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Eine Handreichung Kriterien für die Verpachtung von Kirchenland in der Evangelischen Kirche von Westfalen Evangelische Kirche von Westfalen

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Kriterien für die Verpachtung von Kirchenland in der Evangelischen Kirche von Westfalen

Evangelische Kirche von Westfalen

Redaktion:Dr. Peter Markus, Manfred Berger, Dirk Hillerkus, Volker Rotthauwe, Finanz-und Vermögensaufsicht Landeskirchenamt

Schwerte, 2017

Bildnachweis: ©Volker Jeck, Ort: Kirchengemeinde Unna-Lünern

Gestaltung: G. Lieberknecht

Kontakt: [email protected]

Bestellung: [email protected]

Kriterien für die Verpachtung von Kirchenland in der

Evangelischen Kirche von Westfalen

Eine Handreichung

1. Einleitung

Die Verpachtung von Kirchenland für die Landwirtschaft rückt im-mer mehr in den Fokus des öffentlichen Interesses. Täglich verliert die Landwirtschaft in NRW 1 ha Fläche für Wohnbebauung oder Indus-trieansiedlungen. Die Pachtpreise sind in vielen Regionen der Ev. Kir-che von Westfalen extrem gestiegen. In Zeiten niedriger Zinsen und große Kapitalreserven bieten Investoren z.T. Pachtzahlungen an, die auf der Fläche von der Landwirtschaft nicht mehr erwirtschaftet wer-den können. Es ist ein „Kampf um die Fläche“ entbrannt, in dem die bäuerliche Landwirtschaft oft nicht mehr mithalten kann. Viele Land-wirte und Landwirtinnen müssen aufgeben. Zugleich steigt der Bedarf an ökologisch produzierten Lebensmitteln, die zum immer größeren Teil importiert werden müssen.

Es ist Zeit, Kriterien für die Verpachtung von Kirchenland zu formu-lieren und das Gespräch mit den Landwirten und Landwirtinnen (wie-der) zu suchen. Die Gemeinden innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland verfügen schätzungsweise über 325.000 ha Fläche, größtenteils in den neuen Bundesländern. In der westfälischen Kirche liegen die landwirtschaftlich genutzten Flächen alle im Gemeindebe-sitz und werden i.d.R. mit dem landeskirchlichen Musterpachtvertrag von den Kirchengemeinden selbst verpachtet. Zugleich ist vielerorts ein Abbruch der Kommunikation zu verzeichnen. Waren evangelische Landwirte oder Landwirtinnen in früheren Zeiten häufig Mitglied in einem Presbyterium, ist dies heute weit weniger der Fall. Auch das Wissen der Pfarrer und Pfarrerinnen und Presbyterien um die Her-ausforderungen in der Landwirtschaft hat eher ab – als zugenommen.

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Die Evangelische Kirche in Deutschland hat bereits 2003 „Ethische Leitlinien für eine nachhaltige Landwirtschaft“ entwickelt und die-se in ihrer Studie: „Unser tägliches Brot gib uns heute. Neue Wei-chenstellung für Agrarentwicklung und Welternährung“ 2015 weiter differenziert. Sie empfiehlt u.a.:“ Besondere ökologische Leistungen der Betriebe wie Ökolandbau oder Vertragsnaturschutz sollen bei der Vergabeentscheidung für Pachtland honoriert werden.“ (2)

Der „Ökumenische Runde Tisch Kirche und Landwirtschaft im Müns-terland und Tecklenburger Land“ hat 2016 in mehreren Treffen mit Landwirten und Landwirtinnen, Vertretern und Vertreterinnen von Gemeinden, Kirchenkreisen und dem Bistum Münster, ethische Krite-rien der Landverpachtung diskutiert und der Kirchenkreis Hamm hat eine Handreichung zum Umgang mit Kirchenpachtland entwickelt.

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Auf diesen Grundlagen empfiehlt die Evangelische Kirche von Westfalen folgende Schritte:

2. Den Dialog zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und Kirchengemeinde aktiv suchen und gestalten

Die EKvW schließt sich dem „Loccumer Appell“ zur Verpachtung von Kirchenland vom 04.09.2016 an (3):

1. Kirchen sollten sich der Bedeutung und des Wertes ihres Bodens bewusst sein.2. Kirchen und Kirchengemeinden müssen sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein

und Verantwortung für ihr Land übernehmen.3. Kirchengemeinden sollten bei der Verpachtung ökonomische, ökologische und

soziale Aspekte berücksichtigen (Nachhaltigkeit).4. Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen sind aufgefordert, sich für die

Bewahrung der Schöpfung aktiv einzusetzen, z.B. für Biodiversität, Luft, Wasser, Boden.

5. Die Leitlinien für die Verpachtung liefern die Landeskirchen, die konkrete Ausge-staltung der Vergabekriterien sollte auf regionaler und lokaler Ebene erfolgen.

6. Kirchengemeinden sollten die Vergabe des Kirchenlandes transparent gestalten.7. Kirchengemeinden sind aufgefordert, als Verpächter diese Ziele in einem wert-

schätzenden Dialog mit Pächtern von Kirchenland umzusetzen.8. Kirchengemeinden sollten offen sein für einen Dialog mit unterschiedlichen Inte-

ressengruppen9. Die Kirchengemeinden sollten dabei ihre Unabhängigkeit gegenüber Dritten wah-

ren.10. Menschen in den Kirchengemeinden sollten befähigt werden, ihre Verantwortung

wahrnehmen zu können. 7

3. Leitlinien für die Verpachtung

Es gibt Zielkonflikte zwischen den Anforderungen der einzelnen Kriterien, die sich nicht alle harmonisieren lassen. Aber jedes Presbyterium, das Land verpachtet, sollte im Dialog mit potentiellen Pächtern und Pächte-rinnen zu einer begründeten eigenen Entscheidung kommen. Die Leitlini-en orientieren sich an der Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland, „Unser tägliches Brot gib uns heute“.

3.1 Ökologische Kriterien

Handelt es sich um einen ökologisch zertifizierten Betrieb (Demeter, Bioland etc.) (4)Wirtschaftet der konventionelle Betriebe unter nachhaltigen Krite-rien, z.B. durch zusätzliche Anstrengungen im Bereich Tierwohl und Tiergesundheit ( Weidegang für Rinder; Spielmaterial für Schweine; keine Enthornung von Kälbern; keine Haltung auf Vollspaltböden, kei-ne nicht-kurativen Eingriffe am Tier; Reduktion von Antibiotika auf das notwendige Maß, Verfütterung von überwiegend heimischem gentechnikfreien Futter) (5)Wird im Ackerbau die Biodiversität gefördert durch Nischen und Rückzugsräume, durch vielfältige Fruchtfolgen, durch integrierten Pflanzenschutz, durch Einhaltung der Bewirtschaftungsgrenzen und durch ausschließlich bedarfsgerechten Einsatz von Wirtschafts- und MineraldüngerKann durch die Verpachtung jungen Öko-Landwirten und -landwirtin-nen eine Perspektive gegeben werdenIst der Betrieb im Vertragsnaturschutz aktiv

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3.2 Soziale Kriterien

Handelt es sich um einen lokalen bäuerlichen Familienbetrieb, der ei-genverantwortlich geführt, im Besitz der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital istNimmt der Betrieb seine Verantwortung für den Sozialraum wahrIst der Landwirt, die Landwirtin Mitglied der evangelischen oder ka-tholischen Kirche und engagiert sich dortWie sind die Arbeitsbedingungen und Sozialstandards der Mitarbei-tenden, insbesondere für die saisonalen Erntehelfer und Erntehelfe-rinnenKann jungen Landwirten und Landwirtinnen durch die Verpachtung eine Berufsperspektive gegeben werden

3.3 Ökonomische Kriterien

Ist für den bisherigen Pächter, die bisherige Pächterin der Pachtpreis zum Überleben notwendigKann durch den Pachtpreis ökologischer Landbau und Tierhaltung ge-fördert, bzw. aufgebaut werdenHält der Pachtpreis die Balance zwischen der, am regionalen Markt-preis orientierten kaufmännischen Verantwortung und der an der „Be-wahrung der Schöpfung“ orientierten ökologischen und sozialen Ver-antwortung der Kirchengemeinde.

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4. Empfehlungen

Richten Sie regionale und lokale Runde Tische „Kirche und Landwirt-schaft“ ein. Suchen Sie den Kontakt zu allen relevanten lokalen Akteuren vor Aus-laufen der Pachtverträge.Die automatische Verlängerung von Pachtverträgen ist die Ausnahme. In der Regel nutzen sie als Kirchengemeinde ihren inhaltlichen, am kirchlichen Auftrag orientierten Gestaltungsauftrag und überprüfen die bestehenden Verträge daraufhinKoordinieren sie ihr Vorgehen auf Kirchenkreisebene und mit der kreiskirchlichen Verwaltung.Achten Sie darauf, vertragliche Regelungen auch regelmäßig zu kont-rollieren (vgl. Grundstücksbegehung mit Stellungnahme des Leitungs-organs gemäß VwO).Dokumentieren Sie den Prozess, um maximale Transparenz zu gewähr-leisten.

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5. Anmerkungen

(1) Siehe dazu: www.lanuv.nrw.de/natur/vertragsnaturschutz/

(2) EKD (Hg.), „Unser tägliches Brot gib uns heute“. Neue Weichen-stellung für Agrarentwicklung und Welternährung. Eine Studie der Kammer der EKD für nachhaltige Entwicklung, Hannover 2015, S. 172; Vgl. auch: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Der be-drohte Boden. Ein Expertentext aus sozialethischer Perspektive zum Schutz des Bodens, Bonn 2016

(3) Der Appel wurde u.a. von Vertretern und Vertreterinnen des Evan-gelischen Dienst auf dem Land (EDL) und der kath. Landvolkbewegung (KLB) entwickelt

(4) Eine Auflistung und ein Vergleich aller Bio-Siegel findet sich bei: http://biodukte.de/biosiegel

(5) Die Kriterien des Arbeitspapieres „Offensive Nachhaltigkeit“ des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) sind hier hilfreich: http://www.wlv.de/presse/pressemeldungen/wlv/2016/11/5_Offensive_Nachhaltigkeit_Erlauterung.pdf

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