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19. Wahlperiode Stenografischer Bericht 18. Sitzung des Haushaltsausschusses 17. Juni 2015, 10:08 bis 17:08 Uhr Anwesend: Vorsitzender: Abg. Wolfgang Decker (SPD) CDU Abg. Lena Arnoldt Abg. Jürgen Banzer Abg. Klaus Dietz Abg. Hartmut Honka Abg. Dirk Landau Abg. Michael Reul Abg. Günter Schork Abg. Peter Stephan Abg. Astrid Wallmann Abg. Kurt Wiegel SPD Abg. Brigitte Hofmeyer Abg. Gerald Kummer Abg. Angelika Löber Abg. Norbert Schmitt Abg. Torsten Warnecke Abg. Marius Weiß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Abg. Sigrid Erfurth Abg. Eva Goldbach Abg. Frank-Peter Kaufmann DIE LINKE Abg. Willi van Ooyen FDP Abg. Wolfgang Greilich Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn

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19. Wahlperiode

Stenografischer Bericht 18. Sitzung des Haushaltsausschusses 17. Juni 2015, 10:08 bis 17:08 Uhr Anwesend: Vorsitzender: Abg. Wolfgang Decker (SPD) CDU Abg. Lena Arnoldt Abg. Jürgen Banzer Abg. Klaus Dietz Abg. Hartmut Honka Abg. Dirk Landau Abg. Michael Reul Abg. Günter Schork Abg. Peter Stephan Abg. Astrid Wallmann Abg. Kurt Wiegel

SPD Abg. Brigitte Hofmeyer Abg. Gerald Kummer Abg. Angelika Löber Abg. Norbert Schmitt Abg. Torsten Warnecke Abg. Marius Weiß

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Abg. Sigrid Erfurth Abg. Eva Goldbach Abg. Frank-Peter Kaufmann

DIE LINKE

Abg. Willi van Ooyen

FDP Abg. Wolfgang Greilich Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn

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Zi/ne – 2 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Fraktionsassistentinnen und Fraktionsassistenten:

Stefan Schmidt (Fraktion der CDU) Robert Martin (Fraktion der SPD) Dr. Michael Buss (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Stefan Würzbach (Fraktion DIE LINKE) Tobias Kress (Fraktion der FDP) Landesregierung, Rechnungshof, Landtagskanzlei:

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Zi/ne – 3 – HHA/19/18 – 17.06.2015

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Zi/ne – 4 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Anwesende Anzuhörende Institution Name Hessischer Landkreistag

Präsident Erich Pipa Geschf. Direktor Christian Engelhardt Direktor Dr. Jan Hilligardt Referatsleiter Daniel Rühl

Hessischer Städte- und Gemeind-ebund

Geschf. Direktor Schelzke Direktor Backhaus Präsident Schäfer Vizepräsident Semler Bürgermeister Carle Herr Jung

Hessischer Städtetag

Präsident Bertram Hilgen Vizepräsident Horst Burghardt Stadtkämmerer Axel Imholz Direktor Dr. Jürgen Dieter

Landeswohlfahrtsverband Hessen

Herr Landesdirektor Uwe Brückmann Herr Ackermann, Leiter des Fachbereichs Finan-zen

Prof. Dr. jur. Kyrill-A. Schwarz

JLU Gießen, FB Wirtschaftswissenschaften Professur VWL II: Öffentliche Finanzen

Kerstin Kümpel

Kanzlei Rödl & Partner Köln Gerhard Richter

PricewaterhouseCoopersAG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Peter Detemple Thorsten Schramm

Technische Universität Kaiserslautern

Prof. Dr. Martin Junkernheinrich

WilmerHale Prof. Dr. Hans-Georg Kamann

Dr. Peter Gey Christian Schwedler

Kreis Bergstraße

Landrat Matthias Wilkes

Landkreis Marburg-Biedenkopf

Landrätin Kirsten Fründt

Kreis Bergstraße Dezernat II

Hauptamtlicher Kreisbeigeordneter Matthias Schimpf Herr Medert

Stadt Bad Homburg v. d. Höhe Fachbereichsleiter Finanzen Meinhard Matern

Stadt Friedrichsdorf

Bürgermeister Horst Burghardt

Stadt Gernsheim

Bürgermeister Peter Burger Marco Himmelmann

Stadt Gießen

Bürgermeisterin Gerda Weigel-Greilich

Stadt Lauterbach

Bürgermeister Rainer-Hans Vollmöller

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Zi/ne – 5 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Institution Name Stadt Schwalbach Der Magistrat

Bürgermeisterin Christiane Augsburger

Kreisstadt Eschwege

Stadtverordneter Alexander Feiertag

Stadt Bensheim

Stadtrat Adil Oyan

Stadt Bad Nauheim

Erste Stadträtin Brigitta Nell-Düvel

Stadt Offenbach am Main

Stadtrat Dr. Felix Schwenke Markus Riedl

Gemeinde Jossgrund

Bürgermeister Rainer Schreiber

Gemeinde Ludwigsau Rathaus

Bürgermeister Thomas Baumann

Arbeitsgemeinschaft der hessi-schen Industrie- und Handelskammern

Dr. Mathias Leder, Hauptgeschäftsführer IHK Gießen-Friedberg, Michael Römer, Referatsleiter Steuern IHK Gießen-Friedberg

Bund der Steuerzahler Hessen e. V.

Vorsitzender Joachim Papendick

DGB Bezirk Hessen-Thüringen

Dr. Kai Eicker-Wolf

VLK-Hessen e. V.

Oberbürgermeister Dette

Protokollierung: Peter Flühr Petra Dischinger RDir Hanns Otto Zinßer RDir Detlef Spalt VA Jonas Decker

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Fl – 6 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Öffentliche mündliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Neuregelung der Finanzbe-ziehungen zwischen Land und Kommunen – Drucks. 19/1853 – hierzu: Stellungnahmen der Anzuhörenden – Ausschussvorlage HHA/19/10 –

(Teil 1 und Teil 2 am 08.06., Teil 3 am 11.06.15 verteilt) Gutachten der Firma PwC – Ausschussvorlage HHA/19/14 –

(verteilt am 09.06.15) Gutachten des Herrn Prof. Dr. Hans-Georg Kamann – Ausschussvorlage HHA/19/15 – (eingegangen und verteilt am 10.06.15) Vorsitzender: Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle sehr herzlich zur 18. Sitzung des Haushaltsausschusses. Dies ist, wie allgemein be-kannt, eine öffentliche Sitzung, und zwar speziell zur öffentlichen mündlichen Anhörung des Gesetzes zur Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs in Hessen. Ich darf Sie alle sehr herzlich begrüßen. Für die Landesregierung begrüße ich Herrn Staatsminister Dr. Thomas Schäfer. Ich begrüße Herrn Dr. Wallmann für den Hessischen Rechnungshof. Außerdem darf ich eine ganze Reihe von Gästen begrüßen, für die ge-samte kommunale Familie, die hier einen großen Teil der Anzuhörenden heute stellt, sich aber auch teilweise auf der Besuchertribüne befindet. Ich darf die drei Präsidenten herzlich begrüßen: für den Hessischen Landkreistag Herrn Landrat Erich Pipa, für den Hessischen Städtetag Herrn Oberbürgermeister Bertram Hilgen und für den Hessischen Städte- und Gemeindebund dessen Präsident Herrn Bürgermeister Karl-Heinz Schäfer. Herzlich begrüße ich natürlich auch meinen Landesdirektor des Landeswohlfahrtsver-bandes Hessen, Herrn Uwe Brückmann; auch Ihnen ein herzliches Willkommen. Wir haben heute eine Reihe von Gutachtern hier. Ich begrüße Herrn Prof. Dr. Schwarz und Herrn Detemple. Es sind uns auch Herr Prof. Dr. Bontrup und Herr Prof Dr. Junkern-heinrich angekündigt worden und, vertretend für Herrn Prof. Dr. Kamann, Herr Dr. Peter Gey und Herr Christian Schwedler. Neben der großen kommunalen Familie haben wir auch Vertreter aus den Verbänden und Organisationen. Für die Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerkskammern den Büroleiter Herr Dr. Christoph Gelking, für die Arbeitsgemeinschaft der hessischen Industrie- und Handelskammern Herrn Römer und Herrn Dr. Mathias Leder. Für den Bund

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Fl – 7 – HHA/19/18 – 17.06.2015 der Steuerzahler Hessen e. V. war uns Herr Joachim Papendick avisiert und für den DGB-Bezirk Hessen-Thüringen Herr Dr. Kai Eicker-Wolf. Natürlich begrüße ich die Damen und Herren oben auf der Tribüne sehr herzlich wie überhaupt die Damen und Herren aus den einzelnen Häusern, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und die Damen und Herren Kollegen Abgeordneten. Sollte ich jemanden im Saal vergessen haben, zu begrüßen, sehe er es mir bitte nach. Auch er oder sie sind uns herzlich willkommen. Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen nach dieser Begrüßung noch einige Hinweise zu den Regularien geben. Wir haben uns darauf verständigt – ich hoffe, dass das auch in Ihrem Sinne ist –, diese Anhörung möglichst ohne Pause heute zügig durchzuziehen. Ich wage nicht, eine zeitliche Prognose abzugeben. Wir haben einmal gesagt, wir müs-sen in jedem Fall mit vier Stunden rechnen. Es könnte auch etwas mehr werden. Das hängt von uns allen ab, wie zügig wir dann nachher in dem weiteren Verfahren vorge-hen. Zu der Abfolge darf ich noch einmal kurz Folgendes sagen: Wir haben Ihnen schon eine kurze Vorankündigung gegeben, wie wir das für heute geplant haben. Wir starten – das liegt in der Sache nahe, da es hier um die kommunalen Finanzen geht –, natürlich wie immer mit unseren kommunalen Spitzenverbänden. Jeder Spitzenverband hat bei sei-nem Eingangsstatement ein Zeitfenster von etwa 15 Minuten; so war es vereinbart, und danach kommt der Landeswohlfahrtsverband. Wir werden dann eine erste Fragerunde der Ausschussmitglieder einschieben. Danach hören wir dann die Damen und Herren Sachverständigen mit etwa jeweils zehn Minuten. Danach machen wir eine zweite Fragerunde der Ausschussmitglieder. Sodann haben die anderen zahlreichen Vertreter der kommunalen Ebene die Gelegenheit für ein Statement zwischen fünf und sieben Minuten. Es schließt sich eine zweite Runde der kommunalen Spitzenverbände an, unmittelbar darauf, auch noch einmal mit fünf bis sieben Minuten. Dann kommt die dritte Fragerunde der Ausschussmitglieder, sodann kommen die Organisationen und Verbände zu Wort mit fünf bis sieben Minuten Rede-zeit, dann noch die vierte Fragerunde der Ausschussmitglieder. Zum Schluss machen wir noch einmal eine ganz allgemeine Abschlussrunde, bei der jeder noch einmal die Ge-legenheit hat, sich eventuell zu Wort zu melden. Wir haben vereinbart, dass die Statements hier vorne am Rednerpult abgegeben wer-den. Das ist, glaube ich, ganz praktikabel. Wenn wir dann anschließend in die Frage-runde eintreten, also zwischen den Ausführungen der Damen und Herren Kollegen Ab-geordneten und den einzelnen Anzuhörenden, wird das jeweils vom Platz aus gemacht, sonst hätten wir ein „Sechstagerennen“, weil dann zum Rednerpult ständig hin und her gelaufen werden müsste. Das ist, glaube ich, nicht ganz praktikabel. Dazu finden Sie, jeder an seinem Platz, ein kleines Pultmikrofon. Wir versuchen, das so gut wie möglich von hier oben aus zu steuern, sodass dann auch Fragesteller und Antwortgeber in der zeitlichen Reihenfolge zueinanderfinden. Ich möchte Sie noch darauf hinweisen, dass während der Sitzung der Hessische Rund-funk Bild- und Tonaufnahmen macht. Darauf hat sich der Haushaltsausschuss schon in der vorangegangenen Sitzung verständigt. Es war natürlich zu erwarten, dass bei einem solch wichtigen Thema eine Anfrage kommt. Also stören Sie sich bitte nicht daran, wenn währenddessen Film- und Tonaufnahmen gemacht werden und natürlich auch Fotografen da sind. Wir haben aber darum gebeten, dass der Raum in der Mitte frei bleibt, damit die Anhörung nicht gestört wird.

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Fl – 8 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Meine Damen und Herren, dann bleibt mir von der Stelle aus nur noch einen guten Ver-lauf für die Anhörung zu wünschen, vor allen Dingen einen reibungslosen und natürlich auch einen ergebnisreichen Verlauf. Ich würde vorschlagen, dass wir dann auch mit der Anhörung beginnen. Mir ist von den kommunalen Spitzenverbänden signalisiert worden, dass der Präsident des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, Herr Karl-Heinz Schäfer, anfängt. – Bitte schön, Sie haben das Wort. Herr Schäfer: Sehr verehrter Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren Landtagsab-geordnete, sehr geehrter Herr Minister! Gut zwei Jahre nach dem Alsfeld-Urteil und, wie ich denke, einem sehr intensiven Meinungsaustausch auf der Sach-, der Fachebene und weiteren Ebenen, darf ich, will ich und muss ich für den Hessischen Städte- und Gemeindebund als Vertreter der kreisangehörigen Kommunen, in denen, nebenbei bemerkt, round about fünf Millionen Menschen leben, für die wir Sorge tragen, Folgen-des zur Anhörung bringen. Lassen Sie mich einer persönlichen Gewohnheit folgen und verzeihen Sie es mir für ei-nen Satz, in die Sprache der Altvorderen zurückzufallen, die ja auch versucht haben, in ihrer Zeit ein geordnetes Staats- und Finanzwesen aufzubauen. Sie sind an die Probleme herangegangen, indem sie gesagt haben: „Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.“ – Die Übersetzung erfolgt am Ende des Beitrags. Zur sedes materiae. Unser Staatsgerichtshof hat unserem Landesgesetzgeber aufgege-ben, die kommunale Selbstverwaltung als verfassungsrechtliches Ziel zu gewährleisten und ihr die dazu notwendige bedarfsgerechte, angemessene und zielerfüllungsermög-lichende finanzielle Ausstattung zu gewähren. Wir haben feststellen dürfen, dass das Finanzministerium mit Eifer, mit Akribie, mit Ehrgeiz und mit Cleverness einen Gesetzent-wurf erarbeitet hat, der in vielen Teilen durch die Bemühungen unseres Verbandes mit einer Fülle von klugen Hinweisen beeinflusst werden konnte. Gleichwohl müssen wir feststellen: Dem vorliegenden Entwurf wohnt ein Kardinalfehler inne. Die geistigen Urheber desselben haben weder die Intention des Grundgesetzes, noch der Hessischen Verfassung und noch weniger die Zielvorgaben des Staatsge-richtshofes in sachgerechter Weise verstehen wollen. Umgesetzt haben sie sie nicht, so-weit wir das aus dem Gesetzentwurf entnehmen können. Denn nicht der Leitgedanke einer bedarfsgerechten kommunalen Finanzausstattung war das Ziel, sondern, vom En-de her denkend, war es das Ziel, offenbar einen bestimmten Betrag in das System ein-zuspeisen und diesen als bedarfsgerecht zu definieren. Korridormodell, Ausnahmeüber-legungen, die derzeit nicht akuten und aktuellen Ausgangszahlen zur Berechnung bil-den die Architektur eines Kommunalen Finanzausgleichs 2016, der der Aufgabenstel-lung aus unserer Sicht nicht gerecht wird und auch nicht gerecht werden kann und deshalb auch in der vorliegenden Form unsere Zustimmung nicht erfährt. Wir sagen Ihnen: Wenn das Gesetz in der Entwurfsform verabschiedet werden sollte, werden Sie dafür verantwortlich sein, das Perpetuum mobile des kommunalen Prekariats erfunden zu haben, aber auch zumindest an der Pulverisierung der lokalen Demokratie stark mitgewirkt zu haben. Wenig Ruhm, meine Damen, meine Herren! In aller Bescheidenheit der mir möglichen Beurteilung kann ich mir auch nicht vorstellen, dass der Landesgesetzgeber dieses Ziel mitträgt und auch anstreben wollte. Daher las-sen Sie uns in der gebotenen Eile, aber auch Gründlichkeit darüber nachdenken, wie Unheil vermieden werden kann. Der Hessische Städte- und Gemeindebund hat in vielen

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Fl – 9 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Beiträgen in besonderem und in sachverständigem Maße zu dem vorhergehenden Meinungsaustausch Hinweise geben können. Eine mehr als 30-seitige Stellungnahme liegt Ihnen vor. Ich empfehle eine gründliche Lektüre. Zehn Punkte, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind es, die wir Ihnen als Gesetz-geber in besonderer Weise ans Herz legen wollen. Wir nennen es „grundsätzlicher Ver-besserungsbedarf“. Erstens. Die Ausgestaltung des sogenannten Stabilitätsansatzes – wirkliche Stabilität kann in der Ausgestaltung des Gesetzentwurfes nicht vermittelt werden – führt zu einer erneuten Kürzung der Finanzzuweisungen an die Kommunen. Zweitens. Die Zuschussbedarfe für Pflichtaufgaben sind klein. Drittens. Die Steuereinnahmen der Kommunen sind auf durch Ausreißer nach oben ver-zerrte Durchschnittsbildung hochgerechnet worden. Viertens. Der vom Staatsgerichtshof beschriebene weitergehende Anspruch auf eine angemessene Finanzausstattung ist nach unserer Auffassung unzureichend abgebildet. Fünftens. Da auch bei den Landkreisen von einer mängelbehafteten und damit nicht ausreichenden Bemessung des Finanzbedarfs ausgegangen werden muss, ist die Aus-gestaltung der Kreisumlage-Erhebung für die Gemeinden weder im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben, noch als sinnvoll oder gar praktikabel zu sehen. Sechstens. Die Belastungen aus der Kinderbetreuung sind zwar dankenswerterweise zu hundert Prozent in die Bedarfsermittlung einbezogen worden, eine finanzkraftunabhän-gige Erstattung der Mehrbelastungen aus der U-3-Betreuung fehlt allerdings. Siebtens. Der Wegfall der allgemeinen Investitionspauschale und der Schulbaupau-schale ist aus unserer Sicht nicht als sinnvoll anzusehen. Achtens. Die Solidaritätsumlage wird aus unserer Sicht abgelehnt und sollte entfallen. Neuntens. Die Abgrenzung pflichtiger und freiwilliger Aufgabenwahrnehmung ist nicht nachvollziehbar. Zehntens. Die auf der Grundlage des neuen Rechts zu erwartenden Schlüsselzuweisun-gen und Umlagegrundlagen müssen nach dem Gesetzesbeschluss rasch an die Ge-meinden und Gemeindeverbände bekanntgegeben werden, damit sie in der Lage sind, adäquat zu handeln. Das ist mir eine Bitte und hängt von der praktischen Möglich-keit des Vollzugs ab. Diese zehn Punkte sind Kern der umfangreichen Stellungnahme, die Ihnen schriftlich vorliegt. Sie werden sie bestens nachvollziehen können. Ich empfehle Ihnen, sehr ver-ehrte Damen und Herren Landtagsabgeordnete, als diejenigen, die in ihren Wahlkrei-sen mit scharfer Beobachtung rechnen dürfen, dies auch zu tun. Den dortigen Bürger-schaften wird nicht verborgen bleiben, wer vor Ort für die zu vollziehenden Abgaben-erhöhungen verantwortlich ist. Ich denke, dass die kommunalen Verantwortlichen auch dafür Sorge tragen werden. Sie sind bereit und in der Lage dazu, es ihren Einwohnern so zu erläutern, dass das Gefühl, was derzeit überall entstanden ist, man wolle uns das letz-te Hemd nehmen, nicht Weiterverbreitung erfährt. Sie haben es in der Hand.

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Fl – 10 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Final: Wie kommen Sie, wie kommen wir alle aus dem Dilemma einer Fehlinterpretation des Staatsgerichtshofurteils heraus? Wägen Sie wohl als Gesetzgeber, korrigieren Sie den Entwurf, vor allem die dem Entwurf zugrunde liegende Fehleinschätzung, die aus höchstem Munde auch als Grätsche gegen die Kommunen und einen Tort, den wir uns selber angetan hätten, betrachtet wird. Ich sage Ihnen: Anlass zu der Klage für das Alsfeld-Urteil, war etwas anderes. Das gerät langsam in Vergessenheit. Es sind im Jahre 2011 erstmals ca. 350 Millionen € der Verfü-gungsmöglichkeit der Kommunen, als der KFA verkürzt wurde, entzogen worden. Inzwi-schen rechnen wir mit über 2 Milliarden €, die in dieser Zeit entstanden sind, die uns auch fehlen. Das wollen Sie bei Ihrer Betrachtung auch des Urteilstextes in Ihre Beurtei-lung mit einbeziehen. Es war die schiere Not, die uns veranlasst hat, das Verfahren in Gang zu setzen. Aber es ist auch keine Grätsche gegenüber der kommunalen Selbstverwaltung. Ich denke, wenn das Urteil vernünftig und auch den Intentionen des Staatsgerichtshofes entsprechend gewürdigt wird, dann haben wir eine ganz andere Ausgangslage für ein Grundverständnis, was bedarfsgerechte Ausstattung bedeutet. Ich darf Sie bitten und auffordern, mit uns zwischen erster, zweiter und dritter Lesung des Gesetzes in einen Diskurs einzutreten, der einen Exit zulässt, der auch die Möglichkeit anderer Interpretationen – Sie wissen, Juristen können über alles gut streiten – zulässt, und zwar eine wohlverstandene Interpretation der Aufgabenstellung des Landes für die Kommunen. Mir erscheint dies möglich, wenn neben der Abarbeitung der genannten zehn Punkte in einem ersten Schritt zumindest drei elementare Voraussetzungen in Ihr Gehör und Ihren Entscheidungsgang gelangen. Das Erste. Wir wehren uns vehement dagegen, dass die Kommunen unwirtschaftlich handelten. Der bisherigen Entwurfsgrundlage wohnt ja inne, dass deshalb bei der Be-darfsermittlung neun Prozent, wie ich jetzt höre, seien es nur noch etwa 8,1 Prozent, ab-gezogen werden. Da reden wir über Größenordnungen, die bei 900 Millionen € bis 1 Milliarde € liegen. Das kann nicht sein, das nehmen wir auch nicht so hin. Wir erwarten eine Vollausstattung, wie sie sich gehört. Das Zweite, das, denke ich, problemlos zu erledigen wäre, ist: Wenn Bundesmittel zur Verfügung gestellt werden, dann haben diese ungeschmälert in die Kassen der Kom-munen zu kommen. Dafür sind sie gedacht. Sie dürfen nicht dazu verwendet werden, dass sie den Einnahmen der Kommunen zugerechnet werden, damit die Bedarfe sin-ken. Das ist für uns nicht akzeptabel. Es ist auch sicher in Berlin so nicht gewollt. Also: Bundesmittel gehören vor die Klammer und spielen im KFA keine Rolle, um es holz-schnittartig zu sagen. Das Dritte ist, und da meine ich, sei genügend politischer Bewegungsspielraum: Es ist beabsichtigt, dass eine Beteiligung am Steuermehraufkommen erfolgen soll. Es ist von einem Drittel zugunsten der Kommunen, von einem Drittel zugunsten des Landes und von einem weiteren Drittel für den Sparstrumpf für schlechte Zeiten die Rede. Ich meine, es sei allenfalls und mindestens angemessen, wenn hier eine 50-Prozent-Aufteilung er-folgte, 50 Prozent für die Kommunen, und das auch nur mindestens, ansatzweise und in einem ersten Schritt. Wenn Sie bei diesen drei Stellschrauben mit uns weiter nachdenken, dann, meine ich, können wir mit der Erfüllung dieser Anregungen zu einem auch halbwegs vernünftigen Ergebnis in einer ersten Phase der weiteren Behandlung kommen. Das sollten wir dann

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Fl – 11 – HHA/19/18 – 17.06.2015 auch durch ein externes Monitoring begleiten lassen, damit wir zeitnah auch an den kleineren Stellschrauben eine Aktualität der zugrunde liegenden Zahlen und Bedarfe herbeiführen können. Das, meine ich, sei nicht nur unsere Pflicht, sondern die schuldigs-te Aufgabe, die wir gemeinsam zu erledigen hätten. Ich darf Sie bitten, diese Anregun-gen entsprechend in Ihre Beratungen in Ihren Fraktionen mit aufzunehmen. Pflichtschuldigst am Ende: Was du auch immer tust, tue es klug und bedenke das Ende. – Ende. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Präsident Schäfer für Ihr Eingangsstatement. – Als Nächs-tes hatte Herr Landrat Erich Pipa darum gebeten, für den Hessischen Landkreistag zu sprechen. Herr Pipa: Meine geschätzten Damen und Herren Abgeordneten, liebe Gäste, verehrte Anwesende! Ich darf mich vonseiten des Landkreistages zunächst grundsätzlich den Ausführungen meines Kollegen Schäfer anschließen, insbesondere seinen Ausführungen zu der Fragestellung Bundesmittel und was machen wir mit Steuermehreinnahmen. Ins-gesamt kann man feststellen, dass es den hessischen Kommunen, den Städten, den Gemeinden und den Landkreisen, finanziell nicht gut geht. Ich habe mich einmal um Zahlen des Statistischen Bundesamtes bemüht. Danach ha-ben alle bayerischen Landkreise zusammen Kassenkredite von insgesamt 11 Millionen €. Das heißt, der bayerische Mitbürger wird bei Kassenkrediten pro Kopf mit 1,23 € belas-tet. Herr Dr. Wallmann, da ist ja fast das Paradies – 1,23 €. In Hessen haben wir eine Pro-Kopf-Verschuldung nur bei den Kassenkrediten und nur bezogen auf die hessischen Landkreise von 654,80 €. Also nur bei Kassenkrediten; ich rede nicht von Investitionsdarlehen, die kommen ja noch in Höhe von 3 Milliarden € da-zu. Es ist die Überzeugung des Hessischen Landkreistages, dass hier strukturell ein Fehler im System vorliegt. Wir haben jetzt auch die Chance, dass Sie insgesamt, die Damen und Herren Abgeordneten aller Fraktionen des Landtages, uns hierauf eine gute Ant-wort geben. Denn wir als Kommunen nehmen Aufgaben wahr – wir, die Städte, Ge-meinden und die Landkreise –, die meisten davon als Weisungsaufgaben des Bundes und des Landes. Ich möchte auch heute an dieser Stelle gar nicht mehr von sogenannten freiwilligen Leistungen reden, die gemäß der Verfassung bei kommunaler Selbstverwaltung eigent-lich selbstverständlich sind. Das spielt heute bei den öffentlichen Haushalten kaum noch eine Rolle. Wir sagen daher: In dem Topf, vertikal ist zu wenig Geld vorhanden. Die Landesregierung hat ja das sogenannte Thüringer Korridormodell vorgelegt. Wir sind verschwistert. Der Main-Kinzig-Kreis ist es mit einem Landkreis in Thüringen. Ich habe dort die Kollegen der Christdemokraten und der Sozialdemokraten mehrmals angespro-chen und gesagt: Bei euch ist die Welt in Ordnung, ihr bekommt den Finanzbedarf er-stattet. – Die Antwort der Christdemokraten, des Landrates und des roten Oberbürger-meisters aus Gotha war: Im Leben nicht. Die Landesregierung unterstützt uns nicht ent-sprechend. Mir wurde auch gesagt, dass das sogenannte Thüringer Korridormodell jetzt in Thüringen nicht mehr 1 : 1 umgesetzt wird. Mein Kollege Schäfer hat darauf hingewiesen, dass bei der Berechnung nach dem Thüringer Korridormodell rund 1 Milliarde € an Ausgaben, an

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Fl – 12 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Aufwand, an Pflichtaufgaben nicht anerkannt wurde, obwohl die Aufgaben und die Ausgaben getätigt wurden. Der Aufwand ist getätigt worden. Es wird gesagt, das sei wirtschaftlich nicht zu vertreten. Ich möchte nur einen kleinen Hinweis zu dem Urteil von Alsfeld geben. Wir haben immer wieder gesagt, dass wir uns bemühen werden – denn diese Politik ist nicht alternativlos –, auch ein sogenanntes alternatives Modell vorzuschlagen. Das wird heute noch im Rahmen der Anhörung eine Rolle spielen. Wir haben ein Modell vorgeschlagen und es auch der Landesregierung und allen Fraktionen des Landtages zur Verfügung gestellt. Das baut auf einem sogenannten Benchmarking-Modell auf. Nach dem Ergebnis ist es so: Das führt zu einem faireren und gerechteren Ausgleich zwischen der Interessenlage der Landesregierung und ihrer Aufgabenstellung und der Aufgabenstellung der Städte, der Gemeinden und der Kreise. Hinweisen möchte ich auf ein besonderes Problem, das nicht Bestandteil der heutigen Erörterung ist: der Aufwand, die Ausgaben der Städte und Gemeinden und der Land-kreise bezüglich Bürgerkriegsflüchtlinge und Asylbewerber. Vor eineinhalb Jahren hat-ten wir einen Fehlbedarf in den 21 Landkreisen von 60 Millionen €, vor einem Vierteljahr 100 Millionen €. Nach der jetzigen Hochrechnung, das heißt nach der Verdoppelung der Anzahl der Menschen zum 31.12.2015, das ist die Zahl der Bundesregierung, gehen wir nun von einem ungedeckten Finanzbedarf von 170 Millionen € aus – nur bei den Landkreisen. Städte und Gemeinden sind dabei nicht berücksichtigt. Es wird hier so ge-tan, als wäre das ein durchlaufender Posten. Das ist es nicht. Aber nochmals: Das ist nicht Bestandteil in dem jetzigen Gesetzgebungsverfahren. Mein Appell an alle Fraktionen des Hessischen Landtages lautet: Nehmen Sie die Ver-antwortung besonders wahr und lassen Sie den Gesetzentwurf in dieser Form nicht endgültig passieren. Damit würden wir nicht nur die Kommunen beschädigen, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger vor Ort. – Ich bedanke mich und würde jetzt vor-schlagen, Herr geschätzter Vorsitzender, dass in den restlichen sieben Minuten der Ge-schäftsführende Direktor des Hessischen Landkreistages, Herr Engelhardt, im Namen des Landkreistages das Eine oder Andere noch ergänzt. – Ich bedanke mich. Vorsitzender: Selbstverständlich kommen wir Ihrer Bitte gerne nach. Vielen Dank für Ihr Statement, Herr Präsident. Es sind zwar keine sieben Minuten mehr, aber wir sind heute so großzügig, weil es so ein wichtiges Thema ist. – Bitte schön, Herr Engelhardt. Herr Engelhardt: Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Präsi-dent hat gerade die ausgesprochen dramatische Finanzlage der hessischen Landkreise dargestellt, ergänzend zu unserer Stellungnahme, die ebenfalls zehn Punkte umfasst. Zu dem, was Sie vorgetragen haben, Herr Schäfer, möchte ich einige Kleinigkeiten vortra-gen, die nach unserer Ansicht besonders wichtig sind, weil sie den Mangel des neuen KFA zeigen. Das Erste ist das Korridormodell, das ein zentrales Modell des neuen KFA ist. Mit dem Kor-ridormodell wollte das Land ermitteln, welche Ausgaben die Kommunen leisten, die angeblich nicht wirtschaftlich sein sollen. Abgesehen davon, dass dieses Korridormodell rein willkürlich mit einer Obergrenze von 100 % und einer Untergrenze von 50 % gesetzt ist – in Sachsen gibt es z. B. eine Obergrenze von 110 % bei einem vergleichbaren Mo-dell –, nivelliert dieses Modell vollkommen über, weil es die falschen Bezugsgrößen setzt.

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Fl – 13 – HHA/19/18 – 17.06.2015 An zwei Punkten will ich kurz erklären, was „falsche Bezugsgrößen“ heißt. Das Korridor-modell sagt, dass Ausgaben, die im Prinzip über 100 Prozent des Durchschnitts liegen, nicht wirtschaftlich sein können. Der Durchschnitt bei den Ausgaben für die Kreisstraßen wird pro Kopf der Kreisbevölkerung gebildet. Jetzt gibt es zum Beispiel den Landkreis Groß-Gerau mit 57 km Kreisstraßen und 260.000 Einwohnern. Es gibt den Landkreis Wal-deck-Frankenberg mit 483 km Kreisstraßen und 163.000 Einwohnern. Ich glaube, es leuchtet jedem ein, dass ein Pro-Kopf-Bezug bei einem solchen Missver-hältnis von Lebensumständen vor Ort gar nicht funktionieren kann. Im Landkreis Wal-deck-Frankenberg ist der Pro-Kopf-Aufwand 1300 Prozent über dem Pro-Kopf-Aufwand des Landkreises Groß-Gerau. Ich bin mir sicher, dass auch im Landkreis Waldeck-Frankenberg nicht genug für die Unterhaltung und die Wartung der Kreisstraßen ge-macht werden kann. Jetzt geht es bei Kreisstraßen nicht um so viel Geld, deswegen will ich ein anderes Bei-spiel nehmen, das für uns noch wichtiger ist: die Kosten der Unterkunft. Im Landkreis Gießen gibt es 9.500 Bedarfsgemeinschaften bei 250.000 Einwohnern. Im Landkreis Kas-sel gibt es bei 235.000 Einwohnern – das sind weniger, aber nicht viel weniger – nur etwa 5.600 Bedarfsgemeinschaften. Natürlich ist es nicht unwirtschaftliches Handeln einer Kommune, wenn sie mehr pro Kopf als eine andere ausgibt. Es liegt an den Lebensumständen. Das Korridormodell ist vollkommen blind für die großen strukturellen Unterschiede, die es in Hessen gibt. Darü-ber hinaus ist das Korridormodell völlig blind für all die Dinge, insbesondere für Investitio-nen, die in der Vergangenheit nicht so getätigt werden konnten, wie sie auch nach den Feststellungen der jährlichen überörtlichen Prüfung hätten getätigt werden müssen. Das Korridormodell ist nicht geeignet, um wirtschaftliches Handeln der Kommunen dar-zustellen. Es geht hier eben nicht um Rechenmodelle, sondern es geht um das echte Leben, das in jedem Landkreis ein anderes ist als in dem jeweils zu vergleichenden. Das Zweite sind die Nivellierungshebesätze. Im Jahre 2011 gab es schon einmal eine Reform des Kommunalen Finanzausgleichs, an der wir gemeinsam gearbeitet haben, vorangetrieben vom Finanzminister, ausgelöst durch Mediatorenvorschläge. Eines der Themen, über das wir gesprochen haben, war – da waren wir uns alle einig, auch ge-rade die Finanzpolitiker auf der Regierungsbank –, dass die Landkreise unter anderem deswegen so schlecht ausgestattet sind, weil wir in Hessen das größte Auseinanderfal-len von Nivellierungshebesätzen und Durchschnittsteuerhebesätze haben – mehr als in jedem anderen Bundesland. Darüber bestand Einigkeit. Genau deswegen geht es den Landkreisen in Hessen so schlecht. Nun werden die Nivellierungshebesätze angehoben, aber nicht so, wie es damals hätte sein müssen, um innerhalb der kommunalen Familie besser zu verteilen, insbesondere auch die Landkreise von der Erhöhung der Realsteuerhebesätze profitieren zu lassen. Nein, die Nivellierungshebesätze werden angehoben, um ausschließlich den Landes-haushalt zu entlasten. Das ist kein KFA, der unserer Ansicht nach rechtmäßig ist. Ich will die vertikale Verteilungssymmetrie nicht ansprechen. Ich denke, das werden der Hessi-sche Städtetag und sein Gutachter machen. Auch da sehen wir den neuen KFA nicht als rechtmäßig an. Meiner Ansicht nach ist es verfehlt, heute eine Rechtdebatte zu führen. Wir können uns natürlich darüber unterhalten – das wird das Finanzministerium möglicherweise zum Thema machen –: Ist der neue KFA im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens, ja oder nein? Darum geht es überhaupt nicht, sondern es geht darum, ob das Land Hes-

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Fl – 14 – HHA/19/18 – 17.06.2015 sen seiner Verantwortung für seine Kommunen gerecht wird, die Kommunen finanziell so auszustatten, dass sie kommunale Selbstverwaltung leben können. Ich will mit einem Punkt schließen: Die kommunale Ebene ist die Ebene, auf der die Bür-ger den direktesten Kontakt zu den Politikern haben. Es ist die einzige Ebene, auf der eine breite Masse von Bürgern ehrenamtlich Politik betreibt. Es ist also die Ebene, auf der wir Politik erfolgreich machen können oder nicht. Wenn die kommunale Ebene nicht die Handlungsmöglichkeiten hat, die sie braucht, dann wird Politik auf kommuna-ler Ebene zum Versagen getrieben. Das kann nicht im Interesse des Landesgesetzge-bers, das heißt von Ihnen, sein. Deswegen ist es wichtig, dass die Kommunen besser ausgestattet werden. Wir haben einen Vorschlag gemacht, wie dieser Korridor besser ermittelt werden könnte. Das wäre das Benchmark-Modell. Das ist auch nur ein Modell, aber es würde dazu führen, dass etwa 390 Millionen € mehr bei der finanziellen Mindestausstattung anzusetzen wären. Das können Sie in dem Gutachten, das ich vorgelegt habe, nachlesen. Ich glaube, dann wird es relativ nah an die tatsächlichen Bedarfe der Kommunen kommen. Insoweit möchte ich Sie bitten, dass Sie den Gesetzesvorschlag – nicht, weil vielleicht der jetzige rechtswidrig wäre, sondern weil er eben den Kommunen gegenüber nicht fair ist – anpassen. – Danke. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Engelhardt, für die Ergänzung. – Es kommt jetzt der Städ-tetag. Wenn ich es recht in Erinnerung habe, ist der Nächste Herr Oberbürgermeister Bertram Hilgen, der Präsident des Hessischen Städtetages, und ich glaube, dann Sie, Herr Vizepräsident Burghardt. – Bitte schön, Herr Hilgen, Sie haben das Wort. Herr Hilgen: Herr Ausschussvorsitzender, verehrte Abgeordnete des Landtages, Herr Staatsminister, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen zunächst herz-lich Danke für die Gelegenheit sagen, hier die Stellungnahme unseres Verbandes vor-tragen zu können, und dann auch noch im Plenarsaal. Es geht um ein zentrales Vorha-ben des Landes, das große Wirkungen auf die Gemeinden hat, nämlich die Neuord-nung des KFA. Wir haben uns das so aufgeteilt, dass nach mir der Erste Vizepräsident, mein Kollege Horst Burghardt aus Friedrichsdorf, und dann der Vorsitzende des Finanz-ausschusses, Herr Imholz aus Wiesbaden, sprechen werden. Wir werden die Zeit dessen ungeachtet, denke ich, versuchen einzuhalten. Unser Verband hat Ihnen mit Schreiben vom 1. Juni 2015 seine 54-seitige ausführliche Stellungnahme mit Vorschlägen zur Änderung auch des Gesetzestextes vorgelegt. In der gebotenen Kürze der Zeit will und kann ich diese nicht wiederholen. Ich möchte auf die zentralen Punkte eingehen, die unseren Verband bewegen. Sie werden sich nicht wundern, dass die nicht sehr viel anders akzentuiert sind als das, was die Kollegen vom Hessischen Städte- und Gemeindebund und Hessischen Landkreistag vorgetragen ha-ben. Wir haben vier zentrale Kritikpunkte. Der erste ist, dass aufgrund von Systemfehlern der Bedarf der Kommunen deutlich zu niedrig angesetzt wird. Ein Fehler davon ist die Pflichtigkeitsklassifikation, die dazu führt, dass wir bei Aufgaben, die wir von Gesetzes wegen dem Grunde und der Höhe nach zu erfüllen haben, dessen ungeachtet freiwilli-ge Anteile eingerechnet und nicht in den Bedarf einbezogen werden. Wenn ich schaue, was wir im Bereich SGB II und SGB XII in meiner Stadt leisten – das trifft auf die

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Fl – 15 – HHA/19/18 – 17.06.2015 anderen zuständigen Städte auch zu –, dann ist dieser Teil, der als nicht pflichtig er-rechnet wird und auf einer Schätzung der Regierungspräsidien beruht, aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar. Er mindert den Bedarf. Der zweite Punkt in dem Zusammenhang ist – das ist bereits angesprochen worden – die Angemessenheitsprüfung nach dem Thüringer Korridormodell. Das hat zwei systemati-sche Probleme. Das eine ist, dass es mathematisch ausgeschlossen ist, ein wirtschaftlich besseres Ergebnis als den Durchschnitt zu erzielen. Schauen Sie auf S. 27 der Stellung-nahme unseres Verbandes. Dort wird das im Einzelnen noch einmal dargelegt. Herr Kol-lege Engelhardt hat es gesagt: Die Bezugsgröße Einwohner ist für viele Fälle ungeeignet. Eine Stadt, die besonders viele Empfängerinnen und Empfänger von sozialen Transfer-leistungen hat, ist nicht unwirtschaftlich, weil die Ausgaben pro Einwohner höher sind als in einer Gebietskörperschaft, bei der weniger Menschen von sozialen Transferleistungen abhängig sind. Das heißt, das hat mit Wirtschaftlichkeit nichts zu tun. Das ist aus meiner Sicht sachfremd. Dadurch geht uns insgesamt etwa 1 Milliarde €, die Zahl ist bereits ge-nannt worden, auf der Bedarfsseite verloren. Auf der Seite dessen, was wir selber an Einnahmen haben, haben wir genau den ge-genteiligen Befund, nämlich, dass die kommunalen Erträge in vollem Umfang ange-rechnet werden und die Durchschnittsbildung innerhalb der Gruppen dazu führt, dass es sein kann – und auch so sein wird –, dass Mehreinnahmen fiktiv in die Rechnung ein-gestellt werden, als tatsächlich vorhanden sind. Ich nehme zum Beispiel die kreisfreien Städte. Dort wird zwar abgemildert, aber durch eine bestimmte zeitliche Konstanz der Nivellierungssätze wird es dazu führen, dass Kassel entweder seinen Gewerbesteuerhe-besatz erhöht oder mehr Einnahmen angerechnet bekommt, als die Stadt sie hat. Wir konkurrieren nicht mit Darmstadt, Frankfurt, Offenbach oder Wiesbaden, was den Gewerbehebesatz angeht, sondern mit Lohfelden und dem Umland. Wenn wir mit ei-nem für nordhessische Verhältnisse sehr hohen Hebesatz noch weiter nach oben gehen müssen, um nicht mehr Einnahmen angerechnet zu bekommen, als wir tatsächlich ha-ben, führt das zu einem Wettbewerbsnachteil. Drittens. Auch das ist bereits angesprochen worden: Wir werden zu einem guten Stück abgekoppelt von einer wirtschaftlichen Entwicklung, die zu mehr Steuereinnahmen führt, indem nur ein Drittel bei den Gebietskörperschaften verbleibt, zwei Drittel das Land für den Haushalt und für schlechtere Zeiten vereinnahmt. Der vierte Punkt, der mich als Mitglied des Präsidiums des Deutschen Städtetages um-treibt, ist der, dass uns der Bund Einnahmen mit der ausdrücklichen Zielsetzung gewährt, die kommunale Seite zu entlasten. Das deutlichste Beispiel sind die 5 Milliarden € für die Eingliederungshilfe, die zwar bei den Kommunen ankommen, aber die Landeszuwei-sungen 1 : 1 reduzieren. Das kann nicht im Sinne der Zweckstellung solcher Aufgaben sein. Ich müsste mich dann fragen – das wäre mein Problem –, was ich denn dann in dem Präsidium des Deutschen Städtetages noch zu tun hätte. Denn für die Kommunen zu kämpfen macht keinen Sinn, denn jeder Euro, der von der Bundesseite kommt, lan-det final in der Landeskasse. Ich bin damit schon fast am Ende meiner Rede. Insgesamt, meine sehr verehrten Da-men und Herren, führen diese unterschiedlichen Aspekte dazu, dass wir, wenn wir die Kürzungen im Jahre 2011 mit einbeziehen, im Jahr 2018 etwa 1 Milliarde € weniger ha-ben werden, als wir sie auf der Basis des alten Kommunalen Finanzausgleiches hätten.

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Fl – 16 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Letzte Bemerkung: Eine Anhörung dient dem Erkenntniszugewinn für alle Beteiligte. Deswegen gehe ich davon aus, dass mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf das letzte Wort noch nicht gesprochen sein wird, sondern dass es noch Handlungsspielräu-me gibt, aufeinander zuzugehen. Ich sehe diese insbesondere bei dem Thema der Ver-rechnung von Bundesleistungen, das aus meiner Sicht nicht so bleiben kann. Ich gehe auch davon aus, dass bei der Frage, wie viel bekommen wir und wie viel bleibt bei uns an Steigerungen in der Steuermasse, mit dem einen Drittel nicht das letzte Wort gespro-chen ist. Da müssen wir noch ein gutes Stück nach vorne. Wenn sich in dieser Richtung etwas bewegt, kann ich mir durchaus vorstellen, dass es neben einer Reihe von anderen wichtigen Detailfragen – zuletzt ist die Frage einer et-waigen Schieflage der Finanzzuweisung bei den kreisfreien Städten thematisiert wor-den, das wird jetzt am Freitag beim Chefgespräch noch einmal erörtert werden –, zu einer Lösung kommen kann, bei der keiner sagt, das ist das Optimum, man aber ange-sichts der obwaltenden Bedingungen zu einem Ergebnis kommen und sagen kann: Das ist jetzt so, und das probieren wir jetzt mal aus. Wenn sich Verwerfungen zeichnen, muss man die schnell korrigieren. – Vielen Dank. Und jetzt würde ich meinen Kollegen Horst Burghardt bitten, zu ergänzen. Herr Burghardt: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Wir haben jetzt viele Statements zur Frage des vertikalen Finanzausgleichs gehört. Ich möchte aber noch einmal gerade aus Sicht der kreisangehörigen Kommunen etwas zum horizontalen Fi-nanzausgleich sagen. Da spielt natürlich insbesondere die Frage der Kreis- und Schul-umlage eine ganz vehemente Rolle, weil uns das natürlich als kreisangehörige sehr trifft. Wir haben die Situation, dass wir eine Kreisumlage bezahlen müssen, die sich aufgrund der Anhebung der Nivellierungssätze erhöhen wird. Herr Kollege Engelhardt hat es auch schon angesprochen. Er fand sie eigentlich noch zu niedrig. Aber die Kreis- und Schul-umlage wird sich durch die Erhöhung der Nivellierungshebesätze bei der Grundsteuer und der Gewerbesteuer exorbitant erhöhen. Man versucht, dem entgegenzusteuern, indem man zunächst festlegt, dass die Kreisumlage quasi auf altem Niveau erhalten bleibt, dass sie abgesenkt wird. Aber gleichzeitig lässt man zu, dass sie pro Jahr um 0,5 Prozentpunkte – ohne Genehmigung und mit Genehmigung noch mehr – erhöht wird. Das ist natürlich ein ganz erheblicher Eingriff für die kreisangehörigen Kommunen. Zum anderen: Die Schulumlage ist kostendeckend zu erheben. Bisher hatten wir durch einen Erlass des Innenministeriums die Regelung, dass Kreis- und Schulumlage auf 58 Prozent gedeckelt waren. Das soll in Zukunft wegfallen, sodass wir die Situation haben werden, dass die Kommunen ganz anders in den Finanzausgleich für die Kreise einbe-zogen werden, nicht in der Erwartung, dass wir weniger bezahlen, sondern dass wir mehr bezahlen werden. Deswegen muss es hier eine Regelung geben, dass die Kreis- und Schulumlage, die wir bisher als eines betrachtet haben, nach oben gedeckelt werden, weil wir sonst in eine Steuererhöhungsspirale hineinkommen, die, glaube ich, von keinem so gewollt ist. Im Moment haben wir sowieso Anpassungsnotwendigkeiten durch die Erhöhung der Nivel-lierungshebesätze. Aber das wird sich dann natürlich noch verschärfen. Ein weiterer Punkt. Die kreisangehörigen Kommunen haben keine Möglichkeit, zu über-prüfen, ob die Schulumlage angemessen ist oder nicht, sondern sie wird von den Krei-sen aufgestellt. Von uns ist es nicht nachvollziehbar – und es ist auch nicht transparent –, wie sie berechnet wird, weil es dazu auch keine Spitzabrechnung gibt. Wir können das

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Fl – 17 – HHA/19/18 – 17.06.2015 also nicht nachvollziehen. Denn wenn es eine Spitzabrechnung gäbe, wie es früher im KFA der Fall war – oder es jetzt noch ist –, dann gäbe es quasi die Möglichkeit einer Rückerstattung, die aber nicht gegeben ist. Deswegen müssen hier aus unserer Sicht noch entsprechende Regelungen gemacht werden. Denn wir haben durch die fehlende Transparenz und das Fehlen des Nachvollziehens die Situation, dass das Land auf der einen Seite bei der Bedarfsermittlung – Thüringer Korridormodell – Abschnitte vornimmt und dann noch den Wirtschaftlichkeitsfaktor ein-rechnet, was aber bei der Schulumlage in diesem Maße überhaupt nicht mehr gege-ben ist, weil wir das gar nicht nachvollziehen können. Es könnte die paradoxe Situation entstehen, dass freiwillige Leistungen, die das Land bei seiner Bedarfsermittlung quasi abschneidet, dann über die Schulumlage bei den Kommunen wieder angefordert werden. Die Theorie, das erhöhe dann bei den Kommunen den Bedarf, ist aber auch nur eine theoretische Betrachtung. Denn wir werden immer als Gruppe betrachtet. Wenn ein einzelner Landkreis das macht, schlägt sich das natürlich nicht in dem Maße so nieder, dass sich etwa der Bedarf für alle Kommunen spürbar erhöhen würde, aber das Defizit der Kommunen, die davon betroffen sind, ganz erheblich wäre. Deswegen, meine Damen und Herren, verlieren Sie diesen Aspekt bitte nicht aus den Augen. In unserer Stellungnahme haben wir dazu ausführlich Stellung genommen, so-dass ich das jetzt nicht alles wiederholen will. Aber es liegt mir am Herzen, dass diese Thematik der Kreis- und Schulumlage nicht aus dem Auge verloren wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Der Kollege Imholz wird noch eine ganz kurze Stellungnahme abgeben. Herr Imholz: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Finanzminis-ter! Lassen Sie mich ganz kurz den Fokus auf vier Einzelpunkte richten. Als Erstes geht es um die Umlagehebesätze in Landkreisen mit Schulträgerstädten. Diese müssen aus unserer Sicht eine einheitliche Höhe aufweisen. Im Regierungsentwurf ist beabsichtigt, die Kreisumlagehebesätze zu Lasten der Schulträger-Sonderstatusstädte höher anzusetzen als für die übrigen Gemeinden in einem Landkreis mit einer Sondersta-tusstadt. Der Regierungsentwurf nennt dafür keinen nachvollziehbaren Grund. Richtig wäre es, die Übergangsregelung zur Kreisumlage bei den kreisangehörigen Schulträgerstädten zu streichen. Es wäre ungerecht, wenn der Gesetzgeber den Land-kreisen mit Sonderstatusstädten erhebliche Erleichterungen verschafft und gleichzeitig für die vorgesehene Ungleichbehandlung der Sonderstatusstädte nicht einmal eine ge-setzliche Endfrist einbaut. Die Regierung könnte ihr Ziel einer Übergangsregelung auch dadurch verwirklichen, dass der neue KFA die Einführung einheitlicher Hebesätze mit einem festen Datum verknüpft. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, dass die Schulträger-Sonderstatusstädte bis zu einer ersten Überprüfung zunächst fünf Jahre abwarten sollen, bis der Landtag dann im Zuge einer Evaluierung vielleicht die Lücke zu zwei Dritteln schließt. Der Hessische Städtetag sieht jedenfalls keine Notwendigkeit für eine solche Evaluation und zu weiteren Zwi-schenschritten. Ein Lückenschluss ist vollständig und unverzüglich geboten. Zum zweiten fordern wir, den Ergänzungsansatz für die Stationierungsstreitkräfte beizu-behalten, wie es auch im Arbeitsentwurf des neuen KFA bis Ende letzten Jahres, also vor

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Fl – 18 – HHA/19/18 – 17.06.2015 gut sechs Monaten, noch vorgesehen war. Über Jahrzehnte hat der Ergänzungsansatz für Stationierungsstreitkräfte den zusätzlichen Belastungen Rechnung getragen, die am Standort der Kommune bestehen bzw. die ohne die Angehörigen der Stationierungs-streitkräfte gar nicht bestehen würden. Es ist kein logisch begründetes Argument, von einer Berücksichtigung abzusehen, weil die Zahl der Angehörigen der Streitkräfte hes-senweit von 25.000 auf 4.000 abgenommen hat. Die Zahl der Streitkräfte und deren An-gehörigen ist ohnehin die Bemessungsgrundlage für den Ergänzungsansatz. Auch der Hinweis auf die eigene teilweise erweiterte Infrastruktur der Streitkräfte, die übrigens auch in früheren Jahren in einem bedarfsgerechten Umfang vorgehalten wurde, hilft hier nicht weiter. Nur um das Lieblingsbeispiel aus dem Ministerium zu nen-nen: Durch den Bau einer größeren US-Schule wird kaum ein Kind weniger an einer öf-fentlichen Schule in Wiesbaden unterrichtet. Durch diesen Neubau erfolgt somit auch keine Entlastung der Kommune. Diese Argumentationslinie blendet zudem den Druck aus, den die Zivilbeschäftigten unter anderem am städtischen Wohnungsmarkt auslö-sen. Drittens fordern wir, den großstädtischen Heilkurorten – wie bisher auch – Zuweisungen zu den Belastungen als Heilkurort zu gewähren und den Eingangssatz der entsprechen-den Bestimmung so zu ändern, dass alle Städte diese Zuweisungen empfangen. Das Gesetz behält zwar die Förderung der Heilkurorte bei, schließt aber unsachgerecht und wegen der Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich bedenklich die kreisfreien Städte mit dem Argument aus, nur die kreisangehörigen Gemeinden würden wirtschaftlich weitgehend von der Kur geprägt. Dieser unzulängliche Begründungsversuch lässt min-destens außer Acht, dass auch innerhalb der kreisangehörigen Gemeinden der prä-gende Grad der Kur höchst unterschiedlich ist, jegliche zum Beleg zumindest erforderli-che Quantifizierung durch Zahlen unterblieben ist, und dass die kreisfreien Städte selbst-verständlich zukünftig – wie auch in der Vergangenheit – nur mit der Quote bedacht werden sollten, die der wirtschaftlichen Prägung in ihrer Stadt entspricht. Zu guter Letzt – ich weiß, die Redezeit ist eigentlich um –: In meinem letzten Punkt stelle ich fest, dass in dem neuen KFA die zugunsten des ländlichen Raums gesetzten Akzente für den Belastungsausgleich der demografischen Entwicklung auch auf den Ballungs-raum zu übertragen wären. Es bleibt unklar, warum die Regierung neben den Sonder-bedarfen für schrumpfende Städte und Gemeinden nicht auch einen Sonderbedarf für wachsende Gemeinden anerkennt und dieses Wachstum dann auch im horizontalen Finanzausgleich berücksichtigt. So muss der Gesetzgeber unter anderem daran den-ken, dass die Kaufkraft im Ballungsraum angesichts hoher Immobilien- und Baupreise und sehr hoher Personalkosten vergleichsweise geringer, der Sozialkostenindex dage-gen höher als im ländlichen Raum ist. Das Gegenargument der Regierung, dem Zentralitätsgedanken werde schon durch die Berücksichtigung der Zentralität bei der Einwohnergewichtung Rechnung getragen, zieht nach der eigenen Konzeption des Finanzministeriums gerade nicht. Zentralität wird da nicht ballungsraumspezifisch berücksichtigt, sondern in den jeweiligen Gruppen und Untergruppen über das ganze Land verteilt. Sie sehen, es gibt auch aus unserer Sicht noch einigen Änderungsbedarf beim KFA. Ich möchte an der Stelle, weil ich es überall gemacht habe, noch hinzufügen: Ich bedaue-re die Kolleginnen und Kollegen, die sich dieser Aufgabe im Ministerium stellen müssen. Das entspricht, das wurde hier schon deutlich, im Wesentlichen der Quadratur des Krei-ses. Deswegen sollten wir uns aber trotzdem die Mühe machen, aus den vielen Unge-

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Fl – 19 – HHA/19/18 – 17.06.2015 reimtheiten, die leider nach wie vor noch drin sind, vielleicht doch noch ein rundes Pa-ket zu machen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Imholz. Das war fast eine Punktlandung. Wir sind da jetzt auch nicht so ganz genau. – Das war jetzt zunächst die erste Runde der Statements der Kommunalen Spitzenverbände. Jetzt kommt noch der Landeswohlfahrtsverband. Dann kommen wir anschließend zur ersten Fragerunde. – Herr Landesdirektor, bitte schön. Herr Brückmann: Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeord-nete, Herr Staatsminister, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der LWV ist maßgeb-lich von der in § 14 Abs. 2 des Gesetzes über den LWV Hessen normierten Vorgabe ge-prägt, nach der seine Haushalte ausgeglichen geplant und beschlossen werden müs-sen. Reichen die mit der Aufgabenwahrnehmung verbundenen Erträge und Einzahlun-gen zuzüglich der bisherigen Zuweisung nach § 20 FAG alter Fassung nicht aus, muss nach diesen Regelungen die Verbandsumlage der kreisfreien Städte und Landkreise den Haushaltsausgleich gewährleisten. Vor dem Hintergrund der von Jahr zu Jahr auch bundesweit zu beobachtenden steigenden Anzahl behinderter Menschen mit entspre-chenden Leistungsansprüchen und dem daraus resultierenden Anstieg der vor allem für die Eingliederungshilfe erforderlichen Mittel ist es sehr wichtig, dass auch auf der Ertrags-seite Komponenten bestehen, die in sich ebenfalls eine entsprechende positive Dyna-mik aufweisen. Neben den vorstehenden, bereits genannten eigenen Einnahmen aus der Geltendma-chung von Kostenbeiträgen, Renten und sonstigen Erstattungen Dritter und der Zuwei-sung aus dem Kommunalen Finanzausgleich besteht somit auch die Verpflichtung, wegfallende Effekte aus einer in sich dynamischen Zuweisung nach dem FAG alter Fas-sung durch eine den Ausgleich des Etats gewährleistenden Erhöhung der Verbandsum-lage zu kompensieren. Dies vorangestellt, möchte ich zu den bereits aus unserer schrift-lichen Stellungnahme erfolgten Anmerkungen eine Position herausheben und sie hier in diesem Kreise auch noch einmal darlegen. Darüber hinaus sind von den Kommunalen Spitzenverbänden eine Vielzahl von Dingen auch genannt worden, die ich jetzt nicht noch erwähnen möchte, möchte aber eine Besonderheit herausheben, die den LWV Hessen an sich betrifft, und zwar die Neurege-lung zu der allgemeinen Zuweisung an den LWV Hessen. Das ist der § 35 des Gesetz-entwurfs. Die bisherige allgemeine Zuweisung aus dem Finanzausgleich nach § 20 FAG alter Fassung konnte über die steueraufkommensabhängige Wachstumskomponente – ich erinnere noch einmal an die mindestens 2,7 Prozent der Steuerverbundmasse und höchstens 4,8 Prozent der Gesamtschlüsselmasse – den Anstieg der Aufwendungen bei den Sozialtransferkosten wirksam abfedern. Die nunmehr in § 35 des Gesetzentwurfs enthaltene Formulierung räumt dem LWV Hes-sen eine Finanzzuweisung lediglich dem Grunde nach ein. Maßgeblich für deren Höhe sollen entsprechende Festlegungen im Landeshaushalt sein. Die bisherige Dynamisie-rungsregelung, wonach wachsende Steuereinnahmen zumindest in Teilen an die Zuwei-sung weitergegeben werden, entfällt somit. Hinsichtlich des Bemessungsprinzips werden für den LWV Hessen in der direkt geltenden Norm des § 35 keine Parameter mehr ge-nannt. In der Begründung zu den Regelungen der Mindestausstattung wird ausgeführt, dass beabsichtigt ist, über diese Zuweisung dem LWV Hessen zukünftig die Finanzmittel zu geben, die er zur Erfüllung seiner wahrgenommenen Landesaufgaben benötigt.

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Fl – 20 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Diese Begründung zum Gesetzentwurf interpretieren wir dahin gehend, dass die Finan-zierung der Landesaufgaben künftig aus originären Landesmitteln im Wege der Verstär-kung zu erfolgen hat, da nur hierdurch eine Belastung der kommunalen Familie und hier der Landkreise und kreisfreien Städte vermieden wird. Die bisherige Finanzzuweisung an den LWV Hessen weist jedoch seit 1988 eine weitergehende Zweckbestimmung aus. Danach sollten die Mittel auch zur Finanzierung kommunaler Aufgaben dienen. Dies ist eine logische Konsequenz aus der im Jahre 1988 erfolgten Zusammenfassung aller da-maligen Finanzzuweisungen an den LWV. Ich nenne zum Beispiel die Kosten nach dem Landesblindengeldgesetz, die Schülerbeförderung, die Beschulungskosten behinderter Kinder in Privatschulen oder die Sonderzuweisung zum Fehlbetragsabbau zu einer all-gemeinen Finanzzuweisung nach § 20 FAG alter Fassung. Insofern sehen wir der beabsichtigten Neuregelung betreffend der Gewährung und der Bemessung einer allgemeinen Finanzzuweisung an den LWV Hessen infolge der durch den Systemwechsel entfallenen steuerkraftabhängigen Dynamik mit großer Sorge ent-gegen. Zusätzlich muss ich anmerken, dass aus unserer Sicht nicht eindeutig genug der kommunale Zweck dieser Zuweisung festgelegt ist, dessen Ermittlung weder im Geset-zestext noch in den korrespondierenden Passagen der Begründungen definiert ist. Vor dem Hintergrund der Finanzlage unserer Träger, also der Landkreise und kreisfreien Städte, und wegen der in den vergangenen Jahren erzielten positiven Effekte, bedingt durch eine dynamisch wachsende hessische Wirtschaft, spricht sich der LWV Hessen für die Beibehaltung einer finanzkraftabhängigen Bemessung, also Dynamik, der Finanzzu-weisung nach der bisherigen Systematik des § 20 FAG alter Fassung aus. – Ich habe es auf das Wesentlichste begrenzt und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Landesdirektor Brückmann. – Dann kommen wir jetzt zur ersten Fragerunde der Ausschussmitglieder. Abg. Frank-Peter Kaufmann: Herr Vorsitzender, meine sehr verehrten Damen und Her-ren! Vielen Dank. Ich habe mich als Erster zu Wort gemeldet, weil ich noch eine Bitte oder Frage, ganz wie Sie es sehen wollen, zu Beginn einbringen will, bevor wir mögli-cherweise streitig diskutieren. Dabei geht es um den aktuellen Stand der Daten. Etliche von Ihnen, aber sicherlich nicht alle, die hier im Raum sitzen, kennen das Schreiben des Finanzministers vom 12. dieses Monats über den Zwischenstand der vertikalen Bedarfs-ermittlung, sprich die aktuellen Daten. Mein Vorschlag wäre, dass wir jetzt, bevor wir in die Debatte einsteigen, den Finanzmi-nister bitten, uns allen gemeinsam kurz und prägnant den materiellen Stand vorzutra-gen, über den wir ja letztlich auch mitreden und diskutieren, damit wir alle vom glei-chen Stand ausgehen. Es ist in den Beiträgen auch schon angesprochen worden, um welche Prozente und Daten es sich handelt. Das ist mein Votum. Minister Dr. Thomas Schäfer: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Ich komme der Bitte selbstverständlich gerne nach. In der Tat haben wir in der letzten Woche ge-meinsam mit den Kommunalen Spitzenverbänden die prognostizierten Daten für den vertikalen Finanzausgleich, also den erstmaligen Betrieb des neuen Systems in Echtzeit sozusagen, für das Jahr 2016 vorgestellt. Bisher hatten wir nur die Möglichkeit, auf der Basis einer fiktiven Modellrechnung des Jahres 2014 – was wäre in 2014 passiert, wenn

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Fl – 21 – HHA/19/18 – 17.06.2015 das neue System bereits gegolten hätte? – diskutieren können. Aber jetzt liegen die ver-tikalen Daten vor. Danach steigt das gesamte Ausgleichsvolumen des Kommunalen Finanzausgleichs zwi-schen 2014 und dem Jahre 2016 um ungefähr 400 Millionen € auf ein dann gesamtes Ausgleichsvolumen von 4,368 Milliarden € gegenüber knapp 4 Milliarden € in der Mo-dellbetrachtung an. Wenn Sie sich die dazu gehörenden Bedarfsberechnungen an-schauen, die auf der einen Seite immer die Grundlage zwischen Ausgabenentwicklung bzw. Defizitentwicklung in den einzelnen Produktbereichen sind, und auf der anderen Seite die korrespondierenden Einnahmen, dann lassen Sie mich zunächst einmal zu der Einnahmesituation, die sich daraus ergibt, Stellung nehmen. Im Jahre 2014 waren der Modellbetrachtung kommunale Einnahmen von 13,8 Milliar-den € zugrunde gelegt, und zwar in der Addition aus eigenen Einnahmen plus dem, was aus dem Kommunalen Finanzausgleich hinzutritt. Diese Gesamtsumme erhöht sich im Jahre 2016 um ungefähr 1,4 Milliarden € auf 15,1 Milliarden €. Das ist von 2014 bis 2016 ein Anstieg um etwas mehr als 10 %. Innerhalb der einzelnen Strukturelemente findet eine nicht unbedeutende Verschie-bung statt. Der Stabilitätsansatz, das ist der Teil der kommunalen Finanzausstattung, der vom Land gewährleistet wird, der nach dem Gesetz über den pflichtigen Teil hinaus-geht, den wir Verstetigungsgröße oder Stabilitätsansatz nennen, steigt von knapp 400 Millionen € auf 1,05 Milliarden €, also um einen Betrag von über 600 Millionen €. Setzen Sie diesen Betrag in Relation zu dem auch in den Vorträgen eben eine Rolle spielenden Wirtschaftlichkeitsabschlag im Zuge der Korridorbildung, so betrug dieser Wirtschaftlichkeitsabschlag 2014 – in der Modellbetrachtung – 980 Millionen € oder 8,9 %. Dieser sinkt in der neuen 2016er-Betrachtung sowohl absolut wie auch relativ auf etwa 900 Millionen € und einer Abzugsquote von 8,1 %. Diese 900 Millionen € – genau 914 Millionen € – stehen dann einer freiwilligen Aufstockung von 1,05 Milliarden € durch das Land gegenüber. Das war jetzt einmal der Versuch, kurz und prägnant zu sein. Das impliziert natürlich, dass ich nicht alle Detailfragen, die da mit eine Rolle spielen, aufgreifen kann. Bei der Modellbetrachtung hat es einige Modifizierungen gegeben, die die Gesamtsumme nicht tangieren, die es aber ermöglichen, sozusagen eine etwas längerfristig bere-chenbare Größe zu haben, indem auf Mehrjahresstatistiken im Durchschnitt zurückge-griffen worden ist. Beispielsweise sind im Bereich der Defizitbildung drei Jahre einbezo-gen worden und nicht zwei Jahre, auch vor dem Hintergrund der Diskussion um die Da-tenqualität. – Details gerne, wenn es gewünscht wird. Aber ich sollte mich kurz fassen. Abg. Norbert Schmitt: Herr Minister, nur eine Anmerkung zu dem, was Sie eben vorge-tragen haben. Das Bild würde natürlich vollständiger werden, wenn Sie darstellen wür-den, dass die Kommunen im gleichen Zeitraum entgegen den Annahmen, die damals vorgenommen wurden, aus eigenen Mitteln 1,2 Milliarden € mehr haben und deswe-gen der Festansatz des Landes um über 450 Millionen € sinkt. Das nur als Ergänzung zum Vortrag des Ministers. Ich glaube, wenn man das hier vorträgt, gehört es auch dazu, dass man es den kommunalen Vertretern vollständig vorträgt. Ich will eine Frage stellen, und zwar an die Vertreter des Landkreistages, die auch gutachtenmäßig vorgetragen haben, dass sie anstelle des Korridorverfahrens ein ande-res Modell vorschlagen, nämlich das Benchmark-Modell. Obwohl das dem Finanzminis-

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Fl – 22 – HHA/19/18 – 17.06.2015 terium vorliegt, fällt auf, dass es in der gesamten Gesetzesbegründung, selbst in der Er-widerung auf den Vortrag des Hessischen Landkreistages, dazu keine Stellungnahme gibt. Meine Bitte an dieser Stelle wäre, noch mal kurz zu umreißen, wie aus Ihrer Sicht dieses Modell funktioniert und ob das nicht auch ein tragendes Modell bei der politi-schen Erwägung sein könnte. Die Frage, ob das Korridormodell juristisch hält, werden wir nachher diskutieren. Sie stellen es so vor, dass es praktikabler, sinnvoller und angemes-sener sei. Herr Engelhardt: Im Prinzip werde ich hierzu nicht viel sagen. Wir haben nämlich Herrn Richter mitgebracht. Herr Richter ist Partner bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl & Partner und hat für uns diese Modelle gerechnet. Er wird dazu ausführen. Wir sagen auch nicht, wir schlagen ein Modell vor, sondern wir wollten mit dem Berech-nen von Alternativmodellen darauf eingehen, dass die Auswahl des Modells, das zu-nächst einmal ein wissenschaftlich fachlicher Schritt ist, für die Kommunen echte Aus-wirkungen in Geld hat und dass es eben nicht so ist, dass dieses Thüringer Korridormo-dell, nur weil es Thüringen gewählt hat, das Beste ist, was man sich vorstellen kann, son-dern es gibt andere, die lebensnäher sind. – Das Benchmark-Modell kann nun Herr Rich-ter vorstellen. Herr Richter: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, verehrte Damen und Herren! Wir haben das Benchmark-Modell als eines von mehreren Modellen alternativ zu dem im Gesetz-entwurf vorgesehenen thüringischen Korridormodell gerechnet, weil wir es uns in unserer gutachterlichen Stellungnahme nicht angemaßt haben, zu versuchen, den Kommuna-len Finanzausgleich in Hessen neu zu berechnen. Ich denke, das Finanzministerium hat daran ganz lange gearbeitet – mit viel Kompetenz. Unser Ansatz war, nachzuschauen, ob es Möglichkeiten gibt, eine gerechtere Vertei-lung in einem aus unserer Sicht von vornherein nicht optimalen Verfahren entwickeln zu können. Wir sind davon ausgegangen, dass die Betrachtung der durchschnittlichen Defizite gerade der Landkreise die Realität nicht widerspiegelt, und haben nach Mög-lichkeiten gesucht, realitätsnäher zu werden. Anhand der uns vorliegenden Zahlen des Statistischen Landesamtes haben wir eine Ermittlung vorgenommen, die sich an den vermeintlich wirtschaftlichsten und den vermeintlich unwirtschaftlichsten Kreisen orien-tiert. Vermeintlich deshalb – meine Vorredner haben es schon gesagt –, weil die Zahlen, die uns hier vorliegen, nicht immer unbedingt dafür ein Indikator sind, ob eine Kommu-ne oder ein Landkreis wirtschaftlich arbeitet oder nicht, sondern es stellt lediglich die Defizite dar, die realisiert werden. Die Gründe wurden nicht weiter hinterfragt. In unserem Modell geht es, anders als in dem einfachen Korridormodell, darum, inner-halb der Gruppe der Landkreise zu schauen, welche Landkreise die meisten und wel-che die wenigsten Defizite produziert haben. Die von uns vorgeschlagenen drei Land-kreise mit den jeweils niedrigsten und höchsten Defiziten werden als Korridorgrenze her-angezogen. Wir gehen nicht von einem einfachen Durchschnitt aus, sagen nicht, wir legen, wie Herr Engelhardt es eben schon ausgeführt hat, 100 % als Obergrenze und 50 % als Untergrenze fest, sondern wir sagen, wir nehmen innerhalb der realisierten Defi-zite einen Intervall an, das die Realitäten widerspiegelt. – Vielen Dank. Vorsitzender: Vielen Dank. Frage an den Kollegen Schmitt: Ist Ihre Frage zunächst erst einmal beantwortet? – Gut. Vielen Dank.

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Fl – 23 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Abg. Eva Goldbach: Ich habe zunächst eine Frage, die geht sowohl an den Hessischen Städtetag als auch den Hessischen Landkreistag, und zwar zu dem Punkt, bei dem Sie sich mit dem unwirtschaftlichen Verhalten der Kommunen befassen. Der Staatsge-richtshof hat ausdrücklich gesagt, nur die wirtschaftliche Aufgabenerfüllung sei durch das Land zu finanzieren. Sie schlagen vor, dass ein anderes oder überhaupt ein Kriterium für die Wirtschaftlichkeit gefunden wird, sodass am Ende das Land den Kommunen darlegen muss, was eine wirtschaftliche Aufgabenerfüllung ist, um das entsprechend zu beurteilen. Der Hessische Landkreistag hat in seiner Stellungnahme – das ist Seite 262 – auch ein Beispiel be-schrieben, in dem eben eine Kommune auf einem wesentlich höheren Standard eine Aufgabe erfüllt, und das könnte doch dann maßgeblich sein. Das zeigt genau das Problem. Wie stellen Sie sich denn vor, dass das Land Hessen Standards definiert und Wirtschaftlichkeit vorschreibt? Wäre das nicht auch ein tiefer Eingriff in das Selbstverwal-tungsrecht? – Das ist die erste Frage. Die andere Frage geht an den Hessischen Städtetag. Sie haben – das ist Seite 2 – beim KFA für das Jahr 2018 fiktiv eine Ausgleichszahl errechnet, die um 1 Milliarde € höher liegt als die bis jetzt prognostizierte. Wie kommen Sie darauf? Denn auch nach der alten Regelung, nach dem alten Recht läge die Summe beim KFA deutlich niedriger. Wir ha-ben die Zahlen aus dem Finanzplan. Und schließlich an den Hessischen Städte- und Gemeindebund: Sie machen das Land für Aufgabenerhöhungen in den Kommunen verantwortlich. Würden Sie das bitte noch mal genauer definieren? Wir haben Steuern, wir haben Gebühren und Beiträge. Ge-bühren und Beiträge sind Leistungen für Gegenleistungen und somit eigentlich kosten-deckend. Wenn Sie das noch mal genauer erläutern würden, bitte. Vorsitzender: Das war jetzt ein ganzes Fragenpaket. Ich schlage vor, wir beginnen mit dem Hessischen Landkreistag. Herr Pipa: Ja, das ist, Frau Kollegin Goldbach, eine gute Frage. Wir reden hier nur für die 21 hessischen Landkreise über eine Summe von 320 Millionen €, bei denen gesagt wird, das seien unwirtschaftliche Ausgaben. Jetzt haben wir selbst unseren Aufwand, unsere Ausgaben untersucht und kamen zu dem Ergebnis, dass wir als Landkreistag im Bereich – es war nicht immer einfach, das so zu diskutieren – der Jugendhilfe die Rahmenver-einbarungen mit den freien Trägern gekündigt haben. Herausgekommen ist eine neue Vereinbarung, bei der wir selbst den Aufwand in den Haushalten erheblich vermindert haben. Es war nicht die Landesregierung, das waren wir. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Landkreise natürlich in Weisung über Bund und Land Aufgaben wahrnehmen. Da gibt es natürlich auch vor Ort unterschiedlichen Aufwand. Wenn in einer Flächengemeinde die Pro-Kopf-Ausgaben für Jugendhilfe und Sozialhilfe x ist, 100 €, dann sind das in urbanen Städten oder urbanen Gebieten dreimal so viel. Das wurde von Vertretern des Hessischen Städtetages hier angesprochen: Wir haben jetzt eine Untersuchung zu den Ausgaben im Bereich der sozialen Sicherung gemacht.

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Fl – 24 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Da sind die Ausgaben in den Städten nochmals dreimal so hoch wie in den Flächen-landkreisen. Daraus dann einen Schnitt zu machen, ist unwahrscheinlich schwierig. Herr Vorsitzender, wenn Sie einverstanden sind, wird jetzt Herr Engelhardt ein weiteres Beispiel vortragen. Herr Engelhardt: Sie haben gefragt, inwieweit wir ein Modell haben, nach dem das Land entscheiden kann, was wirtschaftlich ist oder nicht, und inwieweit wie wir es für richtig halten, dass das Land solche Entscheidungen trifft. Das Land macht es ja de fac-to. Mit dem Thüringer Korridorverfahren, das sie gefunden haben, begründet mit dem Staatsgerichtshofurteil, hat das Finanzministerium ein Instrument zum Thema des Ge-setzentwurfs gemacht, das letztlich die Aussage trifft, dass jede Aufwendung, die eine Kommune pro Kopf trifft, mehr ist als das Ergebnis dieses Korridors. Jede dieser Aufwen-dungen ist unwirtschaftlich. Nicht mehr und nicht weniger sagt dieses Thüringer Korri-dormodell aus. Wie Herr Hilgen vorhin sagte, ist es eigentlich das, was den Mangel bei diesem Korridor-verfahren am ehesten zeigt: Dieser Korridor wird immer aus dem Durchschnitt der Pro-Kopf-Ausgaben zwischen 100 % und 50 % ermittelt, also immer aus dem Durchschnitt der Ausgaben, die unterhalb des Durchschnitts liegen. Das ist ein Korridor, der, gäbe es nicht die gesetzliche Verpflichtung, Aufgaben mit einem bestimmten Standard zu erfül-len, oder die Verpflichtung durch die Rechtsprechung irgendwann gegen Null laufen würde, weil ich ja von Jahr zu Jahr einen Betrag abziehe. Jeder Korridor, der unter 100 % führt, geht nach unten, geht gegen Null. Das ist Mathematik. Aber das heißt, Sie ma-chen es bereits. Die Frage ist: Gibt es ein Modell, das näher an der Realität ist? Der entscheidende Punkt, unabhängig von Benchmark oder nicht, ist die Basis der Durchschnittsbildung. Nehmen wir die Hilfen zur Pflege. Wieso nehme ich da nicht die Empfänger als Basis, also den Durchschnitt pro Empfänger? Das ist wirtschaftliches Handeln, meinetwegen, wenn man sich am Durchschnitt orientieren will. Wieso nehme ich das pro Kopf? Wieso nehme ich bei den Kreisstraßen nicht den Kilometer, sondern pro Kopf? Wieso nehme ich bei den Kosten für Schüler nicht den Schüler, sondern pro Kopf der Bevölke-rung? Wieso nehme ich bei den Kosten der Unterkunft nicht die Bedarfsgemeinschaft, sondern pro Kopf? Das ist das Dilemma, das Problem. Unserer Ansicht nach hätte man, wenn man ein gutes Modell hätte entwickeln wollen mit der Aussage, dass das, was nicht dem Durchschnitt entspricht, möglicherweise unwirtschaftlich ist – das ist die Aus-sage des Korridors –, dann jeweils Aufgabengruppe für Aufgabengruppe eine unter-schiedliche Basis, also einen unterschiedlichen Divisor für die Durchschnittsbildung, fin-den müssen. Dann wäre es der Realität nähergekommen. Das ist unser Vorschlag. Herr Hilgen: Ich kann mich dem nahtlos anschließen. Neben diesen mathematischen Fragen ist unser zentrales Monitum, dass die Durchschnittsbildung den Faktor Einwoh-nerzahl der Gebietskörperschaft zugrunde legt, was zu ungerechten Ergebnissen führt. Ich habe versucht, es deutlich zu machen. Bei einer Gebietskörperschaft, in der viele Menschen soziale Transferleistungen bekommen, wird diese Aufgabe nicht deswegen unwirtschaftlich abgewickelt, weil dann notgedrungen pro Einwohner mehr an sozialen Transferleistungen gezahlt wird. Das ist ja ganz offenkundig.

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Fl – 25 – HHA/19/18 – 17.06.2015 In einer Gebietskörperschaft, in der die Menschen wohlhabender sind, ist dieser Faktor kleiner, obwohl es theoretisch eine unwirtschaftlichere Abwicklung sein kann. Deswe-gen ist der Maßstab Einwohner einer, der nicht geeignet ist, die Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. Um jetzt ein bisschen scherzhaft zu antworten, Frau Abgeordnete, mit Blick auf die Fra-ge des Eingriffs in die kommunale Selbstverwaltung: Dem könnte die Landesregierung ganz einfach dadurch entgehen, indem sie die tatsächlichen Ausgaben nimmt, und dann ist das Problem, was ist wirtschaftlich oder nicht, weg. Die Forderung erheben wir nicht. Aber wenn Sie fragen, wie das ginge, hätte ich diese Antwort natürlich parat. Zweiter Punkt, der angesprochen worden ist. Es geht um die Frage, wie kommen wir zu der 1 Milliarde €. Wenn Sie auf Seite 10 der Stellungnahme des Hessischen Städtetages schauen, finden Sie eine Prognoserechnung, wie wir stünden, wenn sich der KFA ohne den Entzug der 344 Millionen € im Jahre 2011 weiterentwickelt hätte. Wir hätten dann 400 Millionen € daraus mehr und hätten aufgrund der Aufteilung der Stabilitätszuwäch-se einen Belastung von 200 Millionen €. Dies ist ausgewiesen. Bei dem Thema Absenkung des Eintaktpunktes – Stichwort: Eingliederungshilfe –würden uns 350 Millionen € entgehen, wenn der Bund entsprechend der Koalitionsvereinbarung im Jahre 2018 5 Milliarden € zur Entlastung bezahlen wird. Das ist das politisch erklärte Ziel der Großen Koalition. Ob das jetzt über die Eingliederungshilfe oder über andere Methoden, KdU etc., läuft, ist im Moment, wie Sie wissen, in der Debatte. Dann haben wir noch den Übergangsfonds, der mit bis zu 50 Millionen € in diese Rechnung eingeht. Die einzelnen Faktoren sind auf Seite 10 dargelegt. Sie inkludieren allerdings die damals 344 Millionen € und jetzt 400 Millionen € aus der Kürzung des KFA. Vorsitzender: Vielen Dank. – Sie haben die Gelegenheit, anschließend noch einmal nachzufragen, Frau Kollegin – Dann haben wir als Drittes noch den Hessischen Städte- und Gemeindebund. Wer antwortet? Dahin war auch noch eine Frage gegangen. Herr Schäfer: Die Fragestellung ist akustisch nicht ordentlich angekommen. Wenn Sie das noch mal wiederholen würden, Frau Abgeordnete. Abg. Eva Goldbach: Ja, gerne. Sie sprachen von Abgabenerhöhungen, für die das Land verantwortlich sei. Ich habe Sie gebeten, doch noch einmal bitte kurz darzustellen – wir haben Steuern, Gebühren und Beiträge in den Kommunen an kommunalen Ein-nahmen, Beiträge und Gebühren als besondere Leistung für eine Gegenleistung sind ja prinzipiell kostendeckend –, was Sie genau damit meinen? Herr Schäfer: Ich dachte, es sei so verkürzt darstellbar, weil es inzwischen im Grunde all-gemeine Erkenntnislage ist, dass durch die klammen Kassen der Kommunen vor Ort ein erheblicher Erhöhungsbedarf entstanden ist. Sie werden landauf, landab die Erhöhung der Grundsteuern feststellen. Das dient dazu, die Haushalte in irgendeiner Form wieder auf Augenhöhe zu bringen oder die Unterlippe über Wasser. Das ist bei den Gebühren und Beiträgen nicht anders, also insgesamt Abgaben: Steuern, Gebühren, Beiträge. Das ist doch der Sachverhalt, um den es geht.

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Fl – 26 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Vorsitzender: Vielen Dank für die Ergänzung. – Frau Goldbach, fühlen Sie sich geholfen oder haben Sie noch eine Nachfrage? Abg. Eva Goldbach: Ich habe noch eine Nachfrage. Wenn Sie sagen Steuern, gut, wir haben die Erhöhung der Steuern bei den Realsteuerhebesätzen, das ist korrekt. Bei den Gebühren und Beiträgen sagen Sie, da gebe es jetzt auch Erhöhungen. Heißt das, dass sie vorher nicht kostendeckend erhoben wurden, was sie ihrem Wesen nach müssen, oder heißt das, dass jetzt höhere Gebühren erhoben werden, als die Kosten das eigent-lich darstellen? Ich möchte das jetzt mal ganz klar definiert haben. Herr Schäfer: Bei den Gebühren stellt sich die Frage nicht. Es gibt eine gesetzliche Grundlage. Gebühren dürfen nicht überhöht, aber auch nicht zu niedrig sein. Das wis-sen Sie, und das wissen wir alle. Von daher stellt sich meines Erachtens die Frage nicht. Ich habe von Abgaben insgesamt gesprochen. Nehmen Sie zum Beispiel die Kindergartenbeiträge, nehmen Sie andere zusätzliche Aufgaben, die aber auch ein Entgelt dafür erforderlich machen. Das sind doch genau die Problempunkte. Der Kernpunkt, an dem sich das festmacht, ist allerdings die Steuer. Das muss man sehen. Es ist nicht nur die Grundsteuer A und B, sondern darüber hinaus. Bei der Gewerbesteuer findet das Gleiche statt. Das ist der Kern dessen, was jetzt Ge-genstand unserer Erörterung ist. Abg. Günter Schork: Auch von mir zunächst ein herzliches Dankeschön für die Stellung-nahmen, die sachlichen Ausführungen und die Diskussionen, die wir im Moment führen. Ich habe im Wesentlichen zwei Fragen, die am Ende an alle drei Kommunalen Spitzen-verbände gehen. Ich sage aber, wen es vorrangig betrifft. Das Eine ist die Frage der Korridoranwendung, das Thüringer Korridormodell. Jetzt wird ja eine Diskussion darüber geführt, ob es einen Wirtschaftlichkeitsabschlag gibt oder nicht. Wenn ich das Gutachten von Rödl & Partner – das ist im Wesentlichen die Seite 26 – angucke und es richtig interpretiere, dann kommen Sie bei Ihrem Benchmark-Modell auf ein um 100 Millionen € höheres Defizit als das tatsächliche Gesamtdefizit. Es steht auch eine Bemerkung dazu in dem Gutachten. Wenn Sie aber die anderen beiden heranziehen, das Durchschnittsdefizit-Modell und das Durchschnitts-Benchmark-Modell, dann sind dort sehr wohl im Vergleich zu dem dargestellten Gesamtdefizit auch Abschläge drin, die nach meinem Verständnis ir-gendetwas mit Wirtschaftlichkeit zu tun haben. Interpretiere ich das richtig, oder bin ich da irgendeinem Irrtum im Zusammenhang mit dem Gutachten aufgesessen? Die zweite Frage richtet sich im Wesentlichen an den Kollegen Pipa, der ausgeführt hat, dass in Thüringen das Thüringer Korridormodell, so wie wir es jetzt einführen werden, nicht mehr angewandt wird. Die Frage: Wäre es Ihnen lieber, wenn wir in unserem Ge-setzentwurf das Modell, das jetzt in Thüringen praktiziert wird, anwenden? Das sieht nämlich so aus, dass von zehn gesondert betrachteten Aufgabenbereichen die drei günstigsten Gebietskörperschaften zur Bedarfsermittlung herangezogen werden. Wäre Ihnen das Modell lieber? Der zweite Fragenkomplex bezieht sich auf die Kreis- und Schulumlage. Erster Punkt. Beim Hessischen Städte- und Gemeindebund werden Ausführungen gemacht zu der

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Fl – 27 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Höhe der Kreisumlage. Es wird vorgeschlagen, dort einen Höchstbetrag einzuziehen; das sehe ich auf Seite 18 Ihrer Stellungnahme. Zweiter Punkt. Auf Seite 19 Ihrer Stellungnahme, das haben Sie ja auch angesprochen, äußern Sie sich zu der Frage Genehmigung der Aufsichtsbehörde, Prüfung, ob das im Hinblick auf die Kommunen wirtschaftlich angemessen ist. Die Frage ist – wenn ich hin-ten anfange –: Wer soll denn in Bezug auf die Kreisumlage diese Wirtschaftlichkeitsprü-fung und die Angemessenheitsprüfung im Verhältnis zwischen Kreis und Kommune ma-chen? Sollen wir das nach dem bisherigen Verfahren machen, also wenn die Aufsichts-behörde die Wirtschaftlichkeit der Kommune feststellt. Jetzt sind wir bei der Diskussion, wer ist am Ende des Tages Aufsichtsbehörde. Wenn ich es stringent durchdenke, müsste das dazu führen, dass die Kommunalaufsicht zumindest in Bezug auf die Genehmi-gungspflicht von Haushalten nicht mehr auf der Kreisebene angesiedelt ist, weil das im Zweifel zu Verwerfungen führen würde. Die nächste Frage, die damit verbunden ist: Wie beurteilen Sie die Frage der Angemes-senheit und der notwendigen Finanzausstattung der Kommunen, wenn der Kreis sagt, es ist notwendig zu erhöhen? Die Kommunen – oder von mir aus auch die Aufsichtsbe-hörde – sagen, das ist nicht notwendig. Woher kommt am Ende des Tages zumindest die vom Kreis erwartete Differenz oder der Betrag? Die nächste Frage, die geht an den Hessischen Städtetag, weil er das auch angespro-chen hat. Es geht in der Tat um die Frage der Deckelung der Kreisumlage. In einigen der uns vorgelegten Gutachten werden in Bezug auf die Höhe der Kreisumlage – wir haben ja für das Jahr 2016 eine Deckelung drin –, von den Gutachtern verfassungs-rechtliche Bedenken dahin gehend geltend gemacht, dass sie sagen, das ist ein unzu-lässiger Eingriff in das Hebesatzrecht der Kommunen. Wie stehen Sie zu dieser Aussage der Gutachten? Vorsitzender: Das war jetzt eine ganze Reihe von Fragen. Beginnen wir mit dem Hessi-schen Landkreistag, Benchmarking und die persönliche Frage an den Kollegen Pipa. Möchten Sie, Herr Landrat? Herr Pipa: Ja, eine interessante Frage, Herr Kollege Abgeordneter. Was ist mir lieber, war Ihre Fragestellung. Ich möchte einen gerechten, fairen Kommunalen Finanzausgleich haben. Ich möchte den Aufwand, den ich – wir alle, die Kommunen – durch Ihre Geset-ze im Landtag und durch den Bund, die ich als Weisung wahrnehme, habe, erstattet bekommen. Ich habe vorhin deutlich gemacht: Irgendetwas im hessischen System ist nicht in Ord-nung, Stichwort Bayern: pro Kopf 1,23 € – in Hessen 657 €. Wenn ich in Thüringen bin, in meinem Partnerkreis Gotha, da sagt mir mein schwarzer Amtsbruder, der Landrat, das Korridormodell hier ist ungerecht. Mein roter Amtsbruder, der Oberbürgermeister, sagt das Gleiche. Da ist die kommunale Eintracht da, die nicht immer heute von den kom-munalen Spitzenverbänden dargestellt wurde. Ihre Fragestellung haben Sie auch an den Vertreter des Hessischen Städtetages weiter-gegeben. Wer denn sonst als meine Lieblingsbehörde, das Regierungspräsidium in Darmstadt, muss errechnen und bestätigen, oder auch nicht, was die Kreise an Schul-umlage berechnet haben? Das kann doch nicht ein kommunaler Zweckverband der

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Fl – 28 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Kommunen machen. Da muss man doch einmal auf dem Teppich bleiben. Das wollte ich auch einmal sagen.

(Abg. Günter Schork: Ich habe aber bewusst nach der Kreisumlage und nicht nach der Schulumlage gefragt!)

Es war eine Stellungnahme da; das wollte ich gleich abräumen, bei der ein Kollege bei der Schulumlage, um zu verhindern, dass ich jetzt Magenschmerzen bekomme – – So, dann ist das fein raus. Aber noch mal zu Ihrer Fragestellung mit den verschiedenen Korridoren und den ver-schiedenen Zahlen, der Berechnung von Rödl & Partner. Dazu wird Ihnen jetzt der Gut-achter etwas sagen. – Ich bedanke mich. Herr Richter: Sie hatten schon selber angeführt, sehr geehrter Herr Abgeordneter, dass beim Benchmark-Modell das berechnete Defizit über dem Gesamtdefizit liegt. Das liegt daran, dass wir in der Berechnung davon ausgegangen sind, dass die untere Korridor-grenze in Ausnahmefällen negativ sein kann. Dieses haben wir in der Berechnung da-durch eliminiert, dass wir gesagt haben, wir setzen diese untere Korridorgrenze auf null. Sie wird dann negativ, wenn in Ausnahmefällen ein Überschuss erzielt wird. Uns ging es um die Defizitbetrachtung. Wenn ich bei einem solchen Modell alle Überschüsse abzie-he, wird sich das Gesamtdefizit logischerweise erhöhen, das in dem normalen Korridor-modell saldiert wurde. Unser Augenmerk bei dieser Geschichte war es nicht, die absoluten Zahlen gegenüber-zustellen, sondern unser Augenmerk lag darauf, die verschiedenen Möglichkeiten ver-schiedener Basen einer Berechnung darzulegen. Von daher bin ich an dieser Stelle der Meinung, dass wir nicht auf die Zahlen, wie sie in dieser Tabelle auf Seite 26 stehen, ein-gehen sollten, sondern wir uns die Alternativen überlegen sollten. Diese Zahlen, die wir hier vorliegen haben, sind Zahlen aus dem Jahre 2012. An anderer Stelle unseres Gut-achtens haben wir natürlich auch darauf hingewiesen, dass wir die uns zur Verfügung stehende Datenbasis als nicht valide bezeichnen mussten, allerdings ein Modell ceteris paribus erstellen, unter den Voraussetzungen, die wir vorgefunden haben. Vorsitzender: Vielen Dank. Dann würde ich aber jetzt trotzdem, weil eine Frage direkt an den Hessischen Städte- und Gemeindebund gerichtet war, wegen der Kreis- und Schulumlage, Ihnen, Herr Präsident, das Wort noch mal geben. Herr Schäfer: Die Frage war, inwieweit eine Beurteilungsgrundlage und eine Beurtei-lungsermächtigung mehr oder minder im Raume stehen sollen für die Frage, was ist an-gemessen. Da haben wir gegenwärtig die Situation, dass die Genehmigungsbehörde die Angemessenheit prüft, aus pflichtgemäßer Beauftragung zu prüfen hat, und zwar bei der Genehmigung der jeweiligen Haushalte. Das ist die Ausgangslage. Es ist aber auch noch anzumerken wie auch festzuhalten, dass bei Festsetzung der Kreisumlage auf die Leistungsfähigkeit der Umlageschuldner Rücksicht zu nehmen ist. Das Spiel ist ja nun so: Wenn darüber hinausgehende Ausgaben entstehen, dann ist das Land aufgrund der Gesetzeslage in der Pflicht, den überschießenden Teil darzustellen. Das wiederum bedeutet im Umkehrschluss, wenn das Land die Kreise ausreichend aus-stattet, entsteht das Problem nicht.

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Fl – 29 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Vorsitzender: Vielen Dank. Jetzt noch mal die Frage an den Hessischen Städtetag, Herr Dr. Dieter. Herr Dr. Dieter: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Wir halten den Gesetzent-wurf an dieser Stelle für verfassungsgemäß. Die Deckelung der Kreisumlage ist in § 50 vorgesehen, mit Übergangsregelungen versehen und beinhaltet, dass zunächst durch die Erhöhung des Umlagevolumens insgesamt durch die neuen Nivellierungshebesätze die Landkreise ihre Kreisumlage so anpassen müssen, dass sie sich auf das Niveau des Jahres 2015 zurückbegeben. Das ist verfassungsgemäß. Die Frage, wie weit sich die Landkreise von dem, was Status ist, entfernen dürfen, ist si-cherlich nicht damit zu beschreiben, dass man ihnen eine völlige Freiheit geben muss, ihre Hebesätze beliebig zu erhöhen. Sie haben zunächst einmal durch das neue Gesetz und die neuen Nivellierungshebesätze einen exorbitanten Schub erhalten, das heißt, bei niedrigeren Hebesätzen ein gleiches Volumen. Wenn man tatsächlich die Frage stellen wollte, ob die Deckelung der Kreisumlage zulässig ist oder nicht, dann müsste man sich, wenn überhaupt, das Produkt der beiden ansehen. Denn die Veränderung der Nivellierungshebesätze verändert schon einmal von vornherein das Produkt aus der Bemessungsgrundlage und dem Hebesatz. Wir vertreten die Auffassung, dass die Kreisumlage sehr wohl auf dem Niveau behaup-tet werden darf wie bisher. Wir haben uns auch mit klaren Änderungsvorstellungen dazu befasst. Sie sehen in unserem Katalog die Vorschriften des § 50 mit verschiedenen Än-derungshinweisen. Wir meinen, dass die Deckelung beibehalten werden soll, so wie sie zum Eintaktjahr 2016 besteht, und nicht erhöht werden soll. Wenn aber doch, haben wir eine moderate Erhöhung für denkbar gehalten. Das finden Sie in ausformulierten Paragrafen. Daraus können Sie auch rückschließen, dass wir natürlich keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit bei der Deckelung haben. Wir würden uns freuen, wenn Sie das übernehmen würden. Wir möchten auch das, was in der Rechtsprechung entschieden ist, zur Klarstellung im Gesetz wieder se-hen, dass nämlich die Begrenzung der Erhöhungen auch dadurch erfolgt, dass die Leis-tungsfähigkeit der Umlagepflichtigen zu berücksichtigen ist. Wer das kontrolliert und prüft, das muss in diesem Gesetz nicht stehen. Zunächst ist es erforderlich, dass im Gesetz überhaupt solche Vorgaben gemacht werden. Sie können das also anhand des § 50 beurteilen und beobachten. Es gibt keine Probleme mit der Begrenzung dieser Art. Was jetzt den Vorschlag betrifft, den der Hessische Landkreistag hier unterbreitet hat, die Frage der Kontrolle der Schulumlage, haben wir festgestellt, dass das Finanzministe-rium davon ausgeht, dass die umlagepflichtigen Kommunen selbst klären, ob die Erhö-hung der Schulumlage angemessen ist oder nicht. Das ist eine beachtliche Feststellung, dass die kreisangehörigen Kommunen bei der Schulumlage fast in einer Art Rechtsauf-sicht über die Landkreise kommen. Wir werden die alternative Vorstellung, die hier unterbreitet ist, dass die Regierungsprä-sidien jährlich die Angemessenheit prüfen, gerne aufnehmen und im Verband diskutie-ren. Ich könnte mich unter Umständen mit so einer Lösung anfreunden. Aber das möch-te ich ungern spontan hier im Landtag verkünden. Das sollten wir erst einmal in die Be-

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Fl – 30 – HHA/19/18 – 17.06.2015 ratungen unserer Gremien mitnehmen. Das ist jedenfalls ein dankenswerter Vorschlag, den der Präsident des Hessischen Landkreistages hier unterbreitet hat. Vorsitzender: Vielen Dank. – Es gibt noch eine Nachfrage des Kollegen Schork. Abg. Günter Schork: Die Nachfrage geht im Wesentlichen an den Hessischen Städte- und Gemeindebund. Herr Kollege Dieter, es ist okay, dass Sie sagen, gewisse Dinge müssen nicht im Gesetz formuliert werden. Es gibt einen Vorschlag des Hessischen Städ-te- und Gemeindebundes in der Stellungnahme, der sagt, wir schlagen folgende For-mulierung des § 60 Abs. 6 FAG-E vor. Am Ende müssen die drei Kommunalen Spitzen-verbände dazu eine Antwort geben. Auf Seite 19 steht: „Der Hebesatz der Kreisumlage … bedarf der Genehmigung ...“ Das ist unstrittig. „Die Genehmigung ist zu versagen, wenn festgestellt wird, dass die dauernde Leistungs-fähigkeit der umlagepflichtigen Gemeinden gefährdet wird oder ein Ausgleich zwi-schen dem zur angemessenen Aufgabenerfüllung notwendigen Finanzbedarf des Landkreises und seiner Gemeinden dies erfordert.“ Das ist der wesentliche Punkt. Daraus resultieren doch zumindest zwei Fragen. Die erste Frage: Wer stellt denn die Gefährdung der dauernden Leistungsfähigkeit der umlagepflichtigen Gemeinden fest? Bisher war das die Kommunalaufsicht. Bisher war die Kommunalaufsicht, außer bei den Schutzschirmgemeinden, bei den Landkreisen. Jetzt ist aber der Landkreis derjenige, der eine Umlagenerhöhung haben will. Wie soll er denn dann die Frage der dauernden Leistungsfähigkeit der Kommunen beantworten bzw. – einmal flapsig gesagt –: Es ist doch relativ klar, er will seine Kreisumlage erhöhen, also müssen die dauerhaft leistungsfähig sein, damit das funktioniert. Das ist doch die spannende Frage. Wer stellt das am Ende des Tages fest und impliziert diese Formulie-rung? Es ist sehr konkret die Frage an den Hessischen Städte- und Gemeindebund: Impliziert diese Frage nicht, dass man bei der Kommunalaufsicht auch die Genehmigungspflicht für kommunale Haushalte, sprich für Städte und Gemeinden, auf die Ebene der Regie-rungspräsidien stellen muss, weil sonst das objektive Beurteilen desjenigen, der seine eigene Umlage erhöhen will, nicht mehr möglich ist? Das ist doch die Gretchenfrage, die aus meiner Sicht damit verbunden ist. Wenn Sie jetzt sagen, das sei alles falsch, dann bitte ich, mich aufzuklären. Herr Schäfer: Die Gretchenfrage, die Sie jetzt sehr hochfahren, ergibt sich aber aus be-währter Praxis. Zum einen ist es so: Sobald ein Dissens in den Zuständigkeitsfragen auf-tritt, haben wir grundsätzlich die Frage der Befangenheit. Dann entscheidet im Grunde die nächsthöhere Behörde darüber. Das ist in dem Fall das Regierungspräsidium. Das war in der Vergangenheit so. Das wird auch in Zukunft unser Vorschlag so sein. Zu beachten ist, dass der Haushalt des Landkreises von derselben Behörde, nämlich dem Regierungspräsidium, genehmigt wird. Das heißt, das impliziert im Grunde schon die Fragestellung: Was hat denn der Landkreis in seinen Haushalt hineingeschrieben? Da findet die Prüfung auch auf dieser Ebene statt. Insofern, denke ich, ist es sehr prag-matisch, so vorzugehen. – Ist Ihre Frage insoweit beantwortet?

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Fl – 31 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Abg. Günter Schork: Ich habe keine weitere Zusatzfrage. Vorsitzender: Wir haben noch genügend Runden, Kolleginnen und Kollegen. Also es wird uns nichts entgehen. Aber es hatte sich dazu noch einmal Herr Engelhardt gemel-det. – Bitte schön. Herr Engelhardt: Herr Schork, ich glaube, dass es nicht so einfach ist, einen potentiellen Konflikt zwischen dem Kreis und kreisangehörigen Gemeinden zu sehen. Ich will ganz konkret berichten, dass gestern, leider, nach einer Verhandlung des Bundesverwal-tungsgerichts der Landkreis Kassel gegen das Land Hessen verloren hat. Der Landkreis Kassel wollte entgegen einer Weisung des Regierungspräsidiums die Kreisumlage nicht erhöhen, um seine kreisangehörigen Gemeinden, die erhebliche finanzielle Probleme haben, zu entlasten. Das ist die Realität. Es ist also nicht so, dass kreisangehörige Ge-meinden gegen Landkreise stehen, sondern wir sind alle Teil der kommunalen Familie, und wir wissen, dass wir unsere Aufgaben finanzieren müssen. In der Hessischen Verfassung, die Maßstab für uns alle ist, steht nicht, dass die Arbeit der Landkreise durch die Kreisumlage finanziert werden soll, sondern da steht, dass die Ar-beit der Landkreise, die kommunale Selbstverwaltung, durch das Land zu finanzieren ist, die Kreisumlage nur darüber hinaus. Insoweit glaube ich, dass es in der Realität immer möglich sein wird, einen gerechten Interessenausgleich zwischen den Landkreisen und den Kommunen zu finden, ohne dass wir uns lange und groß darüber Gedanken ma-chen müssen, ob es eine Eskalation dieses Konfliktes geben könnte und wer am Ende die Genehmigungsprüfung hat. Vorsitzender: Vielen Dank für diese Ergänzung. – Ich habe jetzt noch zunächst zwei Fra-gesteller, nämlich den Kollegen Schmitt und den Kollegen Warnecke. Wenn es dann keinem in der ersten Runde ganz fürchterlich pressiert, würde ich sagen, machen wir mit der ersten Runde erst einmal Schluss, und wir würden dann die Gutachter zu Wort kommen lassen. – Kollege Schmitt, bitte schön! Abg. Norbert Schmitt: Ich habe zwar noch einige Fragen, aber ich würde sie dann in den Runden, wenn wir die Sachverständigen und vor allem auch die Vertreter der ein-zelnen Städte, Gemeinden und Landkreise befragen, unterbringen. Ich habe allerdings eine konkrete Frage an den Hessischen Städte- und Gemeindebund, weil er nach mei-ner Auffassung ein nicht unbedeutend juristisches Problem unter dem Stichwort U-3-Betreuung aufgezeigt hat. Der Hessische Städte- und Gemeindebund trägt vor, dass die finanziellen Lasten aus der U-3-Betreuung nicht ausreichend berücksichtigt sind und die U-3-Betreuung nach dem Konnexitätsprinzip abzuwickeln ist, das heißt, dass ein finanzkraftunabhängiger Aus-gleich erfolgen müsste. Die Landesregierung schreibt in ihrer Stellungnahme: „Der Ausgleich konnexitätsrelevanter Belastungen und der Kommunale Finanzausgleich werden als unabhängig nebeneinander stehende Regelkreise betrachtet.“ Jetzt kommt es: „Sofern ein Ausgleich nach Konnexitätsgrundsätzen erfolgt, ist der entsprechende Bedarf durch die damit verbundenen Zahlungen abgegolten und im Finanzausgleich grundsätzlich nicht mehr zu berücksichtigen.“

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Fl – 32 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Jetzt ist natürlich genau die konkrete Frage: Konnexitätsgesichtspunkt besagt, es ist voll-ständig und finanzkraftunabhängig auszugleichen. Ist das denn durch das jetzige Vor-gehen gesichert? Das ist, wie gesagt, meine Frage an den Hessischen Städte- und Gemeindebund. Herr Schäfer: Herr Abgeordneter Schmitt, das lässt sich derzeit so nicht erkennen. Denn bei der Bedarfsdefinition ist im Kindergarten bei der Betreuung die U-3-Finanzierung bis-her außen vor geblieben ist. Das bedeutet, wenn das mit eingerechnet wird und die 100-%-Bedarfsanerkennung erfolgt, dann haben wir das vom Acker, ansonsten eben nicht. Dann muss man unter Umständen über die vor die Klammer gezogenen Regel-kreise sprechen. Wir wollen nicht vergessen, woher das alles gekommen ist. Das ist ja vom Bund initiiert worden. Ich darf an die damals zuständige Ministerin von der Leyen erinnern, die sehr große Vorgaben gemacht hat. Allerdings hat sich der Bund auch einen schlanken Fuß gemacht, was die Finanzierung anbelangt. Am Ende landet, wie üblich, alles bei der Basis, und das sind die Kommunen. Die müssen sehen, wie sie mit den Ansprüchen, die durch die Elternschaft etc. erhoben werden, zurechtkommen. Insofern stellt sich die Frage des Regelkreises und der Konnexität einerseits. Andererseits aber vertrete ich hier die Auffassung, wenn ich denn in Analogie zu Ministerin von der Leyen argumentieren würde, das ist nicht nur von dort bestellt und muss von dort be-zahlt werden. Ich will das Land deutlich außen vor lassen. Aber ich weiß, dass das unse-re Struktur derzeit nicht zulässt, sondern es ist auch eine der wenigen gesamtgesell-schaftlichen Aufgaben, die diese Überschrift zu Recht erhalten hat. Hier dürfen keine Unterschiede gemacht werden und die Finanzausstattung muss gewährleistet werden. Das kann nicht von der individuellen Leistungsfähigkeit vor Ort abhängig gemacht wer-den. Vorsitzender: Vielen Dank. Kollege Schmitt, Sie hatten gesagt, Sie hätten mehrere Fra-gen. Oder in der nächsten Runde? – Okay. Dann würde ich jetzt noch dem Kollegen Warnecke und danach, auch der Kollege Stephan hatte sich gemeldet, das Wort ge-ben. Abg. Torsten Warnecke: Meine erste Frage richtet sich an die kommunale Familie. Da hat der Herr Finanzminister mit Blick auf den Brief, der versendet wurde, heute Morgen vorgetragen, dass sich die Summen zwischen Stabilitätsansatz und Festansatz verschie-ben, wonach auf der einen Seite der Stabilitätsansatz um gut 650 Millionen € wächst und auf der anderen Seite der Festansatz um ungefähr 450 Millionen € gekürzt wird. Da ist erst einmal die Frage, ob Sie darin systematisch irgendein Problem sehen oder ob Sie das als unproblematisch erachten. Die zweite Frage bezieht sich auf das viel zitierte, grundsätzlich immer angeführte Bun-desland Thüringen. Die Schulumlage, die Sie hier angesprochen haben, spielt in Thürin-gen so ja keine Rolle. Da streitet man sich im Kreistag darüber, ob sich die Kreisumlage im benachbarten Landkreis – wir sind grenznah – um 36 oder 37 Prozentpunkte bewegt. Die dortigen Bürgermeister im Parlament sind natürlich für 36 % und die Kreistagsabge-ordneten für 37 %. Das würde natürlich auch ganz andere Dimensionen bedeuten.

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Fl – 33 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Abschließend die Frage: Würden Sie mir zustimmen, ohne dass das die Landespolitik hier ernsthaft versichern darf und kann, dass die derzeitige Finanzierung des KFA, die auch in Thüringen hoch umstritten ist und ständige Nachforderungsbedarfe jedenfalls der Kommunen formuliert, mit gut 2 Milliarden € von 4 Milliarden € Ausgabe ein Datum ist, mit dem auch die hessischen Kommunen anteilig rechnen und umgehen könnten? Hieße das, Sie würden bei 15 Milliarden € die Hälfte vom Land bekommen? Das noch einmal zum Thüringer Modell. In Thüringen ist es ein Ausgabevolumen ungefähr 4 Milliar-den €. Der KFA, der da hoch strittig ist, wird im Moment bei 2 Milliarden € angesetzt. Wenn Sie also in Hessen gut 7 Milliarden € oder 7,5 Milliarden € bekämen, würden Sie wahrscheinlich anders über das Thüringer Modell nachdenken. (Heiterkeit) Herr Dr. Dieter: Herr Abgeordneter, da muss man von der Frage absehen, die wir etwa zum Thüringer Korridormodell vielfältig gestellt haben, das wir in Zweifel ziehen. Wenn man alles, was im Gesetz steht, zur Grundlage nimmt und es voraussetzt, ist das richtig gerechnet. Daran haben wir wenig Zweifel. Es ist natürlich schon beachtlich, dass in der Systematik herauskommt, dass das Land jetzt plötzlich 1 Milliarde € oder sogar etwas mehr als 1 Milliarde € überobligatorisch zahlt, das heißt, sich ein System gewählt hat, bei dem es selbst davon ausgeht, zur Zah-lung von 1 Milliarde € gar nicht verpflichtet zu sein. Das führt zu einem Kernpunkt der Meinungsunterschiede zwischen dem Land und uns. Wir lassen einmal die Diskussion um den 400-Millionen-€-Entzug außen vor. Das würde die Diskussion nur zusätzlich belasten, also unbeschadet dieser Diskussion, die auch nicht in unserem Sinn geklärt ist: Ist das der angemessene Betrag, die angemessene Fi-nanzausstattung? Dazu haben wir in unserer Stellungnahme groß ausgeführt. Das kön-nen Sie alles nachlesen. Wir sehen das als die angemessene Finanzausstattung, nicht diesen feinen Finanzkraftzuschlag. Deswegen ist dieser Stabilitätsansatz in dieser Höhe auch nicht überobligatorisch, sondern ist, wenn man den Begriff des Landes nimmt – weil wir einen Anspruch auf eine angemessene Finanzausstattung im umfassenden Sin-ne haben –, obligatorisch. Also das, was jetzt fließt, ist obligatorisch. Ich will auch noch, weil es sonst angesichts dieser massiven Aufwüchse, die wir ja zwei-fellos in der Gesamtsumme haben, Missverständnisse gibt, darauf hinweisen, dass, gelte das Recht des FAG 2015, wir nicht weniger hätten. Da gibt es keinen Unterschied. Wenn das alte Recht gelten würde, wäre der Aufwuchs genauso. Die Tatsache, dass wir jetzt fast 250 Millionen € mehr im Pott haben, ist nicht darauf zurückzuführen, dass wir ein neues Recht haben, sondern ist darauf zurückzuführen, dass es einen massiven Steuer-aufwuchs gibt, der sicherlich bei den Kommunen da ist – daran wollen wir gar nicht zweifeln – und vor allem auch beim Land da ist. Diese Summen sind Ausdruck eines massiven Steueraufwuchses beim Land. Sie sind die Ursache dafür. Das muss man dazu sagen, damit man die Zahlen richtig einordnen kann. Wenn es jetzt so bleibt, wie es mit dem Gesetzentwurf vorgeschlagen wird, dann geht eben ab 2017 die Reise rückwärts. Bei Geltung dieses Gesetzes werden wir erhebliche Verluste, immer im Vergleich zum geltenden FAG 2015, haben. Wir vergleichen mit dem geltenden Recht. Dass es immer mal mehr Geld gibt, wenn es mehr Steuern gibt, damit hat das Gesetz erst einmal wenig zu tun. Das nur zur Einschätzung. Es gibt keinen Zweifel daran, dass das mit all den Systemmängeln gerechnet ist, die wir heute Morgen schon eindrücklich beklagt haben.

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Fl – 34 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Herr Hilgen: Das ist jetzt eher eine scherzhafte Bemerkung. Mit Blick auf die Frage, mit welchen anderen Bundesländern man sich vergleichen sollte, würde ich eher in den Süden der Republik schauen, als in den Westen, Norden oder Osten. Herr Pipa: Wie die Modelle heißen, Thüringer Modell oder meinetwegen auch Schäfer-Modell – das wäre mir auch recht –, ist mir gleich. Wenn entsprechend genügend Geld im Topf wäre, wäre die Welt in Ordnung. Nur so ist es nicht. Ich liebe nichts so sehr wie jetzt hier theoretische Diskussionen. Nehmen wir doch end-lich einmal gemeinsam die gesellschaftliche Realität vor Ort wahr. Die meisten Kommu-nen, Städte, Gemeinden und Kreise in Hessen fahren Defizite. Sie bekommen mehr Auf-gaben. Ich habe vorhin das Thema Bürgerkriegsflüchtlinge genannt. Einige Städte und Gemeinden gehen aus ihrer Not dazu über, die freiwilligen Leistungen in der Kultur oder in anderen Bereichen zu streichen oder zu kürzen. Der Bürger begehrt auf. Wird das denn in Wiesbaden nicht wahrgenommen? Vor über einem Jahr habe ich gesagt, der Bürger zieht sich aus dem bürgerschaftlichen Engagement zurück. Die Wahlbeteiligung wird die schlechteste sein im nächsten Jahr seit Gründung des Landes Hessen. Darum geht es. Wir haben die Bürgerinnen und Bür-ger mitzunehmen. Dazu brauchen die Kommunen, Städte, Gemeinden und Landkreise eine ausreichende Finanzausstattung. Wie das Modell heißt, ist mir wurscht. Herr Schäfer: Die Frage von Herrn Abg. Warnecke war, ob wir die Zahlen schon realisiert haben, die jetzt neu da sind und wie wir sie bewerten. Ich sage Ihnen, vom Grundsatz her, und das, denke ich, muss man so auch mitnehmen: Es ist angemessen, ehrbar und auch unsere Aufgabe als diejenigen, die versuchen müssen, kommunale Haushalte in irgendeiner Form auszugleichen. Unser primäres Interesse muss darin liegen, dass ein fixer Ansatz, der nicht volatil und nicht atmungsfähig nach unten ist, jedenfalls abgesichert, uns in eine verlässliche Haus-haltssituation bringt. Das ist das eine. Jetzt sind gerade wieder die Schwankungen in einer Größenordnung von 450 Millionen € in diesem Sektor genannt worden. Der Stabili-tätsansatz hingegen ist ja nun ein volatiler, und er ist disponibel. Die Frage ist, wie wir die notwendige Sicherheit erhalten können. Sicherheit geht vor Volatilität. Abg. Peter Stephan: Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Meine Frage richtet sich an den Hessischen Städte- und Gemeindebund und bezieht sich auf die Seite 15 des PwC-Gutachtens zur Prüfung der horizontalen Verteilung in Hessens kommunalem Finanzaus-gleich. Auf dieser Seite ist eine tabellarische Gegenüberstellung der Einwohnergewich-tungen im alten und im neuen System. In der Zusammenfassung dieses Textes wird aus-geführt, die Mittelzentren, Sonderstatusstädte und so weiter erhielten eine deutliche Verbesserung. „Hingegen verschlechtern sich die Grundzentren deutlich, insbesondere die großen Grundzentren“. In Ihrer Stellungnahme zu diesem Sachverhalt habe ich nichts gelesen, vielleicht habe ich es überlesen: Könnten Sie mir einfach einmal ein Feedback geben, ob Sie diese Aussage, so wie sie hier getroffen ist, akzeptieren, oder ob es nicht notwendig wäre,

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Fl – 35 – HHA/19/18 – 17.06.2015 dass dort ein stärkerer Ausgleich zugunsten der kleineren Zentren, die nicht Mittelzentren sind, erforderlich wäre? – Danke. Herr Schäfer: Ich stutze zunächst etwas, weil wir kein PwC-Gutachten in irgendeiner Form kommentiert haben. Ich finde das jetzt auch nicht auf die Schnelle. Vielleicht kön-nen Sie mir da noch einmal mit ergänzender Fragestellung helfen. Was die Ausstattungen der unterschiedlichen Zentren anbelangt – das im Allgemei- nen –: Wir haben dort das Thema bestimmter Stärkungszuschläge für den ländlichen Raum. Das ist auch eine notwendige Differenzierung, die vorzunehmen ist. Ansonsten gehen doch noch viel schneller die Lichter aus, als derzeit schon zu befürchten steht. – Vielleicht können Sie mir da noch mal helfen, denn wir haben einen Dissens entweder im Verstehen – – Abg. Peter Stephan: Dieses Gutachten lag draußen aus. Ich habe es mir mitgenommen. Es ist die Ausschussvorlage HHA 19/14 für heute. Daraus habe ich das entnommen. Zwar ist es aus den bisherigen Vorlagen zum Gesetzentwurf erkenntlich, aber hier wird es ta-bellarisch sehr deutlich dargestellt. In diesem Zusammenhang richtet sich meine Frage an den Hessischen Städte- und Gemeindebund, denn Sie vertreten ja alle Kommunen – die kleinen, die großen, die Mittelzentren, die Unterzentren und die Grundzentren. Wenn in der Gesamtheit aller Kommunen ausgeführt wird, es werde Kommunen geben, die deutlich besser versorgt werden, und es werde Kommunen geben, die künftig deutlich schlechter versorgt wer-den, dann stelle ich die Frage: Lassen Sie als Städte- und Gemeindebund das so un-kommentiert stehen und stimmen insoweit auch dem so zu, was hier ausgeführt ist? Herr Schäfer: Nun, es hat den Versuch bisher gegeben – auch im Entwurf schon –, eine Situation herbeizuführen, um dieser sehr unterschiedlichen Ausstattung in irgendeiner Form gerecht zu werden. Das ist auch weiterhin noch eine Aufgabenstellung. Sie erken-nen zu Recht, dass wir natürlich eine Situation mit sehr unterschiedlich strukturierten und unterschiedlich ausgestatteten Mitgliedskommunen haben. Ich habe schon Widerspruch hinter meinem Rücken erhalten. Wir vertreten im Übrigen nicht alle, aber ich darf Ihnen sagen: die allermeisten. Von daher können wir weiterhin das Problem natürlich sehr viel zielschärfer betrachten und anpacken. Das werden wir tun, auch in ergänzender Stellungnahme. Vorsitzender: Vielen Dank. – Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zum zweiten Block der Anhörung, nämlich zu unseren Gutachtern, denen ich gerne die Gelegenheit gebe, sofern sie möchten, neben ihren schriftlichen Stellungnahmen auch hier noch mal mündlich Stellung zu nehmen. Ich gehe meine Liste, wie sie mir das Protokoll aufge-schrieben hat, von oben nach unten durch und frage zunächst Herrn Prof. Dr. Schwarz, ob er noch einmal das Wort wünscht. Dann kommen Sie bitte zu uns nach vorne ans Rednerpult. Eine Redezeit von maximal zehn Minuten ist vereinbart. Herr Prof. Dr. Schwarz: Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten Damen und Herren Ab-geordnete, sehr verehrter Herr Staatsminister! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, er-

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Fl – 36 – HHA/19/18 – 17.06.2015 gänzend zu meiner schriftlichen Stellungnahme, die Ihnen vorliegt, hier noch einige Punkte anzusprechen. Zunächst einmal: Wir haben heute schon seitens der Kommuna-len Spitzenverbände viel aus der sozusagen praktischen Betroffenheitsperspektive ge-hört. Zwischendurch ist auch die Frage aufgeworfen worden, ob wir jetzt eine rechtliche Debatte führen sollen. Es geht hier doch vielleicht eher um Fragen des fairen Umgangs des Landes mit der kommunalen Familie. Nun stehe ich vor Ihnen als Vertreter des öffentlichen Rechts, dann auch noch als Ver-treter aus einem Bundesland, das den großen Vorteil hat, dass es offensichtlich seine Kommunen, jedenfalls in anderer Weise, finanziell ausstattet. Ich stehe hier als Vertreter einer bayerischen Universität. Aber das sei nur am Rande bemerkt. Worum es geht, ist vielleicht die Frage, ob wir nicht Fairness auch als eine Kategorie des Rechts begreifen können. Denn dann wird nämlich sehr deutlich, was eigentlich das große Problem dieses Gesetzentwurfs ist, über den wir heute diskutieren und zu dem ich als Sachverständiger eine Stellungnahme abgeben soll. Zunächst einmal ist die Ausgangslage, dass dem Gesetzgeber mit der Alsfeld-Entscheidung sicherlich eine sehr schwere Aufgabe auferlegt wurde. Die Hausausga-ben, die man dann zu erledigen hatte, waren sicherlich keine leichten. Wenn man sich überlegt, dass wir jetzt einen Gesetzentwurf mit einer Begründung von 164 Seiten ha-ben, wird schon deutlich, welche Arbeit auch in den Fachministerien dafür geleistet werden musste. Trotzdem: Wenn man sich einige der Stellungnahmen anschaut und wenn man sich die Gesetzesbegründung in Sonderheit anschaut, dann gewinnt man den Eindruck, als gä-be es im Bereich des Finanzausgleichswesens offensichtlich einen unbegrenzten Gestal-tungsspielraum des Gesetzgebers. Eine der ersten Aussagen ist, dass man wohl sagen muss: dem ist mitnichten so. Es gibt Gestaltungsspielräume, aber das Verfassungsrecht setzt auch dem Gestaltungsspielraum des Finanzausgleichsgesetzgebers deutliche Grenzen. Vor diesem Hintergrund wird man wohl sagen können, dass jedenfalls dieser Gesetz-entwurf in einigen Punkten erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Das ist zum einen die hier heute bereits mehrfach kritisierte Methode der Bedarfsermitt-lung mit dem System des sogenannten Thüringer Korridormodells. Das ist die Frage, in-wieweit für die Verteilung der Finanzmittel der Grundsatz der Verteilungssymmetrie zwi-schen dem Land und der kommunalen Ebene eine Rolle spielt. Das ist sicherlich auch die Frage der Verwendung von Bundesmitteln, die, was wir heute auch gehört haben, dem Grunde nach, weil es sich um die Finanzierung von besonde-ren Aufgaben, die der Bund sozusagen vorgegeben hat, die der Bund aber selber aus Kompetenzgründen nicht unmittelbar finanzieren darf, weil er den Kommunen nicht unmittelbar Finanzzuweisungen diesbezüglich zubilligen kann, erst über die Länder ge-wissermaßen weiterspielt. Man kann sich überlegen, ob es eigentlich verfassungsrecht-lich zulässig ist, dass dann gewisse Finanzmittel in den Händen des Landes kleben blei-ben. Das ist das berühmte Bild der klebrigen Hände. Das ist sicherlich etwas, worüber man politisch nachdenken kann. Aber es ist auch ein verfassungsrechtliches Problem. Ein weiteres Problem, das in der Stellungnahme, die ich Ihnen vorgelegt habe, von Be-deutung ist, ist die Frage der Solidarumlage oder der sogenannten Abundanzumlage.

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Fl – 37 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Im Nachfolgenden möchte ich mich im Wesentlichen darauf konzentrieren, doch noch einmal etwas zur Bedarfsermittlung zu sagen. Nach meiner Einschätzung ist die Bedarfs-ermittlung durch ein ganz bemerkenswertes Zusammenspiel zweier Faktoren gekenn-zeichnet. Zunächst einmal werden die Ausgaben nach Maßgabe des Systems des Thü-ringer Korridormodells künstlich heruntergerechnet. Gleichzeitig wird unter Zugrundele-gung fiktiver Hebesätze ein Hochrechnen der Einnahmen vorgenommen. Das zusam-men wirkt sich aber so aus, dass man den Eindruck gewinnt, dass zwei fiktive Faktoren, nämlich das künstliche Herunterrechnen an sich bestehender tatsächlicher Ausgaben zusammen mit der künstlichen Erhöhung unter bestimmten Voraussetzungen nicht ge-gebener Einnahmen dann zu einer entsprechenden Entlastung des Landes führt. Schon das Herunterrechnen der Ausgaben nach Maßgabe des Thüringer Korridormo-dells ist deshalb so bemerkenswert, weil es der kommunalen Familie eigentlich von vornherein unwirtschaftliches Verhalten unterstellt. Das ist eine Situation, bei der man nur sagen kann: Die Parameter – wir haben heute bereits einiges an Kritikpunkten ge-hört – sind eben mit dem bloßen Rekurs auf die Einwohnerzahl wahrscheinlich nicht rich-tig gewichtet. Es gibt genug andere Faktoren, mit denen eine deutlich sachgerechtere Ermittlung des Bedarfs hätten vorgenommen werden können. Das heißt, sowohl die Bedarfsermittlung als auch die Ertragsbestimmung sind in sich kein folgerichtiges System. Folgerichtigkeit ist etwas, das auch nach der Rechtsprechung anderer Landesverfassungsgerichte eines der grundlegenden Parameter für ein verfas-sungskonformes Finanzausgleichssystem darstellen muss. Ein weiterer Punkt. Es ist ganz bemerkenswert, wie wenig sich der Gesetzentwurf mit dem Grundsatz der Verteilungssymmetrie auseinandersetzt. Dieser Grundsatz, der eben maßgeblich für die Verteilung der Finanzmittel zwischen dem Land auf der einen Seite und der kommunalen Ebene auf der anderen Seite ist, findet im Gesetzentwurf kaum Erwähnung. Man muss deutlich sagen: Dieser Parameter, der Grundsatz der Verteilungs-symmetrie, ist einer, der von der Rechtsprechung zunächst eines Landesverfassungsge-richts, dann anderer Landesverfassungsgerichte in der Folge als maßgebliches Kriterium mit aufgeführt wurde. Man kann die Frage aufwerfen, warum das nicht geschehen ist. Die Alsfeld-Entscheidung bietet einen möglichen Anhaltspunkt dafür, weil sie sagt, es kommt der Sache nach nicht mehr darauf an, nachdem aus anderen Gründen das Finanzaus-gleichsgesetz schon verfassungswidrig war. Aber das ist keine Freistellung des Finanz-ausgleichsgesetzgebers, sich dazu überhaupt nicht mehr zu äußern. Letzter Punkt, zu dem ich ganz kurz noch etwas sagen möchte, ist die Frage der Solidar-umlage, bei der man den Eindruck gewinnt, sie erfolge gewissermaßen, nachdem das Land seine Finanzmittel oder einen Teil der Finanzmittel zur Verfügung gestellt hat, nachdem also das Land offensichtlich dem Auftrag nachgekommen sei, die erforderli-chen Mittel selbst zur Verfügung gestellt zu haben. Nun, wenn man danach offensicht-lich noch eine Solidarumlage erheben muss, gewinnt man aber eher den Eindruck, das Land hat nicht genügend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, was wiederum den Eindruck erweckt, dass dann jedenfalls die insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel doch zu gering sind. Ich will jetzt nicht die politische Diskussion führen, ob eine Solidarumlage nur deswegen so ungerecht wahrgenommen wird, weil sie reiche Gemeinden besonders belastet oder nicht. Es geht auch nicht um die Aufkündigung interkommunaler Solidarität. Aber es geht darum, dass zunächst einmal – das ist auch eine der Kernaussagen, die wir der

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Fl – 38 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Alsfeld-Entscheidung entnehmen können –, ein angemessener Finanzausgleich und die Darstellung und Zurverfügungstellung der dazu erforderlichen Mittel Aufgaben des Lan-des sind. Dass dabei auch Gesichtspunkte der interkommunalen Solidarität eine Rolle spielen dürfen, steht außer Frage. Aber ein System, das letztlich dazu führt, dass abun-dante Gemeinden unter Umständen in die Lage geraten, dass sie selbst Finanzmittel, die sie nur fiktiv haben und die die Grundlage für die Abschöpfung sind, dann sozusa-gen erst künstlich erheben müssten, um überhaupt der Finanzausgleichsumlage ge-recht zu werden, dürfte auch wiederum ein nicht folgerichtiges System sein. Am Ende meiner Ausführungen, möchte ich, weil ich eben dem Grunde nach mit der schriftlichen Stellungnahme bereits die verfassungsrechtlichen Kritikpunkte alle deutlich gemacht habe, nur noch einmal darauf hinweisen: Natürlich kann das Verfassungs-recht selbst nicht mehr Geld generieren. Aber das Verfassungsrecht ist nun einmal das taugliche Mittel oder die taugliche Antwort, um Verteilungsdiskussionen, die wir sowohl im Verhältnis Land zu den Kommunen als auch innerhalb der kommunalen Familie erle-ben dürfen, sachgerecht, nämlich nach Maßgabe verfassungsrechtlicher Kriterien, lö-sen zu können. – Ganz herzlichen Dank für die Gelegenheit zur Stellungnahme. Frau Kümpel: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin schon vorgestellt worden. Ich komme von der Universität Gießen und arbeite am Lehr-stuhl für Öffentliche Finanzen. Ich möchte einfach einmal versuchen, ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen. Ich habe zwei Aspekte herausgenommen, über die ich gerne sprechen möchte, zum einen über die Solidaritätsumlage und zum anderen über die Nivellierungshebesätze. Zur Solidaritätsumlage. Das ist erst einmal eine ganz einfache Finanzausgleichsumlage. Die finden Sie in 10 von 13 Flächenländern, und das ist jetzt kein außergewöhnlicher An-satz. Um das zu analysieren, muss man sich anschauen, wie sie den Zielen nachkommt, die mit einem Kommunalen Finanzausgleich gesetzt werden. Ein wichtiges Ziel ist die fiskalische Funktion des Finanzausgleichs. Die Finanzausgleichs-umlage kommt dem sehr gut nach. Denn was passiert? Abundante Kommunen werden abgeschöpft. Die abgeschöpfte Steuerkraft fließt zurück in die Teilschlüsselmasse der Ausgleichsberechtigten, also immer genau von den kreisangehörigen Gemeinden fließt es wieder an die kreisangehörigen Gemeinden zurück. Als Nächstes erfüllt es auch die redistributive Funktion. Schließlich soll innerhalb eines Landes immer ein gleichmäßiger Standard an öffentlichen Leistungen angeboten wer-den. Bis jetzt hat man das immer nur über die Schlüsselzuweisung erreicht. Jetzt werden einfach die abundanten Kommunen an diesem horizontalen Ausgleich beteiligt. Auch das ist ein ganz legitimes Instrument. Wichtig ist aber – darüber werden wir wahrscheinlich auch noch sprechen –, dass nicht übernivelliert wird. Das heißt, wenn sich an der Finanzkraftreihenfolge nichts ändert, dann ist es auch kein Problem, so eine Umlage einzuführen. Angesichts der Daten, die ich jetzt vom Finanzministerium habe, wird gesagt, es wird nicht übernivelliert. Von da-her wäre das auch in Ordnung. Wichtig ist auch noch der Tarif, mit dem hier ausgeglichen wird. Schauen Sie sich einmal an, was in anderen Ländern gemacht wird. Zum Beispiel schöpft Thüringen 30 % pau-schal ab und führt das dann nicht mehr in die Finanzausgleichsmasse zurück, sondern

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Fl – 39 – HHA/19/18 – 17.06.2015 nimmt sich einen Teil für seine Bedarfszuweisung. Das ist keine echte Finanzausgleichs-umlage. Das haben wir hier mit der Solidaritätsumlage definitiv nicht. Sie können also sagen, dass der Entwurf der Solidaritätsumlage eigentlich eine ganz konsequente Fortsetzung des Kommunalen Finanzausgleichs ist und sich ein bisschen am Länderfinanzausgleich orientiert. Das heißt, unten fülle ich auf und oben schöpfe ich ab. Das könnte man jetzt natürlich noch schöner gestalten, nämlich linear. Aber man kann nicht alles haben. Vielleicht beim Kommunalfinanzausgleich 2025 oder so. Das nächste Thema, zu dem ich ein bisschen erzählen möchte, das sind die Nivellie-rungshebesätze. Ich glaube, es ist immer ein bisschen schwierig, das nachzuvollziehen. Denn das ist etwas sehr Technisches. Wofür sind sie gut? Nivellierungshebesätze sorgen dafür, dass ein Finanzausgleich unabhängig von der Entscheidung einzelner Kommu-nen ist. Sonst ist es nämlich so, dass eine Gemeinde sagt: Gut, ich schöpfe meine eige-ne Steuerkraft nicht aus, ich finanziere mich über die Zuweisung und belaste damit an-dere Gemeinden im Finanzausgleichssystem. – Dann ist das System auch wieder ganz einfach: Liegt der Hebesatz über dem Nivellierungshebesatz, werden sie ärmer gerech-net, liegt er darunter, werden sie reicher gerechnet. Ich habe mir zwei Themen herausgesucht, die wahrscheinlich noch im Laufe des Tages diskutiert werden. Erstens ist es die Annahme, dass die Kommunen alle ihre eigenen He-besätze anheben müssen, um irgendwie an den Nivellierungshebesatz zu kommen. Das macht keinen Sinn. Es ist nämlich so, dass bei konstanter Schlüsselmasse die Höhe der Nivellierungshebesätze überhaupt nicht aussagekräftig ist. Sie haben nämlich immer den Angleich von Finanzbedarf und Finanzkraft. Wenn die Nivellierungshebesätze stei-gen, dann werden alle Kommunen reicher. Gleichzeitig ist es so, dass nicht mehr zu verteilen ist. Das heißt, sie werden reicher und damit sinkt ihr Bedarf, den sie kriegen sollten. Was passiert? Dann steigt der Grundbe-trag. Wenn der Grundbetrag steigt, dann profitieren die Gemeinden eben davon in der Höhe, wie sie auch an der Schlüsselzuweisung beteiligt sind. Das sind dann natürlich die finanzschwachen Kommunen. Das bringt mich auch schon zum zweiten Punkt, nämlich zu der These, dass finanz-schwache Kommunen unter den höheren Nivellierungshebesätzen leiden. Das stimmt nicht. Finanzschwache Kommunen sind eben diejenigen, die davon profitieren, wenn die Nivellierungshebesätze angehoben werden, aber an den Landesdurchschnitt. Das ist auch das Ziel. Ich habe es jedenfalls so verstanden, dass das so gemacht werden soll. Dahinter steckt wieder der Ausgleich von Finanzkraft und Finanzbedarf und die Grundthese, dass die Schlüsselmasse konstant bleibt. Auch das ist ganz wichtig. Wenn nämlich die Nivellierungshebesätze steigen, dann werden wieder alle Gemein-den reicher, die Finanzkraft steigt. Aufgrund der gedeckelten Schlüsselmasse steigt aber auch wieder ihr Bedarf. Das heißt, wenn sie vorher unter dem Durchschnitt der Steuer-sätze liegen, dann sind sie finanzschwach, dann hatten sie vorher schon einen Grund-bedarf. Wenn sie jetzt rein rechnerisch finanzstärker werden, steigen aber auch wieder ihr Bedarf und ihre Kraft. Gleichzeitig waren sie aber vorher schon ausgleichsberechtigt. Dann profitieren sie von den höheren Schlüsselzuweisungen. Wenn sie aber vorher schon finanzstark waren und die Hebesätze steigen, dann sind sie jetzt noch finanzstärker. Das ist auch nicht schlimm. Das heißt, was im Endeffekt durch die höheren Nivellierungshebesätze passiert, ist einfach das, dass sich die Abstände

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Fl – 40 – HHA/19/18 – 17.06.2015 zwischen den Gemeinden vergrößern. Es kann Ihnen nichts passieren, denn Sie werden nicht benachteiligt. Was abundante Kommunen angeht, die sich sowieso schon durch die Umlage be-nachteiligt fühlen: Wenn sie vorher abundant waren, wegen der gestiegenen Hebesät-ze sind sie es jetzt sowieso. – Das war es. Danke schön! Vorsitzender: Vielen Dank für Ihre mündliche Stellungnahme, Frau Kümpel. – Ich fahre einmal fort und frage: Herr Richter, Sie haben sich schon zu Wort gemeldet. Wünschen Sie noch mal gesondert das Wort? Herr Richter: Nein. Herr Prof. Dr. Junkernheinrich: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank für die Einladung in den Ausschuss und die Gelegenheit, sich mal wieder bei einer hoch kontroversen Verteilungsfrage zwischen die Stühle zu setzen oder einmal auf den einen oder einmal auf den anderen Stuhl. Das machen Hochschullehrer gerne, deshalb haben auch fast alle, die angefragt worden sind, zugesagt. Viele Argumente sind ausgetauscht, viel Papier ist beschrieben worden, vieles ist ge-rechnet worden. Da neige ich erst einmal zu einer gewissen Demut, weil ich in den letz-ten zwei Jahren nicht jeden Satz und nicht jedes einzelne Argument, das hier vorge-bracht worden ist, nachvollzogen habe. Deshalb möchte ich mich aus meiner Sicht auf die Kernfrage konzentrieren, ob nämlich die in der Folge des Alsfeld-Urteils geforderte Bestimmung der angemessenen Finanzausstattung methodisch sachgerecht gelöst worden ist, also eine Konzentration auf die vertikale Verteilungsfrage. Ich denke, das Alsfeld-Urteil ist ein wichtiges. Ich will es mal so formulieren: Die Dotierung der Finanzausgleichsmasse ist in allen Län-dern immer ein Problem, das man sehr gerne angeht. Zu horizontalen Verteilungsfragen haben wir Hunderte von Gutachten finanzwissenschaftlicher und juristischer Herkunft, haben aber zur Dotation ganz wenige, obwohl es eigentlich die Kernfrage ist. Denn der Finanzausgleich kann nur gerecht sein, wenn dieser erste Schritt auch vernünftig gelöst worden ist. Da ist die Problemlage, die Sie hier diskutieren und die auch in anderen Ländern diskutiert wird, doch recht unbefriedigend. Im Saarland ist das, was die Kom-munen kriegen, so eine Restgröße. In Nordrhein-Westfalen schaut man auf Zinsen und Schuldenstände, um das Geld aufzuteilen, also eher auf Altlasten. Da ist auch immer klar, dass das Land die höheren Altlasten hat. In Rheinland-Pfalz werden zwar Sonder-bedarfe im Sozialbereich anerkannt, aber man koppelt das gar nicht an die Finanzaus-gleichsmasse zurück. Also das ist in vielen Ländern durchaus problematisch. Zunächst: Was haben Sie geändert? Sie haben eine Abkehr von den Symmetriebe-rechnungen vorgenommen. Die Symmetrieberechnungen waren auch ein Versuch, die Finanzmasse, die im Land vorliegt, aufgabenpräzise und ausgabenorientiert zu vertei-len. Das erwähne ich deshalb noch einmal, weil bei der Symmetrieberechnung die Wirt-schaftlichkeitsfrage implizit gelöst ist. Man geht nämlich davon aus, dass die Ist-Ausgaben gültig sind und dass Land und Kommunen entweder beide gleich unwirt-schaftlich oder beide gleich wirtschaftlich arbeiten. Davon kehren Sie jetzt ab und schauen im Grunde primär darauf, ob das, was die Kommunen machen, wirtschaftlich ist. Den Blick könnte man ja genauso gut aufs Land richten.

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Fl – 41 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Sie schauen auf die amtliche Statistik. Das kann ich nachvollziehen. Bei Bedarfsfragen werden Sie keinen Finanzwissenschaftler finden, der nicht auch zumindest an die amtli-che Statistik anknüpft. Sie schauen auf Zuschussbedarfe, und Sie schauen auf Ist-Ausgaben. Wie gesagt, das ist nachvollziehbar, aber ganz klar ist auch, dass Zuschuss-bedarfe nicht Finanzbedarfe sind, und Ist-Ausgaben sind nicht Ausgabenbedarfe. Das heißt, die besondere Herausforderung war, in relativ kurzer Zeit die normative Kompo-nente zu füllen. Deshalb noch mal ganz klar gefragt: Was ist denn der Unterschied zwi-schen Bedarf und Ausgabe? Das sind zumindest drei Aspekte. Zunächst: Nicht jede Ausgabe muss wirtschaftlich sein. Das heißt, wann immer man auf Ausgabenbedarfe zu sprechen kommt, schaut man auch darauf, ob das, was Kommu-nen oder Länder machen, wirtschaftlich und notwendig ist. Das Stichwort lautet Wirt-schaftlichkeitsabschlag. Ähnlich guckt man auf die Einnahmen und fragt, ob die Einnahme-Erzielungsmöglich-keiten ausgeschöpft sind. Meine Vorrednerin hat zum Beispiel die Nivellierungshebesät-ze angesprochen. Das heißt, ich kann nicht einfach die Ist-Einnahmen nehmen. Das Dritte ist, ich formuliere es mal so: Es gibt Ausgaben, die gar nicht getätigt wurden. Beispiele sind Investitionsstau, nicht getätigte Instandhaltung, nicht erfolgte Pensions-rückstellungen oder die Verdrängung freiwilliger Aufgaben. Alles, was in der Vergan-genheit nicht gemacht wurde, spielt bei den Ausgaben keine Rolle und müsste eigent-lich auch unter Bedarfsgesichtspunkten angeschaut werden. Im Grunde ist es auch das Korrelat zu den Abschlägen. Auf der einen Seite die Wirt-schaftlichkeitsfrage, eventuell etwas niedriger, aber eventuell habe ich auch Größen, die gar nicht getätigt wurden, dann habe ich eventuell Korrekturgrößen. Insofern ist für mich die Frage, ob das, was gemacht worden ist, zielführend und nachvollziehbar ist. Die Frage ist, wie man mit diesen drei Elementen umgeht, denn sie kennzeichnen die Bedarfsanalyse von einer einfachen Ist-Ausgabenanalyse. Zunächst zur Wirtschaftlichkeitsfrage. Es ist durchaus plausibel, dass nicht alle Kommu-nen, Länder oder Hochschulen immer hoch wirtschaftlich arbeiten. Deshalb ist die An-nahme, dass man vielleicht einen Korrekturbedarf nach unten hat, naheliegend. Aber sich an einem Durchschnitt zu orientieren, diese 50-Prozent-Grenze, so kraft des norma-tiven Durchschnitts, das ist jetzt wieder eine sehr heftige Annahme, ein sehr heftiger Ein-griff, der auch mehrere Hundert Millionen € oder mehr als 1 Milliarde € Verteilungswir-kung hat. Da habe ich gesucht: Ist diese Größe jetzt sachgerecht begründet? Oder man könnte auch von 60 % oder 70 % ausgehen. Da bin ich nicht fündig geworden. Deshalb habe ich den Eindruck, dass das an dieser Stelle sehr gegriffen ist und auch den Ermessensspielraum, das mögen Juristen beurteilen, überschreiten kann. Sicher ist es auch so, dass die Pro-Kopf-Orientierung immer dann an Bedeutung verliert, wenn man sich Einzelbedarfe anschaut. Man kommt sofort auf einzelne Bevölkerungs-gruppen, auf Schüler, auf Alte. Man denkt an Straßen, man denkt an Hilfeempfänger im Sozialbereich. Die Einwohnerzahl ist schon eine sehr grobe Krücke; aber das ist heute auch schon mehrfach erwähnt worden. Vielleicht zum Nachdenken für die Landtagsabgeordneten: Stellen Sie sich einmal vor, der Länderfinanzausgleich – der ist im Wesentlichen auch einwohnerorientiert – würde ein solches Verfahren wählen, und man würde jetzt sagen, wir schauen uns einmal den Durchschnitt der Flächenländer an, und was im Durchschnitt von den Flächenländern

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Fl – 42 – HHA/19/18 – 17.06.2015 ausgegeben wird, das ist anrechnungsfähig. Ich würde davon ausgehen, dass in dem Fall die Landesregierung intensive Überlegungen anstellen würde, warum diese Argu-mentation vielleicht ein Stück zu kurz greifen mag. Ein Blick nach Nordrhein-Westfalen – die diskutieren ja auch über solche Fragen – zeigt: Die Gemeindeprüfungsanstalt, die in den letzten fünf bis acht Jahren die Kommunen sehr intensiv untersucht hat, hat sehr deutlich gemacht, dass es dort, wo Kommunen scheinbar besonders kostengünstig sind – sehr preiswerte Kommunen, die auch schnell als Benchmark genommen werden –, Buchungsprobleme oder andere Auslagerungs-grade gab. Das waren Zahlen, die gar nicht so vergleichbar sind. Deshalb haben sie gesagt: Wir eliminieren bei unseren Berechnungen häufig die besten 30 oder 35, weil die Fülle der Besonderheiten bei der Bedarfsorientierung nicht hilft. Dann komme ich zu den nicht getätigten Einnahmen. Dass man bei den Nivellierungs-hebesätzen ein Stück nach oben gehen kann, kann ich nachvollziehen. Die hessischen Kommunen sind mit ihren Hebesätzen, etwa bei der Grundsteuer, im unteren Drittel. Insofern sehe ich da sachliche Anhaltspunkte. Ob das jetzt genau der richtige Hebesatz ist, habe ich nicht konkret nachgerechnet. Aber da ist zumindest die Richtung für mich nachvollziehbar. Zum dritten Punkt, den verdrängten, den nicht getätigten Ausgaben, die Sie in Ausga-ben-, in Zuschussbedarfsanalysen rein definitorisch gar nicht haben können: Es geht um nicht getätigte Investitionen. Wir reden bundesweit über einen riesigen Investitionsstau. Auch wenn ich weiß, dass das Land in den letzten Jahren mit Sonderinvestitionspro-grammen für zwei Jahre etwas draufgelegt hat, macht das über einen Zeitraum von fünf, zehn oder 15 Jahren nicht viel aus. Nicht getätigter Erhaltungsaufwand: Wenn Sie Brücken haben, die nicht instandgehalten worden sind, taucht das in der Auszahlung nicht auf. Haben Sie das in Hessen gar nicht? Das würde mich wundern. Zu nicht getätigten Ausgaben für freiwillige Aufgaben habe ich eine eigene Zahl aus einer älteren Präsentation herausgeholt. Die freiwilligen Ausgaben bei den hessischen Kommunen sind von 1980 bis 2009 von 28 % auf 12 % der Ausgaben gesunken. Offen-sichtlich ist für freiwillige Aufgaben weniger übrig geblieben; das kann also auch in den Zahlen nicht enthalten gewesen sein. Was ich gefunden habe, ist eine gewisse Auseinandersetzung zwischen Investitionen und Abschreibungen. Da haben Sie festgestellt, dass in den Jahren 2011 oder 2012 Ab-schreibungen und Investitionsausgaben nahezu deckungsgleich waren, die Investiti-onsausgaben vielleicht sogar ein Stückchen höher. Da muss man aufpassen. Die Investi-tionsausgaben schwanken sehr stark. Wenn man sich nur die letzten vier Jahre an-schaut, ist das sehr unterschiedlich. Sie liegen 2013 schon wieder unter dem Wert von 2009. Da braucht man Mehrjahresdurchschnitte. Das Argument, warum man da nicht auf die doppischen Daten zurückgreift, hat mich durchaus gewundert. Hessen wird insgesamt als – ich formuliere es mal so – ein etwas Doppik-verliebtes Land eingeschätzt. Während man in anderen Ländern da sehr viel vorsichtiger ist und die einen oder anderen Schwierigkeiten sieht, haben Sie damit sehr früh angefangen. Wenn ich dann lese, dass die doppischen Daten eigentlich nur inter-ne Übersichten sind und – ich habe es noch einmal herausgesucht – keinerlei Qualitäts-kontrolle unterliegen und man sie deshalb auch nicht vernünftig nutzen kann, um nicht getätigte Ausgaben zu erfassen, dann überzeugt mich das auch nicht voll.

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Di – 43 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Insofern komme ich zu einer Conclusio: Ein Unwirtschaftlichkeitsabschlag vom Grund her ist nachvollziehbar, aber einen solch massiven sehe ich nicht als sachgerecht begrün-det an. Die Tatsache, dass Sie sie bei den unterlassenen, aber dennoch bedarfsrelevan-ten Ausgaben nicht hinreichend erfasst oder eigentlich gar keinen Euro gefunden ha-ben, überzeugt mich auch nicht. Insofern liegt bei diesen beiden Punkten, die ja höchst verteilungsrelevant sind, eine Schwäche vor, die einer weiteren Prüfung unterzogen werden sollte. Damit greift das in den Kernfragen ein Stückchen zu kurz. Ich könnte noch zu der einen oder anderen technischen Feinheit etwas sagen, würde mich da aber gerne im Rah-men der zehn Minuten und der universitären Zurückhaltung begrenzen. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Professor, für Ihre Ausführungen. Wir werden sicherlich Gelegenheit finden, dass Sie das eine oder andere noch dazu sagen, weil ich mir vor-stellen kann, dass da auch noch ein paar Fragen kommen. Das wird Ihnen Gelegenheit geben, vielleicht in dem einen oder anderen Satz das noch zu vertiefen. Ich würde jetzt gerne als Nächstem – sofern er es wünscht – Herrn Detemple von PwC das Wort geben. Herr Detemple: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie wissen, dass wir im Auftrag des Ministeriums der Finanzen zwei Gutachten zur geplanten KFA-Reform erstellt haben. Unser Gutachten zur Ermittlung des horizontalen Finanzausgleiches haben wir letzten Herbst schon vorgelegt und veröffentlicht, das für die vertikale Verteilung Anfang des Monats. (Herr Dr. Dieter: Umgekehrt!) – Stimmt: umgekehrt. Zu beiden Gutachten möchte ich kurz Stellung nehmen. Nicht Gegenstand unserer Be-gutachtung war die Fortschreibung des Stabilitätsansatzes mithilfe der sogenannten Verstetigungsgröße, da diese erst nach unserer Begutachtung des vertikalen Finanz-ausgleichs entwickelt wurde. In unserem Gutachten kommen wir zu dem Schluss, dass die Anforderungen des Staatsgerichtshofes an eine bedarfsgerechte Ausrichtung des KFA erfüllt sind. In beiden Gutachten haben wir konsistente, schlüssige und ausgewogene Modelle vorgefunden, die auf Basis der uns vorgelegten Rechnungen richtig umgesetzt waren. Angesichts der erheblichen finanziellen Risiken, die die Landesebene mit der Neuregelung auf sich nimmt, sind aus unserer Sicht die vom Land genutzten Ermessensspielräume an vielen Stellen sehr kommunalfreundlich ausgefallen. Das finanzielle Risiko des Landes besteht darin, dass die Neuregelung des KFA implizit 95 % der aktuellen Finanzausstattung garantiert. In einem krisenhaften Jahr wie dem Jahr 2010 hätte eine solche Regelung einen finanziellen Mehrbetrag für das Land von ca. 2 Milliarden € bedeutet. Auch in früheren Jahren gab es immer wieder Episoden schwacher kommunaler Finanzkraft, während deren unter der Bedingung der Neurege-lung das Land erhebliche höhere Zahlungen hätten leisten müssen, so z. B. in der Perio-de von 1995 bis 1998 oder von 2002 bis 2006. Das Land wird also auch künftig mit hoher Sicherheit zusätzlich in die Pflicht genommen, und der Puffer, den der Stabilitätsansatz

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Di – 44 – HHA/19/18 – 17.06.2015 und seine moderate Anpassung an mögliche Steuereinnahmesteigerungen darstellt, kann schnell zur Makulatur werden. Hinzu kommt, dass der demografische Wandel spätestens ab dem nächsten Jahrzehnt den langfristigen Wachstumspfad der Steuereinnahmen erheblich absenken wird. Mit-tel- und langfristig ist es also nahezu sicher, dass die Neuregelung zu einer deutlichen finanziellen Besserstellung der Kommunen gegenüber der bisherigen Regelung führt. In jedem Fall wird das Einnahmerisiko der Kommunen erheblich reduziert, was bereits ei-nen Wert an sich darstellt. Die Logik der Bedarfsermittlung hat zudem den Effekt, dass die Kommunen die Grund-lagen künftiger Einnahmeberechnungen selbst beeinflussen können. Zusätzliche Aus-gaben führen heute zu höheren Minderbedarfen und in der Folge zu einem höheren Festansatz. Hinzu kommen verschiedene Qualitätsprobleme in der Datenlage. Damit beinhaltet die Bedarfsermittlungssystematik einen erheblichen potenziellen Fehlanreiz mit entsprechenden zusätzlichen finanziellen Risiken für das Land. Vor diesem Hintergrund ist aus unserer Sicht das Korridorverfahren und die nicht volle Ausfinanzierung aller freiwilligen Leistungen im Festbetrag eine mehr als notwendige Korrektur. Wir halten es zudem für erforderlich, dass die Prüfung der Finanzstatistik und der zugrunde liegenden kommunalen Buchungen sowohl durch die Rechnungsprü-fungsämter als auch durch das Statistische Landesamt qualitativ und quantitativ aus-gebaut wird. Bei der Betrachtung der horizontalen Verteilung der Finanzmittel konnten wir feststellen, dass die Ziele, die mit der Neuregelung verknüpft waren, erreicht wurden. Insbesondere finanzschwache Kommunen profitieren von der Reform. Die Finanzkraft liegt entspre-chend der Modellrechnung gut 8 % über der bisherigen Finanzkraft. Umgekehrt werden abundante Kommunen nun belastet, was aber im Sinne einer interkommunalen Solida-rität und auch aus rechtlicher Sicht unproblematisch ist. Ebenfalls nachweisbar ist eine Verbesserung der Finanzausstattung für Kommunen im ländlichen Raum sowie bei Gemeinden mit Bevölkerungsschwund. Umgekehrt ver-schlechtern sich Landkreise mit Sonderstatusstädten und Grundzentren, was sich aber unmittelbar aus der Bedarfsermittlung ergibt und somit sachgerecht ist und zudem durch Übergangsregelungen aufgefangen wird. Schließlich erhöht die Neuregelung die Selbstbehalte der meisten Kommunen, was im Sinne der Anreizwirkung ebenfalls zu begrüßen ist. Als kommunalfreundlich haben wir die verschiedenen zusätzlichen Dotierungen für Ein-wohnergewichte aufgrund der Ergänzungsansätze gewertet, die alle den Festansatz erhöhen – und das nicht nur zugunsten der betroffenen Gemeinde, sondern zugunsten aller Gemeinden. In finanzschwachen Zeiten unterwandern diese zusätzlichen Dotierungen die Ausga-benbremsmechanismen des Korridorverfahrens und des Finanzkraftverfahrens. Auch die zusätzlichen Mittel für die Übergangsregelungen wirken nachhaltig festansatzerhöhend. Sie stellen zudem von vornherein eine echte materielle Verbesserung der Finanzausstat-tung der Kommunen gegenüber der bisherigen Regelung dar. Aufgrund der damit ver-bundenen höheren finanziellen Risiken für das Land sehen wir die Vielzahl der Über-gangsregelungen sehr kritisch, zumal einige keine klare zeitliche Begrenzung aufweisen.

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Di – 45 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Insgesamt glauben wir, dass die Kommunen letztlich erheblich von der insgesamt schlüssigen Neuregelung profitieren werden und die Konsolidierung des Landeshaushal-tes insbesondere unter Berücksichtigung der Schuldenbremse ab dem Jahr 2020 schwierig sein wird. (Abg. Dirk Landau übernimmt den Vorsitz.) Herr Dr. Gey: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren! Wie Sie heute bereits gehört haben, hat die Gemeinde Gernsheim Herrn Prof. Schwarz gebe-ten, die geplante Neuregelung des Kommunalen Finanzausgleichs in Hessen einer ver-fassungsrechtlichen Prüfung zu unterziehen. Das von Herrn Prof. Schwarz vorgelegte Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass verschiedene Aspekte des Gesetzentwurfes verfassungsrechtlich zu beanstanden seien, und er hat diese Bedenken heute auch vorgetragen. Das Finanzministerium hat unsere Kanzlei unter der Federführung meines Kollegen Prof. Kamann gebeten, die Belastbarkeit der formulierten Kritik einer gutachterlichen Prüfung zu unterziehen. Ich nehme die heutige Gelegenheit gerne wahr, die wesentli-chen Ergebnisse unseres Gutachtens in der gebotenen Kürze darzustellen. Wir kommen zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass das Gutachten des Kollegen Prof. Schwarz die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfes nicht infrage stellt. Der Ge-setzentwurf, wie er uns heute vorliegt, orientiert sich an den Vorgaben des Staatsge-richtshofes zur Ausgestaltung eines bedarfsgerechten Finanzausgleiches. Darüber hin-aus orientiert er sich – das haben wir heute auch gehört – an der Praxis in anderen Bun-desländern, die die dortigen Landesverfassungsgerichte bereits gebilligt haben. Vor diesem Hintergrund sehen wir die im Gutachten von Herrn Prof. Schwarz kritisierten Aspekte des Gesetzentwurfes unserer Meinung als nicht zu beanstanden und als verfas-sungsgemäß an. Im Kern kommen wir zu den folgenden Ergebnissen. Die Bedenken zur Bildung der Finanzausgleichsmasse sind unserer Ansicht nach unbe-gründet. Hier greift das Gutachten vor allen Dingen drei Aspekte auf: das vorgesehene Korridorverfahren, das heute schon sehr breit diskutiert worden ist, die Verwendung von Nivellierungshebesätzen bei der Bestimmung der Einnahmen der Kommunen und auch die Gestaltung des Stabilitätsansatzes, hier insbesondere die Anrechnung von Bundes-mitteln, die wir heute auch schon verschiedentlich diskutiert haben. Zunächst zum Korridorverfahren. Hier erhebt das Gutachten den Vorwurf, diese Metho-dik zur Bedarfsermittlung beruhe auf einer unberechtigten Unterstellung unwirtschaftli-chen Verhaltens. Tatsächlich orientiert sich aber dieses Korridormodell, die Angemes-senheit der Finanzausstattung der Kommunen, an wirtschaftlich arbeitenden vergleich-baren Kommunen. Das Korridorverfahren entspricht damit den Vorgaben des Staatsge-richtshofes, der sowohl die Durchführung einer Angemessenheitsprüfung als auch die Orientierung an wirtschaftlich arbeitenden Kommunen ausdrücklich gebilligt hat. Auch die Verwendung von Nivellierungshebesätzen ist unserer Ansicht nach verfas-sungsgemäß. Der Kern des Vorwurfes ist ja hier, dass die kommunale Ebene mit diesen Nivellierungshebesätzen künstlich reich gerechnet werde und auch das kommunale Hebesatzrecht damit beeinträchtigt werde.

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Di – 46 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Tatsächlich entspricht aber die Verwendung von Nivellierungshebesätzen einer allge-meinen und von Verfassungsgerichten in breiter Basis gebilligten Praxis. Dabei verzichtet der vorliegende Gesetzentwurf auch darauf, Einnahmepotenziale zu heben. Die ver-wendeten gewichteten Hebesätze – das ist ganz wichtig: die Hebesätze sind gewich-tet – auf Basis des ersten Halbjahres 2014 bilden die tatsächlich erzielten Steuereinnah-men der kommunalen Gruppen ab. Die kommunale Ebene wird auf diese Weise also nicht reicher gerechnet, als sie ist. Hier ist auch dieses eine Bedenken von Herrn Prof. Schwarz, dass es einen Kumulie-rungseffekt zwischen dem Korridorverfahren und den Nivellierungshebesätzen bei der Bestimmung der Finanzausgleichsmasse gibt, unserer Ansicht nach nicht gerechtfertigt, weil mit den gewichteten Nivellierungshebesätzen bei den Kommunen nur das ange-rechnet wird, was sie auch tatsächlich vereinnahmt haben. Zudem bemängelt das Gutachten die Gestaltung des Stabilitätsansatzes, insbesondere Einschränkungen bei der Fortschreibung des Stabilitätsansatzes, und den Abzug be-stimmter Mittel des Bundes. Hierzu ist zu sagen, dass der Stabilitätsansatz vom Grunde her nicht dazu dient, die Angemessenheit der Finanzausstattung der Kommunen sicher-zustellen, sondern diese angemessene Finanzausstattung wird bereits durch den Festan-satz abgebildet. Der Stabilitätsansatz ist daher konzeptionell eine überobligatorische Leistung des Landes über die angemessene Finanzausstattung hinaus. Vor diesem Hin-tergrund sind wir der Ansicht, dass die vorgesehenen Kürzungen und Einschränkungen bei dem Stabilitätsansatz systemgerecht sind. Nun kurz zu dem Aspekt der horizontalen Verteilung der Finanzausgleichsmasse. Hier wird vor allen Dingen die vorgesehene Einwohnergewichtung – darüber haben wir heu-te auch schon einiges gehört – kritisiert, vor allem mit der Begründung, diese sei in ver-fassungswidriger Weise frei gegriffen und nicht auf tatsächliche Grundlagen gestützt. Dies überzeugt unserer Ansicht nach nicht. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Einwoh-nergewichtung bildet die tatsächlich ermittelten Bedarfsrelationen innerhalb der jewei-ligen kommunalen Gruppen ab. Im Einklang mit der Rechtsprechung basiert die vorge-sehene Einwohnergewichtung auf objektivierbaren Indikatoren. Schließlich lehnt das Gutachten auch die vorgesehene Solidaritätsumlage ab. Auch diese Kritik ist unserer Ansicht nach unbegründet. Wie Sie wissen, hat der Staatsgerichts-hof in seiner Alsfeld-Entscheidung hervorgehoben, dass Umlagen zur Stärkung der inter-kommunalen Solidarität verfassungsrechtlich zulässig sind. Die Solidaritätsumlage dient eben diesem Ziel einer maßvollen Umverteilung innerhalb der kommunalen Familie und fließt ausschließlich dem kommunalen Bereich zu. Die Zahlungspflicht des Landes im vertikalen Finanzausgleich bleibt von dieser Umverteilung unberührt. Das Land Hessen erlangt durch diese Umlage also keinerlei Vorteile. Die Erhebung einer Solidaritätsumlage auf Grundlage einer überschießenden Steuer-kraft bei Zugrundelegung von Nivellierungshebesätzen entspricht auch einer gängigen und von Verfassungsgerichten auf breiter Basis gebilligten Praxis. Sie ist mit dem Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung, der kommunalen Finanzhoheit und dem He-besatzrecht der Gemeinden vereinbar. Schließlich ergeben auch die vom Finanzministerium vorgelegten Modellrechnungen, dass es auf Grundlage der Abschöpfungsquote von 15 % bzw. 25 % der überschießen-den Steuerkraft zu keinen Übernivellierungen der Finanzkraftunterschiede zwischen hes-sischen Kommunen kommen wird. Um eine Mehrfachbelastung zu vermeiden, sieht der Gesetzentwurf zudem vor, dass die Solidaritätsumlage auf die Umlagegrundlagen für

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Di – 47 – HHA/19/18 – 17.06.2015 die Kreisumlage angerechnet wird. Auch hiermit wird die Verhältnismäßigkeit dieser Regelung unterstrichen. Stellv. Vors. Abg. Dirk Landau: Bevor wir zur nächsten Fragerunde der Abgeordneten kommen: Nach meiner Liste sind alle Sachverständigen, die hier sind, aufgerufen wor-den. Ich will trotzdem noch einmal fragen: Gibt es einen weiteren Sachverständigen, der hier zu uns sprechen möchte und noch nicht aufgerufen worden ist? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Damit kommen wir zur zweiten Fragerunde der Abgeordneten. Als Erster hatte sich Herr Kaufmann gemeldet. Abg. Frank-Peter Kaufmann: Meine Fragen richten sich an Herrn Prof. Schwarz und be-treffen zwei Punkte. Zum einen hatten Sie gesagt, Herr Professor, es sei eine künstliche Erhöhung der Einnahmen durch die Nivellierungshebesätze gegeben. Ich würde Sie bitten, das noch einmal zu erläutern. Die Nivellierungshebesätze sind ja aus gewogenen Durchschnitten gebildet; so ist es im Gesetz dargestellt. Wenn ich sie mit der Grundgesamtheit hochrechne, komme ich exakt auf die Steuereinnahme im Ist und nicht auf eine künstliche Hochrechnung, zu-mindest nach meinem Verständnis. Vielleicht haben Sie ein anderes. Dann würde ich darum bitten, das zu erläutern. Der zweite Punkt – er hat bei Ihnen und auch bei anderen eine erhebliche Rolle ge-spielt – ist das Stichwort Verteilungssymmetrie. Jetzt möchte ich zunächst die Frage dazu stellen: Könnten Sie uns bitte Ihre Definition der Verteilungssymmetrie nennen? Denn in vielen Texten, auch im Urteil des Staatsgerichtshofs, das die Grundlage unserer Aktivitä-ten im Lande Hessen ist, ist von Verteilungssymmetrie die Rede. Aber ich habe den Ver-dacht, dass es unterschiedliche Einschätzungen darüber gibt, was Verteilungssymmetrie denn sei. Bevor wir über die Verteilungssymmetrie weiterreden und darüber, ob sie be-achtet oder nicht beachtet wird und in welchem Umfang sie möglicherweise verletzt ist, sollte man erst einmal Klarheit haben, worüber man redet. Das sind zunächst meine beiden Fragen. Herr Prof. Dr. Schwarz: Ich fange mit dem zweiten Punkt an, mit der Frage der Vertei-lungssymmetrie, einem Kriterium, das zunächst maßgeblich in der Rechtsprechung des niedersächsischen Staatsgerichtshofs entwickelt wurde und davon ausgeht, dass wir einen Grundsatz der Gleichwertigkeit und Gleichrangigkeit der Aufgaben haben, die das Land und die die kommunale Ebene wahrzunehmen haben – etwas, was wir in § 24 des Stabilitätsgesetzes auch ausdrücklich normiert haben. Die Grundidee ist, dass dementsprechend keine Ebene, weder die kommunale Ebene noch die Landesebene, gewissermaßen einen Vorrang hat bei der jeweiligen Finanzie-rung der wahrzunehmenden Aufgaben, sondern wie bei einem System kommunizieren-der Röhren die insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzmittel so austariert werden müssen, dass sowohl die kommunale Ebene als auch die Landesebene jeweils ihre Auf-gaben wahrnehmen kann. Das ist der Grundsatz, so jedenfalls in der Rechtsprechung entwickelt.

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Di – 48 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Wie gesagt – ich hatte es auch vorhin in meinen Ausführungen dargelegt –, dem Grun-de nach musste der Staatsgerichtshof zum Grundsatz der Verteilungssymmetrie nichts mehr sagen. Denn das angegriffene Gesetz war aus anderen Gründen verfassungswi-drig. Aber gleichwohl hat der Staatsgerichtshof in seiner Entscheidung auch gesagt, dass jedenfalls ein weiterer Maßstab für die Überprüfung der Verfassungskonformität eines Gesetzes der Grundsatz der Verteilungssymmetrie ist. Diesbezüglich findet sich im Gesetz oder auch in der Gesetzesbegründung bis auf einen etwas apokryphen Hinweis eigentlich nichts Weiteres. Ihre erste Frage, Herr Abgeordneter, betraf die Wirkungsweise nivellierter Hebesätze. Dem Grunde nach zwingt dies dazu, wenn Sie in einer Gemeinde sind, die vom Niveau her real darunter liegt, dass Sie sich unter Umständen in einer permanenten Spirale wie-derfinden, die Hebesätze entsprechend anzupassen, um die entsprechenden Einnah-men überhaupt generieren zu können, weil Ihnen sonst Einnahmen zugerechnet wer-den, die Sie real nicht haben. Das ist einfach das Problem. Dieses Zusammenspiel – auf der einen Seite die Bedarfe künstlich herunterzurechnen und gleichzeitig fiktive Einnah-men künstlich hochzurechnen – ist das, was ich als systemwidrig kritisiert habe. Abg. Frank-Peter Kaufmann: Vielen Dank, Herr Schwarz. Zunächst zu den Nivellierungs-hebesätzen: Das mag für die einzelne Gemeinde stimmen. Das gilt ja jetzt auch schon im Hinblick auf die vorhandenen Nivellierungshebesätze bei der Bemessung der Kreis-umlage. Es ist also keine Neuigkeit. Sie hatten allerdings von einer künstlichen Erhöhung der Einnahmen gesprochen. Das meinten Sie dann wohl auch nur auf die konkrete Gemeinde bezogen. Denn für das Land, für die Gesamtmenge ist es keine Erhöhung; da ist es exakt die Wiedergabe des-sen, was tatsächlich die kommunalen Einnahmen in Summe bedeuten. Das muss man klarstellen. Zum Zweiten hatte ich mir schon gedacht, dass Sie das Urteil aus Bückeburg bezüglich der Verteilungssymmetrie ansprechen. In der dortigen Randziffer 77 ist sehr deutlich ausgedrückt:

Das Land war unter Beachtung des Grundsatzes der Verteilungssymmetrie auch berechtigt, die Grenze einer finanziellen Mindestausstattung der Kommunen in ih-rer Gesamtheit und auch von einzelnen Kommunen durch die Reduzierung der Verbundquote und durch die dadurch bewirkte Absenkung der Zuweisungsmas-se zu unterschreiten.

Das heißt, die Verteilungssymmetrie – das würde ich gerne als Nachfrage zu Ihrem Kommentar stellen – verhindert zumindest auf der Grundlage des niedersächsischen Rechts noch nicht einmal die Unterschreitung der Mindestausstattung der Kommunen. Insoweit ist es die Frage, inwieweit – das Stichwort Verteilungssymmetrie steht ja so im Raum – die Verteilungssymmetrie hier ein Argument sein könnte – wir haben es auch von den Spitzenverbänden vorhin gehört –, um zu begründen, dass insgesamt mehr Geld zur Verteilung an die Kommunen bereitgestellt werden müsste. Herr Prof. Dr. Schwarz: Auch dazu zwei Punkte: Zunächst einmal haben Sie mit Blick auf die nivellierten Hebesätze völlig recht, dass es in der Summe keinen Unterschied macht. Aber es geht jeweils um die einzelne Gemeinde. Wir können jetzt natürlich wechselseitig Gerichtsentscheidungen zitieren. Es ist ein individueller Anspruch der jeweiligen Kom-

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Di – 49 – HHA/19/18 – 17.06.2015 mune auf eine angemessene Finanzausstattung. Dann muss man aber auch die jeweils konkrete Kommune in den Blick nehmen und überlegen, wie sich das auswirkt. Zweiter Punkt: Sie haben die Entscheidung des niedersächsischen Staatsgerichtshofs zitiert, der unter Hinweis auf den Grundsatz der Verteilungssymmetrie Kürzungen im Kommunalen Finanzausgleich legitimiert hat – das allerdings in einer Situation, in der das Land selbst massive finanzielle Einbußen hatte und sie entsprechend weitergegeben hat. Das heißt, dieser Grundsatz – da stimme ich Ihnen dem Grunde nach völlig zu; so ist er auch zu verstehen – rechtfertigt sowohl bei Aufwüchsen als auch bei Kürzungen eine jeweils quotale Weitergabe. Es geht eben gerade um das System kommunizierender Röhren. Der entscheidende Punkt – da halte ich allerdings die Entscheidung des niedersächsi-schen Staatsgerichtshofs schlichtweg für falsch – ist, dass damit auch eine Unterschrei-tung der finanziellen Mindestausstattung gerechtfertigt werden könnte. Denn diese fi-nanzielle Mindestausstattung ist als Vorab unabhängig von der Situation des Landes zu gewähren. Das heißt, der Grundsatz der Verteilungssymmetrie, so auch mittlerweile im Schrifttum überwiegend konsentiert, wirkt sich bei der angemessenen Ausstattung, aber nicht bei der Mindestausstattung aus. Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn: Vielen Dank, Herr Schwarz, dass das Problem schon ein bisschen fokussiert worden ist. Ich frage jetzt einmal ganz frech: Gehe ich recht in der Annahme, dass der Grundsatz der Verteilungssymmetrie eigentlich nur bei dem Thema Verbundquote Anwendung findet – denn kommunizierende Röhren kann man ja ei-gentlich nur dann sortieren, wenn man quotenmäßig abrechnet – und dass er nicht per se Anwendung findet, wenn die Bedarfsausstattung erfolgt ist? Herr Prof. Dr. Schwarz: Das kann man ganz kurz mit Ja beantworten. Aber dem Grunde nach muss man sehen: Es sind zwei Kriterien, die von der Rechtsprechung entsprechend entwickelt worden sind. Selbst der Staatsgerichtshof weist in der Alsfeld-Entscheidung darauf hin, dass das ein weiteres Kriterium ist. Das Zusammenspiel zwischen einer be-darfsgerechten Ermittlung auf der einen Seite und einem System, das sich als System kommunizierender Röhren darstellt – – (Zuruf des Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn) – Genau. Abg. Norbert Schmitt: Zunächst habe ich eine Frage an Herrn Dr. Gey, aber da geht es auch um das Thema Verteilungssymmetrie. Wenn man die kritischen Stellungnahmen dazu sieht, heißt das ja, die Landesregierung hat sich mit dieser Frage überhaupt nicht auseinandergesetzt. Das ist auch der schwere Vorwurf, den Prof. Schwarz erhebt. Sie antworten daraufhin: Es gibt ja in der Stellungnahme der Landesregierung zu den Ausführungen des Städtetages den Hinweis, der Staatsgerichtshof habe dazu keine sehr konkrete Aussage getroffen. Deswegen frage ich: Ist es nicht Sache des Gesetzgebers, genau dies auszufüllen und genau dies abzuwägen und genau die Diskussion zu führen, die wir eben gerade führen? Die Frage geht an Sie und auch Herrn Prof. Schwarz.

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Di – 50 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Ich habe eine weitere Frage an Herrn Detemple. Sie bewegen sich sehr nahe an der Argumentation der Landesregierung. Mir fällt auf, dass zur Frage des Metropolzuschlags keine Begründung erfolgt. Sie sagen weder, das ist gerechtfertigt, noch wird eine Be-gründung gegeben, wo die Prozentzahl nachgewiesen und errechnet worden ist. Sie ist aus meiner Sicht willkürlich. Ich würde dazu gerne Ihre Stellungnahme hören. Sie machen zudem eine Rückschau und sagen, das neue Modell, der neue KFA hätte sich, auf die Vergangenheit bezogen, viel besser ausgewirkt; die Kommunen hätten in der Vergangenheit mit dem neuen Modell mehr Geld gehabt. Mich würde interessie-ren, wie eine Vorschau aussieht. Ist es richtig, was der Städtetag vorgetragen hat, was Oberbürgermeister Hilgen vorgetragen hat, nämlich dass, wenn man das fortsetzt, am Ende – ob man nun die Gesetzeslage 2010 oder 2015 nimmt – sich dies leider zulasten des neuen KFA-Modells entwickelt und dass mit dem alten Modell die Kommunen viel besser gestellt wären? Dazu hätte ich auch gerne Ihre Aussage. Dann komme ich zu einem weiteren Punkt. In einer Nebenbemerkung hat das Prof. Schwarz eben gesagt, aber es spielt bei Ihrer Stellungnahme eine ganz ausführli-che Rolle, nämlich die Frage – ich nenne es jetzt einmal so – der Einzelfallgerechtigkeit, ob es auch nach dem neuen KFA einige Kommunen in Hessen geben wird, die mit den ihnen zur Verfügung stehenden Finanzmitteln – sowohl eigenen als auch Schlüsselzuwei-sungen und sonstigen Zuweisungen – nicht in der Lage sein werden, ihre Pflichtaufga-ben zu finanzieren. Da sagen Sie: Das ist halt so. Sie sprechen gleichzeitig am Beispiel Offenbach davon, dass man bestimmte Anreizwirkungen nimmt, wenn man das alles zu konkret abrechnet. Jetzt sagen Sie mir bitte: Wo ist denn eigentlich das Anreizmodell für Kommunen in Hes-sen, die nicht in der Lage sind, ihre Pflichtleistungen zu finanzieren? Worin bestehen de-ren Politik, deren Möglichkeiten und deren Chance, auf einen grünen Zweig zu kom-men und nicht immer nur zu kürzen, zu kürzen und zu kürzen? Das ist sowohl eine politi-sche als auch eine juristische Erwägung. Dazu würde ich gerne einmal Ihre Stellung-nahme hören. Ich habe eine weitere Frage an Herrn Prof. Junkernheinrich, der die Frage der Bedarfe behandelt und sagt: Momentan orientiert man sich an den Ist-Ausgaben. Aber es gibt ja einen nachvollziehbaren Investitionsstau. Den hat übrigens auch das Land. Jetzt sagt der Finanzminister zu Recht, dass es Einwände dagegen gibt, wenn man an Wunsch-bedarfe herangeht. Ich unterstelle jetzt einmal, dass es sicherlich vorhandene Bedarfe gibt. Wie kann man sie berücksichtigen und messen? Wie kann man das einstellen? Wie kann man da einen Faktor bilden, der im Kommunalen Finanzausgleich berücksichtigt werden müsste? Möglicherweise hat auch noch ein anderer Gutachter dazu eine Idee, vielleicht Herr Prof. Schwarz. Aber das würde mich insbesondere von Ihnen, Herr Junkernheinrich, inte-ressieren. Herr Dr. Gey: Zunächst möchte ich auf die Frage der Verteilungssymmetrie eingehen, die der Staatsgerichtshof auch als Prinzip erwähnt hat und die in einem System des be-darfsgerechten Finanzausgleichs eine Rolle spielt. Dazu ist zu sagen, dass von vornhe-rein in einem System, in dem es um die Ermittlung der Bedarfe geht, der Aspekt der Ver-teilungssymmetrie auch mit zu beachten ist, aber natürlich im Vergleich zum vorherigen System der Verbundquoten, wo das Geld, das die kommunale Ebene erhalten hat, di-

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Di – 51 – HHA/19/18 – 17.06.2015 rekt an die finanzielle Situation des Landes gekoppelt war, etwas in den Hintergrund gedrängt wird. In einem bedarfsgerechten System spielt dieser Grundsatz von vornhe-rein eine geringere Rolle. Wir halten den Vorwurf, dass in dem Gesetzgebungsvorschlag der Grundsatz der Vertei-lungssymmetrie vollkommen außer Acht gelassen und gar nicht gesehen wurde, für un-begründet, weil schon der Gesetzentwurf an verschiedenen Stellen, auch in der Be-gründung, diesen Grundsatz erwähnt und auch bestimmte Elemente, die im Gesetz-entwurf vorgesehen sind, gerade dieses Prinzip der Verteilungssymmetrie abbilden. Ins-besondere ist es der Stabilitätsansatz, der auch in gewisser Weise von den Steuerein-nahmen des Landes Hessen abhängig ist, also auch eine gewisse Aufwertung erfährt und mit dem Grundsatz der Verteilungssymmetrie eingeflossen ist. Selbst beim Festan-satz gibt es einen Finanzkraftzuschlag, der auch diese Verteilungssymmetrie mit zum Ausdruck bringt. Also gehen wir davon aus, dass der Grundsatz der Verteilungssymmetrie, der von vorn-herein in einem bedarfsgerechten System weniger Bedeutung hat, im Gesetzgebungs-vorschlag in ausreichender Weise berücksichtigt wurde. Herr Prof. Dr. Schwarz: Ich glaube, es ist möglicherweise ein Grundfehler in der Konzep-tion des Finanzausgleichsgesetzentwurfs, über den wir heute sprechen, dass in einem bedarfsgerechten System der Grundsatz der Verteilungssymmetrie eine nur unterge-ordnete oder vielleicht gar keine Rolle spielen sollte. Die Bedarfsermittlung erfolgt hier nach Maßgabe des Gesetzentwurfs tatsächlich einsei-tig für die kommunale Ebene. Das ist sicherlich dem Gedanken geschuldet, dass es auch darum geht, den kommunalen Finanzbedarf sachgerecht abzubilden und dem-entsprechend finanzielle Zuweisungen, die erforderlich sind, um diesen kommunalen Finanzbedarf zu unterstützen, erst einmal ermittelt werden müssen. Gleichwohl wirkt sich der Grundsatz der Verteilungssymmetrie doch aus, und zwar inso-weit, als das Land natürlich auch seine eigene finanzielle Situation mit in den Blick neh-men muss und nicht einfach nur sagen kann, wir ermitteln den Finanzbedarf der kom-munalen Ebene und versuchen dementsprechend, nur ihn abzubilden. Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass im Übrigen der Hinweis auf die Gesetzesbe-gründung nicht sehr tragfähig ist. Es mag zwar einzelne Elemente geben, die sich viel-leicht so auswirken – um es einmal sehr vorsichtig zu formulieren –, dass wir hier Elemen-te einer Verteilungssymmetrie erkennen könnten. Wenn man sich die Mechanismen im Einzelnen anschaut, dann ist jedenfalls schon das Wort „Verteilungssymmetrie“ in der Gesetzesbegründung nicht zu finden. Nun kann man sagen, es geht weniger um die wörtliche Bezeichnung als vielleicht um die Instrumente. Aber von einer wirklichen sym-metrischen Verteilung der jeweils zur Verfügung stehenden und dann zu verteilenden Finanzmittel auszugehen, das wage ich doch zu bezweifeln. Herr Detemple: Ich würde die Fragen gerne an meinen Kollegen Thorsten Schramm wei-tergeben, weil er die Modellberechnungen vor Ort gemacht hat.

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Di – 52 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Herr Schramm: Drei Punkte waren es, zu denen wir gefragt worden sind: erstens Metro-polzuschlag, zweitens finanzielle Vorschau und drittens Mindestausstattung im Falle Offenbachs. Zum Metropolzuschlag müssen wir ganz klar sagen: Das ist ein gegriffener Wert; er orien-tiert sich an der historischen Gewichtung Frankfurts, wurde quasi vom Land im Rahmen der Modellbildung beschlossen, was aber aus unserer Sicht völlig unproblematisch ist, da das im entsprechenden Finanzbedarf zusätzlich dotiert ist, also in keiner Form den Mindestbedarf oder die Finanzausstattung der anderen Kommunen beeinträchtigt. Das ist überhaupt ein wichtiger Punkt, den man im Hinterkopf behalten muss, auch zu den Ausführungen von Herrn Prof. Junkernheinrich: dass wir hier im Grunde genommen ein Herunterrechnen des Bedarfs auf Basis dieser Wirtschaftlichkeitsbetrachtung im Kor-ridorverfahren haben. Es gibt ja auch entgegengesetzte Ansätze in der Berechnungs-methodik. Das sind nämlich diese gesonderten Dotierungen für den ländlichen Raum, für den Metropolzuschlag, die quasi einen Teil dieser Rücknahme wiederum auffüllen. Ich komme zum Thema Vorschau. Das Problem ist natürlich: Prognosen sind immer unsi-cher. Aber mit dieser trivialen Antwort will ich mich hier nicht herauswinden. Das ganz konkrete Problem, wenn man eine Prognose anhand der Steuerschätzung machen wollte – das ist ja das, worauf Sie hinauswollten – , ist ja, dass die Steuerschätzung etwas nicht beinhaltet, was aber die tatsächlichen Steuereinnahmen, historisch gesehen, im-mer gemacht haben, nämlich die Zyklizität, diese extremen Steuerschwankungen, ge-rade auch die der kommunalen Steuern, die wir über die letzten Jahrzehnte hatten. Es ist die Zyklizität, die dazu führt, dass die Kommunen aus unserer Sicht über die lange Frist mehr Geld erhalten werden, denn immer dann, wenn die Steuereinnahmen von Land und Kommunen in ein Tal fallen, muss das Land das auffüllen – in einer Form, wie es in der Vergangenheit noch nicht passiert ist. Insofern gehen wir schwer davon aus, dass diese Zyklen sich weiter fortsetzen. Dann gelten diese 95 %, die wir als Zielgröße in den Raum gestellt haben. Die will ich noch mal ganz kurz erklären, weil auch die Seite der Kommunen Fragen geäußert hat, wie wir eigentlich auf 95 % kommen. Das ergibt sich schlichtweg aus der Methodik der Ermittlungen. Wir haben dieses Korridorverfahren, das das Ganze herunterpegelt. Wir haben die Dotierungen, die das Ganze hochpe-geln. Am Ende kommen wir auf ein Niveau des Mindestbedarfs, das ungefähr 95 % der getätigten Ausgaben im Bezugsjahr, im Betrachtungsjahr entspricht. Wenn wir eine Situation wie aktuell haben, dass der Stabilitätsansatz enorm in die Höhe schnellt, weil die Steuereinnahmen des Landes, aber auch gleichzeitig der Kommunen extrem hoch sind, haben die Kommunen ja tatsächlich Geld, das natürlich auch für Ausgaben verwendet wird und dann wiederum, wenn dieses Jahr Bezugsrahmen wird, die Ausgangsbasis darstellt, um in Zukunft Finanzbedarfe zu definieren. Das heißt, das, was heute mit dem Stabilitätsbeitrag finanziert wird, wird künftig in die Bedarfe, die dann ausfinanziert werden, weitgehend eingehen. Jetzt kann man natürlich argumentieren: Ein Teil davon geht in freiwillige Ausgaben usw. Aber die Mechanismen sind relativ eng, sodass Sie davon ausgehen können, dass wirklich ein Großteil davon auch künftig zu zusätzlichen Bedarfen führt. Das heißt, Sie profitieren immer dann, wenn die Steuereinnahmen steil nach oben gehen, von diesen Spitzen, die sich dann in zukünftige Bedarfe, leicht gedeckelt, übersetzen. Allein deshalb ist es rein ökonomisch völlig notwendig, eine Deckelung einzuführen, denn sonst hätte man ein ständiges Nachobenschießen der kommunalen Ansprüche,

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Di – 53 – HHA/19/18 – 17.06.2015 und das Land hätte keinerlei Handhabe mehr, da jemals irgendwo noch einen Brems-klotz zu legen. Deshalb ist aus unserer Sicht das Korridorverfahren rein aus ökonomischer Betrachtung absolut notwendig. Es ist mit ziemlicher Sicherheit insbesondere ab dem Jahr 2030, wo wir aufgrund des demografischen Wandels wirklich in ganz andere Situationen kommen werden, was die künftigen Steuereinnahmen angeht, langfristig auch wirklich von Vor-teil für die Kommunen. Der letzte Punkt betrifft die Mindestausstattung Offenbachs. Wir haben versucht, in un-serem Gutachten darzustellen, was die horizontale Verteilung der vertikal ermittelten Finanzmasse für die Abstände der Finanzausstattung bei den Kommunen bedeutet. Wir haben Abstände von maximal 20 % festgestellt. Das ist eine Zahl, bei der man ohne ex-terne Kriterien schwer beurteilen kann, ob das ausreichend ist oder nicht. Fakt ist aber: Es ist eine wesentlich bessere Ausstattung, als die bisherige Regelung vorsieht, gerade für finanzschwache Kommunen, weil sie tatsächlich massiv von dieser neuen Umvertei-lung profitieren. Insofern ist Offenbach in jedem Fall bessergestellt als bisher. Um festzu-stellen, ob es in irgendeinem Sinn objektiv und an externen Kriterien gemessen ausrei-chend ist, fehlt uns schlichtweg der Maßstab. Herr Prof. Dr. Junkernheinrich: Ich war zum Thema Investitionen und Bemessung von In-vestitionsbedarfen, die nicht getätigt worden sind, gefragt worden. Wir hatten in den letzten ein, zwei Jahren eine intensive Diskussion über Instandhaltungsstau oder nicht getätigte Investitionen. Die KfW spricht von 130 Milliarden plus, und die Fratzscher-Kom-mission liegt noch ein Stückchen höher. Insofern hat die Politik zumindest bundesweit anerkannt: Da ist ein Problem, weil über die Jahre die laufenden Ausgaben, die Sozial-ausgaben sich immer so ausgedehnt haben, dass der Investitionsbereich relativ ge-schrumpft ist. Jetzt können Sie einerseits am KfW-Panel selbst anknüpfen, das in der Neufassung so gefragt hat, dass es für einzelne Länder und Ortsgrößenklassen eine gewisse Repräsen-tativität hat. Auch da kann natürlich der Hinweis kommen, dass es ein Stückchen Wunschkonzert ist, weil an dieser Stelle natürlich Kommunale befragt werden, wie hoch ihr Investitionsbedarf ist. Die zweite Quelle wären die Abschreibungen, die das auf der Zeitachse im Grunde viel besser abbilden als Investitionen, die mal rauf- oder mal runtergehen. Wenn Sie Ab-schreibungen nach Wiederbeschaffungswerten haben, müssten Sie nur dann nach-steuern, wenn Sie feststellen, dass der Infrastrukturbedarf deutlich abnimmt. Das kann in einem Bereich wie Schulen auch mal der Fall sein. Es kann sein, dass andere dazukom-men, die jetzt noch gar nicht dabei sind. Sie könnten auch im Land Hessen die Kommunen selbst befragen. Dann würde ich aber anregen, zunächst nach Instandhaltung und Rückbau zu fragen und nicht unbe-dingt nach Neubau und neuen Wünschen. Denn nicht getätigte Instandhaltungsinvesti-tionen – dieses Beispiel der Brücke ist ja in Hessen nicht nur als Kommunalbrücke sehr bekannt – sind vom Nachweis her leichter und nicht ein reines Wunschkonzert, weil die Infrastruktur vorliegt und man präziser sagen kann, was man in die Hand nehmen muss, um es im Rahmen von fünf bis zehn Jahren wieder zu sanieren. Denken Sie da bitte auch an einen längeren Zeitraum. Denn das, was derzeit an Investi-tionsvolumina im Gespräch ist, könnte von der Bauwirtschaft in dieser Republik eigent-

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Di – 54 – HHA/19/18 – 17.06.2015 lich gar nicht bewältigt werden. Da sagt das Bundesfinanzministerium zu Recht: Wenn wir das auf einmal in die Märkte geben, haben wir so massive Preiserhöhungen, dass wir nicht viel herausbekommen. Das ist also eine mittelfristige Orientierung. Stellv. Vors. Abg. Dirk Landau: Bevor ich dem Nächsten die Möglichkeit zur Fragestel-lung gebe, Herr Schmitt, haben Sie Nachfragen?

(Abg. Norbert Schmitt: Ich werde später die Gutachtermeinung der Meinung der Stadt Offenbach noch einmal gegenüberstellen!)

Dann ist als nächster Fragesteller Herr Schork an der Reihe. Abg. Günter Schork: Herr Junkernheinrich, ich bin mir nicht sicher, ob ich es richtig ver-standen habe, ob Sie es kritisiert haben oder ob Sie es begrüßt haben. Ich gestehe, dass es bei mir vielleicht nicht richtig angekommen ist. Aber deswegen erlaube ich mir die Nachfrage. Sie haben von der Abkehr von der Symmetrieberechnung gesprochen. Jetzt weiß ich nicht, wie Sie das am Ende gemeint haben oder was Sie damit sagen wollten. Deswegen stelle ich jetzt einfach die Frage, damit wir im Rhythmus bleiben: Ist das, was Sie da ausgeführt haben, nicht die unmittelbare Folge des Urteils vom Staats-gerichtshof im Zusammenhang mit der Bedarfsermittlung und der damit verbundenen Abweichung von der 23-%-Regelung? An Herrn Prof. Schwarz habe ich drei Fragen. Zum einen haben Sie in Ihren Ausführun-gen gesagt, dass die Kommunen in Bezug auf die Steuern im Zusammenhang mit den Nivellierungshebesätzen in eine Erhöhungsspirale kommen. Meine Frage ist: Wieso kommen Sie zu dieser Aussage, wenn doch im Gesetzentwurf eine Deckelung der Nivel-lierungshebesätze für die nächsten fünf Jahre festgeschrieben ist, damit dieser rollieren-de Effekt eben nicht eintreten kann? Das ist ja eine Bestimmung, die im Gesetz enthal-ten ist. Deswegen frage ich: Wieso sagen Sie, es gibt eine Erhöhungsspirale? Die zweite Frage – das haben Sie auch indirekt ausgeführt – ist die Frage nach den nicht gehobenen Einnahmepotenzialen. Wie beurteilen Sie denn den entsprechenden Passus im Urteil des Staatsgerichtshofes, wo ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass bei der Berechnung des Bedarfes auch die Frage der nicht gehobenen Einnahmepo-tenziale eine Rolle spielen kann? Das war jetzt vorsichtig und freundlich formuliert. Man kann auch sagen: spielen muss. Der dritte Punkt hat mich etwas irritiert. Sie haben bei Ihrer letzten Stellungnahme ge-sagt, dass auch die eigene finanzielle Situation des Landes in Betracht zu ziehen sei, und das in Bezug gesetzt zu den zu verteilenden Finanzmitteln. Mein Verständnis des Alsfeld-Urteils ist, dass zumindest für den ermittelten Bedarf bei den Pflichtaufgaben – losgelöst von der Frage, wie er ermittelt ist und ob er richtig ermittelt ist – und für das Mindestmaß an freiwilligen Leistungen das Land keinen Spielraum mehr hat und die finanzielle Situa-tion des Landes überhaupt keine Rolle spielt. Im Gegenteil ist es nach meiner Auffassung eher eine Art Risikoversicherung für die Kommunen in schlechten Zeiten, wenn man sich etwa die Krisenjahre 2009 und 2010 ansieht, als die Steuereinnahmen des Landes eingebrochen sind und die Steuerein-nahmen der Kommunen rückläufig waren.

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Di – 55 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Dagegen wäre es in der jetzigen Situation relativ einfach. Derjenige, der nicht je nach seinen zu verteilenden Finanzmitteln reagieren könnte, wäre das Land. Denn den Min-destbedarf – das, was da errechnet worden ist – muss man zahlen, unabhängig von der Finanzkraft. Deswegen habe ich das, was Sie in diesem Zusammenhang ausgeführt haben, nicht richtig verstanden. Wenn Sie sagen, was ich ausgeführt habe, ist deckungsgleich mit dem, was Sie auch denken, haben wir kein Problem miteinander. Aber ich hatte es et-was anders verstanden. Herr Prof. Dr. Junkernheinrich: Zur Frage von Symmetrie, Bedarfsmessung und Mindest-bedarf: Die neueren Urteile, also Alsfeld und in Rheinland-Pfalz Neuwied, betonen ja eher, dass bestimmte Aufgabenbedarfe bei den Kommunen zu berücksichtigen sind, auch jenseits der Symmetrie. Das ist neu im Gegensatz zu anderen Urteilen. Ich hatte noch einmal auf die Symmetrie verwiesen, weil sie vor einigen Jahren hier doch sehr kontrovers diskutiert worden ist. Bei der damaligen Symmetrieberechnung stand immer die Relation von Land und Kommunen im Vordergrund. Jetzt schaut man „einseitig“: Sind denn die Kommunen wirtschaftlich? Das Land ist bei der neuen Orien-tierung bei dieser Frage völlig außen vor. Wenn man zu dem Schluss kommt, die Kom-munen haben Wirtschaftlichkeitspotenziale in erheblichem Ausmaß, kann ich den Fi-nanzausgleich kürzen, und das Land bekommt mehr, und zwar ohne den Nachweis, ob das Land diese Aufgabenbedarfe hat oder ob das Land immer wirtschaftlich ist. Fragen Sie vielleicht direkt nach. Denn das sind zwei sich überlagernde Prinzipien, das in Relation zu sehen und nur für die einzelne Ebene. Abg. Günter Schork: Damit wir weiterkommen, stelle ich die Frage bewusst so: Ist nicht die Frage der Wirtschaftlichkeit des Landes bei der Finanzierung der Kommunen in Be-zug auf die Mindestausstattung – zumindest in Bezug auf die Mindestausstattung; ich gehe sogar so weit und sage, auch für die Frage des Mindestmaßes an freiwilliger Leis-tung, abhängig von der Finanzkraft – eine irrelevante Frage, weil sie schlicht und ein-fach keine Rolle spielt, weil die Bedarfe der Kommune die entscheidende Größenord-nung sind? Die Frage, ob das Land wirtschaftlich handelt, spielt doch bei der Finanzie-rung der Kommunen keine Rolle. Ob wir als Land wirtschaftlich sind oder nicht, ist doch unabhängig von der Frage, ob ich den Bedarf finanzieren muss. Das verschärft eher die Probleme des Landes in Bezug auf die Gestaltung des eigenen Haushaltes, wenn ich unwirtschaftlich handele. Ich sehe den Zusammenhang zwischen der Wirtschaftlichkeit und der Bedarfsdeckung oder der Mindestausstattung im Kommunalen Finanzausgleich noch nicht. Herr Prof. Dr. Junkernheinrich: Wenn ich auch die Wirtschaftlichkeit des Landes berück-sichtigen würde, könnte man ja zu dem Schluss kommen, dass das Land auch mit we-niger auskommt und damit mehr Spielraum für die Kommunen vorhanden ist. Denken Sie es mal von der Richtung aus. (Zuruf des Abg. Günter Schork)

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Di – 56 – HHA/19/18 – 17.06.2015 – Sie könnten sich die aufgabenangemessene Bedarfsgestaltung auch als Doppel-bruch vorstellen, dass Sie die Bedarfe von Land und Kommunen und nicht nur die Ist-Ausgaben in Relation setzen. Das würde in vielen Ländern, vielleicht auch in Hessen, durchaus zuungunsten des Landes ausgehen. (Abg. Günter Schork: Wir stellen in dieser Frage einmal einen Dissens fest!) – Gut. Herr Prof. Dr. Schwarz: Ich glaube, wir liegen da überhaupt nicht weit auseinander, je-denfalls dann nicht, wenn ich Ihre drei Fragen anschaue. Erster Punkt: Die Berücksichti-gung der eigenen finanziellen Situation des Landes spielt natürlich auf der Ebene des Mindestbedarfs, also sozusagen der finanziellen Mindestausstattung, keine Rolle. Die ist als Vorab für die kommunale Ebene zu gewähren. Da können wir in der Diskussion dies-bezüglich feststellen, dass kein Dissens vorliegt. Der zweite Punkt ist die Berücksichtigung nicht gehobener Einnahmepotenziale. Über die Verpflichtung oder die Möglichkeit dazu kann man lange streiten. Ich glaube aber: An einem Punkt ist jedenfalls zu berücksichtigen, dass ein – jetzt will ich es mal vorsichtig formulieren – nicht unerheblicher Eingriff in die kommunale Finanzhoheit gegeben ist, wenn man tatsächlich bestimmte Potenziale auch ausschöpfen muss, obwohl man sie vielleicht im Hinblick auf eigene kommunalpolitische Vorstellungen gar nicht ausschöp-fen möchte. Es ist jedenfalls im Schrifttum durchaus anerkannt, dass da ein Eingriffspo-tenzial besteht. Deswegen wäre ich vorsichtig, ob diese Formulierung in der Alsfeld-Entscheidung, die man im Übrigen auch in anderen Entscheidungen findet, der Hinweis auf die Potenziali-tät einer möglichen Einnahmequelle, wirklich geeignet ist, hier eine Rechtfertigung ab-zugeben. Ich will das vielleicht noch ein bisschen deutlicher machen. Sie finden in einer Vielzahl von Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte auch Formulierungen wie, die Kommune habe noch nicht alle Einnahmequellen ausgeschöpft. Wenn ich das jetzt etwas übersetzt formuliere, würde das bedeuten, dass ich unter Umständen Einnahme-potenziale generieren muss, die aber irgendwann die Belastbarkeitsgrenze für die kommunalen Einwohner erreichen, wenn ich nämlich Einnahmen so hoch setze, dass im Prinzip der Anreiz, sich überhaupt noch in der Kommune wirtschaftlich zu betätigen oder dort Grundbesitz zu haben, in einem kommunalen Wettbewerb zu nachteiligen Auswirkungen führt. Das muss man einfach sagen. Es gibt genug Stimmen, auch aus der Kommunalpolitik, die genau auf diesen Negativeffekt hinweisen. Deswegen wird der bloße Hinweis, man hätte ja noch weitere Einnahmepotenziale gehabt, die man besser hätte nutzen können, in der Realität den politischen Gegebenheiten vielleicht nur an-satzweise gerecht. Der letzte Punkt ist die Erhöhungsspirale, die Sie als Erstes angesprochen hatten. Ja, sie ist kraft Gesetzes für fünf Jahre ausgeschlossen. Und danach?

(Abg. Günter Schork: Steht die Novellierung des Gesetzes an! Das wissen Sie doch auch!)

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Di – 57 – HHA/19/18 – 17.06.2015 – Ja. Aber ich würde sagen, das ist hier eher ein Beispiel für experimentelle Gesetz-gebung: Jetzt wollen wir mal schauen, wie es geht. Ob wir es danach nicht mehr ha-ben, ist eine andere Frage. Dass der Mechanismus als solcher, wenn Sie die Deckelung für die fünf Jahre nicht hät-ten, zu einer Erhöhungsspirale führen würde, steht außer Frage, glaube ich. (Abg. Günter Schork: Deswegen haben wir ja die Deckelung hineingeschrieben!) – Ja. Ich sage nur: Das ist für mich so ein bisschen die salvatorische Klausel, um zu sa-gen, wir experimentieren damit. – Diesbezüglich Dissens. Abg. Willi van Ooyen: Ich habe eine Frage an Herrn Dr. Gey. In Ihrem Gutachten sagen Sie, dass Sie die Bedarfsermittlung anhand eines Korridorverfahrens den Vorgaben des Staatsgerichtshofs entsprechend vorgefunden haben. Jetzt ist diese, wie ich finde, will-kürliche Annahme, dass dieser Korridor zwischen 50 und 100 % liegt, natürlich eine Fra-ge. Die andere Frage, die ich an Sie habe, ist: Hätten Sie auch einen Korridor von 80 bis 120 % oder 70 bis 130 % als durchaus mit dem Staatsgerichtshof-Urteil vereinbar emp-funden? Herr Dr. Gey: Der Staatsgerichtshof hat erwähnt, dass oben und unten auch etwas ab-geschnitten werden kann, um es einmal untechnisch auszudrücken. Natürlich gibt es im Urteil des Staatsgerichtshofs keine Vorgaben dazu, wie dieser Korridor ausgestaltet sein könnte, ob das jetzt von 50 bis 100 % geht oder ob, wie Sie sagen, bis 120 % gegangen werden könnte. Das ist wahrscheinlich eine Ausgestaltung, die schon im Ermessen des Gesetzgebers liegt. Der Staatsgerichtshof hat auch gesagt, dass da ein Ermessensspiel-raum des Gesetzgebers vorhanden ist, solange er diese bedarfsgerechte Finanzausstat-tung nicht aus den Augen verliert. Wo man den Korridor ansetzt, ist dann in gewissem Sinne eine politische Entscheidung oder eine Entscheidung, die im Urteil des Staatsgerichtshofs nicht vorgegeben ist. Zu Ihrer Frage, ob man auch 110 oder 120 % hätte nehmen können, will ich sagen: Das sieht man auch in anderen Bundesländern, dass da tatsächlich eine Varianz besteht und dass das auch rechtlich zulässig wäre. Abg. Sigrid Erfurth: Ich habe zunächst eine Frage an Herrn Schwarz. Habe ich es richtig verstanden, dass das Alsfeld-Urteil eine Auslegung von § 137 Abs. 5 ist, an den der Ge-setzgeber auch gebunden ist? Meine zweite Frage an Sie in diesem Zusammenhang ist: Hebelt nicht der Auftrag des Staatsgerichtshofs, zunächst einmal nach dem Bedarf der Kommunen zu schauen, die Verteilungssymmetrie im ersten Schritt aus? Haben wir nicht eine andere Hierarchie, zu-nächst einmal Bedarf prüfen und dann auf Verteilungssymmetrie schauen? Stimmt die-se Annahme? Dann habe ich eine Frage an Frau Kümpel. Wir haben eben sehr engagiert über die Nivellierungshebesätze gestritten. Da war die These: Die Nivellierungshebesätze lösen

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Di – 58 – HHA/19/18 – 17.06.2015 eine Erhöhungsspirale in den Kommunen aus. Können Sie das so bestätigen? Wie ist Ihr Eindruck zu den Nivellierungshebesätzen? Herr Prof. Dr. Schwarz: Frau Erfurth, zunächst einmal ist es zutreffend, dass der Staatsge-richtshof in der Alsfeld-Entscheidung eine für den Gesetzgeber insoweit verbindliche Auslegung der entsprechenden Vorschriften der hessischen Landesverfassung vorge-nommen hat. Daran kommt man auch nicht vorbei. Ich will vorsichtig hier noch mit einfließen lassen: Natürlich gestattet diese Entscheidung auch noch gewisse Interpretationsspielräume. Ich glaube, das, was wir hier heute erle-ben, ist auch das Ringen um die inhaltliche Reichweite dieser interpretatorischen Spiel-räume, die unter Umständen unterschiedlich gesehen werden – was möglicherweise zu weiteren, auch rechtlichen Auseinandersetzungen führt, um die Stellschrauben eines Finanzausgleichs zu sehen: Wie eng oder wie weit ist denn der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers? Ich glaube, ein großer Teil der Diskussion, die wir heute haben, ist genau die Frage der inhaltlichen Reichweite des Gestaltungsspielraums: Was darf der Gesetzgeber? Wo sind seine Grenzen nach Maßgabe der Verfassung? Ich komme zum zweiten Punkt Ihrer Frage. Mit Blick auf die, vorsichtig formuliert, Novität einer implementierten Bedarfsbemessung, wie wir sie der Alsfeld-Entscheidung entneh-men können – ist Folgendes zu sagen: Die Alsfeld-Entscheidung ist meiner Meinung nach so zu verstehen – das war das eigentlich Revolutionäre an der Entscheidung –, dass sie den Gesetzgeber in die Pflicht genommen hat, sich tatsächlich einmal zu ver-gewissern, was denn der Bedarf der kommunalen Ebene ist, um daran gemessen die Finanzausstattung der kommunalen Ebene sicherzustellen. Das bedeutet, dass die Stellungnahmen, wie wir sie lange Zeit im Schrifttum hatten, dass ein kommunaler Finanzausgleich aufgabengerecht sein muss, dass er angemessen sein muss, dass er aber nur dann aufgabengerecht und angemessen ist, wenn er auch be-darfsgerecht ist, dort erstmals umgesetzt worden sind. Das führt dazu, dass wir sagen können: Wir haben eben jetzt eine Mindestausstattung, die den kommunalen Finanz-bedarf widerspiegelt. Darüber hinausgehend möchte ich festhalten, was wir vorhin in einem ersten Zwiege-spräch erörtert hatten: Der Grundsatz der Verteilungssymmetrie darf bei der Bemessung der finanziellen Mindestausstattung keine Rolle spielen. Das ist tatsächlich sozusagen der Garantiesockel, der vom Land zu gewähren ist. Die Formulierung, die Sie vorhin ge-wählt haben, finde ich sehr schön. Sie sagten, das ist wirklich die Garantie der kommu-nalen Ebene; das ist die Versicherung für die kommunale Ebene, dass unabhängig von der finanziellen Situation des Landes letzten Endes diese Mindestausstattung wegen der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben nicht unterschritten werden darf. Darüber hinausgehend spielt allerdings die Verteilungssymmetrie bei der Frage eine Rolle, wie man die weiter durch das Land zur Verfügung gestellten Finanzmittel auch der kommunalen Ebene zuweist. Da darf das Land auch seine eigene finanzielle Situa-tion mit berücksichtigen. Aber ich will noch einmal sagen: Darüber, ob und in welchem Umfang beispielsweise der Finanzkraftzuschlag, der ausweislich des Gesetzes 1,12 % ausmacht, ein taugliches Mittel ist, um Finanzausgleichssymmetrie herzustellen, oder ob das nicht genau eine der

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Di – 59 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Stellschrauben ist, an denen man versucht, mehr Verteilungsgerechtigkeit insgesamt herzustellen, kann man streiten. Dass man daraus aber ableiten kann, dass der Gesetz-geber in vollem Umfang den Gedanken der Verteilungssymmetrie berücksichtigt hätte, wage ich doch zu bezweifeln. Frau Kümpel: Die Argumentation, dass es wegen der gestiegenen Nivellierungshebesät-ze zu einer Erhöhungsspirale kommen soll, kann ich, ehrlich gesagt, nicht nachvollzie-hen, weil es für die Kommunen überhaupt keinen Sinn macht, ihre Hebesätze zu erhö-hen. Es gibt nur eine Schlüsselmasse; die ist in diesem umfangreichen Bedarfsermittlungsver-fahren festgelegt worden. Dann ist es so: Meine Finanzkraft steigt. Dadurch sinkt mein Ausgleichsanspruch. Sie verteilen aber immer noch die gleiche Menge. Also muss das irgendwo aufgefangen werden. Dafür gibt es den Grundbetrag. Der Grundbetrag – das ist eine iterative Messgröße – ist einfach dafür da, dass die Schlüsselmasse komplett verteilt wird. Es macht keinen Unterschied. Warum sollte eine Kommune ihren Hebesatz steigern? Es hat keinen Sinn. Wenn das für fünf Jahre festgesetzt ist, entspricht das den durchschnittlichen Hebesät-zen. Nein, es macht für mich keinen Sinn. Stellv. Vors. Abg. Dirk Landau: Ich frage in die Reihen der Abgeordneten: Gibt es noch Fragen? – Das ist nicht der Fall. Dann haben wir die zweite Fragerunde beendet, und wir kommen zum dritten Teil. Herr Decker übernimmt wieder die Leitung. (Abg. Wolfgang Decker übernimmt den Vorsitz.) Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Kollege Landau. – Wir kommen in der Tat zum nächsten Block der Anzuhörenden, nämlich den Vertretern der kommunalen Ebene. Es sind zahl-reiche Bürgermeister hier, eine Landrätin ist hier. Wir haben zwischen fünf und sieben Minuten Redezeit vereinbart. Ich schlage vor, dass wir mit Frau Landrätin Fründt begin-nen. Frau Fründt: Herr Vorsitzender, meine sehr verehrten Abgeordneten, meine sehr geehr-ten Damen und Herren! Zunächst einmal danke ich, dass ich als Landrätin des Landkrei-ses Marburg-Biedenkopf heute hier auch die Möglichkeit habe, eine Stellungnahme abzugeben. Ich freue mich, dass ich auch als Vertreterin eines Landkreises mit einer Sonderstatusstadt zur KFA-Reform sprechen darf. Denn wie Sie wissen, unterliegen die Finanzbeziehungen der Landkreise zu ihren Sonderstatusstädten – bei uns ist das die Universitätsstadt Marburg mit ungefähr 72.000 Einwohnern – noch einmal ganz beson-deren Regelungen im Finanzausgleich, die ich mit beleuchten werde. Das vorliegende Gesetzespaket ist nach Sichtung aller Dateien und Modellrechnungen, in die wir erfreulicherweise umfassenden Einblick hatten, solide und gründlich aufgear-beitet. Ich fürchte aber dennoch, dass der Fokus zu sehr auf einer verfassungskonfor-men Ausarbeitung lag und die von der kommunalen Seite erhofften Ziele womöglich

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Di – 60 – HHA/19/18 – 17.06.2015 auf der Strecke bleiben. Es bestehen große Bedenken bezüglich der Wirkungen, die einzelne Neuregelungen mittel- und längerfristig tatsächlich entfalten werden. Landkreise, Städte und Gemeinden haben sich von der Reform eine finanzielle Absiche-rung ihrer Aufgabenerfüllung und Verstetigung in der Finanzierung erhofft. Der Finanz-minister wirbt damit, dass die Neuordnung für über 300 hessische Kommunen mehr Geld in die Kassen bringe, mehr als 100 ihren bisherigen Finanzstatus beibehalten würden und nur etwa 40 – fast ausschließlich finanzstarke Kommunen – negative Veränderungen erfahren würden. In den letzten Modellrechnungen vom Februar dieses Jahres weist das Finanzministerium im Vergleich zum bisherigen KFA 2014 folgende Verbesserungen aus: Landkreise 51,7 Millionen €, kreisangehörige Städte und Gemeinden 41,8 Millionen €, kreisfreie Städ-te 10,6 Millionen €, also 104,1 Millionen € in Summe. Das sieht auf den ersten Blick alles sehr gut aus, und die kommunale Familie scheint um 104 Millionen € reicher zu werden. Bei genauerem Hinsehen verändert sich das Bild allerdings. In den 104 Millionen € sind Ausgleichsleistungen aus dem sogenannten Übergangsfonds enthalten, die besondere Härten beim Übergang auf das neue System abmildern sollen und die sich in den nächsten zehn Jahren um jeweils ein Zehntel vermindern. Davon entfallen auf die Land-kreise 8,9 Millionen €, auf die kreisangehörigen Städte und Gemeinden 19,9 Millionen €, auf die kreisfreien Städte 14,8 Millionen €, in Summe hier 43,6 Millionen €. Daher halte ich es schon einmal nicht für richtig, diejenigen mit auf die Positivliste zu nehmen, die Über-gangsleistungen erhalten. Dann ergeben sich längst keine 300 Kommunen mit Verbesserungen und auch keine 100 Kommunen mit gleichbleibendem Status. Zieht man also die Zahlungen aus dem Übergangsfonds ab, bleibt eine sogenannte Verbesserung von nur noch 60,5 Millio-nen €. Die Modellrechnungen weisen eine Finanzausgleichsmasse von 3,9 Milliarden € aus, exakt so viel wie im KFA 2014. Die vermeintlichen Besserstellungen werden unter ande-rem nur deshalb erreicht, weil innerhalb der Finanzausgleichsmasse kräftig umverteilt worden ist. Der Topf der Schlüsselzuweisungen wird um 442 Millionen € aufgestockt; da-für fallen Besondere Finanzzuweisungen wie etwa der Sozial- und Jugendhilfelastenaus-gleich weg, und die Investitions- und Schulbaupauschalen gibt es künftig nicht mehr. Während die Argumente für den Wegfall der in den Ergebnishaushalten gebuchten Besonderen Zuweisungen durchaus nachvollziehbar sind und man die Ausgleichswir-kung in der Tat hinterfragen kann, führt der Wegfall der Investitionspauschalen und hier im Besonderen der Wegfall der Schulbaupauschale zu enormen Problemen. Die Investi-tions- und Schulbaupauschalen belaufen sich auf 175 Millionen €, die künftig die Schlüs-selzuweisungen erhöhen – Geld, das fortan in die Ergebnishaushalte wandert. Gleichzei-tig wird eine empfindliche Lücke bei der Finanzierung der Investitionen gerissen, die ins-besondere die Landkreise als Schulträger deutlich zu spüren bekommen. Grundsätzlich gilt für alle Kommunen das Gebot der Nettoneuverschuldung. Das heißt, sie dürfen nur so viel neue Kredite aufnehmen, wie sie bestehende abbezahlen. Beim Landkreis Marburg-Biedenkopf sind das gerade einmal 6,5 Millionen €. Nimmt man die wenigen Investitionszuweisungen von rund 2,5 Millionen € dazu, ergibt sich ein mögli-ches Investitionsvolumen von 9 Millionen € – zu wenig, um 64 Schulen und 360 km Kreis-straßen zu unterhalten. Bisher konnten wir die Investitions- und Schulbaupauschale von

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Di – 61 – HHA/19/18 – 17.06.2015 4,7 Millionen € zusätzlich für Investitionen verwenden. Durch die Streichung der Pau-schalen reduziert sich unser Investitionsvolumen um ein Drittel. Die Aufsichtsbehörden sollen ermöglichen, dass ein Teil der Schlüsselzuweisungen für Investitionen verwendet werden darf. Dies wird nicht möglich sein, da die Schlüsselzu-weisungen in vollem Umfang in den Ergebnishaushalten benötigt werden. Diese unter-gesetzliche Absichtsbekundung ist nicht zielführend und hilft nicht weiter. Der Landkreis Marburg-Biedenkopf lehnt daher die Streichung der Investitionspauschalen ab und for-dert ihre Beibehaltung. Nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs vom Mai 2013 haben wir Kommunen darauf gehofft, dass die geforderte Systemumstellung durch eine vorurteilsfreie und ehrliche Bedarfsermittlung vollzogen wird. Indem Sie im neuen KFA genauso viele Mittel wie bis-her bereitstellen, wird deutlich, dass Sie das eben nicht getan haben und Ihr Fokus da-rauf lag, keinesfalls mehr auszugeben als vorher. Das war Ihre Richtschnur, und Sie ha-ben davon ausgehend das Korridormodell so beeinflusst, dass es unter dem Strich rech-nerisch passt. Das haben wir heute Morgen auch schon mehrmals gehört. Die viel diskutierte Angemessenheitsprüfung im Rahmen des Korridormodells führt dazu, dass 978 Millionen € von der finanziellen Mindestausstattung abgeschnitten werden. Auf die Landkreise entfallen davon allein 321 Millionen €, und den Landkreisen mit Sonder-statusstädten wird der Höchstwert von 14,5 % ihrer Defizite nicht anerkannt. Es wird also unterstellt, dass über dem Durchschnitt liegende Ausgaben durch unwirtschaftliches Handeln verursacht sind. Diese Annahme ist weder gerechtfertigt noch angemessen und darüber hinaus schlichtweg falsch. Durch eine Ausweitung der Korridorgrenzen hätte beispielsweise eine deutlich bedarfs-gerechtere Ermittlung des Finanzbedarfs erreicht werden können. So bleibt es dabei, dass im Grunde jede kommunale Ebene Mittel abgeschnitten und nicht anerkannt be-kommt. In Gänze nicht anerkannt werden bei den Landkreisen die Defizite im Rahmen der Unterbringung von Asylbewerbern und bei Grundsicherung im Alter sowie bei Er-werbsminderung. Das Land unterstellt eine Vollkostendeckung, die aber in beiden Be-reichen nicht gegeben ist. Die Pauschalerstattungen für Asylbewerber sind nicht kos-tendeckend und werden überdies nur befristet gewährt. Im Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung werden zwar die Transferleistungen ab dem Jahr 2014 in voller Höhe vom Bund erstattet, die nicht uner-heblichen Personal- und Verwaltungskosten hingegen werden nicht erstattet. Wir for-dern daher, beide Aufgabenbereiche als Pflichtaufgaben bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen. Beim Landkreis Marburg-Biedenkopf reden wir im Jahr 2015 über ein Defizit von knapp 5 Millionen € im Asylbereich und von etwas mehr als einer halben Million Euro bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, bezogen auf die direkt den Pro-dukten zugeordneten Kosten – ohne Overheadkosten; die fehlen hierbei noch. Das sind also alles andere als Kleinigkeiten. Die Argumente der Landesregierung, dass eine Finanzierung der Aufgaben außerhalb des KFA erfolge und sie deshalb nicht bei der Bedarfsermittlung berücksichtigt werden könnten, gehen an der Wirklichkeit vorbei und sind sachfremd. Das Finanzministerium hat im Zuge der ambitionierten Reform erkannt, dass die von ihm gewählten Regelungen zu großen Verwerfungen und Härten führen. Indirekt räumt es

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Di – 62 – HHA/19/18 – 17.06.2015 das ein und hat im Zuge der Diskussion bereits zahlreiche Übergangsregelungen und Modifizierungen vorgenommen. Das begrüßen wir natürlich von kommunaler Seite. Wä-re man, wie von mir bereits erwähnt, vorurteilsfrei und ehrlich an die Bedarfsermittlung herangegangen – davon bin ich überzeugt –, wären die jetzt noch notwendig gewor-denen Modifikationen in diesem Umfang nicht erforderlich gewesen. Die neue KFA-Systematik ist hinsichtlich der Ermittlung der Finanzausgleichsmasse ohne-hin viel komplexer und schwieriger geworden. Aber auch die Übergangsregelungen tragen dazu bei, dass sie kompliziert wird. Ich fürchte, dass die daraus resultierenden Auswirkungen über das Jahr 2016 hinaus noch zu unliebsamen Überraschungen führen werden. Dazu gehört die in § 50 Abs. 6 FAG neu verankerte Genehmigungspflicht für die Kreis-umlagehebesätze. Sie tritt ein, wenn der Landkreis beabsichtigt, seinen Hebesatz um mehr als einen halben Prozentpunkt gegenüber dem Vorjahr zu erhöhen. In der Geset-zesbegründung wird aufgeführt, dass es notwendig sei, mit der Einführung des bedarfs-orientierten Ausgleichssystems ein Regulativ vorzuhalten, das es der Aufsichtsbehörde ermögliche, den Ausgleich zwischen der angemessenen Finanzausstattung des Land-kreises und seiner Gemeinden im Blick zu haben. Wir fordern, § 50 Abs. 6 FAG ersatzlos zu streichen. Die Begründung zur Einführung einer Genehmigungspflicht ist nicht schlüssig, und im Übrigen gilt die Genehmigungspflicht nur für Hebesatzerhöhungen. Hebesatzsenkungen sind ohne Genehmigung auch um mehr als 0,5 Prozentpunkte möglich. Wenn aber Hürden für Erhöhungen von mehr als 0,5 Prozentpunkten geschaffen werden, wird das dazu führen, dass Hebesatzsenkungen nur noch zögerlich und in ganz geringem Umfang vorgenommen werden, um bei sich verschlechternden finanziellen Rahmenbedingungen keine zu große Erhöhung vor-nehmen zu müssen. Das kann nicht im Interesse der Städte und Gemeinden sein. Die Regelung schränkt das Hebesatzrecht der Kreistage erheblich ein und wird daher ab-gelehnt. Ein weiterer Punkt mit noch nicht absehbaren Auswirkungen über das Jahr 2016 hinaus ist die Gewichtung der Einwohner in Sonderstatusstädten bei der Berechnung der Kreis-Schlüsselzuweisungen für Landkreise mit Sonderstatusstädten. Die in § 31 Satz 2 vorge-sehene Gewichtung der Einwohner in Sonderstatusstädten bei der Berechnung der Kreis-Schlüsselzuweisung mit 71 % wird im Rahmen einer Übergangsregelung mit einem Wert von 90 % im Jahr 2016, vermindert um jährlich zwei Prozentpunkte, bis 71 % erreicht sind, abgemildert. Hintergrund dafür ist die angestrebte Überprüfung der Aufgabenbe-ziehungen zwischen Landkreisen und ihren Sonderstatusstädten durch den Landes-rechnungshof, die uns im letzten Monat übrigens schon angekündigt und für 2016 ter-miniert worden ist. Die Finanzbeziehungen zwischen Landkreisen und Sonderstatusstädten werden im Zuge der KFA-Reform 2016 zwar ansatzweise neu geregelt, erfahren aber keine für alle Betei-ligten allgemein nachvollziehbaren Lösungen. Das räumt das Land indirekt ein, indem es eine grundlegende Überprüfung durch den Landesrechnungshof vornehmen lassen will. Die Landkreise mit Sonderstatusstädten sind durch die neuen Regelungen zum Sonderstatus besonders betroffen. Dazu gehören im Wesentlichen der Wegfall der Son-derzahlung durch die Sonderstatusstädte an ihre Landkreise, die Absenkung der Ermä-ßigung bei den Kreisumlagegrundlagen von 50 % auf 43,5 %, wodurch in Zukunft 56,5 % der Kreisumlagegrundlagen angerechnet werden, die Abschmelzung der Differenzen bei den Kreisumlagehebesätzen sowie die niedrigere Gewichtung der Einwohner der Sonderstatusstädte bei der Berechnung der Kreis-Schlüsselzuweisungen.

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Di – 63 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Daraus resultierende finanzielle Verschlechterungen sollen durch den geplanten Über-gangsfonds ausgeglichen werden. Im Ausgangsjahr 2016 werden die Einwohner der Sonderstatusstädte bereits niedriger gewichtet, und zwar mit 90 %. Diese Verluste federt der Übergangsfonds noch ab. Alle in den darauffolgenden Jahren eintretenden Ver-schlechterungen aufgrund der schrittweisen weiteren Reduzierung der Einwohnerge-wichtung um jährlich zwei Prozentpunkte werden aber nicht mehr ausgeglichen. Es wird deshalb gefordert, die Einwohner von Sonderstatusstädten bis zu einer Prüfung durch den Landesrechnungshof bei einem Übergangssatz von 90 % zu belassen und keine darüber hinausgehende Absenkung vorzunehmen. Vorsitzender: Frau Fründt, Sie müssten langsam zum Ende kommen. Frau Fründt: Ich bin sofort soweit. – Nach dem aktuellen Stand des Gesetzentwurfes sol-len finanzielle Entlastungen, die beispielsweise vom Bund für kommunale Aufgaben gewährt werden, nicht zu einer finanziellen Besserstellung der Kommunen führen. Da-gegen hat sich der Hessische Landkreistag bereits verwahrt, und ich unterstütze diese Kritik nachdrücklich. Ich habe bereits auf die nicht anerkannten Defizite im Asylbereich hingewiesen. Er-schwerend kommt hinzu, dass durch die prognostizierten zusätzlichen Zuweisungen von Asylbewerbern dieses Defizit noch steigen wird. Deshalb ist es, gelinde gesagt, nicht nachvollziehbar, dass Zahlungen des Bundes auf den festgestellten Bedarf angerechnet werden sollen. Hier entlastet sich das Land ins-besondere auf Kosten von Landkreisen und kreisfreien Städten. Ich frage Sie: Wo bleibt hier die vonseiten des Landes ständig behauptete Solidarität? Ich habe heute sehr gerne die Gelegenheit zur persönlichen Stellungnahme wahrge-nommen. Mit Nachdruck unterstütze ich die von unserem Dachverband, dem Hessi-schen Landkreistag, sehr umfassend und prägnant in seiner Stellungnahme vom 27. März dargelegten Punkte, Anregungen und Forderungen. Ganz bewusst habe ich versucht, weitere Punkte vorzutragen. Ich danke der Landesregierung für den sehr offenen und kritischen Dialog und Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Vorsitzender: Frau Landrätin, vielen Dank. – Sie haben gemerkt, ich war jetzt hinsichtlich der Redezeit sehr großzügig. Ich appelliere trotzdem an alle Nachredner. Die Redezeit beträgt 5 bis 7 Minuten. Sie sehen, ich grätsche dann nicht sofort dazwischen. Sonst sit-zen wir in der Tat noch ganz lange hier. Aber es ist ein großes Thema. Deswegen haben sicherlich alle Verständnis, dass jeder hier auch mit seinen Argumenten zu Wort kommen möchte. Herr Matern: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Staatsminister, sehr geehrte Damen und Herren Landtagsabgeordnete! Ich spre-che hier im Namen des Oberbürgermeisters der Stadt Bad Homburg, Herrn Michael

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Zi/mm – 64 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Korwisi, der sich wegen anderer terminlicher Verpflichtungen entschuldigen lässt. Eine schriftliche Stellungnahme des Oberbürgermeisters liegt Ihnen vor. Ich will mich deshalb darauf beschränken, auf einzelne Inhalte noch einmal kurz einzugehen. Vielleicht ge-lingt es mir in diesem Zusammenhang, den zeitlichen Verzug auszugleichen. Zunächst sage ich etwas zur Feststellung des Finanzbedarfs. Es dürfte uns allen klar sein, dass der Finanzbedarf auf einer Grundlage festgestellt worden ist, die deshalb nicht zutreffend sein kann, weil eine Vielzahl Kommunen bereits in mehreren Konsolidierungs-runden gezwungen war, ihre Bedarfe nach unten zu korrigieren, weil nicht mehr finan-ziert werden konnte. Die Standards wurden auf ein Mindestmaß zurückgeführt. Qualität kann insofern nicht mehr in dem Maß erbracht werden, wie das sicherlich wünschens-wert wäre. Von daher geht die Bedarfsermittlung von einem zu niedrigen Aufwand aus, der nicht dem tatsächlichen Bedarf entspricht. Darüber hinaus wird er durch das Korridorverfah-ren noch weiter abgesenkt. Ich komme jetzt zur Solidaritätsumlage. Der Städtetag erhebt verfassungsrechtlich Be-denken gegen die Einführung einer Solidaritätsumlage. Diese Einschätzung teilen wir aus Sicht der Stadt Bad Homburg. Im Übrigen ist festzustellen, dass die Solidaritätsumlage hoch sein wird. Sie wird höher als der Steuerverbund sein. Sie wird einigen wenigen Kommunen viel nehmen und wird den übrigen Kommunen nur wenig geben, sodass sich angesichts des geringen Nutzens die Frage stellt, ob dieses Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden sollte. Schon heute können nicht wenige der abundanten Kommunen ihre Haushalte nicht mehr oder nur unter größten Anstrengungen ausgleichen. Wie Sie wissen, hat das natürlich alles mit der Abundanzschwelle zu tun. Diese hängt wiederum ganz wesentlich davon ab, in welchem Umfang Bedarfe anerkannt werden und in welchem Umfang die Finanzausgleichsmasse ausgestattet wird. Ganz besonders wichtig für uns in Bad Homburg ist allerdings die Frage der Schulträger-schaft und die Frage der Schulumlage. Fünf der sieben Sonderstatusstädte sind Schul-träger und haben als solche die Kosten ihrer Schulen selbst zu tragen. Im Rahmen der gebotenen Gleichbehandlung fordert Bad Homburg daher eine Möglichkeit zur Über-tragung der Schulträgerschaft, ohne dass das der Zustimmung Dritter bedarf. Bis zur Übertragung der Schulträgerschaft wäre sicherzustellen, dass die kostendecken-de Schulumlage für die Sonderstatusstädte, die nicht Schulträger sind, auf den Betrag begrenzt wird, der zur Finanzierung der dortigen Schulen notwendig ist. Für Bad Hom-burg geht es dabei immerhin um einen Betrag von etwa 8 Millionen €, die Bad Homburg zusätzlich zu dem Aufwand zu zahlen hätte, den die Schulen in Bad Homburg verursa-chen. Das wäre also sozusagen eine zusätzliche Solidaritätsumlage, die schon deshalb doppelt wiegen würde, weil sie nicht wie die tatsächliche Solidaritätsumlage zu einem Abzug bei den Umlagegrundlagen führen würde. Dort würde der Euro 1 : 1 gelten, wäh-rend man bei der Solidaritätsumlage in etwa von einer Halbierung der Last ausgehen kann, berechnet aus dem absoluten Betrag. Damit bin ich eigentlich am Ende meiner Ausführungen und danke für Ihre Aufmerk-samkeit.

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Zi/mm – 65 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Vorsitzender: Herr Matern, vielen Dank für Ihren Wortbeitrag. – Ich frage Herrn Burg-hardt, ob er in seiner Funktion als Bürgermeister noch einmal vortragen will? – Das will er nicht mehr. Vielen Dank. Herr Burger: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren Abgeordneten, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich für die Möglichkeit bedanken, für die Schöfferstadt Gernsheim eine Stellungnahme abgeben zu können. In aller Kürze will ich sagen, dass die Schöfferstadt Gernsheim im südlichen Teil des Land-kreises Groß Gerau zwischen dem Rhein-Main- und Rhein-Neckar-Ballungsraum liegt. Strukturell – das räumen wir durchaus ein – sind wir begünstigt. Wir sind verkehrsmäßig über die Bundesautobahn, über die Eisenbahn und die Nähe zum Frankfurter Flughafen gut erschlossen. Das betrifft auch den Rheinhafen, der gegenwärtig ausgebaut wird. Wir haben knapp 10.000 Einwohner. Ich erzähle Ihnen das, damit wir uns eine praktische Vorstellung davon machen können, worüber wir uns unterhalten. Wir haben einen Haushaltsplan – ich spreche immer davon –, der potenziell ausgegli-chen ist. Im Jahr 2015 weist er einen knappen Überschluss von 122.000 € aus. Insbeson-dere aufgrund schwankender Gewerbesteuereinnahmen ist die Stadt schon seit vielen Jahren um Konsolidierung bemüht. Im Jahr 2013 waren wir gehalten, ein Konsolidie-rungsprogramm aufzustellen. Das bringt auch heute noch jährliche Einsparungen von etwa 1 Million €. Im Jahr 2008 hat die Stadt Gernsheim ihr Hallenbad schließen müssen. Es wurde dann vor einigen Wochen ersatzlos abgerissen. Ich sage das, um zu verdeutlichen, wie schwierig die politischen Diskussionen manchmal sein können und wo es zu Einschrän-kungen bei einer Gemeinde kommen kann, die vermeintlich als abundant und finanz-stark gilt. Wenn der Gesetzentwurf, so wie er jetzt vorliegt, Rechtskraft erlangen würde, wäre das für die Stadt Gernsheim mit einer jährlichen Mehrbelastung in der Größenordnung von 1,2 Millionen € verbunden. Sie erinnern sich: Bei einem Überschuss von 122.000 €, den wir gegenwärtig haben, würde das dazu führen, dass wir ordentlich im Defizit wären. Bei unveränderten Rahmenbedingungen wäre die Bedarfsmesszahl der Stadt Gerns-heim um ungefähr 450.000 € geringer. Die Steuerkraftmesszahl wäre aber um 2,3 Millio-nen € höher. Wir hätten eine Solidaritätsumlage in Höhe von 1,4 Millionen € zu leisten. 1,2 Millionen € zusätzliche Belastung wären 14 % des derzeitig verbleibenden Steuerauf-kommens. Von 1 zusätzlichen € Gewerbesteuereinnahmen würden uns dann wegen der Solidaritätsumlage zukünftig noch 28 Cent übrig bleiben. Auch das bitte ich, in eine Relation zu setzen. Um 1,2 Millionen € auszugleichen, müssten wir bei einem unveränder-ten Hebesatz 4,3 Millionen € zusätzlich an Gewerbesteuer einnehmen. Denn es würden am Ende nur knapp 30 % übrig bleiben. Oder man müsste den Gewerbesteuerhebesatz von 370 Punkten auf 420 Punkte erhöhen. Beides ist unrealistisch. Weil wir in der Weise betroffen sind, haben wir Herrn Prof. Dr. Schwarz von der Universität Würzburg beauftragt, ein Rechtsgutachten vorzulegen. Ich bin froh dass Herr Prof. Schwarz heute hier ist und dass er schon zu den Inhalten des Gutachtens Stellung ge-nommen hat. Das erspart mir, darauf noch einmal einzugehen. Ich könnte es auch nicht so gut.

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Zi/mm – 66 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Ich möchte die Gelegenheit nutzen, noch auf einige Punkte hinzuweisen, die uns in der praktischen Würdigung des Gesetzentwurfs aufgefallen sind. Erster Punkt. Das wurde heute schon teilweise angesprochen. In dem Gesetzentwurf werden meiner Auffassung nach die Begriffe Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit ver-wechselt. Sparsamkeit ist dann gegeben, wenn der Ressourcenverbrauch möglichst gering ist. Wirtschaftlichkeit setzt den Ressourcenverbrauch in ein Verhältnis zu dem Nut-zen, den ich damit erziele. Aber das geschieht in dem Gesetzentwurf nach der Begrün-dung ausdrücklich nicht. Vielmehr geht man per se davon aus, dass die Gemeinden ihre Aufgaben im Durchschnitt wirtschaftlich erfüllen. Verkannt wird dabei, dass die Städte und Gemeinden in Hessen, aber auch in Deutschland einen gewaltigen Investi-tionsstau vor sich her schieben. Die Zahl der KfW, die für ganz Deutschland von einem Investitionsstau in Höhe von 132 Milliarden € spricht, wurde bereits genannt. Wir wehren uns gegen die Tatsache, dass man die Sparsamen, vermeintlich wirtschaftli-chen Kommunen zum Maßstab für das Verwaltungshandeln aller anderen erhebt. Wenn man nicht mit Blindheit geschlagen ist und durch hessische Städte und Gemein-den fährt und den Zustand der Straßen und der öffentlichen Gebäude betrachtet, dann möchte ich nicht erleben, dass man diese Gemeinden, die ihren Pflichtaufgaben schon nicht mehr nachkommen können, zum Maßstab für diejenigen erhebt, die das gerade noch leisten können, auch wenn sie als vermeintlich abundant gelten. Auf die Mängel der Bezugsgröße Einwohnerzahl wurde vom Landkreistag bereits hin-gewiesen. Ich möchte darauf hinweisen: Schon um die letzte Jahrtausendwende hat der Hessische Rechnungshof sogenannte Vollprüfungen durchgeführt. Damals waren das die Vollprüfungen III und IV. Prüfungsbeauftragte waren Mummert + Partner. Da hat man die Städte und Gemeinden auf ihre Haushaltsstabilität hin geprüft und hat nach-geschaut, was die denn für die Straßenunterhaltung im Vergleich zu den Kilometern Gemeindestraßen oder was sie für die Unterhaltung ihrer Gebäude im Vergleich zum Brandversicherungswert ausgeben. Gut abgeschnitten haben damals die Gemeinden, die etwas für die Unterhaltung ihrer Straßen und Gebäude getan haben. Heute ist die Rangfolge anscheinend umgekehrt. Ich bitte, dass man die Erkenntnisse von damals vielleicht noch einmal aufgreift. Ich komme zum zweiten Punkt, den ich hier ansprechen will. Das ist die Berücksichti-gung der Nettoneuverschuldung als bedarfsmindernde Einnahme. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Der Bedarf ist geringer wenn man sich neu verschuldet. Wenn ich die Investition fremd finanziere, habe ich keinen Finanzbedarf. Das kann man begründen, indem man sagt: Es wird später getilgt; und die Tilgung erhöht den Finanz-bedarf. Das stimmt dann, wenn die Tilgung höher als die Kreditaufnahme ist. Die hessischen Städte und Gemeinden haben sich im Durchschnitt der letzten Jahre um ca. 480 Millio-nen € neu verschuldet. Das mag nicht alles für Investitionen sein, die Pflichtaufgaben betreffen. Aber zu einem größeren Anteil dürften sie das sein. Ich möchte das noch einmal mit einem Beispiel unterstreichen. Eine Stadt baut eine Touristeninformation für 2 Millionen €. Wenn sie das eigenfinanziert, dann ist das zu 100 % eine freiwillige Leistung und wird nicht anerkannt. Wenn sie den Bau dieser Touristenin-formation fremd finanziert und den Betrag im nächsten Jahr tilgt, dann wird im nächs-ten Jahr die Tilgung zu 100 % dem Pflichtbedarf zugerechnet. Denn bei der Tilgung wird nicht mehr unterschieden, ob es Pflichtaufgaben oder freiwillige Aufgaben sind.

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Zi/mm – 67 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Damit sehen wir: Es hängt also maßgeblich davon ab, ob eine Investition eigen- oder fremdfinanziert ist, ob sie hinterher als Bedarf anerkannt wird oder nicht. Darin sehe ich einen gewissen Systembruch. Wir haben eine schriftliche Stellungnahme abgegeben. Da haben wir schon darauf hingewiesen, dass die Produktgruppe 365 – – Vorsitzender: Herr Bürgermeister, Sie müssten ganz langsam in die Zielgerade kommen. Herr Burger: Jawohl, ich beeile mich. – Die Produktgruppe 365, „Tageseinrichtungen für Kinder“, befindet sich nicht im Korridorverfahren. Das zeigt, dass bei einer der wichtigs-ten kommunalen Pflichtaufgaben das Instrument des Korridorverfahrens ungeeignet erscheint. Aufgrund der Kürze der Zeit – ich werde das nicht schaffen – möchte ich dann doch noch einmal auf die statistischen Ausreißer eingehen. Da gibt es schon einen Unter-schied, weil die Abschreibungen nicht berücksichtigt werden. Darauf wurde vorhin schon hingewiesen. Dafür nimmt man aber die Investitionszahlungen und versucht, das damit zu kompensieren. Die Abschreibungen führen aber dazu, dass wir einen gleich-mäßigen Ressourcenverbrauch haben, während die Investitionen immer nur alle 30 bis 40 Jahre anfallen. Nehmen Sie z. B. die Feuerwehrgerätehäuser. Das wären dann, statis-tisch gesehen, Ausreißer, während die Abschreibungen, wenn man sie denn einbezie-hen würde, durch die Gleichmäßigkeit eben nicht zu statistischen Ausreißern führen würde. Insgesamt kann ich sagen, dass ich mich sehr freuen würde, wenn diese sehr fruchtbare Diskussion, die heute stattfindet, dazu führen würde, dass uns der Weg zum Staatsge-richtshof erspart werden würde. Ich erinnere mich an alte Zeiten im Rechnungshof: Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Rechtmäßigkeit in der umgekehrten Reihenfolge. Im Vordergrund steht die Rechtmäßigkeit. Dazu haben wir heute schon von Herrn Prof. Schwarz und anderen einiges gehört. Aber auch die Wirtschaftlichkeit steht auf jeden Fall noch vor der Sparsamkeit. Vor diesem Hintergrund scheint mir bei diesem Gesetz-entwurf vor allem die Sparsamkeit etwas übergewichtig zu sein. Vor allen Dingen kom-men Aspekte der Wirtschaftlichkeit und der Rechtmäßigkeit im Moment noch zu kurz. – Vielen Dank. Frau Weigel-Greilich: Herr Vorsitzender, sehr geehrte Abgeordnete, Herr Staatsminister, meine Damen und Herren! Im Jahr 2008 haben die hessischen Bürgerinnen und Bürger die Schuldenbremse beschlossen. Im Jahr 2012 wurde das Schutzschirmprogramm auf-gelegt. Dieses Programm hat etwa ein Viertel der hessischen Kommunen genutzt. Die Debatte um die Schuldenbremse und den Schutzschirm hat in erschreckender Weise die strukturelle Unterfinanzierung einer Vielzahl Kommunen offenbart und transparent gemacht. Gleichzeitig hat man aber auch bei vielen Kommunen sehen können, dass durchaus nennenswerte Einsparungen erzielt, die Effizienz der Verwaltung gesteigert und, drittens, eine deutliche Steigerung der Einnahmen erzielt werden konnte.

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Zi/mm – 68 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Das Alsfeld-Urteil hat eine Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs auf der Grundlage einer Bedarfsermittlung vorgeschrieben. Das hat bei vielen die Hoffnung geweckt, dass das Land damit gezwungen sein würde, den Kommunen mehr Mittel zur Verfügung zu stellen – bedarfsgerecht eben. Diese Hoffnung ist nicht in Erfüllung ge-gangen. Trotzdem können wir feststellen, dass mit dem jetzt vorgelegten Modell die richtige Richtung eingeschlagen wird. Grundsätzlich ist Folgendes positiv zu bewerten: Das Abschöpfen der eigenen Finanzmittel bei den abundanten Kommunen als Prinzip der Solidarität zwischen den Kommunen ist überfällig. Idealtypisches Beispiel für die Notwendigkeit dieser Maßnahme ist Eschborn. Die Anhebung der Nivellierungssätze ist richtig. Mehreinnahmen sollen beim Stabilitäts-ansatz gedrittelt werden. Ein Drittel wird bei den Kommunen verbleiben. Ein Drittel wird in die Rücklagen gehen, und ein Drittel wird die Zuweisung des Landes senken. Richtig ist auch, dass der über die Gewerbesteuerhebesätze ausgetragene, für die Kommunen teilweise ruinöse Standortwettbewerb – mit dem entsprechenden Flächen-verbrauch – damit moderat eingeschränkt werden wird. Eine Spreizung von 200 Punk-ten auf engstem Raum ist absurd. Ich komme zu den Kritikpunkten. Die Höhe der Finanzausgleichsmasse wird zu gering sein. Durch das Thüringer Korridormodell wird der angenommene Bedarf der Kommu-nen in zu großem Umfang reduziert werden, zumal schon in der Vergangenheit die fi-nanzschwächeren Kommunen nicht genug investieren konnten und auch nicht genug freiwillige Leistungen umsetzen konnten. Überdurchschnittliche Belastungen im sozialen Bereich werden nicht ausreichend berücksichtigt werden. Die nachträglich eingeführte Sozialkomponente ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, doch werden 25 Millio-nen € zu wenig im Vergleich zur gesamten Masse des Kommunalen Finanzausgleichs sein. Ich komme zu den Forderungen, die sich daraus ergeben. Insgesamt wird zu wenig Geld im System sein. Das sagen hier alle. Es werden mindestens 400 Millionen € fehlen. Wir müssen davon ausgehen, dass das Land den Kommunen nicht mehr Geld für den Kommunalen Finanzausgleich zur Verfügung stellen kann, weil es seinerseits vor großen finanziellen Herausforderungen steht. Das betrifft Bildung, Polizei, Asylbewerber und an-deres. Gleichzeitig muss es die Schuldenbremse einhalten. Es ist aber wiederum auf Be-schlüsse des Bundes angewiesen, um höhere Einnahmen zu erzielen. Solche Beschlüsse des Bundes sind mindestens bis zum Jahr 2017 nicht zu erwarten. Daher müssen die feh-lenden Finanzmittel in den Kommunen selbst generiert werden. Das kann nur über hö-here Nivellierungssätze funktionieren. Wenn wir uns dabei an den anderen Bundesländern orientieren, wird das auch keinen Standortnachteil für die hessischen Kommunen bedeuten. Zu niedrige Sätze schaffen nämlich nicht nur für die reichen Kommunen einen Standortvorteil. Sie perpetuieren und verstärken damit das System der ungleichen Verteilung. Sie entziehen damit dem Ge-samtsystem der kommunalen Finanzen notwendige Mittel. Sie subventionieren die Un-ternehmen zulasten der Kommunen. Die Wirkung ist dieselbe, wie wenn Unternehmen Steuerschlupflöcher in Luxemburg und anderswo nutzen. Das Geld geht dem Gesamt-system verloren und steht nicht für die Finanzbedarfe der Kommunen zur Verfügung. Das Land sollte daher den durchschnittlichen Nivellierungssatz der Flächenländer als Grundlage wählen.

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Zi/mm – 69 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Bedenkenswert ist auch der Vorschlag der Stadt Offenbach für den Ballungsraum eine eigene Gruppe zu bilden. Damit dies aber nicht zu unzumutbaren Härten führt, sollte die Abschöpfung bei den abundanten Kommunen über einen längeren Zeitraum abgefe-dert werden. Dies kann z. B. durch die Anhebung der Nivellierungssätze in mehreren Schritten geschehen. Es ist nachvollziehbar, dass die Kommunen etwas Zeit brauchen, wenn die Bürgerinnen und Bürger niedrigere Steuersätze gewohnt waren und Kitage-bühren gar nicht erhoben wurden. Das ist dann ein schwieriger Diskussionsprozess, den man da führen muss. Zweite Forderung. Der Faktor für besondere soziale Belastungen muss erhöht werden. Auch die Leistungen für die Jugendhilfe müssen angerechnet werden. Das ist aus mei-ner Sicht wirklich das Mindeste, was nachgebessert werden muss. 25 Millionen € reichen bei Weitem nicht aus, um die in den einzelnen Städten und Krei-sen bestehenden sozialen Probleme auszugleichen. Wahrscheinlich wäre es sogar rich-tig, wie von der Stadt Offenbach gefordert, in jeder Kommune die tatsächlichen Bedar-fe bei den Sozialleistungen zu ersetzen, und nicht den Durchschnittswert pro Einwohne-rin und Einwohner. Auf der anderen Seite ist es natürlich verständlich, dass das Land keine Berechnung spezieller Bedarfe einzelner Kommunen vornehmen will. In der Regel gleichen sich die Vor- und Nachteile aus. Das ist aber nicht bei den mit starken Soziallasten belasteten Kommunen der Fall. Das können wir flächendeckend feststellen. Zu den Kommunen, deren strukturelle Probleme noch mit speziellen anderen Faktoren negativ kumulieren, gehört neben der Stadt Offenbach auch die Stadt Gießen. In Gie-ßen liegt das an folgenden Faktoren – das will ich nur beispielhaft zeigen –: Die Stadt hat überdurchschnittlich hohe Kosten bei der Jugendhilfe. In der Berechnung des Kommunalen Finanzausgleichs wird es zwar einen Faktor für eine überdurchschnittliche Belastung im sozialen Bereich geben, nicht aber für die daraus folgenden höheren Kos-ten bei der Jugendhilfe. Absurd ist in diesem Zusammenhang übrigens auch, dass der erhöhte Ansatz bei den Soziallasten dazu führen wird, dass die Stadt Gießen gegenüber dem Vorgängerrechenmodell noch einmal 100.000 € verlieren wird. Statt 300.000 wie bei der ersten Berechnung werden es nunmehr 400.000 € werden. Die deutlich erhöhten Kosten in der Jugendhilfe resultieren auch aus der Erstaufnahme-einrichtung für Flüchtlinge. Die Stadt Gießen hat neben der Stadt Frankfurt die Clearing-stelle, also die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge. Theoretisch werden diese Ju-gendlichen zwar landesweit verteilt. De facto verbleiben dann aber doch viele in Gie-ßen. Das war auch schon in der Vergangenheit so. Derzeit erhöhen sich die Aufwen-dungen für die Stadt Gießen dramatisch, weil sich ein Teil der kommunalen Familie wei-gert, die zugewiesenen Jugendlichen aufzunehmen, sodass diese dann nach Jugend-hilferecht in Gießen verbleien müssen. Das kann man wohl doch kaum als nicht wirt-schaftliches Handeln der Stadt Gießen bezeichnen. Zweitens hat die Stadt Gießen geringe Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Diese spezi-ellen sozioökonomischen Strukturen sind also die zwei gewichtigsten Gründe für die schlechte Situation. Der dritte Grund ist, dass wir Aufgaben für die Region erfüllen und damit Kosten haben, die dem Grunde nach wie die einer kreisfreien Stadt zu bewerten sind. Ein plakatives Beispiel dafür ist das Stadttheater.

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Zi/mm – 70 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Dass das Rechenmodell die kreisfreien Städte bevorzugt, ist ziemlich eindeutig. Das ist auch sachgerecht und richtig. Das wird aber in gesamt Mittelhessen dazu führen, dass keine Einwohnerinnen und Einwohner als kreisfrei gewichtet bzw. veredelt werden, ob-wohl eben dort auch solche Aufgaben zu erfüllen sind. Viertens. Wir haben als wichtigste Standortfaktoren öffentliche Dienstleister. Das sind die Justus-Liebig-Universität, die Technische Hochschule Mittelhessen und das Regierungs-präsidium Gießen. Wir sind darüber natürlich sehr froh. Finanziell bringen sie uns aber bei den Realsteuern nichts. Allen Genannten ist gemein, dass sie keine Gewerbesteuer und keine Grundsteuer B zahlen, aber trotzdem eine attraktive und hochwertige Infrastruktur brauchen. Das ist auch kein unwirtschaftliches Handeln der Stadt Gießen. Fünftens. Durch den engen Zuschnitt der Stadt infolge der Auflösung der Stadt Lahn ist der Anteil an Gastschülerinnen und -schülern überdurchschnittlich hoch. Gleichzeitig sind die vom Land festgelegten Gastschulbeiträge bei Weitem nicht kostendeckend. Bei der Grundsteuer B und bei den Gastschulbeiträgen könnte das Land relativ einfach außerhalb des Kommunalen Finanzausgleichs für mehr finanzielle Gerechtigkeit sorgen. Sehr geehrte Abgeordnete, meine Damen und Herren, zum Abschluss möchte ich noch einmal an Sie, die Abgeordneten, appellieren: Bitte berücksichtigen Sie bei der Berech-nung des Kommunalen Finanzausgleichs die Sozial- und Jugendhilfeleistungen deutlich stärker. Den durch Sozial- und Jugendhilfeleistungen besonders belasteten Städten muss innerhalb und außerhalb des Kommunalen Finanzausgleichs geholfen werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Frau Augsburger: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Herr Staatsminister – ich hätte ihn gerne persönlich begrüßt, ich hole das noch nach –, sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte auch ich mich für die Möglichkeit bedanken, heute eine Stel-lungnahme zur geplanten Reform des Kommunalen Finanzausgleichs aus Sicht der abundanten Stadt Schwalbach abgeben zu können. Wir haben uns sowohl in allen fünf Fraktionen im Parlament als auch im Magistrat sehr intensiv damit beschäftigt und ha-ben – das möchte ich ausdrücklich betonen – über Parteigrenzen hinweg eine gemein-same Stellungnahme verfasst, die zu dem Ergebnis kommt – das wird Sie nicht überra-schen –, dass ein so berechneter neuer Kommunaler Finanzausgleich den besonderen Herausforderungen, denen sich die Stadt Schwalbach am Taunus stellen muss, nicht gerecht werden wird. Ich möchte einen Teil dieser Gründe hier noch einmal vortragen. Zum einen haben wir weit über dem Durchschnitt liegende Ausgaben für die Kinderbe-treuung, und zwar insbesondere für die Betreuung der Schulkinder. Das ist mittlerweile keine freiwillige Leistung mehr, sondern das ist aufgrund des wachsenden Zuzugs junger Familien unabdingbar. Das sind Ausgaben, die eben gerade nicht beliebig gekürzt werden können. Auch das konnte man einer Veröffentlichung der „Frankfurter Rundschau“ vor wenigen Wochen entnehmen: Erfreulicherweise gehören wir im Main-Taunus-Kreis zu den weni-gen Regionen in Hessen, die einen Zuzug insbesondere junger Familien verzeichnen können. Drei Viertel unserer Kindergarten- und Schulkinder werden mittlerweile ganztä-tig betreut. Das bedeutet für uns nicht nur eine quantitative, sondern vor allem auch eine qualitative Herausforderung. Denn nur mit gut ausgebildetem und damit auch gut bezahltem Personal können Sie einem solchen Anspruch gerecht werden.

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Zi/mm – 71 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Schwalbach am Taunus hat ca. 15.000 Einwohner. Es leben bei uns Menschen aus mehr als 120 verschiedenen Nationen. Wie Sie sich sicherlich denken können, ist das eine ganz besondere Sozialstruktur mit einem hohen Anteil an Ausländern und Migranten. Das ist für uns als Verantwortliche in den Kommunen eine Herausforderung, die nur durch große Anstrengungen etwa in der Betreuung der Schulkinder in der Schulsozialar-beit und in der aufsuchenden Jugendarbeit bewältigt werden kann. Ein großer Anteil unserer Schwalbacher Bürger ist über 65 Jahre alt. Das ist sehr erfreu-lich. Bei uns leben die Menschen sehr gerne möglichst lang in den eigenen vier Wän-den. Das ist auch unser Interesse. Das möchten wir ihnen ermöglichen. Allerdings bedeutet das für uns große finanzielle Anstrengungen bei der aufsuchenden Seniorensozialarbeit und bei der Unterstützung der Angebote kirchlicher Träger, wie z. B. der Diakonie oder der Caritas. Das ist die Kehrseite. Ich denke, das können auch andere, die insbesondere aus dem Ballungsraum kommen, bestätigen. Leider verzeichnen wir nicht nur bei der Kinderbe-treuung, sondern auch bei der Betreuung und Pflege der alten Menschen immer weni-ger soziale Absicherung durch die Familie. Das mag im ländlichen Raum noch anders sein. Das bedeutet für uns, dass wir dieses Defizit ausgleichen wollen und ausgleichen müssen. Ich komme jetzt auf den Punkt zu sprechen, der uns heute Morgen schon im Wesentli-chen beschäftigt hat. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sind bei uns zweifellos in Schwalbach die größte Einnahmequelle. Wir müssen vorab enorme Leistungen für die Bereitstellung und den Erhalt der notwendigen Infrastruktur erbringen. Denn Unterneh-men siedeln sich nicht einfach so an. Sie kommen nicht, weil ihnen die Landschaft so gut gefällt. Vielmehr kommen sie, weil sie vor allen Dingen für sich und die Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter eine ausreichende Infrastruktur benötigen. Das fängt natürlich mit ordentlichen Straßen und der Möglichkeit, öffentliche Verkehrsmittel nutzen zu kön-nen, an, und geht bis hin zu der Tatsache, dass wir, um ein Gewerbegebiet attraktiv zu machen, in Schwalbach am Taunus zunächst einmal einen S-Bahnhof gebaut haben. Viele, die sich mit der Situation der abundanten Kommunen beschäftigt haben, werden das auch wissen: Mir ist bewusst, dass wir in den acht zurückliegenden Jahren mehr Er-träge als viele andere Kommunen haben verzeichnen können. Aber bei genauerem Hinsehen stellt man auch fest, dass wir im Ballungsraum auch wesentlich höhere Aus-gaben zu verzeichnen haben. Das gilt für alle Kommunen. Aber ich möchte das an dieser Stelle noch einmal aus-drücklich betonen, damit das den verantwortlichen Politikerinnen und Politikern noch einmal deutlich wird. Von jedem eingenommenen Euro wird uns nur ein ganz geringer Teil übrig bleiben. In Zahlen ausgedrückt stellt sich die Situation für uns in Schwalbach am Taunus wie folgt dar: Bislang bleiben uns von 1 € jährlich nur ca. 43 Cent. Der Rest geht in die Kreisschulumlage, die Gewerbesteuerumlage, die Umlage für den Regional-verband und, und, und. Das wissen Sie alles. Das kann ich Ihnen ersparen. Nach der geplanten Reform des Kommunalen Finanzausgleichs werden uns noch 35 Cent bleiben, bzw. nach dem Abschmelzen des Übergangsfonds werden es dann nur noch 34 Cent sein. Mit anderen Worten: Von jedem eingenommenen Euro wird uns ca. ein Drittel bleiben.

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Zi/mm – 72 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Ich will das noch einmal aus anderer Sicht betrachten. Das mit den Zahlen müssen Sie jetzt einfach noch einmal ertragen. Ich sage das, damit noch einmal deutlich wird, in welche Situation wir uns in Schwalbach am Taunus eben befinden. Ich denke, das ist exemplarisch für viele andere Kommunen. Wir haben in diesem Jahr einen geplanten Aufwand von 51 Millionen €. Jetzt werde Sie sagen: Oh! – Viele werde sagen: Donner-wetter, wenn ich das hätte, wäre ich froh. Jetzt will ich Ihnen nur einmal sagen: 27 Millionen € davon gehen alleine für die Umla-gen weg. Das ist nur für die Umlagen. Das heißt, davon haben wir gar nichts. Von den restlichen 24 Millionen € zahlen wir ungefähr 7 Millionen € nur für die Kinderbetreuung. Ich möchte das ausdrücklich noch einmal betonen: Unabhängig davon, ob es um Schulkinder, Kindergartenkinder oder um die U-3-Betreuung geht, das ist keine freiwillige Leistung mehr. Vielmehr ist das mittlerweile eine Pflichtaufgabe. Warum das so ist, möchte ich mir hier in Anbetracht der knappen Redezeit ersparen, auszuführen. Von den restlichen 17 Millionen € zahlen wir knapp 10 Millionen € allein für Personal. Da-von geht allerdings die Hälfte – mittlerweile dürfte es schon über die Hälfte sein – nur an die Erzieherinnen und Erzieher und in den restlichen sozialen Bereich. Das heißt, für die reine Verwaltung geben wir am wenigsten Personalkosten aus. 7 Millionen € geben wir noch ungefähr für Sach- und Dienstleistungen aus. Ich sage das, damit Sie einfach ein-mal sehen, dass wir nicht mit dem Geld hausen. Vielmehr bleibt uns von dem, was wir ausgeben, nur noch ein minimaler Teil übrig, der uns zur Verfügung steht, um wirklich Spielräume zu haben. Wir haben jedes Jahr ein strukturelles Defizit von ungefähr 2,5 bis ungefähr 3,5 Millio-nen €. Das ist einfach so. Das heißt, wenn wir all das, was wir planen, mit den Einnah-men gegengerechnet haben, bleibt jetzt schon ein strukturelles Defizit von 2,5 bis 3,5 Millionen €. Hochgerechnet werden wir im Jahr 2016 für den Kommunalen Finanzausgleich zusätz-lich 4,4 Millionen € in die Kasse bezahlen müssen. Das heißt, wir rechnen im Moment schlimmstenfalls jedes Jahr mit einem Defizit in Höhe von 7 bis 8 Millionen €. Wir werden das allein mit Einsparungen nicht schaffen. Ich habe versucht, deutlich zu machen, an welchen Stellen wir überhaupt noch Einsparungsmöglichkeiten haben. Wir werden das allein mit Einsparungen überhaupt nicht hereinholen können. Das heißt, das geht natür-lich nur über Einnahmesteigerungen. Das werden im Wesentlichen Steuererhöhungen sein. Es werden natürlich auch Gebührenerhöhungen sein. Dazu möchte ich jetzt aber angesichts der knappen Redezeit wirklich nichts ausführen. Denn das ist ein Thema für sich. Auch da möchte ich wiederum konkrete Zahlen nennen. Wir haben jetzt schon einen Gewerbesteuerhebesatz von 350 Prozentpunkten. Den müssten wir dann auf mindes-tens 390 Prozentpunkte erhöhen. Die Grundsteuer, die bei uns im Moment bewusst bei 250 Prozentpunkten liegt, werden wir dann, um das in etwa hereinzuholen, auf ca. 680 bis 700 Prozentpunkte erhöhen müssen. Ich muss sagen, gerade bei der Grundsteuer fällt mir das als Verantwortliche in meiner Kommune ganz besonders schwer. Das bedeutet nämlich eine zusätzliche Belastung für die Grundstückseigentümer, aber auch für die Mieterinnen und Mieter, also für die Fa-milien in Schwalbach. Und das wird geschehen, obwohl wir gerade im Ballungsraum in der Region kurz vor Frankfurt jetzt schon Grundstückspreise und Mieten haben, die, so glaube ich, jegliches Vorstellungsvermögen übersteigen.

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Zi/mm – 73 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Die Unternehmen würden wir dann ebenfalls um mindestens weitere 40 Prozentpunkte zusätzlich belasten. Aber, wie gesagt, das sind nur Beispielrechnungen. Zukünftig werden sich unsere Kommunalpolitiker – –

Vorsitzender: Frau Bürgermeisterin, Sie müssen langsam zum Ende Ihrer Rede kommen.

Frau Augsburger: Ich rase. – Unsere Kommunalpolitiker werden sich lediglich noch mit der Frage beschäftigen können, wo sie sparen. Das heißt, es geht nicht mehr darum, wo sie gestalten, sondern nur noch darum, wo sie sparen und wo sie den Bürgern und den Unternehmen weitere Belastungen zumuten können. Mir fehlt, offen gestanden, die Fantasie, wie wir für die Kommunalwahlen im nächsten Jahr noch ehrenamtliche Bürge-rinnen und Bürger motivieren wollen. Gestatten Sie mir in Anbetracht der knappen Redezeit noch einen Hinweis. Auch die Industrie- und Handelskammern kritisieren den Entwurf, und zwar unter Hinweis darauf, dass die Wirtschaft auf handlungsfähige und auskömmlich ausgestattete Kommunen angewiesen ist. Die Industrie- und Handelskammern führen weiterhin aus – das finde ich interessant, deswegen möchte ich das an dieser Stelle noch einmal betonen; ich zitie-re –:

Es stellt sich deshalb die Frage: Warum führt die Landesregierung mit der Solidari-tätsumlage im KFA eine dem Leistungsprinzip widersprechende Umlage ein, die sie im LFA zu Recht beklagt? (Abg. Frank-Peter Kaufmann: Dieser Satz ist Blödsinn!)

– Das müssen Sie den Vertretern der Industrie- und Handelskammer sagen. Ich habe nur zitiert.

Vorsitzender: Ein letzter Satz.

Frau Augsburger: Gestatten Sie mir noch einen letzten Satz. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass wir die Notwendigkeit, finanzschwache Kommunen zu unterstützen, selbstverständlich akzeptieren. Mit der geplanten Neuordnung des Kommunalen Fi-nanzausgleichs werden Sie uns aber ruinieren. Sie werden uns damit jegliche Spiel- und Gestaltungsräume nehmen. Ich bin mir sicher, dass das weder in Ihrem Interesse noch im Interesse der nicht abundanten Kommunen ist. – Herzlichen Dank für Ihre Geduld. Vorsitzender: Frau Augsburger vielen Dank für Ihre Stellungnahme. – Ich will noch einmal ganz allgemein in die Runde geben: Die Redezeit beträgt eigentlich fünf bis sieben Mi-nuten in dieser Runde. Ich weiß, das Herz ist voll. Wir hören Ihnen gerne alle zu. Wir sind jetzt bereits viereinhalb Stunden beieinander. Das wird nicht die letzte Stunde gewesen sein. Herr Wilkes: Unter dem Gesichtspunkt der Vergleichbarkeit der Landkreise innerhalb Deutschlands möchte ich zunächst einmal darauf hinweisen, dass es sich, wenn ein hessischer Landrat hier vorträgt, um einen Exoten handelt, was die finanzpolitische Seite angeht. Ich habe eine schöne Übersicht, ein Balkendiagramm, dabei, das ich allen

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Zi/mm – 74 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Mitgliedern des Haushaltsausschusses zur Verfügung stellen werde. Es zeigt in einem Bal-kendiagramm die Schulden der Landkreise, nach den 13 Flächenländern geordnet. Da ist etwas sehr einfach zu sehen. Deswegen finde ich es nützlich. Denn viele andere Zah-len vernebeln eher den Blick. Wenn Sie den hessischen Balken sehen, sehen Sie, dass das ein Ausreißer ist, der in kein-ster Weise mehr überhaupt einzuordnen ist. Das ist jenseits von Gut und Böse. Mitten in Deutschland hat eines der reichsten Bundesländer, ein Geberland im Länderfinanzaus-gleich, einen solchen Ausreißer. Wenn Sie diesen Balken sehen, glaube ich, dass Sie leicht erkennen können, dass es sich nicht um hausgemachte Probleme einzelner Ge-bietskörperschaften handelt, sondern um grundlegende strukturelle Fragestellungen, die über viele Jahre aufgelaufen sind und sich in dieser Weise summiert haben. Wir haben einen Partnerlandkreis in Sachsen-Anhalt. Wenn ich mit meinem Kollegen über so etwas spreche, dann schüttelt er den Kopf. Ein Landrat aus Sachsen-Anhalt oder aus Thüringen hat selbstverständlich einen ausgeglichenen Haushalt. Wenn ich sage, dass das im reichen Südhessen überhaupt nicht möglich ist, und das seit zwölf Jahren nicht mehr, ist das für ihn etwas, was er nicht versteht. Der Kollege, der neulich bei uns im Kreistag war, hat mich gefragt: Wo bleibt ihr Hessen mit dem ganzen Geld? – Diese Frage steht weiterhin im Raum und muss beantwortet werden. Sonst bekommen wir das Problem nicht vom Tisch. Es gibt in Hessen ein Sonderproblem. Ich habe den Eindruck, dass es als Sonderproblem noch überhaupt nicht erkannt wurde. Es wurde erst recht nicht bearbeitet. Die Ver-schiebung im Kommunalen Finanzausgleich mit wenigen Euro nach rechts oder links ist völlig ungeeignet, dieses grundsätzliche Problem auch nur annähernd lösen zu können. Ich glaube, das ist die gemeinsame Überzeugung der kommunalen Familie. Insbeson-dere ist das die Überzeugung der Vertreter der hessischen Landkreise. Das darf ich als Vorbemerkung noch sagen: Das, was ich Ihnen vortrage, darf ich auch im Namen der sieben Fraktionen des Kreistages des Landkreises Bergstraße vortragen. Er hat vor den Weihnachtsferien eine Sondersitzung zu diesem Thema abgehalten. Er hat dabei nur dieses Thema besprochen. Er hat eine Resolution dazu verabschiedet. Die Mitglieder der sieben Fraktionen haben einstimmig die gleiche Position vertreten, die ich hier vortragen darf. Ich glaube, diese Einmütigkeit zeigt die Verzweiflung, die es vor Ort über Parteigrenzen hinweg gibt. Wir wollen ein Signal nach Wiesbaden geben, dass das, was jetzt auf dem Tisch liegt, bei Weitem nicht geeignet ist, beschlossen zu werden. Wenn das beschlossen und damit nach allen Erfahrungswerten längere Zeit gelten wür-de, wäre das eine neue Qualität dessen, was ich gerade schon ausgeführt habe, näm-lich dieser Sondersituation in Hessen. Ich glaube deswegen, dass es ganz dringend notwendig ist, noch zwei oder drei Stell-schrauben zu bedenken, die man ohne Weiteres einbauen könnte und mit der man die Sache zur Not noch retten könnte. Denn der Staatsgerichtshof hat die Aufgabe letzt-endlich bis zum 1. Januar 2016 gestellt. Ich habe als Landrat im Landkreis Bergstraße zwölfmal nacheinander einen defizitären Haushalt vorlegen müssen. Sie finden außerhalb Hessens keinen Landrat, der das in den letzten zwölf Jahren für seinen Landkreis so verantworten musste. Allein das muss doch nachdenklich machen. Das macht deutlich, wo wir hier stehen.

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Zi/mm – 75 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Aus dieser Situation haben sich mittlerweile über 400 Millionen € Schulden ergeben. Die ganzen Rechenaufgaben, die das Finanzministerium zur Vorbereitung der Entscheidung gemacht hat, wären völlig obsolet – das gilt natürlich auch für den Landes- und den Bundeshaushalt, aber erst recht für die kommunale Ebene –, wenn die Zinsen wieder, wie vor fünf oder sechs Jahren, also vor der letzten Finanzkrise, auf einem Niveau von 3, 4 oder 5 % wären. Da würde keine dieser Rechnungen mehr aufgehen. Da würde überhaupt nichts mehr passen. Es ist zu erwarten, dass sich diese Situation irgendwann wieder einstellen wird. Die Exper-ten gehen davon aus, dass das zumindest mittelfristig in spätestens drei, vier oder fünf Jahren der Fall sein wird, dass wir auf 3 oder 4 % Zinsen kommen. Dann wird uns dieses ganze System vollständig um die Ohren fliegen. Allein das reicht aus, um deutlich zu machen, auf welch dünnem Eis sich der Gesetzentwurf im Augenblick bewegt, den wir vor Augen haben. Was sind die maßgeblichen Gründe für diese eskalierende Entwicklung? – Das sind ins-besondere die Kosten für Soziales. Bei uns im Kreishaushalt wie in den Haushalten der anderen Landkreise auch erfolgen zwei Drittel der Ausgaben für soziale Leistungen. Ich will Ihnen die drei hauptsächlichen Problempunkte zunächst einmal nennen, und zwar auch von der Entwicklung her. Als der Landeswohlfahrtsverband gegründet wurde, wurde er mit rund 90 % Landesgeld und 10 % Kommunalumlage finanziert. Wir sind heute bei dem genau umgekehrten Verhältnis angekommen. Die Landkreise und die kreisfreien Städte leisten im Moment über 90 % der Mittel, und auf einem ganz anderen absoluten Niveau von mittlerweile über 1,3 Milliarden €. Da sind es 90 %. Das Land ist bei knapp 10 % angekommen. Das hat sich also in einer schleichenden Entwicklung innerhalb von 40 bis 50 Jahren voll-kommen umgekehrt. Zweitens haben wir das Thema Jugendhilfe der öffentlichen Hand. Ich nenne Ihnen ein-fach einmal die Zahlen, wie sich das bei uns in den letzten 20 Jahren entwickelt hat. Wir haben im Jahr 1994, also vor rund 20 Jahren, Ausgaben in Höhe von 12 Millionen € ge-habt. Das Land hat mit der örtlichen Zuweisung für die Jugendhilfe 2,3 Millionen €, also etwa 18 % davon, übernommen. Wir haben nach 20 Jahren etwa 48 Millionen € Ausgaben. Die haben sich also exakt vervierfacht. Das Land zahlt weiterhin 2,3 Millionen €, wie vor 20 Jahren. Der Effekt der gesellschaftlichen problematischen Entwicklung geht vollständig auf die kommunale Ebene. Unter diesem Gesichtspunkt ist es nicht mehr fair und nicht mehr richtig, von der Schuldenbremse für den Landeshaushalt zu sprechen, wenn die Aufgabenstellungen, die die höchsten Steigerungsraten haben, letzten Endes schlichtweg nach unten durchgereicht werden und sozusagen unsichtbar für die Schuldenbremse landen. So kann ich nicht rechnen. Es muss für den Bürger noch ein Stück weit Seriosität geben, wenn es heißt: Wir gehen mit dem Geld sparsam um. – Wenn ich das in anderen Haus-halten, nämlich in den kommunalen, verstecke, hat das mit Sparsamkeit überhaupt gar nichts zu tun. Das ist unseriös. Wie Sie wissen, wird das am Ende bei der Haftungsmasse eines Bundeslandes dazu führen, dass das Land wird einspringen müssen, wenn die ers-ten Zahlungsunfähigkeiten da sind. Das wird noch ein bisschen dauern. Aber irgend-wann wird es so weit kommen. Das wird die Generation dieser Politiker und die jetzigen Mandatsträger vielleicht nicht mehr erwischen. Vielleicht liegt der Reiz auch darin, zu sagen: Wir halten das noch ei-

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Zi/mm – 76 – HHA/19/18 – 17.06.2015 nen Augenblick aus. – Das ist aber genau das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Das ist ei-ne tickende Zeitbombe, die sich in Hessen insgesamt massiv entwickeln wird. Wer Kinder und Kindeskinder hat, kann eigentlich nicht mehr in den Spiegel schauen, wenn so et-was auf den Weg gebracht wird. Neben Jugendhilfe und dem Landeswohlfahrtsverband geht es auch um die Asylbe-werber. Die Meisten, die etwas älter sind, wissen das: Wir hatten die höchste Zahl der Asylbewerber Anfang der Neunzigerjahre. Da hat uns der Staat die Aufwendungen, die damals bei uns im Landkreis Bergstraße bei 16 Millionen € im Jahr lagen, komplett er-setzt. 16 Millionen € war der Höchststand. Das wurde komplett ersetzt. Wie Sie alle wissen, haben wir jetzt eine hohe Dynamik. Im Jahr 2015 haben wir einen Haushaltsansatz in Höhe von knapp 9 Millionen €. Das liegt deutlich unter dem Wert An-fang der Neunzigerjahre. Aber wir müssen jetzt von diesen fast 9 Millionen €, die wir da-mals vollständig ersetzt bekommen hätten, 44 % selbst tragen – 44 %. Wenn der Staatsgerichtshof sagt, die Kosten für die Pflichtaufgaben seien zu ersetzen, dann kann man natürlich den Asylbewerberbereich in einem Nebenkonstrukt des Kommunalen Finanzausgleichs als Nebenrechnung aufmachen. Das kann man ma-chen. Trotzdem gilt der Richterspruch auch für die Leistungen an die Asylbewerber. Der Staatsgerichtshof hat nicht gesagt: Leistungen für Asylbewerber bleiben außen vor. Vielmehr gilt dieser Richterspruch für alle Pflichtaufgaben. Wenn wir bei steigender Dynamik 44 % davon zu tragen haben, dann entspricht das nicht dem Alsfeld-Urteil, nicht dem Konnexitätsprinzip und damit nicht der Hessischen Verfassung. Das ist es, ganz einfach auf den Punkt gesagt. Wenn es dann eine Rechnung gibt, wer mit dem neuen Kommunalen Finanzausgleich Gewinner und Verlierer sein wird, dann wird diese Gewinner- und Verlierer-Rechnung ohne die Kosten für die Asylbewerber aufgemacht. Da werden Äpfel mit Birnen vergli-chen. Das hatten wir bisher im Haushalt. Das werden wir auch in Zukunft im Haushalt haben. Auch die Haushaltsgenehmigung durch die Regierungspräsidenten für die Landkreise erfolgt unter Einbeziehung des Blicks auf das, was wir bei den Asylbewerbern an Defizit haben. Das wird nicht neutral gestellt, auch für die Schutzschirmgemeinde nicht. Das wird voll mit eingerechnet, veranschlagt und beurteilt. Wenn Sie die Gewinner- und Verliererrechnung einmal inklusiv der Leistungen für die Asylbewerber machen, die die kommunale Ebene entgegen des Konnexitätsprinzips zu tragen hat, dann wird diese Rechnung in Hessen völlig anders aussehen. Aber das, und nichts anderes, ist nach dem Alsfeld-Urteil die richtige Rechnung. Insoweit bitte ich, diese Rechnung einmal neu aufzustellen und zu korrigieren. Ich halte das für dringend notwendig. Ich habe bisher nirgendwo gesehen, dass das einmal ge-macht wurde. Das ist relativ einfach. Danach wird das Bild in Hessen insgesamt völlig anders aussehen. Ich will von meiner Seite aus auch sagen, dass wir trotz dieser Situation die Hände nicht in den Schoß gelegt haben, sondern mit eigenen Möglichkeiten versucht haben, all das zu machen, was wir tun konnten. Wir sind als einer der drei Landkreise für die Verfas-sungsklage gegen die damalige Reduzierung des Kommunalen Finanzausgleichs aus-gesucht worden, weil bei uns die Parameter für den Gewinn einer Klage so günstig sind, wie das bei anderen Gebietskörperschaften vielleicht nicht der Fall ist. Wir haben vor über zehn Jahren die gesamte Ebene der Hauptabteilungsleiter abgeschafft. Die Abtei-

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Zi/mm – 77 – HHA/19/18 – 17.06.2015 lungsleiter werden bei uns in der Spitze grundsätzlich nach A 15 oder TVöD 15 bezahlt. Eine vergleichbare Kombination finden Sie in wenigen Gebietskörperschaften, auch in Deutschland. Wir haben vor zehn Jahren die Verbeamtung abgeschafft, um die lang-fristigen Effekte der Pensionslasten endlich einmal zu durchbrechen, die natürlich viel später, aber irgendwann auch einmal ganz gehörig aufschlagen werden. Wir haben eine ganze Reihe anderer Maßnahmen bei der Jugendhilfe, z. B. Umswit-chen. Die meisten Jugendlichen in der stationären Jugendhilfe werden mittlerweile in Pflegefamilien untergebracht, wodurch wir eine erhebliche Kostenentlastung haben. Wir haben trotzdem im Jahr 2015 weiterhin ein Defizit von 10 Millionen €. Die Ankündigung, welche Entlastung wir als Kreis Bergstraße bekommen, liegt bei 4,4 Millionen €. Wenn ich jetzt die 10 Millionen € und die 4,4 Millionen € Entlastung nehme, dann kann ich sagen: Gut, das Leben wird ein bisschen besser. – Aber wenn ich die Asylbewerberleistung dazurechne und feststelle, dass wir im Jahr 2015 rund 5,4 Millio-nen € dafür als Kommunale Ebene zu bezahlen haben, dann muss ich die 5,4 Millionen € mit den 4,4 Millionen €, die wir uns besser stellen würden, im Saldo zusammenrechnen. Dann komme ich auf ein Minus von 1 Million €. Das heißt, der Kommunale Finanzaus-gleich inklusive des Nebenhaushalts – so sage ich das einmal – Asylbewerberleistung heißt für uns, dass das keine Gewinnersituation sein wird. Wir werden schlechter daste-hen. Das ist das Heftigste an diesem Gesetzentwurf. Das will ich sagen. Es besteht die Ab-sicht, in Hessen zukünftig Zuwendungen des Bundes für die Kommunen ausschließlich beim Land zu veranschlagen und von den Beträgen abzuziehen, die das Land uns zahlt. Das wird dann eine deutliche und massive Verschlechterung der Situation ge-genüber dem alten Kommunalen Finanzausgleich sein. Das wird eine deutliche massive Verschlechterung sein. Ich weiß, dass in Berlin erheblicher Ärger besteht. Ich habe am Montag unter anderem ein Gespräch mit dem haushaltspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gehabt. Sie sind massiv darüber verärgert, dass ein Bundesland wie Hessen es wagt, dass dieser Ansatz, mit dem die Kommunale Ebene bei der Eingliederungshilfe und bei dem Wohnungsgeld zum Ersatz der Kosten der Unterkunft entlastet werden soll, letzten Endes im Landeshaushalt landen soll. Das kann nicht wahr sein. Wenn das passiert, dann werden wir auf der kommunalen Ebene mit der nächsten Zinserhöhung alle platt sein. Wir werden keine Chance mehr haben, das durchzuhalten. Zum Schluss möchte ich noch etwas sagen. Denn es geht nicht nur um Finanzen. Viel-mehr geht es im Grunde genommen um das große Thema „Demokratie vor Ort“. Die kommunale Selbstverwaltung hat Verfassungsrang. Das steht im deutschen Grundge-setz und in der hessischen Landesverfassung. Das ist kein Wert, den wir mit ein bisschen Geld hin oder her schönrechnen oder nicht schönrechnen können. Das hat Verfas-sungsrang. Das hat der Staatsgerichtshof auch gesagt. Auch ein Minimum an Selbst-verwaltung muss vom Land finanziert werden. Wir reden über die Pflichtaufgaben. Wenn ich die 10 Millionen € Defizit bei uns nehme und die 1 Million €, die wir im Saldo haben, noch einmal obendrauf nehme, werden wir, für das Jahr 2015 gerechnet, 11 Millionen € Defizit haben. Jetzt sage ich Ihnen einmal, wie hoch unsere freiwilligen Leis-tungen nach Ausweis der Haushaltsverfügung des Regierungspräsidiums Darmstadt sind, die Jahr für Jahr diese freiwilligen Leistungen kontrollieren. Wir haben noch 3,3 Mil-lionen € an freiwilligen Leistungen: Das sind 0,8 % unseres Haushalts – 0,8 %. Wenn Sie von den 11 Millionen € Defizit die 3,3 Millionen € abziehen, dann sehen Sie, dass für die

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Zi/mm – 78 – HHA/19/18 – 17.06.2015 freiwilligen Aufgaben überhaupt nichts zur Verfügung steht. Wir können schon die Pflichtaufgaben nicht bezahlen. Wenn dann der schlichte Satz kommt, es gibt dann noch Angemessenheitsabschläge, weil ihr unwirtschaftlich arbeitet, dann ist das wirklich grober Unfug. Das muss ich wirklich einmal so sagen: Das ist großer Unfug. Diese Angemessenheitsabschläge passen hinten und vorne nicht. Ich nenne Ihnen nur ein Beispiel. Dort haben wir versucht, die Ausgaben zu reduzieren. Ich habe eine ganze Reihe an Vorschlägen in den letzten zehn Jahren dazu gemacht. Es gibt nur ein Bundes-land in Deutschland, das den Landkreisen per Gesetz des Landes vorschreibt, dass alle Kosten für die Schülerbeförderung zu 100 % von den Landkreisen zu bezahlen sind. Das ist Hessen. Das gibt es in keinem anderen Bundesland. Das macht in Hessen etwa 160 Millionen € aus. Ich habe vor sieben oder acht Jahren als Vorsitzender des Schulausschusses beim Landkreistag massiv darum geworben, dass uns der Gesetzgeber zumindest erlaubt, Elternbeiträge erheben zu dürfen. Es war dabei immer die Frage, wer sich dann, poli-tisch gesehen, die Beulen dabei holt. Das wurde dann einmal gemacht. Wir haben das umgesetzt. Wir haben das durch die Elternbeiträge sofort um eine siebenstellige Summe reduzieren können. Das Ticket des Verkehrsverbundes kostet für die Schüler 40 €. Im Nachbarlandkreis, im Rhein-Neckar-Kreis, der bei uns im Süden angrenzt, kostet es auch 40 €. Da ist der Ge-setzgeber so aufgestellt, dass der Landkreis 10 % des Tickets zu zahlen hat. Bei uns sind es 100 %. Wenn das Land das durchgehalten hätte, hätten wir wahrscheinlich das bei einem großen Teil dieser Position auch auf 10 % zurückfahren können. Dann gab es eine rot-rot-grüne Regierung. Herr Schmitt, Sie wissen das. Vom Kreistag her wussten sie, dass wir das gemacht haben. Man hat gesagt: Wir drehen das zurück. Also mussten wir die Ein-nahmen einstampfen. Dann gab es eine Neuwahl und eine neue Regierung, die fast die alte wieder war. Da habe ich gesagt: Macht es doch wieder wie vorher. – Das machen wir aber nicht mehr. Seitdem müssen wir weiterhin 100 % dieser Aufwendungen zahlen. Auch Kinder, deren Väter zu Einkommensmillionären gehören, müssen wir das Ticket, das fast 500 € im Jahr kostet, bezahlen. Das sind Leute, die genug Geld haben. Das hat doch mit einem Sozi-alstaat gar nichts zu tun. Das ist ein Luxusproblem, das wir in Hessen haben. Wenn der Gesetzgeber nicht bereit ist, solche unsinnigen Standards zu reduzieren, dann muss er es eben auch selbst bezahlen. Dann gibt es noch 10 % Angemessenheitsabschlag. Es heißt: Ihr müsst 100 % bezahlen, bekommt aber nur 90 %. Das ist für uns der blanke Hohn. Das ist, ordnungspolitisch ge-sehen, nicht akzeptabel. Wenn das Land Hessen meint, wir können das alles wie im Pa-radies weiterhin machen, das kann alles bezahlt werden, dann muss uns das Land das Geld dafür geben. Wir wären gerne bereit, Elternbeiträge zu erheben. Wir dürfen es nicht. Da hört der Spaß auf. Da geht es auch um die Frage der Zuordnung der Verant-wortung. Zum Schluss will ich Ihnen noch etwas zu der Frage sagen: Was passiert jetzt nach der Anhörung, was kann man noch machen? Der Staatsgerichtshof erwartet, dass ein Ge-setz kommt. Ich will Sie ganz herzlich bitten, mindestens eines zu tun, nämlich die Klausel

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Zi/mm – 79 – HHA/19/18 – 17.06.2015 herauszunehmen, dass Bundesgelder für die Kommunen in Zukunft vom Land Hessen vereinnahmt werden oder auf die Leistungen des Landes angerechnet werden können. Ich bitte Sie, zumindest das zu tun. Das ist leicht zu machen. Das ist ein Federstrich. Da braucht man nicht neu zu rechnen. Das steht im Gesetzentwurf drin. In dem Gesetz-entwurf müsste stattdessen stehen, dass diese Leistungen des Bunds ungeschmälert und ohne Anrechnung an die kommunale Ebene weitergereicht werden. Das wäre leicht zu machen. Ich weiß, wie das praktisch und technisch läuft, um solche gesetzlichen Dinge umzusetzen. Ich bitte darum. Ich würde sogar die positive Formulierung wählen. Die ist mir die sicherere. Ich bin kein misstrauischer Mensch. Aber auch ich habe politisch Erfahrung. Ich würde gern die posi-tive Formulierung haben. Herr Dr. Dieter, da gibt es einen kleinen Unterschied. Vielleicht ist er marginal. Am Ende könnte er aber doch viel Geld bedeuten. Ich würde schon darum bitten, es so zu formulieren, dass das an die kommunale Ebene ungeschmälert und ohne Anrechnung weitergegeben wird. Wenn wir das hinkriegen würden, würde das das Land Hessen nicht mehr Geld kosten. Das Geld kommt vom Bund. Aber es würde dem Land Hessen die Sorge ersparen, dass wir mit der nächsten Zinserhöhung wieder ein massives Problem haben werden und dass dann die Klagewelle ganz schnell wieder laufen wird. Das ist mein pragmatischer Vorschlag am Ende meiner Rede im Hinblick darauf, was man tun könnte und nach meinem Dafürhalten auch tun muss. Das ist das Mindeste, was wir, die Vertreter der kommunalen Ebene, erwarten. – Ich darf mich für Ihre Aufmerksamkeit sehr herzlich be-danken. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Landrat Wilkes, für Ihr Statement. – Ich will nur nochmals darauf hinweisen, dass wir jetzt noch – wenn sich alle zu Wort melden, die auf meiner Liste stehen – acht Redner haben. Wir hören Sie gerne alle an, das ist gar nicht die Fra-ge. Sie sehen es mir nach, dass ich jetzt nochmals auf die Zeit verweise, aber wir haben Verständnis dafür, dass Sie hier Sorgen und Nöte vortragen wollen. Auf meiner Liste steht jetzt als Nächster aus Eschwege Herr Stadtverordneter Feiertag. Ist er da? – Nicht mehr?

(Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn: Dann sind es nur noch sieben!) – Herr Kollege Hahn, das ist sehr klug mitgezählt.

(Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn: Trotz Jurist!) – Ja, obwohl Jurist. Das ist wunderbar. Das nötigt mir und dem ganzen Haus Respekt ab.

(Zuruf des Abg. Günter Schork) – Lieber Kollege Schork, wir sind nicht über der Zahl zehn, wir sind darunter. Das ist jetzt also kein Problem. Dann habe ich als Nächstes von der Stadt Bensheim Frau Stadträtin Oyan. Ist die denn noch da?

(Zuruf)

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Sp/sc – 80 – HHA/19/18 – 17.06.2015 – Entschuldigung, Herr Stadtrat Oyan. Ich bitte um Verzeihung. Herr Oyan: Kein Problem, Frau Vorsitzende.

(Heiterkeit) Sehr geehrter Herr Decker – Herr Vorsitzender –, meine Damen und Herren! Zunächst einmal auch von meiner Seite ein herzliches Dankeschön, dass Sie mir die Möglichkeit geben, mich hier im Ausschuss zu diesem doch für uns alle sehr wichtigen Thema zu äu-ßern. Gleich eingangs möchte ich sagen, dass ich mich den Ausführungen der Kom-munalen Spitzenverbände, bei denen wir auch Mitglied sind, soweit anschließe. Die Stadt Bensheim hat seit der Einführung der Doppik, also seit 2008, defizitäre Haushal-te vorzuweisen. Derzeit haben wir ein Gesamthaushaltsvolumen von ca. 100 Millionen €. Es ist uns gelungen, das Defizit des Jahres 2012 von über 16 Millionen € auf 4,3 Millio-nen € in diesem Haushaltsjahr zu senken. Das ist freilich nicht vom Himmel gefallen. Ich führe dies jetzt aus, um Ihnen einfach einmal aus der Sicht einer abundanten Kommune darzustellen, wie die Situation vor Ort ist: Was ist bislang alles geschehen? Welche Anstrengungen haben wir bislang unter-nommen? Und was wird der KFA am Ende für uns bedeuten? Bei den Sach- und Dienstleistungen haben wir Einsparungen in Höhe von 500.000 € ge-macht, weitere 400.000 € sollen im kommenden Jahr folgen – zumindest ist das im Haushaltssicherungskonzept beschlossen. Personalkosten in Höhe von 600.000 € sind eingespart worden. Natürlich haben wir Einnahmeerhöhungen in den vergangenen Jahren eingeplant, z. B. Erhöhung der Kindertagesstättengebühren für die Eltern; ver-schiedene Steuersätze, darunter selbstverständlich die Gewerbesteuer und noch viel selbstverständlicher die Grundsteuer B. Sie wissen ja, es gibt den Erlass des Innenministe-riums, dem wir ebenso selbstverständlich gefolgt sind, natürlich nicht zuletzt aus eige-nem Antrieb. Wir haben auch relativ innovative Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung angesetzt, wie z. B. die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED oder die energetische Sanie-rung von Gebäuden zur nachhaltigen Reduzierung der Energiekosten, die ja kontinuier-lich steigen, oder auch pflegearmes Straßenbegleitgrün. Das mag jetzt vielleicht ein bisschen komisch erscheinen, aber aus unserer Sicht waren das sehr sinnvolle Maßnah-men. Sie bringen auch echtes Geld, und das nachhaltig. Für das Haushaltsjahr 2016 könnten wir mit all diesen Maßnahmen und weiteren, die wir für das kommende Haushaltsjahr noch beschließen wollen, unseren Haushalt ausglei-chen. Darauf waren wir alle miteinander eigentlich ganz schön stolz. Und jetzt kommt der KFA. Die Zahlen liegen vor, und uns liegen auch unsere Einnahme-zahlen aus dem Jahr 2014 vor sowie natürlich die Prognose für das Jahr 2015. Insofern konnten wir es uns ausrechnen: Der KFA schröpft uns mit der Solidaritätsumlage so weit, dass wir den Haushalt nicht mehr ausgleichen können. Das erachten wir – ich sage es einmal vereinfacht ausgedrückt – als unfair. Dabei er-höht sich durch die Erhöhung der Nivellierungshebesätze die Berechnungsgrundlage für die Steuerkraftmesszahl. Andere würden sagen: Wir werden reich gerechnet. Dankens-werter Weise ist das auch schon genau so formuliert worden.

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Sp/sc – 81 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Dabei möchte ich aber nicht unerwähnt lassen, dass wir bei der Grundsteuer B mit 480 Punkten schon über dem geplanten Nivellierungshebesatz liegen, über dem derzei-tigen sowieso. Mit 355 Punkten bei der Gewerbesteuer wären wir nur knapp 2 % darun-ter. Das ist also nicht das Problem: dass wir Mindereinnahmen hätten. Das ändert nichts daran, dass Geld aus den Kommunen abgeschöpft wird. – Das sage ich jetzt bewusst im Plural, es gilt ja nicht nur für die Stadt Bensheim. Im zweiten Schritt haben die Landkreise nicht die Möglichkeit, die für das Jahr 2016 nach unten ange-passten Kreisumlagen in den Folgejahren um jeweils 0,5 % und, mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde, eventuell sogar noch mehr zu erhöhen. Spätestens dann werden alle Kommunen merken – also nicht nur die als abundant geltenden –, dass sie mehr zahlen müssen bzw. dass ihnen mehr angerechnet wird. Es ist heute schon von mehreren Rednern mehrfach erwähnt worden: Die kommunale Selbstverwaltung wird damit stark eingeschränkt. Wie Sie wissen verzichten schon jetzt viele Kommunen auf Investitionen, auf dringend notwendige Investitionen. Und auch das ist heute schon mehrfach erwähnt worden: Schon jetzt geben die Kommunen ei-nen großen Teil ihrer Einnahmen ab, ohne dass dafür auch nur ein einziger Kommunal-politiker die Hand gehoben hätte: Kreishochschulumlage, Gewerbesteuerumlage und zukünftig auch die Solidaritätsumlage, zumindest für manche, auf jeden Fall auch für Bensheim, verschlingen allein im kommenden Haushaltsjahr voraussichtlich 48,28 % der Gesamteinnahmen des ordentlichen Ergebnisses. Wohlgemerkt, da hat noch kein ein-ziger Kommunalpolitiker gezuckt. Bei diesen 48 % fragt er sich dann, warum er sich ei-gentlich engagiert und wofür er denn gewählt sei. Die Kompensationsumlage ist mittlerweile unstrittig verfassungswidrig. Das wissen wir al-le. Stattdessen aber wird eine sogenannte Solidaritätsumlage eingeführt. Das beste-hende System der Umlagen ist aber an sich schon insoweit solidarisch, als sich die Kommunen, anteilig ihrer Einnahmen, an den zu zahlenden Umlagen beteiligen. Eine zusätzliche Umlage für bestimmte Kommunen ist dann aber das Gegenteil von solida-risch. Die Kommunen mit guten Einnahmen beteiligen sich durch ihre Mehreinnahmen logischerweise auch mit mehr Geld am System. Nun aber sollen sie, weil sie doch mehr einnehmen, nicht nur mehr, sondern viel mehr zahlen. Somit ist die Solidaritätsumlage nur scheinbar solidarisch. Hierzu haben wir auch die Ausführungen von Prof. Dr. Schwarz vernommen. Er hat das sehr klar formuliert. Bei allen rechtlichen Bedenken an der einen oder anderen Stelle bitte ich Sie nochmals, über Folgendes nachzudenken: über eine zeitverzögerte und/oder stufenweise Erhöhung der Nivellierungshebesätze. Denn die Anhebung der Nivellierungshebesätze ab dem Jahr 2016 führt dazu, dass die Steuer-kraftmesszahl für die Jahre 2016 und auch zum Teil 2017 auf der Grundlage von Haus-haltsjahren errechnet wird, bei der die Kommunen keine Chance hatten, diese Hebe-sätze anzupassen. Das heißt, sie haben Einnahmen aus niedrigeren Hebesätzen, als das im Nivellierungshebesatz angesetzt wurde. – Das gebe ich Ihnen einmal zu bedenken. Machen Sie sich darüber einmal Gedanken und geben Sie den Kommunen damit dann wenigstens die Chance dazu, wenn das schon ihr Ziel ist. Und ohne, dass ich mir echte Hoffnung machen würde, aber wenn ich schon die Gele-genheit habe, dann wiederhole ich mich an dieser Stelle gerne – ich habe das nämlich schon öfter gesagt: Überdenken Sie ernsthaft die Solidaritätsumlage; sie verdient ihren Namen nicht. – Vielen Dank. Vorsitzender: Als nächsten Redner habe ich auf meiner Liste aus der Stadt Hattersheim – und jetzt bin ich mir sehr sicher – Frau Stadträtin Karin Schnick. Ist sie denn noch da? –

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Sp/sc – 82 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Gut. Dann von der Stadt Nauheim Frau – und auch da bin ich mir jetzt sehr sicher – Erste Stadträtin Brigitta Nell-Düvel. Sie ist noch da. – Sie haben das Wort, bitte schön. Meine Damen und Herren, ich stelle nochmals ausdrücklich fest: Es handelt sich um die alte, historische Kurstadt Bad Nauheim. – Sie haben das Wort. Frau Nell-Düvel: Herr Vorsitzender, Herr Staatsminister, meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Einladung, heute hier ebenfalls zu dem neuen KFA Stellung neh-men zu dürfen. Er hat uns in den letzten Monaten auf kommunaler Ebene natürlich sehr beschäftigt. Positiv ist hervorzuheben, dass aufgrund dieses Urteils der genaue Bedarf der Kommu-nen ermittelt werden sollte und auch eine auskömmliche Finanzierung sichergestellt werden soll. Der Bedarf vor Ort war plötzlich wichtig. Der Bedarf vor Ort wurde themati-siert, und es wurde auch über die Leistungen, die vor Ort erbracht werden bzw. er-bracht werden müssen, geredet. Das ist schon einmal äußerst wichtig, denn Sie müssen immer wieder im Auge behalten: Das, was wir vor Ort leisten, ist die direkte Kommunika-tion mit dem Bürger; ob wir zu seinen Wünschen Ja oder Nein sagen können, hat direkte Auswirkungen auf unser demokratisches Gefüge. Ich komme aus Bad Nauheim. Bad Nauheim ist ein kommunalisiertes Staatsbad mit ca. 31.000 Einwohnern. Als kommunalisiertes Staatsbad hat es ein schwieriges Erbe, mit vielen großen Kuranlagen, alleine 600 m Gradierbauten. Wir erheben, bis auf die Kin-derbetreuung, kostendeckende Gebühren, und – unter anderem ist auch das sehr wichtig – wir haben schon äußerst früh, bereits im November 2013, die Grundsteuer auf 560 Punkte erhöht. Sie kennen wahrscheinlich aus der Presse die Schwierigkeiten, die damals entstanden sind. Wir haben dies aber auch in dem Wissen gemacht, dass wir die Leistungen, die wir vor Ort anbieten, auch finanzieren können müssen, und wir ha-ben das mit viel Engagement und gegen viel Kritik vor Ort vertreten müssen. Aber trotzdem ist unser Haushalt noch immer defizitär. Mit Schwierigkeiten und sehr viel Sparmaßnahmen werden wir es hoffentlich schaffen, im Jahr 2017 eine schwarze Null zu erreichen. Die auf der Grundlage des jetzt vorliegenden Gesetzentwurfes zu erwartende Finanz-ausstattung der hessischen Kommunen wird aus meiner Sicht der verfassungsrechtlichen Vorgabe für eine lebendige Kommunalverwaltung nicht gerecht. Die Finanzausstattung ist – das haben wir heute schon mehrfach gehört und auch begründet bekommen – weiterhin zu gering. Die Ausgestaltung des sogenannten Stabilitätsansatzes – wirkliche Stabilität kann er in Ausgestaltung des Gesetzentwurfs nicht vermitteln – führt im Endef-fekt zu einer erneuten Kürzung der Finanzzuweisungen an die Kommunen: Die Zuschuss-bedarfe für Pflichtaufgaben der Kommunen sind kleingerechnet, die Steuereinnahmen der Kommunen sind – auch durch eine durch Ausreißer nach oben verzerrte Durch-schnittsbildung – großgerechnet. Die Belastungen aus der Kinderbetreuung sind zwar in die Bedarfsermittlung einbezogen, eine finanzkraftunabhängige Erstattung der Mehr-kosten aus der U-3-Betreuung fehlt aber. Die Stadt Bad Nauheim zahlt allein für die Kin-derbetreuung 6 Millionen €. Die Abgrenzung der Anteile pflichtiger und freiwilliger Aufgabenwahrnehmung ist so nicht nachvollziehbar und wird, aus meiner Sicht, der Realität auch nicht gerecht. Da-rüber wurde aber auch schon viel im Detail gesprochen. Ich möchte nur nochmals er-

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Sp/sc – 83 – HHA/19/18 – 17.06.2015 wähnen: Freiwillige Aufgaben sind für die Kommunen vor Ort, für die Verwaltung vor Ort und auch für die Politiker vor Ort, oft keine freiwilligen Leistungen. Ich begrüße die Angleichung der Hebesätze, denn ich gehe davon aus, dass damit die Konkurrenzsituation, die sich durch die unterschiedlichen Höhen der Realsteuer entwi-ckelt hat, ausgeglichen werden kann, weil für alle Kommunen eine einheitliche Basis geschaffen wird. So haben die Entscheidungen vor Ort keinen unmittelbaren Einfluss mehr auf die individuelle Zuteilung der Schlüsselzuweisungen. Zudem wird der Anreiz erhöht, eigene Steuereinnahmen zu generieren – wie wir mit unserer Mehrwertsteuerer-höhung –, da diese, soweit sie auf Hebesätze zurückzuführen sind, die die Nivellierungs-hebesätze übersteigen, nicht auf die Schlüsselzuweisungen der jeweiligen Kommune angerechnet werden. Aber ein negativer Begleiteffekt der Anhebung der Nivellierungshebesätze ist für die Kommunen die daraus folgende Erhöhung der Kreisumlage. Im Gesetzentwurf wird die Kreisumlage als Instrument zur Herbeiführung des Haushaltsausgleichs der Landkreise ausgestaltet, der als Teil der Kreisumlage die Schulumlage zur kostendeckenden Refi-nanzierung der Belastungen als Schulträger enthält. Aus meiner Sicht ist deshalb eine Klarstellung notwendig, dass sich auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Übergangsregelungen auf die Kreisumlage, die Summe aus Kreis- und Schulumlage, auf diese Gesamtumlage also, beziehen. Bei einer Beschränkung der Übergangsregelung auf den Kreisumlageanteil ist ein im Vergleich zum KFA 2015 erhöhtes tatsächliches Ge-samtvolumen von Kreis- und Schulumlage und damit einhergehend eine weitere einsei-tige Belastung der kreisangehörigen Städten und Gemeinden zu befürchten. Aus mei-ner Sicht muss dort nachgearbeitet werden. Wir brauchen eine Deckelung, um letzt-endlich diese Kosten im Griff zu behalten, um zu wissen, worauf wir uns einzustellen ha-ben, und auch, um langfristig stabil unsere Haushaltsplanungen zu bewältigen. Ganz entschieden möchte ich mich dagegen verwahren, dass in den Kommunen nicht wirtschaftlich gearbeitet wird. Diese unterdurchschnittlichen Pro-Kopf-Defizite indizieren doch ein unwirtschaftliches Handeln. Das aber kann man den Kommunen nicht unter-stellen. Wenn Sie erleben, wie intensiv und wie sparsam die Kommunen, die defizitären Kommunen, mit ihren Haushaltsmitteln umgehen – dort wird jeder Euro dreimal umge-dreht, ob wir uns diese Investition leisten können. Das darf nicht so dargestellt werden, dass Kommunen durch den neuen KFA, durch die neue Ausgestaltung, so dastehen, als würden die Defizite aufgrund eines unwirtschaftlichen Handelns entstanden seien. Die Situation vor Ort und in der Kommune ist absolut anders. Noch ein kleiner Hinweis auf die Kreis- und Schulumlage in Richtung Erhöhung durch die Landkreise. Da gibt es verschiedene Daten, die nicht auf die Planungen in den Kom-munen abgestimmt sind, bzw. auf die Möglichkeiten in der Kommune: Wenn ein Land-kreis die Umlage bis zum 31.08. erhöhen darf und es dadurch notwendig wird, dass die Kommune darauf mit Steuererhöhungen, mit einer Erhöhung der Realsteuern, reagiert, dann hat sie keine Chance mehr, in diesem Jahr zu reagieren, weil sie dabei nur bis zum 30.06. aktiv werden darf. Ich möchte diesen Hinweis geben: Das ist nicht stimmig, und insofern muss da nachgebessert werden. – Ganz abgesehen davon bin ich der Mei-nung, dass diese Umlage sowieso nicht erhöht werden soll. Noch ein Punkt, der problematisch sein kann, nicht sein muss, den man aber trotzdem bedenken sollte: Die neue Ausgestaltung der Investitionspauschale bewirkt, dass die Investitionen vom Finanzhaushalt in den Ergebnishaushalt geschoben werden. Das muss bedacht werden, denn das hat auch in den Kommunen haushalterische Auswirkungen, und das kann nicht immer nur positiv sein.

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Sp/sc – 84 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Für mich als Kennerin von Bad Nauheim ist es natürlich positiv, dass die Finanzzuweisung für Heilkurorte nicht reduziert, sondern sogar leicht angehoben worden ist, sodass wir als Bad Nauheim zwar nicht ausreichend, aber doch im Ansatz eine Würdigung des Enga-gements erhalten, das wir vor Ort zu erbringen haben. Insofern bitte ich, über die heute hier schon häufig genannten Punkte und vielleicht die-se kleinen Anregungen von meiner Seite nachzudenken. Wenn wir kooperativ zusam-menarbeiten – Kommunen, Landkreise und Land –, dann gelingt uns doch noch ein neuer KFA, der nicht unbedingt beklagt werden muss, sondern der im Grunde genom-men das Alsfeld-Urteil ausreichend umsetzt. – Danke schön. Vorsitzender: Vielen Dank, Frau Stadträtin. – Als nächsten Redner habe ich von der Stadt Offenbach Herrn Stadtrat Dr. Felix Schwenke. Bitte schön, Sie haben das Wort. Herr Dr. Schwenke: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Landtagsabgeordne-ten, sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank für die Möglichkeit, hier Stellung zum Gesetzentwurf der Landesregierung nehmen zu dürfen. Sehr gerne mache ich natürlich von dieser Gelegenheit Gebrauch. Im Wesentlichen will ich fünf Punkte nennen. Bevor ich mit den anderen vier Punkten zu den Details dieses Gesetzentwurfs komme, lautet mein erster Appell an Sie: Offenbach ist kein Einzelschicksal, kann nicht abgetan werden, sondern ist auch im KFA zu lösen. Warum sage ich das? Wenn man behauptet, der KFA sei bedarfsgerecht, dann kann man nicht behaupten, die Probleme Offenbachs können nicht im KFA gelöst werden – denn sie werden erst durch die Art und Weise, wie Kommunalfinanzierung in Deutsch-land läuft, überhaupt verursacht. Ich will das einmal kurz ausführen. Alle wissen, dass Kommunen in Deutschland viel zu stark von der Gewerbesteuer ab-hängen. Ein Beispiel aus der laufenden Sitzung heute: Ich habe einen Abgang von 800.000 € und einen Zugang von 700.000 €, allein am heutigen Tag. So viel zum Thema Stabilität der Gewerbesteuern. Zum Zweiten wissen alle, dass in Deutschland im Wesent-lichen die Kommunen die Sozialausgaben zu schultern haben – die eigentlich andere, insbesondere der Bund, beschließen. Allein bei uns sind das über 50 % unserer Ausga-ben. Abstrakt ist es erst einmal jedem bekannt, dass diese beiden Faktoren die Haushaltslage jeder Kommune stark dominieren. Aber irgendwo wird es auch konkret. Besonders kon-kret wird es bei Kommunen im Strukturwandel. Denn dieses System wird für solche Kommunen zu einer Art Zange, die von zwei Seiten aus wirkt. Auf der einen Seite fehlen – wenn beim Strukturwandel Unternehmen verloren gehen – schon die Steuereinnah-men auf der Einnahmeseite, die dort aber so wesentlich sind, weil die Kommunen – nicht gottgegeben, sondern gesetzgegeben – so stark von der Gewerbesteuer abhän-gen; und auf der anderen Seite steigen gleichzeitig die Sozialausgaben – die ebenso wenig gottgegeben sind, sondern bei denen es ebenfalls Entscheidungen anderer poli-tischen Ebenen sind, dass ausgerechnet die Kommunen sie zu tragen haben. Deswe-gen kommen Kommunen im Strukturwandel gleichzeitig von zwei Seiten unter Druck. Gestatten Sie mir ganz kurz zwei, drei Worte, was ich damit meine, wenn ich „die Kom-munen im Strukturwandel“ sage. Warum nehme ich das für die Stadt Offenbach in An-

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Sp/sc – 85 – HHA/19/18 – 17.06.2015 spruch? Seit Anfang der Siebzigerjahre haben wir über 26.000 sozialversicherungspflicht-ige Arbeitsplätze verloren. Damit Sie eine Vorstellung haben, was das heißt: Das sind über 45 % aller Arbeitsplätze, die es damals in Offenbach überhaupt gab. 22.000 dieser 26.000 Arbeitsplätze sind in der Industrie verloren gegangen – wo heute gerade noch einmal 5.000 übrig sind. Da sehen Sie die Industrialisierung live und konkret am Einzelbei-spiel. Sie können sich jetzt vorstellen, dass Kommunalpolitik von solchen Herausforde-rungen überfordert ist, nebenbei Arbeitsplätze in solcher Dimension zu schaffen. Seit Anfang der Neunzigerjahre haben wir mehr als 13.000 Arbeitsplätze in Offenbach neu geschaffen. Beides, sowohl die Probleme, wie auch die Erfolge, sind in unterschiedli-chen parteipolitischen Konstellationen verantwortet worden. Aber 26.000, fast die Hälfte aller Arbeitsplätze – das übersteigt die Möglichkeiten einer Kommune, und daraus ent-stehen auch noch Sozialausgaben. Das ist mein Einstiegsappell: Sie entscheiden auch mit dem KFA, ob wir weiterhin die Dummen sind, die diese Sozialausgaben, die wir nicht verursacht haben, bezahlen müs-sen – oder ob wir an dieser Stelle ein Stück weit Entlastung bekommen. Und wenn Sie denn bedarfsgerecht sein wollen, dann müssen Sie diese Bedarfe, die wirklich nicht durch uns verursacht sind, mit Ihrem KFA auch tatsächlich decken. Deshalb mein erster Appell: Lösen Sie die Problemstellung Offenbach im KFA. Tun Sie es nicht als Einzel-schicksal ab! Zweiter Punkt. Ich möchte betonen, dass die Stadt Offenbach die ihr übertragenen Aufgaben im Bereich der Sozialgesetze wirtschaftlich erbringt. Das macht einen wesent-lichen Teil meiner schriftlichen Stellungnahme aus: Dort habe ich versucht, mit den Da-ten des Statistischen Landesamtes nachzuweisen, dass wir wirtschaftlich arbeiten. Da sind wir an einem Punkt, der heute schon häufiger Thema war. Es ist natürlich – nichts für ungut, das müssen mir die Vertreter der Regierungsseite verzeihen – schon absurd, wenn man feststellt, dass die Kommune mit der höchsten Arbeitslosigkeit auch die höchsten Ausgaben für Arbeitslosigkeit pro Kopf hat – aber hinterher über den Korridor erklärt, das sei nicht wirtschaftlich. So funktioniert das einfach nicht! So, wie ich es ver-standen habe, wehrt sich kaum eine Kommune dagegen, dass man Wirtschaftlichkeit messen sollte. Ich bin nicht nur Kommunalpolitiker, ich bin auch Steuerzahler. Ich finde es gut, dass in dem neuen System auch einmal auf den Aspekt der Wirtschaftlichkeit geachtet wird. Das ist legitim. Ich will auch sagen – das habe ich schon an vielen Stel-len gesagt und es gehört heute auch hier her: Grundsätzlich höchsten Respekt vor al-len, die im Ministerium daran arbeiten! Auch wenn man für diesen Job bezahlt wird, ist er im Moment nicht einfach – das muss man fairerweise zugeben. Aber: Sie messen die Wirtschaftlichkeit falsch! Sie machen es ganz einfach, in dem Sie es bei allem pro Kopf machen – aber Sie müssen es pro Bedarfsträger anschauen. Konkret heißt das z. B. für uns: Bei dem gigantischen Bereich Kosten für Unterkunft – das war heute Morgen schon das eine oder andere Mal Thema – zahlen wir pro Person und Bedarfsgemeinschaft, wenn ich also auf den Bedarfsträger schaue, nur 194 €, während der Durchschnitt in Hessen bei 214 € liegt. Besser als wir ist nur Kassel, aber die haben nun ein bei Weitem ganz anderes Mietniveau. Daher erbringen wir diese Leistung nachweislich wirtschaftlich – bekommen aber hinterher trotzdem nicht das Geld, um diese wirtschaftlich erbrachte Leistung zu finanzieren. – Diese Wirkung Ihres Gesetzent-wurfs ist hoffentlich nicht in Ihrem Sinne und führt hoffentlich dazu, dass Sie darüber nochmals nachdenken. Ich habe ganz viele andere Punkte aufgezählt, bei denen wir ebenfalls unser wirtschaftliches Arbeiten nachweisen können. Die in dem Gutachten von PwC – möglicherweise haben die sich nicht getraut, hier zu bleiben – gemachten Aussagen zum Thema Soziallastenansatz entlarven sich vor einer

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Sp/sc – 86 – HHA/19/18 – 17.06.2015 solchen faktischen Überprüfung der Zahlen, die am Ende dieses KFA stehen, als – offen gesagt – Ideologie. Denn wo, bitte schön, ist denn der Fehlansatz, von dem da – bitte, verzeihen Sie das Wort – geschwafelt wird: wenn ich die Leistung wirtschaftlich erbringe und trotzdem nicht bezahlt erhalte? Und dann schreiben die: Das ist trotzdem schon zu viel, was wir bekommen. – Bitte, dann machen Sie es doch selbst! Zahlen Sie die Kosten der Unterkunft, wenn Sie keine Lust haben, sie uns zu bezahlen und wir deswegen hin-terher das Defizit am Hals haben. Ich brauche das nicht zu machen! Gründen Sie, wie beim LWV, eine landesweite Agentur, die das Thema Unterbringung der Arbeitslosen löst. Dann haben Sie mich vom Hals und die Stadt Offenbach keine Probleme mehr. Und viel Spaß dabei, dieses Problem dann wirtschaftlich zu lösen! Ja, ein PwC-Vertreter ist nicht mehr da. – Ich kann diese Bewertung so nicht verstehen. Damit will ich den zweiten Punkt abschließen und sage: Die Stadt Offenbach erbringt, wie dargelegt, die ihr übertragenen Aufgaben wirtschaftlich. Und es kommt noch etwas hinzu: Das Defizit aus der wirtschaftlichen Erbringung unserer Aufgaben, das Sie nicht abdecken, liegt dann bei 27,7 Millionen € insgesamt. Das Defi-zit, was wir überhaupt im Haushalt haben, liegt bei nur 20,9 Millionen €. Sie haben diese Zahlen in unserer schriftlichen Stellungnahme, immer in der Vergleichsrechnung neuer KFA. Das heißt, alles was die Stadt Offenbach – über die ja manchmal gelacht und ge-sagt wird, sie sei selbst schuld, wenn sie ihren Haushalt nicht ausgleichen könne – an Defizit hat, kommt, zumindest im Beispielsjahr 2014 – bei anderer Zinslage wäre das nicht so – nachweislich alleine aus diesen Sozialausgaben, die ich eigentlich gar nicht finan-zieren will, aber auf jeden Fall wirtschaftlich erbringe und trotzdem nicht ersetzt be-komme. Das kann kein bedarfsgerechtes System sein, wenn es so wirkt. Als Lösungsvorschlag will ich deswegen darum bitten – damit es auch die anderen Kommunen nicht belastet, da es ja bisher ein nicht gedeckter Bedarf in Ihrem „bedarfs-gerechten“ System ist, dass Sie den Soziallastenansatz geeignet erhöhen, um im Rah-men der Logik Ihres Gesetzentwurfs dieses Problem lösen zu können. Was ganz wichtig ist – das ist heute Morgen auch schon gesagt worden: Es geht natür-lich gar nicht, dass Sie uns erklären: Wir sind jetzt nicht bereit, die Soziallasten zu bezah-len, aber dann sollen die Landtagsabgeordneten beschließen, wenn der Bund es ir-gendwann einmal bezahlen will, dann erhaltet ihr dieses Geld auch nicht. – Also das geht nicht! Das ist dann wirklich wie eine Art Todesurteil, das der Landtag mit der Ab-stimmung über diesen Gesetzentwurf über Kommunen wie Offenbach fällt, denn dann steht fest: Das Land bezahlt es nicht, und der Bund darf es auch niemals bezahlen. – Dann kann ich die Stadt zumachen. Bei bestem Wissen und Gewissen können Sie das nun wirklich nicht gleichzeitig beschließen! Die nächsten Punkte werden deutlich kürzer. Ganz kurz will ich natürlich betonen: Was könnte man jetzt einem so hoch motivierten Kommunalpolitiker entgegenhalten? – Ja, wie sieht es denn mit den Hausaufgaben aus? Also: Die S-Bahnstation kann ich nicht bauen, ein Hallenbad habe ich auch schon lange nicht mehr, für die Grundsteuer B habe ich 600 Punkte, die höchste aller kreisfreien Kommunen. Wir haben auch die nied-rigsten Personalausgaben aller kreisfreien Kommunen. Wir erheben die gleichen Gebüh-ren für Kindergartenplätze. Wie alle anderen Städte orientieren wir uns in Einnahmefra-gen im Wesentlichen an Frankfurt, um auch da möglichst keinem Vorwurf ausgesetzt zu sein. Das Stichwort Kindergartenplätze habe ich schon genannt. So etwas wie Eschborn können wir uns sowieso nicht leisten: das kostenlos anzubieten – obwohl es vielleicht gerade in einer Stadt wie Offenbach, bei einer solchen Bevölkerungsstruktur, vielleicht notwendig wäre, um am Ende wirklich alle Kinder in die Kinderbetreuung zu bekom-

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Sp/sc – 87 – HHA/19/18 – 17.06.2015 men. – Es ist also schon so, dass wir unsere Hausaufgaben bei Einnahmen und Ausga-ben gemacht haben. Aber trotzdem reicht es am Ende nicht. Damit komme ich zum vierten Punkt. Auch das steht in meiner schriftlichen Stellung-nahme: Wir müssen eine gewisse Verlässlichkeit bei der Frage erzeugen: Wie viele Schlüsselzuweisungen bekommt die Gruppe der kreisfreien Städte? Wir hatten sehr kon-struktive Gespräche mit dem Ministerium. Aber die bisherigen Aussagen sind die, dass man das, vermutlich abseits des Gesetzentwurfs, regeln wolle. Wir haben einfach das Problem, das die beiden anderen Gruppen so nicht haben: Frankfurt alleine macht schon mehr als die Hälfte der Gewerbesteuer, der Bevölkerung usw. der gesamten Gruppe aus. Deshalb hängen die anderen vier natürlich massiv an den Veränderungen der Stadt Frankfurt. Das wird auch konkret, und das ist hier schon angesprochen wor-den: der Ministerbrief vom Freitag mit den Zahlen, die dort genannt werden. Nach die-sen Zahlen wird die Gruppe der kreisfreien Städte in einer Nettobetrachtung 75 Millio-nen € Zuweisung im Jahr 2016 erhalten, als sie im Jahr 2015 bekommen haben. Ich wa-ge die Prognose, dass das insbesondere in Frankfurt, noch zu Kommentaren führen wird. Denn – Herr Schäfer, nichts für ungut, ich will das wirklich positiv sagen – in der bisheri-gen Arbeit muss man das Ministerium loben. Es ist sehr transparent gearbeitet worden. Es sind sehr viele Daten offengelegt worden. Das muss man wirklich loben. Das ist ganz ernst gemeint. Ich habe das vom ersten Tag an über alle Parteigrenzen hinweg gelobt: Es ist für jede Kommune diese Aufstellung gemacht worden, in der Sie die Gesamtwir-kungen ihrer Änderungen ganz aufrichtig saldiert haben, denn Sie schieben unheimlich viele Einzelzuweisungen von links nach rechts und integrieren sie hier hinein, und Sie ha-ben immer nur mit dem geworben, was eine Kommune saldiert mehr bekommt. Das ist eine sehr aufrichtige, korrekte Betrachtung. Aber der Brief vom Freitag vergisst diese Saldierung.

(Minister Dr. Thomas Schäfer: Das geht ja noch gar nicht!) Wenn man das mit dem gleichen System saldiert, mit dem Sie es getan haben, dann hätte die Gruppe der Kreisfreien dann weniger Geld. Vorsitzender: Herr Stadtrat, Sie müssen langsam zum Ende kommen. Herr Dr. Schwenke: Damit bin ich auch bei meinem letzten Punkt, dem Punkt fünf. Das ist die Frage, ob genügend Geld vorhanden ist oder nicht. Auch wenn ich das schon schriftlich ausgeführt habe, möchte hier noch etwas dazu sagen. Die Stadt Gießen hat hier erfreulicherweise eine ähnliche Position, nicht aber noch viele andere hier im Raum. Ich kann es noch akzeptieren, wenn man sagt, das Land hat selbst nicht genügend Geld, um alles zu finanzieren. Meinetwegen mag das so sein. Dann aber muss man sich die Frage stellen: Woher kann denn Geld kommen? Ich glaube, ehrlich gesagt, Hessen insgesamt ist nun einmal durch die Metropole Frankfurt mitbestimmt. Wenn irgendwo mehr Geld herkommen kann, dann im Zweifel am Ende doch wirklich nur aus der Ge-werbesteuer, insbesondere in der Stadt Frankfurt. Was Sie aber mit den Nivellierungshe-besätzen machen, das führt durch die enorme Differenz zwischen den kreisfreien Städ-ten und den kreisangehörigen Gemeinden dazu, dass – selbst wenn Eschborn vielleicht seine Gewerbesteuer wird in kleinem Umfang erhöhen müssen –, insgesamt der Angriff insbesondere der Stadt Eschborn auf die Stadt Frankfurt nicht unterbunden wird. Aber das wäre es, was auch Ihnen – wenn es Ihnen darum Ernst ist, dass das Geld auf Ihrer

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Sp/sc – 88 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Seite nicht reicht – die Chance böte, tatsächlich mehr Geld ins System zu bringen. Da-bei können Sie natürlich nicht sämtliche kreisangehörigen Gemeinden über einen Kamm scheren, sondern – der Vorschlag liegt ja vor – Sie müssen eine Ballungsraum-gruppe bilden. Damit komme ich zum Abschluss. Leider kann ich auf etliches nicht mehr eingehen, was ich gerne noch getan hätte. Ich habe Ihnen dargestellt: Die Stadt Offenbach erbringt durchaus viele Leistungen für die Region, 46 % unserer Zuzüge kommen aus dem Aus-land, 51 % gehen in die Region. Das aber im Zweifel nur noch auf Nachfrage. Wirklich abschließend will ich nur noch sagen: Bitte, beschließen Sie kein KFA-Gesetz, in dem wir nicht mindestens die erforderlichen Mittel zur wirtschaftlichen Erbringungen der uns durch die Sozialgesetze übertragenen Aufgaben erstattet bekommen! Es ist – das sage ich als Vertreter der Stadt Offenbach – völlig inakzeptabel, dass wir allein auf-grund der Sozialstruktur unserer Bevölkerung ein Haushaltsdefizit ausweisen müssen und die Bevölkerung auf Leistungen verzichten muss, nur, weil wir Gesetze bezahlen müssen, die andere machen. – Vielen Dank. Vorsitzender: Vielen Dank für Ihr Statement. Als Nächsten habe ich dann Herrn Bürger-meister Andreas Schulz, Gemeinde Ebsdorfergrund, auf der Liste. – Er scheint aber nicht mehr da zu sein. Dann Herrn Bürgermeister Reiner Schreiber, von der Gemeinde Jossgrund. Ist er noch da? – Ja. Bitte schön, Sie haben das Wort. Herr Schreiber: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist natürlich schwierig, nach so vielen Rednern seine Punkte noch dazulegen. Ich bin von der Gemeinde Jossgrund. Das ist eine ganz kleine Landkommune im Osten des Main-Kinzig-Kreises. Unser Landrat hat von heute Morgen gesprochen. Wir haben 3.500 Einwohner, mit allen Vor- und Nachteilen, die eine Landkommune hat. Der KFA ist ein wichtiges Thema. Es wurden heute viele Zahlen und Statistiken genannt – aber wir sprechen hier über Menschen und zwar über die Lebensbedingungen der Menschen in den Städten und in den Kommunen. Wie weit das geht oder gehen kann, das kann man sehen: Bei uns bzw. bei mir hat das Parlament für ein Vierteljahr die Arbeit niedergelegt. Es steht zwar in der HGO, das dürfe nicht sein – aber die haben das trotzdem gemacht. Denn die Menschen haben gesagt, wir heben doch nicht die Hand für Steuererhöhungen, wenn wir überhaupt nichts mehr machen können. Im März haben wir die Kommunalwahl. Meine Befürchtung ist: Haben wir denn noch genügend Leute, die sagen, ich tue mir das an? – Ich bin hauptamtlich, ich kann das durchstehen. Ich kann Gebührenerhöhungen vertreten und was auch immer. Aber für den Ehrenamtler ist das eine unheimlich schwierige Sache. Nach dem Streik hatten wir die Möglichkeit, bei der SPD- und bei der CDU-Fraktion – Herr Schork, ich sage nochmals Danke für den Empfang – unsere Meinung und unsere Gründe darzulegen. Schon da habe ich gesagt: Wir brauchen Orte mit Zukunft. Dafür ist die kommunale Selbstverwaltung ganz wichtig. Die Gesamtfinanzen der Kommunen, der Landkreise und der Gemeinden, sind nach meinem oder nach unserer Meinung einfach zu gering. Wenn der Topf zu klein ist, dann

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Sp/sc – 89 – HHA/19/18 – 17.06.2015 kann ich horizontal hin und her schieben – ob ich den Offenbachern ein bisschen mehr gebe und man uns etwas wegnimmt, oder ich gebe es den Landkreisen: Wenn unter dem Strich zu wenig ist, dann kann ich rühren wie ich will, es kommt einfach nichts her-aus. Für uns kleine Kommunen hat das ganz fatale Folgen. Denn wir haben mit dem demo-grafischen Wandel zu kämpfen. Uns ziehen die Leute weg. Einer unserer Vorteile sind niedrige Gebühren, niedrige Steuern. Jetzt aber kommen wir in einen Erhöhungszwang, den finden wir nicht sehr gut. Nach meiner Meinung ist nicht nur der KFA zu betrachten, sondern als Kommune haben wir ein Gesamtpaket: ÖPNV – das ist im Land ein Riesenthema; Unterbringung der Asyl-bewerber, der Flüchtlinge, haben wir heute schon gehört; die Schulsozialarbeit, die wir irgendwie leisten müssen und bei der ich mich frage, ob das wirklich eine Aufgabe von uns ist. Aber es sind ja unsere Kinder, wir müssen das ja machen. Und dann bekommen wir noch einen Brief, dass wir jetzt bei der Dorferneuerung weniger Förderung bekom-men. – Es ist das Gesamtpaket, das uns das Leben ungeheuer schwer macht. Herr Dr. Schäfer, dass das Land da natürlich in einer misslichen Lage ist, weil die Ge-samtsituation so schwer ist, das akzeptiere ich natürlich. Ich finde diesen offenen Um-gang auch gut. Aber ich denke, wir schauen immer nur auf die Einnahmen – vielleicht sollte man wirklich einmal schauen, dass wir auch einmal die Aufgaben kontrollieren. Hier sehe ich auch das Land in der Pflicht. Denn bei den Kommunen ist es immer ein bisschen schwierig. Es wird zwar immer von „den Kommunalen“ gesprochen, aber wenn es dann um den Schwur geht, dann ist es leider nicht immer so. Deswegen neh-me ich da auch das Land in die Pflicht. Wir können nicht immer die Vorschriften ver-schärfen und verschärfen, uns beklagen, wir haben kein Geld – aber wir verschärfen die Vorschriften trotzdem immer weiter. Deswegen auch von unserer Seite die Bitte, hier eine sogenannte Aufgabenkritik zu machen. Und das kann nach meiner Meinung nur federführend durch das Land Hessen erfolgen. Ich komme von einer Landgemeinde. Wir haben heute schon viel von den Städten ge-hört. Verzeihen Sie mir also, eine kleine Lanze für den ländlichen Raum zu brechen: Ver-gessen Sie bitte den ländlichen Raum nicht! Sie haben da bereits gute Ansätze einge-baut. Deswegen von meiner Seite dafür auch ein Lob. Wir können die Menschen nur im Land halten, wenn wir ihnen auch etwas bieten können. Wenn wir dieselben Abgaben haben wie in der Stadt Frankfurt, dann wird es äußerst schwierig. Der ländliche Raum braucht den Ballungsraum. Ich sehe es aber auch anders herum: Was bringt es denn dem Frankfurter – ich sage das jetzt einmal so platt –, wenn er zu uns in den Spessart fährt, dort aber nur noch Wüstungen vorfindet? Ist das Ziel und Zweck der Veranstaltung? Wir brauchen uns gegenseitig. Deswegen ist es meine Bitte – und ich hoffe, dass ich mich an die sieben Minuten halte, Vorsitzender: Gut! Herr Schreiber: einer muss es ja doch einmal tun –:

(Heiterkeit)

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Sp/sc – 90 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Bitte vergessen Sie beim Ganzen den Gesamtblick nicht! – Das ist wirklich meine Bitte an Sie als Abgeordnete. Wir brauchen Orte mit Zukunft. Und irgendwo muss es doch mit dem Geld stimmen. Soweit vonseiten der Gemeinde Jossgrund. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Vorsitzender: Herzlichen Dank, Herr Bürgermeister Schreiber, für Ihr Statement und für die Punktlandung. – Dann hätte ich als letzten Vertreter der kommunalen Ebene auf meiner Liste hier Herrn Bürgermeister Thomas Baumann von der Gemeinde Ludwigsau. – Da kommt er. Sie haben das Wort, bitte schön. Herr Baumann: Herr Vorsitzender, werte Abgeordnete, Herr Staatsminister Dr. Schäfer – er geht gerade –, meine Damen, meine Herren! Als Erstes einmal herzlichen Dank, dass auch die Gemeinde Ludwigsau die Möglichkeit erhält, hier im Rahmen der Anhörung zur Neustrukturierung des Kommunalen Finanzausgleichs einige Anmerkungen geben zu dürfen. Seien Sie sicher, die vorbereitete Rede werde ich nicht halten, denn viele mei-ner Kollegen haben genau diese Kardinalpunkte bereits heute früh aufgezeigt. Lassen Sie mich aber einmal einiges über unser kommunales Leben in Ludwigsau berichten. Ludwigsau wird vermutlich niemand von Ihnen kennen – abgesehen von unseren Ab-geordneten. Ludwigsau liegt in Nordhessen, zwischen Bad Hersfeld und Bebra, oder wenn Sie es etwas großräumiger brauchen: zwischen Fulda und Kassel. Wir sind eine extrem ländliche Gemeinde mit 113 km2 Fläche, 6.500 Einwohnern – aber da sind die Zweitwohnsitze mit enthalten. Wir haben eine Ausdehnung von Ost nach West um 37 km und von Nord nach Süd um 11 km – und das Ganze aufgeteilt auf 13 Ortsteile. Der größte Ostteil hat 2.400 Einwohner, und von da geht es ganz rapide nach unten, bis zu 50 Einwohnern. Das sind unsere Probleme im ländlichen Raum, und das muss am En-de auch finanziert werden: mit einer kompletten kommunalen Infrastruktur. Ich sage dazu: weil es auch niemand anders tun wird. Das fängt bei der Wasserversorgung an, Abwasserentsorgung, Gemeindestraßen 68 km, Kanäle fast genauso lang usw. Alles, was Sie an Infrastruktur kennen: nehmen Sie es mal 13, von der Feuerwehr abwärts. Meine Damen, meine Herren, dies im Rahmen des KFA zu finanzieren ist eine große Anstrengung. Jetzt berichte ich Ihnen einmal, wie wir seit 1994 in Ludwigsau Politik gemacht haben. Ich nehme das Ergebnis gleich einmal vorweg: Es war falsch. Im Jahr 1994 bin ich mit dem Ziel angetreten, diese Gemeinde zu entschulden. Das wa-ren Schulden aus dem ehemaligen Zusammenschluss dieser 13 Ortsteile, wenn Sie also so wollen: alles alte Schulden. Wir wollten diese Schulden tilgen, weil wir ganz einfach die Problematik sahen: Die Schulden von ehedem sind die Ausgaben von heute und morgen, und sie sind zu be-zahlen. Die Problematik steigender Zinsen wurde heute früh schon mehrfach angespro-chen. Ich glaube, hier stehen wir wirklich vor einer Riesengefahr, sollten die wirklich an-steigen, und sei es nur auf ein minimal höheres Niveau. Deswegen sind wir damals her-gegangen und haben gesagt, wir entschulden diese Kommune.

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Sp/sc – 91 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Im Jahr 2000 waren wir so weit: Wir waren schuldenfrei. Seitdem haben wir keine weite-ren Schulden aufgenommen. Aber wir haben kräftig Schulden gemacht – nämlich da-hin gehend, dass wir ganz einfach Infrastrukturen nicht in dem Umfang saniert, gepflegt, entwickelt haben, wie es notwendig gewesen wäre. Round about ist das allein eine Größenordnung von etwa 20 Millionen €, die ganz einfach an kommunaler Daseinsvor-sorge hier fehlen. Wir haben unsere kommunalen Abgabensätze auf das Nivellierungsniveau des Landes Hessen schon angepasst, als dieser Begriff noch gar nicht geprägt worden war. Daher können wir momentan mit diesen Zahl leben. Ich persönlich bin der Meinung, es wird zu einem Anstieg kommen, nicht in einem Jahr, aber stufenweise wird das Ganze geschehen, und somit werden wir die Problematik, gerade auch im ländlichen Raum, bekommen. Die Schwierigkeit ist ganz einfach: Wie finanzieren wir uns als Kommune? – Wenn ich es auf einen Nenner bringen soll: Wir finanzieren uns eigentlich über den Gemeindeanteil Gemeinschaftssteuern; alles andere nämlich kommt herein und geht wieder raus. Des-wegen ist es äußerst schwierig, überhaupt ausgeglichene Haushalte aufzustellen – das Ganze geht mehr oder weniger nur über buchhalterische Tricks, und das funktioniert sicherlich für eine gewisse Zeit, aber wir machen das jetzt einfach schon zu lange. Warum sage ich das so? Ich sehe ganz einfach die Problematik, dass in der Neustruktu-rierung des Kommunalen Finanzausgleichs so, wie er jetzt in der Diskussion ist, ganz ein-fach zu wenig Geld im System ist. Ganz besonders die ländlichen Kommunen haben hier ein erhebliches Problem. Wissen Sie, wir können gerne den Gewerbesteuerhebesatz auf ein astronomisches Niveau anheben – bei 250 gewerblichen Arbeitskräften in einer Kommune ist das alles uninteressant. Wir liegen jetzt bei 250.000 € Gesamtjahresein-nahmen, also uninteressant. Ludwigsau partizipiert also insoweit an der interkommunalen Solidarität. Dafür sind wir auch dankbar. Wenn Sie sich die Finanzkrafterrechnung anschauen, dann sind wir Platz 409 von 421 geprüften Kommunen. Ich glaube, das ist sehr deutlich. Was mich noch mehr erschreckt: Wenn ich mir diese Reihung anschaue, dann muss ich ganz einfach feststellen: Der nordhessische Raum ist hier ausgesprochen kräftig vertre-ten. Hier bedürfen wir ganz einfach infrastruktureller Hilfen – die über den KFA in dieser Form den ländlichen Kommunen einfach nicht zustehen. Ein weiteres großes Problem ist die Schaffung von Kinderkrippen, die wir alle auf unsere Fahnen geschrieben haben. Dieser Invest ist momentan in der Kalkulation – ich spreche von der Kalkulation 2014 – nicht enthalten. Wir haben den Brief erhalten. Ich hoffe, da kommen noch nachvollziehbare Zahlen, damit wir sehen, wie das Ganze hier Einfluss genommen hat. Ich unterstelle einmal: mehr oder weniger gar nicht. Die Problematik für uns als ländlicher Raum, insbesondere dann auch noch im Grenzbe-reich zu Thüringen, ist ganz einfach folgende: Wenn wir Steuern über ein gewisses Ni-veau schrauben, wenn wir unsere Infrastruktur teurer machen, dann stimmen der Bür-ger, die Industrie und die Gewerbetreibenden mit den Füßen ab – rund 40 km weiter herrschen andere Rahmenbedingungen. Das ist einfach so. Auch ich habe Kontakte zum Lande Thüringen, zu unserer Partnerkommune. Auch dort wird gelitten, aber auf einem gänzlich anderen Niveau. Ich bitte die Landesregierung

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Sp/sc – 92 – HHA/19/18 – 17.06.2015 und die Abgeordneten, hier doch einmal zu bedenken und ganz einfach zu verglei-chen: Im Lande Thüringen gibt es keine Schulumlage. Wenn wir die Schulumlage als kommunale Einnahme verbrauchen könnten, dann sähe es schon um einiges besser aus. Hier also bitte noch einmal nachnivellieren bei der Problematik demografischer Faktoren in den Kommunen. Dann werden nämlich sehr viele auf den ersten Blick fest-stellen: Ludwigsau – es blieb alles beim Alten. Wenn man richtig hineinschaut, dann geht es um etwa minus 40.000 € gegenüber dem aktuellen Stand nochmals nach un-ten. Denn die Problematik ist ganz einfach: Die demografischen Entwicklungen bei uns sind nicht krass genug. Wir haben nur 4,9 % Demografieabwanderung und keine 5 % – also kann es sich nicht auswirken. – Seien Sie versichert: Diese fünf Bürger produzieren keine Kosten. Das Problem des Ganzen, aus Ludwigsauer Sicht wie aus der Sicht sehr vieler dieser Kommunen: Bitte einmal die Pflichtaufgaben korrekt berechnen, so, wie sie auch tat-sächlich anfallen; zweitens, Kostensteigerungen, insbesondere im ländlichen Raum, be-rücksichtigen! Nehmen Sie nur einmal Ergänzungen im Rahmen des ÖPNV. Das ist keine Luxusversor-gung, sondern heißt: morgens, mittags und abends; morgens und mittags mit Schülern drin. Das kostet die Gemeinde Ludwigsau z. B. jährlich an den Landkreis über 100.000 €. Anrufsammeltaxenverkehr, damit abends um 11 Uhr nochmals ein Taxi fährt, kostet noch weitere 12.000 €. All diese Kosten fehlen. Sind das freiwillige Leistungen? – Hier bit-te nochmals wirklich prüfen, was der ländliche Raum bringen muss. Mit Kopfzählungen kommen wir hier nicht viel weiter. Last but not least: Einnahmen, die von anderen den kommunalen Aufgabenträgern zufließen, sollten am Ende auch bei diesen ankommen. Und ganz zuletzt – dann höre ich auch auf: Der Landesrechnungshof hat uns mehrfach, auch durch beauftragte Instanzen, ein hervorragendes Wirtschaften attestiert. Insoweit wäre es auch wichtig, dass die Landesregierung diese Ergebnisse einfließen lässt. Wa-rum werden dann Unsauberkeiten bei der Vergabe unterstellt? Wir schreiben aus. Hier gibt es marktgerechte Preise. Diese zu diskutieren ist eigentlich müßig. Der Ansatz ist sicherlich richtig. Als Kommune freuen wir uns, wenn wir eine belastbare Basisfinanzierung für die Zukunft erhalten. Ich behaupte aber: Unser kommunaler Preis ist hier sehr hoch. Ich hoffe, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen wurde. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Vorsitzender: Vielen Dank auch Ihnen, Herr Bürgermeister Baumann. Damit wäre unsere Redeliste, unsere Anzuhörendenliste für die kommunale Ebene, ab-geschlossen – es sei denn, ich hätte jemanden vergessen. Der möge sich bitte melden. – Ich glaube, das war jetzt sehr erschöpfend. Wir haben jetzt vorgesehen, wenn der Bedarf besteht, zunächst eine zweite Runde für die Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände einzuschieben. Ich schaue einmal in Ihre Runde: Besteht aus Ihrer Sicht Bedarf zu Anmerkungen, zu Fragen Ihrerseits? – Das scheint nicht der Fall zu sein.

(Herr Engelhardt: Eher später noch einmal!)

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Sp/sc – 93 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Es gibt dann noch eine allgemeine Abschlussrunde. Wenn Sie dann noch etwas haben, können Sie dann immer noch hier vortragen. Dann kommen wir jetzt zur dritten Fragerunde der Ausschussmitglieder. Ich schaue in die Runde: Gibt es von Ihrer Seite jetzt Fragen, insbesondere an die Vertreter der kom-munalen Ebene, die gesprochen haben? Abg. Eva Goldbach: Ich habe eine Frage an Frau Weigel-Greilich. Sie haben zu den Nivellierungshebesätzen ausgeführt, dass Sie die Gesamtsituation sehen – dass einerseits wir im Land unter der Schuldenbremse stehen und bis auf die Grunderwerbsteuer weni-ge Möglichkeiten haben, eigene Steuereinnahmen zu generieren, also gar keine außer der Grunderwerbsteuer, und die haben wir schon erhöht – und wir davon abhängig sind, das haben auch schon andere Vertreter gesagt, dass der Bund einmal die Steuern erhöht und wir da abwarten müssen, was passiert. Sie sagten, es sei deshalb zu rechtfer-tigen, dass die nötigen Mehreinnahmen für die kommunale Basis eben auch dort durch höhere Hebesätze generiert werden, eventuell auch über die Durchschnittssätze in Hes-sen, die wir jetzt angesetzt haben, hinaus. Wenn Sie das nochmals erläutern würden? Denn andere haben gesagt, dafür haben wir in der Bevölkerung keine Akzeptanz, das geht gar nicht. – Das ist also eine ganz andere Darstellung. Frau Weigel-Greilich: Vielen Dank für diese Frage. Ich glaube, da bewegen wir uns wirk-lich in einem schwierigen Spannungsverhältnis. Auf der einen Seite reden wir hier sehr viel darüber, welche Ebene die Kosten tragen soll, aber eigentlich haben wir nur auf der kommunalen Ebene darauf verwiesen, dass das die Bürgerinnen und Bürger zahlen müssen. Meines Wissens ist das auf Landes- und Bundesebene auch so: Wenn dort Mit-tel ausgegeben werden, dann werden die von den Steuerzahlerinnen und Steuerzah-lern auf irgendeiner Ebene finanziert. Ich glaube, da sollte man noch ein bisschen ge-nauer hinschauen. Ich persönlich habe die Meinung vertreten und vertrete sie weiterhin, dass es auf Lan-des- und Bundesebene durchaus Möglichkeiten gibt, Steuern zu erhöhen. Aber wir hat-ten einmal eine Landtags- und eine Bundestagswahl, im Jahr 2013, und da wurde, glaube ich anders entschieden. Vor diesem Hintergrund ist es im Moment die richtige Entscheidung, auf der Ebene, auf der wir selbst entscheiden können, nämlich auf der kommunalen Ebene, so vorzugehen. Das ist auch nicht unbillig, denn wir liegen unter dem Durchschnitt der Flächenländer. Vor dem Hintergrund halte ich es für geboten, sogar noch mehr bei der Grundsteuer B, eine gleiche Regelung zu finden. Bei der Einkommensteuer kommt auch niemand auf die Idee, dass die unterschiedlich sein sollte. Und die Grundsteuer B ist eine Einnahme, die sehr stabil ist und nicht den Schwankungen unterliegt wie die Gewerbesteuer. Da-her kann ich die große Gegenwehr überhaupt nicht verstehen. Aber natürlich gebe ich denjenigen Recht, die gesagt haben, dass es gerade für die Ehrenamtler äußerst schwierig ist; die Hauptamtlichen werden dafür bezahlt und können das auch besser tragen, aber für die Ehrenamtlichen ist es tatsächlich schwierig, das so vorzunehmen. Wir haben vielleicht nicht alle gemeinsam die Schuldenbremse beschlossen, aber sie existiert nun einmal. Vor dem Hintergrund können wir, wenn wir davon ausgehen – was hier alle gesagt haben: dass wir in den Kommunen mehr ausgeben müssen; ich glaube das haben hier alle Vertreter gesagt – – Wenn dem aber so ist, dann muss das Geld ir-gendwo herkommen. Oder wir waren vielleicht an der einen oder anderen Stelle nicht

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Sp/sc – 94 – HHA/19/18 – 17.06.2015 ganz so ehrlich, und vielleicht könnte man einmal – das haben wir heute hier nicht ge-tan – über die Frage der Standards nachdenken. Das muss auf verschiedenen Ebenen geschehen. Das muss auf Bundes-, Landes-, aber auch auf kommunaler Ebene ge-schehen: Wenn wir sagen, wir wollen nicht weiter Abgaben und Steuern erhöhen, dann kann es nur so sein, dass wir Standards senken. – Dazu habe ich allerdings heute nichts gehört. Vorsitzender: Vielen Dank. – Gibt es weitere Fragen? Abg. Thorsten Warnecke: Herr Bürgermeister Baumann, ich darf Sie mit zwei Fragen be-helligen. Das eine bezieht sich auf Ihre Schilderung, was die Flächenkommune Ludwigsau mit der Bevölkerungszahl und der Gesamtfläche beispielhaft für das ist, was der eine oder an-dere hier am politischen Firmament aufziehen sieht – nämlich eine irgendwie geartete Gebietsreform, wenn man fast 120 km2 groß ist, mit 6.000 Einwohnern. Welche Einspar-volumina sehen Sie denn in einer solchen Maßnahme, mit den Nachbarkommunen zu-sammenzuarbeiten? Gibt es denn da noch große Einsparvolumina im ländlichen Raum, von denen immer geträumt wird? Die zweite Frage betrifft den Aspekt der Standards. Ich will jetzt nicht das Thema Ab-wasser ansprechen, sondern die Kindertageseinrichtungen. Auf Landesseite haben wir jetzt ein Kinderförderungsgesetz, das nicht mehr die einzelnen Kinder fördert, sondern die Gruppen. Welche Auswirkungen hat denn so etwas auf eine Kommune? Mussten Sie dafür zusätzliches Geld aufbringen, Einrichtungen bauen? Herr Baumann: Herr Warnecke, folgendes: Wenn Sie das Ganze so betrachten, ist Lud-wigsau schon eine interkommunale Zusammenarbeit, aufgrund seiner Größe. Wir haben einmal versucht, das mit Nachbarkommunen auf den Weg zu bringen. Die Problematik ist ganz einfach folgende: Sie können die Infrastruktureinrichtungen anlegen, wo immer Sie wollen – Sie bekommen dann dramatische Wegezeiten. Wenn Sie eine Stunde brauchen, um bis zur Arbeitsstätte zu kommen – bei uns sind das Sträßchen und Wege –, dann kann man sich aus diesem Projekt keine Effizienz mehr herausrechnen. Das funkti-oniert ganz einfach nicht. Sicherlich gibt es Möglichkeiten, zusammenzuarbeiten. Im administrativen Bereich ist das durchaus möglich. Aber das Einsparungspotenzial dabei ist minimalst. Für ländliche Kommunen ergibt es eigentlich wenig Sinn, noch weitere größere Strukturen zu bilden. Ich kenne das aus Niedersachsen mit den Gesamtgemeinden: Ab irgendeiner geogra-fischen Größe wird das uninteressant, weil die Strecken, die Entfernungen einfach zu groß werden. Zweiter Punkt, KiföG. Danke, dass Sie es ansprechen. Als ländliche Kommune halten wir derzeit 170 Betreuungsplätze vor, das ganze aufge-teilt auf vier Einrichtungen. Die sind derzeit alle voll belegt. Die Problematik ist aber: Ich habe nicht mehr Gruppen aufgemacht. Aufgrund der Neugestaltung des Kinderförderungsgesetzes und die Abstellung auf die Tatsache, es werden nur die Kinder gefördert, die auch tatsächlich in der Einrichtung sind, haben wir

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Sp/sc – 95 – HHA/19/18 – 17.06.2015 ganz einfach das Problem, dass Sie gerade in kleineren Einrichtungen immer den Fakt haben: Die eine Gruppe ist voll, die zweite Gruppe ist, wenn es gut geht, halb voll, im Zweifel auch weniger. Wir müssen jetzt ganz dringend sagen: Halbe Gruppen werden nicht mehr eröffnet. Bei etwa 75 % fangen wir an, über eine Gruppenöffnung nachzu-denken. Wir müssen dann intern, im Gemeindegebiet, die Kinder verlagern, teilweise auch auf Nachbarkommunen. Denn es ist ganz einfach nicht mehr finanzierbar, eine Gruppe mit z. B. zehn Kindern zu eröffnen, dann habe ich im Extremfall 15 Kinder voll-ständig als Betreuungsaufwand selbst zu finanzieren. Damit erhöhe ich mir die Fehlbe-träge weiter. Das ist einfach das Problem des ländlichen Raums. Bei Großeinrichtungen mit sieben, acht oder zehn Gruppen ist das nicht so dramatisch. Da haben Sie ganz am Ende eine Gruppe, die nur partiell belegt ist, und wenn Sie nur zwei Gruppen haben, dann haben Sie in der Regel das Riesenproblem, dass die zweite Gruppe dabei erheb-lich unterbelegt ist. Wir haben also viel verlagert. Viele Kinder haben wir auch austauschen müssen, teilwei-se in Richtung Nachbarkommune, um hier die Kosten ganz einfach nicht weiter an-wachsen zu lassen. Vorsitzender: Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. – Gibt es weitere Fragen aus der Reihe der Ausschussmitglieder? – Das sehe ich im Moment nicht. Dann kommen wir, last but not least, zu dem Block der Verbände und Organisationen. Ich habe den Leiter des Büros der Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerks-kammern nicht gesehen. – Ah, da ist er. Bitte schön, Herr Gelking, Sie haben das Wort. Auch hier: fünf bis sieben Minuten. Herr Gelking: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Ich verweise auf unsere schriftliche Stellungnahme und erspare es Ihnen, sie Ihnen jetzt komplett vorzulesen. Ich verweise nur auf ein paar Gedanken seitens des hessischen Handwerks, die aus unserer Sicht bei diesem Thema relativ wichtig erscheinen. Das Handwerk ist Auftragnehmer der öffentlichen Hand, und zwar völlig unabhängig davon, ob es sich um eine finanzschwache oder um eine finanzstarke Kommune han-delt. Unsere Handwerksbetriebe haben ein Interesse daran, Aufträge in all diesen Kommunen zu erhalten. Das heißt, wir können und wir werden uns nicht auf die Seite der einen oder der anderen Gruppe stellen. Wir wollen ganz bewusst nicht eine Besser- oder Schlechterstellung der einen oder der anderen Gruppe befürworten. Dabei kann man den Eindruck haben, es gäbe nur Schlechtergestellte, aber das kann faktisch defi-nitiv nicht sein. Ich habe den ganzen Tag zugehört, und des klingt so, als ob alle nur weniger Geld bekommen. Da ich weiß, dass das System insgesamt nicht viel weniger Geld erhält, scheinen die, die mehr Geld erhalten, sich entweder nicht zu Wort gemel-det zu haben, oder sie sind heute nicht anwesend. Aber vielleicht ist das das übliche Verfahren, wenn man ein bisschen ungestreut zu Rückmeldungen aufruft. Insgesamt geht es hier um einen Verteilungskampf zwischen verschiedenen Gruppen. Wenn Sie am Ende nicht massiv viel mehr Geld ins System geben und dementspre-chend jedem mehr Geld geben, muss es natürlich immer jemanden geben, der am Ende weniger Geld bekommen kann. Grundsätzlich halten wir es für sehr positiv, dass aufgrund des Urteils erstmals sehr detailliert in verschiedenen Stufen mit verschiedensten Ausgleichsmechanismen sehr transparent und sichtbar dieses Thema überhaupt ange-gangen wird. Damit setzt man das Ganze auf eine viel bessere Grundlage, auf eine viel

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Sp/sc – 96 – HHA/19/18 – 17.06.2015 sachlichere Grundlage, als es vielleicht in anderen Verfahren wäre, die doch sehr stark oder stärker dem politischen Für und Wider ausgesetzt worden sind. Praktisch führt das natürlich dazu – aber das ist eher eine Randbemerkung –, dass es inzwischen so detail-liert und so vielstufig ist, dass bei uns in den Häusern kaum noch jemand da ist, der all diese Verästelungen in ihren Wirkungen wirklich durchschaut. Es geht ja hin bis zur Einzel-fallgerechtigkeit – dass jetzt fast jede einzelne Kommune Einzelbedarfe definiert, die jeweils besonders berücksichtig werden müssen. Dann wird es natürlich schwierig, ein solches System insgesamt noch sinnvoll aufzusetzen. Ein Beitrag zum Bürokratieabbau ist das also sicherlich nicht. Aber immerhin ist es so transparent, dass niemand mehr sagen kann, es sei etwas in Hinterzimmern hin- und hergerechnet worden – zumindest haben wir diesen Eindruck –, um jemanden bewusst zu belasten. Für grundsätzlich positiv halten wir auch die Wirkung dieses neuen Kommunalen Finanz-ausgleichs. Die Leistungen, die die Kommunen bekommen, werden doch deutlich un-abhängiger, als sie das bisher waren. Das heißt, darauf ist schon in verschiedenen Teil-aspekten hingewiesen worden, dass in konjunkturell schwächeren Zeiten – im Moment sind wir zum Glück in keiner – automatisch die Leistungen des Landes für die Kommunen deutlich höher sein werden, als das nach dem bisherigen Verfahren sein würde. Das sehen wir als deutlichen Vorteil an, um die Finanzkraft – und damit eben auch die Auftraggeberfunktion einer öffentlichen Hand – auf kommunaler Ebene für unsere Be-triebe aufrecht zu erhalten. Die kritischen Punkte sind heute mehrfach angesprochen worden. Es geht natürlich um die Höhe bzw. um die Anhebung der Nivellierungssätze. Dort steckt natürlich tatsächlich ein Anreiz – auch das haben wir schon gehört – zu Steueranhebungen oder zu Anhe-bungen der entsprechenden Sätze bei den Kommunen, die damit darunter liegen. Grundsätzlich hat sich das Handwerk immer gegen jede Art von Steuer- und Gebüh-renerhöhung ausgesprochen. Also tun wir das an dieser Stelle natürlich auch. Die viel-genannte Spirale wird jetzt nicht jährlich entstehen, aber dafür dürfte die politische Er-fahrung groß genug sein: Wenn dann in fünf Jahren die Evaluation ansteht und die Ni-vellierungssätze in der Zwischenzeit von den verschiedenen Kommunen angehoben worden sein sollten – insbesondere von denen, die jetzt unter den Sätzen liegen –, dann haben wir ganz neue Durchschnittswerte. Wenn man dann aber ganz neu zu rechnen anfängt, nach ähnlichen Systematiken, wie wir das jetzt getan haben, dann werden wir spätestens in fünf Jahren mit den neuen Sätzen neu rechnen, und diese neuen Sätze werden höher sein. Also wird das neue Rechenergebnis höher sein. – Damit haben wir keine Automatik einer Erhöhungsspirale, aber wir haben natürlich einen Effekt, den man jetzt eigentlich schon vorhersehen kann – denn warum sollte in fünf Jahren jemand plötzlich zu dem Schluss kommen, jetzt alles wieder senken zu wollen? Diese Gefahr se-hen wir, und die sehen wir kritisch. Bei der Solidaritätsumlage ist die Wirkung inzwischen durch die verschiedenen Mecha-nismen, die möglicherweise noch eingebaut werden, nicht ganz so eindeutig kritisch, wie wir es in unserer Stellungnahme schriftlich formuliert haben. Für uns zumindest ist spätestens dann die Grenze einer Solidaritätsumlage erreicht, wenn sie tatsächlich dazu führen sollte, dass die finanzstarken Kommunen dazu getrieben werden, neue Schulden aufzunehmen. Spätestens dann ist eine Grenze erreicht, die wir für nicht sinnvoll erach-ten, auch unter dem Aspekt der Schuldenbremse für die gesamte Familie der öffentli-chen Haushalte. Wenn es außerdem dazu kommen würde – aber diesen Eindruck ha-ben wir derzeit noch nicht –, dass eine Solidaritätsumlage zu einer Umkehrung in der Finanzkraftreihenfolge der Kommunen führen würde – – Dass sie aneinander herange-führt werden müssen, ist der Sinn einer Umlage, sonst wäre es keine Solidaritätsumlage, aber zumindest die Reihenfolge muss auf jeden Fall erhalten bleiben. Da dürfen wir

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Sp/sc – 97 – HHA/19/18 – 17.06.2015 eben nicht diesen Effekt haben, den wir als Land gegenüber Rheinland-Pfalz immer et-was plakativ beim Länderfinanzausgleich anprangern, indem wir sagen: Mit dem Geld, was Hessen in den Länderfinanzausgleich einzahlt, kann sich Rheinland-Pfalz etwas leis-ten, das Hessen sich nicht leisten kann. – Diesen Effekt dürfen wir innerhalb der Kommu-nen definitiv nicht erzeugen. Solange aber die Finanzkraftreihenfolge der Kommunen untereinander noch erhalten bleibt – und diesen Eindruck haben wir bisher –, ist an die-ser Stelle aus unserer Sicht nichts zu bemängeln. Insgesamt also ist das Handwerk mit dem vorgelegten Entwurf – bei einigen Verbesse-rungen und Veränderungen, die wir jetzt noch sehen werden – im Großen und Ganzen einverstanden. – Herzlichen Dank. Vorsitzender: Vielen Dank für Ihre Stellungnahme. – Als Nächstes habe ich Herrn Dr. Le-der von der Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Industrie- und Handelskammern auf der Liste, Hauptgeschäftsführer der IHK Gießen-Friedberg. Sie haben das Wort, bitte schön. Herr Dr. Leder: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Herr Staatsminister, meine Damen und Herren! Die Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Industrie- und Handels-kammern hat eine umfassende schriftliche Stellungnahme zur KFA-Reform abgegeben. Ich möchte im Folgenden auf drei Aspekte eingehen: Erstens grundsätzlich zur KFA-Reform, zweitens das heute schon viel diskutierte Korridorverfahren und drittens auf das Thema Nivellierungshebesätze. Zunächst zum Grundsätzlichen. Unserer Meinung nach wird das Land der Verpflichtung des Hessischen Staatsgerichtshofs, einen bedarfsgerechten Finanzausgleich vorzulegen, grundsätzlich gerecht. Zum ersten Mal in der Geschichte Hessens wird der Bedarf der hessischen Kommunen und Landkreise durch umfangreiche Erhebung und Berechnung ermittelt. Das systematische Vorgehen und die Offenlegung der Annahmen, auf denen die Berechnungen beruhen, verdienen unseren Respekt. Zum Korridorverfahren im vertikalen Finanzausgleich. Das Korridorverfahren ist vom Hes-sischen Staatsgerichtshof mit Verweis auf das Vorgehen in Thüringen als methodisch zulässiges Verfahren eingestuft worden. Damit kann es grundsätzlich als geeignetes Ver-fahren zur Bestimmung des Finanzbedarfs der Kommunen und Landkreise betrachtet werden. Die Höhe des Abschlags halten wir für eine politische Einschätzung. Soweit das Ja, jetzt allerdings kommt nun das Aber. Wir glauben, dass das Land das Korridorverfahren in sich konsistenter hätte anwenden können. So erfolgt die Anwen-dung des Korridorverfahrens nicht durchgängig – sowohl bei der Schulumlage als auch bei der Landeswohlfahrtsverbandsumlage werden die Bedarfe ungekürzt umgelegt. Warum werden diese Bedarfe nicht ebenfalls dem Korridorverfahren unterzogen? Jetzt möchte ich den Punkt aufgreifen, der heute schon öfter angesprochen wurde, nämlich die Frage der Bezugsgröße Einwohner, bzw. pro Kopf. Da haben wir es mit einer klassischen Frage des Benchmarkings zu tun. Dann, wenn sich kommunale Leistungen auf ganz bestimmte Leistungsempfängergruppen beziehen, z. B. Empfänger von ALG II, also Sozialgeld, ist die Einwohnerzahl sicherlich die falsche Bezugsgröße. Auch die Kos-ten der politischen Führung sollten bei vorgegebenen Standards im Rahmen des Korri-dorverfahrens nicht auf die Einwohnerzahlen bezogen werden. Ähnliche Bezugsgrö-

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De/jo – 98 – HHA/19/18 – 17.06.2015 ßenprobleme haben Sie dann, wenn sie z. B. die Kosten für die untere Bauaufsicht oder die untere Naturschutzbehörde auf die Einwohnerzahlen beziehen. Wir sehen die Schwierigkeit, die jeweils passende Bezugsgröße zu finden, aber wir wei-sen hier darauf hin, dass es kein gutes Benchmarking ist, wenn Sie nur die Einwohner bzw. nur die Pro-Kopf-Größe als Benchmark heranziehen. Nun komme ich zum dritten und letzten Punkt, den Nivellierungshebesätzen, die wir heu-te sicherlich besonders kontrovers diskutieren. Hierzu will ich gleich vorausschicken, dass wir bei uns vor etwa sechs Wochen eine Podiumsdiskussion geführt haben, in der wir dazugelernt haben, weswegen es auch eine zweite Auflage gab. Am Anfang haben wir eine Erhöhung der Nivellierungshebesätze grundsätzlich abge-lehnt – das machen wir jetzt nicht mehr –, aber das „Aber“ kommt. Die geplante Erhö-hung der Nivellierungshebesätze im Kommunalen Finanzausgleich auf die aktuellen ge-hobenen Durchschnittshebesätze des ersten Halbjahres 2014 sehen wir differenziert. Um die Benachteiligung steuerschwacher Gemeinden in Grenzen zu halten, spricht bei ge-gebener Schlüsselmasse und bei gegebenem Durchschnittshebesatz vieles dafür, den Nivellierungshebesatz nicht allzu stark unter dem Landesdurchschnitt festzusetzen. Für sich genommen ist die Erhöhung der bisherigen Nivellierungshebesätze auf das Niveau von 2014 nachvollziehbar. Aber das ist nicht das Ende vom Lied. Aus Sicht eines einzelwirtschaftlichen Unterneh-mens stellt eine Erhöhung von Steuern, Gebühren und Abgaben häufig eine zusätzliche Kostenbelastung dar, nämlich immer dann, wenn die Leistungsfähigkeit des Unterneh-mens nicht an anderer Stelle erhöht wird. Wir befürchten insbesondere, dass mit einer Erhöhung der Nivellierungshebesätze im KFA in Verbindung mit den Vorgaben des Lan-des für defizitäre Kommunen im Rahmen des Kommunalen Schutzschirms Beuth eine kommunale Steuererhöhungsspirale ausgelöst wird. Zwar ist es so, dass die Nivellierungshebesätze im KFA für fünf Jahre festgeschrieben werden. Für defizitäre Kommunen gilt jedoch die Vorgabe des Landes, dass die Real-steuer-Hebesätze 10 % über dem durchschnittlichen Hebesatz vergleichbarer Kommu-nen liegen müssen, und hier erfolgt eben keine Festschreibung auf fünf Jahre. Somit ist klar zu erwarten, dass sich die durchschnittlichen Hebesätze kontinuierlich nach oben entwickeln werden. Ein heute schon angedeuteter negativer Begleiteffekt besteht darin, dass die Anhe-bung für die Kommunen in einer daraus folgende Erhöhung der Kreisumlage resultiert. Aus Gesprächen mit kommunalen Vertretern erfuhren wir, dass eine Deckelung der Kreisumlage nach oben für dringend erforderlich gehalten wird. Anzeichen, dass es aufgrund des Herbsterlasses des Innenministers zu Steuererhöhungen in Verbindung mit der KFA-Reform kommen wird, gibt es bereits. Beispielhaft für unseren IHK-Bezirk möchte ich die Gemeinde Bad Vilbel herausgreifen, die den Gewerbesteuer-satz in 2015 von 310 % auf 330 % angehoben hat. 2016 wird er auf die Höhe des künfti-gen Nivellierungshebesatzes von 357 % angehoben. So wie Bad Vilbel werden vermutlich viele Kommunen denken. Auf den Wirtschafts-standort Hessen kann dies negative Auswirkungen haben. Standorte stehen heute mehr denn je im Wettbewerb, und zwar nicht nur in Hessen und auf Bundesebene, sondern auch auf internationaler Ebene. Es gibt international tätige Unternehmen, die weitge-

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De/jo – 99 – HHA/19/18 – 17.06.2015 hend Problemlos zwischen Standorten wählen können. Wandern Unternehmen ab, ge-hen in der Regel zahlreiche, für die Region wichtige Arbeitsplätze verloren. Wir vermuten deshalb, dass z. B. die Attraktivität von Gewerbegebieten gegenüber be-nachbarten Gewerbegebieten, etwa in Nordrhein-Westfalen, abnehmen wird oder bereits abgenommen hat. Ein Beispiel dafür ist das Gewerbegebiet Kalteiche in Hessen. Deshalb wünschen wir uns – damit komme ich zum Schluss –, dass das Land das Drehen an der Hebesatzspirale stoppt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Herr Papendick: Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde mich kurz halten. Dies fällt mir umso leichter, als ich sehr große Übereinstimmungen mit meinen beiden direkten Vorrednern habe. Ich möchte aber die Gelegenheit wahr-nehmen, noch einmal auf zwei Punkte einzugehen, die mir wichtig sind. Das eine ist die heute schon mehrfach diskutierte Frage, ob es eine Steuererhöhungsspi-rale durch die Erhöhung der Nivellierungshebesätze durch den KFA gibt: Die Steuerer-höhungsspirale gibt es seit mindestens vier Jahren. Ausweislich der Rückmeldung der Kommunen haben wir in unserer jährlichen Hebesatzumfrage herausgefunden, dass 2012 56 % der Kommunen Steuersätze erhöht oder Steuern neu eingeführt haben. 2013 waren es 62 %, 2014 waren es noch einmal 62 %. Wir haben noch nicht die Vollerhe-bung für dieses Jahr abgeschlossen, aber das wird mit Sicherheit nicht weniger sein. Wir haben also seit mindestens vier Jahren eine Steuererhöhungsspirale in Hessen. Natürlich liegt das an den Vereinbarungen im Rahmen des Schutzschirmprozesses, es liegt an den bereits zitierten Erlassen des Innenministeriums, nach denen defizitäre Kommunen die Grundsteuer B mindestens 10 % über dem Durchschnitt der größten Klasse festsetzen müssen. Und nun gibt es eben diesen Vorschlag für die drastische Er-höhung der Nivellierungshebesätze. Natürlich wird das dazu führen, dass Kommunen, die derzeit Hebesätze haben, welche unter dem Durchschnitt bzw. unter dem neuen Nivellierungshebesatz liegen, einen star-ken Anreiz haben, die Hebesätze zu erhöhen. Wenn mir Einnahmen angerechnet wer-den, die ich derzeit noch nicht habe, bin ich natürlich gezwungen, die Steuersätze zu erhöhen. Mein direkter Vorredner Herr Dr. Leder hat darauf hingewiesen, dass dies wiederum ins-gesamt den Durchschnitt der Hebesätze anheben würde. Auch wenn das Finanzminis-terium im Gesetzentwurf festgeschrieben hat, dass zumindest die Nivellierungshebesät-ze fünf Jahre lang unverändert bleiben sollen, wird es aber doch so sein, dass die Vor-gaben des Innenministeriums weitere Steuererhöhungen zumindest bei den defizitären Kommunen erzwingen. Diese ständigen Belastungsverschärfungen für Bürger und Unternehmen schaden dem Wirtschafts- und Wohnstandort Hessen. Deshalb sehen wir das äußerst kritisch. Wir wün-schen uns zumindest noch einmal eine weitere kritische Diskussion über die Höhe der Nivellierungshebesätze – möglicherweise kann man hier noch etwas nachbessern. Der zweite Aspekt betrifft die Frage – auch nach der heutigen Debatte ist es für mich nicht geklärt –, ob durch den neuen KFA tatsächlich gewährleistet ist, dass nach dem Ausgleich alle Kommunen über eine angemessene Finanzausstattung verfügen. Ich habe heute zumindest einige Kommunen gehört, die dies anders sehen. Wenn es aber tatsächlich anders sein sollte, also Einzelpläne wie in Offenbach oder es vielleicht sogar

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De/jo – 100 – HHA/19/18 – 17.06.2015 insgesamt über das Land verteilt den Effekt geben sollte, dass die Finanzausstattung nicht angemessen und ausreichend ist, dann ist natürlich auch dies eine weitere Trieb-feder für Steuererhöhungen. Ich befürchte daher, dass dieser Verteilungskampf um die Mittel zwischen Land und Kommunen, den wir heute beobachten konnten, letztendlich auf dem Rücken der Steuerzahler ausgetragen wird. Das darf aus meiner Sicht nicht sein. Deswegen hoffe ich, dass wenn sich der Pulverdampf der heutigen Debatte des Verteilungskampfes ge-legt haben wird, wieder einmal der Blick auf diesen Aspekt der Belastung der Bürger frei wird. Hier kann ich nur in Richtung Landesregierung und Landtag appellieren: Wenn diese Debatte beendet und der neue KFA beschlossen ist, denken Sie bitte an die Belas-tungsverschärfung, die Sie auf kommunaler Ebene beschlossen oder zumindest insze-niert haben. Eine Deckelung der Hebesätze wäre durchaus angebracht. – Vielen Dank. Vorsitzender: Vielen Dank auch Ihnen für Ihr ergänzendes Statement. – Ich vermute, dass Dr. Eicker-Wolf vom DGB nicht mehr da ist. Er hatte angekündigt, die Sitzung früher verlassen zu müssen. Ist zufällig ein anderer Vertreter der Gewerkschaften anwesend? – Das ist leider nicht der Fall. Dann hätten wir natürlich den Hessischen Rechnungshof hier. Möchten Sie noch etwas ausführen? Herr Dr. Keilmann: Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem. Ob der fortgeschrittenen Zeit würde ich aber darauf verzichten, noch einmal eine separate Stellungnahme einzureichen, wir hatten sie ja schon schrift-lich eingereicht. Insofern sollte das genügen. – Vielen Dank. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Keilmann. In der Tat liegt Ihre Stellungnahme vor. – Letz-ter auf meiner Liste, der sicher noch ein Wort sagen möchte, ist der Vertreter des VLK-Hessen e. V., Herr Oberbürgermeister Dette. Sie haben sozusagen als Schlussredner der Anzuhörenden das Wort. Herr Dette: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren Abgeord-nete, Herr Staatsminister! Ich darf zunächst auf die schriftliche Stellungnahme verweisen, die bereits eine Fülle von Positionen enthält. Dabei möchte ich mich auf einige wenige Punkte konzentrieren. Zunächst der Aspekt der Bedarfsermittlung. Was Sie hier beschließen, wird eine relativ langfristige Bedeutung auf der Seite der Bedarfsermittlung haben. Dort wird es darauf ankommen, ob die Schritte zur Bedarfsermittlung sachgerecht sind. Der kommunale Bedarf ist ermittelt worden, indem in den einzelnen Produkten der Haushalte, die in den Jahren 2011 und 2012 gebildet worden sind, die jeweiligen Ausgabebedarfe zusam-mengestellt wurden. Das spiegelt die kommunale Realität jedoch nur beschränkt wider. Beispielsweise ha-ben wir in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten Eigenbetriebe bzw. Eigengesell-schaften gebildet, in denen zum Teil Pflichtaufgaben ausgelagert worden sind, die in der Bedarfsermittlung zunächst überhaupt nicht erfasst worden sind. Wenn Defizite aus diesen Eigengesellschaften und Eigenbetrieben in Form von Kapitalerhöhungen oder

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De/jo – 101 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Ausgleichsbeträgen veranschlagt worden sind, dann werden sie in der Regel im Einzel-plan 16 veranschlagt und kommen gar nicht mit in die Bedarfsermittlung hinein. Das heißt, ich unterstelle, dass in dem Bedarf mehrere Hundert Millionen Euro nicht er-fasst sind. Ich möchte das einmal am Beispiel des Öffentlichen Personennahverkehrs deutlich machen: Hier ist es so, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil in solche Eigengesell-schaften bzw. Eigenbetriebe ausgelagert und daher bei der Bedarfsermittlung über-haupt nicht erfasst worden ist. Es kommt noch ein weiterer Faktor mit hinzu: Durch das Korridorsystem werden sich in den Kommunen, wo nun die Bedarfe in diesen Bereichen im klassischen Haushalt erfasst sind, sehr hohe Pro-Kopf-Beträge niederschlagen, während sich, wo es in Eigenbetriebe und Eigengesellschaften ausgelagert ist, nur einer niedriger – wenn überhaupt – Ansatz mit vorhanden ist. Damit verzerrt sich auch über die Korridorbildung dann der insgesamt gegebene Bedarf für die Kommune. Unterm Strich erscheint mir dies ein ganz wesentlicher Punkt zu sein, an dem nachge-bessert werden müsste und wo eine angemessene Bedarfsermittlung notwendig ist, weil sie schließlich Grundlage für die Gesamtsystematik ist, die wir hier vor uns haben. Nächster Punkt, auf den schon hingewiesen worden ist, ist die Reduzierung pflichtiger Leistungen, die aus unserer Sicht im Vergleich zu unterschiedlichen Gruppen der Kom-munen relativ willkürlich mit vorgenommen worden ist. Wenn beispielsweise im Bereich der Jugendhilfe einerseits 95 % als pflichtige Leistungen anerkannt werden, im Bereich der gleichen Jugendhilfe bei den Sonderstatusstädten aber nur 93 %, ist das nicht plau-sibel. Das ist bei bisher keinem Gesichtspunkt der hier geführten Diskussion begründet worden. Es ist schlicht gesagt worden, das sei eine Einschätzung der Regierungspräsidi-en. Wie das aber zustande kommt, ist uns nicht transparent. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise auf den Bereich „Schule“ zu verweisen. Da liegt die Spanne zwischen 98 % und 92 %. Auch hier ist unklar, weshalb man als Schul-träger bei gleicher Aufgabenstellung nun so unterschiedliche pflichtige Leistungsanteile zugrunde gelegt hat. Ich möchte noch einmal auf die Einnahmeseite zu sprechen kommen. Es ist ja eben schon sehr intensiv das Thema „Nivellierungshebesätze“ diskutiert worden. Auf der Ein-nahmeseite haben wir im Grunde dadurch ein Stück kommunale Selbstverwaltung, dass bei den Kommunen ein Hebesatzrecht gegeben ist. Dieses Hebesatzrecht wird schleichend ausgehebelt. Ich will das im Bereich der Grundsteuer B in diesem Dreiklang noch einmal hervorheben: Die Nivellierungshebesätze bzw. die Anhebung der Nivellierungshebesätze führt faktisch dazu, dass die Kommune, die unterhalb des Nivellierungshebesatzes liegt, zwar keinen gesetzlichen Auftrag, aber eine Verpflichtung hat, das anzugleichen, weil ihr das Ganze fiktiv im Kommunalen Finanzausgleich – insbesondere bei der Kreisumlage, soweit es sich um kreisangehörige Städte handelt – angerechnet wird und sie damit eine Zah-lungspflicht generiert, die durch entsprechende tatsächliche Einnahmen nicht hinter-legt ist. Also wird sie dort eine Angleichung mit vornehmen. Der zweite Punkt, darauf wurde schon mehrfach hingewiesen, betrifft den Finanzpla-nungserlass des Hessischen Innenministers. Dieser hat in den letzten zwei, drei Jahren durch die Klausel, dass jeweils 10 % über dem Durchschnitt bei defizitären Kommunen der Hebesatz erhöht werden muss, dazu geführt, dass sich das Niveau immer weiter er-

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De/jo – 102 – HHA/19/18 – 17.06.2015 höht hat und damit der landesweite Durchschnittshebesatz nach oben gestaltet wor-den ist. Das dritte Element sind die Vereinbarungen der Schutzschirmkommunen, weil diese in ihren Verträgen mit dem Land vereinbart haben, hier auch Hebesatzerhöhungen als Element der Konsolidierung mit hineinzunehmen. Wenn man alle drei Elemente zusammennimmt, haben wir einen schleichenden Prozess nach oben. Die Anhebung der Nivellierungshebesätze im Gesetzentwurf wird damit begründet, dass gesagt wird, in den letzten Jahren sei eine Diskrepanz zwischen den früheren, alten Nivellierungshebesätzen und den heutigen entstanden, weil sich das Steueraufkommen und die Hebesätze tatsächlich erhöht hätten. – Das mag durchaus zutreffend sein, führt faktisch aber dazu, dass sich das Land in der Höhe dessen, was sich jetzt durch die erhöhten Nivellierungshebesätze vollzieht, auch entlastet, weil diese ja bei der Ermittlung des Differenzbedarfs zwischen dem eigentlichen kommunalen Be-darf und der Leistungsfähigkeit der Kommunen zugrunde gelegt werden. Wenn dann in fünf Jahren darüber zu diskutieren sein wird, ob die Nivellierungshebesät-ze denn noch angemessen sind, dann wird genau diese Diskussion kommen, dass ge-sagt wird: „Na ja, die faktischen Hebesätze sind ja schon wieder über dieses Niveau hinaus, also müssen wir hier nachsteuern“, und dann geht die ganze Runde weiter nach oben. Das ist aus meiner Sicht schon ein durchaus gravierender Eingriff in die kommuna-le Selbstverwaltung, die eben auch gerade das Hebesatzrecht beinhaltet. Teilweise ist hier auch von kommunalen Vertretern gesagt worden, die Nivellierungshe-besätze sollten – mehr aus Wettbewerbsgründen innerhalb der Kommunen – erhöht werden. Das aber ist der falsche Weg, weil letztlich die Erhöhung der Nivellierungshebe-sätze nur dem Land zugutekommt, während die Gesamtheit der kommunalen Familie Geld verliert, wenn es letztlich umgesetzt würde. Ein letzter Punkt, auf den ich noch eingehen möchte, ist das Thema Kreis- und Schulum-lage mehr in dem Bereich des horizontalen Finanzausgleichs. Bei den Kreisumlagehebe-sätzen wird es eine Reduktion in dem Prozent geben, weil sich die Kreisumlagegrundla-gen durch die neue Systematik des Gesetzes einfach massiv erhöhen. Das führt dazu, dass danach eine Deckelung mit einer Öffnungsklausel für jeweils ein halbes Prozent nach oben erfolgen soll. Hier sehe ich ein Spannungsverhältnis einerseits zwischen der Neuregelung dieses Ge-setzes, was eine Deckelung und nur begrenzte Erhöhung vorsieht sowie andererseits den allgemeinen Vorschriften der Hessischen Landkreisordnung und Gemeindehaus-haltsordnung, denen zufolge ausgeglichene Haushalte herbeizuführen sind und es Auf-gabe der Aufsichtsbehörden ist, einen Beitrag dazu zu leisten. Hier besteht ein Span-nungsverhältnis, weil die Aufsichtsbehörde natürlich sagen wird: Wenn ein Landkreis defizitär ist, muss ich ihm die Chance geben, es durch entsprechende Hebesatzerhö-hungen auszugleichen. – Über die mittlere Frist kann dies aber dazu führen, dass die Landkreise zunehmend ausgeglichene Haushalte haben, die kreisangehörigen Ge-meinden aber zunehmend defizitäre Haushalte haben, weil sie natürlich nicht mehr die Möglichkeit haben, sich das Geld entsprechend woanders zu beschaffen. Auf dieses Spannungsverhältnis wollte ich nur hinweisen. Noch etwas zur Schulumlage. Diese wird kostendeckend berechnet. Hier sehe ich in der Systematik tatsächlich eine Diskrepanz. Wenn im Bereich der Schulträger im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs die Aufwendungen für die Schulen korridorisiert

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De/jo – 103 – HHA/19/18 – 17.06.2015 werden und gesagt wird, wir erkennen nur wirtschaftliches Handeln an – ich unterstelle, dass dies der Hintergrund für die Korridorisierung ist –, dann ist es natürlich aus Sicht der kreisangehörigen Gemeinden ein besonderes Problem, wenn die Schulumlage unge-schmälert voll kostendeckend gegenüber den kreisangehörigen Gemeinden geltend gemacht wird, ob es wirtschaftlich ist oder nicht. Da haben die kreisangehörigen Ge-meinden letztlich keinen Einfluss. Auch, wenn sie Stellungnahmen abgeben können, entscheiden letztlich der Kreistag bzw. der Kreisausschuss über diesen Punkt. Das ist eine Diskrepanz, hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Das macht die ganze Geschichte schwieriger. Ich hoffe, dass die eine oder andere Anregung des heutigen Tages durchaus noch zum Nachdenken führen wird und Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, vielleicht eine Handreichung dafür haben, noch einmal darauf hinzuwirken, dass dieser Gesetz-entwurf an einzelnen Stellen noch verändert werden kann. Ich will jetzt nicht auf das Thema Asyl- oder Bundesmittel eingehen, dies ist ausführlich dargestellt worden und auch Gegenstand unserer Stellungnahme, auch wenn es als solches nur noch einmal zu unterstreichen ist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vorsitzender: Ganz herzlichen Dank, Herr Oberbürgermeister Dette. – Die Liste der Anzu-hörenden ist erschöpft, aber wir noch lange nicht. Alle sind noch froh und munter und guten Mutes, sodass wir jetzt noch einmal eine vierte Fragerunde der Ausschussmitglie-der beginnen, speziell auch an die letze Gruppe der Anzuhörenden. Gibt es von Ihrer Seite Fragen, oder können wir gleich in eine allgemeine Abschlussrunde gehen? – Das scheint so zu sein. Wünscht einer der Anzuhörenden noch einmal das Wort? Herr Semler: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, verehrte Abgeordnete, meine Damen und Herren! Zunächst herzlichen Dank für die Chance, tatsächlich eine so konstruktive Anhö-rung begleiten zu dürfen. Ich habe für unseren Verband den Eindruck, dass durchaus vernünftige Argumente vorgebracht worden sind, die ihrerseits nicht nur gewägt wer-den sollten, sondern auch tatsächlich gewägt werden. Ich möchte ausdrücklich auf die Ausführung einer Vorrednerin eingehen und für unse-ren Verband deutlich machen, dass wir es schon so sehen – ganz anders, als es die Kol-legin Weigel-Greilich es vorhin dargestellt oder für sich interpretiert hat –, dass wenn Mit-tel auf Landes- und Bundesebene in den Kassen fehlen, es nicht sein kann, das Mecha-nismen angestrebt und angestrengt werden, durch die auf kommunaler Ebene die Steuerschraube eingedreht werden muss, um solche Lücken zu füllen. Ich möchte einen weiteren Punkt aufgreifen, der zuvor von einem der Sachverständi-gen erwähnt wurde. Darin wurde im Grunde dargelegt – ich glaube, das ist auch von Herrn Kaufmann aufgegriffen worden –, dass der Gesetzentwurf verfassungsgemäß ist und auf die Ausrichtung, dass wir dieses Gesetz gerichtsfest auf die Füße stellen wollen und sollen – Sie möchten und müssen es tun – möchte ich hinweisen, dass es mit der Ausfüllung des Gesamttopfes in der vertikalen Ausrichtung durchaus verknüpft werden kann. Es wird immer noch verfassungsgemäß sein, wenn bei der Bedarfsermittlung der Stabili-tätsansatz nicht so gesehen wird, als dass es eine Draufgabe ist, sondern – und da möchte ich gerne noch einmal einen Bezug zu unseren mit dem Herrn Minister geführ-ten Gesprächen herstellen – Sport haben Sie als Landesgesetzgeber vor einigen Jahren in die Verfassung geschrieben und zur Pflichtaufgabe ernannt. In der Frage der KFA-

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De/jo – 104 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Strukturierung wird es in allgemeinen Klauseln untergebracht, nicht aber als Pflicht plat-ziert. Das gilt entsprechend auch für Kultur- und Wirtschaftsförderung. Insoweit plädieren wir ausdrücklich dafür, die Ausgestaltung der Summe in der Vertikalen mit einer ande-ren Größenordnung zu versehen, und zwar nicht einfach im Allgemeinen, sondern mit der eben genannten Begründung bzw. so, wie sie in unserer schriftlichen Stellungnahme ausgeführt ist. Zum Nachdenken möchte ich als Letztes gerne folgenden Punkt aufgreifen: Die Kas-senkredite wurden bereits von mehreren angesprochen. Wir haben auch konkrete Zah-len dazu gehört, ohne dies jetzt vertiefen zu wollen. Kassenkredite sind dazu da, das laufende Geschäft im Betrieb der Kommunen zu überbrücken bzw. aufrechterhalten zu können. Wenn wir in die Addition der Kassenkredite der letzten Jahre hineinsehen, müss-ten wir ggf. oder vielleicht sogar tatsächlich zu dem Ergebnis kommen, keine mehr auf-nehmen zu können, weil die Grundfinanzierung quasi nur über Kassenkredite sicherge-stellt ist. Um es einmal etwas pointiert zu sagen: Wir zahlen Sozialhilfe oder Löhne aus, indem wir Kassenkredite aufnehmen und wissen, dass wir sie nicht im laufenden Jahr – nicht ein-mal im nächsten Jahr – werden abbezahlen können. Insoweit möchte ich das gerne mit der Tatsache verknüpfen, dass wir bei dem Ergebnis der vertikalen Bedarfsermittlung auf eine Summe kommen, die unter dem Strich schon jetzt deutlich macht – nach dem, was wir heute alles gehört haben –, dass sie nicht ausreichen wird, die Hausaufgaben im Tagesgeschäft erfüllen zu können. Daher rege ich an und wünsche auch für unseren Verband ausdrücklich, dass auch unter diesem Aspekt – ich formuliere es einmal ein bisschen flapsig nach dem Motto: Wer die Musik bestellt, mag sie bezahlen – noch einmal über die vertikale Ausgestaltung nachgedacht wird. Abschließend noch zwei oder drei Punkte. Herr Dette hat es vorhin erwähnt: Die Grund-lage für die Berechnung sind die Jahre bis 2012, während wir die U3-Betreuung enorm aufgestockt haben, Aufgaben, die sich mittlerweile in den aktuellen Zahlen widerspie-geln und die wir vorher nicht hatten. Wir haben Themen wir Kindergartenfreistellung vor einigen Jahren durch die Landesebene vorgegeben bzw. zugerufen bekommen – wenn ich es richtig im Kopf habe, sind es 100 €, die wir für das letzte Kindergartenjahr zugewiesen bekommen. Fakt ist, dass die Kosten deutlich höher ausfallen und die Diffe-renz bei uns bleibt. Um nur ein letztes Beispiel im Zusammenhang mit der Wasserrechtsrahmenrichtlinie zu nennen: Was hier vor uns liegt berührt Standards, die wir heute nicht miteinander disku-tiert haben, was aber ganz gewiss die finanzielle Welt der kommunalen Ebene nachhal-tig, und zwar negativ, berührt. Vorsitzender: Vielen Dank für Ihr Schlusswort, Herr Vizepräsident. – Wünscht noch je-mand von Ihnen das Wort? Bitte schön, Herr Engelhardt. Herr Engelhardt: Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Erst einmal vielen Dank für die viele Zeit, die Sie sich genommen haben, um mit uns dieses sehr komplexe The-ma zu erörtern. Gleichwohl ist das, was wir heute besprochen haben, wenig im Verhält-nis zu all dem, was wir schriftlich vorgetragen haben; denn das Vorhaben ist nun einmal sehr umfangreich.

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De/jo – 105 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Ich habe mir gerade überlegt, wie es wäre, wenn für alle hier im Saal anwesenden Per-sonen anhand einer mathematischen Formel der ideale Nährstoffbedarf ausgerechnet würde, also das, was man so zu essen bekommt. Ich glaube, spätestens nach dem drit-ten oder vierten Tag es Hungerns würden sich alle beschweren und sagen, der eine oder andere habe sich verrechnet. Das Ganze würde nur dann funktionieren, wenn genug zu essen für alle da wäre. Das ist zwar ein sehr weit hergeholtes Bild, aber es zeigt ein Stück weit das, was dieser neue KFA versucht: Er versucht, für eine extrem heterogene Landschaft – am Ende ist keine Kommune in Hessen wie die andere – eine maßgeschneiderte Finanzierung zu finden. Dieses Vorhaben muss scheitern, soweit nicht genug Puffer da ist, dass sich jeder in dem, was für ihn geschneidert wurde – auch, wenn es nicht genau passt – wohl fühlt. Dass dieser Puffer nicht da ist, zeigt gerade der Umstand, dass wir allesamt Konsolidie-rungskonzepte, Sparpläne etc. schreiben. Das heißt also, wir verteilen vermeintlich zu wenig mit einem Rechenmodell, und das ist ein sehr, sehr schwieriger Weg. Wir haben nun dieses viel komplexere KFA-System, viel komplexer als der alte, aber nicht komplex genug, um fair zu sein. Sie haben von uns viele verschiedene Punkte vor-getragen bekommen, die meiner Ansicht nach zu Recht zeigen, wieso dieses komplexe System nicht fair ist, wieso der Korridor und die Basis dafür nicht funktionieren kann. Wie so viele andere Punkte ist es aus unserer Sicht zwar gut ausgedacht, aber nicht richtig zu Ende gedacht. Die Frage ist nun, was Sie als Fraktionen dieses Landtags daraus machen. Da möchte ich doch noch einmal auf die Zahlen zu sprechen kommen. Die hessischen Landkreise, die nach dem neuen KFA im Prinzip nicht mehr bekommen, als wenn der alte KFA fort-geschrieben worden wäre, hatten im Jahr 2014 ein Finanzierungsdefizit von rund 290 Millionen €. Die deutschen Landkreise haben einen Finanzierungsüberschuss von 900 Millionen €, gäbe es die Hessen nicht. Das heißt, die deutschen Landkreise haben einen Überschuss von etwa 610 Millionen € in der Summe inklusive Hessen, und wir haben die-ses Ergebnis negativ „versaut“. Das zeigt dramatisch, wie viel schlechter wir in Hessen finanziert sind oder wie viel mehr Aufgaben wir haben und entsprechend mehr ausgeben müssen – denn aus beidem folgt es – als der Rest in Deutschland. Das zeigt auch, dass ein KFA aus Sicht der Land-kreise für diese weitaus mehr Geld bringen müsste, damit wir in der Lage versetzt wür-den, unsere Aufgabe ohne Defizit zu erfüllen und unsere Schulden zurückzuzahlen. Das also ist im Großen und Ganzen noch einmal das Dilemma. Die Frage, die ich an Sie stelle, lautet nicht, an welcher Stellschraube Sie im Detail drehen wollen; denn wenn Sie an einer Stellschraube dieses Konzepts drehen, ändert sich einiges andere, was auf den ersten Blick gar nicht absehbar ist, weil dieses System so stark miteinander zusammen-hängt. Es bleibt also die Frage: Wie viel Geld stellen Sie für die Kommunen in Hessen zur Verfügung? Alles, was derzeit auf dem Tisch liegt, wird für uns nicht ausreichen. Deswegen möchte ich mit einem konkreten Änderungsappell schließen. Es ist nicht meine Aufgabe, mit Ihnen zu verhandeln – das kann ich gar nicht, das muss unser Prä-sident tun. Ich will allerdings zwei Dinge aufgreifen, die er als mögliche erste Schritte angesprochen hat; denn ich bin Realist genug zu wissen, dass es nicht möglich ist, das System des KFA – so mangelhaft es in manchen Bereichen ist und so gut es in manchen Bereichen ist – neu zu gliedern. Dazu reicht die Zeit nicht.

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De/jo – 106 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Aber zwei Dinge könnten Sie in einem ersten Schritt tun. Das erste hat nur indirekt mit dem KFA zu tun: Finanzieren Sie die Aufwendungen im Bereich der Flüchtlinge voll. Es gibt keinen erkennbaren Grund, wieso die Aufwendungen im Bereich der Flüchtlinge nicht ausreichend finanziert werden und das daraus resultierende Defizit nicht einmal im KFA aufgefüllt wird. Der KFA unterstellt, dass im Flüchtlingsbereich von den Kommunen kein Cent draufgezahlt wird – der KFA unterstellt, es sei ein durchlaufender Posten –, während wir in der Realität draufzahlen, und zwar viele, viele Millionen Euro pro Jahr. Das passt überhaupt nicht, daher wäre das ein erster Schritt. Das Zweite. Geben Sie die zusätzlichen Mittel, die vom Bund kommen und zur Entlas-tung der Kommunen gedacht sind, 1:1 an uns weiter. Wenn diese beiden Änderungen kurzfristig auf den Weg gebracht würden – dazu müssten Sie das Konzept des KFA nicht ändern –, haben Sie im Rahmen der Nachbesserungs- und Beobachtungsperiode, die Sie sich vorgenommen haben, die besten Möglichkeiten, etwas für die Kommunen zu tun. Das ist ein Stück weit das, was ich aus dem Redebeitrag von Erich Pipa ableite, den er vorhin gehalten hat. Diese beiden Punkte hat er explizit als dringend verbesserungsbe-dürftig angesprochen: Wie werden die Bundesmittel an uns weitergeleitet? Bitte 1:1, und darüber hinaus die Frage der Finanzierung der Flüchtlinge. Ich glaube, das wäre ein guter erster Schritt. Dann sollten wir uns gemeinsam daran machen, zu versuchen, dieses Komplexe System – auch, wenn es vielleicht noch komplexer wird – tatsächlich fair zu machen. – Ganz herzlichen Dank. Vorsitzender: Vielen Dank für Ihr Schluss-Statement. – Jetzt kommt Herr Dr. Dieter ans Rednerpult. Bitte schön. Herr Dr. Dieter: Nach den Regeln, die Sie aufgestellt haben, spreche ich vom Pult aus, Herr Vorsitzender. Demnach werden Statements von vorne abgegeben, Zwischenfra-gen und Nachfragen vom Platz aus. – Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren Ab-geordneten, meine Damen und Herren! Wir haben in der Diskussion regelmäßig den Vorhalt erlebt, die Kommunen wollten nur mehr Geld, gewissermaßen als Pflichtformel unseres Begehrens. Heute haben wir erlebt, dass es uns in der Realität der Diskussion darum gehen muss, durch das neue Gesetz nicht weniger Geld als zuvor zu haben. Es gibt die stolze Meldung über den KFA 2016, in der es heißt, 1 Milliarde € werde freiwillig oben drauf gelegt, so eine Pressemeldung des Finanzministeriums vor etwa 70 oder 80 Minuten. Das ist nichts anderes als das, was wir nach dem alten Recht hätten. Wir haben also mit Mühe die Position in 2016 bewahrt, die wir vorher hatten. Wenn das Gesetz so Realität wird, wie es angelegt ist – es wurde heute mehrfach ge-sagt –, verlieren wir ab nächstem Jahr alleine schon durch die Bundeszuweisungen von 2,5 Milliarden € bundesweit, 175 Millionen € in Hessen, dieses Geld. Das ist § 9 Abs. 1 Satz 4, den wir als Städtetag zur Streichung vorschlagen, wie es eben schon der Kollege Engelhardt zu Recht vorgeschlagen hat. Streichen Sie diesen Satz; denn damit hätten wir einen wichtigen Schritt auf dem Weg einer wenigstens nicht mit Verlusten versehe-nen Neuregelung.

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De/jo – 107 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Ebenfalls sind wir nicht damit einverstanden, dass der Stabilitätsansatz mit Zuwächsen, die erfolgen – sei es durch Bedarfsminderung oder zusätzliche Steuererträge –, abge-schmolzen wird. Nur ein zu 100 % bestehender Stabilitätsansatz versetzt uns in die Lage, überhaupt so über diese Finanzierung reden zu können, dass es kein Verlust ist. Wohl-gemerkt: Die 400 Millionen €, gegen die wir vor mittlerweile vier Jahren dort draußen vor der Tür demonstriert haben, sind bei allen Konstellationen nicht mehr mit enthalten. Wir haben uns heute darüber gestritten – juristisch gesehen ist das der Hauptpunkt –, ob dieses Geld wirklich freiwillig oben drauf gelegt wird, wie aus Sicht des Ministeriums und von manchen Gutachtern der Fall ist, oder ob es einen Anspruch gibt, wie die Spitzen-verbände meinen. An dieser Stelle weise ich noch einmal auf ein mögliches Missverständnis hin: Es wird immer wieder gesagt, es sei ein bedarfsorientierter KFA, nun zähle nicht mehr die Ver-bundquote, sondern der Bedarf. Das ist nicht Inhalt des Urteils des Staatsgerichtshofs. Der Staatsgerichtshof hat gesagt, dass sich der Mindestbedarf, die Mindestausstattung nach Bedarf richtet – die pflichtigen Leistungen und ein Mindestmaß freiwilliger Leistun-gen –, das ist das Existenzminimum der Kommunen, das sich nach Bedarf richtet. Die angemessene Ausstattung der Kommunen – also das, was zu einer guten Kommu-nalpolitik erforderlich ist – ist mehr. Herr Abg. Hahn hat es vorhin mit einer Handbewe-gung verdeutlicht. Ich kann es gerne nachmachen: Hier liegt der Mindestbedarf, hier die angemessene Ausstattung – das ist deutlich mehr.

(Zuruf) – Wenn Sie ein Lineal dabei haben, messen Sie es aus. – Wir können dieses Gap nicht dadurch füllen, dass wir gerade noch 1,03 % der Verbundmasse nach 106 GG nutzen. Der Abstand zwischen dem Existenzminimum und einer guten Kommunalpolitik beläuft sich auf rund 4 % der gesamten Finanzausgleichsmasse, das kann mit 1,03 % nicht ge-füllt werden. Darum werden wir uns weiter streiten. Die Frage der Verteilungssymmetrie werden wir künftig intensiv diskutieren und beant-worten müssen. Es ist schade, dass trotz unserer Aufforderung das Wort „Verteilungs-symmetrie“ überhaupt erst ganz am Schluss Eingang in die Begründung, geschweige denn in den Gesetzestext gefunden hat, als Sie Stellung zu unserer Position genommen haben. Das ist das einzige Mal, dass das Wort „Verteilungssymmetrie“ vorkommt, ob-wohl es im Staatsgerichtshofsurteil steht und obwohl es ein ganz wesentlicher Maßstab für eine angemessene Finanzausstattung ist. Ich persönlich bin sogar der Überzeugung, dass wir am Ende, wenn sich die Fragen des Bedarfs weiterentwickeln, gar nicht umhin kommen, nicht nur den Ertrag von Land und Kommunen gegenseitig abzugleichen, sondern dass die Defizite, also auch der vom Land betriebene Aufwand mit unserem Bedarf, verglichen werden müssen. Nur dann wird eine echte Verteilungssymmetrie möglich. Ich will deutlich sagen, dass es ein bisschen schade ist, dass die wirklich innovative Ar-beit des Finanzministeriums, die man in diesem Ansatz loben kann, die aus einem Jah-resrechnungsergebnis in verschiedenen Rechenschritten zu einer Bedarfsermittlung kommt, die wirklich innovativ und vorbildgeben ist – nicht nur für das Land Hessen, es kann sogar Vorbild für viele andere Finanzausgleichssysteme sein – selbst konterkariert worden ist, weil man der Versuchung nicht widerstanden hat, auch etwas für den Lan-deshaushalt im Sinne der Schuldenbremse zu tun. Bildlich gesprochen vergleiche ich es

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De/jo – 108 – HHA/19/18 – 17.06.2015 gerne folgendermaßen: Es ist so, als würden Sie einen neuen Boden einlegen wollen, die Bodenfläche wunderbar grundieren, spachteln und eine hervorragende Basis schaffen – dies hat das Finanzministerium getan –, um dann einen alten, verfilzten Tep-pichboden daraufzulegen. Das ist sehr schade. Sie haben vieles von dem, was an guter Vorbereitungsarbeit geleis-tet worden ist, konterkariert. Es steht unter dem Stichwort des Thüringer Korridormodells, über das viel gesprochen wurde. Wir haben es als „Steinzeitmodell“ bezeichnet, weil es moderne finanzwissenschaftliche Aspekte von Regressionsrechnungen oder Adressaten nicht beinhaltet, weil es letztlich unfair ist, da es überhaupt keine Chance gibt, wirt-schaftliches Verhalten darzustellen. Selbst wenn Sie die richtigen Adressaten wählen würden, kämen Sie nie über den Durchschnitt hinaus, weil der Durchschnitt zugleich die Obergrenze ist. Das ist in etwa so – um auch diesen bildlichen Vergleich zu wiederholen –, als würden zwei Fußballmannschaften gegeneinander antreten, und man weiß schon sicher, dass die eine Mannschaft verlieren muss, weil die Spielregeln so geartet sind, dass sie nie gewinnen kann und das Beste für sie erreichbare ein Unentschieden ist für den ganz unwahrscheinlichen Fall, dass alle exakt genau denselben Durchschnittsbedarf pro Ein-wohner haben – ich glaube, ein Sechser im Lotto ist wahrscheinlicher. Wir als Kommunen sind von vornherein in der Wirtschaftlichkeitsberechnung oder der Angemessenheitsberechnung, wie Sie sie nennen, zum Verlieren gestempelt. Darin be-steht der Webfehler des Systems. Wir sehen die Möglichkeit – auch, wenn Sie es an dieser Stelle hinsichtlich der Thüringer Korridorlösung nicht mehr grundlegend ändern –, dieses System in den nächsten Jahren weiterzuentwickeln und zu optimieren. Wir sind bereit dazu und reichen dazu die Hand, genauso, wie wir schon sehr früh zur Optimierung der Daten gesagt haben – ich glau-be, schon vor über einem Jahr –, gemeinsam für höchste Datenqualität arbeiten zu wollen. Damit haben wir begonnen, das wird uns beschäftigen. Es geht darum, solche Fragen gemeinsam weiterzuentwickeln. Die Zuversicht, die der Präsident unseres Verbandes, Herr Oberbürgermeister Hilgen, am Ende seines Redebeitrags heute Morgen zum Ausdruck gebracht hat, lautet: Wir glau-ben immer noch daran, dass das, was jetzt im Gesetz steht, nicht Ihr letztes Wort ist. Wir rechnen noch immer damit, dass Sie zumindest bei den Hauptschlagadern dieses neu-en Rechts, sprich: bei der Frage der Bundesmittel, die Sie abziehen wollen und bei dem Stabilitätsansatz, den Sie abschmelzen wollen, gesprächs- und kompromissbereit sind. Davon lassen wir nicht ab und rechnen mit Gemeinsamkeiten zwischen Land und Kommunen. In diesem Sinne lasse ich viele Details weg, die noch anzusprechen wären, dafür haben wir vermutlich auch nicht mehr die Zeit. Das Wichtigste ist gesagt. – Vielen Dank. Vorsitzender: Danke auch Ihnen für das Schluss-Statement des Hessischen Städtetags. – Ich habe noch eine Wortmeldung von Herrn Dr. Leder. Herr Dr. Leder: Herr Vorsitzender, Herr Staatsminister, meine Damen und Herren! Ich möchte nur einen Beitrag von Frau Weigel-Greilich aufgreifen, der mir bedenkenswert erscheint. Sie hat nämlich nicht nur auf Steuererhöhungen hingewiesen, sondern sie hat

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De/jo – 109 – HHA/19/18 – 17.06.2015 auch gesagt, dass wenn die Gelder nicht mehr steigen, man über Standards diskutieren sollte. – Das ist etwas, was wir als Industrie- und Handelskammern sicher unterschreiben, das halten wir für sehr bedenkenswert. Vorsitzender: Vielen Dank. – Aus den Reihen der Ausschussmitglieder habe ich zwei Ab-schlusswortmeldungen von Herrn Kaufmann und Herrn Schork. Abg. Frank-Peter Kaufmann: Herr Vorsitzender, meine sehr verehrten Damen und Her-ren! Zunächst möchte ich mich auch im Namen der Abgeordneten meiner Fraktion ganz herzlich bei den Anzuhörenden bedanken. Ich weiß, Sie vertreten Interessen, ebenso wie wir welche zu vertreten haben. Insgesamt ist es wohl einerseits eine Anstrengung für alle gewesen, hier so konzentriert zu arbeiten und andererseits – dafür mein Respekt, und zwar in alle Richtungen –, dass wir uns wechselseitig sehr sachbezogen ausgetauscht haben. Ich sage das bewusst, obwohl mir der allerletzte Beitrag des Städtetags nicht so richtig gut gefallen hat, aber darauf komme ich gleich noch einmal. Jeder kämpft für seine Interessen, das muss man auch, und das tun wir ebenfalls. Des-wegen will ich es an den Anfang stellen weil es mir gelegentlich so schien, als könnte es der eine oder andere vergessen, ohne es jemandem ernsthaft unterstellen zu wollen: Wir reden nicht über das Verschieben von Geldmengen aus anonymen Quellen, son-dern wir reden alle gleichermaßen von dem Geld des Steuerzahlers, um das wir alle uns zu kümmern haben. Es gibt kein Geld, das dem Land gehört, es gibt kein Geld, das dem Bund gehört und es gibt kein Geld, das den Kommunen gehört, sondern es gibt insgesamt die Leistungen der Steuerzahler an uns, damit wir unsere Gemeinschaft und unsere Gesellschaft vernünftig organisieren. Daher sollte man immer wechselseitig dem, was der andere tut, mit Respekt begegnen; denn keiner hat die Absicht, den anderen zu ärgern oder zu quälen. Das ist sozusagen mein erster Punkt. Wenn Herr Dr. Dieter vorbringt, man habe mit Mühe gewahrt, was man hatte, könnte ich in dieser Diktion frech zurückantworten: Und das trotz eines Urteils, wonach Ihnen nicht das gegeben wurde, was zu bekommen Sie gehofft hatten, nämlich mehr Geld. Vielmehr haben Sie ein Urteil bekommen nach dem Motto: Das, was Sie bekommen, muss hergeleitet und begründet sein. Darüber diskutieren wir an vielen Stellen. Wenn Sie dann noch sagen, das Unterste sei das Existenzminimum der Kommunen, so will ich das in keiner Weise bestreiten. Aber in diesem Sinne gibt es auch ein Existenzmi-nimum des Landes; denn Lehrer, Polizisten und viele mehr wollen auch alle etwas ha-ben, ebenso wie alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, diejenigen, die kein relevan-tes Steuerfindungsrecht haben noch die Möglichkeit, sich über Kredite zu finanzieren. Insoweit spielt hier vielleicht das – geringfügig, aber nicht völlig übertriebene – Bild eine Rolle, dass wir zwischen den Mühlsteinen sitzen und am Ende die Pflicht haben, die Kommunen gemäß dem Urteil zu bezahlen und auf der anderen Seite auch unsere Pflichten erfüllen müssen. Deswegen habe ich auch nach der Problematik der Symmet-rie bzw. der Symmetrieverteilung unter Berücksichtigung unserer jeweiligen Aufgaben gefragt, die allemal dazugehören und nicht nur die Entwicklung der Einnahmen. Heute Morgen sagte Herr Präsident Schäfer, was man anstrebe seien – sehr verkürzt, aber schon charakteristisch – weniger volatile und mehr sichere Finanzquellen. Dazu

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De/jo – 110 – HHA/19/18 – 17.06.2015 würde ich sagen, das alte Recht war maximal volatil, und zwar waren die Steuerein-nahmen in der Verbundquote am Ende diejenigen, die die finanziellen Möglichkeiten sowohl der einen als auch der anderen Seite bestimmt haben. Wenn Sie so wollen, hat die kommunale Seite an dieser Stelle den – wenn man es so nennen will – Erfolg vor Ge-richt erstritten, dass das neue Recht nicht mehr so volatil sein kann wie das alte, sondern Sie haben einen Garantieposten in Form des Festansatzes, der Ihnen – egal, wie schlecht es dem Land geht – immer zur Verfügung steht. Das ist sozusagen so etwas Ähnliches wie eine Kaskoversicherung. Wenn ich es so interpretieren darf: Ihre Kritik zielt darauf, dass es nur eine Teilkasko- und keine Vollkaskoversicherung ist. Das ist es ganz unstrittigerweise sicherlich nicht, nur könnte auch niemand eine Vollkaskoversicherung bezahlen. Genau das ist der Punkt, weswegen wir in Detailfragen diskutieren und darüber streiten: Wenn das Land die Versicherung gewähren muss – und das müssen und wollen wir ja auch im Sinne der Hilfe für die Kommunen –, müssen wir uns auch irgendwie absichern. Da sind wir z. B. bei dem Drittel an Rücklage. Das ist keine Rücklage des Landes, son-dern eine Absicherung der ggf. eintretenden „Versicherungsleistung“. Das sind Punkte, die so vermutlich verständlich sind. Ich möchte es nicht zu sehr vertiefen, weil wir wohl keine neue Diskussionsrunde beginnen wollen. Ich wollte es nur noch einmal zu beden-ken geben. Nochmals vielen Dank für Ihre zahlreichen Beiträge, die wir gelesen haben. Darüber hinaus werden wir auch noch einmal das Protokoll sehr genau studieren, um alle Einzel-heiten auch des heutigen Tages einordnen zu können. Ansonsten sage ich – auch, wenn es mir als Grünem ein bisschen schwer fällt, und das können Sie auch als Versicherung mitnehmen –, es gilt nach Peter Struck: Kein Gesetz kommt so aus dem Parlament heraus, wie es eingebracht worden ist. – Das soll sozusa-gen eine versöhnliche Botschaft sein. Wir denken weiter darüber nach und wir sehen auch, dass man durchaus noch Argumente bewerten muss. Was dabei herauskommt, werden wir vielleicht in weiteren Gesprächen und am Ende noch vor der Sommerpause sehen. Ich denke, es ist selbstverständlich, dass wir – das sage ich auf uns bezogen, aber wahr-scheinlich auch die Gesamtheit des Hessischen Landtags – mit der kommunalen Familie auch einen Modus Vivendi finden wollen, mit dem alle gut leben können. Vorsitzender: Vielen Dank. – Als nächster Redner spricht Kollege Schork. Abg. Günter Schork: Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, nach knapp sieben Stunden Anhörung zu einem derart spannenden und komplexen Thema wie dem KFA und dem Verlauf unserer heu-tigen Diskussion darf ich als Abgeordneter in zweifacher Weise Dank sagen. Der erste Punkt ist, dass sich der Großteil von Ihnen schlicht und einfach die Zeit ge-nommen hat und zu uns gekommen ist, um dieses Thema mit uns zu diskutieren. Zum Zweiten – das möchte ich ausdrücklich betonen, weil es dazu im Vorfeld die eine oder andere Befürchtung gegeben hat – möchte ich mich für die intensive, konstruktive und sachliche Diskussion bedanken.

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De/jo – 111 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Insofern erlaube ich mir, Herrn Papendick etwas zu widersprechen: So viel Pulverdampf, wie er bei der Diskussion gesehen hat, habe ich heute nicht erkennen können. Ich glaube, wir alle haben uns sehr intensiv bemüht, an der Sache orientiert zu arbeiten und dabei selbstverständlich die unterschiedlichen Positionen auch sachgerecht und in der angemessenen Form auszutauschen. Dafür sind wir da, dafür sitzen wir auf unterschied-lichen Stühlen und dafür haben wir unterschiedliche Interessen zu bewahren und zu diskutieren. Ich glaube, dies ist uns ziemlich gut gelungen. Dafür möchte ich mich na-mens der CDU-Fraktion noch einmal ausdrücklich bedanken. Die einzelnen Aussagen möchte ich gar nicht bewerten. Zu Beginn haben wir gesagt, dass wir uns in einem Diskussionsprozess befinden. Nach der Einbringung dieses Geset-zes in den Hessischen Landtag haben wir als CDU-Fraktion gesagt, wir sehen uns diesen Gesetzentwurf an, wir führen eine schriftliche und eine mündliche Anhörung durch, und alle dort vorgetragenen Argumente sind zu bewerten. Ich hoffe, Sie haben an unseren Beiträgen zu den einzelnen Standpunkten bemerkt, dass wir uns in der Tat sehr intensiv mit den einzelnen Fragestellungen auseinanderge-setzt haben. Das machen wir nicht aus Jux und Tollerei, sondern es ist so, dass wir uns in einem offenen Diskussionsprozess befinden. Der wird voraussichtlich im Juli mit der drit-ten Lesung des Gesetzentwurfs im Hessischen Landtag abgeschlossen. Bis dahin werden wir selbstverständlich alle Anregungen und alle Diskussionsbeiträge noch einmal prüfen und noch einmal bewerten und sicher in dem einen oder anderen Fall zu Änderungen im Gesetz kommen. Das wird der weitere Prozess zeigen. Ich bin auch so weit bei den Kommunalen Spitzenverbänden, dass mit der Verabschie-dung des Gesetzes in dritter Lesung in diesem Jahr die Diskussion und die weitere Arbeit an dem Kommunalen Finanzausgleich und an den Finanzbeziehungen zwischen Kom-munen und dem Land Hessen nicht abgeschlossen sind – nicht umsonst haben wir in diesem Gesetz die Evaluation und ein paar Vereinbarungen in Bezug auf Sonderstatus-städte und ähnliche Dinge aufgenommen. Insofern lassen Sie uns bitte die Zeit bis zum 22., 23. Juli noch nutzen, um weiterhin im Gespräch zu bleiben und am Ende zu einem Kommunalen Finanzausgleich zu kommen, bei dem wir alle hoffentlich sagen können: Das ist zwar für uns alle nicht das Optimale, aber wir können alle damit leben. – Das ist nach wie vor unsere Zielsetzung, und in die-sem Sinne noch einmal ein herzliches Dankeschön für den heutigen Tag. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Kollege Schork. – Kollege Schmitt. Abg. Norbert Schmitt: Für die SPD-Fraktion darf ich mich auch bedanken. Ich darf mich für viele Anregungen und zusätzliche Argumente aus unserer Sicht bedanken. Es wird Sie nicht überraschen, dass wir natürlich über Änderungsanträge nachdenken, insbesondere bei zwei aus unserer Sicht zentralen Fragen, die auch heute vorgetragen wurden: das Thema Bundesmittel und das Thema, wie man die Kommunen angemes-sen an Steuerzuwächsen des Landes beteiligt. Sie wissen es selbst: Das Korridormodell ist im Gesetzestext nicht verankert. Daher ist es schwierig, das durch Änderungsanträge anzugehen.

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Sp/sc – 112 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Selbstverständlich behalten wir uns eine juristische Prüfung vor. Vieles, was heute vorge-tragen wurde, war juristischer Art. Am Ende werden es wahrscheinlich sowieso Gerichte entscheiden. Aus unserer Sicht aber ist dieser Gesetzentwurf jedenfalls politisch nicht tragbar. Im Übrigen halte ich meine Rede am kommenden Mittwoch. Wir haben dazu einen Antrag gestellt, um im Plenum möglicherweise schon eine erste Diskussion über Ergeb-nisse dieser Anhörung zu diskutieren. Abg. Willi van Ooyen: Herr Vorsitzender, meine Kolleginnen und Kollegen, meine Da-men und Herren! Auch von uns vielen Dank für diese Anhörung. Ich habe es wahrge-nommen, dass hier noch einmal der Versuch unternommen wurde – lieber Frank Kauf-mann, es gibt hier keine egalitäre Situation, sondern es geht um Machtgefälle, das hier auch sichtbar wird – und die Vertreter der Kommunen hier sehr eindeutig dieses Forum genutzt haben, um noch einmal so etwas wie eine Klagemauer zu errichten und anzu-mahnen, dass dort großer Änderungsbedarf existiert. Ich hoffe, die Mächtigen in die-sem Land zeigen Einsehen, damit hier tatsächlich noch Änderungen passieren. Zwar bin ich da nicht sehr hoffnungsfroh, denn ich weiß, die Kürzungsorgien sind in Hessen die dominante Größe der Politik. Dennoch ist es wichtig, dass sich die Kommunen eindeutig positioniert und eindeutig gesagt haben, durch dieses Gesetz ist die Auskömmlichkeit für sie selbst nicht gegeben, und deshalb mahnen sie dringend Änderungen an, sowohl ganz konkrete als auch in der langfristigen Wirkung. Die Bedrohlichkeit besteht ja darin, dass man möglicherweise da noch einmal ein Nasengeld und dort ein Zubrot verteilt, aber im Grunde genommen ist die langfristige Wirkung eines solchen KFA der Dominanz der Kürzungspolitik zugehörig. Daher habe ich große Bedenken, dass die Kommunen tatsächlich ausreichend finanziert werden und sich darauf verlassen können, dass sie auch nach dem Jahr 2016 ihre Arbeit tatsächlich sinnvoll gestalten können. Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn: Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen und auch Anzuhörende! Ich muss jetzt 28 Jahre lang diesem Gremium angehören, um zum ersten Mal zu erleben, dass nach einer so umfangreichen Anhörung jede Fraktion noch einen Kommentar dazu abgibt. Das lernt man vielleicht erst im 29. Jahr. Ich bedanke mich natürlich auch bei Ihnen. Da ich mit einigen von Ihnen in den letzten Wochen – und nicht nur mit einigen, sondern mit vielen – gesprochen habe: Meine Vor-stellung, das dauert sieben Stunden, war richtig. Meine Hoffnung an Sie, dass Sie sehr emotionslos, dennoch aber sehr klar und deutlich aus der jeweiligen Sicht ihre Kritik, aber auch ihr Lob am Gesetzentwurf der Landesregierung vortragen, war ebenfalls rich-tig. Jetzt hoffe ich, genau wie viele andere, dass diese sieben Stunden, die wir hier in-vestiert haben, multipliziert mit vielleicht 85 Personen, vielleicht auch 105 – – Das ergibt schon eine ganz schöne Summe, die Besoldungsstufe hier ist auch eher der gehobene und höhere Dienst, als Minimum. Ich hoffe, dabei kommt auch etwas heraus. Ich gebe zu: Diese Hoffnung werde ich bis zur dritten Lesung behalten, aber alleine der Beitrag von Ihnen, lieber Kollege Schork, hat mich schon wieder irritiert. Der Einzige, der eins auf den Hut bekommen hat, war der Vertreter der Steuerzahler. Ich hoffe, das ist nicht symptomatisch. – Ich bedanke mich dafür, dass Sie hier gewesen sind.

(Abg. Günter Schork: Er hat überhaupt nichts auf den Hut bekommen!)

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Sp/sc – 113 – HHA/19/18 – 17.06.2015 Vorsitzender: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für heute sind die Argumente ausge-tauscht. Es gibt noch weiteren Raum dafür, auch in den Plenardebatten zur zweiten und dritten Lesung. Ich darf mich im Namen des Haushaltsausschusses sehr herzlich bei allen Anzuhörenden dafür bedanken, dass Sie gekommen sind, und insbesondere auch für Ihre schriftlichen und mündlichen Statements. Herzlichen Dank! Sie werden sicherlich hilfreich für die wei-teren Beratungen sein. Inwieweit sie angenommen und umgesetzt werden, vermag ich als Vorsitzender hier nicht zu interpretieren. Aber ich bedanke mich bei allen, natürlich auch bei den Kolleginnen und Kollegen, auch bei den Mitarbeitern der Häuser, bei meinem Stellvertreter, Herrn Landau, und natürlich bei Herrn Zinßer und allen Kollegin-nen und Kollegen der Kanzlei und der Organisation, die im Hintergrund dafür gesorgt haben, dass diese Sitzung heute nicht nur friedlich, sondern auch technisch reibungslos verlaufen ist. Dafür herzlichen Dank. Zum Schluss darf ich feststellen: Wir haben die mündliche Anhörung in öffentlicher Sit-zung durchgeführt. Herzlichen Dank Ihnen allen und einen guten Nachhauseweg. Wiesbaden, 7. Juli 2015 Für die Protokollierung: Der Vorsitzende:

gez. Wolfgang Decker

Hanns Otto Zinßer