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ÖKONOMEN ERWARTEN AB 2021 EINEN KRÄFTIGEREN AUFSCHWUNG Geplante Strukturreformen werden keine kurzfristige Wirkung entfalten Edition 29 Freitag, 26. Juli 2019 Infrastruktur Wirtschaft Statistik Regierung plant neue Regeln für Infrastrukturkonzessionen, um Investoren anzulocken Weniger Risiken und mehr Rechte für private Geldgeber Tarcísio Freitas erwartet Investitionen von R$ 208 Mrd. in Brasiliens Infrastruktur Mit einem umfassenden Konzessionsprogramm soll die Privatinitiative zunehmend beteiligt werden Die Revolution der digitalen Banken Es herrschen allerdings Zweifel, ob es langfristig einen Markt für alle geben wird Tabellen Statistik Oberstes Arbeitsgericht (TST) bekräftigt die neue Rechtslage nach der Arbeitsreform Finanzwelt Politik Nach verlorener Arbeitsklage kommt Arbeitnehmer für einen Teil der Anwaltskosten auf Wirtschaft Rentenreform wird keine sofortige Investitionswelle auslösen Aber immerhin dürfte die Zuversicht der Unternehmer steigen

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ÖKONOMEN ERWARTEN AB 2021 EINEN KRÄFTIGEREN

AUFSCHWUNG

Geplante Strukturreformen werden keine kurzfristige Wirkung entfalten

Edition 29 Freitag, 26. Juli 2019

Infrastruktur

Wirtschaft

Statistik

Regierung plant neue Regeln für Infrastrukturkonzessionen, um Investoren

anzulocken

Weniger Risiken und mehr Rechte für private Geldgeber

Tarcísio Freitas erwartet Investitionen von R$ 208 Mrd. in Brasiliens Infrastruktur

Mit einem umfassenden Konzessionsprogramm soll die Privatinitiative zunehmend

beteiligt werden

Die Revolution der digitalen Banken

Es herrschen allerdings Zweifel, ob es langfristig einen Markt für alle geben wird

Tabellen

Statistik

Oberstes Arbeitsgericht (TST) bekräftigt die neue Rechtslage nach der Arbeitsreform

Finanzwelt

Politik

Nach verlorener Arbeitsklage kommt Arbeitnehmer für einen Teil der Anwaltskosten auf

Wirtschaft

Rentenreform wird keine sofortige Investitionswelle auslösen

Aber immerhin dürfte die Zuversicht der Unternehmer steigen

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Ökonomen erwarten ab 2021 einen kräftigeren Aufschwung

Die Chancen, dass die Rentenreform bis September vom brasilianischen Kongress

verabschiedet wird, sind deutlich gestiegen. Dies dürfte die Konjunktur jedoch kaum

beleben. Die meisten von Valor Econômico befragten Volkswirte erwarten keine

kurzfristigen Effekte durch die Reform. Das Beratungsunternehmen MB Associados

rechnet mit einem Wirtschaftswachstum von 0,9% in diesem Jahr. Die Itaú Bank

erwartet ein Plus des BIP von 0,8% in 2019 und 1,7% im nächsten Jahr.

Aus Sicht von Zeina Latif, Chefökonomin des Vermögensverwalters XP Investimentos,

gibt es keine Instrumente, mit der die Regierung das Wachstum kurzfristig

beschleunigen könnte. Die geplanten Strukturreformen werden Frau Latif zufolge erst

langfristig ihre Wirkung entfalten: „Alle Diskussionen, die wir führen, wie zum Bespiel

über die Steuerreform, haben einen langen Weg vor sich, bis sie im Kongress

verabschiedet werden und sich auf die Wirtschaft auswirken.“ Hinzu komme, so Frau

Latif, dass das Wachstumspotenzial der Wirtschaft aktuell nur bei 1% bis 1,5% pro Jahr

liege. „Es gab zu viele Jahre lang falsche Entscheidungen in der Wirtschaftspolitik und

Fehlallokation von Mitteln. […] Dazu hat die langwierige Krise das Potenzial

geschwächt. [Die brasilianische Wirtschaft] ist wie ein Patient, der lange im

Krankenhaus gelegen hat und dessen Muskulatur geschwächt ist.“

Auch Sergio Vale, Chefökonom von MB Associados, rechnet damit, dass die positiven

Auswirkungen der Reformen sich frühestens ab 2021 zeigen werden. Immerhin dürfte

nach der Verabschiedung der Rentenreform das angeschlagene Vertrauen der

Unternehmer und Investoren steigen, sind sich Latif und Vale einig. Sergio Vale rechnet

auch damit, dass die Konjunktur im zweiten Halbjahr aus statistischen Gründen

anziehen wird und die Wirtschaft trotz der schwachen ersten Jahreshälfte in diesem

Jahr noch um 0,9% wachsen werde. Das zweite Halbjahr 2018 fiel wegen der

Präsidentschaftswahlen in Brasilien und der Wirtschaftskrise in Argentinien sehr

schwach aus.

Fabio Silveira vom Beratungsunternehmen MacroSector, weist darauf hin, dass die

Rentenreform lediglich verhindern werde, dass die brasilianische Wirtschaft weiter auf

der Stelle tritt. Doch auch er hält es für „illusorisch“, dass die Reform allein in der Lage

ist, „den Motor des Wirtschaftswachstum automatisch wieder anzuwerfen.“ Für einen

nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung sind aus seiner Sicht weitere strukturelle

Reformen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erforderlich,

an erster Stelle die Steuerreform.

Freitag, 26. Juli 2019

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Emerson Marçal vom Zentrum für Angewandte Makroökonomie der Getúlio-Vargas-

Stiftung sieht die Rentenreform ebenfalls nur als notwendigen ersten Schritt zur

Belebung der Wirtschaft. Er fordert neben der Vereinfachung des Steuersystems auch

eine stärkere Öffnung Brasiliens gegenüber dem Weltmarkt. Der Ökonom begrüßte die

Einigung beim EU-Mercosur-Handelsabkommen als eine „gute Nachricht“.

Luka Barbosa, Volkswirt bei der Großbank Itaú Unibanco, weist darauf hin, dass die

Zentralbank immerhin noch die Möglichkeit habe, die Konjunktur durch Zinssenkungen

kurzfristig zu stimulieren. Itaú hofft, dass die Währungshüter den Leitzins Selic bis

Oktober in drei Schritten von derzeit 6,5% auf 5% pro Jahr absenken werden. Die

Sparpolitik der Regierung und die lange Wirtschaftskrise haben dazu geführt, dass das

Zinsniveau in Brasilien historisch niedrig und die Inflationsgefahr dennoch sehr gering

ist.

Quelle: Valor Econômico, 17/07/2019

Freitag, 26. Juli 2019

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Rentenreform wird keine sofortige Investitionswelle auslösen

Die Verabschiedung der Rentenreform wird keinen unmittelbaren Investitionsschub in

der Industrie auslösen. Vorhaben wie das des Bau- und Landmaschinenherstellers JCB,

der nach der erfolgreichen ersten Abstimmung über die Reform im Kongress

ankündigte, R$ 100 Millionen in seinen brasilianischen Standort zu investieren, dürften

vorerst die Ausnahme bleiben. Denn die Auslastung der meisten Betriebe ist nach

Jahren der Rezession und Stagnation viel zu gering. Im Durchschnitt nutzt das

produzierende Gewerbe derzeit nur 75% seiner Produktionskapazität.

Dennoch ist die Mehrheit der Unternehmer und Verbandschefs erfreut, dass die

Reform des Rentensystems endlich voran kommt. Das Vertrauen, dass die Regierung

das Staatsdefizit in den Griff bekommen und die Rahmenbedingungen für ein

nachhaltiges Wirtschaftswachstum schaffen kann, steigt. „Die Reform wird

Mikroreformen nach sich ziehen. Mit der wachsenden Glaubwürdigkeit werden die

Investitionen anziehen und neue Arbeitsplätze entstehen und die Wirtschaft in

Schwung kommen“, hofft der CEO des Zellstoffherstellers Suzano, Walter Schalka.

Etwas vorsichtiger äußerte sich der Finanzvorstand des Anhängerherstellers Randon,

Paulo Prignolato: „Die Effekte werden nicht wie von Zauberhand eintreten; um das

Vertrauen zu stärken, muss die Regierung andere Maßnahmen einleiten, weitere

Strukturreformen, Privatisierungen und Verbesserungen im Infrastrukturbereich, um

den „Custo Brasil“ zu senken“, sagte Prignolato sinngemäß. Doch auch Randon

erwartet, dass die Nachfrage 2020 wieder anziehen wird.

João Carlos Brega, Vorstandsvorsitzender von Whirlpool Lateinamerika, dem größten

Hersteller von Weißer Ware in der Region, widerspricht der Befürchtung, dass die mit

der Rentenreform verbundenen Belastungen die Konsumstimmung weiter eintrüben

könnte. Vielmehr denkt Brega, dass die Zuversicht der Verbraucher und

Marktteilnehmer durch die stabileren Zukunftsperspektiven wieder steigen wird.

Dadurch könnten die Kreditvergabe und die Konsumausgaben anziehen und die

Arbeitslosigkeit sinken.

Bereits zu spüren ist der gestiegene Optimismus auf dem Immobilienmarkt, der auch

vom niedrigen Zinsumfeld profitiert. Im zweiten Quartal stiegen die Umsätze der

sieben größten Immobilienentwickler des Landes im Vergleich zum Vorjahreszeitraum

um knapp 40% auf R$ 4,43 Milliarden. Und die Aussichten, dass die Zentralbank die

Leitzinsen weiter senken wird, stehen gut.

Auch multinationale Unternehmen aus dem Infrastruktursektor stehen in den

Startlöchern, um Investitionen freizugeben, sobald sie sicher sind, dass die Regierung

Bolsonaro in der Lage ist, die angekündigten Reformen umzusetzen. Dies berichtete

der Verkaufschef des Metallherstellers Brametal, Alexandre Schmidt. Das Unternehmen

liefert unter anderem Strukturen zum Bau von Strommasten und Mobilfunk-

Basisstationen.

Freitag, 26. Juli 2019

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Edition 29

Im Gegensatz zu den traditionellen Branchen machen junge Unternehmen aus der

Technologiebranche, die meist durch Risikokapital finanziert werden, ihre

Investitionspläne direkt vom Erfolg der Rentenreform abhängig. Der CEO des Start-up-

Förderers Fábrica de Startups do Brasil, Hector Gusmão, erwartet, dass nach der

Verabschiedung die Bereitschaft von Investoren, in junge Technologieunternehmen zu

investieren, steigen wird.

Quelle: Valor Econômico, 17/07/2019

Freitag, 26. Juli 2019

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Regierung plant neue Regeln für Infrastrukturkonzessionen, um

Investoren anzulocken

Die brasilianische Regierung will die Rahmenbedingungen für

Infrastrukturkonzessionen verändern, um mehr private Investitionen für den

Infrastrukturausbau zu gewinnen. Diese sollen mehr Rechtssicherheit und attraktivere

Renditemöglichkeiten bekommen. Ein entsprechendes Gesetzesvorhaben soll gleich

nach der Sommerpause in den Kongress eingebracht werden. Die neuen Regeln sollen

helfen, das Infrastrukturvermögen in Brasilien von aktuell 36% bis zum Jahr 2040 auf

61% des Bruttoinlandsproduktes anzuheben, wie der Staatsekretär für Produktivität

und Wettbewerbsfähigkeit im Wirtschaftsministerium, Carlos Da Costa, gegenüber

Valor Econômico erläuterte.

Geldgeber für Infrastrukturvorhaben sollen künftig nicht mehr für alle Verstöße des

Projektträgers mit haftbar gemacht werden können. Bei einer finanziellen Schieflage

können die Investoren die Kontrolle über die Projektgesellschaft übernehmen. Die

neuen Regeln sollen Investitionsfonds und andere Finanzmarktakteure dazu bewegen,

in Infrastrukturgüter in Brasilien zu investieren. In der Vergangenheit wurden

Infrastrukturprojekte wegen der rechtlichen und finanziellen Risiken überwiegend

durch Kredite der staatlichen Entwicklungsbank BNDES finanziert.

Die strukturierte Projektfinanzierung, bei der die Risiken auf die Projektbeteiligten

verteilt werden, wird für Infrastrukturvorhaben in Brasilien bisher kaum praktiziert.

„Heute ist der Investor für das Projektrisiko mitverantwortlich. Deswegen finanziert er

lieber die Holding als das Projekt, was die Bilanzen der Gesellschafter belastet und

weitere Investitionen erschwert”, erklärte Staatssekretär Da Costa. Konkret können die

Gläubiger eines Projektes für die von der Projektgesellschaft begangene technischen

Fehler oder Verstöße etwa gegen Umweltrecht oder Arbeitsschutz mit zur

Verantwortung gezogen werden.

Schätzungen internationaler Experten zufolge haben institutionelle Anleger weltweit

über mehr als 100 Billionen Dollar an Kapital in sichere Wertpapiere etwa

Staatsanleihen aus den Industrieländen, investiert, die kaum Zinsen abwerfen. „Kapital

[gibt es genug], das Problem liegt im Design der Infrastrukturprojekte in Brasilien, die

aus Sicht der Investoren mit zu hohen Risiken und Transaktionskosten verbunden sind”,

monierte Da Costa.

Die geplanten neuen Konzessionsregeln sollen es Projektträgern und Investoren auch

ermöglichen, unvorhersehbare wirtschaftliche Risiken über Tariferhöhungen für die

Nutzer des Infrastrukturgutes zu kompensieren. Bislang mussten sie sich oft jahrelang

mit den Regulierungsbehörden darüber streiten. Auch sollen die Projektträger künftig

Nebeneinkünfte, etwa aus der Verpachtung von zur Konzession gehörenden Flächen

an Dritte, komplett selbst einstreichen können. Bislang mussten sie die Hälfte der

Einnahmen über Tarifsenkungen an die Nutzer weitergeben.

Freitag, 26. Juli 2019

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Zu den weiteren geplanten Änderungen im Konzessionsrecht gehört die ausdrückliche

Erlaubnis, dass bei Ausschreibungen Konsortien von ausländischen Unternehmen

angeführt werden dürfen. Zudem sollen die Steuerfreistellungen auf Gewinne aus

Infrastrukturanleihen zukünftig auch für institutionelle Investoren gelten. Ein weiterer

Plan ist die Vereinfachung von Ausschreibungsverfahren für Infrastrukturprojekte mit

einem Investitionsvolumen unter R$ 200 Millionen.

Quelle: Valor Econômico: 16/07/2019

Freitag, 26. Juli 2019

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Der brasilianische Infrastrukturminister Tarcísio Freitas rechnet damit, dass in den

nächsten 30 Jahren R$ 208 Mrd. in den Infrastruktur- und Transportsektor investiert

werden. Das Geld soll in den Aus- und Neubau von Flughäfen, Autobahnen,

Eisenbahnlinien und Häfen fließen. Wie der Minister betont, besteht ein großes

Interesse der Privatinitiative, Projekte in diesem Bereich auszuführen.

„Wir haben heute das größte Konzessionsprogramm der Welt. Nirgendwo sonst

existiert ein vergleichbares Angebot an Infrastrukturprojekten für die Privatinitiative”,

bekräftigte Freitas gegenüber Journalisten. „Das hat die Aufmerksamkeit von

Investoren in aller Welt geweckt. Wir sehen ein großes Interesse ausländischer

Unternehmen, sich in Brasilien an diesen Bauvorhaben zu beteiligen.”

Viele Projekte werden bereits im Programm für Investitionspartnerschaften (PPP)

berücksichtigt. Dazu gehören die 6. und 7. Versteigerungsrunde von Flughäfen sowie

Vertragsverlängerungen für die Nutzung von Eisenbahnlinien. In den ersten sechs

Monaten der neuen Regierung wurden 23 Konzessionen vergeben: 12 Flughäfen, 10

Hafenanlagen und die Eisenbahnlinie Nord-Süd.

Der Minister erwartet allein durch die Vergabe von Autobahnprojekten in den nächsten

fünf Jahren Investitionen im Wert von R$ 25 Mrd. So soll am 18. September die

Versteigerung der Autobahn BR 364/365 stattfinden. Freitas zufolge haben schon

einige Unternehmensgruppen ihr Interesse an der Teilnahme bekundet. „Fünf

Interessenten haben bereits einen Finanzierungsplan, das heißt, sie sind wirklich

interessiert”, betonte der Minister. Es handelt sich um eine 437 km lange Autobahn von

Jataí (Goiás) nach Uberlândia (Minas Gerais).

Laut Freitas wurden die von der Regierung Bolsonaro eingeleiteten

Wirtschaftsmaßnahmen von den Investoren gut aufgenommen. „Die Unternehmen

erkennen die Veränderungen in der Wirtschaftspolitik und die strukturellen Reformen

bei unseren Projekten. In keinem anderen Land der Welt können die Investoren mit

einer jährlichen Rendite zwischen 8% und 9% rechnen, wie bei uns.”

Der Minister räumte ein, dass die ausländischen Gesellschaften trotz ihrer lobenden

Worte im Hinblick auf das Konzessionsprogramm nach wie vor Risiken sehen, in

Brasilien zu investieren. Die Regierung sei deshalb bereit, maßgeschneiderte Lösungen

zu finden.

Wie die Zeitung Valor im vergangenen Monat berichtete, sucht die Regierung nach

Wegen, das Wechselkursrisiko so gering wie möglich zu halten. Einer Wertminderung

des Reals gegenüber dem Dollar soll mit vertraglich festgelegten Maßnahmen

entgegengewirkt werden.

Freitas sagte in diesem Zusammenhang, dass die Regierung Möglichkeiten studiere,

das Wechselkursrisiko mit neuen Finanzmechanismen der Zentralbank zu mindern,

wobei Swap-Geschäfte erleichtert und für den Markt attraktiver werden sollen. „Wir

denken auch daran, die Besteuerungsform zu verändern”, schloss der Minister ab.

Freitag, 26. Juli 2019

Tarcísio Freitas erwartet Investitionen von R$ 208 Mrd. in Brasiliens

Infrastruktur

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Die Revolution der digitalen Banken

Immer mehr große Finanzinstitutionen und europäische FinTechs drängen auf den

Markt für digitale Bankdienstleistungen. Um sich von den Konkurrenten abzuheben,

müssen die Unternehmen durch Kundenservice und ein breites Produktangebot

überzeugen.

Die rasche Expansion digitaler Banken hat den brasilianischen Finanzmarkt zum Kochen

gebracht. Europäische FinTechs wie N26 und Revolut drängen ebenso auf den Markt

wie die größte brasilianische Investmentbank BTG Pactual. Auf der einen Seite setzen

sich ehemals kleine, auf den digitalen Zahlungsablauf beschränkte Unternehmen wie

Nubank neue Ziele, um sich in „richtige Banken” zu verwandeln. Andererseits

versuchen mittelgroße Banken, ihre Aktivitäten auf den digitalen Markt auszuweiten.

Analysten glauben, dass der Markt nicht groß genug für alle sein wird und ein

Konsolidierungsprozess bevorsteht. Dabei könne man nur vermuten, wie das Profil der

„Überlebenden” aussehen wird. Denkbar ist die Spezialisierung auf bestimmte

Bereiche.

„Die digitalen Banken sind darum bemüht, ihren Kundenstamm zu festigen. Derzeit

werben sich die Banken gegenseitig die Kunden ab, und die traditionellen Banken sind

im Moment die Verlierer”, erläutert Ricardo Heidel vom Beratungsunternehmen

Accenture. „Irgendwann wird sich dieser Prozess stabilisieren”.

Die digitalen Banken kämpfen um den sechsten Platz hinter den großen Banken

Bradesco, Banco do Brasili, Itaú, Caixa Econômica und Santander im Ranking der

Anzahl von Kontoinhabern. Als BTG im Mai seinen Eintritt in diesen Sektor verkündete,

bestätigte Marcelo Flora, Teilhaber der Bank, diese Absicht und fügte hinzu: „Wir

wollen langfristig sogar die ersten sein”. Der Präsident der Bank Inter, João Vitor

Menin, setzte das konkrete Ziel, bis zum Jahresende den sechsten Rang zu belegen.

Nubank-Gründer David Velez behauptete: „Wir liegen bereits an sechster Stelle”.

Digitale Banken konnten aufgrund überlegener Apps gegenüber den traditionellen

Banken schnell Marktanteile gewinnen. Um kostenlose Konten anbieten zu können,

profitierten sie außerdem von der Tatsache, keine Filialen unterhalten zu müssen. Die

deutsche digitale Bank N26 schätzt die Betriebskosten eines Kontos auf 15% der

Kosten bei einer traditionellen Bank.

Außerdem verzichten die meisten FinTechs auf die bei „normalen” Banken üblichen

Einnahmen. „Sie nehmen einen geringeren Umsatz in Kauf und nehmen trotzdem viel

Geld ein”, erklärt der Unternehmensberater André Leme, Teilhaber von Bain &

Company. „Und wenn sie die Konten nicht kostenlos anbieten, erklären sie den Kunden

genau, wofür sie bezahlen. Bei herkömmlichen Banken kann man den Sinn der

verschiedenen Tarife oft kaum durchschauen.”

Kostenlose Konten oder transparente Tarife allein werden aber die Konsolidierung

einer Bank nicht garantieren. „Eine digitale Bank auf den Markt zu bringen ist nicht

schwer”, findet Yran Dias, Teilhaber von McKinzey. „Die Digitalen müssen aber auch

Kredite für Autos oder Wohnungen anbieten, um zu wachsen und langfristig zu

bestehen”.

Freitag, 26. Juli 2019

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Edition 29

Oberstes Arbeitsgericht (TST) bekräftigt die neue Rechtslage nach der

Arbeitsreform

Die Arbeitnehmer verlieren vor dem Obersten Arbeitsgericht (TST) die Diskussion über

eine der umstrittensten Punkte der Arbeitsrechtsreform. Demnach müssen diese einen

Teil der Anwaltskosten im Falle einer Niederlage selbst übernehmen. Zwei der acht

Kammern des TST haben sich bereits mit dieser Angelegenheit befasst und in

einstimmiger Entscheidung die Verpflichtung bestätigt. Vor der Reform musste der

Arbeiternehmer nicht für den Anwalt des Unternehmens aufkommen. Jetzt müssen 5%

bis 15% der Kosten übernommen werden, selbst wenn sich der Arbeitnehmer keinen

Anwalt leisten kann und dieser vom Gericht bestellt werden musste. Die Prozentsätze

sind in Artikel 791-A des Reformgesetzes (Nr. 13.467 aus 2017) festgelegt.

Befürworter der Maßnahme argumentieren, dass “abenteuerliche Prozesse” unbedingt

vermieden werden müssen. Bisher strengten die Arbeitnehmer Rechtstreitigkeiten auf

gut Glück an, weil sie nichts zu verlieren hatten. Die Vertreter der Arbeitsnehmer sehen

in dem neuen Verfahren jedoch eine Benachteiligung insbesondere der ärmeren

Einkommensklassen, für die somit der Zugang zum Rechtswesen erschwert werde.

Eine Entscheidung des Obersten Bundesgerichtshofes (STF) zur Verfassungsmäßigkeit

der neuen Gesetzgebung steht noch aus. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte eine

Klage auf Verfassungswidrigkeit eingereicht. Bislang haben lediglich zwei Richter des

STF ihre Stimme dazu abgegeben. Dann wurde beschlossen, zunächst die

Entscheidung des TST abzuwarten.

Für den in der Arbeitnehmervertretung tätigen Rechtsanwalt Ronaldo Tolentino von

der Anwaltskanzlei Ferraz dos Passos bedeutet die Entscheidung in den zwei TST-

Kammern nicht, dass sich die Angelegenheit beruhigt hat. Bei den regionalen

Arbeitsgerichten (TRTs) gebe es immer noch Meinungsverschiedenheiten. “Diese Norm

terrorisiert den Arbeiternehmer”, sagt er.

Der Professor für Arbeitsrecht, Ricardo Calcini, sieht jedoch eine klare Tendenz des TST

diesen Punkt der Arbeitsreform nicht als verfassungswidrig auszulegen. “Um die neue

Gesetzgebung für verfassungswidrig zu erklären, müssen die Klassen des TST dies dem

Plenum vorlegen“, bestätigt der Professor.

Valor Economico, 16/07/2019

Freitag, 26. Juli 2019

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Wechselkurs zum Jahresende - (R$/US$)

Ausländische Direktinvestitionen - (In Mrd. US$)

Entwicklung des BIP - (In %)

Inflationsindex IPCA - (Jahresdurchschnitt in %)

Freitag, 26. Juli 2019

2,35 2,65

3,963,25 3,31

3,84 3,76 3,79

0

1

2

3

4

5

2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 (P) 2020 (P)

64,0 62,5 63,0

78,870,3

77,185,4 84,6

0

20

40

60

80

100

2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 (P) 2020 (P)

5,96,4

10,7

6,3

3,03,8 3,8 3,9

0

2

4

6

8

10

12

2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 (P) 2020 (P)

2,7

0,5

-3,8 -3,6

1,0 1,2 0,92,2

-6

-4

-2

0

2

4

6

2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 (P) 2020 (P)

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