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Wann hat mein Prüfmittel die Kalibrierung bestanden? Die Konformitätsbewertung bei einer Kalibrierung Innerhalb oder außerhalb? Kaum eine Frage ist auf dem Fachgebiet der Kalibrierung so elementar und doch nur sehr differenziert zu beantworten. Die Konformitätsbewer- tung einer Kalibrierung, welche neben der zulässigen To- leranz auch die Messunsicherheit berücksichtigen sollte, wird entsprechend verschiedener normativer Vorgaben unterschiedlich ausgelegt. Zu jeder fachgerechten Kalibrierung gehört im Anschluss eine Bewertung (Konformitätsaussage), inklusive Betrachtung von Toleranz und Messunsicherheit. Daraus ergeben sich Grenzfälle, bei denen zwar das Kalibrierergebnis innerhalb der vorgegebenen Toleranzen liegt, dies aber unter Einbeziehung der Messunsicherheit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit außerhalb sein könnte. Die Entscheidung nach welcher Vor- gehensweise Konformitätsaussagen getroffen werden, sollte jeder Betreiber überdenken und schriftlich fixieren. Die Anfor - derungen verschiedener Institutionen des Kalibrierwesens sind auf den folgenden Seiten dargestellt. KNOW-HOW Testo Industrial Services – Mehr Service, mehr Sicherheit. © Testo industrial services GmbH, 2016 Die Messunsicherheit ist der Schätzwert zur Kennzeichnung eines Wertebereiches, innerhalb dessen der richtige Wert der Messgröße liegt. Bildlich darstellen lässt sich die Messunsicher- heit mit einer Zielscheibe (s. Abb. 2). Gemäß DAkkS-DKD 5 Richtlinie soll die Wahrscheinlichkeit mit 95% angegeben werden. Durch Kalibrierungen wird folglich nachgewiesen, dass Messgeräte oder Prüfmittel Forderungen von Normen oder Spezifikationen von Herstellern einhalten. Nicht immer sind Spezifikation, Messunsicherheit & Konformitätsbewertung Jedes Messergebnis einer sachgemäßen Kalibrierung sollte zusammen mit der jeweiligen Messunsicherheit angegeben werden, um letztendlich die Konformität der Kalibrierung bewerten zu können. Ein Kalibrierungsvorgang liefert sowohl einen Messwert, als auch eine beigeordnete erweiterte Messunsicherheit, die im Kalibrierzertifikat dokumentiert wird. Die Spezifikationsgrenze (oder auch Toleranz) der Kalibrie- rung ist die Grenze, die angibt, wie weit der ermittelte Wert eines Messgerätes vom Soll-Wert (Referenzwert) maximal abweichen darf (siehe Abb. 1). Abb. 1: Gegenüberstellung von Spezifikation und Messunsicherheit obere Spezifikationsgrenze Messunsicherheit (+) Soll-Wert Ist-Wert untere Spezifikationsgrenze Messunsicherheit (i) Abb. 2: Darstellung von Messunsicherheit Messunsicherheit (+) richtiger Wert (Soll-Wert) Gemessene Werte (Ist-Wert)

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Wann hat mein Prüfmittel die Kalibrierung bestanden? Die Konformitätsbewertung bei einer Kalibrierung

Innerhalb oder außerhalb? Kaum eine Frage ist auf dem Fachgebiet der Kalibrierung so elementar und doch nur sehr differenziert zu beantworten. Die Konformitätsbewer-tung einer Kalibrierung, welche neben der zulässigen To-leranz auch die Messunsicherheit berücksichtigen sollte, wird entsprechend verschiedener normativer Vorgaben unterschiedlich ausgelegt.

Zu jeder fachgerechten Kalibrierung gehört im Anschluss eine Bewertung (Konformitätsaussage), inklusive Betrachtung von Toleranz und Messunsicherheit. Daraus ergeben sich Grenzfälle, bei denen zwar das Kalibrierergebnis innerhalb der vorgegebenen Toleranzen liegt, dies aber unter Einbeziehung der Messunsicherheit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit außerhalb sein könnte. Die Entscheidung nach welcher Vor-gehensweise Konformitätsaussagen getroffen werden, sollte jeder Betreiber überdenken und schriftlich fixieren. Die Anfor-derungen verschiedener Institutionen des Kalibrierwesens sind auf den folgenden Seiten dargestellt.

 

 

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Testo Industrial Services – Mehr Service, mehr Sicherheit. © Testo industrial services GmbH, 2016

Die Messunsicherheit ist der Schätzwert zur Kennzeichnung eines Wertebereiches, innerhalb dessen der richtige Wert der Messgröße liegt. Bildlich darstellen lässt sich die Messunsicher- heit mit einer Zielscheibe (s. Abb. 2). Gemäß DAkkS-DKD 5 Richtlinie soll die Wahrscheinlichkeit mit 95% angegeben werden.

Durch Kalibrierungen wird folglich nachgewiesen, dass Messgeräte oder Prüfmittel Forderungen von Normen oder Spezifikationen von Herstellern einhalten. Nicht immer sind

Spezifikation, Messunsicherheit & Konformitätsbewertung

Jedes Messergebnis einer sachgemäßen Kalibrierung sollte zusammen mit der jeweiligen Messunsicherheit angegeben werden, um letztendlich die Konformität der Kalibrierung bewerten zu können. Ein Kalibrierungsvorgang liefert sowohl einen Messwert, als auch eine beigeordnete erweiterte Messunsicherheit, die im Kalibrierzertifikat dokumentiert wird.

Die Spezifikationsgrenze (oder auch Toleranz) der Kalibrie-rung ist die Grenze, die angibt, wie weit der ermittelte Wert eines Messgerätes vom Soll-Wert (Referenzwert) maximal abweichen darf (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Gegenüberstellung von Spezifikation und Messunsicherheit

obere Spezifikationsgrenze Messunsicherheit (+)

Soll-Wert Ist-Wert

untere Spezifikationsgrenze Messunsicherheit (i)

Abb. 2: Darstellung von Messunsicherheit

Messunsicherheit (+)

richtiger Wert (Soll-Wert)

Gemessene Werte (Ist-Wert)

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Wann hat mein Prüfmittel die Kalibrierung bestanden? Die Konformitätsbewertung bei einer Kalibrierung

Herstelleranweisungen einfach zu ermitteln und häufig ändern sich diese Angaben. Es ist daher empfehlenswert individuelle und der Anwendung des Messgerätes angepasste Spezifika- tionsgrenzen zu definieren.

Für die Bewertung der Konformität ist das Kalibrierergebnis zusammen mit der Messunsicherheit zu betrachten. Dabei muss dem Nutzer des Kalibrierscheins ersichtlich sein, gemäß welcher Anforderung die Konformität bewertet wurde. Er legt selbst fest nach welchen Anforderungen die Konformität einer Kalibrierung bewertet werden soll und teilt dies der Konformi-tätsbewertungsstelle (z. B. Kalibrierlabor) mit. Die Konformitätsbewertung wird im Allgemeinen wie folgt definiert:

Darstellung, dass festgelegte Anforderungen, bezogen auf ein Produkt, einen Prozess, ein System, eine Person oder eine Stelle erfüllt sind. (DIN EN ISO/IEC 17000 Pkt. 2.1)

Die festgelegten Anforderungen setzen sich zusammen aus: - der Erfordernis oder Erwartung, die niedergelegt ist (DIN EN ISO/IEC 17000:2005-03 Pkt. 3),- den metrologischen Anforderungen (EN ISO 10012),- den Kundenanforderungen und- den normativen Anforderungen.

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Wie wird die Übereinstimmung bzw. Nicht-Übereinstim-mung der Messergebnisse festgelegt?

Wird die Messunsicherheit nicht berücksichtigt, gilt die Kalibrierung als bestanden, sobald sich der Messwert mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 50 % innerhalb der Spezifikation befindet (siehe Abb. 3, Fälle I-IV). Falls die Mess- unsicherheit berücksichtigt wird, sind die Fälle III bis V nicht eindeutig beurteilbar und die Fälle VI und VII außerhalb der Spezifikation. Bei Testo Industrial Services erfolgt die Konformitätsbewertung automatisch nach dem Schema in Abbildung 3, wenn es sich um eine ISO Kalibrierung/Werkskalibrierung handelt.

Beispielwerte einer Temperaturkalibrierung:

Abweichung – Messunsicherheit = 1,93 °CAbweichung + Messunsicherheit = 3,67 °C

Daraus ergibt sich der Fall III (Abb. 3): Unter Berücksichtigung der Messunsicherheit liegt das Ergebnis mit einer Wahrschein-lichkeit > 50 % und < 95 % innerhalb der Spezifikation.

Messergebnis mit einer Wahrscheinlichkeit ≥50% innerhalb der zulässigen Abweichung

Messergebnis mit einer Wahrscheinlichkeit >95 % innerhalb der zulässigen Abweichung

Messergebnis mit einer Wahrscheinlichkeit >95 % außerhalb der zulässigen Abweichung

Messergebnis mit einer Wahrscheinlichkeit ≥ 95 % innerhalb der zulässigen Abweichung

Messergebnis mit einer Wahrscheinlichkeit >50 % und <95 % innerhalb der zulässigen Abweichung

Messergebnis mit einer Wahrscheinlichkeit =50 % innerhalb der zulässigen Abweichung

Messergebnis mit einer Wahrscheinlichkeit >50 % und <95 % außerhalb der zulässigen Abweichung

Messergebnis mit einer Wahrscheinlichkeit ≥ 95 % außerhalb der zulässigen Abwei-

Messergebnis mit einer Wahrscheinlichkeit >50% außerhalb der zulässigen Abweichung

I

II

III

IV

V

VI

VII

Abb. 3: Bewertung der Konformität "Shared risk"

Soll-Wert(Referenz)

Ist-Wert(Prüfling)

Abweichung Mess-unsicherheit

Spezifikation

59,9 °C 62,7 °C +2,8 °C ±0,87 °C ±3,2 °C

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Wann hat mein Prüfmittel die Kalibrierung bestanden? Die Konformitätsbewertung bei einer Kalibrierung

Das Kalibrierergebnis ist damit ein Grenzfall. Verschiedene Vorgaben aus den Regularien lassen verschiedene Bewer- tungen dieses Falles zu.

Bewertung nach ILAC-G8:03/2009 – Guidelines on the reporting of compliance with specification

In Abbildung 4 sind die verschieden Fälle (Cases) der ILAC dargestellt. Demnach sind Ergebnisse von Case 2 und 3 nicht bewert-bar (1): „If the measurement result plus/minus the expanded uncertainty with a 95 % coverage probability overlaps the limit (See Case 2+3), it is not possible to state compliance or non-compliance.“.

Eine Ausnahme liegt vor, wenn übergeordnete Regularien eine Entscheidung zur Konformität erfordern. Dann kann Case 2 als bestandene Kalibrierung und Case 3 als nicht bestande-ne Kalibrierung interpretiert werden (2): „If national or other regulations require a decision be made regarding rejection or approval, Case 2 can be stated as compliance, and Case 3 as non-compliance with the specification limit.“.

Bewertung nach Vorgabe der DAkkS-DKD-5

Die Konformitätsaussage nach DAkkS-DKD-5 wird von Testo Industrial Services als Standard für die Kalibrierung von Mess-geräten in DAkkS-akkreditierten Laboren und Unternehmen genutzt.

Auszug aus dem Kapitel 2 Konformitätsaussagen

„2.1 Kalibrierscheine dürfen Aussagen über die Einhaltung einer messtechnischen Spezifikation enthalten (siehe 1.1 h). […]2.3 Die Messungen müssen in den Geltungsbereich der Ak-kreditierung des Laboratoriums fallen. 2.4 Wenn bestätigt wird, dass ein Parameter innerhalb fest-gelegter Toleranzen liegt, müssen auch die Differenz und die Summe aus Messwert und der gemäß DAkkS-DKD-3 berech-neten erweiterten Messunsicherheit innerhalb der anzuwen-denden Spezifikationsgrenzen liegen. Anmerkungen: […] 2) Wenn Differenz oder Summe aus Mess-wert und erweiterter Messunsicherheit außerhalb der festge-legten Toleranz liegen, während der Messwert selbst innerhalb

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der Toleranz liegt, können weder Konformität noch Nichtkon-formität nachgewiesen werden. Im Kalibrierschein kann dann nur das Messergebnis und die beigeordnete Unsicherheit ohne Konformitätsaussage angegeben werden.“

Entsprechend der DAkkS-DKD-5 Richtlinie können für die Fälle III und IV keine Aussagen über die Konformität getroffen werden (siehe Abb. 5).

Die „harte“ Konformitätsaussage nach DIN EN ISO 14253-1:2013

Im Gegensatz zu den genannten Anforderungen berücksich-tigt die „harte“ Konformitätsaussage nach 14253-1:2013 lediglich Messergebnisse, welche sich inklusive der Messun-sicherheit mit einer Wahrscheinlichkeit von über 95 % im Spe-zifikationsbereich befinden (Abb. 6). Hält man sich an diese Vorgaben erzielt man die sichersten Ergebnisse.

Case 1 Case 2 Case3 Case 4

Abb. 5: Konformitätsaussage nach DAkkS-DKD-5

Abb. 4: Konformitätsaussage nach ILAC-G8:03/2009

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k.A.

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Wann hat mein Prüfmittel die Kalibrierung bestanden? Die Konformitätsbewertung bei einer Kalibrierung

Grenzfälle sind hier nicht zugelassen, denn die Messunsicher- heit des Kalibrierverfahrens wird voll berücksichtigt. Die Kali-brierung gilt hier nur für die Fälle I und II als bestanden.

Konformitätsbewertung bei Testo Industrial Services

Bei Testo Industrial Services erfolgt die Konformitätsbewertung nach den festgelegten Anforderungen des Kalibrierschein-nutzers. Dieser muss neben den zulässigen Abweichungen ebenso die Regeln der Konformitätsbewertung festlegen.

Falls der Nutzer des Kalibrierscheins keine Angaben zur zulässigen Abweichung festlegt, geht Testo Industrial Services nach folgenden Kriterien vor:

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Testo Industrial Services – Mehr Service, mehr Sicherheit. © Testo industrial services GmbH, 2016

• Die Herstellerspezifikation liefert die festgelegten Anforde- rungen und somit die zulässige Abweichung (Spezifikation)• Die Konformität wird wie folgt bewertet:

- ISO-/Werkskalibrierung à shared risk Ansatz - DAkkS-Kalibrierung à DAkkS-DKD-5 Vorgabe

Die verschiedenen Möglichkeiten der Konformitätsaussage finden sich noch einmal in Abb. 7. Generell ist die Angabe der festgelegten Anforderungen und Regeln durch den Nutzer des Kalibrierscheins anzustreben.

Abb. 6: "Harte" Konformitätsaussage nach DIN EN ISO 14253-1:2013

Abb. 7: Möglichkeiten der Konformitätsaussagen bei Testo Industrial Services

Merkmal Konformitätsaussage

TIS-Standard Ohne Konformitäts-aussage

Kundenwunsch: mit MU nach 14253-1

"hart"shared risk DKD-5

ISO DAkkS ISO DAkkS ISO DAkkS

I pass pass - - pass pass

II pass pass - - pass pass

III pass n.a*) - - fail fail

IV pass n.a*) - - fail fail

V fail fail - - fail fail

VI fail fail - - fail fail

VII fail fail - - fail fail

Autor und Experte zum Thema Markus SaleminkLeitung International Business DevelopmentE-Mail: [email protected]

Dieses und weitere Themen fokussieren wir in unserem Seminar „Das Kalibrierzertifikat“> Erfahren Sie mehr