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Kultur, Identität und Konflikt in Asien und Südostasien Aurel Croissant / Christoph Trinn

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Kultur, Identität und Konflikt in Asien und Südostasien

Aurel Croissant / Christoph Trinn

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Kultur, Identität und Konflikt in Asien und Südostasien Aurel Croissant / Christoph Trinn

Resonsible: Malte C. Boecker, LL.M. Senior Expert International Culture Dialogue Bertelsmann Stiftung Telefon 05241 81-81368 Mobile 0172 2795994 Fax 05241 81-681368 E-Mail [email protected] www.bertelsmann-stiftung.de

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Inhalt

1 Einleitung ....................................................................... 4

2 Kulturelle Konflikte als Kultur thematisierende Konflikte ......................................................................... 5

3 Vom Konzept zur Empirie. Datengrundlage und Messung ........................................................................ 9

4 Eine empirische Topographie der kulturellen Konflikte in Asien seit 1945.......................................... 10

4.1 Relevanz und Formen kulturellen Konflikte ..........................10

4.2 Die Konfliktakteure ...............................................................14

4.3 Die Schwerpunktländer des regionalen Konfliktgeschehens ..............................................................18

5 Kulturelle Konflikte in Südostasien............................... 19

5.1 Die regionale Perspektive ....................................................19

5.2 Die Einzelfallperspektive ......................................................21

5.3 Gegenbeispiele: Konfliktmanagement auf regionaler Ebene und die Mediation kultureller Konflikte in Malaysia und Singapur.........................................................34

6 Fazit ............................................................................. 38

7 Literatur........................................................................ 40

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1 Einleitung Asien wird im Westen vor allem als ein Schauplatz wirtschaftlicher Veränderungen wahrgenom-men. Tatsächlich verfügt der Kontinent seit Jahrzehnten über einige der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften weltweit. Japan, Singapur, Südkorea und Taiwan zählen zu den wirtschaftlich am stärkten entwickelten Gesellschaften der Erde. Sie bieten ihren Bürgern ein Maß an materieller Sicherheit und Lebenschancen, das mit dem vieler westlicher Gesellschaften ver-gleichbar ist oder sogar übersteigt. In den vergangenen 15 Jahren hat sich Indien zu einer neuen Wirtschaftsmacht zu entwickeln. Schätzungen der Weltbank für das Jahr 2020 prognostizieren die Volksrepublik China als führende Weltwirtschaftsmacht. Neben dem Bild eines prosperierenden Asien und seiner Wachstumsmärkte gibt es jedoch auch eine andere Wahrnehmung asiatischer Entwicklungen. Denn viele Gesellschaften sind geprägt von dem Aufbrechen gewaltsamer innerstaatlicher Konflikte. Insbesondere seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 werden soziale Konflikte und Gewalt in Asien von den politischen Ent-scheidungsträgern und Medien im Westen mit Sorge betrachtet. Dabei ist vor allem Südostasien, Heimat von einem Fünftel der weltweit etwa 1,2 Milliarden Muslime, in den Ruf einer Brutstätte religiöser Gewalt geraten. Manche Beobachter (etwa Gunaratna 2002) sehen gar eine asiatische Zone des religiösen Extremismus von Usbekistan, Tadschikistan und Xinjiang über Afghanistan, Pakistan, Indien, Sri Lanka und Bangladesch bis nach Burma, Thailand, Malaysia, Indonesien und die Südphilippinen. Beide Wahrnehmungen haben ihre Berechtigung. Dies ist der Tatsache geschuldet, das die Län-der Asiens politisch und wirtschaftlich gravierende Unterschiede aufweisen. Demokratien stehen autokratischen Herrschaftssystemen gegenüber, einige der ärmsten Entwicklungsländer der Welt rasant wachsenden Volkswirtschaften. Die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt liegen neben kleinen Ländern, die sich oftmals durch ihre Nachbarn bedroht fühlen. Auch kulturell ist die Region ausgesprochen heterogen. Südasien ist historisch und kulturell vor allem durch indisch-hinduistische, buddhistische und islamische Elemente geprägt ist. Nordost-asien wird häufig als konfuzianischer Kulturraum charakterisiert. In Südostasien vermischen sich die kulturell-historischen Einflüsse aus beiden Regionen, wobei das kontinentale Südostasien stär-ker buddhistisch und das maritime Südostasien stärker durch Islam und Katholizismus (Philippinen) beeinflusst wurden. Auch innerhalb der Länder wirken unterschiedliche kulturelle und religiöse Einflüsse. Ethnisch homogene Länder wie Japan und Korea kontrastieren mit den sprach-lich-religiös heterogenen Gesellschaften in Süd- und Südostasien. Wohl wissend um die Komplexität der historischen und aktuellen Wandlungsprozesse in Asien rückt dieser Beitrag ein Phänomen in den Mittelpunkt der Analyse, das in der jüngsten Vergangen-heit besondere Aufmerksamkeit erfahren hat: das Phänomen der kulturell imprägnierten oder thematisierten Konflikte in Asien. Kulturelle Konflikte sind solche politischen innerstaatlichen, zwischen-staatlichen oder transnatio-nalen Konflikte, in denen die beteiligten Akteure die Konfliktfelder Religion, Sprache und/oder Historizität thematisieren. Der Fokus auf „kulturelle Konflikte“ impliziert keine Hinwendung zu einer vereinfachenden konflikttheoretischen Perspektive, welche Kultur oder kulturelle Phänomen wie Religion, Sprache oder Geschichtserfahrung als Auslöser oder Ursache von Konflikten innerhalb oder zwischen Gesellschaften interpretiert.

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Das Adjektiv „kulturell“ verweist hier nicht auf die Motive von Akteuren in einem Konflikt, sondern auf das Thema des Konflikts. Für die Bestimmung eines Konflikts als „kulturell“ ist nicht relevant, „warum“ eine Auseinandersetzung stattfindet, sondern „worüber“ sie geführt wird. Der Schwerpunkt unserer Untersuchung liegt auf der Region Südostasien, d.h. die zehn Mitglied-staaten der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN). Das Erkenntnisinteresse der Studie gilt der empirischen Bestandsaufnahme von Formen, Entwicklungen und Mustern kultureller Kon-flikte in Asien und Südostasien. Fünf Argumentationsschritte leiten durch unsere Ausführungen. Im ersten Schritt bestimmen wir kulturelle Konflikte. Der zweite Schritt führt von der Konzeptbildung auf die empirische Ebene. Im dritten Schritt geben wir einen gerafften Überblick zum kulturell im-prägnierten Konfliktgeschehen in Asien. Im vierten Schritt beschäftigen wir uns mit kulturellen Konflikten in Südostasien. Abschließend wird ein Fazit unserer Überlegungen gezogen.

2 Kulturelle Konflikte als Kultur thematisierende Konflikte Jede sozialwissenschaftliche Konfliktanalyse bedarf einer hinreichenden theoretischen Fundierung und klarer Begrifflichkeiten. Auf die Thematik dieser Untersuchung bezogen erfordert dies ein theo-retisch fundiertes und der empirischen Analyse zugängliches Konzept des „kulturellen Konflikts“. Wir haben ein solches Konzept an anderer Stelle ausführlich hergeleitet (Croissant et al. 2009), so dass hier einige knappe Ausführungen genügen. Den Ausgangspunkt unserer Überlegungen bildet die Annahme, dass es sich bei kulturellen Kon-flikten um eine spezifische Erscheinungsform politischer Konflikte handelt. Wie andere Formen politischer Konflikte sind auch kulturelle Konflikte letztlich nichts anderes als Kommunikationssitua-tionen zwischen zwei oder mehr Akteuren („Konfliktparteien“; vgl. Gurr 1970: 223ff.). Die Konfliktparteien sind die Kommunikationspartner, die Konfliktmaßnahmen die Kommunikationsmit-tel (Medien) und der Konfliktgegenstand ist der Kommunikationsinhalt (Thema). Als Kommunikationsmittel kommen nicht nur sprachliche Äußerungen sondern jede Form von sozialer Handlung in Frage. Politische Konflikte lassen sich in zweifacher Hinsicht differenzieren (1) im Hinblick auf die beteiligten Kommunikations- und Konfliktparteien:

� Innerstaatliche Konflikte zwischen nicht-staatlichen Akteuren innerhalb eines Staates oder zwischen einem Staat und einem nicht-staatlichen Akteur in diesem Staat.

� Zwischenstaatliche Konflikten, in denen Staaten die Konfliktparteien sind. � Transnationale Konflikte zwischen nicht-staatlichen Akteuren unterschiedlicher nationaler

Herkunft oder zwischen einem Staat und nicht-staatlichen Akteuren aus anderen Staaten. (2) im Hinblick auf den inhaltlichen Bezugspunkt der Konfliktkommunikation:

� In machtpolitischen Konflikten dreht sich die Konfliktkommunikation um den Zugang zu autoritativen Positionen in Staat und Gesellschaft oder im internationalen System („Machtverteilung“).

� In sozioökonomischen Konflikten bilden die Verteilung von Gütern und Rechten in oder zwischen Gesellschaften sowie die dieser Verteilung zugrunde liegenden Mechanismen den Inhalt der Auseinandersetzung („ökonomische Teilhabe“).

� In kulturellen Konflikten bildet Kultur den Inhalt der Kommunikation.

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Politische Konflikte sind Kommunikationssituationen. Sie lassen sich unterscheiden nach Kom-munikationsakteur (nicht staatlich, staatlich, transnational) und nach Kommunikationsinhalt (Macht, Ressourcen, Kultur).

Kultur wird als ein Bedeutungsgewebe verstanden, das zur Hervorbringung und Wahrung der Iden-tität eines Kollektivs konstituiert wird (Geertz 1994: 9). Alles, was von einer Gesellschaft zur Hervorbringung und Wahrung der kollektiven Identität konstruiert und sodann von den Akteuren in einer Kommunikationssituation als Kontext aufgebaut wird, gehört zum Bereich des Kulturellen1. Dabei ist Kultur stets bedeutungsbezogen, wie bereits Max Weber (1988: 180) festgestellt hat: „Kultur ist ein vom Standpunkt des Menschen aus mit Sinn und Bedeutung bedachter endlicher Ausschnitt aus der sinnlosen Unendlichkeit des Weltgeschehens“.

Mit der Eingrenzung auf den Identitäts- und Bedeutungsbereich wird ein Kulturbegriff mittlerer Reichweite gewählt. Er grenzt sich ab von dem engen soziologischen Kulturbegriff (Kultur als Komplex aus Standards, Werten und Normen und ihren Symbolisierungen) und von dem weiten ethnologischen Kulturbegriff (Kultur als Inbegriff menschlicher Lebensweise) abgrenzt. Der Vor-zug des identitätsbezogenen Kulturbegriffs mittlerer Reichweite liegt in seiner Praktikabilität: Er nimmt exakt jenen Ausschnitt der Wirklichkeit in den Blick, der im aktuellen Diskurs von Interesse ist: Identitäten.

Politischer Konflikt als Kommunikation ist stets in einem strukturellen Kontext verortet. Dieser Kon-text bildet den Rahmen der Kommunikation und standardisiert sie, da er bestimmte Themen und den Einsatz bestimmter Medien zu bestimmten Zeiten durch bestimmte Akteure wahrscheinlicher macht, als entsprechend denkbare Alternativen (Krallmann / Ziemann 2001: 249; Hansen 2000: 39; Billington et al. 1991: 5). Für die Beschäftigung mit kulturellen Konflikten ist in erster Linie der soziokulturelle (Teil-)Kontext von Bedeutung. Er kann differenziert werden in den gesellschaftlichen (institutionell-prozedurale politische sowie ökonomischen und demografischen Strukturen) und den kulturellen Kontext (d. h.: Kultur). Jeder politische Konflikt nimmt als Kommunikation Bezug auf seinen Kontext. Kulturelle Konflikte stechen durch eine Besonderheit hervor: Kulturelle Konflikte nehmen nicht einfach Bezug auf den kulturellen Kontext – in kulturellen Konflikten wird der kulturelle Kontext selbst zum Gegenstand des Konflikts. Die besondere Brisanz kultureller Konflikte liegt darin, dass sie nicht primär über einen eindeutig bestimmbaren, interessengeleiteten (und damit prinzipiell verhandelbaren) Ge-genstand geführt werden, sondern dass die Akteure eine fundamentale Differenz hinsichtlich des Rahmens, in dem Kommunikation stattfindet, wahrnehmen oder behaupten: Es besteht nicht mehr nur ein Gegensatz hinsichtlich der Interessen, sondern Akteur A erkennt oder glaubt zu erkennen, dass Akteur B im Kernbereich seiner Identität, in seinem Denken, Fühlen und Handeln von einem (weil kulturell und identitätsbezogen) grundlegend anderen Kontext geprägt ist als er selbst.

1 „Identität“ ist das Ergebnis selbstreferenzieller Bedeutungszuweisung, also das „Selbstverständnis“, das aus dem

Zusammenspiel von Kohärenz der bestimmenden Merkmale („Identität im engeren Sinne) und Differenz als Abgren-zung gegenüber dem Anderen („Alterität) hervorgeht (Gleason 1983).

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In herkömmlichen Konflikten bezieht sich die konfrontative Kommunikation auf einen thematischen Konfliktgegenstand („conflict issue“), der im Regelfall in expliziten Forderungen als eindeutig ab-grenzbares, interessengeleitetes Konfliktgut („conflict item“) formuliert wird. Im Unterschied dazu geht es in kulturellen Konflikten nicht um Interessen, sondern um Identität. Der Konfliktgegenstand bestimmt sich nicht danach, was die Akteure wollen oder zu wollen vorgeben, sondern was sie sind oder zu sein glauben. Auch wenn herkömmliche Konfliktgüter fast immer eine zusätzliche Rol-le spielen, konzentriert sich die Kommunikation in einem kulturellen Konflikt auf ein oder mehrere nicht explizit formulierte, identitätsbezogene Themen („conflict fields“).

Kulturelle Konflikte nehmen nicht einfach Bezug auf den kulturellen Kontext – in kulturellen Kon-flikten wird der kulturelle Kontext selbst zum Gegenstand des Konflikts: Der Rahmen der Kommunikation wird zum Thema. Kulturelle Konflikte sind politische Konflikte zwischen nicht-staatlichen und/oder staatlichen Akteure, in denen die Akteure Kultur thematisieren. Die Kommunikation in einem kulturellen Konflikt bezieht sich auf ein oder mehrere nicht explizit for-mulierte, identitätsbezogene Themen. Kulturelle Konflikte sind Identitätskonflikte.

Der Begriff „conflict field“ versucht, neben den „harten“, in der öffentlichen Diskussion meist klar benannten Ansprüchen auch „weichere“ und zugleich tiefergehende Konfliktgegenstände zu be-rücksichtigen. Zu beachten ist, dass Konfliktfelder Themen darstellen, nicht Motive: Sie drücken aus, worum es in dem Konflikt geht, worüber kommuniziert wird, nicht warum der Konflikt geführt wird, was also seine Ursachen sind (Seul 1999: 564). Die Befassung mit thematischen Konfliktge-genständen lässt außerdem offen, ob Akteure diese Themen authentisch ansprechen oder für nicht (öffentlich) genannte Zwecke instrumentalisieren. Als Konfliktfelder kommen drei Domänen oder Facetten von Kultur in Betracht: Religion, Sprache und Historizität („Geschichtlichkeit“). Sie lassen sich mittels der folgenden Indikatoren operationali-sieren, also empirisch erfassbar machen: Tabelle 1: Operationalisierung der Konfliktfelder Religion, Sprache und Historizität2

Konfliktfeld Indikator Beispiel

Religion Verbaler oder aktiver Verweis auf ein religiöses Symbol (Person oder Ge-genstand), der als Thematisierung von Religion verstanden wird.

Besuch eines Tempels durch den Re-gierungschef oder Attentat auf einen religiösen Führer.

Sprache Verbaler oder aktiver Verweis auf ein sprachliches Symbol (Person oder Ge-genstand), der als Thematisierung von Sprache verstanden wird.

Verbot einer Sprache an den Universi-täten oder linguistische Separierung von Dialekten.

2 Im historizitären Konfliktfeld hat auch die Problematisierung der Hautfarbe und Physiognomie ihren Platz – also das,

was im angelsächsischen Raum als „Rassenzugehörigkeit“ diskutiert wird. Die Hautfarbe „eignet“ sich aufgrund des langsamen Schwindens der Distinktheit besonders zur symbolischen Vergegenwärtigung von Herkunftsgeschicht-lichkeit. Der hier verwendete Historizitätsbegriff unterscheidet sich von seiner Verwendung in der Geschichts-wissenschaft, die unter „Historizität“ die Faktizität historischen Geschehens versteht.

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Konfliktfeld Indikator Beispiel

Historizität Verbaler oder aktiver Verweis auf ein Symbol (Person oder Gegenstand) mit Bezug zu markanten geschichtlichen Ereignissen oder zur historischen/ historisierenden Herkunftsgeschichte, wobei dieser Verweis als Thematisie-rung von Historizität verstanden wird.

Erbauung eines Kriegsdenkmals oder öffentlicher Diskurs über vorkoloniale Staatserfahrung.

Bei den identitätsbezogenen Konfliktfeldern kommt neben der reinen Mitteilung des Senders auch dem Verstehen auf Seiten des Mitteilungsempfängers Bedeutung zu3. Zusätzlich zur Handlung der Akteure muss also auch die Deutung des Geschehens durch die Akteure selbst mit in Betracht gezogen werden. Die Konfliktzuordnung erfolgt dichotom, das heißt, es wird untersucht, ob ein Kulturfeld angesprochen wird oder nicht. Daraus ergeben sich die folgenden möglichen Konfliktty-pen: Tabelle 2: Typen kultureller Konflikte

Religion Sprache Historizität Konflikttypen

0 0 0 nicht-kultureller Konflikt

1 0 0 religiöser Konflikt

0 1 0 sprachlicher Konflikt

1 1 0 religiös-sprachlicher Konflikt

0 0 1 historizitärer Konflikt

Um ein naheliegendes Missverständnis zu vermeiden: Dieses Konzept von „kulturellen Konflikten“ grenzt sich deutlich von anderen Konzepten wie „ethnische“, „rassische“ oder „religiöse“ Konflikte ab: „Ethnische Konflikte“ sind politische Konflikte zwischen Ethnien oder zumindest unter Beteili-gung mindestens einer Ethnie. Das definierende Merkmal ethnischer Konflikte sind die Akteure. Wer die Akteure sind, determiniert jedoch nicht, worüber sie kommunizieren. Der Inhalt der Ausei-nandersetzung, das Thema des Konflikts, bleibt weitgehend im Dunkeln. Die Annahme, dass Ethnien stets und primär um ihre Identität kämpfen, ist jedoch ein Kurzschluss. „Ethnische“ Konflik-te können auch um machtpolitische oder sozioökonomische Konfliktgüter geführt werden. Während es bei Ethnien zumindest vorstellbar ist, dass eine ethnische Gruppe als Ganzes als Ak-teur auftritt, ist dies bei Religionen oder „Rassen“ kaum plausibel. Oftmals wird als Ersatzakteur eine organisierte (meist nicht-staatliche) Konfliktpartei substituiert, die mit einer entsprechenden Religion oder „Rasse“ in Verbindung steht. Es ist nicht plausible, einen Konflikt bereits dann als „religiös“ einzustufen, weil eine der beteiligten Organisationen ausschließlich aus Hindus, Sikhs, Christen oder Muslimen besteht.

3 So wurde die Zerstörung christlicher Kirchen in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs von Bevölkerung und

Regierung nicht als Verweis auf ein religiöses Symbol verstanden (übereinstimmend mit den Absichten der Alliierten) und der Krieg somit nicht als religiöser Konflikt gedeutet.

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Entsprechend dem Themenfeld der Konfliktkommunikation lassen sich drei Grundformen („Ty-pen“) von kulturellen Konflikten unterscheiden: religiöse, sprachliche und historizitäre Konflikte. Konzept-logisch und empirisch sind Kombinationen („Mischtypen“) der Grundtypen möglich. Im Unterschied zu Konzepten wie „ethnisch“ oder „rassischen“ Konflikten orientiert sich diese Beg-riffssystematik nicht an den Akteuren („Ethnien“, „Rassen“) sondern wiederum an den Konfliktthemen (Religion, Sprache, Geschichtlichkeit).

3 Vom Konzept zur Empirie. Datengrundlage und Messung Theoretische und konzeptionelle Überlegungen sind ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur wis-senschaftlichen Analyse realer Konflikte. Gleichfalls notwendig ist ein zweiter Arbeitsschritt – die Operationalisierung und Messung des Forschungskonzepts. Hierzu stützten wir uns auf das Datenmaterial der am Institut für Politische Wissenschaft der Uni-versität Heidelberg aufgebauten und gepflegten Datenbank des „Conflict Information System“ (CONIS). CONIS wertet Informationen aus ausschließlich öffentlich zugänglichen Nachrichtenquel-len qualitativ aus und bereitet sie zum Zwecke einer Ereignisdatenanalyse auf. Der CONIS-Datensatz besitzt eine Reihe von komparativen Vorteilen gegenüber anderen Datenquellen wie dem Correlates-of-War-Datensatz (vgl. Sarkees 2000) oder dem Uppsala Conflict Database Pro-ject (vgl. Urdal 2006)4. 1. CONIS erfasst für den Zeitraum 1947-2007 sowohl inner- und zwischenstaatliche Kriege und

Gewaltkonflikte unterhalb der Kriegsschwelle als auch gewaltfrei ausgetragene Konflikte und ermöglicht somit eine Gesamtperspektive auf das globale Konfliktgeschehen.

2. Der CONIS-Datensatz erlaubt die Aufdeckung und Analyse von Konfliktdynamiken: angefan-gen bei der Frage, welche Phasen Konflikte durchlaufen, bis sie gewaltsam eskalieren, bis hin zur Analyse, wie lange Gewaltkonflikte dauern und wie oft der Wechsel zwischen Gewalt und Waffenstillstand bzw. Gewaltfreiheit durchlaufen wurde, bevor ein Konflikt dauerhaft beigelegt werden konnte.

3. Die CONIS-Datenbank untersucht die Entstehung von Konflikten auf unterschiedlichen Ebe-nen. Entsprechend umfasst das CONIS-Konfliktmodell insgesamt fünf Intensitätsstufen. Die erste („Disput“) markiert die Artikulation eines Interessengegensatzes, die zweite („gewaltfreie Krise“) die Drohung mit Gewalt. Die dritte Stufe („gewaltsame Krise“) beinhaltet die punktuelle Anwendung von Gewalt, in der vierten („begrenzter Krieg“) wird Gewalt geplant eingesetzt, oh-ne aber das Ziel zu verfolgen, den Gegner niederzuwerfen. Die fünfte Stufe – „Krieg“ – bedeutet die systematische Anwendung von Gewalt mit dem Ziel, den Gegner niederzuwerfen und ihm den eigenen Willen aufzuzwingen (Schwank 2008).

4. Neben Akteurskonstellationen und militärischen, ökonomischen, institutionellen und soziokultu-rellen Akteurscharakteristika erfasst CONIS vor allem Konfliktmaßnahmen, also konfliktrelevantes Handeln und konfliktrelevante Äußerungen der beteiligten Akteure. CONIS umfasst damit exakt jene Datenbestände, die für das Vorhaben dieser Untersuchung relevant sind.

4 Wie auch die anderen, gängigen Konfliktdatenbanken, basiert CONIS auf der Auswertung von open sources. Die

Auswertung der Informationen erfolgt durch inhaltsinterpretatorische Verfahren.

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4 Eine empirische Topographie der kulturellen Konflikte in Asien seit 19455

Im Weiteren erfolgt die Zuordnung empirischer Konflikte zu einem oder mehreren Konfliktfeldern auf der Grundlage der CONIS-Daten. Die Konfliktmaßnahmen werden im Rahmen des hier ver-wendeten Untersuchungsdesigns zur Einschätzung der Konfliktfelder verwendet, das heißt, ausgehend von dem, was die Akteure im Konfliktaustrag tun oder sagen, wird durch inhaltsanalyti-sche Interpretation des Geschehens bestimmt, um welches Thema der betreffende Konflikt geführt wird. Dabei nimmt die Analyse nachfolgend drei Aspekte des asiatischen Konfliktgeschehens ab 1945 in den Blick: 1. Die Relevanz und Formen kultureller Konflikte in Asien 2. Die Konfliktakteure 3. Die Schwerpunktländer des regionalen Konfliktgeschehens

4.1 Relevanz und Formen kulturellen Konflikte

4.1.1 Asien als überdurchschnittlich konfliktreiche Region Es gehört zu den gesicherten Erkenntnissen der quantitativen Konfliktforschung, dass Asien in den Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine im internationalen Vergleich besonders stark von Gewaltkonflikten geprägte Region gewesen ist. Unsere Auswertung des CONIS-Datensatzes bestätigt diese Annahme. Von 1945 bis Mitte der 60er Jahre lag der Anteil der Region an den kriegerischen Konflikten weltweit bei weit über 50 Pro-zent. In der Spitze (1950) ereigneten sich 16 von weltweit 19 Kriegen und begrenzten Kriegen in Asien.

5 Die Region Asien umfasst die folgenden 42 Staaten: Australien, Bangladesch, Bhutan, Brunei, VR China, Fidschi,

Indien, Indonesien, Japan, Kambodscha, Kasachstan, Kirgisistan, Kribiti, Nord-Korea, Süd-Korea, Laos, Malaysia, Malediven, Mars-hallinseln, Mikronesien, Mongolei, Myanmar, Nauru, Nepal, Neuseeland, Ost-Timor, Pakistan, Pa-lau, Papua-Neuguinea, Philippinen, Salomonen, Samoa, Singapur, Sri Lanka, Tadschikistan, Taiwan, Thailand, Tonga, Turkmenistan, Tuvalu, Usbe-kistan, Vanuatu, Vietnam. Wir danken Nicolas Schwank für die statistischen Auswertungen der CONIS-Datenbank.

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Abbildung 1: Asiens Anteil an Krisen (Konfliktstufe 3), begrenzten Kriegen (4) und Kriegen (5) weltweit (1945-2007, in %).

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1945 1955 1965 1975 1985 1995 2005

Anteil der Region Asien an denKonflikten mittlerer Intensität weltweit

Anteil der Region Asien an denKonflikten hoher Intensität weltweit

Mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Abflauen regionaler Spannungen Ende der 80er Jahre hat sich der Anteil Asiens an den kriegerischen Gewaltkonflikten, vor allem der hoch gewaltsamen Kriege (Konfliktstufe 5), deutlich verringert. Freilich hat sich der Trend in den letzten Jahren umge-kehrt: Gegenüber dem historischen Tiefständen von 1994 (24 Prozent) und 2000 (25 Prozent) ist der aktuelle (2007) Stand wieder auf 42 Prozent angewachsen. Auch bei den Konflikten mittlerer Intensität, d.h. Konflikten mit sporadischem, aber nicht systematischem Gewalteinsatz, verzeichnet Asien seit 1945 fast durchgängig die höchste Konfliktbelastung aller in CONIS erfassten Weltregi-onen.

4.1.2 Die Dominanz innerstaatlicher „Kleiner Kriege“ Die international vergleichende Forschung hat den Nachweis erbracht, dass es in den vergange-nen Jahrzehnten zu einer sukzessiven Verlagerung des weltweiten Konfliktgeschehens von der zwischen- auf die innerstaatliche Ebene gekommen ist. Unsere Analyse bestätigt diese Beobachtung auch für Asien. Wie in den meisten anderen Weltre-gionen liegt die Zahl der zwischenstaatlichen Konflikte seit Beginn der Datenerhebung kontinuierlich unter der Zahl der innerstaatlichen Gewaltkonflikte.

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Abbildung 2: Anzahl der innerstaatlichen und zwischenstaatlichen Konflikte in Asien, 1945-2007.

Jedoch hat sich die Schere zwischen beiden Konfliktarten in den vergangenen Dekaden und Jah-ren immer weiter geöffnet. Die Region kann in dieser Hinsicht als repräsentativ für weltweite Entwicklungen gelten. Hervorzuheben sind insbesondere das Einfrieren kriegerischer Konflikte innerhalb von Staaten auf einem relativ hohen Niveau sowie die drastische Zunahme innerstaatli-cher gewaltsamer Krisen seit dem Ende des Kalten Krieges. So lässt sich der von anderen Konfliktforschern diagnostizierte Trend hin zu „Kleinen Kriegen“ (Daase 1999) zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Gruppen sowie nicht-staatlicher Gruppie-rungen untereinander für Asien bestätigen. Diese Konflikte „geringer“ und „mittlerer Gewaltintensität“, in denen Gewalt in begrenztem Umfang, vereinzelt oder nur sporadisch einge-setzt wird und bei denen man deshalb kaum von Kriegen sprechen kann (Schwank 2008) sind allerdings in Asien kein neues Phänomen. Im Grunde prägen sie das Konfliktgeschehen in Asien schon seit Jahrzehnten.

4.1.3 Die Zunahme von Identitätskonflikten und die besondere Relevanz historizitärer Konflikte

Im globalen Konfliktgeschehen ist seit den 80er Jahren eine steigende Bedeutung von Konflikten, die kollektive Identität thematisieren, zu erkennen (Huntington 1997; Fox 2000; Croissant et al. 2009). In Asien dominieren kulturelle Konflikte das Konfliktgeschehen bereits seit 1945. Eine Zu-nahme der Identitätskonflikte ist jedoch auch in Asien seit dem Ende der 70er Jahre zu verzeichnen.

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Abbildung 3: Anzahl der kulturellen und nicht-kulturellen Konflikte in Asien (alle Konfliktstufen), 1945-2007.

Von den verschiedenen thematischen Typen kultureller Konflikte sind die historizitären Konflikte in Asien am häufigsten. Rein sprachliche Konflikte gibt es hingegen nur wenige. Die Entwicklung je-ner Konflikte, die sowohl Sprache als auch Religion thematisieren, ähnelt im Entwicklungsmuster dem der rein religiösen Konflikte. Deren Zahl nimmt in Asien (ähnlich wie in anderen Regionen) deutlich zu. Die Zahl religiös-sprachlicher Konflikte stagniert in Asien, d.h. „ethnisch“ gefärbte Kon-flikte verlieren an Bedeutung gegenüber religiös-ideologisch ausgerichteten Konflikten. Abbildung 4: Zahl der inner- und zwischenstaatlichen Konflikte nach Konflikttyp (alle Konfliktstu-fen), 1945-2007.

4.1.4 Kulturelle Konflikte in Asien sind primär innerstaatliche Konflikte Stärker noch als in anderen Weltregionen sind kulturelle Konflikte in Asien primär ein innerstaatli-ches Phänomen: 9 von 10 kulturellen Konflikten in Asien sind innerstaatlicher Art (92% im Vergleich zu 81% weltweit). Zum anderen thematisieren zwei von drei innerstaatlichen Konflikten (68%) in der ein oder anderen Form Kultur (weltweit: 56 Prozent).

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4.2 Die Konfliktakteure Welche Akteure oder Gruppen von Akteuren sind an kulturellen Konflikten in Asien beteiligt? Zu vermuten ist, dass aufgrund der hohen Zahl an kulturellen und innerstaatlichen Konflikten in der Region primär kulturelle nichtstaatliche Akteure das Konfliktgeschehen tragen. Tatsächlich ver-weist die quantitative und qualitativ vergleichende Konfliktforschung zu Asien auf die besondere Bedeutung von drei Akteursgruppen in der Region: � Weltanschaulich linksgerichtete Konfliktakteure, die in sogenannten „Anti-Regime-Kriegen“ das

innerstaatliche Konfliktgeschehen vor allem in Kontinentalasien und dem maritimen Südost-asien in den Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geprägt haben. Sie waren die Träger innerstaatlicher, nicht-kultureller Konflikte in Asien.

� Ethnische Aufstands- oder Sezessionsgruppen, die in horizontalen Konflikten zwischen kom-munalistischen Gruppen oder in vertikalen Konflikten gegen die Zentralregierung für kulturelle oder politische Selbstbestimmung oder um eine Neuverteilung ökonomischer Rechte kämpfen. Sie, so eine weitverbreitete These in der Literatur, prägen das Konfliktgeschehen vor allem in den 80er und 90er Jahren. Sie waren und sind die Träger innerstaatlicher, kultureller Konflikte.

� Religiös definierte, transnational agierende Organisationen oder Gruppen, die sich vorwiegend terroristischer Methoden des Konfliktaustrags bedienen. Ihre Bedeutung – so die in der regional spezialisierten Forschung stark umstrittene These – ist in den letzten etwa eineinhalb Dekaden stark gewachsen. Sie tragen das kulturelle, transnationale Konfliktgeschehen.

Der CONIS-Datensatz eignet sich auch zur Überprüfung dieser Annahmen. Auf der Grundlage der Forschungssystematik der CONIS-Datenbank lassen sich verschiedene Kategorien von Konfliktak-teuren unterscheiden: � Zu den „nicht-kulturellen“ Akteuren zählen (1) links- sowie (2) rechtsgerichtete politische Grup-

pierungen, (3) auf die Demokratisierung eines Regimes zielende Akteure, (4) anti-koloniale bzw. nationalistische Gruppen sowie (5) staatsverbundene Akteure auf sub- oder supranationa-ler Ebene.6

� Die kulturellen Akteure können in Anlehnung an die drei Domänen des Kulturellen in (1) religiös, (2) sprachlich und (3) historizitär definierten Akteuren unterschieden werden, wobei in die letzte Kategorie vor allem Gruppen fallen, die mit Transmigration, also Herkunftsgeschichte befasst sind, sowie traditionale Akteure.7

Innerhalb der beiden Ausrichtungen „kulturell“ bzw. „nicht-kulturell“ können die Kategorien kombi-niert werden. Hierdurch ergeben sich realiter 13 verschiedene Kategorien. Dementsprechend veranschaulicht die folgende Abbildung die Verteilung der verschiedenen, an politischen Konflikten in Asien beteiligten nicht-staatlichen Akteure, geordnet nach der jeweils maximalen Intensität eines Konflikts.

6 Zu den linksgerichteten Gruppen zählen beispielsweise die Maoisten in Nepal, zu den pro-demokratisch eingestellten

Akteuren die Reformasi-Bewegung in Malaysia. 7 Zu den religiösen Gruppen gehören beispielsweise Jemaah Islamiah (JI) und der indonesische Laskar Dschihad, zu

den sprachlich-religiös definierten Akteuren die Islamische Bewegung Ost-Turkestan (ETIM) im chinesischen Xinji-ang.

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Abbildung 5: Häufigkeit der Beteiligung unterschiedlicher Kategorien nichtstaatlicher Akteure an politischen Konflikten in Asien nach jeweils maximal erreichter Intensität.

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250le

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Krieg

begrenzter Krieg

gewaltsame Krise

gewaltlose Krise

Disput

Auf der Grundlage dieser deskriptiv-empirischen Bestandsaufnahme lassen sich fünf markante Charakteristika der Akteurslandschaft in asiatischen Konflikten und insbesondere in kulturellen Konflikten benennen.

4.2.1 Die Dominanz sprachlich-religiöser („ethnischer“) Akteure Nicht-staatliche Akteure, die durch gleichermaßen sprachliche und religiöse Merkmale definiert sind und die aufgrund ihrer Charakteristika in der bisherigen Forschung häufig als „ethnische“ Ak-teure bezeichnet werden, waren in insgesamt 219 Konfliktfällen beteiligt. Es folgen mit deutlichem Abstand religiöse Akteure (38 Fälle) und links-ideologische Akteure (34) wie die bis 1997 aktiven Roten Khmer in Kambodscha. Zu nennen sind schließlich auch zum einen historizitäre Akteure, d.h. vor allem traditionale Akteure oder solche Akteure, die, wie bspw. die Bengalis in den Chitta-gong Hill Tracts von Bangladesch, einen Bezug zu Transmigation aufweisen (29 Fälle), sowie zum anderen Gruppierungen, die Demokratisierungsforderungen gegenüber Staat und herrschenden Eliten in ihren Ländern artikulieren, z.B. die Demokratiebefürworter in Hongkong (28 Fälle).

4.2.2 Die besonders häufige Beteiligung von sprachlich-religiösen („ethnischen“) Akteu-ren an Gewaltkonflikten

Sprachlich-religiöse („ethnische“) Akteure, sind nicht nur absolut am häufigsten an Konflikten betei-ligt. Sie treten auch überproportional häufig in gewaltsam ausgetragenen Konflikten auf. Konflikte, an denen rein religiös definierte Gruppen beteiligt sind, werden zwar ebenfalls häufig gewaltsam ausgetragen. Zumindest in Asien haben diese Konflikte bislang jedoch nicht die Schwelle vom be-grenzten zum vollumfänglichen Krieg überschritten. Hingegen zeigen Konflikte mit ideologisch links orientierten Gruppen eine ähnliche Kriegsneigung wie Konflikte mit sprachlich-religiöser Akteursbe-teiligung.

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Tatsächlich scheint es so, dass ideologische Akteure, d.h. diesseitig ausgerichtete Weltanschau-ungsgemeinschaften, eher bereit scheinen, einen Krieg „bis zum bitteren Ende“ mit allem damit für die Bevölkerung einhergehenden Leid zu führen, als religiöse Akteure, also jenseitig orientierte Weltanschauungsgemeinschaften. Unterstreicht der religiöse Unterschied hingegen eine ohnehin schon sprachlich hervorstechende und womöglich historisch begründete Differenz zwischen Be-völkerungsgruppen, handelt es sich mithin um ethnonationalistische Akteure, ist der (defensive oder offensive) häufig im „mikro-nationalen“ Bereich zu beobachtende „Wir-gegen-sie“-Antrieb of-fenbar stark genug, eine Eskalation bis zum Äußersten in Kauf zu nehmen.

4.2.3 Die Bedeutung religiös definierter Akteure nimmt zu, während die Zahl der „ethni-schen“ Konfliktakteure relativ konstant bleibt

Betrachtet man die Beteiligung der unterschiedlichen Akteursgruppen an den verschiedenen Ty-pen kulturellen Konflikts8 (alle fünf Intensitätsstufen), zeigt sich, dass religiöse Gruppen – wie zu erwarten – am häufigsten an religiösen Konflikten beteiligt sind. Ihre Beteiligung hat insbesondere seit 1998 dramatisch zugenommen (vgl. Abb. 6). Dies korrespondiert mit dem Befund, dass die Zahl religiöser Konflikte seit dem gleichen Beobachtungsjahr deutlich zugenommen hat. Unsere Ergebnisse deuten demnach auf eine tatsächliche Bedeutungszunahme religiös definierter Akteure und der von ihnen getragenen religiösen Thematiken hin. Abbildung 6: Beteiligung nichtstaatlicher Akteure an religiösen Konflikten nach Akteurskategorie, 1945-2007.

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Anmerkung: Die Kategorie „Andere“ umfasst anti-kolonial/nationalistische, historizitäre, linksgerich-tete, pro-demokratische, rechtsgerichtete und subnational/supranationale Akteure. Am zweithäufigsten ist die Beteiligung sprachlich-religiöser („ethnischer“) Akteure an Religionskon-flikten. Auch dies überrascht kaum. Bedeutsam ist jedoch, dass die Zahl dieser Akteure – anders 8 Auf die Diskussion sprachlich-religiöser, sprachlicher und historizitärer Konflikte wird hier aus Platzgründen verzich-

tet. In politischen Konflikten, in denen Sprache das primäre Konfliktthema ist, sind im Allgemeinen Gruppen präsent, die durch alle drei Kulturmerkmale definiert werden: Sprache, Religion und Historizität. Deutlich am häufigsten an historizitären Konflik-ten beteiligt sind sprachlich-religiöse („ethnische“) Akteure. Geschichtsbezogene Konflikte wer-den somit in erster Linie von „ethnisch“ geprägten Gruppen geführt.

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als im Falle der religiösen Akteure – seit Beginn der 80er Jahre relativ unverändert geblieben ist. Akteure, die als „ethnisch“ bezeichnet werden können, nehmen damit seit nunmehr 25 Jahren zu-mindest in Asien nicht verstärkt an religiösen Konflikten teil. Würde man, wie zumeist geschieht, den Begriff des ethnischen Konflikts über die Beteiligung ethnischer Akteure definieren, so lautet der entsprechende Befund: die Bedeutung „ethnischer Konflikte“ in religiösen Kontexten hat in A-sien seit Anfang der 80er Jahre weder zu- noch abgenommen.

4.2.4 „Ethnische“ Akteure dominieren auch das nicht-kulturelle Konfliktgeschehen, wäh-rend linksgerichtete Gruppierungen an Bedeutung verloren haben

Bemerkenswertes liefert die Analyse des Akteursspektrums in nicht-kulturellen Konflikten. Wieder-um überwiegen hier die sprachlich-religiösen Akteure. Seit Mitte der 70er Jahre dominieren diese „ethnischen“ Akteure auch das nicht-kulturelle Konfliktgeschehen in Asien. Abbildung 7: Beteiligung nichtstaatlicher Akteure an nicht-kulturellen Konflikten in Asien nach Ak-teurskategorie, 1945-2007.

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Anmerkung: Die Kategorie „Andere“ umfasst anti-kolonial/nationalistische, historizitäre, linksgerich-tete & anti-kolonial/nationalistische, rechtsgerichtete, religiöse und subnational/supranationale Akteure. In der Region werden also politische Konflikte um interessengeleitete, zumeist machtpolitische oder ökonomische Güter häufig von zumeist in „mikro-nationaler“ Perspektive agierenden Gruppen geführt. Die nicht-kulturellen Konflikte in Asien weisen demnach oftmals einen in kulturellen Erfah-rungen und Konzepten gründenden Interessenshorizont auf: Das Interesse an der Machtverteilung in einem Staat oder an der Verteilung von Ressourcen oder Wohlstand ist in diesen Fällen regio-nal-partikularistisch rückgebunden. Demgegenüber ist die ehedem große Bedeutung linksgerichteter Gruppierungen seit Mitte der 70er Jahre rückläufig – lange vor dem Ende des Kalten Krieges waren viele Konfrontation ausge-fochten, andere Fronten verhärtet (vgl. Abb. 7). Zwar suggerieren die nackten Daten seit Ende der 90er Jahre eine „Renaissance“ in der Konfliktbeteiligung zu beobachten. Dieser Trend lässt sich

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jedoch geographisch eingrenzen: Er betrifft fast ausschließlich den indischen Subkontinent. Für das übrige Asien hingegen hält der Niedergang linksrevolutionärer Gruppierungen bislang an.

4.3 Die Schwerpunktländer des regionalen Konfliktgeschehens Schlüsselt man diese Zusammenhänge noch einmal in geographischer Hinsicht auf, so ergibt sich eine Kerngruppe von vier asiatischen Ländern – Myanmar, Indonesien, Indien sowie Tadschikistan –, die historisch betrachtet in besonderem Maße von kulturellen Kriegen und begrenzten Kriegen betroffen sind. Abbildung 8: Staaten in Asien mit der höchsten Belastung durch kulturelle Konflikte

N = 42; Der Konfliktbelastungsindex gibt die relative Belastung einzelner Länder durch Konflikte mittlerer Intensität (Konfliktstufe 3) und hoher Intensität (Konfliktstufen 4 und 5) an. Ein Belas-tungswert von 1 drückt aus, dass ein Staat in jedem Jahr seiner Existenz mindestens einen Konflikt der jeweiligen Kategorie aufweist, der Wert 0 steht dafür, dass in keinem einzigen Jahr ein solcher Konflikt beobachtet werden konnte. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch für kulturelle gewaltsame Krisen; allerdings erweitert sich dies-bezüglich die Gruppe der besonders betroffenen Staaten um Bangladesch, Pakistan, Philippinen, Ost-Timor, Thailand und Usbekistan (vgl. Annex 1).

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5 Kulturelle Konflikte in Südostasien Von den insgesamt zehn Nationen Südostasiens rangieren vier unter den am stärksten von kultu-rellen Gewaltkonflikten betroffen Staaten in Asien. Tatsächlich ist Südostasien im Vergleich zu der Zahl der Staaten und ihrer Bevölkerungsgröße überdurchschnittlich stark von kulturellen Konflikten belastet: 4 der 13 gewaltlosen Identitätskonflikte und 7 der 33 kulturellen Konflikte mittlerer Intensi-tät Asiens in Südostasien stattfinden. Von 68 kriegerischen Kulturkonflikten wurden 29 in Südostasien ausgetragen.

5.1 Die regionale Perspektive Grundsätzlich ist die Region Südostasien mit Blick auf die quantitativ erkennbaren Muster und Trends allerdings durchaus repräsentativ für ganz Asien. Der Anteil der kulturellen Konflikte an den politischen Konflikten insgesamt und über alle Intensitätsklassen hinweg ist fast identisch. So be-trägt der Anteil der kulturellen Konflikte in Südostasien (bzw. in Asien) an den gewaltlosen Konflikten insgesamt 33 (weltweit: 38) Prozent, an den Konflikten mittlerer Intensität insgesamt 58 (weltweit: 59) Prozent und an den kriegerischen Konflikten insgesamt 59 (weltweit: 64) Prozent. Bedeutsame Abweichungen von den vorangegangenen Befunden für Asien insgesamt ergeben sich jedoch in dreierlei Hinsicht:

5.1.1 Im Unterschied zu Asien insgesamt ist in Südostasien keine deutliche Verlagerung des Konfliktgeschehens auf Identitätskonflikte zu erkennen.

Anders als in Asien insgesamt geht die Schere zwischen kulturellen und nicht-kulturellen Konflikten in Südostasien nicht immer weiter auseinander, sondern beide Entwicklungslinien verlaufen relativ gleichmäßig (vgl. Abb. 9). Allein von der Mitte der 60er bis zur Mitte der 80er ist die beobachtbare Abweichung etwas größer. In dieser Zeit dominieren – untypisch für Asien als Ganzes – nicht kul-turelle sondern säkular-ideologische Konflikte, d.h. vor allem Regimekonflikte. Dieses Verhältnis hat sich schließlich zu Beginn des neuen Jahrhunderts umgekehrt. Abbildung 9: Anzahl der kulturellen und nicht-kulturellen Konflikte in Südostasien (alle Konflikte, 1945-2007).

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Zwar hat auch in Südostasien, wie die Grafik zeigt, die Zahl der kulturellen Konflikte mehr oder weniger kontinuierlich zugenommen und übersteigt inzwischen deutlich die Anzahl der nicht-kulturellen Konflikte. Doch von einer „dramatischen“ Zunahme speziell der kulturellen Konflikte kann keine Rede sein. Vielmehr hat die Zahl der Konflikte insgesamt über die vergangenen sechs Jahrzehnte zugenommen. Die Entwicklung der kulturellen Konflikte sticht hier nicht in besonderem Maße heraus. Ein genauerer Blick zeigt, dass die 1998 einsetzende Zunahme kultureller Konflikte nach einer Phase der relativen Stagnation zwischen 1991 und 1997 vor allem auf Identitätskonflik-te im Kontext des Demokratisierungsprozesses in Indonesien (Sulawesi, Molukken) sowie auf Konflikte mit islamistischen Vereinigungen in anderen Staaten (z.B. Kumpulan Mujahideen Malay-sia und Jemaah Islamiah) zurückzuführen ist.

5.1.2 Kulturelle Konflikte in Südostasien tendieren stärker zur Eskalation als im restli-chen Asien

Betrachten wir ausschließlich die kulturellen Konflikte im Zeitverlauf, so werden deutliche Unter-schiede zwischen der Region als Ganzes und Südostasien erkennbar. In der Subregion gibt es deutlich mehr kriegerische Konflikte als gewaltsame Krisen, während dieses Verhältnis in Gesamt-asien relativ ausgeglichen ist. Anders als im restlichen Asien dominieren in Südostasien im kulturellen Bereich nach wie vor die begrenzten Kriege und Kriege, ohne dass hier ein klarer Trendumschwung zu „small wars“ feststellbar wäre. Abbildung 10: Anzahl der inner- und zwischenstaatlichen kultureller Konflikte mittlerer und hoher Intensität in Südostasien und Asien, 1945-2007.

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kulturellegewaltsameKrisen inSüdostasien

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Dieser Befund deutet darauf hin, dass im südostasiatischen Raum Identitäts- und kulturelle Konflik-te stärker zu Eskalation neigen als im restlichen Asien. Die Identitätskonflikte in südostasiatischen Staaten scheinen sehr tiefliegend und damit Deeskalationsstrategien häufig nur schwer zugänglich zu sein. Beispielhaft sind hier die zahlreichen Konflikte in Myanmar und der Pattani-Konflikt in Süd-thailand.

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5.1.3 3. Kulturelle Konflikte in Südostasien sind fast ausschließlich ein innerstaatliches Phänomen

96 Prozent der kulturellen Konflikte in Südostasien werden innerhalb von Staaten ausgetragen. Damit liegt die Subregion in dieser Hinsicht 4 Prozent vor dem gesamtasiatischen Niveau und deutliche 15 Prozent über dem weltweiten Niveau. Konflikte, in denen Kultur thematisiert wird, sind in Südostasien somit fast ausschließlich ein innerstaatliches Phänomen. Umgekehrt werden Kon-flikte zwischen Staaten nur sehr selten um kulturelle Themenstellungen ausgetragen: der Anteil nicht-kultureller Konflikte an den zwischenstaatlichen Konflikten insgesamt liegt in Südostasien bei 87 Prozent und damit 10 Prozentpunkte über dem gesamtasiatischen Niveau. Dieser Befund ist insbesondere deshalb hervorzuheben, da Südostasien eine in der Gesamtschau kulturell außeror-dentlich heterogene Region darstellt, kulturelle Konflikte zwischen Staaten also eher zu erwarten wären, als in anderen, kulturell weniger diversen Subregionen in Asien oder in anderen Weltregio-nen. Offenkundig ist es den Regierungen der Region gelungen, Mechanismen zu entwickeln, die verhindern, dass die vorhandenen kulturellen Spannungen und Konflikte innerhalb von Gesell-schaften ihr transnationales Konfliktpotential entfalten oder auf die zwischenstaatlichen Beziehungen „überspringen“.

5.2 Die Einzelfallperspektive Die stärkere Eskalationsneigung südostasiatischer Identitätskonflikte zeigt sich insbesondere in Indonesien, Myanmar und Thailand. Malaysia und Singapur sind die Kontrastfälle – hier werden Identitätskonflikte weitgehend friedlich kommuniziert. Die historische und gegenwartsbezogene Betrachtung zeigt, dass im südostasiatischen Raum In-donesien, Myanmar und Thailand mit Abstand am stärksten von kulturellen Gewaltkonflikten betroffen sind. Die verstärkte Eskalationsneigung südostasiatischer Identitätskonflikte zeigt sich gerade hier (vgl. Abb. 11). Umgekehrt stehen Malaysia und Singapur für eine weitgehend friedliche Austragung von Identitätskonflikten in der Region.

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Abbildung 11: Quote der innerstaatlichen Konflikte mittlerer und hoher Intensität in den Staaten Südostasiens, von ihrer Gründung bis 2007.

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Eine nähere Untersuchung der in diesen Staaten auffindbaren Konfliktstrukturen drängt sich daher gleichsam auf. Wie wir sehen konnten, kreisen kulturelle Konflikte in Südostasien vornehmlich um das Thema Geschichtlichkeit, gefolgt von rein religiösen und religiös-sprachlichen Inhalten. Wir wollen daher aus der großen Zahl der Einzelkonflikte, die in den im Blick stehenden Ländern anzu-treffen sind oder waren, aktuelle Konflikte auswählen, welche die Mechanismen kultureller Thematisierung politischer Konflikte erhellen können. In Frage kommen in besonderer Weise der religiös-sprachliche Pattani-Konflikt im Süden Thailands, der historizitäre Aceh-Konflikt in Indone-sien sowie die Gesamtkonstellation der verschiedenen historizitären Konflikte in Myanmar, die sonst zumeist als „ethnische Minderheitenkonflikte“ firmieren.

5.2.1 Der Aceh-Konflikt als historizitärer Konflikt Aceh – die nördlichste Provinz der Insel Sumatra – ist Schauplatz eines der ältesten innerstaatli-chen Konflikte in Indonesien und dem gesamten Südostasien. Der bewaffnete Konflikt im engeren Sinne, d.h. die Auseinandersetzung zwischen der Gerakan Aceh Merdeka (Bewegung Freies A-ceh, GAM) und der indonesischen Zentralregierung, beginnt 1976 mit der Gründung der GAM und der Ausrufung einer unabhängigen Republik Aceh durch die GAM. In der Konfliktforschung wird Aceh sowohl als Ressourcenkrieg wie auch als „ethno-nationalistischer“ und „ethno-religiöser“ Konflikt porträtiert (Searle 2002; Bertrand 2004; Ross 2005). Diese divergierenden Einschätzungen verweisen auf unterschiedliche Facetten des Kon-flikts und das komplexe Geflecht an Wirk- oder Ursachenfaktoren, das der Auseinandersetzung zugrunde liegt. Kulturelle Faktoren – besonders die strikte Interpretation islamischer Praktiken in Aceh, eine gemeinsame Sprache sowie die Erinnerung an das vorkoloniale Sultanat Aceh und die Rolle der Provinz im Kampf gegen die niederländische Kolonialmacht und für eine Islamische Re-

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publik Indonesien in der Frühphase der indonesischen Unabhängigkeit – stehen im Kern der natio-nalen Selbstdefinition der Unabhängigkeitsbewegung. Doch ökonomische Faktoren sind gleichfalls wesentlich für das Verständnis des Konflikts, fällt doch die Gründung der GAM mit dem Beginn der Ausbeutung der großen Erdöl- und Gasvorkommen in der Provinz zusammen. Tatsächlich besteht in der Konfliktforschung recht breiter Konsens darüber, dass dem Konflikt ma-terielle Missstände und Ursachen zugrunde liegen, die im strukturellen Kontext des Konflikts verortet werden können (Missbach 2005; Schulze 2006; Hadiwinata 2006). Die genauere Betrach-tung der Konfliktdynamik und Konfliktentwicklung verdeutlicht jedoch, dass der Aceh-Konflikt in den gut drei Jahrzehnten seit Ausbruch der Gewalt inzwischen deutliche Züge eines Identitätskon-flikts angenommen hat. Ursächlich für diese Entwicklung ist die kulturelle Thematisierung der genannten ökonomischen und politischen Missstände in der Provinz durch GAM und signifikante Teile der lokalen Bevölkerung. Dabei wurden real bestehende Problemlagen zum Gegenstand einer kulturell geprägten Konstruktion acehnesischer Identität (keacehan; vgl. Aspinall 2007; Mc-Carthy 2007). Mit anderen Worten: kulturelle Faktoren sind nicht primär als Konfliktursache relevant, sondern als Referenzpunkte für die Konstruktion eigener Identität im Zuge der politischen Mobilisierung der lokalen Bevölkerung durch die GAM sowie der Legitimation ihrer Ziele und Kon-fliktstrategien. Ökonomische Ungleichheit und Benachteiligung, das Fehlen politischer Teilhabemöglichkeiten sowie Repression (letztere wiederum mit einer ethnischen Komponente behaftet) schwächten die vormals starke Identifikation der acehnesischen Gesellschaft mit der Republik Indonesien. Damit wurde die Basis gelegt für den Aufstieg der GAM von einer in ihren Anfangsjahren marginalen Be-wegung zum Repräsentanten des Strebens der Provinz nach nationaler Selbstbestimmung und Bewahrung ihrer kulturellen Identität. Mehr noch: indem GAM die Unzufriedenheit in der Bevölke-rung aufgriff und zum Ausgangspunkt ihrer Konstruktion einer kulturellen („ethno-nationalen“) Identität Acehs machte, hatte sie erheblichen Anteil an der kulturellen Deutung der existierenden gesellschaftlichen Problemlagen. Der Konflikt um die Verteilung ökonomischer und politischer Rechte in der Region wurde dadurch eingebunden in den breiteren Prozess der Identitätskonstruk-tion (Aspinall 2007; Brown 2005; McCarthy 2007). Die politische Artikulation dieser Identität durch die GAM erfolgt vor allem durch Rückgriff auf kulturelle Begriffe und Symbole. Die mitunter in der Literatur vertretene Position, wonach GAM die vorhandenen Problemlagen le-diglich instrumentalisiert, indem sie kulturelle Themen als Mobilisierungsressource zur Durchsetzung ihrer „realen“ Macht- und Aneignungsinteressen missbraucht (McCulloch 2005; Missbach 2005), greift zu kurz, um den Stellenwert von Kultur im Konflikt angemessen zu erfas-sen. Zwar ist GAM keine genuin islamistische Gruppierung, da die Einführung einer islamischen Gesellschafts- und Herrschaftsordnung für die Gruppe kein organisatorisches Anliegen darstellt, sondern eine Reflexion der kulturellen Identität der Bevölkerung Acehs bedeutet (Hadiwinata 2006: 7). Schon aus Mobilisierungsgründen konnte die Organisation kaum darauf verzichten, sich mit der von ihr als Bestandteil dieser Identität thematisierten strikten Auslegung islamischer Praktiken zu identifizieren (Schulze 2004: 9). Jedoch konnte GAM nur deshalb Unterstützung für ihr Ziel der nationalen Unabhängigkeit Acehs mobilisieren, weil die vorhandenen Missstände von einem großen Teil der Bevölkerung Acehs auch als Ausdruck der Missachtung ihrer eigenen Identität wahrgenommen wurden (Bertrand 2004b: 173). Die Nicht-Anerkennung dieser Identität durch die indonesische Regierung dient als

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zentrales Begründungsmotiv für die Sezessionsbestrebungen der GAM. Der Umstand, dass sich der Konflikt in Aceh auch um konkrete Konfliktgüter wie Zugang zu politischer Macht und die Ver-teilung ökonomischer Aneignungschancen und Lebenschancen dreht, steht der Interpretation des Konflikts als einem kulturellen bzw. „kulturalisierten“ nicht entgegen. Nicht bereits zu Beginn des Konflikts, sondern im Laufe seiner Entwicklung, wurde die Frage der Anerkennung bzw. Nichtaner-kennung der acehnesischen Identität als Konfliktthema in das Zentrum der Auseinandersetzung gerückt. Diese konstruktivistische Sichtweise des Konflikts legt die Annahme nahe, dass der Konflikt, wenngleich nicht ursächlich auf kulturelle Faktoren zurückzuführen, ein „kultureller“ – genauer: ein „historizitärer“ – Konflikt ist. Ähnlich wie andere Erscheinungsformen politischer Konflikte sind kul-turelle Konflikte in einem sozialen Kontext verankert. Zwar kann auch in kulturellen Konflikten der Kampf um konkrete Konfliktgüter wie Kontrolle über ein bestimmtes Territorium, Zugang zu Res-sourcen oder die Verteilung politischer Macht bedeutsam sein. Die Kommunikation zwischen den Konfliktakteuren in einem kulturellen Konflikt rückt jedoch identitätsbezogene Themen der Religion, Sprache oder Geschichte in das Zentrum des Konflikts. Dabei beschränkt sich die „Erfindung von Traditionen“ (Sherlock 2005) durch die GAM keineswegs auf religiöse Elemente. Vielmehr propa-gierte die Gruppe eine stark historisch orientierte Interpretation der Identität Acehs, welche außer der strikten Einhaltung islamischer Praktiken (im Gegensatz zu dem eher synkretistischen Islam traditionalistischer Prägung, wie er vor allem in Java praktiziert wird), auch die sprachliche Ge-meinsamkeit, die Abstammungsgeschichte und die gemeinsame Geschichte des vorkolonialen Sultanats sowie des Widerstands gegen die Holländer zum Referenzpunkt nimmt (Schulze 2004:7; 2006: 242). Der GAM scheint es gelungen zu sein, eine für viele Bewohner der Provinz plausible Verbindung zwischen der politischen und wirtschaftlichen Marginalisierung der acehnesischen Be-völkerung einerseits und ihren kulturellen Traditionen und der nationalen Identität andererseits herzustellen. Das die Bestandteile dieser Traditionen und Identität zum Teil „erfunden“ sind und die GAM sich somit zum Repräsentanten einer Identität stilisiert, die sie selbst konstruiert hat (Sher-lock 2005: 176, 187), ist zwar richtig, ändert aber nichts an der Einschätzung, dass nach 32 Jahren der bewaffneten Auseinandersetzung Kultur das Thema des Konflikts ist.

5.2.2 Der Pattani-Konflikt: ein religiös-sprachlicher Konflikt Ähnlich wie Aceh ist die Auseinandersetzung in den als Pattani9 bezeichneten Südprovinzen Thai-lands historisch betrachtet ein alter Konflikt. Seine Ursprünge reichen bis in das 18. Jahrhundert zurück. Die Bevölkerung der drei vom Konflikt besonders betroffenen Provinzen Narathiwat, Yala und Pattani besteht zu ca. 80% aus sunnitischen Muslimen malaiischer Herkunft. Im Gegensatz zur buddhistischen Bevölkerungsmehrheit sprechen sie Jawi, einen malaiischen Dialekt, der auch in den Gebieten auf der malaysischen Seite der Grenze dominiert (Gilquin 2005; Bajunid 2005). Diese beiden Faktoren – Religion und Sprache – formen den Kern der kulturellen Identität der ma-laiisch-muslimischen Bevölkerung in den Südprovinzen und grenzen sie als kulturelle Gemeinschaft von der thaisprachigen buddhistischen Bevölkerungsmehrheit im Königreich ab. Wenngleich die Territorien des ehemaligen Sultanat Patani auf der nördlichen Seite der thailän-disch-malaysischen Grenze seit Beginn des 20. Jahrhunderts unter straffer administrativer 9 „Pattani“ ist die aus dem Thailändischen übertragene offizielle Bezeichnung der Region durch die staatlichen Stellen

in Thailand. „Patani“ ist die malaysische Schreibweise für die Region. Die politisch aufgeladene Diskussion um die Verwendung der „richtigen“ Schreibweise kann in diesem Beitrag nicht nachgezeichnet werden.

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Kontrolle durch die Zentralregierung in Bangkok stehen, haben sich die kulturellen Traditionen der Region auch gegen starken Assimilierungsdruck als widerstandsfähig erwiesen. Darüber hinaus hat sich das historische Bewusstsein der Bevölkerung für die Zugehörigkeit von „Groß-Patani“ zur malaiischen Kultur bis heute erhalten. Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen lokalen, muslimischen Konfliktakteuren und der Zentralregierung in Bangkok sind seit 1902, dem Jahr der Einverleibung des bis dahin unabhängi-gen Sultanat Patani durch das Königreich Siam, zu verzeichnen. Dabei wechselten sich immer wieder Perioden der relativen Ruhe mit Phasen der Gewalteskalation ab. Bereits in den 1940er Jahren entstanden erste Sezessionsgruppen. Vor allem in den 60er und 70er Jahren kämpften militante Akteure für die Abspaltung der drei Provinzen von Thailand. Erst in den 80er und 90er Jahren flauten die Gewalttätigkeiten ab. Spätestens ab 2004 ist der Kon-flikt jedoch in eine neue Eskalationsphase eingetreten. Dabei hat die Gewalt in den südlichsten Provinzen inzwischen Pattani, Narathiwat und Yala ein Ausmaß erreicht, dass es rechtfertigt, die Lage in den drei Provinzen als begrenzten Krieg zu charakterisieren. Ereigneten sich in den Jah-ren 1993 (das früheste Jahr, für das vergleichbare Daten vorliegen) bis 2000 insgesamt 468 gewaltsame Aktionen – vor allem gegen staatliche Einrichtungen und Sicherheitskräfte – , so wa-ren es zwischen Januar 2001 und April 2007 insgesamt 6965 Zwischenfälle. In der Zeit von Januar 2004 bis Dezember 2007 wurden nach Angaben des thailändischen deepsouthwatch-Projekts durch Anschläge oder Aktionen der Sicherheitskräfte mehr als 7000 Personen verletzt oder getötet (Srisompob 2008). Die Opfer waren überwiegend Zivilisten und gehörten zu etwa gleichen Teilen der buddhistischen wie der muslimischen Bevölkerung an. Zwar ist die Zahl der Opfer in den ers-ten neun Monaten des Jahres 2008 rückläufig gewesen; die Brutalität der Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung hat jedoch noch zugenommen. Zudem häufen sich die Spannungen zwischen Buddhisten und Muslimen auf lokaler Ebene, so dass der Konflikt eine kommunalistische Erweite-rung erfahren hat. Der Pattani-Konflikt kann weder in seiner historischen Dimension noch in seiner gegenwärtigen Ausprägung monokausal erklärt werden. Vielmehr ist zwischen sozioökonomischen und historisch-politischen Faktoren und eher situativ wirkende Faktoren zu unterscheiden. Erstere liegen dem Konfliktzyklus zugrunde, da sie der Integration der malaiisch-muslimischen Bevölkerung in das soziopolitische System Thailands entgegengewirkt haben und der separatistischen Bewegung bis heute einen fruchtbaren Boden bereiten. Letztere können zur Erklärung der jüngsten Eskalations-phase im Konfliktzyklus herangezogen werden. Dabei verstand sich das alte Königreich Siam stets als eine Gesellschaft bestehend aus verschie-denen kulturellen Gruppen wie Chinesen, Mon, Khmer, Malaien, Karen und den vorwiegend Lao-sprachigen Bewohnern des Isaan im Nordosten des Landes. Dies änderte sich mit dem Machtan-tritt von Feldmarschall Phibun Songkram (1938-44 u. 1948-57). Die Nationsbildungspolitik seiner Regierung forcierte die Assimilation der zahlreichen sprachlichen und religiösen Minderheiten im Königreich in einer kulturell homogenen thailändischen Nation (Thanet 2006: 97). Die Kultur Zent-ralthailands wurde zur Leitkultur erhoben und der Theravada-Buddhismus zur nationalen Religion (Reynolds 1989). Zentrales Legitimationsmuster des modernen thailändischen Nationalismus war der Bezug auf eine gemeinsame Religion (Buddhismus) und eine Sprache (Thai) sowie die Loyali-tät zu einer gesellschaftlich-politischen Autorität (Monarchie). Damit einher gingen die Propagierung der thailändischen Sprache, die Förderung der buddhistischen Orden sowie die

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symbolische Verschmelzung von Staat und Buddhismus in der Institution der Monarchie (Wyatt 1969). Die zentralen Träger dieses neuen Nationalismus waren Verwaltung und Militär. Symbol der Nati-onsbildung war die Umbenennung des Landes von der kulturell neutralen Bezeichnung „Siam“ in „Thailand“ (Muang Thai) im Jahre 1939. Die Einführung der allgemeinen Schulpflicht mit Thailän-disch als einziger Unterrichtssprache, die Aufhebung muslimischer Feiertage, das Verbot des Tragens traditioneller Kleidung in der Öffentlichkeit und das Bestreben, die islamische Rechtsspre-chung abzuschaffen, wurden von der muslimischen Bevölkerung Pattanis als Angriff auf ihre kulturelle Identität und traditionelle Lebensweise gewertet. Erst seit den 80er Jahren lässt sich eine Mäßigung der Assimilierungspolitik verzeichnen. Den Muslimen wurde die freie Religionsausübung garantiert und von staatlicher Seite wurde die Grün-dung von Moscheen und Religionsschulen (pondoks) gefördert. Weiterhin überwog aber auf Seiten der malaiisch-muslimischen Bevölkerung die Sichtweise kultureller und auch politischer Diskrimi-nierung, nicht zuletzt, da Muslime im öffentlichen Dienst und im Schulwesen krass unterrepräsentiert blieben. Obwohl zahlreiche Muslime nicht über ausreichende Sprachkenntnisse im Thailändischen verfügen, ist Jawi bis heute als Amtsprache nicht zugelassen. Umgekehrt spre-chen nur die wenigsten im Süden eingesetzten Verwaltungsbeamten, Polizisten und Militärs den örtlichen Dialekt. Die Brandstiftungen staatlicher Schulen und die zahlreichen Attacken auf Lehrer und buddhistische Mönche seit 2004 haben in diesem Zusammenhang mehr als „nur“ den Stel-lenwert eines Instruments zur gesellschaftlichen Destabilisierung und Schwächung staatlicher Strukturen. Vielmehr sind sie als gezielte Angriffe auf religiöse und sprachliche Symbole der domi-nanten Mehrheitskultur zu verstehen und werden in der thailändischen Öffentlichkeit auch als solche gesehen.10 Die Politisierung kultureller Unterschiede zwischen der Staatsmacht und der malaiisch-muslimischen Minderheit im Süden speist sich jedoch nicht nur aus der konflikthaften Historie des Verhältnisses von Patani und Siam bzw. der diskriminierenden Politik bis in die 80er Jahre hinein, sondern wird zusätzlich durch sozioökonomische Faktoren verstärkt. So lässt sich in vielen Berei-chen eine Verschlechterung der sozioökonomischen Indikatoren relativ zur Entwicklung in den Referenzgebieten der lokalen Bevölkerung – insbesondere die thailändische Provinz Songkhla sowie den Gebieten auf der malaysischen Seite der Grenze – feststellen. Auch sind die Einkom-men in der Region ungleich zuungunsten der Muslime verteilt, da buddhistische Thais die Verwaltung dominieren und chinesisch-stämmige Thais weite Teile der lokalen Wirtschaft kontrol-lieren. Dies korreliert mit einer weit überdurchschnittlichen Armutsquote, deutlich schlechteren Bildungschancen und der weitreichenden Exklusion der Muslime aus dem formalen Arbeitsmarkt und dem privaten Beschäftigungssektor außerhalb der Landwirtschaft. Ein weiterer Aspekt, der in engem Zusammenhang mit den Faktoren steht, ist der unterschiedliche Zugang zu natürlichen Ressourcen und die Existenz einer seit Jahrzehnten eng mit staatlichen und politischen Strukturen in der Region verwobenen Gewaltökonomie (NRC 2006; Askew 2007). Dar-über hinaus ist die Region mit einem Geflecht mafiöser Strukturen überzogen. Drogen- und Waffenhandel sowie der Schmuggel im Grenzgebiet zu Malaysia sind lukrative Einnahmequellen

10 Seit 2004 wurden über 60 Lehrerinnen und Lehrer ermordet, mindestens 1600 Lehrer haben die Gegend verlassen

und mehrere hundert Schulen sind aus Angst vor Anschlägen oder wegen Lehrermangels geschlossen.

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sowohl für lokale Kriminelle als auch für Militärs, Polizei und lokale Beamte (Croissant 2007; Askew 2007: 28-32). Historische, ökonomische und politische Faktoren erklären das Konfliktpotential in der Region, nicht jedoch die Gewalteskalation der vergangenen Jahre. Erstens muss bedacht werden, dass die geschilderten Faktoren und Entwicklungen keineswegs neu sind. Zweitens sind „ethnische“ Diffe-renzen, politische Benachteiligung, kulturelle Diskriminierung und relative Deprivation für sich betrachtet noch keine hinreichende Erklärung für politische Gewalt. Entsprechend lässt sich das Eintreten des Konflikts in die jüngste Eskalationsphase nicht aus den genannten Faktoren heraus erklären. Vielmehr kommen hier weitere, situativen Faktoren ins Spiel. Diese sind in doppelter Hin-sicht von Bedeutung für das Verständnis des Konflikts. Zum einen haben bestimmte Entwicklungen in den vergangenen etwa eineinhalb Dekaden zur Vertiefung der kulturellen Spal-tungslinie zwischen buddhistischen Thai und muslimischen Malaien sowie zwischen den Malaien und dem thailändischen Staat beigetragen. Zum zweiten ergeben sie eine Gelegenheitsstruktur, welche für die Mobilisierung von Unterstützung durch lokale Gewaltakteure und die Legitimation ihrer Gewalt günstig ist. Zu nennen sind in erster Linie drei Entwicklungen: erstens die wachsende Bedeutung des Islamismus in der Region; zweitens Politikwechsel der Regierung Thaksin nach ihrem Amtsantritt im Februar 2001; drittens das verfehlte Konfliktmanagement dieser und nachfol-gender Regierungen. Pattani ist seit der Jahrtausendwende (erneut) Schauplatz einer hochgradig konfliktiven Konstella-tion. Kulturelle Faktoren haben daran einen nicht unerheblichen Anteil. Zwar lassen sich ökonomisch-soziale Exklusion, kulturelle Marginalisierung und das daraus resultierende Konfliktpo-tenzial bis zum Beginn der siamesisch-thailändischen Herrschaft im frühen 20. Jahrhundert zurückführen, doch erst die spezifische Gemengelage seit Beginn dieser Dekade hat das vorhan-dene Konfliktpotential in eine neue Eskalationsphase überführt. Zwar geht es bei dem Kampf separatistischer Gruppen gegen die thailändische Regierung vorder-gründig um das Konfliktgut „Sezession“ – genauer: um die Frage der legitimen politischen Kontrolle über die Gebiete des ehemaligen Sultanats Patani. Aber auf malaiischer Seite wirkt so-wohl die religiöse Ausrichtung als auch die sprachliche Zugehörigkeit identitätsstiftend und wird im Konflikt thematisiert. Schwächer gilt dies freilich auch für die „thailändische“ Seite. Ganz offensicht-lich richten sich zahlreiche Angriffe der Aufständischen gezielt gegen Einrichtungen und Personenkreise, die symbolisch und stellvertretend für die buddhistisch-thaisprachige Mehrheits-gesellschaft stehen. Aber auch auf thailändischer Seite lassen sich Zeichen für eine „kulturelle“ Deutung des Konflikts finden. Von den drei im Konzept der kulturellen Konflikte als relevant isolierten symbolischen Dimensionen des Kulturellen – Sprache, Religion, Historizität – spielen alle drei als Konfliktthemen eine Rolle. Insbesondere die beiden erstgenannten bilden den Kern der kulturellen Identität der malaiisch-muslimischen Bevölkerung in der Konfliktregion. Für ihre politische Identität sind jedoch auch die historische Herkunftsgeschichte und die Erfahrungen der marginalisierend und diskriminierend wirkenden Nationsbildungspolitik des thailändischen Staates bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich (Yusuf 2006). Umgekehrt bestimmen sich die kulturelle Identität (kwam pen thai) und das politische Selbstver-ständnis der thailändischen Mehrheitsbevölkerung durch das Ineinandergreifen der drei Elemente

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Sprache (Thai), Theravada Buddhismus und Monarchie (Thanet 2006). Als kulturell andersartige khaeck – die im Thailändischen heute noch gängige Bezeichnung der malaiischen Muslime im Süden – stehen die Muslime Pattanis außerhalb der thailändischen Kultur und politischen Gemein-schaft. Von der Mehrheitsgesellschaft werden sie auch heute noch vorwiegend als „Fremde“ oder „Außenseiter“ (so in etwa die wörtliche Übersetzung von khaeck) gesehen. Die Artikulation ihrer eigenständigen Identität und die politische Legitimation des gewaltsamen Kampfes der verschiedenen Aufstandsbewegungen erfolgt sowohl in historischer Betrachtung als auch aktuell im Rückgriff auf sprachliche, religiöse und historische Begriffe und Symbole, wie die Selbstbezeichnung der Gruppen, ihre Mobilisierungsrhetorik, die Ziele ihrer Anschläge und die artikulierten, insgesamt aber eher als diffus zu bezeichnenden Ziele ihres Kampfes belegen. Dabei fällt es aufgrund der engen Verquickung der verschiedenen Kulturkomponenten schwer, eine von ihnen als maßgeblich herauszustellen. Am ehesten lässt sich der Pattani-Konflikt jedoch als religi-ös-sprachlicher Konflikttyp charakterisieren. Mit der Charakterisierung als „kultureller“ Konflikt wird nicht behauptet, dass der Konflikt durch kul-turelle Faktoren, insbesondere religiöse Differenzen, ausgelöst wurde. Jedoch orientiert sich das Handeln der Akteure an kulturellen Paradigmen. Die von muslimischer Seite als diskriminierend und bedrohlich empfundene Politik der thailändischen Regierung, die vorhandenen Einkommens- und Machtdisparitäten und andere Konfliktlagen werden vorrangig in kulturellen Begriffen themati-siert. Das darüber hinaus politische und materielle Faktoren dem Konflikt ursächlich zugrunde liegen, ist evident. Der Verweis darauf, dass die spezifische Motivation der am Konflikt beteiligten Individuen oder Gruppen, insbesondere auf Seiten der Aufständischen, sich dennoch aus unter-schiedlichen, auch ökonomischen oder machtpolitischen, Beweggründen speist, mag zutreffen, sollte aber nicht den Blick auf die kulturelle Dimension des Konflikts verstellen.

5.2.3 Myanmar: Die historizitäre Gesamtkonstellation „ethnischer“ Konflikte Myanmar11 gehört in Gegenwart und Vergangenheit zu den mit Abstand konfliktreichsten Ländern Asiens. Aufgrund der langen Konfliktgeschichte des Landes, der Vielzahl der Konflikte und der stark verflochtenen und variierenden Akteurskonstellationen ist das birmanische Konfliktgeschehen zugleich eines der komplexesten. Die Konfliktlandschaft Myanmars lässt sich nach zwei Hauptge-sichtspunkten gliedern: (1) Ideologisch-machtpolitische, also um die Machtverteilung und die weltanschauliche Ausrich-

tung des politischen und ökonomischen Systems geführte Konflikte können von (2) ethno-nationalistischen Konflikten, d.h. Konflikten, die von sprachlich-religiös definierten und

primär „mikro-nationalistisch“ ausgerichteten Gruppen geführt werden, unterschieden wer-den.

Beide „Konfliktbilder“ traten in der Geschichte Myanmars zeitgleich auf, weisen zahlreiche Berüh-rungspunkte auf und manifestieren sich bereits unmittelbar zu Beginn der Unabhängigkeit Birmas von den Briten (1948) in einem Bürgerkrieg, in dem kommunistische Gruppierungen und mehrere ethnische Gruppen gegen die Zentralregierung rebellierten.

11 Der Name „Myanmar“ wurde 1989 von der Regierung des Landes als amtliche englische Transkription eingeführt

wurde.

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Ad 1) Das durchgängig dem nicht-kulturellen Konflikttyp zuzuordnende ideologisch-machtpolitische Konfliktbild wurde zunächst vor allem von der 1939 gegründeten Kommunistischen Partei Birmas (CPB) repräsentiert. Die CPB stellte einen zentralen Faktor im Widerstand gegen die japanische Besatzung und später gegen die britische Kolonialherrschaft dar, aber auch die dominierende Op-position gegen das zunächst demokratische und seit 1962 autokratische Regime. An dem großen Volksaufstand vom 8. August 1988 („8888 Uprising“) war die CPB jedoch nur noch begrenzt betei-ligt und wurde mit dem Ende des globalen Ost-West-Konflikts 1989 faktisch bedeutungslos. Ein weiterer Konflikt in diesem Konfliktbild begann 1950, als Truppen der nationalchinesischen Guomintang von der Volksbefreiungsarmee aus der chinesischen Provinz Yunnan nach Indochina und Birma vertrieben wurden. Die Guomintang blieben bis 1961 in Birma präsent und kontrollierten Teile des Shan-Staates. Auf die Präsenz der Guomintang wird im Allgemeinen der Beginn des Opiumanbaus in den Bergregionen des Landes zurückgeführt. Der Drogenanbau und -handel hat sich als wichtige Finanzierungsquelle verschiedener, vor allem ethnischer Insurgenten erwiesen. Damit wird der Drogenanbau selbst zum Konfliktgut, mitunter mit der Konsequenz, dass die Öko-nomisierung der Konflikte soweit fortgeschritten ist, dass die politisch-ideellen Ziele dahinter zurückzutreten scheinen. Die mit dem Drogenanbau einhergehende Ausweitung der Schattenwirt-schaft destabilisiert Myanmar und der Drogenhandel über die Grenze nach Thailand, Laos und China die ganze Region. Als ideologisch-machtpolitisch kann auch der Konflikt um die Demokratisierung Myanmars ange-sehen werden. 1990 wurden erstmals seit Jahrzehnten Parlamentswahlen abgehalten. Die zwei Jahre zuvor gebildete Militärregierung unter dem Staatsrat für die Wiederherstellung von Recht und Ordnung (SLORC)12 annullierte jedoch das Ergebnis, da die Nationale Liga für Demokratie (NLD) als Siegerin aus den Wahlen hervorgegangen war. Die 1992 angekündigte Erneuerung der Verfassung ist bis in die Gegenwart noch nicht erfolgt. Der Demokratiekonflikt trat im September 2007 durch die Verknüpfung von Anliegen der Dissidenten mit dem Protest buddhistischer Mönche gegen die ökonomischen Bedingungen in Myanmar in eine neue Phase ein. Der Protest wurde jedoch nach wenigen Tagen von der Militärregierung mit Gewalt beendet.13 Ad 2) Die Gesamtkonstellation der Konflikte des zweiten, ethno-nationalistischen Konfliktbilds ist insbesondere aufgrund der Vielzahl und Zersplitterung der verschiedenen Ethnien sowie ihrer Par-teien und Armeen hochgradig komplex. Während die Zentralebene des Landes von der burmesischen Mehrheitsbevölkerung besiedelt ist – die Bamar stellen circa 70 Prozent der Ge-samtbevölkerung – ist die „Peripherie“, die bergigen Grenzgebiete im Westen, Norden und Osten, von zahlreichen verschiedenen ethnischen Gruppierungen unterschiedlicher sprachlicher Couleur bewohnt. Die Bamar sind homogen buddhistisch. Manche der Minderheiten gehören anderen Reli-

12 Seit 1997 Staatsrat für Frieden und Entwicklung (SPDC). 13 Diskutierbar ist, ob der ideologisch-machtpolitische Demokratisierungskonflikt auch kulturelle Dimensionen aufweist.

Zum einen ist an die Demonstrationen der buddhistischen Mönche im Herbst 2007 und die Umstellung zahlreicher Klöster und Tempel zu denken. Zum anderen setzt die Militärregierung die Bamarisierungs- und Buddhisierungspoli-tik aus der Frühzeit der Unabhängigkeit Birmas fort und bedient sich dabei auch historisierender Ikonographie. Die kulturzentralistischen Bemühungen der Regierung wirken sich jedoch eher hinsichtlich der ethnischen Konflikte aus. Die historisierenden Tendenzen können zwar durchaus als traditionale Legimitationsstrategie betrachtet werden, doch werden diese Aspekte in dem Demokratisierungskonflikt nicht thematisiert. Ebenso macht die sichtbare Beteili-gung des buddhistischen Klerus den Konflikt nicht religiös. Die Mönche handelten weniger in Bezug auf eine religiöse Dimension, sondern eher in ihrer morali-schen Kapazität: Ihre Position im religiösen Gefüge verleiht ihnen politische Autorität.

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gionen an, etwa die Rohingya (Muslime) und die Karen (vielfach Christen). Die zahlenmäßig größ-ten ethnischen Minderheiten sind mit neun Prozent der Gesamtbevölkerung die Shan sowie die Karen mit sieben Prozent. Das ethno-nationalistische Konfliktbild war bereits unmittelbar mit der Unabhängigkeit Birmas prä-sent. Die föderal konzipierte erste Verfassung sah zwar autonome Staaten für die meisten Ethnien vor, doch nicht erst die Aufhebung dieses Arrangements im Jahr 1962 bedeutete eine Diskriminie-rung der Minderheiten: Die erste demokratische Regierung unter Premierminister U Nu strebte im Zuge eines „nation-building project“ eine „Bamarisierung“ und „Buddhisierung“ des gesamten Lan-des an (Sai Kham Mong 2007). Diese kulturalistische Zentralisierungspolitik gegenüber den sprachlich und religiös divergierenden und geographisch peripheren „ethnischen Minderheiten“ wurde von den autokratischen Regierungen fortgeführt und behält unter dem Militärregime Gültig-keit (Steinberg 2007). Konsistente kulturalistische Politikelemente gehören somit zu den ursächlichen Faktoren für das Entstehen des ethno-nationalistischen Konfliktbildes. Sie gehen Hand in Hand mit einem zweiten Kausalstrang: der autokratischen Regierungsform selbst. Das Nichtvorhandensein demokratischer Artikulationsmöglichkeiten auf zentralstaatlicher Ebene oder in gliedstaatlicher Form führt zu einer Exklusion der „ethnischen Minderheiten“ von den Partizipationsmöglichkeiten hinsichtlich der Res-sourcen-, Güter- und Machtverteilung in Myanmar (vgl. Smith 2007). Die spezifische politische Verfasstheit des Landes bedingt somit eine politische und ökonomische Marginalisierung und eine kulturelle Diskriminierung der Minderheitengruppen. Nicht die kulturellen Unterschieden per se, aber ihre Verwendung als Anhaltspunkte für die politische und militärische Repression ohnehin ökonomisch und politisch Deprivierter ist mithin als eine zentrale Ursache der ethno-nationalistischen Konfliktkonstellation in Myanmar zu benennen. Die Konfliktkonstellation wollen wir nun kurz im Detail beleuchten. In dem „primordialen“ Bürgerkrieg nach der Unabhängigkeit erhoben sich vor allem die Karen im Südosten Birmas zeitgleich mit der CPB. Die Karen wurden im Bürgerkrieg von den benachbarten Mon unterstützt.14 Eng verwandt mit den Karen sind die Karenni. Neben der CPB, den Karen und den Mon erhoben sich während des Bürgerkrieges vor allem auch die Rakhine, die buddhistische Bevölkerung des Rakhaing-Staates im Westen Birmas (auch Arakan-Staat genannt). Die Rohingya sind die muslimische Bevölkerung des Rakhaing-Staates. Sie nehmen insofern eine Sonderstel-lung ein, als dass sie von der Regierung Myanmars nicht als indigene Minderheit anerkannt, sondern als „bengalische Einwanderer“ bezeichnet werden (vgl. Smith 2007). Die CPB zerfiel um 1988/1989 in zahlreiche ethnisch basierte Rebellenorganisationen. Die wich-tigste ist die Vereinigte Armee des Wa-Staates (UWSA) im Shan-Staat im Osten Myanmars. Die UWSA ging 1989 sogleich einen Waffenstillstand mit der Zentralregierung ein und kämpft seitdem an ihrer Seite zusammen mit der ebenfalls aus der CPB hervorgegangenen Armee der Nationalen Demokratischen Allianz – Östlicher Shan-Staat (NDAA-ESS) gegen eine weitere CPB-Nachfolgerin, die Armee des Shan Staates – Nord (SSA-N), und deren Verbündete aus den Rei-hen der Shan. Im Unterschied zu den anderen Minderheiten-„Staaten“ ist der Wa-Staat nicht auf die ursprüngliche föderale Verfassung Birmas zurückzuführen (Sai Kham Mong 2007), sondern beruht auf einer „Gegenleistung“ der Zentralregierung, die der UWSA die Kontrolle über die Son-

14 Die Mon sind mit den Hmong im benachbarten Laos verwandt.

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derregion 2 des Shan-Staates eingeräumt hat. Die UWSA ist insbesondere bekannt für den Anbau von Opium und seit den 90er Jahren für die Herstellung von Methamphetamin. Weitere, in den 60er und 80er Jahren gegründete Organisationen mit ihren jeweiligen bewaffneten Armen finden sich bei den Chin im Nordwesten Myanmars15 und den Kachin im Norden des Lan-des. Die wichtigsten Organisationen der verschiedenen ethnischen Gruppen in Myanmar insgesamt sind in der nachstehenden Tabelle 3 zusammengefasst. Tabelle 3: Hauptorganisationen „ethnischer“ Konfliktakteure in Myanmar

Organisation Ethni-sche Basis

Gründung Anmerkung

Nationale Verteidigungsorganisation der Karen (KNDO)

Karen 1947

Nationale Union der Karen (KNU) Karen 1948 Kampf für einen Kayin-Staat.

Nationale Befreiungsarmee der Karen (KNLA)

Karen 1948 Bewaffneter Arm der KNU.

Demokratische Buddhistische Ar-mee der Karen (DKBA)

Karen 1994 Da die Führung der KNU vor allem aus Christen bestand, spalteten sich buddhisti-sche Karen ab und gründeten die DKBA. Sofortiger Waffenstillstand mit der Regie-rung, Kampf gegen die KNU.

Armee Gottes Karen 1997 2001 Waffenstillstand mit der Regierung.

Nationale Partei des Mon-Staates (NMSP)

Mon 1958

Nationale Befreiungsarmee der Mon (MNLA)

Mon 1958 Bewaffneter Arm der NMSP.

Partei zur Wiederherstellung von Hongsarwatoi (HRP)

Mon 2001

Armee zur Wiederherstellung des Monlandes (MRA)

Mon 2001 Bewaffneter Arm der HRP.

Nationale Fortschrittliche Partei der Karenni (KNPP)

Karenni 1955 Kampf für einen Kayah-Staat.

Karenni-Armee (KnA) Karenni 1955 Bewaffneter Arm der KNPP.

Nationale Vereinigte Front für Ara-kan (NUFA)

Rakhine Kampf für einen Rakhaing-Staat.

Islamische Front der Rohingya in Arakan (ARIF)

Rohingya 1998 Vereinigung mit der RSO zur ARNO.

Vereinigung der Solidaritätsorgani-sation der Rohingya (RSO)

Rohingya 1998 Vereinigung mit der ARIF zur ARNO.

Nationale Organisation der Rohin-gya in Arakan (ARNO)

Rohingya 1998 Hervorgegangen aus der Vereinigung der RSO mit der ARIF.

Nationale Organisation der Wa (WNO)

Wa

Nationalen Armee der Wa (WNA) Wa Bewaffneter Arm der WNO.

15 Die Chin sind mit den Mizo im benachbarten Indien verwandt.

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Organisation Ethni-sche Basis

Gründung Anmerkung

Vereinigte Armee des Wa-Staates (UWSA)

Wa 1989 CPB-Nachfolgeorganisation. Sofortiger Waf-fenstillstand mit der Regierung. Allianz mit der NDAA-ESS.

Vereinigten Armee der Shan (SUA) Shan 1965 1985 Vereinigung mit der TRA zur MTA.

Armee des Shan-Staates (SSA) Shan 1982 Vereinigung mit der SURA zur TRA.

Vereinigten Revolutionären Armee der Shan (SURA)

Shan 1982 Vereinigung mit der SSA zur TRA.

Revolutionäre Armee der Tai (TRA) Shan 1982 Hervorgegangen aus der Vereinigung der SURA mit der SSA. 1985 Vereinigung mit der SUA zur MTA.

Muang-Tai-Armee (MTA) Shan 1985 Hervorgegangen aus der Vereinigung der TRA mit der SUA. 1996 Waffenstillstand mit der Regierung.

Nationalen Demokratischen Allianz – Östlicher Shan-Staat (NDAA-ESS)

Shan 1989 CPB-Nachfolgeorganisation. Sofortiger Waf-fenstillstand mit der Regierung. Allianz mit der UWSA.

Armee des Shan Staates – Nord (SSA-N)

Shan 1989 CPB-Nachfolgeorganisation. Allianz mit der SSNA und der SSA-S.

Nationalen Armee des Shan-Staates (SSNA)

Shan 1995 Abspaltung von der MTA.

Armee des Shan-Staates – Süd (SSA-S)

Shan 1996 Abspaltung von der MTA.

Armee der Demokratischen Allianz der Nationalitäten Myanmars (MNDAA)

Kokang-Chinesen

1989 CPB-Nachfolgeorganisation. Sofortiger Waf-fenstillstand mit der Regierung.

Nationale Front der Chin (CNF) Chin 1988

Nationalen Armee der Chin (CNA) Chin 1988 Bewaffneter Arm der CNF.

Unabhängigkeitsorganisation der Kachin (KIO)

Kachin 1961

Unabhängigkeitsarmee der Kachin (KIA)

Kachin 1961 Bewaffneter Arm der KIO.

Die Konflikte des ethno-nationalistischen Konfliktbilds gehören alle zum kulturellen Konflikttyp: Sie thematisieren alle – in unterschiedlicher Weise und in unterschiedlichem Maße – kollektive Identi-tät, und zwar sowohl die des birmanischen Gesamtstaates als auch die der ethnischen Minderheiten. Diskutiert wird in dieser Hinsicht insbesondere der Konflikt um die UWSA (Kramer 2007): Die Dro-genproduktion spielt hier nicht nur eine Rolle als Finanzierungsquelle, sondern stellt selbst ein zu verteidigendes Gut dar. Die geforderte bzw. erlangte Autonomie für den Wa-Staat ist somit nicht nur im Lichte ethnischer Selbstbestimmung, sondern auch nach ökonomischen Maßstäben von Wichtigkeit. Zu beachten ist jedoch, dass beide Zielsetzungen koexistieren: Auch der stark ökono-misierte UWSA-Konflikt hat seine kulturell-politische Dimension nicht verloren (vgl. Smith 2007). Er handelt sich vielmehr um einen politischen Konflikt mit drei Dimensionen: einer ökonomischen, einer machtpolitischen und einer kulturellen Dimension.

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Die meisten ethno-nationalistischen Konflikte in Myanmar, von sprachlich-religiös definierten Gruppen getragen, können dem historizitären Subtyp kultureller Konflikte zugerechnet werden. Es geht bei ihnen um die historisch geprägte und stark geschichtsbezogene Beziehung zwischen dem zentralen, sprachlich, religiös und politisch zentralisierten Herrschaftsbereich der Bamar und dem peripheren, hinsichtlich der genannten Aspekte zersplitterten Gebiet der ethnischen Minderheiten. Die gegenwärtige ethno-nationalistische Konfliktkonstellation zwischen Zentrum und Peripherie ist in gewissem Sinne lediglich die Fortsetzung eines alten „Leitmotivs“, das auch vor und während der Kolonialzeit zu beobachten war. Die ethno-nationalistischen Konflikte sind jedoch nicht nur deshalb historizitär, weil sie eine in My-anmar gleichsam „traditionelle“ Strukturform bilden, sondern auch deshalb, weil sie das narrative Geschichtsbild – gewissermaßen die „story“ der „history“ – thematisieren: Sie haben den Verlauf der lange währenden, hochgradig gewalttätigen Geschichte um politische, militärische, ökonomi-sche und kulturelle Macht, also den Konfliktverlauf selbst zum Thema. Die Auseinandersetzung zwischen den Rohingya und der Regierung bildet in dieser Hinsicht einen Sonderfall: Dieser Konflikt ist nicht (allein) deshalb als historizitär einzuordnen, weil er Geschichts-erfahrung, sondern primär weil er Herkunftsgeschichte thematisiert, also die (faktische oder zugeschriebene) Zuwanderung der Rohingyas aus dem indischen Raum. Der Rohingya-Konflikt, ähnlich wie der Konflikt zwischen den Karen und der Regierung und die Auseinandersetzung zwi-schen der KNA und der DKBA, hat darüber hinaus auch eine explizite religiöse Dimension. Auch wenn vor allem Sprache, aber auch Religion zentrale Abgrenzungskriterien zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen darstellen, wird Sprache in den Konflikten jedoch kaum und Religion nur selten thematisiert. Obzwar die sprachlich-religiösen Unterschiede für die ethnischen Gruppen primär akteurskonstituierend wirken und obwohl die sprachlich-religiöse Zentralisierungs-politik der birmanischen Regierung neben der politischen Exklusion und der ökonomischen Deprivation der Minderheiten ein wichtiger originärer ursächlicher Faktor für das Entstehen des ethno-nationalistischen Konfliktbildes ist, stellen Sprache und Religion in diesem Konfliktbild im Allgemeinen keinen direkten und eigenständigen Konfliktgegenstand dar. Die lange, in vormoder-nen Zeiten wurzelnde (Taylor 2007) und in kolonialen Zeiten durch Großbritanniens „divide et impera“ geformte (Smith 2007) Konfliktgeschichte in Birma wirkt in ihren verschiedenen Facetten also als eigenständiges Konfliktthema und als Brennpunkt für kollektive Identitäten. Die Länge und Intensität der Konfliktgeschichte bewirkt somit letztlich eine Überlagerung der ursprünglichen Kon-fliktursachen durch die historizitäre Dimension. Dies führt schließlich so weit, dass in Myanmar – und hier lassen sich Parallelen bspw. zu Sri Lan-ka ziehen – die Konfliktgeschichte nicht mehr nur Konfliktthema, sondern auch perpetuierende Konfliktursache wird: Es tritt in den Hintergrund, aus welchen Gründen der Konflikt ursprünglich geführt wurde – das Konfliktbild wird zu einer selbstreferenziellen, gleichsam „autopoietischen“ Strukturform.

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5.3 Gegenbeispiele: Konfliktmanagement auf regionaler Ebene und die Me-diation kultureller Konflikte in Malaysia und Singapur

Die Beispiele Myanmar, Thailand und Indonesien illustrieren die tiefliegende, Deeskalationsbemü-hungen oft nur schwer zugängliche Natur identitätsbezogener Konflikte in Südostasien. Sie stehen stellvertretend für die zentrale Bedeutung von Sprache, Religion und/oder Historizität für interkultu-relle Konflikte in der Region. Sie repräsentieren die gewaltförmigen Konstellationen im Spannungsfeld von Kultur – Identität – Konflikt. Es gibt jedoch auch Gegenbeispiele. Wir begegnen ihnen zum Teil in den genannten Gesellschaf-ten – etwa die geglückte Akkommodation kultureller Differenzen zwischen Angehörigen der thailändischen Zentralkultur und den Khmer- oder Lao-sprachigen kulturellen Gruppen im östlichen und nördlichen Isaan (Brown 1994). Sie finden sich auch auf der zwischenstaatlichen Ebene. Wie bereits angedeutet, ist das Konflikt-geschehen in der Region vornehmlich innerstaatlich geprägt: 74 Prozent aller Konflikte und sogar 94 Prozent aller kulturellen Konflikte in Südostasien werden innerhalb von Staaten ausgetragen. Dies ist ein erster Indikator dafür, dass sich die 1967 gegründete Association of Southeast Asian Nations – ursprünglich konzipiert als Sicherheitsgemeinschaft einiger südostasiatischer Nationen zur Hoch-Zeit des zweiten Indochina-Konflikts – als außerordentlich erfolgreich erwiesen hat, was die Verregelung von Konflikten zwischen den Mitgliedern der Gemeinschaft und die Konfliktpräven-tion betrifft. Dies ist umso bemerkenswerter, als in der kulturell diversen Region ein mannigfaltiges Potential für zwischenstaatliche oder transnationale Konflikte auch um Identitäten besteht. Auch mehr als vier Jahrzehnte nach Gründung der ASEAN bestehen ungelöste Konflikte zwischen den Mitgliedsstaa-ten: In der Mehrzahl drehen sie sich um Fragen der korrekten Demarkation von Grenzverläufen (z.B. entlang der Land- und Seegrenzen von Thailand und Kambodscha, von Kambodscha und Vietnam) oder um konkurrierend Territorialansprüche wie z.B. von Vietnam, Brunei, Malaysia und den Philippinen auf (Teile) der im südchinesischen Meer gelegenen Gruppe der Spratly-Inseln (Dosch 1998).16 Auch Fragen der gemeinschaftlichen Nutzung natürlicher Ressourcen (z.B. Dammprojekte zur Stromgewinnung entlang des Mekong) oder der Behandlung von Angehörigen der eigenen kultu-rellen Gemeinschaft in Nachbarstaaten (z.B. der sogenannten Khmer Krom/Khơ-me Crộm, also der indigenen Khmer-Minderheit in Südvietnam, und umgekehrt die häufig diskriminierende Be-handlung von vietnamesisch-sprachigen Menschen in Kambodscha; vgl. Croissant, Peou et al. 2009) bergen Konfliktpotential. Die aktuelle Auseinandersetzung zwischen Kambodscha und Thai-land um die Tempelruinen von Khao Phra Viharn (Kambodschanisch: Preah Vihear) belegt, dass einige bilaterale Streitfragen das Potential für militärische Konfrontationen besitzen. Doch solche Spannungen sind die Ausnahme und in aller Regel nicht auf kulturelle Themen bezo-gen. Das Beispiel von Khao Phra Viharn/Preah Vihear verdeutlicht dies (Chambers 2009; Croissant/Chambers 2009). Vordergründig scheint eine kulturelle Dimension evident, dreht sich der Konflikt doch um einen von beiden Seiten beanspruchten hinduistischen Tempel-Komplex im

16 Das Interesse an den Spratly-Inseln erklärt sich zum einen aus ihrer strategischen Lage an einer der weltweit wich-

tigsten Schifffahrtsrouten. Zum anderen werden dort größere Erdöl- und Erdgasvorkommen vermutet.

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Grenzgebiet zwischen den zwei Staaten.17 Doch zeigt der genauere Blick auf die Thematisierung des Konfliktgegenstands durch die involvierten gesellschaftlichen und politischen Akteure, dass es sich letztlich um einen machtpolitischen Konflikt handelt, der mit handfesten innenpolitischen Inte-ressen verfolgt wird und mehr zu tun hat mit Fragen der Machtverteilung zwischen konkurrierenden innenpolitischen Akteuren und ihren Legitimationsstrategien, als das er Identitäts-problematiken zum Thema nimmt. Auch in den – letztlich auf die diplomatische Ebene beschränkten – Spannungen zwischen Malay-sia und der Regierung Thaksin in den Jahren 2004-2006 über die Beteiligung malaysischer Akteure an dem Konflikt in Pattani oder den – bereits historisch zu nennenden – Konflikten zwi-schen Singapur und Malaysia in der 60er Jahren oder die indonesische Konfrontasi-Politik gegenüber Malaysia (1962-66) – lassen sich Verweise auf kulturelle Symbole in der Konfliktkom-munikation erkennen. Letztlich aber handelt(e) es sich zweifelsfrei um Interessengegensätze, in deren Zentrum konkrete innerstaatliche oder regionale Macht- und Territorialansprüche standen. Besonders relevant – gerade als Kontrastfolie zu den weiter oben diskutierten Fallbeispielen – sind die Beispiele für gewaltfreies Konfliktmanagement in Malaysia und Singapur. Wie in anderen Ge-sellschaften auch, ist das inner-staatliche Konfliktgeschehen in diesen beiden südostasiatischen Nachbarstaaten vielschichtig. In beiden Fällen jedoch steht die nationale Politik unter einem „Diktat der Geschichte“ – die Notwendigkeit, latent vorhandene Konflikte zwischen sprachlich-religiös di-versen Gemeinschaften mit unterschiedlich historisierter Herkunftsgeschichte auszugleichen. In beiden Gesellschaften entstand in Folge der britischen Kolonialpolitik eine „plural society“, in der die Segmentierung der Gesellschaft in zwei große, intern gleichfalls heterogene Gruppen – Immig-ranten und deren Nachfahren vom chinesischen Festland bzw. dem indischen Subkontinent sowie indigene Malaien – bis heute das zentrale gesellschaftliche Konfliktfeld darstellt.18 Gemeinsam ist Malaysia und Singapur eine historizitär imprägnierte Agenda identitärer Konflikte. Sie ist bestimmt durch die Thematisierung von markanten Geschichtserfahrungen und einer histo-risierten Herkunftsgeschichte. Sichtbarer Ausdruck dieser Konflikte ist die Kontroverse um das politische Konzept „bumiputera“ (auch: „bumiputra“) – ein Konzept, das im Kern dazu dient, die Bevölkerungsgruppen der vorwiegend im 19. und frühen 20. Jahrhundert zugewanderten chinesi-schen und indischen Immigranten (sowie ihrer Nachfahren) von der malaiisch-sprechenden Bevölkerung Malaysias durch Bezug auf eine imaginäre gemeinsame Herkunftsgeschichte zu be-gründen.19

17 Bezeichnenderweise eskalierte der Konflikt in Folge des Antrags der kambodschanischen Regierung auf Registrie-

rung der Anlage als Weltkulturerbe bei der United Nations Educational, Social, and Cultural Organization (UNESCO). 18 Der Begriff der „plural society“ wurde von dem britischen Kolonialbeamten John Furnivall 1944 eingeführt und bezog

sich vor allem auf das Verhältnis der verschiedenen „ethnischen Gruppen“ (Europäer, indigene Malaien, zugewan-derte Bevölke-rungsgruppen sowie „Minderheiten“) in den britisch Kolonialgebieten Südostasiens; „In einer pluralen Gesellschaft leben die einzelnen Gruppen nicht getrennt; die Mitglieder der verschiedenen Einheiten sind vermischt und treffen sich als Ein-zelpersonen; die Union ist nicht freiwillig, sondern aufgezwungen von der Kolonialmacht und den Zwang wirtschaftlicher Bedingungen; und die Union kann nicht aufgelöst werden, ohne dass die gesamte Ge-sellschaft in Anarchie zurück-fällt“ (Furnivall 1970: 186). Während diese Gruppen politisch unter einer Ordnung formal vereint sind, formen sie faktisch keine soziale oder politische Gemeinschaft. Da Nationsbildung in jungen post-kolonialen Staaten durch Rückgriff auf My-then der einzelnen Gruppen innerhalb der „pluralen Gesellschaft“ erfolgt, droht Nationsbildung zum offenen Austrag von Identitätskonflikten („anarchy“, Furnivall 1944: 469) zu führen.

19 Der Begriff ist abgeleitet von dem Sanskrit bhumiputra („Sohn der Erde“). Zu den bumiputra gehören Malaien und andere malaiisch-polynesische Bevölkerungsgruppen in Malaysia, die dem Islam angehören (Malaien, Javanesen, Bugis, Minang) Ob der Begriff auch nicht-malaiische Ureinwohner wie die Orang Asli (Festland-Malaysia) und indige-

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Während in Folge der Kolonialzeit in Singapur eine ihrer Identität nach vorrangig chinesische Ge-sellschaft entstand, in der mehr als drei Viertel der Bevölkerung sich kulturell als Chinesen, 14 Prozent als Malaien und etwa 8 Prozent als Inder definieren, entstand in den Territorien der neu-geborenen Föderation von Malaya20 ein noch komplexeres Geflecht kultureller Gemeinschaften. So stellten die bumiputra im Jahre 1968 etwa 48 Prozent der Bevölkerung, während Chinesen (36) und Inder gemeinsam 45 Prozent betrug. Nach offiziellem Zensus betrug der Bevölkerungsanteil der bumiputra im Jahre 1999 knapp 58 Prozent (davon 49% Malaien und 8,8% nicht-malaiische bumiputra), während der Anteil der Chinesen auf 24,9 Prozent und der Inder bei 7 Prozent lag (Embong 2001: 59). Sowohl Singapur als auch das heutige Malaysia wurden in den Anfangsjahren von kommunaler Gewalt zwischen den kulturellen Gruppen heimgesucht – in Singapur zwischen Malaien und Chi-nesen (Juli bzw. September 1964) und in Malaysia während der kommunistischen Insurgenz (1948-1960/1989) und den „Rassenunruhen“ („Riots“) von 1969. In den vergangenen etwa zehn Jahren ist in Malaysia eine Zunahme kommunalistischer Spannungen zu verzeichnen – insbeson-dere zwischen Malaien und Indern. In wachsendem Maße fühlen sich Chinesen und Inder (aber auch bumiputras) durch Islamisierungstendenzen in der malaysischen Politik bedroht (Chin 2007). In beiden Ländern ist es jedoch seitdem gelungen, dass weiterhin zwischen den kulturellen Grup-pen vorhandene Konfliktpotential soweit zu zivilisieren, dass es in den vergangenen knapp vier Jahrzehnten zu keinem nennenswerten Ausbruch an interkultureller Gewalt gekommen ist. Bemerkenswert ist, dass die politischen Eliten in beiden Ländern durchaus unterschiedliche Wege des interkulturellen Konfliktmanagements gegangen sind. In Malaysia orientieren sich die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen der ver-schiedenen Bevölkerungsgruppen bis heute an jener Formel, die implizit dem Verfassungskompromiss von 1957 („The Bargain“) zugrunde gelegt wurde und die knapp wie folgt umschrieben werden kann: Im Austausch für die Gewährung der Staatsbürgerschaft und volle kul-turelle und wirtschaftliche Rechte der Chinesen und Inder wurde explizit die politische Dominanz der bumiputera und implizit ihre kulturelle Vorrangstellung festgeschrieben. Im sozialen und kultu-rellen Bereich begründete diese Formel ein Arrangement der „communal compartmentalization“: Bewahrung partikularer kultureller Identitäten und Traditionen durch Trennung zwischen den kultu-rellen Gemeinschaften bei symbolisch festgeschriebenen Privilegien der malaiisch-muslimischen bumiputra) erlaubte.21

ne Gruppen in Sabah und Sarawak umfasst, ist strittig. Nicht zu den bumiputras gehört die chinesische und indische Volksgruppe, von denen der Begriff gerade abgrenzen soll. Wie sehr die Diskussion sich um die perzipierte Her-kunftsgeschichte, nicht die tatsächliche geographische Herkunft, dreht, verdeutlich die Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit (1957) schätzungsweise 75 Prozent der Chinesen und 65 Prozent der Inder auf dem Gebiet der Föderation Malaya geboren waren (Crouch 1996).

20 Das Land wurde unter dem Namen Föderation Malaya im Jahre 1957 in die Unabhängigkeit entlassen. 1963 wurde eine neue Föderation unter dem Namen Malaysia gegründet, die die Föderation Malaya sowie die britischen Kronko-lonien Sin-gapur, Nordborneo (heute: Sabah und Sarawak) umfasste. Singapur schied 1965 aus der Föderation aus.

21 Diese Privilegien erstrecken sich nicht nur auf den politischen Bereich sowie – seit Inkrafttreten der systematischen För-derung der wirtschaftlichen Situation der Malaien im Rahmen der sogenannten New Economic Policy (NEP) ab 1971 – das Wirtschaftsleben, sondern eben auch den kulturellen Bereich. So ist der Islam die offizielle Staatsreligion Malaysias und der König (Malaysia ist eine Wahlmonarchie) wird aus den Reihen der muslimischen Sultane gewählt.

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Mit anderen Worten: der Verzicht auf Assimilationsstrategien zur Schaffung einer neuen, „gesamt-malaysischen“ kulturellen Identität zugunsten einer integrationistischen Strategie des Multikultura-lismus (Hefner 2001). Diese Formel sowie die nationale Ideologie des „Rukunegara“ von 1970, garantierten den Schutz nicht-malaiischer Interessen und anerkannten zugleich das Bedürfnis der malaiischen Bevölkerung nach Anerkennung ihrer Identität als „angestammte“ Bevölkerung Malay-sias sowie des daraus abgeleiteten Anspruch auf eine politische Vorrangstellung.22 Die Integrationskraft dieser Strategie war dabei gebunden an die Verpflichtungsfähigkeit der in einer interethnischen Regierungsallianz (bis 1969: Parti Perikatan, „Allianz“; seit 1973: Barisan Nasional, „Nationale Front“) von malaiischen, chinesischen und indischen Parteien zusammengeschlosse-nen Eliten und politischen Vertreter der verschiedenen „ethnischen“ Gruppen. Die Strategie der Deeskalation kultureller Konflikte in Singapur unterscheidet in entscheidenden Punkten von der Vorgehensweise in Malaysia. Singapur hat eine Politik der „citizenship“ und des kulturellen Pluralismus gefördert, die explizit auf die Propagierung einer kulturell neutralen Staats-bürgerschaftskonzeption und den Ausschluss kultureller Domänen aus dem politischen Bereich zielte. Die singapurische Politik des Multikulturalismus war in weiten Teilen und über lange Phase eine Politik des staatlich geförderten Säkularismus und der Privatisierung von Religion und Spra-che. Stellvertretend für diesen Ansatz stehen die Propagierung des Englischen als Wirtschafts- und Verkehrssprache in Singapur sowie das „Gesetz über Religiöse Harmonie“ (Religious Harmo-ny Act) von 1990 (Hefner 2001: 38). Freilich ist auch der sprachlich-religiös indifferente Staatsbürger-„Multikulturalismus“ (ibid.) singa-purischer Prägung in der Vergangenheit nicht ohne den Rückgriff auf partikularistische Kulturelemente gewesen – so die “Speak Mandarin”-Kampagne (1979), die Propagierung der “Re-ligious Knowledge“-Erziehung in öffentlichen und privaten Schulen als einem Versuch „to provide the cultural ballast to withstand the stresses of living in a fast changing society“ (Strait Times, March 15, 1979, zitiert in Chua 1995: 27) oder die Förderung sogenannter „Asian Values“ und „Shared Values“ zu Beginn der 90er Jahre, bei denen nicht wenige Beobachter einen „Chinese“ oder „confucian bias“ ausmachen (Chua 1995). So lässt sich die Politik des Multikulturalismus in Singapur als eine Strategie der Nutzung gesetzli-cher Instrumente, monetärer Anreizsysteme und Einflussnahme über das Bildungssystem mit unterschwelligen, aber auch gezielten Anleihen an Elementen der sinischen Kultur bezeichnen – oder wie Brown (1994) es nennt: eine „assimilationist policy of amalgamation”. Vergleichbar mit der malaysischen „Barisan Nasional“ hat in Singapur seit 1965 die People’s Action Party direkt oder über ihre gesellschaftlichen Organisationen die Rolle eines Vermittlers zwischen den kulturellen Gemeinschaften übernommen. In beiden Fällen, so lässt sich abschließend argumentieren, liegt der Schlüssel zum erfolgreichen Management potentieller (und virulenter) kultureller Konflikte unter den Bedingungen einer pluralen Gesellschaft in zwei Bereichen:

22 Rukunegara sollte nach den Unruhen von 1969 beitragen zur Schaffung eines „basic consensus on communal issues

by establishing principles that could be invoked to restrain the more extreme demands of ethnic chauvinists” (Means 1991: 12).

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� Der „Erfindung“ und Umsetzung einer Konzeption von „multicultural citizenship“ (Hefner), die auf der Hinnahme kultureller Differenzen beruht, deren politisches Konfliktpotential aber mittels einer Kompromissformel der Integration durch Akkommodation (Malaysia) oder Amalgamierung (Singapur) zu entschärfen versucht.

� Die hohe Integrations- und Verpflichtungsfähigkeit der in Form politischer Allianzen (Malaysia) oder eines „ethnic corporatism“ („ethnischer Korporatismus“, Singapur) einander verbundenen Teileliten und Repräsentanten unterschiedlicher kultureller Gruppen und Identitäten.

Bislang hat sich diese Kombination von politischer Leitidee und politischem Handeln in beiden Fäl-len – allen Herausforderungen zum Trotz – als ausgesprochen erfolgreich erwiesen. In beiden Gesellschaften verlangt sie jedoch einen Preis. In Malaysia ist es die „differentiated citizenship“ (Parekh 1991) – eine institutionalisierte Ungleichbehandlung der Bürger aufgrund von Abstam-mung (welche häufig, aber nicht durchweg, mit Sprache und Religion korreliert) und das Hintenanstellen von Individualrechten zugunsten von Gruppenrechten. In Singapur geht die Pro-pagierung einer auf „shared values“ beruhenden Konzeption der singapurischen Identität mit einem „conservative statism“ (Hefner 2001: 44) einher, der weniger Raum für autonome Zivilge-sellschaft, individuelle kulturelle Selbstbestimmung und Wertedissens außerhalb des staatlicherseits reglementierten Raumes lässt. Bislang, so scheint es, sind beide Gesellschaften gewillt, diesen Preis zu zahlen.

6 Fazit Diese Studie zu den kulturellen Dimensionen des asiatischen und südostasiatischen Konfliktge-schehens hat eine Reihe von zentralen Befunden präsentiert. So lässt sich festhalten, dass Asien eine im internationalen Vergleich besonders konfliktgeprägte Region ist. Dabei dominieren inner-staatliche Identitätskonflikte, insbesondere historizitärer Art, das regionale Konfliktgeschehen. Hervorzuheben ist die zeitlich früher einsetzende, lang anhaltende und prononciertere Prägung der Konfliktlandschaft durch innerstaatliche Identitätskonflikte von „niedriger Gewaltintensität“. Die Zahl „ethnisch“ gefärbter Konflikte stagniert, während religiös-ideologisch ausgerichtete Auseinander-setzungen an Gewicht gewinnen. Auf der Akteursseite ist das Konfliktgeschehen in Asien durch die Dominanz „ethnischer“ Konflikt-akteure geprägt. Sie sind besonders häufig an Gewaltkonflikten beteiligt und dominieren sowohl das kulturelle als auch das nicht-kulturelle Spektrum der Konflikte. Während die Relevanz links-ideologisch definierter Akteure stark nachgelassen hat, nimmt die Relevanz der religiös definierter Konfliktakteure im selben Maße zu, wie die Bedeutung der von ihnen getragenen religiösen Kon-fliktthemen. Im Vergleich zum übrigen Asien ist Südostasien überdurchschnittlich stark von kulturellen Konflik-ten belastet. Der hohe Anteil der Region an den kulturellen Konflikten in Asien erklärt sich nicht über eine besondere Anfälligkeit der kulturell heterogenen Region für Identitätskonflikte, sondern ist Folge einer historisch betrachtet generell hohen Konfliktbelastung. Allerdings lässt sich in Südostasien keine „Kulturalisierung“ des Konfliktgeschehens im Sinne der Ablösung nicht-kultureller durch kulturelle Konflikte erkennen. Vielmehr scheinen die Identitätskon-flikte in südostasiatischen Staaten sehr tiefliegend und damit Deeskalationsstrategien häufig nur schwer zugänglich zu sein. Allerdings sind sie praktisch ausschließlich innerstaatlicher Art und strahlen nicht auf die zwischenstaatlichen Beziehungen aus.

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All dies macht eines deutlich: Asien und Südostasien im Besonderen verfügen über ein großes Potential für innerstaatliche und zwischenstaatliche Konflikte um Kultur und Identität. Die Staaten der Region verfügen aber auch über ein außergewöhnliches Potential, ein dauerhaft friedliches Zusammenleben der zahlreichen religiösen, sprachlichen und anders kulturell distinkten Gruppen zu gewährleisten. So taugt (auch) das Konfliktgeschehen in Asien und insbesondere in Südost-asien kaum, um Huntingtons berühmte These vom „clash of civilizations“ (1993) zu belegen. Der Kampf unterschiedlicher Kulturen ist nicht die Triebfeder internationaler Spannungen in Südost-asien. Die Analyse hat gezeigt, dass die politisch relevanten Konfliktlinien innerhalb vieler asiatischer und südostasiatischer Gesellschaften nicht primär entlang der Religionen, sondern an-derer kultureller Spaltungslinien verlaufen. Die Schärfe mancher Auseinandersetzungen und die Parallelität von Religion, Sprache und Historizität täuscht schnell darüber hinweg, dass die rele-vanten Konfliktgegenstände nicht religiöser, sondern häufig historizitärer oder religiös-sprachlicher („ethnischer“) Natur sind. Zwar sind die hier dargestellten Fallbeispiele kultureller Konflikte allesamt in sprachlich und religiös heterogenen Gesellschaften angesiedelt. Doch nicht alle kulturell fragmentierten Gesellschaften sind besonders von Konflikt betroffen. Quantitative Untersuchungen des Zusammenhangs von politischem Konflikt mit kultureller Diversität – operationalisiert etwa über Indikatoren der sprach-lich-religiösen Fragmentierung – zeigen für Asien und darüber hinaus, dass eine hohe religiöse Heterogenität sogar gegen gewaltsamen Konfliktaustrag in gewissem Maße zu imprägnieren scheint. Unsere (Croissant et al. 2009) und andere Ergebnisse (Collier/Hoeffler 1998, 2004; Elling-sen 2000; Hegre et al. 2001) der bisherigen quantitativen Konfliktforschung stützen die These, dass eine hohe religiöse Fragmentierung – obwohl damit die Zahl der kulturellen Akteure und der potentiellen Konfliktfelder zunehmen – das Risiko gewaltsamer innerstaatlicher Konfrontationen senkt.23 Des Weiteren zeigen Studien mit hoher Fallzahl, die „ethnische“ und kulturelle Konflikte in Asien und weltweit untersuchen, dass neben Kulturvariablen weitere Größen politischer (Regimetyp), ökonomischer („resource curse“) und demographischer („Youth Bulge“) gleichfalls die Konflikt-wahrscheinlichkeit beeinflussen. Kulturelle Strukturen sind demnach signifikant für das Erklären von Konflikten; sie determinieren jedoch nicht die Entwicklung interkultureller Beziehungen. Die kulturelle Diversität der Region und ihrer Gesellschaften bietet gleichermaßen Herausforderungen und Chancen für an Verständnis und Dialog orientierte friedliche Konfliktlösungsstrategien. Der gewaltfreie Umgang mit kulturellen Spannungen in Singapur und Malaysia und der Umstand, dass Kultur auf zwischenstaatlicher E-bene in Südostasien kaum Konfliktrelevanz besitzt, sondern innerhalb der ASEAN Formen einer gemeinsamen Identitätsbildung erkennbar werden (Schuck 2008), verdeutlicht, dass kulturelle Di-

23 Mit anderen Worten: entgegen der landläufigen Vorstellung besteht kein linearer Zusammenhang zwischen sprachli-

cher Diversität und Konfliktbelastung in einem Land („je mehr Sprachgruppen, desto mehr Konflikte“). Vielmehr scheint es so zu sein, dass Gesellschaften ab einem bestimmten Niveau der sprachlichen Vielfalt eher zu Gewaltkon-flikten neigen, über diese Schwelle hinaus aber die Anzahl und Größe der Sprachgruppen kein guter Prädiktor für Konflikt ist. Mit Blick auf die religiöse Fragmentierung lässt sich gleichfalls ein nicht-linearer Zusammenhang erken-nen: Gesellschaften auf einem hohen Fragmentierungsniveau sind überhaupt nicht von Gewaltkonflikten betroffen, während Gesellschaften auf einem mittleren Fragmentierungsniveau insgesamt deutlich stärker betroffen sind, als solche mit geringer Heterogenität. Dies gilt, ähnlich wie in anderen Regionen, insbesondere für kriegerische Ausei-nandersetzungen.

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versität und Konflikte innerhalb von Staaten und Staatenregionen in Asien nicht zwingend gewalt-same Formen annehmen müssen. Diese Bespiele verdeutlichen die Wichtigkeit subregionaler Zusammenschlüsse und die Strategien der malaysischen Akkomodation und der singapurischen Amalgamierung als mögliche Ergänzun-gen zur US-amerikanischen Assimilierung und zum deutschen (europäischen?) "unverbundenen Multikulturalismus“ als Mechanismen der Konfliktmediation in interkulturellen Kontexten. Kultur mag Schicksal sein, um eine These des ehemaligen Premierministers von Singapur, Lee Kuan Yew, aufzugreifen. Kultureller Konflikt ist es nicht.

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