Kommentare zu: Martyna Marczak und Thomas Beissinger: Real Wages and the Business Cycle in Germany
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Kommentare zu:Martyna Marczak und Thomas Beissinger: Real
Wages and the Business Cycle in Germany
Herbert S. BuscherIWH Halle
22. Oktober 2010
Reallohn und Konjunkturzyklus
• Lang anhaltende Diskussion über das (anti- / pro-) zyklische Verhalten des Reallohns
• Bis heute keine gesicherten empirischen Ergebnisse
• Ist mehr als rein akademisches Interesse, zielt auf den Realitätsgehalt von alternativen Theorien
Die Vorläufer (1):• J. M. Keynes (1936): „… in general, an increase in
employment can only occur to the accompaniment of a decline in the rate of real wages.“
• Blanchard, O. und St. Fischer (1993): „The correlation between changes in real wages and changes in output and employment is usually slightly positivie but often statistically insignificant.“
• R. Lucas (1977): „Observed real wages are not constant over the cycle, but neiter do they exhibit consistent pro- or countercyclical tendencies.“
Die Vorläufer (2):
• Dunlop (1938) und Tarshis (1939)• Bodkin, R. G. (1969)• Geary, P. T. und Kennan, J. (1982)• Barsky, R. und Solon, G. (1989) und Solon,
Barsky, Parker (1994)• Tatom, J. A. (1980); Topel, R. (1986)• Neftci, S. N. (1978); • Christiano, L. J. und M. Eichenbaum (1992)
Empirie (1)
• Statische bivariate Regression• Dynamische Spezifikation• Struktur- versus Reduzierte Form Gleichungen• Zeitreihenanalytische Verfahren• Angewandte Spektraltheorie
Empirie (2)
• Abgrenzung eines Konjunkturzyklus / Frequenzband (Burns/Mitchell: 1,5 – 8 Jahre / 0.2 – 1.0 Frequenzband)
• Spezifikation der Dynamik• Identifikationsproblem: Nachfrage oder
Angebot? – oder nur Testgleichung?• Produzenten- oder Konsumentenlohn?• Gesamtwirtschaft oder Industrie?
Das Marczak-Beissinger Paper• Untersuchen das (pro-/anti-) zyklische Verhalten
des Reallohns sowie lead-lag-Strukturen• Aktivitätsvariable: reales BIP (alternativ: BWS,
Industrieproduktion, Arbeitslosenrate, Beschäftigung etc.)
• Reallöhne: Produzenten- / Konsumentenlohn für gesamte Wirtschaft (alternativ: Industrie)
• Deutschland; Quartalsdaten 1970.1 – 2009.1 • 5 alternative Filterkonzepte• Analyse im Zeit- und Frequenzbereich
Vier Fragestellungen:
• „Co-movement“ von zyklischer Variablen und Reallohn mit Zeit- und Frequenzbereich
• „Robustheitstest“ durch Anwendung unterschiedlicher Filter / Modelle
• Reallohn (2) für Gesamtwirtschaft anstelle von Industrie
• Präsentieren empirische Evidenz für D; bislang vornehmlich Evidenz für die USA
Die wesentlichen Ergebnisse: Zeitbereich
• Lineares Trendmodell ungeeignet• STSM: Normalverteilungsannahme wird
verworfen – wie glaubwürdig sind dann noch die Testergebnisse?
• HP-Filter und Baxter-King-Filter: Vorsicht bei Interpretation; deshalb Frequenzbereich
Auswahl der Modelle:
• Lineares Trendmodell ungeeignet, da keine deterministischen sondern stochastische Trends vorliegen
• Strukturbruch Wende: selbst erzeugt / nur unzureichend berücksichtigt?
• Abweichungen vom Trend folgen einem AR(1) Prozess: ein solcher Prozess besitzt i.d.R. kein ausgeprägtes zyklisches Schwingungsverhalten
Die wesentlichen Ergebnisse: Frequenzbereich
• Phase angle (Phasenwinkel): 0 – π: BIP-Zyklus „leads“ Reallohnzyklus
0 – π/2: prozyklischer Reallohnπ/2 – π: antizyklischer Reallohn
0 – -π: BIP-Zyklus „lags“ Reallohnzyklus0 - -π/2: prozyklischer Reallohn-π/2 – -π: antizyklischer Reallohn
„Periodisierung“:
Die wesentlichen ErgebnissePhasenwinkel BIP und
Konsumenten-lohn
BIP und Produzenten-lohn
Längere Zyklen Kürzere Zyklen Längere Zyklen Kürzere Zyklen
π/2 - π Antizyklisch; Lag-Struktur
0 – π/2 Prozyklisch; Lag-Struktur
-π/2 - 0
-π - -π/2 (unter 4 Jahre)
Wo liegen die Unterschiede?
Zeitbereich Frequenzbereich
BIP vs. Konsumentenlohn
Prozyklisch, Lag-Struktur ( etwa 6 Quartale; STSM: 11); keine signifikanten zeitgleichen Abhängigkeiten
Längere Zyklen: prozyklisch und Lag-StrukturKürzere Zyklen: antizyklisch und Lag-Struktur
BIP vs. Produzentenlohn
Prozyklisch, Lag-Struktur (5 – 7 Quartale; STSM: 10); keine signifikanten zeitgleichen Abhängigkeiten; statistisch gemischte Ergebnisse
Keine klaren Aussagen, da Ergebnisse statistisch nicht signifikant
Pro´s und con´s (1)
• Wie ist Konjunkturzyklus abgegrenzt? Welche Frequenzbänder wurden gewählt? SVR-Konzept?
• Wie sieht der „Referenzzyklus“ aus?• Konjunkturzyklen in Deutschland:– unterscheiden zwischen West und Ost (Ost praktisch
keine konjunkturellen Bewegungen)– unterschiedliche Phasen eines Zyklus; asymmetrische
Auf- und Abschwungphasen– Unterschiedliche Amplituden in den Zyklen
Pro´s und con´s (2)
• Alternative Aktivitätsvariablen: Arbeitslosenquote, Industrieproduktion, Bruttowertschöpfung (sektoral)
• Analyse „runterbrechen“ auf Sektoren / Branchen – aber immer auf privaten Sektor beschränkten (Staat und Landwirtschaft entfernen)
• Getrennt für West- und Ostdeutschland / getrennt für Zeit vor / nach der Wende
Pro´s und con´s (3)
• Lohnvariable erfasst nicht (mehr) zyklische Bewegungen (Arbeitszeitkonten, Leiharbeit anstelle von Überstunden) – weniger antizyklisch ausgeprägte Bewegungen
• Prozyklische Bewegung im Abschwung durch Kurzarbeit
• Arbeitszeit: bezahlte oder effektive Arbeitszeit (Urlaub, Krankmeldungen etc.)
Pro´s und con´s (4)
• Ist nicht wirklich der Lohn gemeint anstelle des Arbeitseinkommens?
• Was soll am Gehalt eines Buchhalters / Beamten / einer Verkäuferin / zyklisch sein?
• Nach unten starre Nominallöhne: „zyklische“ Bewegungen nur nach „oben“ möglich
• Sehr variable Zykluslängen in Deutschland
Ausblick:
• Mögliche alternative Schätzansätze: VAR-Modelle mit Impulse-Response-Funktionen sowie vergleichbare Verfahren mit Frequenz- bereich: Gain-Spektrum etc.
• separate Untersuchung beider Preisindizes, weil hierin Grund für unterschiedliche Ergebnisse liegen muss