Klostermedizin: Heilsame Natur (SBK leben 4.2011)

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26 KLOSTERMEDIZIN 27 KLOSTERMEDIZIN zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert ist deshalb die Blütezeit der Klostermedi- zin. Eine Medizin, die selbst heute noch auf manchen Gebieten unschlagbar ist. Bei Schnupfen, Erkältung oder Schlafstörungen gebe es kaum bessere Alternativen, so Mayer: „Nichts hilft bei Husten so gut wie einTee ausThymian und Süßholzwurzel.“ Selbst zur Krebsvorbeugung gibt es in der Kräuterheilkunde interessante Ansätze: Viele pflanzliche Inhaltsstoffe wirken oxidationshemmend und somit zellschützend. Kloster- medizin bedeutet aber auch, sich zu schonen, wenn man krank ist. „Wenn ich mir Ruhe gönne, dauert eine Erkältung drei Tage – nicht sieben oder gar vierzehn wie sonst“ , so Mayer. In der Ernährung spielen Heilkräuter ebenfalls eine wichtige Rolle. Deren ätherisches Öl hat eine positive Wir- kung auf den Verdauungstrakt. Sie regen die Produktion von Speichel und Magensäften an, halten die Galle auf Trab, einige sogar die Bauchspeicheldrüse. Dabei müssen Heilkräuter nicht unbedingt frisch verwendet werden. Es gibt etliche Kräuter, die sogar nur getrocknet ihre volle Wirkung entfalten: etwa Thymian oder Hopfen. Auch in zahlreichen Nahrungsergänzungsmitteln wie Kapseln oder in Arzneitees sind Wirkstoffe aus Heilkräutern enthalten. Dafür geben Millionen Deutsche etwa drei Milliarden Euro jährlich aus. Denn die Kräuterheilkunde gilt als sanft und genießt daher einen guten Ruf. Wissen ging für lange Zeit verloren Kräuter halfen der Menschheit schon immer. Schon die ersten Schamanen nutzten die Heilkräfte der Natur. Die Klostermedizin selbst beruht vor allem auf der antiken Johanniskraut lindert Angst, und Kamille kann Ent- zündungen stoppen. Mönche und Nonnen wissen schon seit dem Mittelalter um die besondere Heilkraft von Kräuterpflanzen. Doch wie steht es heute um die Klos- termedizin? Und: Gibt es das pflanzliche Wundermittel? 27 KLOSTERMEDIZIN Heilsame Natur eder Schritt – eine Qual. Mit stark geschwollenen Füßen. Schlecht, wenn man als Reinmachefrau ständig auf den Beinen ist. Gut, wenn man in den Räumen der Forschungsgruppe Klostermedizin der Universität Würzburg putzt und sich beim Richtigen beklagt: Geschäftsführer Dr. Johannes Gottfried Mayer (57) hatte den Buchweizen erforscht und zusammen mit einem Hersteller von Ge- sundheitsprodukten einen Tee entwickelt. Gerade als die erste Lieferung des durchblutungsfördernden Tees bei ihm eintraf, berichtete ihm die Frau von ihren Venenproblemen. Mayer gab ihr zwei Packungen des neuen Tees zum Aus- probieren mit und vergaß die Sache. Drei Wochen später trat die Frau erneut an seinen Schreibtisch. Sie strahlte, dank der Wirkung des Buchweizentees passte sie wieder in ihre alten Schuhe. Die Schwellung ihrer Füße war um zwei Schuhgrößen zurückgegangen. Auf manchen Gebieten unschlagbar Gegen jedes Zipperlein ist ein Kraut gewachsen. Das wussten schon die Mönche im Mittelalter. Nicht umsonst galten Klöster als die Apotheken ihrer Zeit. Die Epoche Eine wahre Kräuter- und Blütenpracht: Der Garten des Klosters Mariensee in Neustadt am Rübenberge Fotos: Olga Axyutina/istockphoto, Karl Johaentges/LOOK-foto (S. 27 o.) J

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zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert ist deshalb die Blütezeit der Klostermedi-zin. Eine Medizin, die selbst heute noch auf manchen Gebieten unschlagbar ist. Bei Schnupfen, Erkältung oder Schlafstörungen gebe es kaum bessere Alternativen, so Mayer: „Nichts hilft bei Husten so gut wie ein Tee aus Thymian und Süßholzwurzel.“ Selbst zur Krebsvorbeugung gibt es in der Kräuterheilkunde interessante Ansätze: Viele pflanzliche Inhaltsstoffe wirken oxidationshemmend und somit zellschützend. Kloster-medizin bedeutet aber auch, sich zu schonen, wenn man krank ist. „Wenn ich mir Ruhe gönne, dauert eine Erkältung drei Tage – nicht sieben oder gar vierzehn wie sonst“, so Mayer. In der Ernährung spielen Heilkräuter ebenfalls eine wichtige Rolle. Deren ätherisches Öl hat eine positive Wir-kung auf den Verdauungstrakt. Sie regen die Produktion von Speichel und Magensäften an, halten die Galle auf Trab, einige sogar die Bauchspeicheldrüse. Dabei müssen

Heilkräuter nicht unbedingt frisch verwendet werden. Es gibt etliche Kräuter, die sogar nur getrocknet ihre volle Wirkung entfalten: etwa Thymian oder Hopfen. Auch in zahlreichen Nahrungsergänzungsmitteln wie Kapseln oder in Arzneitees sind Wirkstoffe aus Heilkräutern enthalten. Dafür geben Millionen Deutsche etwa drei Milliarden Euro jährlich aus. Denn die Kräuterheilkunde gilt als sanft und genießt daher einen guten Ruf.

Wissen ging für lange Zeit verloren

Kräuter halfen der Menschheit schon immer. Schon die ersten Schamanen nutzten die Heilkräfte der Natur. Die Klostermedizin selbst beruht vor allem auf der antiken

Johanniskraut lindert Angst, und Kamille kann Ent-

zündungen stoppen. Mönche und Nonnen wissen schon

seit dem Mittelalter um die besondere Heilkraft von

Kräuterpflanzen. Doch wie steht es heute um die Klos-

termedizin? Und: Gibt es das pflanzliche Wundermittel?

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Heilsame Natur

eder Schritt – eine Qual. Mit stark geschwollenen Füßen. Schlecht, wenn man als Reinmachefrau ständig auf den Beinen ist. Gut, wenn man in den Räumen der

Forschungsgruppe Klostermedizin der Universität Würzburg putzt und sich beim Richtigen beklagt: Geschäftsführer Dr. Johannes Gottfried Mayer (57) hatte den Buchweizen erforscht und zusammen mit einem Hersteller von Ge-sundheitsprodukten einen Tee entwickelt. Gerade als die erste Lieferung des durchblutungsfördernden Tees bei ihm eintraf, berichtete ihm die Frau von ihren Venenproblemen. Mayer gab ihr zwei Packungen des neuen Tees zum Aus-probieren mit und vergaß die Sache. Drei Wochen später trat die Frau erneut an seinen Schreibtisch. Sie strahlte, dank der Wirkung des Buchweizentees passte sie wieder in ihre alten Schuhe. Die Schwellung ihrer Füße war um zwei Schuhgrößen zurückgegangen.

Auf manchen Gebieten unschlagbar

Gegen jedes Zipperlein ist ein Kraut gewachsen. Das wussten schon die Mönche im Mittelalter. Nicht umsonst galten Klöster als die Apotheken ihrer Zeit. Die Epoche

Eine wahre Kräuter- und Blütenpracht: Der Garten des Klosters Mariensee in Neustadt am Rübenberge

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„Viersäftelehre“ des griechischen Arztes Galen. Er war der Leibarzt des römischen Kaisers Marc Aurel und entwickelte eine Theorie, nach der die gesamte Natur aus einem Gleich-gewicht von vier Elementen bestehe. Störungen dieser Balance führten zu Krankheiten. Ein Prinzip, das so ähnlich auch die chinesische und die indische Medizin kennen. Das passende geistige Klima für die Kräuterheilkunde schuf allerdings erst Benedikt von Nursia im sechsten Jahrhun-dert mit einer seiner Ordensregeln: Die wichtigste Aufgabe eines Mönches sei es, Kranke zu pflegen. Eine Revolution, wenn man bedenkt, dass Kranke bis dato als Verursa-cher ihres Leidens verachtet und sich selbst überlassen wurden. Im Hochmittelalter, vom elften bis dreizehnten Jahrhundert, entstanden mehrere bedeutende Werke der Pflanzenheilkunde. Mit Hildegard von Bingen erreichte die Klostermedizin im zwölften Jahrhundert schließlich ihren Höhepunkt. Während der Renaissance und Aufklärung verlor die Klostermedizin jedoch immer mehr an Bedeutung. Als nach der Säkularisation 1803 viele deutsche Klöster von der Bildfläche verschwanden, ging auch ihr Wissen für lange Zeit verloren. Der Siegeszug synthetischer Arznei tat sein Übriges. Seit 1999 trägt nun die Forschungsgruppe Klos-termedizin in Würzburg ihren Teil dazu bei, dass deutsche Klöster sich erneut auf ihre Heiltradition besinnen und wieder Klostergärten anlegen.

Kräuter für die Hausapotheke

Experte Mayer schwört auf Kamille bei Hautleiden und leich-ten Entzündungen. Nur inhalieren sollte man sie nicht. Die Schleimhäute würden zu stark austrocknen: „Statt Kamille ist es besser, zwei Tropfen Thymianöl in heißes Wasser zu geben und die Dämpfe einzuatmen.“ Das Kraut stärkt die Atemwege, sein Öl ist das stärkste antivirale Mittel der Natur. Mayer: „Ich mag die Süßholzwurzel bei Erkältungs-krankheiten. Ingwer finde ich auch toll. Und Salbei ist meine

für sich allein – erst die Mischung ist ausschlaggebend. „Synthetisch kann man die Wirkung fast nicht erzeugen. Die Forschung wäre viel zu teuer“, so Mayer.

Die Dosis macht's

Kräuterpflanzen können aber auch giftige Stoffe beinhal-ten. Schwester Dr. Ursula Hertewich, Apothekerin und kräuterkundige Dominikanerin aus dem Kloster Arenberg, warnt vor den Gefahren des unkritischen Kräuterkonsums: „Manche nehmen vollkommen ahnungslos Pflanzen ein, die krebserregend sein können. Beinwellwurzeln etwa enthalten solche Substanzen. Und Huflattichtee kann bei Daueranwendung ungesund für die Leber sein.“ Bei den meisten Tees aus Heilkräutern kann man dagegen in der Regel wenig falsch machen. Nur der Konsum enormer Mengen ab drei Litern täglich kann kontraproduktiv wirken. Bei der Einnahme von Medikamenten dagegen sollte man seinen Arzt darüber aufklären, welche Heilkräuter man einnimmt. „Wechselwirkungen werden generell selten beobachtet, aber es gibt sie“, so Mayer. Denn Kloster- und Schulmedizin sind kein Gegensatz: Viele Medikamente haben einen pflanzlichen Wirkstoff zum Vorbild. Und was ist nun mit dem pflanzlichen Wundermittel?

„Das gibt's leider nicht“, sagt der Fachmann. Oder doch? Die Reinigungsfrau mit den Venenproblemen ist jedenfalls davon überzeugt.

Kerstin Güntzel

Der Do-it-yourself-

Kräutergarten

Apothekerin Schwester Dr. Ursula Hertewich (35)

betreut den Klostergarten in Arenberg. Hier ihre

Tipps für angehende Kräutergärtner:

„Es ist kein Aufwand, sondern eine große Freude, sich einen Kräutergarten anzulegen. Man braucht wenig Fläche, karge, eher trockene Böden und viel Sonne. Staunässe mögen Kräuter gar nicht. Lavendel, Melisse oder Pfefferminze sind leicht zu kultivieren. Lavendel und Melisse wirken allein schon über ihren Geruch nervenberuhigend. Vor-sicht: Melisse oder Pfefferminze neigen dazu, den Garten zu überwuchern. Deshalb pflanzt man sie in Kübel. Was fürs Auge sind Königskerzen und Malven. Ein- bis zweimal die Wo-che sollte man im Beet nach dem Rechten sehen. Ansonsten sind Kräuter pflegeleicht. Tomatenpflan-zen finde ich anspruchsvoller.“

Malve

Pfefferminze

Lavendel

Melisse

Königskerze

Lieblingsheilpflanze.“ Salbei wirkt bei Atemwegsbeschwer-den, Entzündungen im Mund- und Rachenraum sowie bei Husten und leichten Magenbeschwerden. Hopfen, Baldrian, Melisse, Johanniskraut und Passionsblume bauen Stress ab und helfen beim Einschlafen. Überhaupt Johanniskraut: Es gilt als eine der am besten erforschten Pflanzen. Zahl-reiche Studien beweisen, dass es stimmungsaufhellend, angstlösend und antidepressiv wirken kann. Trotzdem weiß kein Mensch, was sein Geheimnis ausmacht. Denn Kräuter sind sozusagen Teamplayer, kein Inhaltsstoff steht

Immer mehr Menschen vertrauen auf Naturheilver-

fahren als Ergänzung zur klassischen medizinischen Behandlung. Die SBK übernimmt die Kosten für viele alternative Therapien. Informieren Sie sich bei Ihrem persönlichen Kundenberater unter der Telefonnum-mer 0800 0 725 725 725 0 (gebührenfrei) und unter

www.sbk.org/naturheilverfahren

SBK NATURHEILVERFAHREN

Heilpflanzen in Essig eingelegt ergeben wunderbaren Kräuteressig,

der in der Volksheilkunde als Heilmittel eingesetzt wird

Wicken sind zwar kein Heilkraut. Die blühende

Sommerblume verschönert aber jeden Klostergarten.

Wie hier im Garten des Klosters Medingen im

niedersächsischen Bad Bevensen

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