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Haiti – die HeimatDabei sprach zunächst nichts dafür, dass ich jemals ein Instrumenterlernen würde, um meinen Gesang zu begleiten. Außer einemalten, holzwurmbefallenen Schifferklavier, das niemand spielenkonnte, gab es kein Instrument im meinem Elternhaus. DochMusik ist auf Haiti, der Insel, auf der ich aufwuchs, allgegenwär-tig. In den heißen Tropennächten hört man die Voodoo-Trommelnvon den Bergen, das Bestellen der Felder wird vom rhythmischenGesang der Bauern begleitet, die Straßenverkäufer preisen sin-gend ihre Ware an, jede Arbeit scheint einfacher und selbst dieschreckliche Armut dieser Insel leichter zu ertragen mit Musik.Haiti war die erste freie schwarze Republik der Welt, nach ihremsiegreichen Befreiungskampf gegen Napoleon 1804. Doch vieleHaitianer sind schon lange nicht mehr so stolz auf ihr Land, dasinzwischen von Elend und politischen Unruhen zerrüttet ist.

Eltern – das FundamentMeine deutschen Eltern stammten beide aus Berlin. Mein Vater,Carl Otto Schütt, kam im Alter von 18 Jahren nach Cap Haitien,um in das familiengeführte Handelshaus einzusteigen, welches

bereits seit 1832 bestand. Während des zweiten Weltkriegeswurde er in Haft genommen, in ein Internierungslager in die USAund nach Kriegsende nach Deutschland geschickt. Dort heirateteer meine Mutter, mit der er in Berlin aufgewachsen war, undkehrte in ihrer Begleitung nach Haiti zurück. Die neue Umgebungmuss für meine schüchterne, gebildete Mutter (Architektin) eineschwierige Umstellung gewesen sein. Doch sie ging in ihrer Mut-terrolle auf und half mit viel Freude ihrem Mann beim Aufbaueiner Kaffeefarm. Sie liebte das einfache Pionierleben und dieSchönheit der tropischen Natur.

Jugend – die InspirationIch bin die jüngste von vier Geschwistern. Mein Bruder und zweiSchwestern leben auch heute noch auf Haiti. Meine Eltern legtenWert auf eine deutschsprachige Erziehung, und so wurden wir zuHause von unserer Mutter unterrichtet. Im Gegensatz zu meinenSchwestern war dies bei mir kein einfaches Unterfangen. Bis zumAlter von 6 Jahren sprach ich kaum Deutsch, meine Sprache warCreole, eine Mischung aus Altfranzösisch, Afrikanisch und Spa-nisch. Meine Mutter hatte Antwort auf alle unsere Fragen: Sie

TiCorn. Wann immer ich mich im Laufe meines Lebens als haitianische Interpretin/Songwriterinvorstellte, trafen mich zunächst ungläubige Blicke. Meine Hautfarbe passte nicht zum Bild einerSängerin der Karibikinsel Haiti. Überzeugen konnte ich jedoch, sobald ich zur Gitarre griff und creolische Lieder sang, und genau das habe ich mein Leben lang gern, zu den verschiedenstenAnlässen und in vielen Ländern getan.

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zitierte Gedichte, war geschichtlich bewandert und interessiertesich für die Wissenschaften. Wenn wir Kinder krank wurden, batsie zunächst unsere Köchin, einen bitteren Tee aus Heilkräutern zumachen. Als ich Mumps hatte, wurde mir ein Schaffell um denHals gewickelt, bei Windpocken schwamm ich in einer lila Badelö-sung. Und wenn nichts half, holte sie das dicke Buch “Ärztin inden Tropen” aus dem Schrank, und es wurde gemeinsam über dieKrankheitssymptome gerätselt. Anstatt mühsam lesen und schreiben zu lernen, kümmerte ichmich lieber um unsere Tiere. Kaninchen mussten gefüttert werden,der Papagei wollte mit zum Schwimmbad, wo die Schildkröteschon auf Salat wartete, ein allzu nettes Huhn musste noch drin-gend vor dem Kochtopf gerettet werden, und dann waren da nochall die tropischen Früchte, die im großen verwilderten Garten her-anreiften und darauf warteten, von mir gepflückt zu werden. Ichwar ein vielbeschäftigtes Kind, das für den Schulunterricht ein-fach zu wenig Zeit hatte. Meine Mutter gab auf und versuchte mirnur noch das Wichtigste beizubringen: Lesen, Schreiben undetwas Mathematik. Sie vertraute darauf, dass ich mit meiner Leb-haftigkeit und Willensstärke meinen Lebensweg schon irgendwiemeistern würde. Mein liebster Spielgefährte war mein schwarzer Hengst. Karl MayRomane die einzigen Bücher, nach denen ich von Zeit zu Zeit griff.Doch das altdeutsche Schriftbild entmutigte mich bereits nacheinigen Seiten. Ich spielte stattdessen lieber mit den Kindern derNachbarschaft. Meine Eltern hatten keinerlei Sorgen um uns,wenn wir unterwegs waren. Wir wurden von allen beschützt undumhegt. Vom frisch gerösteten Fladenbrot Cassave bekamen wirimmer ein Stückchen ab. In den Hütten war es dunkel und kühl, es

roch nach Stroh und feuchtem Lehm. Zurück bei uns zuhausewurde dann gemalt, genäht, gebastelt oder gebaut, alles wurdeverwertet und verwandelt.

Reisen – das FernwehGeprägt war meine Jugend auch durch zahlreiche Reisen. Im Altervon 2 Monaten überquerte ich zum ersten mal den Ozean, dennmeine Mutter hatte Komplikationen befürchtet und war für meineGeburt nach Deutschland gereist. Mein Vater war Agent der Schiff-fahrtslinie Hapag, und so fuhren wir fast jedes Jahr für drei Monatemit dem Frachter nach Europa.Der Teergeruch war mir von Kindheit auf vertraut, und ich liebte es,in den Häfen zuzusehen, wie Kaffee- und Zuckersäcke mit demKran verladen wurden. Das endlose Meer und die Sternennächtegaben mit ein Gefühl von Weite. Die Frachtschiffe hatten mehrerePasssagierkabinen. Kapitän und Besatzung waren glücklich überfamiliäre Gesellschaft. Wir spielten mit ihnen an Deck Shuffleboardund ab und zu durfte ich auf der Brücke das Ruder übernehmen.Meine Mutter las uns Agatha Christi Romane in der Originalsprachevor und ungeduldig warteten wir Satz für Satz auf ihre Überset-zung. So lernten wir auf spannende Weise Englisch. Regelmäßigschwärmte ich für einen der jungen, adrett in weiß gekleidetenOffiziere, was die drei Wochen lange Überfahrt nach Europa nochaufregender machte.

Deutschland – das NeulandIn Deutschland wurde ich dann kurzfristig als Gastschülerin einge-schult. Meine Diktatnoten waren katastrophal. Ich wurde als „dieKleine, die aus dem Busch kommt”, von den Lehrern mit Nachsicht

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behandelt. Die Mitschüler freuten sich über meine exotischen Sto-rys von großen Schlangen, die im Dachstuhl wohnen, Vogelspin-nen, die durchs Wohnzimmer wandern, und Skorpionen, die ausden Schuhen geschüttelt werden. Glücklicher und “zu Hause”fühlte ich mich aber, wenn ich zurück auf Haiti war.

Anna – die MusikMeine musikalische Welt waren weniger die deutschen Lieder mei-ner Mutter, als die ausdrucksstarken Volkslieder Haitis. Anna, unserhaitianisches Kindermädchen, trug mich als Kleinkind stundenlangsingend und tanzend mit sich herum. Liebevoll nannte sie michTiCorn (petite Cornelia), ein Name, der von allen übernommenwurde, und den ich als Künstlernamen beibehielt. Sie war einestolze Frau, die mir mit ihrer natürlichen Autorität standhielt undfür mich eine wichtige Bezugsperson war. Sie war auch eine fan-tastische Erzählerin. Ich hing an ihren Lippen, wenn sie uns drau-ßen auf der Veranda zu dunkler Abendstunde in ihre gruseligeMärchenwelt entführte. Da sollte es Menschen geben, die nachtsaus ihrer Haut schlüpfen, sie aufrollen und verstecken. Findet mandiese Haut, muss man sie von innen mit scharfem Piment einrei-ben, damit sich der “Lougarou” beim Wiederhineinschlüpfen ver-rät. Jede Nacht schaute ich nach, ob sich nicht eines ihrerunheimlichen Fabelwesen unter meinem Bett versteckt hatte. Aufmein Drängeln hin nahm mich Anna eines Tages mit zu einer Voo-doo-Zeremonie für die “Marassas” Zwillingsgottheiten. Die Trom-meln schlugen immer intensiver und plötzlich sah ich, wie sich ihrGesicht versteinerte. Es durchzuckte ihren ganzen Körper, sie warin Trance gefallen. Als wir den Berg wieder hinunterwanderten,spürte ich, wie es ihr peinlich war, und ich sprach mit niemandemdarüber.

Politik – das BedrohendeDazu kommt, dass über meiner Kinderzeit der dunkle Schatten derDuvalier Diktatur hing. Papa Doc und seine Tonton Makouteserfüllten alle Bevölkerungsschichten mit Angst. Bei Straßenkon-trollen und anderen prekären Situationen fühlten wir uns alsFamilie wenigstens etwas geschützt durch den diplomatischenStatus meines Vaters als “Consul Honoraire d’Allemagne”. Trotz derBemühung meiner Eltern, uns Kinder abzuschirmen, spürten wirdoch die Gefahr.

Singen– der TraumIm Alter von 10 Jahren wünschte ich mir eine Gitarre und bekamUnterricht. Mein Lehrer war sehr geduldig und schaffte es, michsoweit zu ermutigen, dass ich über die Anfangshürde von schmer-zenden Fingern und der zunächst unmöglich erscheinenden Auf-gabe, “mit jeder Hand etwas anderes zu machen und obendreindazu noch zu singen”, hinwegkam.Es gab im Elternhaus immerhin einen Plattenspieler und einigevielgehörte Schallplatten. Ich schmetterte mit Edith Piaf “allezvenez Milord”, ahmte den unverwechselbaren Akzent von Dalidanach, hauchte wie Fransoise Hardy das Kultlied “tous les garçonset les filles de mon age”, schmachtete mit Pat Boone “catch a fal-ling star” und träumte davon, selber ein Star zu sein. Ich sangmanche falschen Töne, aber hartnäckig trainierte ich meine Stim-me. Einen noch direkteren musikalischen Anreiz übte eine Gruppe vonJungs auf mich aus, die bereits gut sangen und sich auf der Gitar-re begleiteten. Man traf sich bei Sonnenuntergang an der Meeres-promenade und es wurde Musik gemacht. Vorbilder waren vorallem die Chansoniers, die man im Radio hörte. Ich bewegte michunter diesen Jugendlichen aus der oberen Gesellschaftsschicht

eher unsicher. Da ich das obligatorische Schulfranzösisch nichtgelernt hatte, fühlte ich mich als Außenseiterin. Um so mehrwurde der Gesang nun Ausdrucksform meiner Gefühlswelt.

Internat – die NostalgieMit 14 Jahren wurde ich zur weiteren Schulausbildung nachDeutschland ins Internat geschickt. Wie bereits meine Schwesternfühlte auch ich mich in der Odenwaldschule sehr wohl. Kunst undMusik wurden groß geschrieben und ich hatte Spaß am Chor-unterricht. Stimmbildung und Atemtechnik fielen mir leicht, dochdas Notenlesen habe ich nie richtig erlernt. Bei Schulfesten sangich voller Nostalgie die Lieder meiner Heimat. Die verlängertenSommerferien verbrachten wir auf Haiti und ich nutzte diese Zei-ten, um neue Lieder zu sammeln oder selber zu komponieren.Auch nahm ich Tanz und Trommelunterricht, um die zahlreichenVoodoo-Rhythmen noch besser ins Blut zu bekommen.

Hotellehre – der AbstecherNach dem Abitur zog ich nach Heidelberg, um dort eine Lehre alsHotelkauffrau zu absolvieren. Obwohl ich in der Musik meineZukunft sah, war es mir wichtig einen seriösen Beruf zu erlernen,mit dem ich weltweit arbeiten konnte. Ich lernte in den drei Lehr-jahren viel Praktisches, was mir mein ganzes Leben lang von Nut-zen war.

Kleinkunstbühne – die KommunikationEs folgten einige Jahre in München, wo für mich eine musikalischeLehrzeit begann. Ich trat fast täglich im bekannten “SchwabingerBrettel” auf. Der routinierte französische Chansonsänger RobertFrank Jacobi, der diese Kleinkunstbühne leitete, gab mir Ratschlä-ge, vor allem was die Kommunikation mit dem Publikum betraf.Abgesehen von meinem haitianischen Repertoire sang ich unteranderem auch Lieder von Harry Belafonte, Joan Baez und EdithPiaf.

Produktion – die UmsetzungNach der für mich schmerzhaften Trennung von meinem langjäh-rigen Freund flüchtete ich ganz in meine Musik und machte mitHilfe eines Produzenten in Hamburg meine erste Langspielplatte,die ich einfach “Haiti” nannte. Meine Schwester Laetitia malte mirein ansprechendes Plattencover im Stil der naiven Malerei. Mitdem Erscheinen dieser LP wurde ich 1979 in Haiti schlagartig alsSängerin bekannt. Schon bevor ich nach Port-au-Prince kam, ummeine LP persönlich den Radiostationen vorzustellen, waren einigeder Songs zu Hits geworden.Ich hatte das Glück, einen Musiker kennenzulernen, der mich indie Musikszene der Hauptstadt einführte. Henry Celestin hatte sel-ber eine Band, “Les Difficiles”, gehabt und kannte alle wichtigenLeute. Er kümmerte sich um Interviews, um die Bühnentechnik,verhandelte meine Gagen und war auch ein hervorragender Foto-graf. In Haiti Konzerte auf die Beine zu stellen war abenteuerlich.Bis zur letzten Minute wusste man nicht: Wird man Strom haben,kommen die Musiker rechtzeitig an, spielt das Wetter mit, sind“falsche” Eintrittskarten im Umlauf? Meine Gitarre war mein einzi-ger Anker. Mit ihr in der Hand fühlte ich mich immer sicher. Auf der Bühne hatte ich von Beginn an meinen persönlichen Stil.Ich begleitete mich meist selber auf der Gitarre, sang barfuß inbunten Folklore-Kostümen und fast ausschließlich in Creole. VieleHaitianer, die meine Lieder vorerst nur im Radio gehört hatten,waren erstaunt, im Konzert eine weiße Sängerin zu sehen. Ichfühlte mich aber vom Publikum ganz und gar adoptiert. Meinebildhaften Liedertexte sprachen sie an, erzählten von ihren Proble-

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men, beschrieben ihre Gefühle. Ich arbeitete auch gern mit ver-schiedenen haitianischen Komponisten zusammen, wie Marcel O.Gilles und dem Poeten Jean Claude Martineau, die mir einige Lie-der „auf den Leib schrieben”, und zu denen sich eine andauerndeFreundschaft entwickelte.Im Laufe der Jahre folgten mehrere Plattenproduktionen, daruntereine in Zusammenarbeit mit der Deutschen Welthungerhilfe.

Video & Film – das GesichtNach einem Konzert in Port-au-Prince kam mir der haitianischeDrehbuchautor Rassoul Labuchin aufgeregt entgegen und sagte:„Du bist meine Simbi”! Als ich in seinem Film „Anita” (produziertvon einem holländischen Filmteam) die singende MeeresgottheitSimbi verkörperte, bekam meine Stimme für viele Haitianer einGesicht. Ein Jahr später machte das „Tele National” mit mir eineReihe von Musik-Videos, mit denen ich dann regelmäßig im haiti-anischen Fernsehen zu sehen war.

Segeln – das AbenteuerAuf der Insel Antigua lernte ich 1980 meinen zukünftigen MannJean Louis Richard kennen, einen französischen Berufstaucher, derauf seiner Segeljacht lebte. Fünf Jahre durchsegelten wir gemein-sam die Karibik. Ich besuchte dabei Radio- und Fernsehstationender französischen Antillen, um meine Musik auch dort bekannt zumachen. Mit dem Boot erreichten wir selbst die unzugänglichstenKüstengebiete. Es war eine traumhafte Zeit, an die ich gern zurück-denke. Immer wieder machten wir Station in Haiti. Doch durch dieunsichere politische Lage wurde das Leben und Arbeiten dortschwierig. Wir verkauften schweren Herzens die Segeljacht undzogen zurück nach Europa.

Europa – die NeuorientierungIn Europa begann für uns ein ganz neuer Lebensabschnitt, den ichhier nur kurz zusammenfassen möchte. Wichtig war uns beiden,unsere Bewegungsfreiheit nicht aufzugeben. Wir lebten abwech-selnd in Spanien oder Frankreich, mit Hauptwohnsitz in Hamburg.Ich nahm an Verkaufsmessen teil, um haitianisches Kunsthand-werk anzubieten und ließ in Haiti eine von mir entworfene Kollek-tion von Seidenjacken produzieren. Mein Mann arbeitete als Sales-Broker für mehrere Firmen der Biobranche. Auf einer Messe in denUSA lernten wir die traditionelle japanische Räucherwerk-Manu-faktur „Shoyeido” kennen und ich begann, ihre Produkte auf demDeutschen Markt einzuführen. Schritt für Schritt gelang es mir,zusammen mit einem engagierten Team, die Hauptvertretung vonShoyeido für Europa zu werden.

Haiti – die WirrenFamilie, Musik, Meer und Sonne riefen uns immer wieder in dieFerne. Ich besuchte weiterhin regelmäßig Haiti, hielt mich dortaber bewusst fern von den Medien. Die Diktatur von Baby Docwar 1986 gestürzt, es folgten chaotische politische Jahre und einWirtschaftsembargo, welches das bereits arme Land noch mehrin die Knie zwang. In der Musikszene war, abgesehen von dembeliebten Tanzrhythmus Compas, nun auch Root-music, Rap undHiphop eingezogen und die Texte waren oft brisant politisch. DasOrganisieren von Konzerten in Haiti war für mich zu dieser Zeitnicht realisierbar. Auf Grund der unsicheren Lage vermiedenviele Menschen abends auszugehen. Nur in den USA gab ichnoch ab und zu Konzerte für die haitianische Diaspora. EinHöhepunkt war für mich dabei der gemeinsame Auftritt mit derlegendären 80jährigen haitianischen Folksängerin Martha JeanClaude in der Miami Arena.

Gesang – die BotschaftEs freute mich, dass sich mir immer wieder Gelegenheiten boten,in Europa aufzutreten. Unter anderem sang ich in Frankreichmehrmals für eine Organisation, die Adoptivkinder aus Haiti ver-mittelte und jährlich ein großes Treffen veranstaltete. Es warbewegend für hunderte von Kindern, die kaum mehr Creole spra-chen, eine Verbindung zu ihrer Heimat herzustellen.Im Jahr 1996 war der Weltgebetstag der Frauen dem Land Haitigewidmet. Der Gottesdienst, der in einer Berliner Kirche stattfand,wurde im ZDF übertragen und die Lieder, die ich dort sang, aufeiner Benefizkassette veröffentlicht.

Aktuell – das WiederauflebenSchon seit Jahren spielte ich mit dem Gedanken, meine Lieder neuzu mastern und für den download Verkauf im Internet auf denneuesten Stand zu bringen. Zusammen mit Brahm Heidl, einem erfahrenen Allround-Musiker,produzierte ich 2009 eine neue CD, die ich nach meiner Heimat-stadt „Cap Haitien” nannte. Im Juni 2009 konnte ich in Miami dieCD-Collection in einem Konzert im „Performing Art Theater” vor-stellen. In Begleitung des Bandleaders Robert Martino, ließ ichmeine Musik bei dem haitianischen Publikum wieder aufleben.Viele kannten mich schon aus ihrer Kinderzeit und ich fühlte einetiefe Verbundenheit. Zu Ostern 2010 ist ein Konzert in Haitigeplant.Seit langem arbeitete ich auch an einem Album mit haitianischenLiedern, die ich ins Englische übertrug. Daraus entstand im Sep-tember 2009 die CD „In Labadee Bay”. Die traumhaft schöne Bucht„Labadee”, im Norden Haitis, wird regelmäßig von den Touristen-schiffen der RCCL angelaufen. Anfang Dezember werde ich auf derEinweihungsfahrt des Kreuzfahrtschiffes „Oasis of the Seas” singenund diese CD präsentieren.

Zukunft – die WeiterführungEin Songbook meiner Lieder in Creole ist in Bearbeitung und war-tet noch auf Mithilfe von Sponsoren. Einige neuverfasste Chan-sons in deutscher Sprache sind bereits mit Brahm Heidl aufgenom-men und warten ebenfalls auf Veröffentlichung. Ich bin gespannt!In den kommenden Jahren würde ich gern verstärkt in Europa auf-treten. Es bereitet mir Freude, auch in kleinerem kulturellen Rah-men, Menschen auf eine musikalische Reise in mein geliebtes Haitizu entführen, ihnen von Land und Leuten zu erzählen, von demZauber, der von dieser facettenreichen Insel ausgeht. Denn meine Welt ist das Lied, das alle Grenzen überwindet.www.TiCorn.com [email protected]

Facetten der Musik aus HaïtiDie Vielfalt der haitianischen Musik ergibt sich aus der bewegtenGeschichte des Landes. Die ursprünglich von Indianern bewohnte Insel (von Columbus 1492 entdeckt) wurde zunächst jahrhundertelang von denspanischen und dann französischen Kolonialmächten beherrscht, bis dieaus Afrika stammenden und nach Haiti verschleppten Sklaven 1804 ihreUnabhängigkeit erkämpften. Danach war Haiti für viele Jahrzehnte iso-liert von der restlichen Welt, was dazu führte, dass hier die TraditionenAfrikas so authentisch erhalten blieben, wie auf keiner anderen Insel derKaribik. Da die Sklaven aus unterschiedlichen Gebieten Afrikas stammten,wurde ihre neue Heimat zu einem musikalischem „Schmelztiegel”, nochangereichert durch Einflüsse der europäischen Kultur. Der für Haiti socharakteristische Rhythmus Mérinque haïtienne entstand z.B. aus demfranzösischen Tanz “La Bergerette”. Die Poesie der Liedertexte ist geprägtdurch den besonderen Charme der melodischen und bildreichen SpracheCreole – einer Mischung aus Altfranzösisch, Afrikanisch, Spanisch undIndianisch.

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Boot der Liebe Sei mir die Möwe die mich umkreist sobald ich in See stech’

Das wogende Meer, das Welle um Welle mich weiterträgt

Du stehst felsenfest auch wenn’s schwankt und wankt und alles umhertreibt

Du bleibst die Hand die das Ruder lenkt

die mir Geborgenheit schenkt

Du bleibst die Hand die das Ruder lenkt

mir dabei Freiheit schenkt

(Chorus)

Sag wohin die Reise führt

Das sie nicht an Sinn verliert

Suche Du die Segel aus

Geradeaus, ich folge Dir

Zeig' wohin die Reise führt

Das sie nicht das Ziel verliert

Flaute oder wilder Sturm

Selbst im Kreis, ich folge Dir

Sei mir der Stern der gern mit mir lacht wenn die Nacht zu schwarz wird

Mich dann ganz sacht mit Träumen umhüllt und über mir wacht

Werde zum Wind der Wolken vertreibt die dunkel und schwer sind

Wie ein Delphin aus Freude

springe ich über schäumendes Meer

Wie ein Delphin aus Freude

springe ich über schäumendes Meer

(Chorus)

Sag wohin die Reise führt ....

Sei mir das Lied das Hoffnung besingt auch wenn’s mal nicht leicht fällt

Die Welt so zu sehen, das Leid zu verstehen, wenn es uns umspült

Was immer es fühlt mein Herz es gerät nie wieder in Seenot

Solange das Boot der Liebe

uns gemeinsam weiterträgt

Solange das Boot der Liebe

uns gemeinsam weiterträgt

(Chorus)

Sag wohin die Reise führt ....

Die CDs mit signierter Autogrammkarte sindauch direkt zu beziehen bei www.TiCorn.com.CD-1 Haiti, CD-2 Cèvolan, CD-3 Ballades Caraibes,CD-4 Cap Haitien, CD-5 In Labadee Bay.

Mein Liedertext “Boot der Liebe” (2009) hat nur von derGrundstimmung her etwas gemeinsam mit dem kreolischenOriginalsong: das Sehnen eines suchenden Herzens …

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