Konzepte des Führungsfeedbacks - uni-mannheim.de Beitraege... · 1998. 12. 7. · Feedback eine...
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Konzepte des FührungsfeedbacksErgebnisse der Evaluation von verschiedenen Projekten
zur Vorgesetztenbeurteilung
Ingela Jöns
Inhalt
1 Einleitende Bemerkungen ...........................................................................................1
2 Konzepte zum Führungsfeedback ...............................................................................2
2.1 Vorgesetztenbeurteilung als Instrument des Führungsfeedback ................................4
2.2 Vergleich der Projekte zur Vorgesetztenbeurteilung ................................................5
3 Evaluation der Konzepte zum Führungsfeedback ........................................................8
3.1 Effizienzkriterien und zentrale Fragestellungen der Evaluation .................................8
3.2 Methodisches Vorgehen und Stichproben .............................................................. 13
4 Ergebnisse der Evaluation......................................................................................... 14
4.1 Rollenübernahme durch die Vorgesetzten .............................................................. 14
4.2 Qualität und Effizienz der Feedbackprozesse ......................................................... 16
4.3 Ergebniseffizienz des Führungsfeedbacks............................................................... 22
5 Zusammenfassende Diskussion ................................................................................. 26
6 Literatur ................................................................................................................... 28
1 Einleitende Bemerkungen
In vielen Unternehmen stehen heutzutage Lernprozesse und ihre Förderung, sei es im Rah-
men eines angestrebten Struktur- und Kulturwandels oder sei es im Sinne kontinuierlicher
Verbesserungsprozesse, im Vordergrund der Überlegungen zu neuen Management-
konzepten. Dies zeigt sich u.a. darin, daß sich unter den Neuerscheinungen der aktuellen
Managementliteratur viele, wenn nicht die meisten Publikationen mit Fragen des
“Organisationalen Lernens” oder mit Konzepten der “Lernenden Organisation” befassen. Da
Feedback eine zentrale Voraussetzung jeglichen Lernens darstellt, sollen durch
Ingela Jöns 2
entsprechende Managementinstrumente die Feedbackprozesse in den Unternehmen
gefördert werden.
Vor diesem Hintergrund ist der Einsatz von Führungsfeedback als personalwirtschaft-
liches Instrument zur Verbesserung des Führungsverhaltens und der Zusammenarbeit zwi-
schen Mitarbeitern und Vorgesetzten sowie insgesamt zur Förderung des angestrebten
Wandels in der Führungskultur zu sehen (vgl. auch Bergmann, Wistkat & Krist, 1997; Jöns,
1997a). Wenngleich man in der Literatur inzwischen eine Vielzahl von konzeptionellen
Empfehlungen und praktischen Erfahrungsberichten - mit überwiegend positiven Erfah-
rungen – findet (vgl. die Beiträge in Hofmann, Köhler & Steinhoff, 1995; auch Bungard &
Jöns, 1997; Domsch & Schneble, 1992; Freimuth & Kiefer, 1995 sowie in den Zeitschriften
Personal und Personalführung der letzten Jahre), so fehlen doch bislang empirische
Evaluationsstudien, in denen die Effizienz dieses Instrumentes bzw. der verschiedenen
Konzepte zum Führungsfeedback untersucht wird.
Im folgenden Beitrag werden Ergebnisse aus der Evaluation von verschiedenen Projek-
ten zur Vorgesetztenbeurteilung (VGB) berichtet. Bei VGB handelt es sich um eine spezifi-
sche Form von Führungsfeedback, bei welcher Mitarbeiter zumeist anhand eines kurzen
Fragebogens ihrem Vorgesetzten Feedback über sein Führungsverhalten geben. Dabei
lassen sich verschiedene Konzepte der Durchführung bzw. des Gesamtablaufs von VGB-
Projekten unterscheiden. Zwei zentrale Fragen bzw. Unterschiede der Projekte im Anschluß
an die schriftliche VGB sind (vgl. auch Hofmann, 1995; Schönpflug, 1995),
• ob Feedbackgespräche mit den Mitarbeitern (FBG) stattfinden und
• wer - der Vorgesetzte oder ein neutraler Moderator - diese durchführt.
Die Ergebnisse zu diesen Fragen stehen im Mittelpunkt dieses Beitrags. Zuvor werden nach
einer kurzen Erläuterung und Abgrenzung dieses Feedbackinstrumentes die verschiedenen
Projekte mit ihren konzeptionellen Unterschieden vorgestellt. Anschließend werden die
Fragestellungen und die methodische Vorgehensweise der Evaluation erläutert, bevor die
Ergebnisse dargestellt und zusammenfassend diskutiert werden.
2 Konzepte zum Führungsfeedback
Für einzelne Konzepte des Führungsfeedback finden sich in der Literatur und Praxis sehr
verschiedene Bezeichnungen, die zudem oft unpräzise verwandt werden. “Führungsfeed-
back” wird hier als Oberbegriff für die verschiedenen Formen der Rückmeldung an Füh-
Mannheimer Beiträge 3/98 3
rungskräfte durch unterschiedliche Personengruppen verwandt, welche in der Abbildung 1
dargestellt sind.
Vorgesetzter
Mitarbeiter in derdirekten Führungs-
spanne
Mitarbeiter/Kollegen inProjektteams
FührungskräftegleicherHierarchieebene
Führungs-kraft
Abwärts-beurteilung
Aufwärts-beurteilung
Gleichgestellten-
beurteilung
Kollegiale
Beurteilung
Abbildung 1: Alternative Formen des Führungsfeedback (Steinhoff, 1995, S. 9)
Ergänzend sei das Konzept der 360-Grad-Beurteilung erwähnt, welches in den letzten
Jahren zunehmend diskutiert wird (vgl. z.B. Vaasen, 1996; Weider, 1995) und die gleichzei-
tige Rückmeldung von allen Personengruppen beinhaltet. Dabei werden neben den Vorge-
setzten, Kollegen und Mitarbeitern noch die (internen) Kunden und Lieferanten als Rück-
melder - unabhängig von ihrem Status - hervorgehoben.
Bei VGB handelt es sich um eine Aufwärtsbeurteilung des jeweiligen Vorgesetzten
durch die ihm direkt unterstellten Mitarbeiter. In der Praxis ist häufig die Bezeichnung
“Führungsfeedback”, “Führungsgespräch”, “Führungskräfte-” oder “Vorgesetztenfeedback”
für VGB-Projekte anzutreffen, weil man vor allem den Begriff der “Beurteilung” und damit
die Assoziation mit der “Personalbeurteilung” vermeiden will. Bei der Bezeichnung als
Aufwärtsbeurteilung wird zwar die Richtung angegeben, aber die beurteilte Person bleibt
unklar. So handelt es sich z. B. bei einer Mitarbeiterbefragung, in welcher das Management
beurteilt wird, ebenso um eine Aufwärtsbeurteilung (vgl. Bungard & Jöns, 1997; Domsch &
Schneble, 1992). Um den verschiedenen Begriffen nicht noch einen hinzuzufügen, wird hier
an dem klassischen Begriff “Vorgesetztenbeurteilung” (VGB) festgehalten.
Ingela Jöns 4
2.1 Vorgesetztenbeurteilung als Instrument des Führungsfeedback
Da VGB als Instrumente des Führungsfeedback in der Literatur bereits ausführlich behan-
delt werden (vgl. Domsch, 1992; Hofmann, Köhler & Steinhoff, 1995; Reinecke, 1983),
beschränken sich die folgenden Überlegungen auf die wesentlichen Punkte, die für das Ver-
ständnis der VGB-Projekte, die Gegenstand der Evaluation bilden, erforderlich sind.
Kennzeichnend für die Definition von Instrumenten des Führungsfeedback und ihrer
Abgrenzung von alltäglichen Beurteilungs- und Rückmeldeprozessen ist, daß die Beurtei-
lung und Rückmeldung mit Hilfe eines systematischen und standardisierten Verfahrens
erfolgt (vgl. Domsch, 1992). Dies kann z.B. im Rahmen eines gemeinsamen Workshops er-
folgen oder in Form von schriftlichen Beurteilungs- oder Fragebögen, wie es in den meisten
Fällen praktiziert wird (vgl. Jöns, 1995; Beispiele zu Instrumenten finden sich insbesondere
bei Reinecke, 1983; Kolb & Bergmann, 1997). Allerdings greift die Festlegung des Erhe-
bungsinstrumentes zu kurz, wenn man das Verfahren oder den Ablauf einer VGB beschrei-
ben will. Neben der Erhebung der VGB gehören hierzu die Rückmeldung der Ergebnisse,
die Ableitung von Zielen und Maßnahmen sowie ihre Umsetzung und nicht zuletzt die
Überprüfung der Umsetzung und Wirkung dieser Maßnahmen bzw. der angestrebten Ver-
besserungen, worauf im nächsten Abschnitt eingegangen wird. Abgesehen von der Frage,
wer an den einzelnen Phasen in welcher Form beteiligt ist, kann man feststellen, daß häufig
eine Überprüfung der Maßnahmen und Verbesserungen nicht von vornherein eingeplant
wird oder auf die Wiederholung der VGB beschränkt wird.
Ziele einer VGB sind die Verbesserung des Führungsverhaltens und der Zusammenarbeit
zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten, wobei der Durchführung einer VGB im allgemei-
nen drei Funktionen zukommen können (vgl. ausführlich Reinecke, 1983), die sich auf die
einzelnen Einheiten und auf die gesamte Organisation beziehen können:
1. Diagnose: Ermittlung von Stärken und Schwächen des Vorgesetztenverhaltens und
damit verbunden der Führung allgemein im Unternehmen (durch die Erhebung der IST-
Einschätzungen) sowie der Führungserwartungen bzw. des Führungsverständnisses
(durch die Erhebung von SOLL-Einschätzungen oder Einstufungen nach der Wichtig-
keit) aus Sicht der Mitarbeiter.
2. Intervention: Umsetzung bzw. Vermittlung einer partizipativen Führungsphilosophie
sowie Initiierung des Dialogs und Einleitung von Verbesserungsprozessen zum Füh-
rungsverhalten und zur Zusammenarbeit durch den Einsatz dieses Instruments.
Mannheimer Beiträge 3/98 5
3. (Selbst-/Fremd-) Kontrolle und Evaluation: Ermittlung von Veränderungen im Vorge-
setztenverhalten bzw. in der Führung und Überprüfung der Umsetzung und Wirkung von
dezentralen bzw. übergreifenden Maßnahmen.
An dem dritten Punkt, bei welchem zwischen der Funktion zur Selbst- und Fremdkontrolle
zu unterscheiden ist, läßt sich ein Grundproblem von VGB-Projekten erläutern. Aufgrund
der Subjektivität von Mitarbeitereinschätzungen sowie angesichts der bestehenden Ängste,
der erforderlichen Akzeptanz sowie der mikropolitischen Brisanz dieses Instruments wird
zumeist argumentiert, daß VGB ausschließlich als Entwicklungsinstrumente eingesetzt und
daher nicht als Grundlage für personalpolitische Entscheidungen herangezogen werden
sollten (zur mikropolitischen Bedeutung vgl. Jöns, 1998; Neuberger, 1997; Sprenger,
1995).
Es soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden, ob die Subjektivität von Mitarbeiterein-
schätzungen nicht genauso hoch oder gering ist, wie die Subjektivität von Personalbeurtei-
lungen durch Vorgesetzte. Angeführt seien aber zwei Argumente, die für eine Fremdkon-
trolle sprechen. Erstens greift das Argument der Subjektivität dann nicht, wenn man sich
nicht auf die absoluten Beurteilungsergebnisse, sondern z.B. auf die Umsetzung von auf-
grund der VGB-Ergebnisse vereinbarten Maßnahmen bezieht, was z.B. Gegenstand von
Zielvereinbarungsprozessen sein kann. Zweitens kann das Argument der Akzeptanz auch für
eine Fremdkontrolle mit möglichen personalpolitischen Konsequenzen sprechen, denn bleibt
ein VGB-Projekt gerade bei kritisch beurteilten Führungskräften auf Dauer ohne Konse-
quenzen, dann verliert ein solches Projekt zur Verbesserung der Führung seine Glaubwür-
digkeit und damit die Akzeptanz bei Mitarbeitern und möglicherweise ebenso bei den ande-
ren Führungskräften, deren Anstrengungen für eine gute Führung und Zusammenarbeit in-
sofern auch keine Anerkennung finden (vgl. auch Jöns, 1997b).
Zum konkreten Ablauf von VGB werden im folgenden die Varianten der VGB-Projekte
in den drei Firmen betrachtet, die Gegenstand der Evaluation bildeten (zu weiteren Kon-
zeptvarianten vgl. Domsch, 1992; Hofmann, Köhler & Steinhoff, 1995; Kolb & Bergmann,
1997).
2.2 Vergleich der Projekte zur Vorgesetztenbeurteilung
Die drei VGB-Projekte, die anhand ihrer zentralen Merkmale in der Abbildung 2 im
Vergleich dargestellt sind, unterscheiden sich insbesondere in der Form der Rückmeldung
Ingela Jöns 6
an die Führungskräfte und Mitarbeiter und damit verbunden in der Verpflichtung und Unter-
stützung der Führungskräfte. Gemeinsam ist allen drei Projekten, daß die VGB anhand eines
schriftlichen Fragebogens erfolgte, wobei die Teilnahme für die Mitarbeiter anonym und
freiwillig war. Da es sich um unternehmensweite Aktionen handelte, war demgegenüber die
Teilnahme für die Vorgesetzten verpflichtend, d.h. sie mußten sich beurteilen lassen.
M e r k m a l e Firm a B 1 9 9 5 Firm a D 1 9 9 5 Firm a S 1 9 9 6Information R u n d b r i e f , A u s h a n g Veransta l tung
Erhebung s c h r i f t l i c h , a n o n y m
Tei lnahme M A f r e i w i l l i g , F K v e r p f l i c h t e n d
Ins trument SOLL- IST : 7 T h e m e n , 26 F r a g e n IST: 15 + 1 Frage
Bericht , an wen FK + P e r s o n a l a b t e i l u n g FK + Modera to r
F o r m d e r Rück-m eldung an FK
(Feedback I )
ind iv idue l ldu rch PersonalerEinzelgespräch
kol lekt ivdurch ExterneWorkshop
indiv idue l ldurch Modera torEinzelgespräch
F o r m d e r Rück-m eldung an MA
(Feedback II )
VG a l s Empfeh lung
→ freiwillig
VG a l s Vere inbarung
→ selbstverpfl ichtend
Modera to r + VG a l sKonzep t→ Pflicht
Durchführung /Control l ing
wiederhol t /
b isher ke in Cont ro l l ing
ers tmal ig /Du rch füh rung undNachbef ragung
ers tmal ig , rege lmäßig ,geplant /
entfäl l t
Abbildung 2: Vergleich der VGB-Projekte in den drei Firmen.
Als erstes sei das Projekt in der Firma S betrachtet, welches dadurch gekennzeichnet ist,
daß der gesamte Ablauf der VGB durch einen neutralen Moderator unterstützt wurde (vgl.
Puhl, 1997). Dabei handelte es sich um externe Trainer oder interne Personalentwickler, die
aber nicht für den jeweiligen Bereich der Vorgesetzten zuständig waren. Bereits die
Vorinformation erfolgte durch den Moderator im Rahmen von kurzen Veranstaltungen mit
den Mitarbeitern und den jeweiligen Vorgesetzten, in welchen der Gesamtablauf ein-
schließlich des geplanten Feedbackgesprächs (FBG) erläutert wurde. Den persönlichen
Ergebnisbericht erhielt der jeweilige Vorgesetzte durch den Moderator in einem Vier-
Augen-Gespräch, in welchem der Moderator die Ergebnisse erläuterte und den Vorge-
setzten auf das FBG vorbereitete. Im FBG präsentierte der Moderator die Ergebnisse und
moderierte die Diskussion der Ergebnisse zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten sowie
die Ableitung von Maßnahmen und Vereinbarungen. Im Anschluß fand nochmals ein Vier-
Augen-Gespräch zur Nachbereitung des FBG statt. Dabei handelte es sich in der Firma S
um die erstmalige Durchführung einer VGB, die aber regelmäßig wiederholt werden soll, so
daß dann ein Ergebniscontrolling möglich ist.
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Im Vergleich hierzu wurden die VGB-Projekte in den Firmen B und D ohne beglei-
tende, neutrale Moderation durchgeführt. Vielmehr fand eine unternehmensweite Befragung
statt, deren Ankündigung vor allem auf schriftlichem Wege erfolgte. Die Ergebnisberichte
gingen in beiden Fällen auch an die Personalabteilung. Grundsätzliche Unterschiede bestan-
den dann in der Übergabe der Ergebnisberichte und in der Verbindlichkeit von FBG mit den
Mitarbeitern.
In der Firma B erfolgte dann die Übergabe der Ergebnisberichte wie bei der Firma S in
Einzelgesprächen, aber durch die jeweils zuständigen Personalreferenten (vgl. Mataja, 1995;
Uhrig, 1998). Die Durchführung von FBG mit den Mitarbeitern wurde dabei lediglich durch
die Personalreferenten bzw. im Leitfaden zum Ergebnisbericht empfohlen, eine
Verpflichtung bestand aber nicht und ebensowenig erfolgte eine Vorbereitung auf die
Durchführung von solchen - für Führungskräfte nicht unbedingt einfachen oder gewohnten -
FBG. Abgesehen von der fehlenden Neutralität der Personalreferenten ist ergänzend
hervorzuheben, daß es sich nicht in allen Fällen um Referenten handelte, die zumindest
Kompetenzen im Bereich der Personal- und Führungskräfteentwicklung besitzen. Von daher
sind hinsichtlich der Qualität der Einzelgespräche sowie der Empfehlung von FBG große
Unterschiede je nach Referent anzunehmen, so daß der schriftliche Leitfaden in vielen Fällen
die wesentliche Informationsquelle für die Führungskräfte war. Am Rande sei angemerkt,
daß in der Firma B bereits die Empfehlung von FBG im Vergleich zu den vorherigen VGB-
Projekten, mit deren Erfolgen man eigentlich unzufrieden war, ein Fortschritt war.
In der Firma D hingegen entschied man sich für Führungskräfte-Workshops, in welchen
die externen Moderatoren die Führungskräfte anhand der Gesamtergebnisse auf die Inter-
pretation der eigenen Ergebnisberichte und auf die Durchführung von FBG mit den Mitar-
beitern vorbereiteten (vgl. Iwanowitsch, 1997; Jöns, 1997b). Am Ende der Veranstaltung
erhielten die Führungskräfte ihren Bericht. Neben der Vorbereitung war es ein Hauptziel der
Veranstaltungen, die Führungskräfte vom Nutzen der FBG zu überzeugen und am Ende
eine Vereinbarung mit den Führungskräften darüber zu erreichen, daß FBG in einem
festgelegten Zeitrahmen durchgeführt und ihre Durchführung, nicht aber ihre Inhalte, sowie
gegebenenfalls übergreifende Themen und Anliegen an die Personalentwicklungsabteilung
zurückgemeldet werden. Damit bestand die Möglichkeit, zumindest die Durchführung zu
kontrollieren, wobei sich die Konsequenzen auf ein mehrmaliges Erinnern beschränkten.
Zusätzlich war die Nachbefragung zum VGB-Projekt bereits zu diesem Zeitpunkt geplant,
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doch dürfte dies den Führungskräften nicht so klar gewesen sein, daß hiervon eine
verpflichtende Wirkung ausgegangen wäre.
Zusammenfassend lassen sich die drei Projekte wie folgt charakterisieren: In der Firma
B war die Verpflichtung, die Vorbereitung und Unterstützung der Führungskräfte bei der
Durchführung von FBG am geringsten. In der Firma D war die Durchführung für die
Führungskräfte (selbst-)verpflichtend. Die Vorbereitung erfolgte kollektiv, was Nachteile
hinsichtlich des Eingehens auf die individuellen Ergebnisse und Bedürfnisse in sich birgt,
aber auch Vorteile durch die gemeinsame Diskussion im Führungskreis (z.B. “öffentliche”
Selbstverpflichtung aller Führungskräfte, Aufbrechen von Tabu-Themen wie das Eingeste-
hen von Problemen und Fehlern als Führungskraft; vgl. hierzu Jöns, 1997b). Dann aber wur-
den die Führungskräfte sozusagen allein gelassen, d.h. sie mußten die Rolle des Präsentators
und Moderators in eigener Sache im FBG übernehmen. In der Firma S hingegen waren
Workshops von vornherein Pflicht und die Führungskräfte wurden individuell betreut,
wobei sie weder die Präsentation noch die Moderation der FBG selbst übernehmen mußten.
Inwieweit diese Entlastung gleichzeitig auch ein Nachteil sein kann, wird Gegenstand der
Evaluation sein.
3 Evaluation der Konzepte zum Führungsfeedback
Die VGB-Projekte in allen drei Firmen wurden in Nachbefragungen, die ein bis zwei Jahre
später durchgeführt wurden, evaluiert. Bevor auf das methodische Vorgehen eingegangen
wird, sollen die Effizienzkriterien und zentralen Fragestellungen der Evaluation, soweit
hierauf bei den Ergebnissen eingegangen wird, kurz erläutert werden.
3.1 Effizienzkriterien und zentrale Fragestellungen der Evaluation
Abgesehen von der Untersuchung der Effizienz unterschiedlicher Konzepte zur VGB, wie
sie in den Projekten realisiert wurden, basiert der Evaluationsansatz auf theoretischen
Überlegungen zur Effizienz von Interventionen, die Veränderungen in den sozialen Bezie-
hungen oder allgemein soziale (Selbst-)Lernprozesse fördern sollen. In Anlehnung an
Erkenntnisse aus der Lernforschung, vor allem zum selbstorganisierten Lernen, wonach es
nicht nur darauf ankommt, ob etwas gelernt wurde, sondern auch wie etwas gelernt wurde,
wird zwischen der Prozeß- und Ergebniseffizienz von VGB-Projekten unterschieden.
Mannheimer Beiträge 3/98 9
Prozeßeffizienz bezieht sich auf das Erleben bzw. die Bewertung der Feedbackprozesse
(FBP) im Anschluß an die Erhebung. Grundsätzlich zählt hierzu aus Sicht der Führungs-
kräfte die Feedbackphase I, d.h. die Ergebnisübergabe und Vorbereitung, und die Feed-
backphase II, d.h. das FBG mit den Mitarbeitern und die anschließende Umsetzung von
Maßnahmen. Die Prozeßeffizienz aus Sicht der Mitarbeiter bezieht sich entsprechend nur
auf die Feedbackphase II.
Unter Ergebniseffizienz wird die (erlebte) Veränderung des Vorgesetztenverhaltens und
der Zusammenarbeit verstanden, d.h. die Erreichung der mit VGB angestrebten Ziele. Im
Zusammenhang mit der Ergebniseffizienz sei - abgesehen von der generellen Schwierigkeit
der Veränderungsmessung bei VGB - auf eine insbesondere aus der Arbeitszufrie-
denheitsforschung bekannte Problematik hingewiesen. Z.B. kann sich bei positiven
Veränderungen gleichzeitig das Anspruchsniveau erhöhen, so daß unterm Strich eine
Verschlechterung festgestellt wird. Waren die Mitarbeiter beispielsweise vor der VGB mit
der Zusammenarbeit zufrieden - im Sinne einer resignativen Zufriedenheit, nach einem guten
Verlauf der FBP und erster Veränderungen, sind die Mitarbeiter unzufrieden - im Sinne
einer konstruktiven Unzufriedenheit, weil es nicht schnell genug geht, andere Punkte noch
nicht verbessert wurden, etc.
Die Unterscheidung von Prozeß- und Ergebniseffizienz erscheint auch vor diesem
Hintergrund möglicher Anspruchsveränderungen erforderlich, insbesondere wenn die
Beurteilungsrichtungen dieser beiden Kriterien einander nicht entsprechen.
Zudem ist die Projekteffizienz zu berücksichtigen, die sich auf den Ablauf der VGB - auf
die Information im Vorfeld, die Erhebung und die Information über Gesamtergebnisse etc. -
bezieht, der von zentraler Stelle organisiert wird. Der Ablauf der VGB-Projekte insgesamt,
der nicht vom Vorgesetzten beeinflußt werden kann, wird aber möglicherweise die an-
schließenden dezentralen Prozesse beeinflussen. Beispiele sind hier Fehler bei der Verteilung
von Fragebögen, die zu einem geringeren Rücklauf führen und zudem die Akzeptanz und
Glaubwürdigkeit des ganzen Projektes in Frage stellen können (vgl. auch Jöns & Mataja,
1998).
Anhand dieser Effizienzkriterien erfolgte die Evaluation der drei VGB-Projekte, welche
zusammen mit den verschiedenen Aspekten und Konzeptvarianten der VGB-Projekte in der
Abbildung 3 als Modell der Evaluationsstudien im Überblick dargestellt sind.
Die Ausgangssituation in den Firmen ist durch die allgemeine Führungskultur gekenn-
zeichnet, welche den Hintergrund für die jeweilige Führungssituation in den einzelnen
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Einheiten bildet. Bei der Betrachtung der Situation sind zudem strukturelle Merkmale, wie
z.B. die Größe der Führungsspanne, zu berücksichtigen. In diesem Rahmen ist dann die
Interaktion von Verhalten und Erwartungen zwischen den jeweiligen Vorgesetzten und
ihren Mitarbeitern angesiedelt.
Prozeß-Effizienz
Moderation
Maßnahmen-ableitung
Qualität des FBP
Projekteffizienz
Durchführung
Ausgangs-situation
Führungskultur
Führungs-struktur/situation
Rollener-wartungen
VG-Verhalten
VG-MAZusammen-
arbeit
Ergebnis-Effizienz
Verhalten
Zusammenarbeit
Survey
Fremd
Selbst
Feedback I
Workshop
Moderator
PersonalerFeedback II
mod. FBG
mit FBG
ohne FBG
Konzeption, Ablauf und Qualität der VGB-Projekte
Abbildung 3: Modell der Evaluationsstudien.
Der Ablauf der VGB in den Firmen kann dann als Survey-Feedback-Prozeß gekennzeichnet
werden, wobei im Unterschied zu klassischen Ansätzen der OE hier die zwei Phasen - die
Rückmeldung an die Führungskräfte und anschließend an die Mitarbeiter - unterschieden
werden.
Im Rahmen der Erhebung - Survey - erfolgte nicht nur eine Fremdbeurteilung, sondern
in allen drei Projekten erhielten zudem die Führungskräfte einen Bogen zur Selbsteinschät-
zung. Da die Daten nicht in allen Fällen zur Verfügung stehen, wird hierauf nicht näher ein-
gegangen.
Unter der Feedbackphase I sind mit Personaler (Firma B), Moderator (Firma S) und
Workshop (Firma D) die drei Varianten der Projekte angeführt.
Bei der Feedbackphase II ergeben sich aufgrund des Verlaufs der Projekte ebenso drei
Varianten: Erstens die Fälle, in denen kein FBG mit den Mitarbeitern durchgeführt wurde,
zweitens die Fälle, in denen der Vorgesetzte das FBG selbst moderiert hat, und schließlich
drittens die Fälle der Firma S mit FBG durch einen neutralen Moderator. Aufgrund von
Voranalysen, die hier nicht weiter ausgeführt werden sollen, können die Stichproben der
Firmen B und D bei der Analyse der Effizienz aus Sicht der Mitarbeiter zusammengefaßt
Mannheimer Beiträge 3/98 11
werden. Die Zugehörigkeit zu einer der beiden Firmen, die dem gleichen Konzern ange-
hörten und sich in der generellen Führungskultur nicht unterschieden, erwies sich im
Vergleich zum Erleben eines FBG als nicht bedeutsam.
Die zentralen Fragestellungen der Evaluation lassen sich anhand dieses Modells wie
folgt zusammenfassen:
• Wovon hängt es ab, ob Vorgesetzte ein FBG durchführen? Welche Bedeutung kommt
dabei der projektspezifischen Verpflichtung und Vorbereitung der Führungskräfte einer-
seits, der strukturellen Führungssituation und der Beurteilung des Vorgesetztenverhal-
tens (VGB-Ergebnis) andererseits zu?
• Wie wird die Qualität der Feedbackphase II bzw. die Prozeßeffizienz bei den Varianten
ohne / mit Moderation beurteilt? Wovon hängt die erlebte Qualität ab? Welche Bedeu-
tung kommt dabei der Beurteilung des Vorgesetztenverhaltens, der Vorbereitung der
Führungskräfte und den individuellen Einstellungen gegenüber der VGB zu?
• Wie wird die Effizienz der VGB-Projekte insgesamt bei den drei Varianten (ohne FBG,
mit FBG durch VG, mit FBG durch Moderator) beurteilt? Und wovon hängt die Ergeb-
niseffizienz ab bzw. wie wird der Gesamtprozeß erlebt?
Die eingezeichneten Pfeilen im Modell geben grob die angenommenen direkten und indi-
rekten Zusammenhänge bzw. Wirkungsrichtungen an. Hierzu ist anzumerken, daß die
Ausgangssituation zum einen den Gesamtprozeß beeinflußt, zum anderen aber auch eine
direkte Beziehung zwischen der bisherigen Führungssituation und der Ergebniseffizienz
besteht bzw. berücksichtigt werden muß. Damit ist gemeint, daß das Ausmaß der Verände-
rungen von ihrer Notwendigkeit bzw. Möglichkeit abhängt. So sind beispielsweise bei einer
sehr gut beurteilten Ausgangssituation kaum noch Verbesserungen möglich.
Folgende Hypothesen liegen der Analyse zu den drei Fragestellungen zugrunde, deren
theoretische Begründung hier nur angerissen wird:
• Die Durchführung von FBG wird maßgeblich durch die Konzeption des Projekts beein-
flußt, d.h. durch die Verpflichtung und die Vorbereitung. In Anlehnung an die Rollen-
theorie kann die Verpflichtung in Firma B als eine KANN-, in der Firma D als eine
SOLL-Erwartung charakterisiert werden. Bei SOLL-Verpflichtungen wird die erwartete
Rolle eher übernommen. Die Bedeutung der Vorbereitung für die Rollenübernahme
kann, abgesehen von einer kontrolltheoretischen Begründung durch Kompetenzvermitt-
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lung und Unsicherheitsabbau bei den Führungskräften, auch durch die Überzeugung
vom Nutzen begründet werden.
• Die Qualität der Feedbackphase II wird in Abhängigkeit von der Moderation und der
Beurteilung des Vorgesetzten vor allem aus Sicht der Mitarbeiter unterschiedlich erlebt.
Hinsichtlich derjenigen Aspekte, die sich auf die Moderation beziehen, sollten sich bes-
sere Ergebnisse bei neutraler Moderation ergeben, da die hierfür erforderlichen Kompe-
tenzen nicht in dem Maße bei Vorgesetzten vorausgesetzt werden können. Die Rollen-
übernahme durch den Vorgesetzten selbst sollte sich hingegen auf das Erleben der Inter-
aktionssituation und Verhaltensweisen des Vorgesetzten stärker (positiv oder negativ)
auswirken, während in den anderen Fällen der Moderator sozusagen ausgleichend wirkt.
Darüber hinaus läßt sich dies attributionstheoretisch begründen. Mitarbeiter werden dem
Vorgesetzten eine größere Veränderungsbereitschaft attribuieren, wenn er sich der Kri-
tik selbst bzw. freiwillig stellt, während im anderen Fall dieses Gespräch vorgegebene
Pflicht war. Dabei wird gleichzeitig angenommen, daß die Qualität der Rollen-
übernahme, die Identifikation der Führungskräfte mit ihrer Rolle und Verantwortlichkeit
im FBP, bei der KANN- und SOLL-Verpflichtung in den Firmen B und D im Vergleich
zur MUSS-Rollenverpflichtung in der Firma S höher ausfällt.
• Damit verbunden ist die angenommene Überlegenheit der FBG durch Führungskräfte
hinsichtlich der Ergebniseffizienz, die sich nicht nur rollen- und attributionstheoretisch,
sondern auch handlungs- bzw. lerntheoretisch begründen läßt. Wenn Führungskräfte die
Rolle im FBG selbst übernommen haben, wird der Transfer leichter bzw. die Umsetzung
der Vereinbarungen eher erfolgen. Damit ist auch gemeint, daß das FBG und die
getroffenen Vereinbarungen eine eigene Leistung des Vorgesetzten und seiner Mitar-
beiter darstellt, für deren Umsetzung sie sich verantwortlich fühlen. Demgegenüber ist
das moderierte FBG eine fremdorganisierte Lernsituation, die anschließend ohne den
Moderator erst selbstorganisiert in den Alltag transferiert werden muß.
Zusammenfassend wird also davon ausgegangen, daß die Prozeß- und Ergebniseffizienz von
VGB-Projekten dann am größten ist, wenn die Führungskräfte selbst zur Durchführung von
FBG verpflichtet und auf diese Rolle gut vorbereitet werden.
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3.2 Methodisches Vorgehen und Stichproben
Zur Analyse der drei VGB-Projekte liegen zum einen die Daten aus der VGB selbst und
zum anderen die Daten aus den Nachbefragungen der Führungskräfte und Mitarbeiter vor.
Anhand der Ergebnisse aus der VGB wurden die Vorgesetzten in den einzelnen Firmen
jeweils in drei Gruppen eingeteilt, die als vergleichsweise sehr gut (VGB 1), gut (VGB 2)
und befriedigend (VGB 3) beurteilte Vorgesetzte bezeichnet werden, weil eine sehr kriti-
sche Beurteilung nur in Ausnahmefällen erfolgte. Auf weitere Analyseergebnisse aufgrund
der Daten aus der VGB wird in diesem Beitrag nicht eingegangen.
Im Hinblick auf die Messung der Ergebniseffizienz, für welche eine Längsschnittunter-
suchung auf der Basis der Wiederholung der VGB wünschenswert wäre, ist anzumerken,
daß nur im Falle der Firma B entsprechende Daten aus der Wiederholung der VGB vorlie-
gen. Die vergleichende Analyse muß sich daher auf die Daten aus der Nachbefragung
beschränken, in welchen die Effizienz anhand von zwei Fragen - nach der erlebten
Verbesserung des Vorgesetztenverhaltens und der Zusammenarbeit – erfaßt wurde.
Weiterhin ist generell anzumerken, daß sich die Nachbefragungen zur VGB auf ein
kurzes Instrument - Vorgabe in den Unternehmen war maximal eine Seite - beschränken
mußte, so daß die verschiedenen Aspekte des Projektes zumeist nur durch einzelne Fragen
erfaßt werden konnten. Für die Effizienzkriterien gehen die Items aus der Abbildung 3
hervor. Abgesehen von den Fragen zur Veränderung wurde die Projekt- und
Prozeßeffizienz jeweils durch eine Frage nach der Zufriedenheit - mit der Durchführung der
VGB und mit der Ableitung von Maßnahmen erfaßt. Zudem wurde gefragt, ob man die
neutrale Moderation hilfreich fand (Firma S) bzw. im Nachhinein hilfreich fände (Firmen B
und D). Zum Vergleich ist dieses Item umgepolt worden, so daß es in beiden Fällen als Maß
für die Qualität der Moderation (durch den neutralen Moderator bzw. durch den
Vorgesetzten) herangezogen werden kann.
Das Instrument, welches auf die jeweiligen Konzepte angepaßt wurde, umfaßte daneben
Fragen zur Vorinformation, zur Vorbereitung (Führungskräfte), zur Qualität der Feedback-
prozesse sowie zur Einstellung gegenüber einer VGB. Auf die jeweiligen Fragen wird im
Ergebnisteil eingegangen. Die Skalierung war für alle Fragen fünfstufig von 1 = trifft nicht
zu / unzufrieden über 3 = teils-teils bis 5 = trifft zu / zufrieden.
An dieser Stelle soll noch hervorgehoben werden, daß aufgrund der notwendigen
Gewährleistung der Anonymität keine direkte Zuordnung von Führungskräften und
Ingela Jöns 14
Mitarbeitern möglich war. Zudem werden für die Analyse jeweils die aggregierten
Einschätzungen der Mitarbeiter eines Vorgesetzten (VG-Fälle) herangezogen.
10
20 29
8
47
17
26
36
23
42
0
10
20
30
40
50
60
Firma B Firma D Firma S Firma B Firma D Firma S
F ü h r u n g s k r ä f t e V G - F ä l l e (M i t a r b e i t e r)
mit mod. FBG
ohne FBG
mit FBG
Abbildung 4: Stichproben der Evaluationsstudien.
Die Abbildung 4 gibt die Stichproben für die Führungskräfte und die Mitarbeitergruppen
nach der Firmenzugehörigkeit, was der unterschiedlichen Verpflichtung und Vorbereitung
entspricht, sowie nach der Durchführung bzw. Moderation der FBG wieder.
4 Ergebnisse der Evaluation
Im folgenden werden die Ergebnisse der vergleichenden Evaluation der VGB-Projekte zu
den oben genannten drei Hauptfragestellungen zusammengefaßt.
4.1 Rollenübernahme durch die Vorgesetzten
Zur Rollenübernahme - der Durchführung von FBG - durch die Vorgesetzten in den Firmen
B und D läßt sich feststellen,
• daß Führungskräfte von sich aus eher selten ein FBG durchführen, wenn dies wie in der
Firma B nur empfohlen wird,
• daß bei einer höheren Verpflichtung wie in der Firma D deutlich mehr Führungskräfte
das FBG mit den Mitarbeitern suchen.
Mannheimer Beiträge 3/98 15
Betrachtet man hierzu die Verteilung in den Stichproben (vgl. Abbildung 4), dann ist ein-
schränkend anzumerken, daß sich diese nur auf die Angaben in der Nachbefragung stützt
und keine Informationen über alle Einheiten vorliegen.
Trotz dieser Einschränkungen hinsichtlich der Repräsentativität der Fälle ist in der
Abbildung 5 die Verteilung für die drei Gruppen nach dem VGB-Ergebnis und unter
Berücksichtigung der Verpflichtung auf der Basis der Mitarbeiterbefragung angeführt. Wäh-
rend in der Firma B bei geringer Verpflichtung demnach sowohl sehr gut als auch befriedi-
gend beurteilte Vorgesetzte seltener ein Gespräch durchführen, zeigt sich für die Firma D
mit der höheren Verpflichtung die zu erwartende Tendenz: Besser beurteilte Führungskräfte
führen auch eher ein FBG durch.
5
8
9
10
3
8 15
5
14
10
7
8
0
5
10
15
20
25
VGB 1 VGB 2 VGB 3 VGB 1 VGB 2 VGB 3
Firma B Firma D
ohne FBGmit FBG
Abbildung 5: Rollenübernahme nach Verpflichtung (Firma) und VGB-Ergebnis.
Auf der Basis der Führungskräftebefragung kann festgestellt werden, daß neben der
Verpflichtung ebenso die erlebte Qualität der Vorbereitung eine Rolle spielt, während die
allgemeine Vorinformation, die individuelle Einstellung gegenüber der VGB und die
angegebenen Überraschung über einzelne Ergebnisse nicht signifikant sind. Insgesamt
werden durch diese beiden Aspekte 79,4 % der Fälle (ausgehend von 60,3 %) mittels
logistischer Regression korrekt klassifiziert. Angesichts dessen, daß hier die VGB-Ergeb-
nisse als ein weiterer Einflußfaktor nicht berücksichtigt werden können, kann dieses Klassi-
fikationsergebnis als durchaus befriedigend angesehen werden.
Schließlich sei noch angeführt, daß sich keine bedeutsamen Unterschiede nach der Füh-
rungsebene und Führungsspanne zeigten. Tendenziell sprechen die Ergebnisse, wobei nur
Ingela Jöns 16
noch geringe Fallzahlen betrachtet werden konnten, dafür, daß die Durchführung auch vom
Vorleben durch die nächsthöheren Führungskräfte abhängt, d.h. ob und in welcher Qualität
die nächsthöheren Führungskräfte ein FBG durchgeführt haben.
4.2 Qualität und Effizienz der Feedbackprozesse
Zur Qualität der Feedbackprozesse (FBP) seien als erstes die Einschätzungen der Füh-
rungskräfte betrachtet, wobei nur die Fälle mit FBG interessieren und die Fälle der Firmen
B und D zusammengefaßt werden.
Der Vergleich der Mittelwerte für die Firmen BD gegenüber der Firma S auf der Basis
von T-Tests zeigt (vgl. Abbildung 6), daß sich keine Unterschiede hinsichtlich der erlebten
Qualität der FBP (QUAL_FBP) feststellen lassen, was auch für die zugrundeliegenden
Einzelaspekte gilt. Wie aufgrund der individuellen Betreuung der Führungskräfte in der
Firma S zu erwarten, wird die Information im Vorfeld (Information) und die Vorbereitung
(FK_VOR) signifikant besser beurteilt.
Bei den Kriterien zur Prozeßeffizienz zeigt sich ein signifikanter Unterschied bei der
Zufriedenheit mit der Maßnahmenableitung (ZUF_MAS), worin eine spezifische Modera-
tionskompetenz gesehen werden kann. Die Einschätzungen zur Qualität der Moderation
(QUAL_MOD) sind vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Fragen bzw. Erfahrungen
der Vorgesetzten zu sehen. Demnach halten Führungskräfte ohne einen neutralen Modera-
tor diese auch im Nachhinein allgemein für nicht erforderlich, während Führungskräfte die
erlebte Unterstützung durch den Moderator als hilfreich erachten.
Auffallend ist, daß sich das Erleben der Situation vor bzw. im FBG deutlich unterschei-
det. So geben die Führungskräfte der Firma S - trotz der besser eingeschätzten
Vorbereitung - durchschnittlich eine höhere Unsicherheit vor dem Gespräch (FK_unsicher)
an. Ebenso kennzeichnen sie das Gespräch eher als eine für sie ungewohnte Situation
(FK_ungewohnt). Wenngleich nicht signifikant, so fällt auch die Überraschung über die
Ergebnisse (ERG_über) durchschnittlich höher aus.
Mannheimer Beiträge 3/98 17
4,113,84
3,433,18
3,743,08
3,794,2
3,943,79
3,573,05
3,49
2,44
3,833,51
4,55
3,68
1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5
Einstellung
ERG_über
ZUF_MAS
QUAL_MOD
QUAL_FBP
FK_ungewohnt
FK_unsicher
FK_VOR
Information
Firmen BD mit FBG
Firma S mit mod. FBG
Abbildung 6: Qualität der Feedbackprozesse aus Sicht der Führungskräfte
Diese verschiedenen Einschätzungen stützen die Annahme, daß FBP mit und ohne Modera-
tion - hier aus der Sicht der Führungskräfte - eine unterschiedliche Erlebensqualität auf-
weisen. In einer einfaktoriellen, multivariaten Kovarianzanalyse wurde der Zusammenhang
zu den Einzelaspekten der Qualität untersucht. Zusammenfassend wird für die erlebte FBP-
Qualität insgesamt der stärkste Effekt für die Vorbereitung (F= 5,993; p< .001) gefolgt von
der selbst oder neutral durchgeführten Moderation (F= 3,501; p< .05) ermittelt.
Betrachtet man die Ergebnisse für die Einzelaspekte, die in der Abbildung 7 zusam-
mengefaßt sind, dann ergeben sich für die Vorbereitung bei allen Aspekten des FBP sehr
signifikante Werte. Einzige Ausnahme bildet die Selbsteinschätzung der Führungskräfte, ob
sie selbst Wert auf die Umsetzung der Vereinbarungen legen. Von der Moderation geht ein
sehr signifikanter Effekt ausschließlich auf die Ausführlichkeit der Gespräche aus.
Diesbezüglich ergibt sich ebenso ein signifikanter Wert bei der erlebten Unsicherheit.
Zudem ist die Bedeutung der individuellen Einstellung für das Erleben des Prozesses zu
erwähnen, wobei insbesondere hierzu anzumerken ist, daß aufgrund weiterer Analysen eher
eine umgekehrte bzw. wechselseitige Beziehung anzunehmen ist. Führungskräfte, die den
FBP positiv erlebt haben, geben im Nachhinein eine positivere Einstellung gegenüber der
VGB an und legen auch größeren Wert auf die Umsetzung als Führungskräfte mit einem
weniger gut erlebten FBP.
Ingela Jöns 18
Erlebter FBG-Ablauf
Moderation
Qualität des FBP
FBG - ausführl. Gespräch
FBG - offenes Klima
FBG - Vereinbarungen
VG - Wert auf Umsetzung
FK-Vorbereitung
Qualität
FK-Situation
vorher unsicher
FK-Involvement
Ergebnis überrascht
FK-Einstellung
VGB wichtig
P< .01
p< .05
Abbildung 7: Einflüsse auf die Qualität der Feedbackprozesse aus Sicht der Führungs-kräfte (Ergebnisse der einfaktoriellen, multivariaten Kovarianzanalyse)
Betrachtet man im Vergleich hierzu die Einschätzungen der Mitarbeiter (vgl. Abbildung 8),
dann zeigt sich wiederum kein signifikanter Mittelwertunterschied bei der erlebten Qualität
der FBP (QUAL_FBP). Hinsichtlich der Moderation (QUAL_MOD) zeigt sich ein anderes
Bild. Im Falle der Firma S stimmen die Einschätzungen von Mitarbeitern und
Führungskräften durchschnittlich überein. Hingegen geben die Mitarbeiter der Firmen BD
im Vergleich zu den Führungskräften deutlich häufiger an, daß sie eine neutrale Moderation
im Nachhinein hilfreich fänden. Betrachtet man aber das absolute Ergebnis, welches wie
gesagt aus Gründen der Vergleichbarkeit umgepolt wurde, und vergleicht es mit der
professionellen Moderation, dann kann die Zufriedenheit mit der Moderation durch den
eigenen Vorgesetzten mit einem Mittelwert von 3,5 als eine durchaus positive Bewertung
angesehen werden.
Auffallend ist der sehr hohe Unterschied in der Einschätzung, ob man über die Gesamt-
beurteilung des Vorgesetzten in einzelnen Punkten überrascht war (ERG_über). Sie fällt in
den Fällen mit Moderation deutlich höher aus. Diesbezüglich kann aufgrund der Ergebnisse
der mehrfaktoriellen Varianzanalyse angeführt werden, daß es sich um einen Effekt der
Moderation (F= 21,791; p< .001) handelt und nicht, wie man hätte annehmen können, vom
VGB-Ergebnis (F= 1,910, n.s.) bzw. von der Interaktion dieser beiden Faktoren (F=1,986;
n.s.) abhängt.
Mannheimer Beiträge 3/98 19
3,97
3,93
3,32
2,58
3,24
3,12
3,82
3,51
3,68
3,67
4,22
3,81
1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
Mittelwerte
Einstellung
ERG_über
ZUF_MAS
QUAL_MOD
QUAL_FBP
Information
Firmen BD
Firma S
Abbildung 8: Qualität der Feedbackprozesse aus Sicht der Mitarbeiter.
Da bei den Mitarbeitern auch die VGB-Ergebnisse berücksichtigt werden können, wurden
mehrfaktorielle Kovarianzanalysen zur Qualität der FBP insgesamt sowie jeweils für die
Einzelaspekte gerechnet. (Für multivariate Analysen waren die Voraussetzungen nicht er-
füllt.)
Vergleichbar der Bedeutung der Vorbereitung bei den Führungskräften zeigt sich bei
den Mitarbeitern bezogen auf die Qualität der FBP insgesamt der stärkste Effekt bei der
Information im Vorfeld (F= 26,779; p< .001) gefolgt von der Moderation (F= 5,912; p<.05) sowie von einem schwachen Interaktionseffekt der Faktoren Moderation und VGB-
Ergebnis (F= 3,004; p= .056). Im Vergleich zu den Führungskräften sei noch erwähnt, daß
für die Einstellung der Mitarbeiter bezogen auf den FBP keine signifikanten Werte ermittelt
werden.
Die sich aus diesen Beziehungen ergebenden Ergebnisse für die Faktoren sind auf der
Basis der geschätzten Randmittel, d.h. der um die projektspezifischen und individuellen
Einflüsse bereinigten Mittelwerte, in den Abbildungen 9 bis 11 veranschaulicht.
Ingela Jöns 20
Qualität des FBP
4,16
3,36
3,81
3,65 3,66
3,74
3
3,5
4
4,5
1 2 3
VGB Ergebnis
VorgesetztenModerator
FBG durch
Abbildung 9: FBP-Qualität nach Moderation und VGB-Ergebnis (Geschätzte Rand-mittel, Ergebnisse der mehrfaktoriellen Kovarianzanalyse).
Diese Abbildungen verdeutlichen das unterschiedliche Erleben der FBP in Abhängigkeit
von den VGB-Ergebnissen und der Moderation. Bei moderierten FBG wird die Qualität
tendenziell schlechter beurteilt, insbesondere wenn die Vorgesetzten zur Gruppe mit be-
friedigendem VGB-Ergebnis gehören. Führen die Führungskräfte das FBG selbst durch,
zeigt sich der umgekehrte Effekt.
Bei den Einzelaspekten des FBP, die in eher vorgesetzten- und eher moderationsspezifi-
sche Aspekte unterschieden werden können, zeigt sich auf der um die projektspezifischen
und individuellen Einflüsse bereinigten Basis, daß die Ausführlichkeit und die konkreten
Vereinbarungen in den FBG von Vorgesetzten tendenziell im Mittel jeweils höher ausfällt,
wenn das VGB-Ergebnis gut oder nur befriedigend war. Diese Tendenz zeigt sich auch bei
den vorgesetztenspezifischen Aspekten, d.h. Vorgesetzten mit befriedigendem Ergebnis
wird die vergleichsweise größte Offenheit gegenüber Kritik von den Mitarbeitern attestiert
und noch deutlicher wird angegeben, daß die Vorgesetzten Wert auf die Umsetzung legen.
Mannheimer Beiträge 3/98 21
FBG offen für Kritik
4,33
3,97
4,24
3,59
4
4,26
3
3,5
4
4,5
1 2 3
VGB-Ergebnis
FBG Wert auf Umsetzung
4,1
3,673,61
3,07
3,45
3,73
3
3,5
4
4,5
1 2 3
VGB-Ergebnis
Vorgesetzten Moderator Vorgesetzten ModeratorFBG durch FBG durch
Abbildung 10: Vorgesetztenspezifische FBP-Qualitätsaspekte nach Moderation undVGB-Ergebnis (Geschätzte Randmittel, Ergebnisse der mehrfaktoriellenKovarianzanalyse).
FBG ausführlich
4,24
3,81
4
3,46
3,813,77
3
3,5
4
4,5
1 2 3
VGB-Ergebnis
FBG Vereinbarungen
3,97
3,43
3,14
3,23,39 3,3
3
3,5
4
4,5
1 2 3
VGB-Ergebnis
Vorgesetzten Moderator Vorgesetzten ModeratorFBG durch FBG durch
Abbildung 11: Moderationsspezifische FBP-Qualitätsaspekte nach Moderation undVGB-Ergebnis (Geschätzte Randmittel, Ergebnisse der mehrfaktoriellenKovarianzanalyse).
Ingela Jöns 22
Unabhängig von möglichen, attributionstheoretischen Interpretationen dieser Einstufungen,
die vor allem für die Offenheit und die Umsetzung angenommen werden können, entspricht
das moderationsspezifische Ergebnis dem anzunehmenden höheren Bedarf bei schlechterem
Ergebnis - und damit letztlich der Zielsetzung von VGB.
Demgegenüber weisen die geschätzten Randmittel bei den FBG mit Moderation tenden-
ziell in die umgekehrte Richtung. Dieser Befund stützt die Annahme, daß durch die Mode-
ratoren ein eher einheitlicher Ablauf der FBG erfolgt, der dadurch aber nicht den unter-
schiedlichen Bedürfnissen (je nach Ausgangssituation) ausreichend Rechnung trägt. Sehr
deutlich wird dies bei den konkreten Vereinbarungen, die einheitlich angegeben werden. Die
geringere Einstufung hinsichtlich der Ausführlichkeit bei der Gruppe 3 könnte aufgrund des
höheren Bedarfs aus Sicht der Mitarbeiter resultieren. Bei den vorgesetztenspezifischen
Aspekten entspricht der Befund der Annahme der unterschiedlichen Rollenübernahme und -
attribution bei neutraler Moderation.
4.3 Ergebniseffizienz des Führungsfeedbacks
An diese Befunde zur Prozeßeffizienz schließen sich unmittelbar die Ergebnisse zur Ergeb-
niseffizienz an, wozu als erstes die Effizienz nach den drei Varianten der FBP betrachtet
werden sollen.
Über alle Gruppen hinweg bestätigen die Ergebnisse die deutliche Überlegenheit von
VGB-Projekten mit FBG. Ohne FBG wird die Verbesserung des Vorgesetztenverhaltens im
Mittel mit 2,3 (gegenüber mit FBG MW= 2,9; mit mod. FBG MW= 2,8) und die Verbesse-
rung der Zusammenarbeit sogar nur mit 1,9 (gegenüber mit FBG MW= 2,5; mit mod. FBG
MW= 2,9) angegeben, was der Antwortkategorie “trifft eher nicht zu” entspricht. Demge-
genüber stellen die Mitarbeiter mit FBG zumindest eine “teils-teils”-Verbesserung fest.
Beim Vergleich bezüglich der Moderation fällt auf, daß bei moderierten FBG die
Verbesserungen im Verhalten und in der Zusammenarbeit durchschnittlich gleich eingestuft
werden, während bei den FBG durch den Vorgesetzten eine höhere Veränderung im Vor-
gesetztenverhalten angegeben wird. Diese einheitliche Einschätzung in der Firma S
gegenüber der differenzierten Beurteilung in den Firmen BD wird noch deutlicher, wenn
man die VGB-Ergebnisse berücksichtigt. Da sich die Ergebnisse der Gruppen 1 und 2 nicht
wesentlich unterscheiden und bei sehr guter VGB in der Ausgangssituation nur noch
Mannheimer Beiträge 3/98 23
begrenzt Verbesserungsmöglichkeiten bestehen, werden die Ergebnisse der Gruppe 2 und 3
einander gegenüber gestellt (vgl. Abbildung 12).
3,58
2,53
3,26
2,56
2,68
3
2,17
2,97
1 1,5 2 2,5 3 3,5 4
Mittelwerte
VERHALT
ZUSARB
VERHALT
ZUSARB
mit mod. FBG
mit FBG
gering hoch
V G
B 2
V G
B 3
Abbildung 12: Vergleich der Ergebniseffizienz nach Art des Feedbackgesprächs undVGB-Ergebnis aus Sicht der Mitarbeiter.
Die Verbesserungen im Verhalten und in der Zusammenarbeit fallen für die Gruppe 3 der
Firma S deutlich schlechter als für die Gruppe 2 der Firma S und ebenso schlechter als bei
den Firmen BD aus, bei welchen sich die höchsten positiven Ergebnisse für die Gruppe 3
zeigen. Insofern entsprechen die Befunde zur Ergebniseffizienz der erlebten Qualität bzw.
Effizienz der FBP. Zusätzlich sei angeführt, daß bei einer Betrachtung der geschätzten
Randmittel, welche bereinigt um die projektspezifischen und individuellen Einflüsse in
mehrfaktoriellen Kovarianzanalysen ermittelt wurden, sich beim Verhalten für alle Gruppen
ein positiveres Mittel für die FBG durch Vorgesetzte ergibt, während sich bei der Zu-
sammenarbeit das Bild zum absoluten Ergebnis nicht verändert, d.h. die FBG durch Vorge-
setzte weisen nur bei der Gruppe 3 eine höhere Effizienz bezüglich der Zusammenarbeit auf.
Abschließend sollen noch die Zusammenhänge der verschiedenen Aspekte mit der Qua-
lität der Moderation und der Ergebniseffizienz auf der Basis der bivariaten Korrelationen
betrachtet werden. Die signifikanten Korrelationen sind in der Abbildung 13 und Abbildung
14 jeweils für die beiden Varianten der FBG eingezeichnet.
Ingela Jöns 24
Prozeß-Effizienz
Moderation
Ergebnis-Effizienz
Zusammenarbeit
Qualität des FBP
FBG - ausführl. Gespräch
FBG - offenes Klima
FBG - Vereinbarungen
VG - Wert auf Umsetzung
FK-Vorbereitung
Qualität
FK-Involvement
Ergebnisüberrascht
FK-Einstellung
VGB wichtig
Korrelationen nach FBG durch Vorgesetzten Moderator
FK-Situation
vorher unsicher
ungewohnt
Abbildung 13: Einflüsse auf die Effizienz aus Sicht der Führungskräfte.
Für die Führungskräfte ergibt sich demnach folgendes Bild:
Wenn Vorgesetzte das FBG selbst durchführen, dann erleben sie einen engen Zusam-
menhang zwischen der Qualität des FBG und der Verbesserung der Zusammenarbeit. Bei
den Führungskräften wurde keine Selbsteinschätzung zur Verhaltensänderung erhoben.
Auffallend ist aber, daß sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Selbsteinschät-
zung, ob man Wert auf die Umsetzung legt, und der Verbesserung der Zusammenarbeit
zeigt. Weiterhin sei der Zusammenhang zwischen dem Erleben des FBG als ungewohnte
Situation und der Qualität der Moderation, inwieweit man eine neutrale Moderation hilf-
reich fände, hervorgehoben. Diese beiden Aspekte stehen in keinem Zusammenhang mit der
Verbesserung der Zusammenarbeit.
Demgegenüber zeigt sich bei FBG mit Moderation kein direkter Zusammenhang
zwischen der Qualität des FBP und der Verbesserung der Zusammenarbeit. Diese wird
lediglich in Abhängigkeit von der Vorbereitung und der Moderation beurteilt, wobei die
Moderation selbst ebenso wenig im Zusammenhang mit der Qualität der FBG bzw. lediglich
mit den konkreten Vereinbarungen gesehen wird.
Insgesamt sprechen die Befunde dafür, daß Vorgesetzte einen direkten Zusammenhang
zwischen dem FBP und der Verbesserung erleben, wenn sie die Rolle im FBG selbst über-
nommen haben. Demgegenüber wird der FBP bei neutraler Moderation primär als ein
“externer” Prozeß erlebt.
Mannheimer Beiträge 3/98 25
Korrelationen nach FBG durch Vorgesetzten Moderator
Prozeß-Effizienz
Moderation
Qualität des FBP
FBG - ausführl. Gespräch
FBG - offen für Kritik
FBG - Vereinbarungen
VG - Wert auf Umsetzung
VGB-Information
Qualität
MA-Involvement
Ergebnis überrascht
MA-Einstellung
VGB wichtig
Ergebnis-Effizienz
Verhalten
Zusammenarbeit
VGB-Ergebnis
Abbildung 14: Einflüsse auf die Effizienz aus Sicht der Mitarbeiter.
Die Zusammenhänge, welche jeweils ohne die Gruppe 1 mit sehr gutem VGB-Ergebnis
ermittelt wurden, stellen sich bei den Mitarbeitern wie folgt dar:
Wenn der jeweilige Vorgesetzte das FBG selbst durchgeführt hat, steht die Ergebnis-
effizienz auch für die Mitarbeiter in Zusammenhang mit der Qualität des FBP sowie mit der
Information im Vorfeld. Kein Zusammenhang zeigt sich mit der Moderation, d.h. ob man
sich im Nachhinein eine neutrale Moderation wünscht, für welche sich lediglich ein Zusam-
menhang zur Information im Vorfeld ergibt.
Bei den FBG mit neutraler Moderation zeigt sich, daß die Mitarbeiter im Unterschied zu
den Führungskräften die Verbesserungen durchaus im Zusammenhang mit dem FBP, und
zwar mit den vorgesetztenspezifischen Qualitätsaspekten, sehen. Dabei ergibt sich gleich-
zeitig ein Zusammenhang zwischen der Moderation und der Verbesserung, wobei die
Moderation unabhängig vom FBP gesehen wird. Der einzige signifikante Zusammenhang
besteht hier mit der Einschätzung, ob man über die Gesamtbeurteilung überrascht war, und
zwar mit negativem Vorzeichen. D.h. je höher die Mitarbeiter die Überraschung angeben,
um so weniger hilfreich wird die Moderation erlebt.
Insgesamt sprechen die Befunde dafür, daß für die Mitarbeiter das Verhalten des Vorge-
setzten im FBP für die Ergebniseffizienz von Bedeutung ist. Darüber hinaus deutet der
negative Zusammenhang zwischen der Überraschung und der Moderation bei den mode-
rierten FBG darauf hin, daß die Moderation zumindest auch als Störfaktor erlebt werden
kann.
Ingela Jöns 26
5 Zusammenfassende Diskussion
Faßt man die Ergebnisse dieser Evaluationsstudien zusammen, kann als erstes festgehalten
werden, daß VGB-Projekte ohne FBG zu keiner Verbesserung aus Sicht der Mitarbeiter
führen. Dieser Befund bestätigt somit die inzwischen verbreitete Überzeugung, daß sich an
die schriftliche Rückmeldung an Vorgesetzte stets Gespräche mit den Mitarbeitern an-
schließen sollten.
Als nächstes stellt sich dann die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen
Führungskräfte ein FBG durchführen, wobei hier von der erstmaligen Durchführung eines
VGB-Projektes ausgegangen wird. Wenn Führungskräfte bereits FBG erlebt haben, was
anhand der drei Projekte nicht untersucht werden konnte, werden diese Erfahrungen
sicherlich bei der Wiederholung von Bedeutung sein.
Im Anschluß an die Ergebnisse zur Durchführung von FBG läßt sich feststellen, daß eine
Empfehlung, eine KANN-Verpflichtung, ohne gezielte Vorbereitung auf FBG nicht aus-
reicht, da Führungskräfte von sich aus eher selten dieses Gespräch suchen. Eine deutlich
höhere Durchführungsquote kann bei einer SOLL-Verpflichtung und einer kollektiven Vor-
bereitung, wie im Falle der Firma D, erreicht werden. Allerdings liegt auch hier die Quote
lediglich bei ca. 60 %, was letztlich nicht befriedigen kann. Insofern ist eine MUSS-
Verpflichtung zu empfehlen, die aber nicht mit einer Moderation einher gehen muß.
Wenn man nämlich die Ergebnisse zur Effizienz unter Berücksichtigung des Verbesse-
rungsbedarf aufgrund der Beurteilung in der Ausgangssituation und insbesondere die
Ergebnisse zur erlebten Rollenübernahme der selbst- mit den fremdmoderierten FBG mitein-
ander vergleicht, dann sprechen die Befunde für selbstmoderierte FBG.
Die Überlegenheit der FBG durch Vorgesetzte zeigt sich insbesondere bei den berei-
nigten Ergebnissen, wenn die Einflüsse der Information im Vorfeld, die Überraschung über
die Ergebnisse und die individuellen Einstellungen herausgerechnet werden. Dann ergibt
sich sogar bei allen Gruppen eine höhere Ergebniseffizienz hinsichtlich der Verbesserung
des Vorgesetztenverhaltens bei selbstmoderierten FBG. Lediglich hinsichtlich der Verbes-
serung der Zusammenarbeit bei den sehr gut und gut beurteilten Vorgesetzten erzielen die
fremdmoderierten FBG eine höhere Effizienz. Eine mögliche Begründung ist darin zu sehen,
daß neutrale Moderatoren sich im FBG leichter tun, auch die Mitarbeiter sozusagen “mit in
die Pflicht zu nehmen”, d.h. den Akzent auch auf die Zusammenarbeit zu legen.
Demgegenüber werden Vorgesetzte, allein aus Gründen der glaubwürdigen Vermittlung
Mannheimer Beiträge 3/98 27
ihrer Kritik- und Veränderungsbereitschaft, in einem ersten solchen Gespräch mehr von sich
selbst ausgehen und weniger die gleichzeitige Verantwortung der Mitarbeiter für die
Zusammenarbeit thematisieren.
Aus den verschiedenen Analysen geht auch hervor, daß der Information und Vorberei-
tung im Vorfeld, welche bei der Projektvariante mit Moderation und individueller
Betreuung der Vorgesetzten und Mitarbeitergruppen besser beurteilt wurden, eine hohe
Bedeutung für den anschließenden FBP zukommt. Daraus folgt, daß bei der Durchführung
von VGB-Projekten auf eine sehr gute Vorbereitung der Vorgesetzten und Mitarbeiter Wert
gelegt werden sollte.
Auf der Basis der untersuchten Projekte, die jeweils für eine spezifische Kombination
aus Vorbereitung und Moderation stehen, kann die generelle Überlegenheit einer indivi-
duellen Betreuung oder kollektiven Vorbereitung nicht gefolgert werden. Da die kollektive
Veranstaltung für einen allgemeinen Kulturwandel zusätzliche Vorteile bietet (vgl. Jöns,
1997b), auf welche hier nicht näher eingegangen werden konnte, wäre ein individuelles
Coaching bei selbstmoderierten FBG als zusätzliche Unterstützung sicherlich eine interes-
sante Variante.
Abschließend ist anzumerken, daß es sich um eine erste Evaluationsstudie dieser Art
handelt, nur 3 Firmen mit spezifischen Varianten untersucht wurden und viele Aspekte der
Projektverläufe nicht kontrolliert werden konnten, so daß einerseits die Ergebnisse sicher-
lich nicht generalisiert werden können. Andererseits kann aber eine Generalisierung dahin
gehend erfolgen, daß pauschale Effizienzbetrachtungen, wie man sie in der Literatur findet,
der Komplexität der Wirkungen bzw. der Interaktion in derartigen Feedbackprozessen nicht
gerecht werden.
Wenngleich man auf der Basis dieser Studie selbstmoderierte Feedbackprozesse
sicherlich nicht generell empfehlen kann, so kann man aber umgekehrt auch nicht die häufig
anzutreffende Behauptung aufrecht erhalten, daß Feedbackkonzepte mit Einsatz von Mode-
ratoren die höchsten Erfolgsaussichten versprechen.
Ingela Jöns 28
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AutorinDr. Ingela Jöns, Lehrstuhl für Wirtschafts- und Organisationspsychologie
Universität Mannheim, Schloß, Ehrenhof Ost 248, 68131 Mannheim
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