisterung der Schüler reißen alle mit. Als ihre Austauschpartner in Nantes ankommen

sind alle Schüler anwesend, mit einer großen deutschen Fahne, die Françoise Chevrel zu

Ehren der deutschen Freunde angefertigt hat: « Auf dem Bahnsteig gab es viele Emotionen ».

Der erste Aufenthalt hinterlässt unvergessliche Erinnerungen. Vier Mädchen werden

schließlich im darauf folgenden Sommer einen Monat bei ihrer Gastfamilie verbringen.

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Vom Schüleraustausch zur Städtepartnerschaft

Françoise Chevrel beschließt, diese Aktion zu wiederholen, aber nur alle zwei Jahre,

wegen des materiellen Aufwands, den eine solche Reise erfordert. Bei einer Begegnung mit

Pierre Brasselet, dem Bürgermeister von Sainte-Luce-sur-Loire, erwähnt sie die Idee einer

Partnerschaft zwischen Kommunen. Nach einigen informellen Kontakten im Jahre 1984

unternimmt eine offizielle Delegation der beiden Städte im Lauf des Jahres 1985 eine Reise

in die Partnerstadt. Dies sind die Vorboten eines Engangements. Die Presse findet einige

aufschlussreiche Überschriften. Presse-Océan : « Kein Zweifel, bald ist Hochzeit ! Warum

sollte man das angehende Paar daran hindern, wo die gegenseitige Zuneigung so

offensichtlich scheint » ; Ouest-France : « Lebensgemeinschaft vor einer eventuellen Hochzeit

». Dies gibt sehr gut die Gedanken von Hans Ort, dem Bürgermeister von Herzogenaurach,

wieder, der Folgendes sagt : « Die Leute heiraten nicht sofort, wenn sie sich kennen lernen,

bei den Kommunen ist das genauso ».

1986 vertiefen die Vereine und Stadträte die Kontakte. Im November desselben Jahres

findet in Sainte-Luce-sur-Loire, auf Initiative der Union Sportive Lucéenne und des Basket

Club Lucéen, „ein unvergesslicher Sauerkrautabend“ statt, der von den zwanzig Musikern

des Harmonieorchesters Herzogenaurach, die mit einer Delegation des Rathauses

gekommen sind, musikalisch gestaltet wird. Mehr als sechshundert Personen sind in dem

Saal Marc Jaffret « in der Stimmung eines echten bayrischen Abends » versammelt.

Das Jahr 1987 erweist sich als entscheidend. Etwa dreißig deutsche Frauen lernen in

der « Volkshochschule » Französisch und beschließen, Anfang Mai eine Woche nach Sainte-

Luce-sur-Loire zu fahren. Ihre Lehrerinnen, Carola Zech und Francette Flassbeck, bereiten

die Reise von Januar an vor. Sie schreiben an Sainte-Luce AVF Accueil, dessen Vorsitzender

Georges Blass ist: « Das wesentliche Ziel ist, den Französisch Lernenden die Möglichkeit zu

geben, ihre Kenntnisse anzuwenden, einen Eindruck vom französischen Familienleben zu

bekommen, Freundschaften zu schließen und dadurch gewisse Vorurteile zu beseitigen ».

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Anita Welker, eine der deutschen Kursteilnehmerinnen, erklärt, dass „die ganze

Gruppe herrliche Tage verbracht hat“. Im selben Jahr organisieren drei Sportvereine aus

Sainte-Luce-sur-Loire (Fußball, Basketball und Tischtennis) Begegnungen mit ihren

deutschen Partnern.

Nach reiflicher Überlegung verabschieden die beiden Stadträte 19873 einstimmig die

Städtepartnerschaft. Im Lauf des Jahres 1988 markieren verschiedene Feierlichkeiten die

offizielle Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrags durch die beiden Bürgermeister: Pierre

Brasselet und Hans Ort, jeweils am 9. April in Sainte-Luce-sur-Loire und am 8. Oktober in

Herzogenaurach.3

Die Ziele der Städtepartnerschaft sind folgendermaßen definiert :

• Freundschaftliche Bande zwischen den Einwohnern der beiden Städte schaffen,

• Die Entwicklung der Beziehungen zwischen den Einwohnern fördern,

• Aktivitäten fördern, die dazu geeignet sind, die Zusammenarbeit in Sport, Kultur,

Wirtschaft und Freizeit zu entwickeln.

Im Lauf der Jahre tragen die Kontakte zwischen den Institutionen und Vereinen, die

Privatbesuche dazu bei, die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich zu festigen.

Die Partnerschaft entwickelt sich ganz natürlich.

3 Siehe Anhang 2 und 3 : Partnerschaftsvertrag in deutscher und französischer Sprache

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MOTIVATION UND EMOTIONEN

Kommunikation ohne Grenze Ob alt oder jung, erfahren oder neu dabei, die Mehrheit der Teilnehmer hat dieselben

Emotionen bei den Begegnungen. Sie berichten von: „der Freude, einen neuen Horizont zu

entdecken, der großzügigen Geselligkeit , der engen Freundschaft, die sich über die Jahre

hinweg entwickelt. Diese Alchimie funktioniert jenseits der Sprachbarrieren. Auch wenn es

manchmal sehr viel guten Willens bedarf, einander zu verstehen, ist es immer wieder

erstaunlich, dass die Kommunikation trotz des nur sehr elementaren sprachlichen

Kenntnisstands funktioniert. Wie der Herzogenauracher Journalist sagt, ist zu bemerken, wie

groß die Geduld der Gastgeber ist, die einem helfen, sich mitzuteilen. Einem ernsthaften

Gespräch steht nie etwas wirklich im Wege : « Ich erinnere mich an eine Diskussion

darüber, wer der Autor des ‚Ich erhebe Anklage’ war: ich habe die Wette verloren ! ».

Manche Einwohner von Sainte Luce sprechen fast kein deutsch. Andere haben es

geschafft, bei den zahlreichen Reisen nach Deutschland ihren Wortschatz zu bereichern und

sind in der Lage, sich in jeder alltäglichen Situation zurecht zu finden, auch wenn sie nicht

unbedingt die Syntax oder die Grammatik respektieren. Das Wichtigste ist, im Alltag von

den Gastgebern verstanden zu werden. In einer Gruppe gibt es im Allgemeinen einen

Franzosen, der die Sprache Goethes beherrscht oder einen Deutschen der der Sprache

Voltaires mächtig ist. Englisch ist stets allen ein Hilfe und Gesten sind aus einer gelungenen

Kommunikation nicht wegzudenken.

Rosa Abel, Verantwortliche für die Städtepartnerschaften im Rathaus von

Herzogenaurach, stellt mit Rührung fest: « Freundschaften entstehen manchmal, ohne dass

man viel miteinander reden kann ». Elisabeth Kochmann, eine der Vorsitzenden der

« Turnerschaft 1861 », bemerkt : « die Sprachbarriere ist kein Hindernis, sie motiviert sogar

eher. ». Die Mehrheit der jugendlichen Teilnehmer an der Mini-Olympiade oder am deutsch-

französischen Ferienlager sprechen meistens englisch oder spanisch, und die deutschen

Schüler beginnen gerade mit dem Französischunterricht. Nachdem sie ein paar Stunden

zusammen verbracht haben, vertreibt die starke Lust miteinander zu kommunizieren die

anfänglichen Hemmungen. Bei den einen ist es der Sport, bei anderen die Atmosphäre der

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gemeinsamen Ferien, die zur Überwindung der Sprachbarriere beitragen4.

Es ist ebenfalls interessant zu wissen, dass seit dem Beginn der Austausche für alle,

die die Sprache ihrer Partnerstadt lernen oder ihre Kenntnisse verbessern möchten,

Sprachkurse angeboten werden (deutsch in Sainte Luce und französisch in

Herzogenaurach)5. Mit derselben Absicht nehmen seit sechs Jahren jeweils etwa zehn

Deutsche und Franzosen mit viel Freude im Juni an einem einwöchigen Sprachaufenthalt

teil, der einmal in Deutschland stattfindet und im Folgejahr in Frankreich: morgens haben

die Teilnehmer drei Stunden Sprachkurs, nachmittags entdecken sie mit den Gastfamilien

die französische Kultur. Die Stimmung ist sehr herzlich; Ria Günther, eine regelmäßige

deutsche Teilnehmerin (ihr erster Kurs war im Jahre 1987, und sie ist ebenfalls 2004

gekommen) fasst es so zusammen: « der Sprachaufenthalt, diese besondere Form des

Austauschs, gleicht einem sehr lustigen Schulausflug von vor vierzig Jahren ».

Einen neuen Horizont entdecken

Im Allgemeinen empfinden die Besucher ein Gefühl der Freiheit beim Eintauchen in

eine ungewohnte Welt, in der die gewohnten Bezugspunkte verändert sind: « sich in einer

vom gewöhnlichen Alltag entfernten Atmosphäre zu befinden, wo jeder besondere

Anstrengungen unternimmt, um die ausländischen Gäste zu ehren ». Jeden Abend kann

man in einem anderen Haus eine Mahlzeit teilen: « nach und nach bei allen eingeladen,

macht man die Runde im Viertel ». Alles wird getan, um Freude zu bereiten. Es ist eine Ehre,

Bürger der Partnerstadt zu empfangen. Die Gastfreundschaft ist einer der Grundpfeiler

dieser Partnerschaft: « es sind die kleinen Dinge, die den Unterschied ausmachen » sagt

Thomas Schäfer, « nicht die großen Ereignisse ».

Manche beteiligen sich an dem Austausch nur ein oder zwei Mal: die Schüler mit

ihrer Schule, die Sportler bei der Mini-Olympiade. Eine Gelegenheit zur Begegnung wird

ihnen angeboten. Sie nutzen sie mit der ganzen Begeisterung ihrer Jugend. «Ich hatte Lust

darauf, eine andere Stadt kennen zu lernen und einen neuen Horizont zu entdecken. »

erklärt Marion Martial, 20 Jahre, Schülerin an der ‚Reinetière’ im Jahre 2001, als ihre

‚troisième’ (neunte Klasse) am Schüleraustausch teilnahm.

Andere Jugendliche sind gewissermaßen mit der Partnerschaft aufgewachsen, wie

Stéphane Donnart oder Cathy Rivière, beide aus Sainte Luce. Cathy bezeichnet sich als

4 siehe « die jungen Generationen » Seite 29

5 Sainte-Luce AVF Accueil, dann der Cercle d’Amis in Sainte-Luce-sur-Loire und die « Volkshochschule » in

Herzogenaurach

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« Pionierin », da sie 1983 bei der ersten Fahrt ihres Gymnasiums dabei war. Sie war dann

mehr als zehn Mal in Herzogenaurach, bevor sie sich endgültig dort niederließ, um

schließlich dort eine Familie zu gründen. 25 Jahre später erinnert sie sich mit viel Emotion:

« bei den Entdeckungen und Begegnungen, die ich dort gemacht habe, war etwas von

Abenteuer dabei. »

Stéphane machte seine erste Fahrt mit 17 – er ist jetzt 35. Er nahm ganz

selbstverständlich mit seinen Eltern an den Austauschen teil und wuchs allmählich zum

Dolmetscher für die deutschen Besuchergruppen in Sainte Luce oder umgekehrt für die

Franzosen in Herzogenaurach heran. Auf diese Weise verbessert er seine Deutschkenntnisse

und lernt, Land und Leute zu schätzen sowie deren Art zu empfangen und zu leben, die

ihm sehr gefallen. Er hat mehrer Male beim Grünflächenamt in Herzogenaurach gearbeitet

oder auch im Freizeitzentrum « Spielmobil », wo seit zwanzig Jahren regelmäßig junge Leute

aus Sainte Luce beschäftigt werden.

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Freundschaftliche Bande knüpfen

Beim fünften Geburtstag erklärt Hans Lang, seit 1990 Bürgermeister von

Herzogenaurach : « für mich waren das Wichtigste der vergangenen fünf Jahre die

freundschaftlichen Verbindungen, die zwischen den Familien von Sainte-Luce-sur-Loire und

Herzogenaurach geknüpft wurden. Die offiziellen Begegnungen sind natürlich von

Bedeutung, aber das Wesentliche ist zunächst für mich das Netz von freundschaftlichen

Kontakten, die zwischen den Familien und Einwohnern unserer beiden Städte geknüpft

wurden. ».

Tausendundeine Erinnerung haben die sehr starken Bande zwischen den

Einwohnern gewoben, die Gelegenheit hatten, einander kennen zu lernen: « wir haben

furchtbar sympathische Korrespondenten gehabt, wir haben sie schätzen gelernt, lieben

gelernt » sagt Helmut Küster, ehemaliger musikalischer Leiter der Fanfare « Grenzmark ».

Wenn man danach fragt, kommen in der Diskussion immer wieder dieselben Worte. Es

besteht: « eine echte Freundschaft, die eine Quelle intensiver Freude und Beziehungen ist ;

nach einem Jahr sehen wir uns wieder, als ob wir erst am Vorabend auseinander gegangen

wären ». Rosa Abel beschreibt die markierenden Augenblicke des Wiedersehens und des

Abschieds : « die Freundschaft ist in den Augen und Händen der Leute zu lesen, die

einander nicht oft sehen, aber dennoch Freunde geworden sind ». Für manche verstärken die

Jahre noch diese freundschaftlichen Bande. Letzte Weihnachten fand Anita Welker es ganz

selbstverständlich, ihre Korrespondentin sowie deren Mann und ihre drei Kinder für fünf

Tage einzuladen, um dieses intime Ereignis gemeinsam zu erleben.

Cathy Rivière gibt zu : « diese Jahre intensiver erlebt zu haben als andere Teilnehmer » ; im

übrigen hat die Partnerschaft : « ihr Leben verändert » und 2008 wird sie: « 25 Jahre

Freundschaft mit den Freunden feiern, die sie ganz am Anfang kennen gelernt hat ». Bei

jedem seiner Aufenthalte hat Stéphane Donnart immer tiefere Beziehungen geknüpft,

insbesondere mit Rosa und Josef Hagen. Dieses deutsche Paar hat, wie viele Bürger

Herzogenaurachs, stets eine große Tradition in der Aufnahme französischer Gäste gehabt.

Die Besucher aus Sainte Luce sind besonders herzlich willkommen: ihr Haus ist immer offen

und an ihrem Tisch ist immer Platz. An seinem achtzehnten Geburtstag, während er gerade

das zweite Jahr auf einander den Sommer bei ihnen verbringt, organisieren sie ein

Riesenfest für ihn : « Alle Herzogenauracher, die ich kannte, waren gekommen, um zu essen

und zu trinken. Ich habe keine Worte für meine Emotionen, es war unbeschreiblich. Rosa

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hatte herrliche Kuchen vorbereitet, ihr ganz besonderes Geheimnis».

Andere sind ebenfalls seit Anfang regelmäßig mit von der Partie. Dazu gehören

selbstverständlich die Mitglieder des « Cercle d'Amis Sainte-Luce-sur-Loire /

Herzogenaurach »6 und des « Freundeskreis »7 von Herzogenaurach (die beiden Vereine

unternehmen jedes Jahr abwechselnd eine Reise). Barbara Appelman, Mitglied des

« Freundeskreis », begann 1991 und war noch 2007 mit ihrem Mann und ihrer 23-jährigen

Tochter dabei : « Die Freundschaft zwischen zwei Ländern kann nur wachsen, wenn die

Bewohner einander gut verstehen und besuchen ». Es sind stets etwa fünfzig

Vereinsmitglieder, die die Reise unternehmen: « Dank der Partnerschaft gibt es in beiden

Städten Familien, die tiefe freundschaftliche, fast familiäre Beziehungen geknüpft haben ».

Manche Familien, die Morvezen und Wirth, Donnart und Hagen, unternehmen eigens die

Reise, um bei der Hochzeit ihrer inzwischen erwachsenen Kinder dabei zu sein. Sobald sie

nach Frankreich kommen und vor allem in die Bretagne, machen die deutschen Freunde

regelmäßig halt in Sainte Luce sur Loire: « Das ist ein obligatorischer Zwischenstopp auf der

Fahrt in die Ferien geworden». Ein ganzes Netz von ständigen Kontakten hat sich so in den

vergangenen 20 Jahren entwickelt, es bereichert die Austausche und ist das Herz der

Partnerschaft.

Die Partnerschaft hat auch andere Auswirkungen: sie stellt nicht nur den Kontakt

zwischen den Bewohnern der beiden Länder her, sondern fördert auch die Begegnungen

zwischen den Bewohnern der beiden Partnerstädte, die einander ohne deren Existenz wohl

nicht begegnet wären. Nach Ansicht mehrerer Personen ist diese über das persönliche

Engagement hinaus gewachsene Verbindung ein nicht zu vernachlässigendes

Integrationselement, welches die Entstehung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den

Bürgern fördert und erlaubt, einander besser schätzen zu lernen und zu verstehen. Es

handelt sich hier um eine indirekte Errungenschaft der Partnerschaft, die im

staatsbürgerlichen Sinn bei weitem nicht unbedeutend ist.

Auf den Anderen zugehen So wie sie in dem 1988 unterzeichneten Dokument festgeschrieben ist, hat die

Partnerschaft zum Ziel : « die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich zu

festigen und zu vertiefen, gemeinsam in Frieden zu leben ». In Frieden zu leben, indem man

6 L’association de jumelage de Sainte-Luce-sur-Loire (Verein der Städtepartnerschaft Sainte Luce sur Loire)

7 L’association de jumelage de Herzogenaurach (Verein der Städtepartnerschaft Herzogenaurach, dieser Wort

entspricht dem « Cercle d’amis » im Französischen)

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über die Vergangenheit hinauswächst, ohne diese zu vergessen, gehört zu den Zielen der

ersten Teilnehmer. Im Jahre 1985 sind die Erinnerungen an den Krieg noch in allen Köpfen

der Bürger, die diese Zeit als Kinder oder Jugendliche erlebt haben. Ihr Leben ist davon

mehr oder weniger gezeichnet, wie das von Pierre Brasselet, der vor dem Krieg in Renazé

(Mayenne) geboren wurde. Sein Vater und seine Onkel waren Gefangene und einer von

ihnen ist umgekommen. Er wünscht sich, sein persönliches Erleben überwinden zu können:

« Die Partnerschaft ist eine besondere Gelegenheit, den Frieden zu fördern und die

Ressentiments zu vergessen ». Zwei Mitglieder von „Sainte-Luce AVF Accueil“ und später des

“Cercle d’Amis“, Mireille Morvezen : « Während des Krieges war mein Vater lange in

Gefangenschaft » und Lucienne Bintz : « In meiner Jugend lebte ich in Ostfrankreich, meine

Region ist von der Geschichte gezeichnet », erklären : « ihren innigen Wunsch, sich ohne

negative Transmission in die Zukunft projizieren zu können ». Für Mireille ist dies umso

bedeutender als ihre Schwester in Österreich eine Familie gegründet hat. Rosa Abel spricht

von : « der Assimilierung einer Geschichte, die sich nicht wiederholen darf, sowie dem

Beitrag dazu, die Barrieren, Vorurteile, bewusste oder unbewusste Ängste abzubauen ».

Anlässlich des fünften Geburtstags sagte Pierre Brasselet in „Sainte-Luce Hebdo“8 :

« In unserem Maße, sei es auch noch so bescheiden, sind wir Teilnehmer Europas, und diese

Art der Austausche ist ein nicht unwesentlicher Beitrag zum Frieden. Diese Partnerschaft

besteht nicht nur aus Vergnügen, Festen und Reisen. Dazu gehört auch die

Völkerfreundschaft, die den Frieden gewährleistet. ».

8 Nr 216 vom 28. Mai bis 3. Juni 1993

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Das Leben des Josef Hagen ist bezeichnend für diese Beziehung. Dieser heute

Achtzigjährige, eher bekannt unter dem Kurznamen Jupp, hat schon vor 1988 an den ersten

privaten Austauschen teilgenommen und ist eines der Gründungsmitglieder des

« Freundeskreis ». Er ist ohne weiteres daran zu erkennen, dass er oft die traditionelle

fränkische Tracht trägt: eine knielange Lederhose und einen Hut mit Gamsbart. Er schöpft

seine Motivation für diesen Austausch: « in den guten Erfahrungen während seiner

Gefangenschaft in Frankreich ». Er war in der Tat in Carcassonne und in den Vogesen in

Gefangenschaft. Die eher guten Erinnerungen, die er davon behalten hat, sind der Grund

für sein kräftiges Mitwirken in unserer Partnerschaft. In offizieller oder privater Mission hat

er zahlreiche Fotoreportagen von allen Begegnungen zwischen Sainte Luce und

Herzogenaurach realisiert (mehr als 10 000 Fotos). In zwanzig Jahren hat er die

Goldmedaille im Reisen gewonnen, denn er hat dreißig Fahrten nach Saint Luce

unternommen. Auf diese Weise lernte er alle wesentlichen Teilnehmer der Partnerschaft

kennen und konnte so weit wie möglich die französischen Besucher Herzogenaurachs bei

sich zu Hause empfangen.

Auch wenn das Thema nie direkt angesprochen wird, so weiß doch jeder, dass die

Annäherung zwischen den beiden Ländern auf dem starken Wunsch beruht, einander zu

vergeben, um in der Lage zu sein, sich positiv in die Zukunft zu projizieren. Für Christa

Nitschke, Vorstandsmitglied des « Freundeskreis », geht es : « um die Förderung des

Gemeinschaftsgeistes der Menschen und ein friedliches Miteinanderleben ». Gewisse

Ereignisse tragen dazu bei, einen tieferen Einblick in das Erleben des Anderen zu

bekommen. 1990, sechs Monate nach dem Mauerfall 9, hatten die Besucher aus Sainte Luce

Gelegenheit, sich der physischen Existenz des Eisernen Vorhangs bewusst zu werden, und

zwar in Rottenbach bei Coburg, 80 Kilometer von Herzogenaurach entfernt. Wie in Berlin,

so war auch der Rest der Grenze zwischen den beiden Teilen Deutschlands mit einem

vollständigen System von Stacheldraht, Gräben, Panzerfallen, Kontrollwegen und –türmen

versehen. Diese Vorrichtungen verhinderten jegliche Kommunikation zwischen Ost und

West. An diesem Tag entdeckten die Franzosen konkret die Grenze, an der das Land

zweigeteilt war :

« Wir nähern uns so weit, dass wir den Zaun berühren können; der Ort ist noch sehr still und

verlassen; wir sind von der unbegreiflichen Atmosphäre dieses Ortes stark ergriffen ». Die von

dieser Epoche stark geprägten Deutschen folgen ihnen nur widerstrebend.

9 9. November 1989

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Im weniger als 30 Kilometer von Herzogenaurach entfernten Nürnberg ist das

Dokumentationszentrum genau an dem Ort eingerichtet worden, an dem die großen

Aufmärsche der NSDAP statt fanden. Mehr als 55 Jahre nach Kriegsende eröffnet, erinnert es

auf beeindruckende Weise an die Geschichte des Dritten Reiches. Es gibt nur wenige

deutsche Städte, die so stark mit der Erinnerung an diese Zeit konfrontiert sind. Seit Hitlers

Machtergreifung im Jahre 1933 wurde diese Stadt zum Ort des alljährlich statt findenden

Parteitags der NSDAP. Tausende Soldaten nahmen an den militärischen Massenaufmärschen

teil. Von November 1945 bis Oktober 1946 tagte schließlich ein internationaler Gerichtshof

für die Kriegsverbrecherprozesse in dieser Stadt. Alle französischen Besucher, die

Gelegenheit hatten, dieses Museum mit ihren deutschen Gastgebern zu besuchen, waren

von der Ausstellung tief beeindruckt. Yves Le Tourdu, ehemaliger Stadtrat und

Sportbeauftragter von Sainte Luce, bemerkt dazu : « Es ist sehr ergreifend; sie haben sich auf

mutige Weise ihrer Vergangenheit gestellt ». Jean-Claude Brethomé, ehemaliger Vorsitzender

des „Cercle d’Amis“, sagt, nach diesem Besuch verstehe man besser : « auf welche Weise ein

wie auch immer geartetes Volk sich manipulieren lassen kann und vor allem, welche Logik

dazu führt, dass man letzten Endes den Ereignissen ohnmächtig zuschaut ». Mireille

Morvezen fügt hinzu : « dieses Dokumentationszentrum erinnert uns alle daran, wie

notwendig es ist wachsam zu sein. ».

Anlässlich der Feier des zehnten Geburtstages der Partnerschaft in Sainte Luce im Mai

1988, äußerten sich die beiden Bürgermeister mit Blick auf die Zukunft10. Hans Lang : « Wir

müssen dazu beitragen, für unsere Kinder und Enkel eine viel versprechende Zukunft zu

bauen ». Pierre Brasselet : « Diese Partnerschaft ist vor allem für die Jugend bestimmt ». Bei

dieser Gelegenheit wurde auf dem Platz in der Nähe des Rathauses, der der Partnerschaft

gewidmet ist, ein zehnjähriger Baum gepflanzt. Dieser Baum ist ein Bergahorn, eine in

Franken häufige Art, die auch in unserer Region gut gedeiht. Er ist gewissermaßen ein

lebendiges Symbol für die Verbindung der beiden Gemeinschaften.

Es gibt noch andere Symbole : Marina, 10 Jahre, und Mélanie, eineinhalb, deren aus

Sainte Luce stammende Mütter Herzogenaurach zum Wohnort gewählt haben. Diese

Mädchen gehören zu einer anderen Generation, die ihre Bezugspunkte zwischen den

beiden Ländern entwickeln. Marinas Klasse (Carl-Platz-Schule) pflegt seit letztem Jahr in

zweimonatigem Rhythmus einen Briefwechsel mit einer vierten Grundschulklasse der

„Ceriseraie“, in der ihre Mutter zur Schule gegangen ist. Bei einem Besuch zu Pfingsten 2007

brachte sie Geschenke und Fotos von ihrer deutschen Klasse mit. Ihre Mutter Cathy

10

Leitartikel der Sonderausgabe der Stadtzeitung von Sainte-Luce

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kümmert sich um die Übersetzung aller Briefe in beiden Richtungen. Auch in der

Freundschaft zwischen Stéphane Donnart und Jupp Hagen ist ein Symbol zu sehen. Seit

zwanzig Jahren schätzen sie einander sehr und fühlen sich über die Unterschiede wegen der

Nationalität und ihres Alters hinweg sehr nahe: « Trotz der fünfzig Jahre, die uns trennen,

die deutsch-französischen Beziehungen – das sind auch wir ein wenig ».

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2 300 KILOMETER UND EINIGE ERINNERUNGEN

Welch langer Weg!

1 150 Kilometer – das macht fast 12 Stunden Autofahrt, 16 Stunden mit dem Bus.

Selbst über die Autobahn: « ist es ein wenig lang », nach all denen, die die Reise gemacht

haben, « aber die Stimmung stimmt ». Die Fahrt wird oft nachts gemacht, damit es einem

weniger lang vorkommt und damit man so lange wie möglich vor Ort sein kann. Die

manchmal wenig bequemen Transportverhältnisse beeinträchtigen jedoch die Stimmung der

Reisenden nicht.

Im Oktober 88 begleitete eine Gruppe von Musikern des Vereins „Association

Musicale Lucéenne“ die Delegation, die zur Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrags nach

Herzogenaurach fuhr. Einer von ihnen erinnert sich : « Unser Fahrzeug war ein antiker

Schulbus: denken Sie nur mal an den Komfort...! ». Im Mai 1991 begleitet Yvon Le Tourdu

die offizielle Delegation. Vor Reims, bleibt der fast neue Bus mehrer Stunden wegen einer

Panne auf der Autobahn, die den schlecht gewählten Namen Hoffnung trägt, stehen. Im Mai

2007 schickt das Transportunternehmen des Reisenden aus Sainte Luce denselben Bus, der

sie 1988 bei der ersten Fahrt transportierte. Der Zustand des Fahrzeugs lässt zu wünschen

übrig. Alle Teilnehmer beklagen sich: « Auf manchen Plätzen ist die Heizung zu stark und

unerträglich; auf anderen dienen Papiertaschentücher zum Schutz gegen den Luftzug ».

Andere, noch erstaunlichere Fortbewegungsmittel wurden eingesetzt. Im Jahr der

Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrags11 fährt ein Radfahrer aus Sainte Luce allein die

ganze Strecke nach Herzogenaurach. Er hat mit einem deutschen Freund gewettet, dass er

in der Lage sei, lediglich dank Muskelkraft ihm einen Besuch abzustatten. : « Und dass mir

keiner was von einer großen Leistung erzählt: jeder könnte das machen ». Immerhin benötigt

er ein dreimonatiges alltägliches Training von einhundert Kilometern, um am

entscheidenden Tag in Form zu sein. Bei Regen bis Orléans, fährt er auf Nebenstraßen die

1196 Kilometer in Etappen von etwa vierhundert Kilometern, gefolgt von einem von

11

Vom 1. bis 4. Mai 1988

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Freunden gesteuerten Kleintransporter. Nach Versorgungsstopps alle hundert Kilometer und

bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 20-25 km/Std. sowie einigen Stunden

Schlaf nach jeder Etappe erreicht er Herzogenaurach am 4. Mai um zwölf Uhr. Dort wird er

von dem deutschen Stadtrat sowie einer Gruppe von Französinnen von ‚Sainte-Luce AVF

Accueil’ empfangen, die gerade einen Aufenthalt an der Volkshochschule absolvieren, um

dort deutsch zu lernen; seine körperliche Leistung verblüfft alle. Jahre später wird noch

darüber geredet. Im Mai 2005 wiederholen zwei deutsche Radfahrer das Experiment: Georg

und Heiner Seeberger fahren 1320 Kilometer in der Gegenrichtung.

Der zehnte Geburtstag der Partnerschaft im Jahre 1998 war Anlass für eine sehr

originelle Initiative von 36 Wanderern des Klubs ‚Rando-Club’ aus Sainte Luce,

Herzogenaurach in neun Tagen zu erreichen, bei Etappen von 25 bis 30 Kilometern pro

Tag. Dieses Ereignis, das viele sehr beeindruckt hat, wird näher auf Seite 28 beschrieben.

Sei es in Frankreich oder in Deutschland: einmal angekommen, entdecken die

Reisenden « eine andere Lebensart » und lernen « im Privatleben eine andere Kultur »

kennen.

Einen andere Kultur entdecken Die Essensgewohnheiten, die Uhrzeiten und die gesellschaftliche Organisation ähneln

einander nicht immer. Rosa Abel erwähnt « den Vergleich der Lebensart mit der des Anderen

», Editha Kittler, Herzogenauracherin, spricht vom « tiefen Kennen lernen der Menschen ».

Daniel Priou, in Sainte Luce lebender Deutschlehrer, hat seit Beginn der Austausche

mindestens sechzehn Mal Gelegenheit gehabt, nach Herzogenaurach zu fahren. Er begleitet

oft andere, um ihnen dabei zu helfen, Deutschland kennen und schätzen zu lernen, dieses

Land, dem er sich sehr nahe fühlt: « Mittler sein, Zugangsmöglichkeiten öffnen, die eine tiefe

Kenntnis der Kultur des Anderen erleichtern ». Er glaubt, dass die Partnerschaft die

Teilnehmer für eine Realität empfindsam macht, die sich außerhalb ihrer gewohnten Umwelt

befindet. Anita Welker ist seit ihrer Teilnahme am ersten Austausch 1987 fast zehn Mal nach

Sainte Luce gekommen: « um das französische Familienleben, das Land und die Leute

kennen zu lernen sowie ihre französischen Sprachkenntnisse auf die Probe zu stellen ». Sie

schätzte die Beziehungen zu ihrer französischen Gastfamilie sehr: « Ich liebe Frankreich,

seine Sprache, und meine drei Kinder haben alle einen französischen Vornamen ».

Dank der Austausche werden sich die Teilnehmer der Tatsache bewusst, dass die

Einstellungen zum Leben zwischen Frankreich und Deutschland nicht wirklich weit von

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einander entfernt sind. So sind die deutschen Eltern etwa mit denselben Sorgen bezüglich

der Erziehung ihrer Teenager konfrontiert wie die französischen Erziehenden. Die

Franzosen entdecken in Deutschland dagegen eine entspanntere Art der sozialen

Beziehungen « im Alltag, wo die Deutschen offen jenseits sozialer Klassen ganz natürlich

und einfach miteinander umgehen ». Ebenso stellen politische Meinungen in den sozialen

Beziehungen kein Hindernis dar und beeinflussen diese nicht besonders.

Parallel zu diesem anderen Umgang mit dem alltäglichen Leben entdeckt man auch

spezifische Aspekte des anderen Landes. Wenn die Herzogenauracher nach Sainte Luce

kommen, wollen sie unbedingt ans Meer. Der Atlantik bleibt für sie eines ihrer

Lieblingsziele. Rosa Hagen ist allein deswegen zweimal nach Sainte-Luce-sur-Loire gefahren

: « Mein innigster Wunsch war, das Meer zu sehen, bevor ich sterbe. Meine Freunde aus

Sainte Luce haben es mir ermöglicht, diesen Wunsch zu erfüllen. Das macht mich sehr

glücklich ». Um diese Haltung besser verstehen zu können, muss daran erinnert werden,

dass für Franken die nächstliegende Küste an der Nord- oder Ostsee 5 Autostunden entfernt

ist. Mehr als 7 Stunden braucht man für die Fahrt an die Adria oder ans Mittelmeer. Das

Besuchsprogramm muss unbedingt einen Tag am Meer enthalten. Man kann sie an

irgendeinen Strand der Region fahren: Golfe du Morbihan, St-Brévin-les-Pins, Côte Sauvage,

ganz gleich, sie werden stets bezaubert sein. Die Aussagen der Franzosen bezüglich der

Begeisterung der Deutschen sind einstimmig : « Sie zögern nicht, mitten im April baden zu

gehen, ungeachtet der Wassertemperatur ».

Die Meeresfrüchte hingegen, zum Beispiel Muscheln, werden unterschiedlich

geschätzt. Die deutschen Gymnasialschüler haben Angst vor Einem : « Austern kosten ». Bei

manchen Versammlungen anlässlich des Empfangs in der Schule, gehörte es zu den

Initiationsriten, eine Auster anzubieten. Nervöses Gelächter und versteckte Äußerungen der

Abscheu waren bei den Anwesenden zu beobachten. Derjenige, der so kühn war, einen

Versuch zu unternehmen, wurde zum Helden des Abends!

In Herzogenaurach fehlt es auch nicht an kulinarischen Entdeckungen : die « Klöß

mit Brüh », im Sud gekochte Kartoffelknödel werden zu Fleischgerichten serviert. Die

Bratwurst ist eine der fränkischen Spezialitäten. Man isst sie meistens mit Brötchen. Nicht zu

vergessen die Forelle „nach Müllerinnen Art“ oder blau. In dieser Region hat dieser Fisch

zusammen mit dem Karpfen auf der Speisekarte einen Ehrenplatz. Die Organisation der

Mahlzeiten ist für einen Franzosen, der an andere Essensrhythmen gewöhnt ist, etwas

verwirrend. Morgens kommt es nicht selten vor, dass man zum Frühstück, das früh

eingenommen wird, Wurst und Käse verzehrt sowie eine ganze Palette von ausgezeichneten

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Brötchen mit Sesam, Mohn, grobem Salz oder Kümmel, seien sie rund, geflochten oder

sternförmig. Diese Brötchen, die unsere Bäcker neidisch machen würden, sind

unvergesslich, wenn man sie einmal gekostet hat.

Für diejenigen, die arbeiten, gibt es mittags kein Mittagessen, sondern eher eine kurze Pause

mit meistens Wurst und Brot. Überall in der Stadt findet man Möglichkeiten, schnell etwas

zu essen. Am Abend, gegen 18 Uhr, nimmt man dann eventuell ein richtiges Mahl zu sich.

Früher wurde mittags warm gegessen, aber den heutigen Lebensverhältnissen entspricht

eher ein warmes Abendessen. Sonntags mittags ist der Tisch reich gedeckt für ein

ausgiebiges Essen im Kreise der Familie.

Das Symbol der Geselligkeit Das im Süden Deutschlands gelegene Franken ist eine weniger herbe Region als die

benachbarten im Norden. Die Besucher aus Sainte Luce schätzen sehr den fröhlichen

Humor der Franken und die Tatsache, dass sie kräftig zu feiern verstehen : « Die Stadt ist

sehr freundlich, die Einwohner haben gerne Spaß ». Sie entsprechen nicht der Vorstellung,

die man im Allgemeinen von den Deutschen hat. Im Jahre 2000 wurde vor dem

Herzogenauracher Rathaus zu Ehren der Besucher aus Sainte Luce, die zum ersten Mal

kamen, eine Zeremonie improvisiert. Doris Wüstner, dritte Beigeordnete des Bürgermeisters

von Herzogenaurach, entnahm dem Springbrunnen auf dem Platz mit einem Schoppen ein

wenig Wasser. Sodann taufte sie feierlich einen nach dem anderen der neu Angekommenen.

« Wir haben viel gelacht », erinnert sich Yannick Villemot, einer der Teilnehmer aus Sainte

Luce.

Es ist unmöglich, vom Festefeiern zu sprechen, ohne ein emblematisches Getränk zu

erwähnen: das Bier. Es ist unumgängliches Element aller offiziellen und privaten

Begegnungen. Anlässlich der Sommerkirchweih im Juli kommen Tausende in den

Weihersbach-Park. Tribünen werden für die Orchester errichtet. Zehn Tage lang vergnügen

sich alle ausgiebig. Das Bier fließt in großen Mengen, in Ein-Liter-Schoppen; das Publikum

singt gemeinsam und steigt manchmal auf Bänke und Tische. « Es herrscht eine

unbeschreibbare Stimmung, offizielle Vertreter und einfache Bürger sind in demselben

Schwung vereint, der soziale Barrieren verschwinden lässt », wie alle Teilnehmer aussagen.

Die Besucher aus Sainte Luce erinnern sich ebenfalls an ein Essen im Münchner

Hofbräuhaus, das rund um die Uhr geöffnet ist: « Die Bedienung trägt zwölf Schoppen auf

einmal vor ihrer Brust : sechs Henkel in jeder Hand », weswegen sie absolute Vorfahrt hat,

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der sich niemand in den Weg zu stellen traut. Die Frauen sind ständig in Bewegung, die

Gäste trinken allgemein fünf bis sechs Liter pro Kopf.

In Herzogenaurach gehört die Brauerei Heller, die eine große Vielfalt von in der

Region erzeugten Biersorten vertreibt – es soll in Deutschland fünftausend verschiedene

geben – zu den unumgänglichen Adressen. Seit Beginn der Partnerschaft wird sie von den

Besuchern aus Sainte Luce aufgesucht, die dort ihren Durst löschen, Bier verkosten und die

leeren Bierkästen gegen volle tauschen. In der Tat ist Flaschenpfand Vorschrift in

Deutschland. Der Verbraucher zahlt etwa 0,50 pro Glasflasche; diesen Betrag erhält er

zurück, wenn er die leere Flasche zurück bringt. Diese Methode ist selbstverständlich Anreiz

zur Wiederverwendung des Leerguts. Das System ist gut eingespielt und es überrascht, auf

den Parkplätzen der Supermärkte Einkaufswagen zu sehen, die mit Leergut von Bier, Sodas

oder Mineralwasser gefüllt sind.

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DIE UNVERZICHTBAREN STÜTZEN DER PARTNERSCHAFT

Seit 1987 haben die Vereine aus Sainte Luce an der Seite des ‚Comité d’Animation des

Fêtes Lucéennes’ (Festkomitee) und des ‚Sainte-Luce AVF Accueil’ mit Hilfe ihrer Mitglieder

Kontakte hergestellt:

In Sainte-Luce-sur-Loire : Spieler des Klubs ’Union Sportive Lucéenne’,des ‚Basket Club

Lucéen’ und des ‚COL Tennis de Table’, Musiker der ‚Association Musicale Lucéenne’

und Tänzer vom Klub ‚Rythmes et Danses Lucéens’

In Herzogenaurach: Musiker der verschiedenen Orchester und Sportler der

« Turnerschaft 1861 ».

Die Stadtverwaltungen bemerkten daran, wie groß das Interesse an dem Gedanken der

Partnerschaft war. Zahlreiche andere Vereine setzten sodann die Arbeit fort, um diese

gegenseitige Zusammenarbeit dauerhaft zu gestalten.

Cercle d’Amis und Freundeskreis

Am 2. April 1990 wurde in Deutschland der « Freundeskreis » gegründet. Er ist die

offizielle Verlängerung einer weniger formellen Organisation, die am 25. November 1987 auf

Initiative von Herzogenaurachern Bürgern gegründet wurde. Erhard Wirth, auch Blacky

genannt, ist ihr Vorsitzender. Er ist von 26 Mitgliedern umgeben, denen daran gelegen ist,

« das gegenseitige Verständnis für die Besonderheiten der Kultur der Deutschen und der

Franzosen zu vertiefen und Verbindungen zwischen den Bürgern unserer beiden

Partnerstädte zu unterhalten. » Sainte-Luce AVF Accueil ist bis zum 11. März 1994 ihr erster

Partner. An diesem Datum wird der Cercle d'Amis Sainte-Luce -Herzogenaurauch in Sainte

Luce ins Leben gerufen.

Die Mitglieder der beiden Vereine besuchen die Partner abwechselnd alle zwei Jahre.

Der Austausch wird von Anfang an ohne finanzielle Beteiligung durchgeführt, da die

Gastfamilien ihrerseits im folgenden Jahr von ihren Besuchern empfangen werden. Im

Besuchsprogramm wechseln touristische und kulturelle Entdeckungen sowie der lokalen

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Gastronomie einander ab. Einige Auszüge aus dem Programms anlässlich des ersten

Besuchs der Deutschen im Mai 1988 vermitteln eine Vorstellung von dem Geist dieser

Begegnungen: Ankunft im ‚Mille-Club’, Besichtigung der Stadt Clisson und Halt bei einem

Winzer in Mouzillon, Bootsfahrt und Abendessen auf der Erdre, Besichtigung von Nantes

(Schloss, Kathedrale und Altstadt), Tagesausflug an die atlantische Küste (Guérande und die

Brière, Le Croisic, La Baule und Saint-Nazaire).

In der Folgezeit verlaufen die Austausche in einem ähnlichen Geist, abwechselnd

stehen touristische und lokale gastronomische Entdeckungen auf dem Programm. In

Deutschland wie in Frankreich wird den Regionen die Ehre erwiesen, zum Beispiel die

Besichtigung von Bayreuth, Nürnberg, Bamberg oder Rothenburg, Nantes, die Reitschule in

Saumur, die Menhirs von Carnac, Vannes und der Golfe du Morbihan oder auch die

Besichtigung der Baustelle der Queen Mary II in Saint-Nazaire. Der Austausch beschränkt

sich natürlich nicht nur auf diesen touristischen Aspekt, aber dies bietet den Familien die

Gelegenheit, ihre eigene Region vorzustellen. Jeder vergleicht seine Lebensart und entdeckt

eine andere Kultur in einem freundschaftlichen Klima.

Die Vereine

Alle Vereine engagieren sich irgendwann im sportlichen und kulturellen Bereich, mehr oder

weniger regelmäßig, aber auch den Umständen entsprechend. Zwei politische Parteien, die

in den Stadträten der beiden Städte vertreten sind, beschließen eine Annäherung im Oktober

1991 und unterzeichnen ebenfalls einen Partnerschaftsvertrag auf ihrer Ebene. Es handelt

sich um die Sektionen SPD Herzogenaurach und PS Sainte-Luce-sur-Loire. Seit 17 Jahren

werden regelmäßig alle zwei Jahre Austauschbegegnungen durchgeführt. Bei diesen

Gelegenheiten werden Tagungen zu spezifischen Themen organisiert (Umwelt, Bildung

oder europäische Konstruktion).

Ereignisse wie die Unterzeichung der Partnerschaft, der Geburtstag alle fünf Jahre, die

1000-Jahr-Feier Herzogenaurachs oder die Veranstaltung « Canton fête l'Europe » im Jahre

2000 erfordern große organisatorische Kapazitäten und den Einsatz von vielen

Ehrenamtlichen. Die Beziehungen, die jeder Einzelne mit den Vereinen seiner Kommune

pflegt, sowie die persönlichen Bande, die sich zwischen den deutschen und französischen

Bürgern im Laufe der individuellen Begegnungen entwickelt haben, fördern Zuneigungen,

die zu gemeinsamen Projekten führen. Die Partnerschaft gedeiht dank des Wetteifers und

der Dynamik dieser Vereine.

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Die 1000-Jahr-Feier Herzogenaurachs im Jahre 2002 hat bei den Partnern aus Sainte

Luce einen unvergesslichen Eindruck hinterlassen: « Es war großartig ». Die Stadt hatte eine

offizielle Delegation aus jeder der vier Städte eingeladen, mit denen sie Partnerschaften

unterhält. Neben Sainte Luce waren anwesend Kaya (Burkina Faso), Wolfsberg (Österreich)

un Nova-Gradiska (Kroatien). Eine Gruppe von Läufern des ‚Racing Club Nantais’ war von

der « Turnerschaft 1861 » für einen Jahrtausendlauf eingeladen worden. Die Musiker der

‚Association Musicale Lucéenne’ nahmen an dem riesigen Umzug teil, der alle Teilnehmer

vereinte. Jede Gruppe trug ein traditionelles Kostüm oder ein Kleidungsstück, das an seine

Herkunft erinnerte. Herzogenaurach ist eine Stadt, in der die Bräuche noch sehr lebendig

und kostümierte Umzüge sehr häufig sind. So tragen zum Beispiel die fränkischen

Musketiere (das Blasorchester der Feuerwehr) ein wunderschönes königsblaues Kostüm, das

unmittelbar an Alexandre Dumas und d'Artagnan erinnert. Dieses Orchester hat mehrer Male

am Karneval von Nantes teilgenommen, wo es große Erfolge feierte.

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Die bei allen Begegnungen anwesende Musik ist zweifellos Ausdruck der Vitalität

der zahlreichen musikalischen Vereine Herzogenaurachs. Es seien nur einige genannt, wie

die Blaskapellen der Jugend, die « Stadtjugendkapelle » oder die « Grenzmark », sowie die

Chöre wie der « Volkschor » oder der « Weilerchor ». Alle diese Gruppen hatten bereits

Gelegenheit, zu verschiedenen Zeiten der Partnerschaft in Saint Luce aufzutreten. Manchmal

interpretieren sie gemeinsam mit den Partnern aus Sainte Luce bearbeitete Werke. Der

« Volkschor » lud anlässlich seines 80-jährigen Bestehens den Chor ‚Chorale des Rouges-

Gorges’ nach Herzogenaurach ein, um einen Teil des Programms zu übernehmen. Am Ende

dieses Konzertes sangen die beiden Chöre gemeinsam die Europa-Hymne „Ode an die

Freude“. So standen die Musiker der ‚Association Musicale Lucéenne’ in einem gesunden

Wetteifer dem Harmonieorchester Herzogenaurach gegenüber.

Eine außergewöhnliche Wanderung

Eines der bedeutenden Ereignisse, das vielen in Erinnerung geblieben ist, ist die

Wanderung12, die einundvierzig Wanderer aus Anlass des zehnten Geburtstags der

Partnerschaft unternommen haben. Mary Sarrazin, Vorsitzende des ‚Rando-Club lucéen’,

sowie mehrere motivierte Mitglieder organisieren eine Wanderung zwischen den beiden

Städten, in acht Tagesetappen von 180 jeweils Kilometern. Zehn Wanderer-Teams laufen

jeden Tag etwa fünfundzwanzig Kilometer. Die Gruppen bestehen aus vier bis sechs

Personen und in einer von ihnen befinden sich vier extra aus Herzogenaurach gekommene

Wanderer. Manche Personen sind nur Sympathisanten des Klubs und haben kein

besonderes Training. Die einwandfreie Logistik hat zwei Jahre Vorbereitung erfordert. Alles

ist bis ins kleinste Detail geplant: die Strecke (siebzig Generalstabskarten sind notwendig),

die Übernachtungen (jeden Abend ist ein Campingplatz vorgesehen) und die neun

Fahrzeuge zur Unterstützung.

12

Vom 11. bis 18. Juli 1998

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Die Teilnehmer wollen: « die freundschaftlichen Bande konkretisieren, den Austausch

innerhalb der europäischen Gemeinschaft fördern, die Vielfalt der Landschaften und

Traditionen entdecken, solidarisch sein, sich mit der Distanz auseinandersetzen und nach

der Anstrengung zusammenfinden ». Die Reise verläuft ohne Störung. Zehn Kilometer vor

der Ankunft in Herzogenaurach stehen etwa fünfzig Deutsche voller Begeisterung am

Straßenrand, um ihnen einen triumphalen Empfang zu bereiten: « Es war wunderbar, diese

große Emotion ». Die letzten Kilometer werden gelaufen: « vom Dudelsack begleitet, singend

und tanzend ». Ein Stückchen weiter erwartet sie eine weitere Überraschung nach einer

Kurve vor der Einfahrt von Herzogenaurach, die Bürgermeister der beiden Städte sind da,

mit dem Blasorchester der Feuerwehr: « Uns hat es den Atem verschlagen ». Ein Wanderer

erinnert sich daran, dass die Deutschen angesichts der vollbrachten Anstrengung

vollkommen verblüfft waren. Ihr Empfang ist ihrem Stolz und ihrer Emotion würdig. Mary

Sarrazin berichtet : « Diese Gruppenerfahrung war einmalig und unvergesslich in sehr

freundschaftlichem Rahmen und großer Solidarität, trotz der Rhythmusunterschiede

zwischen den Teams ».

Die jungen Generationen

Die Partnerschaft ist : « eine Gelegenheit, die sich zahlreichen Jugendlichen

und Schülern aus beiden Städten bietet, den Anderen sowie dessen Sprache kennen zu

lernen » findet Dr. German Hacker, Stadtrat in Deutschland. Seit 1983 nehmen die

Gymnasialschüler in regelmäßigem Rhythmus an den Schulaustauschen teil. Die

Gewohnheiten hatten sich eingestellt und alles verlief bestens. Nach der offiziellen

Unterzeichnung der Partnerschaft ging die Idee, den Austausch auf alle jungen Bürger der

beiden Kommunen auszudehnen, ihren Weg. Zwei Initiativen sind eine gute Illustration

dieses Willens zur Erweiterung.

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Die Mini-Olympiade

Im Jahre 2007 nahmen fünfzig Jugendliche aus Sainte Luce vom 25. bis 27. Mai an

der zehnten Ausgabe der Mini-Olympiade in Deutschland teil. Anne Laure Menoury,

Begleiterin einer Jugendgruppe des Racing Club Nantais Sektion Sainte-Luce hatte bereits

vier Jahre zuvor Gelegenheit gehabt, als Athletin nach Herzogenaurach zu fahren : « Mir

hatte die Atmosphäre dieses sportlichen Wettkampfes, die sehr freundschaftlich bleibt, enorm

gefallen ». Bei dieser Gelegenheit konnte sie auch deutsche Sportler wieder sehen, die sie

2005 in Sainte Luce getroffen hatte : « Wir hatten große Lust uns wieder zu sehen ».

Diese sportlichen Austausche haben seit ihrem Beginn nichts von ihrer Vitalität

eingebüßt. Yves Le Tourdu ist der Initiator des Projektes, das 1990 ins Leben gerufen wurde.

Seit 1989 nahm er mit Peter Müller, dem sportlichen Leiter der « Turnerschaft 1861 », die

etwa zwanzig sportliche Disziplinen umfasst, Kontakt auf. Diese sehr bedeutende Struktur

besitzt ihre eigenen Räumlichkeiten und verfügt über ein sehr schönes Stadium. Peter Müller

war ohne weiteres einverstanden, mit etwa fünfzig Jugendlichen eine erste Fahrt nach Sainte

Luce zu unternehmen. Die erste Begegnung fand vom 18. bis 21. April 1990 statt.

Das Prinzip ist einfach: es werden vier oder fünf Sportarten in den olympischen

Disziplinen ausgewählt, die in den beiden Kommunen praktiziert werden. Die Jugendlichen

im Alter von 14 bis 17 bilden ein Team von etwa zwölf Sportlern, mit zwei

Begleitpersonen. Im Jahre 2007 waren Leichtathletik, Basketball, Tischtennis und Handball

in Herzogenaurach vertreten.

Diese Treffen verlaufen stets in dem gleichen sportlichen und freundschaftlichen Geist: der

Wettkampf ist natürlich präsent, aber die Teams verteidigen die Farben ihres Klubs in

gegenseitigem Respekt und ohne übertriebene Rivalität: « Es ist die Freude am Sport, ohne

Hintergedanken ». Nach Ansicht der Organisatoren haben die Jugendlichen: « stets ein

unangenehmes Gefühl vor der Begegnung, sie sind auf der Lauer, ein wenig beunruhigt,

gleichzeitig eingeschüchtert und aufgeregt. ». Nach ein paar Stunden der Gewöhnung

verschwinden die Hemmungen. Wenn die Eröffnungszeremonie erst einmal vorbei ist,

herrscht ein Gefühl vor, das Jessica Palierne, Baskettballspielerin, gut zusammenfasst : « Wir

haben einen Heidenspaß gehabt ». Ihr Vater Didier begleitet ein Team und fand: « die

Organisation sehr gut und den Austausch sehr befriedigend ».

Die Sportler werden mehrheitlich als Binom in Gastfamilien aufgenommen, wobei

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auf gleiches Alter geachtet wird. Der Sport und die gemeinsamen Interessen ihrer

Altersgruppe führen schnell zu einer bereichernden Begegnung. Diese wird natürlich

fortgesetzt, wenn die Jugendlichen Lust haben, ihren Korrespondenten wieder zu sehen,

den sie vor zwei Jahren kennen gelernt haben. 2007 haben mehrere Handballspieler

ausdrücklich zu diesem Zweck die Fahrt mitgemacht.

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Das deutsch-französische Ferienlager

Seit den neunziger Jahren organisieren die Jugendämter der beiden Kommunen jedes

Jahr einen Aufenthalt für die 14- bis 16-Jährigen. Zwölf Jugendliche aus Sainte Luce

verreisen in Begleitung von vier Animateuren entweder in Frankreich oder in Deutschland.

Das Projekt soll den deutsch-französischen Austausch durch Freizeit- und Spielaktivitäten

fördern und es erlauben, parallel dazu das kulturelle Erbe und die Traditionen eines

anderen Landes zu entdecken.

Im Jahr 2006 praktizierten die Teilnehmer Kanu und Windsurfing in der Nähe von

Biarritz und besichtigten das Baskenland. Diese Aufenthalte sind sehr reich an

Entdeckungen. Béatrice Duhail, Jugendleiterin im ‚Service Jeunesse’ sowie Organisatorin

während mehrerer Jahre, gibt gerne Auskunft: « Es entsteht schnell eine echte Komplizität

zwischen ihnen; die Lust zu kommunizieren ist sehr stark und die Sprachkenntnisse sind

kein Hindernis ». Die Unterschiede der Mentalitäten und Lebensrhythmen erlauben es ihnen,

eine andere Kultur kennen zu lernen. Indem sie es akzeptieren, sich mit Jugendlichen

auseinander zu setzen, die von anderswo kommen und nicht so wie sie funktionieren :

« werden sie toleranter ». Auf der persönlichen Ebene sind diese zehn gemeinsam

verbrachten Tage sehr positiv : « Es ist für die Schüchternen eine Gelegenheit der Öffnung,

aber allgemein sind sie nachher alle verändert und gewinnen an Selbstsicherheit ». Das

hinterlässt Spuren. Es kommt übrigens nicht selten vor, dass ein Jugendlicher sich für das

nächste Jahr anmeldet, um seine Freunde wieder zu sehen.

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Und wenn es noch mal zu tun wäre?

Zu einem Zeitpunkt, zu dem die Herausforderungen für die Integration eines auf 27

Länder erweiterten Europas umfangreich sind, ist es wichtig, zu zeigen, dass eine

Partnerschaft nicht nur ein einfacher Austausch von Höflichkeiten und Geschenken ist. Die

Partnerschaft von Herzogenaurach und Sainte Luce hat im Laufe dieser zwanzig Jahre eine

Vielzahl an Begegnungen hervorgebracht.

Alle Teilnehmer erkennen einstimmig den positiven Beitrag an: ein besseres

kulturelles Verständnis und freundschaftliche Bande, die auf gegenseitiger Kenntnis und

Wertschätzung beruhen. Sie alle wünschen einhellig, dass die Partnerschaft weiterhin von

demselben Geist beseelt bleibe. Doris Wüstner, 3. Bürgermeisterin, schreibt : «Die

Begegnungen haben mein Leben bereichert und mein Interesse an Frankreich bedeutend

verstärkt ».

Sie müssen mindestens einmal nach Herzogenaurach fahren. Dann werden Sie ganz

selbstverständlich Lust haben, dorthin zurück zu kehren, um die Region und ihre Bewohner

ausführlicher zu entdecken. Zwanzig Jahre ist ein schönes, viel versprechendes Alter. Durch

die systematische Organisation des Empfangs neuer Besucher in den beiden Städten kann

in den kommenden Jahren ein neuer Impuls gegeben werden. Einerseits finden so die

Energie und Motivation der ersten Teilnehmer eine natürliche Fortsetzung. Andererseits

tragen sie dazu bei, die privilegierten Beziehungen zu pflegen, und dies zur

Erhaltung von: « une amitié qui n’a pas de prix », freie Übersetzung des Ausdrucks « von

freundschaftlichen Zuneigungen, die nicht mit Geld zu bezahlen sind ».

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NÜTZLICHE ADRESSEN

Internet Links www.sainte-luce-loire.com

Webseite der Stadt Sainte-Luce-sur-Loire www.herzogenaurach.de

Webseite der Stadt Herzogenaurach ( per Klick auf die französische Flagge oben rechts haben Sie Zugang zu den Informationen in französischer Sprache) www.freundeskreis-herzo-ste-luce-loire.de

Webseite des « Freundeskreis » Herzogenaurach www.allemagne-tourisme.com

Webseite des Deutschen Fremdenverkehrsamts www.afccre.org

Association Française du Conseil des Communes et Régions d’Europe Verfügbare Bücher in der Mediathek Sainte-Luce-sur-Loire Helmut Fischer, Herzogenaurach Stadt in Franken, Wachter, 1997 Michael Ivory, Allemagne, National Geographic, 2005

« le Nord de la Bavière p 247 »

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ANHANG

Anhang 1 : Geographische Lage von Sainte-Luce-sur-Loire und

Herzogenaurach

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Anhang 2 : Le serment du jumelage en français

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Anhang 3 : der Eid der Städtepartnerschaft

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Réalisé par le service communication de la ville de Sainte-Luce-sur-Loire. Octobre 2008. Imprimerie municipale. Impression sur papier 100 % recyclé.

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Vor genau zwanzig Jahren haben die beiden Städte

Herzogenaurach und Sainte-Luce-sur-Loire ihre Partnerschaft

begründet. Anlässlich des fünften Geburtstages wurde

seinerzeit gefeiert, dann zur zehnten Wiederkehr dieses

Datums. Für den Menschen bedeutet der zwanzigste

Geburtstag das Ende der Jugend und den Eintritt in das

Erwachsenenleben ; ähnlich kann man für Gemeinden diese

Zeitdauer mit jener der Reife gleichsetzen, jenem

Lebensabschnitt, in dem die Erfahrung es uns erlaubt, aus der

Vergangenheit zu lernen, um die Zukunft vorzubereiten. Die

Generationen folgen einander und die Erwartungen sind

nicht mehr unbedingt die der Pioniere. Die im Folgenden

erfassten Zeugnisse sollen zum besseren Verständnis der

Partnerschaft beitragen und den Beitrag der verschiedenen

Teilnehmer aufzeigen. Der Geist der vorangegangenen

Teilnehmer kann die Motivation der Erben für die Zukunft

nähren.