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Kurzfassung Die Hochleistungskeramik bietet eine breite Palette von Werkstoffen an, die entsprechend ihrem spezi- fischen Eigenschaftspotenzial, an der richtigen Stelle eingesetzt, neuartige technische Lösungen realisier- bar machen. Der Beitrag stellt ausgewählte Anwen- dungsbeispiele aus der Optik, der Gießereitechnik, der mechanischen und chemischen Verfahrenstech- nik, der Hochtemperatur-und Wärmetechnik sowie der Elektrotechnik und Elektronik vor. Eingangs wird ein Überblick zu den Fortschritten in der Fertigungs- technik gegeben. 1 Einleitung In vielen Bereichen der Technik stößt man mit neuen Konzepten und bei der Prozessoptimierung oft an werkstofftechnische Grenzen. Es werden neue Anfor- derungen an Werkstoffe gestellt. Sie müssen leicht sein, in speziellen Atmosphären korrosionsbeständig, hochsteif und dauerfest, hochrein und temperaturbe- ständig und... und... Dem Ideen- und Anforderungs- reichtum von Konstrukteuren und Prozessingenieu- ren sind keine Grenzen gesetzt. Oft wird dabei ver- sucht, die Physik und die Chemie außer Kraft zu set- zen. Mit dem Einsatz von neuen Hochleistungskera- miken scheint das manchmal zu gelingen, die genaue Analyse ergibt dann, dass lediglich das Leistungsspek- trum dieser Werkstoffe deutlich über konventionelle Lösungen hinausgeht. 2 Lösungsansätze und Werkstoffe Bauteile aus Hochleistungskeramik bieten hier neuar- tige Lösungsansätze, weil sie allein, oder in Kombina- tion mit anderen Keramiken und/oder anderen Werk- stoffen eine völlig neue Strukturfunktionalität ermög- lichen. So bieten z.B. Siliciumnitridkeramiken hohes Potenzial für Anwendungen, wo neben hoher Festig- keit und Bruchzähigkeit auch hohe Verschleiß-, Kor- rosions- und Temperaturwechselbeständigkeit auch bei erhöhten Temperaturen gefordert werden. Bauteile aus solchen Werkstoffen mit erweitertem Eigenschaftsspektrum sind nun kommerziell verfüg- bar. Siliciumcarbidwerkstoffe sind vor allem bei höch- sten Temperaturen und extremen Korrosions- und Verschleißbedingungen geeignet und bieten höchste Wärmeleitfähigkeit bei kleinem Wärmeausdehnungs- koeffizienten. Sie lassen sich mit feinster Ober- flächengüte schleifen und polieren. Aluminiumoxid- keramiken sind seit Jahrzehnten an unterschiedlichs- ten Stellen im Einsatz, bei hohen Temperaturen, in der Vacuumtechnik, in der Elektrotechnik und Elek- tronik und in der medizinischen Prothetik. Auch das Zirkonoxid ist in diesem Zusammenhang zu nennen, das sich ebenfalls in der Medizintechnik, in der Schneidtechnik und im Maschinenbau wegen seiner für Keramik schon fast extremen Festigkeit und Bruchzähigkeit einen nicht mehr wegdenkbaren Anwendungsbereich eröffnet hat. Und last but not least muss hier auch das Alu miniumnitrid genannt werden, das vor allem in der Elektronik und der Elektrotechnik viele neuen Technologien und die weitere Miniaturisierung von Elektronikbauteilen erst ermöglicht hat. Eingesetzt wird AlN wegen der ausgezeichneten Wärmeleitfähig- keit, des höchsten – mit Ausnahme des giftigen Beryl- liumoxids – bei Keramiken zu realisierenden Werts. Weitere Erfolgsfaktoren sind die hohe elektrische Iso- lation und die gute Kompatibilität des Wärmeausdeh- nungskoeffizienten zu Silicium und anderen Halblei- tersubstanzen. 3 Erhöhte Komplexität und Genauigkeit Problematisch bei sehr vielen Anwendungen sind die immer komplexer werdende Geometrie der Bauteile und zusätzlich engere Toleranzforderungen. Die Her- stellung komplexer, vor allem großer Bauteile, stellt besondere Anforderungen an die Herstellungsstrate- gie und den Herstellungsprozess. Neben der Beherr- schung der Werkstofftechnik ist hier aber vor allem eine entsprechend, zuverlässige, wirtschaftliche und reproduzierbare Fertigungstechnik die Grundvoraus- setzung dafür, dass neue Ideen tatsächlich umgesetzt werden können. Dass die Zuverlässigkeit der Bauteile sicherzustellen ist, wird dabei nicht mehr diskutiert. Hervorragende Ausfallwahrscheinlichkeiten von 1:1 000 000 sind keine Seltenheit. Auch die Struktur- und sogar die Farbhomogenität der Oberfläche und des Scherbens muss für viele Anwendungen mit einer Auflösung von wenigen mm bis zu einigen μm spezi- fiziert und gesichert werden. Bei immer höheren technischen Anforderungen ist aber auch der Preis bei immer mehr potenziellen Anwendungsfeldern ein entscheidendes Einsatzkrite- rium. Deshalb muss neben der Forderung nach preis- günstigeren Rohstoffen vor allem an immer effizien- teren Fertigungstechniken und zuverlässigeren Ferti- gungsaggregaten gearbeitet werden. 4 Fortgeschrittene Fertigungstechnik 4.1 Formgebung Hier kommt bereits der effizienten, rohstoffschonen- den Formgebung eine hohe Priorität zu. cfi/Ber. DKG 82 (2005) No. 13 91 Konstruktionskeramik Komplexe Strukturen aus Hochleistungskeramik K. Berroth eingereicht: 23.06.2005, überarbeitet:01.08.2005, angenommen: 05.08.2005 Stichwörter: Hochleistungskeramik, Aluminiumoxid, Aluminiumnitrid, Siliciumcarbid, Siliciumnitrid, Zirkonoxid, komplexe Bauteile Kontakt: Dr. Karl Berroth,FCT Ingenieurkeramik GmbH, D-96528 Rauenstein, Gewerbepark 11, E-mail: [email protected]

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KurzfassungDie Hochleistungskeramik bietet eine breite Palettevon Werkstoffen an, die entsprechend ihrem spezi-fischen Eigenschaftspotenzial, an der richtigen Stelleeingesetzt, neuartige technische Lösungen realisier-bar machen. Der Beitrag stellt ausgewählte Anwen-dungsbeispiele aus der Optik, der Gießereitechnik,der mechanischen und chemischen Verfahrenstech-nik, der Hochtemperatur-und Wärmetechnik sowieder Elektrotechnik und Elektronik vor. Eingangs wirdein Überblick zu den Fortschritten in der Fertigungs-technik gegeben.

1 EinleitungIn vielen Bereichen der Technik stößt man mit neuenKonzepten und bei der Prozessoptimierung oft anwerkstofftechnische Grenzen. Es werden neue Anfor-derungen an Werkstoffe gestellt. Sie müssen leichtsein, in speziellen Atmosphären korrosionsbeständig,hochsteif und dauerfest, hochrein und temperaturbe-ständig und... und... Dem Ideen- und Anforderungs-reichtum von Konstrukteuren und Prozessingenieu-ren sind keine Grenzen gesetzt. Oft wird dabei ver-sucht, die Physik und die Chemie außer Kraft zu set-zen. Mit dem Einsatz von neuen Hochleistungskera-miken scheint das manchmal zu gelingen, die genaueAnalyse ergibt dann, dass lediglich das Leistungsspek-trum dieser Werkstoffe deutlich über konventionelleLösungen hinausgeht.

2 Lösungsansätze und WerkstoffeBauteile aus Hochleistungskeramik bieten hier neuar-tige Lösungsansätze, weil sie allein, oder in Kombina-tion mit anderen Keramiken und/oder anderen Werk-stoffen eine völlig neue Strukturfunktionalität ermög-lichen. So bieten z.B. Siliciumnitridkeramiken hohesPotenzial für Anwendungen, wo neben hoher Festig-keit und Bruchzähigkeit auch hohe Verschleiß-, Kor-rosions- und Temperaturwechselbeständigkeit auchbei erhöhten Temperaturen gefordert werden. Bauteile aus solchen Werkstoffen mit erweitertemEigenschaftsspektrum sind nun kommerziell verfüg-bar. Siliciumcarbidwerkstoffe sind vor allem bei höch-sten Temperaturen und extremen Korrosions- undVerschleißbedingungen geeignet und bieten höchsteWärmeleitfähigkeit bei kleinem Wärmeausdehnungs-koeffizienten. Sie lassen sich mit feinster Ober-flächengüte schleifen und polieren. Aluminiumoxid-keramiken sind seit Jahrzehnten an unterschiedlichs-ten Stellen im Einsatz, bei hohen Temperaturen, in

der Vacuumtechnik, in der Elektrotechnik und Elek-tronik und in der medizinischen Prothetik. Auch dasZirkonoxid ist in diesem Zusammenhang zu nennen,das sich ebenfalls in der Medizintechnik, in derSchneidtechnik und im Maschinenbau wegen seinerfür Keramik schon fast extremen Festigkeit undBruchzähigkeit einen nicht mehr wegdenkbarenAnwendungsbereich eröffnet hat. Und last but not least muss hier auch das Aluminiumnitrid genannt werden, das vor allem in derElektronik und der Elektrotechnik viele neuenTechnologien und die weitere Miniaturisierung vonElektronikbauteilen erst ermöglicht hat. Eingesetztwird AlN wegen der ausgezeichneten Wärmeleitfähig-keit, des höchsten – mit Ausnahme des giftigen Beryl-liumoxids – bei Keramiken zu realisierenden Werts.Weitere Erfolgsfaktoren sind die hohe elektrische Iso-lation und die gute Kompatibilität des Wärmeausdeh-nungskoeffizienten zu Silicium und anderen Halblei-tersubstanzen.

3 Erhöhte Komplexität und GenauigkeitProblematisch bei sehr vielen Anwendungen sind dieimmer komplexer werdende Geometrie der Bauteileund zusätzlich engere Toleranzforderungen. Die Her-stellung komplexer, vor allem großer Bauteile, stelltbesondere Anforderungen an die Herstellungsstrate-gie und den Herstellungsprozess. Neben der Beherr-schung der Werkstofftechnik ist hier aber vor allemeine entsprechend, zuverlässige, wirtschaftliche undreproduzierbare Fertigungstechnik die Grundvoraus-setzung dafür, dass neue Ideen tatsächlich umgesetztwerden können. Dass die Zuverlässigkeit der Bauteilesicherzustellen ist, wird dabei nicht mehr diskutiert.Hervorragende Ausfallwahrscheinlichkeiten von 1:1 000 000 sind keine Seltenheit. Auch die Struktur-und sogar die Farbhomogenität der Oberfläche unddes Scherbens muss für viele Anwendungen mit einerAuflösung von wenigen mm bis zu einigen µm spezi-fiziert und gesichert werden.Bei immer höheren technischen Anforderungen istaber auch der Preis bei immer mehr potenziellenAnwendungsfeldern ein entscheidendes Einsatzkrite-rium. Deshalb muss neben der Forderung nach preis-günstigeren Rohstoffen vor allem an immer effizien-teren Fertigungstechniken und zuverlässigeren Ferti-gungsaggregaten gearbeitet werden.

4 Fortgeschrittene Fertigungstechnik

4.1 FormgebungHier kommt bereits der effizienten, rohstoffschonen-den Formgebung eine hohe Priorität zu.

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Konstruktionskeramik

Komplexe Strukturen ausHochleistungskeramik K. Berrotheingereicht: 23.06.2005, überarbeitet:01.08.2005, angenommen: 05.08.2005

Stichwörter: Hochleistungskeramik, Aluminiumoxid, Aluminiumnitrid, Siliciumcarbid, Siliciumnitrid, Zirkonoxid, komplexe Bauteile

Kontakt: Dr. Karl Berroth,FCT Ingenieurkeramik GmbH, D-96528Rauenstein, Gewerbepark 11, E-mail: [email protected]

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An vielen Stellen wird an solchen neuen Technikengeforscht und gearbeitet, wobei unterschiedlicheWerkstoffe auch unterschiedliche Verfahren undKonzepte erfordern. Das Arbeiten mit Laser ist z. B. nicht bei allen Werkstoffen und Operationengleichermaßen angebracht und geeignet. Wegen sei-ner hohen Temperaturwechselbeständigkeit kannSi3N4 z.B. sehr gut bearbeitet werden, andererseitsnutzt man beim Bearbeiten von Substraten aus Al2O3dessen Thermoschockempfindlichkeit, um durchErzeugen und Weitertreiben von Mikrorissen eine Materialtrennung zu erreichen. SiC- und AlN-Keramiken lassen sich wegen der hohen Wärmeleit-fähigkeit nicht oder nur sehr bedingt mit dem Laserbearbeiten.

5 Prototypen als „door opener“Realisierte Anwendungen im Prototypenmaßstab bie-ten meist deutliche technologische Vorteile. Oft ver-hindert oder verzögert der Preis solcher Lösungen undmangelnde Bekanntheit entsprechender Werkstoffeund Verfügbarkeiten deren Einführung auf breitererFront.Im weiteren werden Produkt- und Prozessinnovatio-nen und Anwendungen vorgestellt, wo derzeit mitPrototypen neuartige Technologien erprobt werdenbzw. wo die Fertigung und Verfügbarkeit zum stan-dardmäßigen Serieneinsatz solcher Komponentengeführt hat und die Wirtschaftlichkeit nachgewiesenist.

6 Produktinnovation: ultraleicht, hochsteif, dauerfest

6.1 Anwendungen in der OptikFür ein innovatives Kamerakonzept der Fa. Carl ZeissOptronics GmbH sind für das Gehäuse und die dazu-gehörige Präzisions-Geräteträgerplattform hohe Stei-figkeit, Dauerfestigkeit, kleinste Wärmeausdehnung,Ermüdungsfreiheit und gute Wärmeleitfähigkeit beigeringstem Gewicht gefordert. Wegen hoher mechanischer Belastung bei Start undLandung der damit ausgestatteten Flugzeuge kanndieses System nur durch Verwendung von Si3N4-Kera-mik realisiert werden.Es mussten große und sehr komplexe Bauteile mitunterschiedlichsten Wandstärken in hoher Präzisionwirtschaftlich, d.h. mit möglichst wenig Bearbei-tungsaufwand nach dem Sintern, gefertigt werden.Bei FCT Ingenieurkeramik wurde eine auf CAD-CAMbasierende, im Leichtbau übliche Technik auf dieKeramik übertragen. Aus einem rohr- oder blockför-migen Halbzeug wird durch Zerspanung mit CNC-Dreh- und Fräsmaschinen das feinteilige, komplexgeformte Bauteil herausgearbeitet. Während man im Bereich der Metallverarbeitung diesmit einem gegossenen oder geschmiedeten Block tutund das Bauteil nach der Bearbeitung fertig ist, mussdie Bearbeitung der Keramik unter Berücksichtigungder Schwindung beim Sintern (ca. 20 %) sowie deserforderlichen Schleifaufmaßes auf bestimmtenFlächen im Grünzustand erfolgen.Um sicherzustellen, dass nur wenige Funktions-flächen nach dem Sintern durch aufwändiges Schlei-fen bearbeitet werden müssen, sollte der gesamte Fer-tigungsprozess vom Pulver zum Bauteil so abgesichert

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Es wird zwar an vielen Techniken gearbeitet, aber alswesentliche Technologien sind immer noch die eherkonventionellen im industriellen Einsatz. Bei vielen,mechanisch hoch beanspruchten Bauteilen wird einPressgranulat kaltisostatisch oder uniaxial verdichtet,wobei die gewünschte Endkontur nahezu – oder beimTrockenpressen direkt – erreicht wird. Aus diesen Vor-körpern wird durch Zerspanung dann der Grünkörpererstellt. Neben klassischen Methoden, wie DrehenFräsen und Bohren – heutzutage typischerweise mitNC -gesteuerten Maschinen und der CAD-CAM- Tech-nik - kommen aber auch neue Techniken wie das Was-serstrahlschneiden zum Einsatz.Auch das Schlickergießen mit und ohne Nachbearbei-tung im Grünzustand hat einen festen Platz in derHochleistungskeramik. Es ist das Verfahren der Wahl,wenn Bauteile mit hoher Komplexität und Größe inkleineren und mittleren Serien und etwas gröberenToleranzen zu fertigen sind. Das Extrudieren ist für dieFertigung von Stangen, Rohren, Profilen und für Kata-lysatorträger und Dieselrußfilter eingeführt und wirdserienfähig angewendet.Spritzguss- und Folientechnik sind inzwischen als Fer-tigungstechniken für Massenprodukte etabliert,wobei hier nach wie vor eher nur kleine, geometrischeinfachere Bauteile gefertigt werden. Es gibt allerdingsinteressante Ansätze zur Herstellung von komplexenStrukturen durch Laminieren oder Verkleben von ausFolien geschnittenen oder gestanzten Laminatstruk-turen.

4.2 Trocknung und SinternAuch für die Bauteiltrocknung und Sinterung müssenvor allem energieeffiziente Verfahren und Aggregatezum Einsatz kommen. Während sich in anderenBereichen der Keramik kontinuierliche Prozesse undentsprechende Aggregate bereits auf breiter Frontdurchgesetzt haben, wird Hochleistungskeramikmeist noch in diskontinuierlich arbeitenden Sinter-aggregaten gesintert. Dies ist zum einen auf die sehr hohen Temperaturen und zum anderen auf komplexe Gestaltung der Gasatmosphäre zurückzu-führen. Es gibt aber auch hier Ansätze zu kontinuier-lichen Prozessen. Vereinzelt werden Aggregate bereitsfür die Produktion eingesetzt, an anderen Stellen lau-fen Prototypen, und für höchste Drücke und Tempe-raturen wird an neuartiger Anlagentechnik ent-wickelt.

4.3 NachbearbeitungAufgrund der hohen Komplexität und der häufigenForderung nach engen Toleranzen ist eine aufwändi-ge Nachbearbeitung oft unumgänglich. Auch hiersind neben dem Schleifen, Läppen, Polieren, Bohrenund Trennen neue Bearbeitungsmethoden und -stra-tegien entwickelt worden und stehen vor der Anwen-dungsreife. Als Verfahren sind vor allem das Schnei-den und Bohren zu nennen aber auch das laserunter-stützte Drehen und Fräsen. Auch das ultraschallunterstützte Bohren und Schlei-fen bringt, bei richtiger Anwendung, sehr große Vor-teile bezüglich der Geschwindigkeit, der Ober-flächengüte und der Genauigkeit. Zudem ist diese Artder Bearbeitung besonders geeignet, um spannungs-arme Oberflächen zu erzeugen. Bei allen Verfahrensteht eine hohe Bearbeitungseffizienz und Ober-flächengüte im Vordergrund.

Konstruktionskeramik

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sein, dass die Formänderung durch Schwindung undVerzug beim Sintern mit +/- 0,2 % einzuhalten war.Dies bedeutet eine gegenüber der konventionellenTechnik erhöhte Genauigkeit um fast eine Größenord-nung.Neben einer ausgefeilten Bearbeitungstechnik im grü-nen und gebrannten Zustand muss eine Sintertechnikauf höchstem Niveau verfügbar sein, um solche Bautei-le verzugs- und rissfrei aus dem Sinterofen zu bekom-men.Die gesamte Kamera wurde aus mehreren Si3N4-Kom-ponenten und einem hochkomplexen Al2O3-Bauteil –in unterschiedlicher Technik hergestellt (Bild 1 a,b) – zusammen mit einem Glaskeramikspiegel, IR-Lin-sensystem und unterschiedlichen Metallanbauten zueiner hochkomplexen Einheit zusammengefügt.Zudem werden noch Optiken und Messsensoren aufund an der Keramikstruktur integriert und verleihender Gesamtapparatur eine noch höhere Komplexitätund Funktionalität auf engstem Raum.

6.2 Werkstoff- und BauteilprüftechnikLebensdauerprüfungen mit relevanten Lastwechsel-zahlen an dynamisch belasteten Maschinenkompo-nenten müssen möglichst schnell gehen. Um dieswirtschaftlich zu realisieren, werden Prüfgeräte mitimmer höheren Prüffrequenzen gebaut. Dafür werdendauerfeste Werkstoffe und Bauteile mit wenig Masseund hohem E-Modul benötigt. Auch hier ist Si3N4-Keramik sehr gut geeignet. Zusammen mit der Fa.TIRA wurden neuartige Prüfköpfe für Dauerschwing-prüfmaschinen entwickelt und gebaut, die Alumini-um, Magnesium und Stahl ersetzen und das Leis-tungsspektrum der Prüfmaschinen deutlich ausgewei-tet haben (Bild 2). Auch hier war es notwendig, hochkomplexe Struktu-ren mit unterschiedlicher Wandstärke bis in denBereich unter 1 mm durch Grünbearbeitung herzu-stellen. Wegen der hohen Toleranzforderungen mus-sten viele Funktionsflächen nach der Sinterung nochgeschliffen werden, wobei Wandstärken von 0,3 mmin Teilbereichen gefordert sind. Da wird dann auchSi3N4 schon durchscheinend und entsprechend emp-findlich.

7 Prozessinnovation: korrosions- und verschleißbeständig

7.1 Aluminium-Giessereitechnik7.1.1 Tauchheizrohre und Steigrohre beim Niederdruckguss von Aluminium

In der Aluminium-Gießereitechnik sind korro-sionsfeste Werkstoffe gefragt, die in flüssigem, hoch-legiertem Aluminium über lange Zeiträume beständigsind. Thermoelementschutzrohre sowie Steigrohreund Gießdüsen sind Stand der Technik, bzw. dabei, eszu werden. Zum Warmhalten von Aluminiumschmelze werdenheute neuartige Tauchheizelemente (Bild 3) verwen-det, die entweder elektrisch, über Widerstände odermit Gasbrenner beheizt, die Energie direkt in dieSchmelze einkoppeln. Zum Standard durchsetzenkonnten sich solche Elemente wegen der äußersthohen Korrosionsbeständigkeit des gasdruckgesinter-ten Si3N4, die Standzeiten von mehreren Monatengewährleisten jedoch eine intensive Schulung derGiessereimitarbeiter im Umgang damit voraussetzt.Außerdem überzeugt die hohe Energieeffizienz dieserTauchheizelemente, denn konventionell wird miteinem Gasbrenner auf die Oberfläche der Schmelzegefeuert. Welcher Wirkungsgrad mit dieser Technikerreicht wird, kann sich jeder vorstellen. Die effizien-te Fertigung solcher Bauteile durch Schlickergussführt zu einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit.

Bild 1a, bGehäusestruktur fürOptiken (a), IR-Kamera bei derMontage (b)

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Bild 2Kalibrierschwinger-kopf (25 kHz),dünnste Wandstärkeca. 0,3 mm

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Hier wurde neben der Korrosionsbeständigkeit auchdie Hochtemperaturfestigkeit genutzt. Für die Verbin-dung von Kolben und Kolbenstange über eine Kol-beneinbauplatte wurde ein „elastischer“ Seegerringaus Si3N4 eingesetzt. Er lässt eine ausreichende Verfor-mung zum Einbau zu und gewährleistet auch beihoher Temperatur eine sichere, aber lösbare Verbin-dung. Auch Kolbenringe für die Abdichtung des Kol-bens im Zylinder wurden aus einer speziellen Si3N4-Qualität hergestellt.

7.2 Metallumformung und WalzwerkstechnikFür die Automobilindustrie werden zunehmend Kom-ponenten durch Umformprozesse hergestellt. Werk-zeuge dafür müssen hohe Standzeiten bringen undmöglichst schnelle Zykluszeiten erlauben, um denProzess wirtschaftlich und zuverlässig zu gestalten.Beim Streckwalzen von Stahlfelgen mit einem neuenVerfahren der Fa. LEICO hat die Einführung von Si3N4-Streckwalzwerkzeugen dazu geführt, dass die Zyklus-zeit gegenüber Stahl- und Hartmetallwalzen um ca. 35 % reduziert wurde (Bild 6). Damit konnte der inno-vative Streckwalzmaschinenhersteller anbieten, dieFertigung der gewünschten Felgenzahl beim Räder-hersteller mit nur drei Maschinen zu schaffen,während der Mitbewerber vier Maschinen benötigte.

Bild 3Tauchheizelementein einer Filterbox

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Ähnlich positive Effektelassen sich mit Steigroh-ren im Niederdruckguss(Bild 4) von Motorenbau-teilen erreichen. DieStandzeiten konntengegenüber herkömmli-chen Stahlrohren um dasca. 20-fache und gegenü-ber Aluminiumtitanatum das 5-fache erhöhtwerden. Gleichzeitigkann auf aufwändiges Be-schlichten verzichtet wer-den, und zusätzlich wirddie Kontamination mitEisen durch Korrosion anStahlrohren reduziert.

7.1.2 Schmelzepumpe

Für eine weitere Verbesserung der Wirtschaftlichkeitund Abformtreue, vor allem bei feinststrukturiertenGussbauteilen, sind Flüssigmetallpumpen mit hoherDosiergenauigkeit gefragt. Eine neuartige, patentierte Pumpe (Bild 5) der MAU-CHER AG, die eingetaucht im Schmelzetiegel dieAluminiumschmelze kontaminationsfrei mit einemDruck bis ca. 10 bar und mit einer Dosiergenauigkeitvon +/- 0,1 % in die Form pumpt, konnte aus Si3N4 mitder bei FCT Ingenieurkeramik entwickelten und ver-fügbaren Werkstoff- und Fertigungstechnik realisiertwerden. Sie wird zwischenzeitlich erfolgreich erprobt.

Konstruktionskeramik

Bild 5Funktionsprinzip-skizze und Keramik-bauteile der Schmelzepumpe

Bild 6 Streckwalzrolle, keramischer Walzring und montiertesWerkzeug, gewalzte Felgen

Bild 4Steigrohre für ND-Guss

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Deshalb war klar, wer den Zuschlag bekam. Zudemwurde die Standzeit der Walzwerkzeuge auf das 1,5-fache der Metallwerkzeuge erhöht und durch höhereKaltverfestigung konnte die Materialstärke und damitdas Felgengewicht um ca. 1 kg reduziert werden.Machbar ist dies wegen der hohen Härte und Ver-schleißbeständigkeit des Keramikwerkstoffs und des-sen ausgezeichneter Temperaturwechselbeständig-keit, die die Walzradienzerrüttung durch thermome-chanisch induzierte Wärmespannungsrissbildungverhindert. Neben Bauteilen für Walzprozesse werden zuneh-mend auch Verschleißbauteile im Walzwerk, wieUmlenkrollen, Einführungsrollen und –ösen undandere Draht- und Bandführungselemente aus Si3N4-Keramik gefertigt. Auch beim Schweißen von Rohrenund Profilen wird wegen hoher Stanzeit der Kaliberund damit einhergehender anhaltender Präzision Siliciumnitrid wirtschaftlich eingesetz (Bild 7). Beianderen Umformprozessen wie beim Tiefziehen undThixoschmieden sind derzeit Formeinsätze und Werk-zeuge in Erprobung, die aus unterschiedlichen, aufSi3N4-basierenden Keramikwerkstoffen gefertigt wur-den. Es wurden hierschon deutliche Standzeiter-höhungen bis zum 20-fachen bzw. von Tagen aufMonate erreicht. Als weiterer positiver Aspekt wird dieVerbesserung der Produktqualität angesehen, da dasWalzgut nicht mehr mit Stahl- oder Hartmetallabriebkontaminiert wird.

7.3 Mechanische und chemische VerfahrenstechnikZerkleinern und Homogenisieren ist ein zunehmendwichtiger Prozess in der chemischen Verfahrenstech-nik, da hier mit immer feiner dispergierten Stoffsyste-men chemische Prozesse effizienter und energiespa-render geführt werden können. Viele Prozesse undchemische Reaktionen sind erst möglich, wenn eineKornfeinheit im sub-µm- oder gar nm-Bereich erreichtwird. Oft müssen auch kleinste Anteile einer Substanzmit höchster Homogenität in einer anderen verteiltwerden. Für solche Prozesse wurden hocheffizienteAttritormühlen und Kalanderwalzwerke entwickelt.Damit das empfindliche Mahlgut nicht erwärmt undkontaminiert wird, muss eine hohe Wärmeleitfähig-keit bei höchstmöglicher Korrosions- und Verschleiß-beständigkeit bei den Konstruktionswerkstoffen fürsolche Aggregate gewährleistet sein. Hier haben sichvor allem SiC-Werkstoffe durchgesetzt. Es ist heutemöglich, Bauteile aus gesintertem SiC zu fertigen mit

Durchmessern bis 400 mm und Längen bis 1200 mm.Aber auch Al2O3, ZrO2 und Si3N4 kommt hier zum Ein-satz. Typische Bauteile sind geometrisch eher einfach(Bilder 9,10). So werden zylindrische Rohre als Walz-mäntel für Kalanderwalzwerke oder Auskleidungen inAttritoren eingesetzt. Plattenförmige Bauteile sind alsBacken für Brecher im Einsatz. Es gibt aber auch geometrisch sehr anspruchsvolleBauteile, die mit Toleranzen im µm-Bereich bearbeitetwerden müssen. Ein Beispiel dafür ist ein Spritzgus-swerkzeug (Bild 8), das, je nach Art der gewähltenKeramik eine sehr schnelle oder eine sehr langsameAbkühlung des Spritzteils ermöglicht. Zudem kannmit keramischen Werkzeugeinsätzen eine katalytischeReaktion verhindert werden, die mit speziellen Poly-meren im Kontakt mit Metall erfolgt und die Eigen-schaften des gespritzten Teils negativ beeinflusst.

7.4 Hochtemperatur- und WärmetechnikEin sehr weites Feld hat sich der Keramik von jehererschlossen: die Hochtemperaturtechnik. Hier hat dieKeramik seit alters her wesentliche Vorteile gegenüberanderen Werkstoffen. Sie hält wesentlich höherenTemperaturen sowohl mechanisch als auch chemischstand. Deshalb hat sich auch eine eigene Sparte ent-wickelt, die Feuerfestkeramik. Während bis vor ca. 30Jahren hier vor allem oxidische und silicatische Werk-stoffsysteme eingesetzt und erforscht wurden, kam inden 70er Jahren eine systematische Erforschung vonnichtoxidischen, dichten, hochtemperaturfestenWerkstoffen dazu. Insbesondere im Zusammenhangmit der Entwicklung einer vollkeramischen Gasturbi-ne wurden dichte, hochfeste, kriech- und korrosions-feste Werkstoffe auf der Basis von SiC und Si3N4 sowie

Bild 8Spritzgusswerkzeugaus SSiC

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Konstruktionskeramik

Bild 7 Schweißkaliberrolle aus Si3N4

Bild 9 (links)Siebplatte aus Si3N4

Bild 10 (rechts)Mahlkonus aus SSiC

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wahrscheinlichkeit der SiSiC-Keramik im Ofenbau sonicht umsetzen lassen.

8. Produktinnovationen:hochfest, isolierend, wärmeleitend8.1 Elektrotechnik und Elektronik8.1.1 Wärmesenken

In der Elektrotechnik und Elektronik gibt es zweiTrends. Der volumenmäßig wichtigere geht zu immerkleineren Bauteilen und damit zu immer höheren Lei-stungsdichten. Viele Geräte müssen deshalb effizientgekühlt werden. Da aber meist gleichzeitig noch einegute elektrische Isolation gewährleistet sein muss,sind konventionelle Keramiken hier nicht mehr zugebrauchen. Aufgrund seines dafür geradezu geschaf-fenen Eigenschaftsspektrums hat sich hier das AlNeinen nicht mehr wegzudenkenden Markt geschaffen.Neben dem Einsatz von Substraten und Gehäusen miteinfacher Geometrie haben sich auch Kombinations-elemente mit hochkomplexen Wärmetauscherstruk-turen und integrierten Kontaktflächen sowie Bauele-menten in der Leistungselektrik und -elektronikdurchgesetzt. Neben der Fertigung von entsprechen-den Keramikkomponenten muss hier noch eine ent-sprechende Verbindungstechnik zur Anbindung derKeramikkühlelemente an Gehäuse, Kühlmedienkreiseund an elektrische Kontakte bereitgestellt werden.Hier werden unterschiedliche Techniken wie KlebenLöten und Spannen eingesetzt.Ein breit gefächertes Anwendungsspektrum wurdezwischenzeitlich erarbeitet, das neben der Prototy-pen- und Kleinserienfertigung auch schon Großseri-enprodukte erreicht hat. Neben der Bahntechnik sindinzwischen auch Einsätze im Bereich der Windener-

Bild 11 (links)Mantelstrahlrohre,Brennerdüsen undRekuperatoren ausSiSiC

Bild 12 (rechts)Spezialbrenn-hilfmittel aus SSiC

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entsprechende Fertigungstechniken und -aggregateentwickelt.Das wohl weiteste Feld für diese Werkstoffe wurde inder Wärmetechnik erschlossen.Brennerdüsen, komplexe Wärmetauscherstrukturenund großformatige Flamm- und Mantelstrahlrohre fürenergieeffiziente Rekuperatorbrenner und Mantel-strahlheizelemente sind dort heute nicht mehr weg-zudenken (Bild 11). Sie leisten heute einen volkswirt-schaftlich wichtigen Beitrag zur Energieeinsparungund zur Vermeidung von CO2-Ausstoß.Brennhilfsmittel, wie Balken, Rollen und Platten aussiliciuminfiltriertem SiC (SiSiC) haben dafür gesorgt,dass sich in weiten Bereichen der Keramikindustrie(Baukeramik, Fliesen, Sanitär und Porzellan) derAnteil der Brennhilfsmittelmasse am zu erwärmendenGut deutlich reduziert hat. Noch weiter reduzierenlässt sich dieses Verhältnis mit Spezialbrennhilfsmit-teln (Bild 12) aus SSiC. Damit konnten auch hier dieBesatzdichte der Energieeinsatz und der CO2-Ausstoßsehr deutlich verringert werden. Auch die Standzeitender Brennhilfsmittel wurden sehr stark erhöht, weileine wesentlich bessere Korrosionsbeständigkeitdurch den dichten Scherben erreicht wird. DieseBrennhilfsmittel können bei noch höheren Tempera-turen eingesetzt werden als SiSiC. Hier scheint aberdas Preis/Leistungsverhältnis den Einsatz auf Spezia-litäten der Technischen Keramik zu begrenzen undeine breite Anwendung noch zu verhindern.Als Beispiel, welcher Komplexitätsgrad mit derSchlickergusstechnik erreicht werden kann, ist amBeispiel der Studie eines Heißgaslüfters (Bild 13) inModulbauweise gezeigt. Wenn die Bauteile um einenFaktor 10 kleiner wären, könnten oder müssten sie inSpritzgusstechnik hergestellt werden. Leider hat sichdiese Art der Lüfterräder wegen der hohen Ausfall-

Konstruktionskeramik

Bild 13Heißgaslüfterrad inModulbauweise ausSiSiC-Segmenten

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gieanlagen erschlossen. In der Automobilindustriegibt es Potenzial für Großserien.

8.1.2 Isolatoren

Technologisch Anspruchsvolleres geht zu großforma-tigen, komplexen und mechanisch und elektrischhoch belasteten Komponenten in der Hochspan-nungstechnik und Teilchenphysik. Hier müssenmechanisch hochfeste und für höchste Spannungendurchschlagfeste, hochvakuumtaugliche Großisolato-ren verfügbar gemacht werden (Bild 16).Im Rahmen eines internationalen Forschungsverbun-des wird am Forschungszentrum Karlsruhe gegenwärtigein elektrostatisches Neutrinospektrometer installiert,für das zahlreiche elektrisch isolierte Bauteile not-wendig sind. Auch der 300 Tonnen schwere Vakuum-tank muss durch Keramik-Isolatoren für eine Hoch-spannung von 150 kV isoliert werden. Der größte undkomplexeste Isolationskörper aus hochreinem, dich-tem Al2O3 mit ca. 350 mm Durchmesser und einemGewicht von 50 kg musste mit einer mechanisch sta-bilen und UHV-geeigneten Metall-Keramik-Verbin-dung in die Anlage eingebaut werden. Dabei musstendie Ausdehnungsunterschiede der verschiedenenMaterialen Aluminiumoxid, Nickeleisen und Titandurch konstruktive Maßnahmen kompensiert wer-den.

8.1.3 Träger für die Waferbehandlung

Neben Substraten, Gehäusen für gedruckte Schaltun-gen (die weitestgehend aus Al2O3-Keramiken gefertigtwerden) und Wärmesenken aus AlN, werden aberauch zunehmend Strukturbauteile für die Waferferti-gung und deren Wärmebehandlung benötigt.Hier muss der Wärmeausdehnungskoeffizient zum Sipassen, der Werkstoff soll eine möglichst hohe Festig-keit und Steifigkeit aufweisen, und er muss höchsteReinheit und Homogenität bezüglich seiner Mikro-struktur und Farbe aufweisen.Hier bieten sich wiederum SiC und Si3N4 als Keramik-werkstoffe an. Dabei gibt es unterschiedliche Anfor-derungen. Bei Hochtemperaturprozessen, wo die Wär-meleitfähigkeit und die bessere Korrosionsbeständig-keit eine wesentliche Rolle spielen, wird eher das SSiCbevorzugt, wenn es auf zuverlässige Mechanikankommt, das Si3N4. Für die mechanische Bearbei-tung des 1 mm dünnen Wafers werden z.B. Scheibenaus Si3N4 mit 350 mm Durchmesser (Bild 17) als Trä-ger verwendet, die mit höchster Ebenheit und Ober-

flächengüte gewährleisten müssen, dass der Wafer(300 mm) eben bleibt und keinen noch so kleinenKratzer durch Poren, Riefen und Partikel erhält. FürHochtemperaturätz- und Diffusionsprozesse müssenSubstrate und Halterungen äußerst korrosionsbestän-dig sein und eine hohe Wärmeleitfähigkeit aufweist,um lange Standzeiten und homogene Temperaturver-teilung über das gesamte Bauteil zu gewährleisten.In diesem Geschäftsbereich ist es besonders schwierig,Fuß zu fassen, weil dort meist Reinheiten im ppm-und ppb-Bereich auch für Fertigungshilfsmittel gefor-dert werden, die mit am Markt erhältlichen Rohstof-

Bild 14 (links)PINFIN-Kühler fürauf Kupfer montier-te Leistungshalblei-ter für Windkraftan-lagen

Bild 15 (rechts)AlN-Kühler mit Kup-ferleiterbahnen zurMontage von IGBT-Halbleitern

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Konstruktionskeramik

Bild 16Messelektrodeniso-lator aus Al2O3 fürNeutrinospektro-meter, gefügt mit 500 mm Stahl-flansch zur Anbin-dung an die Anlage

Bild 17 Substratscheibe für Waferbearbeitung

Page 8: Komplexe Strukturen aus Hochleistungskeramik - fcti.de · sein, dass die Formänderung durch Schwindung und Verzug beim Sintern mit +/- 0,2 % einzuhalten war. Dies bedeutet eine gegenüber

9 AusblickHochleistungskeramik bietet eine breite Palette vonWerkstoffen an, die entsprechend ihrem spezifischenEigenschaftspotenzial, an der richtigen Stelle eingesetztermöglichen, neuartige technische Lösungen umzuset-zen und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Anwenderdeutlich zu stärken. Neben den oxidischen Werkstoffenwie Al2O3 und ZrO2 sind vor allem auch nichtoxidischeKeramiken und neuartige Komposite für strukturelleAnwendungen in unterschiedlichsten Bereichen derTechnik heute nicht mehr wegzudenken. Da sich FCT mit Nichtoxidkeramik befasst, ist dieserBeitrag evtl. etwas SiC- und Si3N4-lastig. Um aber aktu-elle Beispiele zu zeigen, kann im wesentlichen nur aufBauteile aus Eigenfertigung zurückgegriffen werden.Sicher gibt es auch hervorragende Beispiele aus Oxid-keramik, aber hier sind oft – wie auch bei FCT – Ver-öffentlichungssperren des Kunden verfügt, da sonstneueste Technologien zu früh publik gemacht werdenkönnten. Zum anderen geben uns unsere Mitbewer-ber selten Einblick in die aktuell laufende Fertigungvon anspruchsvollen Komponenten. Die spektakulär-sten und komplexesten Strukturen, an denen heutebei uns Keramikherstellern geforscht und gearbeitetwird, müssen deshalb leider unerwähnt bleiben.Mit SiC- und Si3N4-Keramikwerkstoffen und der ent-sprechenden Fertigungstechnik sind Bauteile auseiner Werkstoffklasse kommerziell verfügbar, die, wieandere Hochleistungskeramiken auch, spezielle Pro-dukt- und Prozessinnovationen erlauben und damitneuartige Geräte, Anlagen und Prozesse erst möglichmachen. Die Keramikbranche leistet damit aucheinen wesentlichen Beitrag zur Sicherstellung derInnovationsfähigkeit der deutschen Industrie iminternationalen Wettbewerb. Das Potenzial ist nochnicht ausgeschöpft, und es werden fast täglich neueReferenzen geschaffen. Zudem wird bei der FCT Inge-nieurkeramik GmbH wie auch bei anderen Keramikan-bietern systematisch an der Werkstoff- und Verfah-renstechnik weiter geforscht und entwickelt, um neueEigenschaftskombinationen, höhere Zuverlässigkeitund wirtschaftlichere Bauteile zum erweitertenAnwendernutzen in der industriellen Praxis umsetzenzu können.

DankBedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei denFirmen: AnCeram, Carl Zeiss Optronics, Drache Umwelt-technik, Friatec, Leico, Maucher, Schunk Ingenieurkera-mik, Silca und Tira für die Freigabe des verwendetenBildmaterials.

Bild 18 Kanalsetter für Multilayersubstrate

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fen ohne Vorbehandlung nicht erreicht werden kön-nen. Es muss neben der eigentlichen Fertigung einezusätzliche Reinigung von Pulvern und Produktenbereit- und sichergestellt werden.

8.1.4 Setterplatten für Multilayersubstrate

Für das Sintern von LTCC-Multilayersubstraten wer-den Brennhilfsmittel aus rekristallisiertem Silicium-carbid (RSiC) verwendet.Das RSiC ist dabei auf eine definierte Permeabilität ein-gestellt. Sie sind mit einer Ebenheit < 0,02 mm undeiner Parallelität von < 0,02 mm auf feinste Ober-flächengüte bearbeitet. Damit wird erreicht, dass dieSubstrate nach dem Sintern eine entsprechende Eben-heit aufweisen und frei von Oberflächenstrukturensind.Durch den Aufbau der Platten (Bild 18) können Heiz-gase durch die Kanäle bzw. Hohlräume zwischen denAuflageflächen geleitet werden, was zu einer sehrgleichmäßigen Erwärmung über die gesamte nutzba-re Chargierfläche führt.Crack- und Schwelgase, die sich beim Erwärmen ausden organischen Bindemitteln der grünen Keramikfo-lien bilden, können durch die im RSiC vorhandenePorosität in die Hohlräume entweichen und von dortmit den Heizgasen über einen Gaswäscher oder einethermische Nachverbrennung (TNV) abgeführt wer-den. Die kompakte Bauform der Brennhilfsmittelerlaubt eine sehr hohe Besatzdichte im Ofen. Stapelbis zu 100 Lagen wurden realisiert.Die Größe der Setter wird dabei auf die Anlagengrößebzw. auf die Substratgröße angepasst.

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