KulturGut N°9

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Magazin für die Kulturregion Würzburg Kultur Gut Ausgabe 08 Februar 2012 Kulturinfarkt. Das Prinzip Tabula Rasa als Innovation? | Zukunft. Wenn Professoren den Wandel denken | Ausgeschlafen. Das neue Konzept für das Bürgerbräu-Gelände | Ausgabe 09 Juni 2012 | | |

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Das Kulturmagazin für die Region Würzburg

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Magazin für die Kulturregion WürzburgKulturGut

Ausgabe

08Februar 2012

Kulturinfarkt. Das Prinzip Tabula Rasa als Innovation? | Zukunft. Wenn Professoren

den Wandel denken | Ausgeschlafen. Das neue Konzept für das Bürgerbräu-Gelände |

Ausgabe

09Juni 2012

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Zukunft:Was wäre, wenn …?

Editorial

„Als gut gilt heute, was uns die Illusion gibt, dass es uns zu etwas bringen werde.“ Robert Musil

„Was wäre, wenn …?“ ist die Frage, mit der Zukunftsszena-rien beginnen. Das Nachdenken über die Zukunft ist aller-dings ein komplexes Unterfangen, und so neigt der Mensch dazu, heikle Themen gekonnt zu verdrängen. Irgendwann rücken die prognostizierten Szenarien in greifbare Nähe und man beginnt, ihre Auswirkungen zu spüren. Der wachsende Druck zu Handeln schränkt die Spielräume ein. Um so wich-tiger ist die öffentliche Debatte um die Zukunft und es ist gut, dass es Menschen gibt, die sie anregen. Aus Szenarien entstehen im besten Fall kreative Lösungen. Vorsichtig betrachten und hinterfragen sollte man sie den-noch – schließlich taugen nicht alle aufgestellten Szenarien dazu, positive Impulse zu setzen. Der Begriff „Horrorszena-rio“ drückt diesen Umstand per se gut aus: Natürlich setzen wir uns also mit dem bewusst provokanten Debattenbeitrag „Kulturinfarkt“, der seit Wochen die Kulturszene in Atem hält, intensiv auseinander.

Wendet man sich von der puren Provokation hin zu produk-tiven Beiträgen zur Zukunftsgestaltung, dann stößt man auf folgendes: einen Forscher, der sich mit den Zukunftsfragen der Region aktiv tätig auseinandersetzt und rührige Men-schen, die die „Was wäre, wenn …?“- Frage zu greifbaren Projekten formen – zum Beispiel mit dem neuen Konzept für das Bürgerbräu-Gelände oder der neuen Würzburger Stif-tung „Zukunft Kultur“. Nach der Schockstarre, die das Hor-rorszenario „Kulturinfarkt“ auslösen könnte, wenn man es zu Ende denkt, sicherlich ein versöhnlicher Gegenpol.

Wenn Sie den Diskurs mit uns fortsetzen -möchten, sind Sie wie immer auf unserer Websitewww.kulturgut-wuerzburg.de willkommen.

Wir sind dankbar für Ihre Anregungen und für einengeistreichen Dialog: Bleiben Sie uns weiterhin gewogen!

Iris WredeChefredakteurin

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Inhalt

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3 Editorial

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6 Titelthema | Kulturinfarkt? Schlaganfall?? Apokalyp-se?! Subventionen sind der Aufreger der Saison

11 Titelthema | Wirtschaftsgeograph: Für eine Zukunftsvision entscheiden!

14 Titelthema | Achtelmillion am Start. Würzburger „Stiftung Zukunft Kultur“

17 Titelthema | Mainfränkischer Branchen-Mix weckt Bürgerbräu-Gelände aus Dornröschenschlaf

20 Titelthema | Frei gelassene Musik. Konzertmarathon zum 100. Geburtstag

der Neue-Musik-Legende John Cage

22 Titelthema | Das Museum der Zukunft schläft nicht unterm Tiepolo-Himmel

26 Titelthema | Kunsttageslicht wärmt altes Holz. Erstes Leuchtturmobjekt im Mainfränkischen Museum

30 Theater | Tolle Jobs in Burkina Faso. „Die Schutzfl ehenden“ am Mainfranken Theater

32 Theater | Termine

34 Musik | Salah Eddin Maraqa, Virtuose der orientalischen Zither

36 Musik | Umsonst & diskutiert: Was leistet eigentlich ein U & D-Festival?

38 Musik | Termine

40 Kunst | Brainpainting: Gedanken treiben es bunt

42 Kunst | Termine

44 Literatur | Die Erstveröffentlichung. Der Kandidat. Eine Vision von Ulrike Sosnitza

48 Literatur | Termine

49 Film | Termine

50 Film | Schnittpunkt Klassenzimmer. Der Würzburger Schulfi lm

52 Stadt | Wo geht es ins Kulturquartier? Ein Viertel profi liert sich.

55 Stadt | Termine

56 Stadt | VHS-Studium, sommerleicht

58 Wissenschaft | Schul-Initiative: Hightech begeistert jüngsten Forschernachwuchs

60 Wissenschaft | Termine

61 Interkultur | Termine

62 Interkultur | Jubiläumsschleife am Ägyptischen Bau: 25 Jahre Cairo

64 Interkultur | Der Herr wurde ein Mann. Zur Ausstellung „Gott weiblich“

66 Impressum

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KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bühne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

Aufregende KultursubventionenVom Infarkt zum Schlaganfall zur Apokalypse: Drunter geht’s nichtvon Muchtar Al Ghusain / Illustration: Benjamin Brückner

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+ „Was wäre, wenn die Hälfte der Theater und Museen verschwän-de, einige Archive zusammengelegt und Konzertbühnen privatisiert würden? 3200 statt 6300 Museen, 70 staatliche und städtische Bühnen statt 140, 4000 Bibliotheken statt fast 8200 – wäre das die Apokalypse? […] die Halbierung würde zwei der knapp zehn Milliarden Euro öffent-licher Kuturförderung in Deutschland freisetzen.“ Mit den zwei Milliar-den Euro sollten die verbleibenden Einrichtungen („Qualität kostet“), die Laienkultur (ihre Strukturen, nicht die Produkte), die Kulturindustrie („Kunst als Ware“), die kulturelle Bildung („Jedem Kind einen Tablet-Computer“) und die Kunsthochschulen („Ausbau zu Produktionszen-tren“) verstärkt gefördert werden. Soweit in Kürze einige Hauptthesen des kulturpolitischen Aufregers des Jahres 2012. Als das Buch vom

Kulturinfarkt Mitte März 2012 das Feuilleton und die Kulturszene flu-tete, gepusht durch einen Vorabdruck im Spiegel (Nr. 11/2012), wollte ich natürlich nicht zögern und mir das Büchlein mit seinen 280 Seiten mal eben schnell durchlesen – auch ich wurde schließlich sofort von mehreren Medienvertretern um Stellungnahme gebeten und wollte da nicht ohne Meinung sein. Da ich mir sicher war, dass die ganze Auf-regung vor allem auch im aggressiven Marketing des Verlags ihre Ur-sache hat, wollte ich nicht zur Umsatzsteigerung beitragen und habe es mir zunächst ausgeliehen. Als ich mich schließlich durch das Buch gekämpft hatte (diese endlosen Wiederholungen, dieser penetrante neoliberale Jargon!), habe ich es mir dann doch noch selber gekauft, erstens, weil ich schon noch schlechtere Bücher gekauft und gelesen

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habe, und zweitens, weil ich – was ich selten tue – diverse Stellen ger-ne mit Rotstift kennzeichnen wollte. So eine Lust hatte ich, den Au-toren mal richtig eins zu geben. Dabei sind das doch eigentlich alles kluge Leute, aber auf einmal irgendwie komplett durchgeknallt.

Schalke-Geld für BorussenNun, interessanter als das Buch und seine Thesen (wer hat so was in seiner Jugend nicht so oder ähnlich selbst schon mal formuliert?) sind die Reaktionen, die es ausgelöst hat, vor allem die schiere Fülle. Wann hat es je so viele Reaktionen auf eine kulturpolitische Meinungsäuße-rung gegeben? Zunächst faszinierte, wie schnell die ersten Reaktionen erfolgten. Bereits wenige Stunden nach Erscheinen des Vorabdrucks im Spiegel reagierte der Deutsche Kulturrat mit einer Presseerklärung; dagegen sind die Buchautoren allerdings prompt juristisch vorgegan-gen. Der Deutsche Kulturrat in seiner Unterlassungserklärung vom 22. März 2012: „Wir hatten in unserer Stellungnahme zu dem Spiegel-Ar-tikel ‚Die Hälfte?’ behauptet, die Autoren forderten 50% weniger für

die Kultur. Diese Behauptung dürfen und werden wir nicht mehr auf-stellen, denn in Wahrheit wollen die Autoren nicht den Kulturetat um 50% kürzen, sondern jede zweite mit öffentlichen Mitteln finanzierte Kultureinrichtung in Deutschland schließen.“Andere Reaktionen folgten. Raten Sie, wer als nächstes kam? Rich-tig: der deutsche Bühnenverein, die „Gewerkschaft der Intendanten“: „Wer zudem glaubt, eine Stadt, die ihr Theater schließt, gäbe einen Teil der frei gewordenen Zuschüsse an das Theater der Nachbarstadt, der kann auch gleich den Vorschlag machen, den FC Schalke 04 auf-zulösen, um mit dem ersparten Geld Borussia Dortmund mit zu finan-zieren.“ Spätestens mit diesem Vergleich wird sich der Deutsche Büh-nenverein in die Herzen der deutschen Fußballfans – zumindest der Dortmunder – geschrieben haben. Da tauchen ganz neue Public-Pri-vate-Partnership-Modelle am Horizont auf. „Geht doch“, würden da-rauf wiederum die Autoren der kleinen Streitschrift antworten. Eine Woche nach dem Vorabdruck folgte im nächsten Spiegel (Nr. 12/2012) eine staatstragende Replik von André Schmitz, Staatssekre-tär für Kultur in Berlin: „Wer also davon spricht, dass man getrost

die Hälfte unserer Theater, Opernhäuser und Museen dichtmachen könnte, versündigt sich nicht nur am Kulturstaat, er ist obendrein ein schlechter Patriot.“ Und weiter: „Deshalb ist ein Mehr für die Kultur gerade in Krisenzeiten ein nützliches Konjunkturpaket. Wenn es etwas gibt, das wir uns sparen sollten, dann sind das Kulturhalbierer.“ Na, das ist aber ruppig.Anspruchsvoller und zugleich unterhaltsamer waren da doch die For-mulierungskünste der Feuilletonisten: „Irgendwie ist das selbst Kultur, vielleicht Kunst.“ (Thomas E. Schmidt, Die Zeit vom 22. März 2012). Das bringt mich auf eine Idee: Man sollte das Buch gleich selber als Theaterstück herausbringen, szenische Lesung, aufgeführt vielleicht von Rimini Protokoll, den Großmeistern des Dokumentartheaters.

Bücher zum RezensionsvergnügenMein persönlicher Favorit im dicken Pressespiegel ist der Beitrag von Niklas Maak in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 15. März 2012: „Werk eines Clubs ergrauter Kulturfunktionäre, die noch einmal

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die rhetorische Harley rausholen und mit mattem Thesenknattern um den eigenen Block fahren wollen.“ Und weiter: „Was die Autoren des ‚Kulturinfarkts’ vor allem vorführen, ist die Verwüstung, die markto-rientiertes Denken in der Sprache anrichtet… In einem Land, in dem solche Sätze geschrieben werden, kann es gar nicht genug Subven-tionen für Theater und Literaturfestivals geben.“ Lieber Herr Maak: In einem Land, in dem so herrlich-bissige Rezensionen geschrieben wer-den, darf es sogar noch mehr Bücher wie den Kulturinfarkt geben – denn: ohne Buch keine Rezension. Nicht minder vergnüglich formuliert Kerstin Decker in der taz vom 21. März 2012: „‚Wenn das System den ganzen Tag auf der Couch sitzt und sich an den Subventionen vollfrisst, dann ist Bewegungslosig-keit da.’ So muss man das erst einmal formulieren können! Klingt wie Schlaganfallprosa, ist aber der Versuch eines deutschen Professors, den Titel seines Buches zu erklären. Der Akademiker ringt nach Wor-ten. Das System flegelt da also auf dem Sofa – ‚nur rumsitzen und nichts zu tun‘ – und nun geschehe genau das, was die Medizin be-reits so gut erforscht habe. Es verfettet. Folge: Infarkt. Kulturinfarkt. So seien sie, zu viert, auf den Titel gekommen. Das Buch ‚Der Kulturin-farkt: Von allem zu viel und überall das Gleiche‘ ist bedauerlicherwei-se am Dienstag erschienen. Diesem Versehen hätte eine Beisetzung in aller Stille folgen können, wenn der Spiegel den Blindgänger nicht per Vorabdruck gezündet hätte.“ Jetzt aber Spaß beiseite und ein Schwenk zu den Theatermachern. Ganze 14 Seiten (vierzehn!) widmet die Zeitschrift „Theater der Zeit“ dem Buch in ihrer Ausgabe vom Mai 2012. 21 Intendanten und Dra-maturgen kommen zu Wort und formulieren teilweise auch besonnen und klug: „Unsere Gesellschaft ist keineswegs arm, und trotzdem wird uns suggeriert, dass uns Opernhäuser, Theater, Musikschulen und Bi-bliotheken ruinieren werden!“ (Gunnar Decker). „Auf dem Umschlag von ‚Der Kulturinfarkt’ steht: ‚Von allem zu viel und überall das Glei-che’. Diese Analyse hat mich ehrlich gesagt bestürzt. Sie trifft für mich gerade nicht auf die Künste zu, sondern eher auf die Produkte der Marktwirtschaft… Was am Markt bestehen soll, muss für die größt-mögliche Nachfrage designt werden. Ich finde die Vorstellung beäng-stigend, dass nun auch die Künste dazu verurteilt werden. Die Politik ist eine bessere Herberge für die Künste als die freie Marktwirtschaft“ (Johan Simons, Intendant der Münchner Kammerspiele).Oliver Reese, Intendant am Schauspiel Frankfurt, formuliert in der Frankfurter Rundschau vom 21. März 2012: „Wenn man das Buch ge-lesen hat, merkt man woran es krankt: Es hat keine Persönlichkeit, kein Herz… Alles ist in einem kalt fordernden, robespierrehaften Ton ge-schrieben in Vorfreude auf das Blut, das die Guillotine heruntertropft. Es tropft aber nicht.“ In der Tat: Nirgends in diesem Buch klingt Liebe und Engagement für die Künste und ihre Werke durch. Ist es nicht ein Glück, dass man in Greifswald „The Rake‘s progress“ von Igor Stra-winsky hören kann, in Bremerhaven „Lady Macbeth von Mzensk“ von Dmitri Schostakowitsch und in Passau „Don Carlos“ von Fried-rich Schiller? Dass man in Würzburg Bilder von Auguste Herbin sehen kann, in Darmstadt Arbeiten von Joseph Beuys?

Es gibt ein Leben neben der HochkulturWas mich an diesem Buch nervt, ist seine Wichtigtuerei. Kultur ist nur ein Teil unserer Gesellschaft. Reformnotwendigkeiten gibt es überall, sei es in der Umweltpolitik, im Gesundheitswesen, in der Bildungs-politik. Allein das aktuell kontrovers diskutierte Betreuungsgeld, die Pendlerpauschale, die Hotelsteuer, der Euro-Rettungsfonds, die Agrar-Subventionen undsoweiterundsofort machen hohe zweistellige Milli-ardenbeträge aus. Braucht es wirklich diesen alarmistischen Tonfall, der die Kultur mit dieser Fünfvorzwölf-Rhetorik drangsaliert? Auf einer

Podiumsdiskussion, an der auch einer der Autoren teilnahm, konfron-tierte ich ihn mit dem Einwand, dass es mich immer besonders irri-tiert, wenn Unternehmensberater Krisen und katastrophische Endzeit-stimmungen beschwören, gerade so, als wollten sie dadurch in erster Linie wieder neue Beratungsaufträge generieren. Der Autor, ein Un-ternehmensberater, lachte kurz auf… Muss es immer gleich die Apo-kalypse selber sein? Kann man die Themen nicht vielleicht etwas we-niger aufgeregt und gehässig diskutieren? Erwachsener, reifer, dafür aber inspirierter, empathischer? Was ich mir wünsche? Theater und Museen etc, die dazu einladen, betreten und genutzt zu werden, ohne Dresscode, ohne Unsicherheiten, etwas falsch zu machen. Kulturhäu-ser, die an einem Tag von russisch-stämmigen Seniorinnen, am an-deren Tag von der Fußballabteilung des Stadtteilvereins besucht wer-den. In denen unsere Gesellschaft, unser Menschsein verhandelt wird, die, wenn sie schon keine Antworten geben, zumindest die richtigen Fragen stellen.Ach, doch nochmal zurück zur Medienresonanz: Einer der wenigen, die den Autoren mit flammenden Worten zur Seite springen, ist der Dezernent für Umwelt, Planen und Bauen der Stadt Mühlheim/Ruhr, bis vor kurzem noch für die Kultur in dieser Stadt zuständig: Er und ei-ner der Autoren des Buches waren länger in der gleichen Kultur-Un-ternehmensberatung tätig, und er attestiert den Autoren: „Profunde-re Kenner der Kulturlandschaft und des Kulturmanagements gibt es wahrscheinlich nur ganz, ganz wenige“. Das ist wahre Freundschaft. Sein zynischer Schlusssatz: „Kultur darf wieder Spaß machen“ (im Blog der Kulturpolitischen Gesellschaft, www.kupoge.de). Na Prost, ihm vielleicht, er ist ja nicht mehr berufsmäßig dafür zuständig.Die Armseligkeit mancher Thesen gipfelt für mich schließlich in der Forderung: „Jedem Kind ein Tablet-Computer“. Man könne doch auch auf einem PC Musikinstrumente spielen. Oder mit den Worten von Ni-kolaus Merck auf www.nachtkritik.de: „Wenn man dann fast am Ende des Buches noch auf den Satz stößt: ‚Die Erweiterungsflügel aller Mu-seen brauchen nur noch virtuell gebaut werden’, fragt man sich, ob die vier Herren nicht vielleicht doch in untergeordneten Planungsab-teilungen von Google besser aufgehoben wären, und klappt das Buch entnervt zu.“ Ich gebe zu, ich lebe gerne in dieser analogen Welt mit echten Menschen, echten Häusern, echten Wäldern, echten Bildern, echten Musikinstrumenten. Aber gut, dass sie darüber geredet haben.Oder auch egal.

KulturGut 09 | Seite 11 | Würzburg

KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bühne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

+ Als Professor für Wirtschaftsgeographie an der Universität Würz­burg hat sich Ulrich Ante immer wieder mit Zukunftsfragen der Re­gion auseinandersetzt. Auch nach seiner Pensionierung im Jahr 2009 ist er als Streiter für eine öffentliche Debatte über die Zukunft in seiner Wahlheimat Franken unterwegs.

Sie beraten Gemeinden zum Umgang mit den Folgen des demogra-phischen Wandels. Wie groß ist das Interesse an solchen Themen?Sicher ist in manchen Gemeinden der Groschen schon gefallen. Da haben sich Arbeitskreise gegründet und man spricht intensiv über das Thema „Wie wollen wir in Zukunft hier leben?“. Aber insgesamt se­he ich bei den Bürgern ein eher schwächeres Interesse an Zukunfts­fragen. Meines Erachtens ist in der Region hier die Summe der Erin­nerungen weitaus größer als die Summe der Erwartungen. Das heißt, man beschäftigt sich sehr intensiv mit seiner Geschichte, blickt aber in viel geringerem Umfang voraus in die Zukunft.

Sie befassen sich seit den 1970er Jahren mit dem demographischen Wandel. Halten Sie ihn für das wichtigste Zukunftsthema?Nein, die Themen hängen alle zusammen. Es macht beispielsweise keinen Sinn, sich mit dem Schutz der Umwelt oder anderen Formen der Energieerzeugung zu beschäftigen, ohne den Menschen im Blick zu behalten. Schließlich geht es ja nicht um eine menschenleere Erde, sondern immer auch um die Frage, wie wir Menschen künftig leben wollen. Dabei hat der demographische Wandel natürlich einen hohen Stellenwert.

Die Prognosen sagen für Würzburg einen leichten Anstieg der Bevöl-kerungszahlen voraus. Auch wenn es so kommen sollte, sagt eine Gesamtsumme allein we­nig aus. Man muss die Zahlen schon genauer ansehen. Wie wird die Bevölkerung dann zusammengesetzt sein? Würzburg hat einen gro­ßen Anteil an Studenten. Aber die meisten werden hier nach dem Stu­dium keine Familie gründen, sondern weggehen, weil es in der Re­gion für sie keine qualifizierten Arbeitsplätze gibt. Das ist also wenig nachhaltig.

Aber gleicht sich das nicht dadurch aus, dass neue Studenten nach-kommen?Ja, vorausgesetzt, das bleibt so. Der Rückgang der Bevölkerung wird auch zu einem Rückgang der Studentenzahlen führen. Was würde passieren, wenn man dann in München an einer einzigen Stellschrau­be drehen und Würzburg plötzlich ohne seine Studenten dastehen würde?

Vorausgesagt wird auch ein Zuzug von älteren Menschen aus dem Umland. Warum ziehen ältere Menschen vom Land in die Stadt?Zur Zeit ist noch unklar, welchen Umfang dieser Trend erreichen wird. Ein wichtiger Grund für diese Umzüge ist sicher die bessere ärztliche Versorgung. Daneben spielen aber auch andere Vorteile des verdich­teten Wohnens, wie z. B. kurze Wege, eventuell auch das bessere Freizeit­ und Kulturangebot eine Rolle.

Über Zukünfte nachdenken– und sich für eine Zukunftsvision entscheidenInterview: Christine Weisner / Illustration: Benjamin Brückner

Raum im Blick: Prof. Antes.

KulturGut 09 | Seite 12 | Würzburg

Was bedeutet dieser Zuzug von Senioren für eine Stadt wie Würz-burg?Würzburg kann davon profitieren. Vorausgesetzt allerdings, es stellt sich auf diese Bevölkerungsgruppen ein! Dann gibt es eine zusätz-liche Nachfrage nach Wohnungen, Dienstleistungen und so weiter. Ungefähr ab einem Alter von 85 Jahren brauchen Menschen erheb-lich mehr Unterstützung. Aber es ist ebenfalls von großer Bedeutung,

dass man sich rechtzeitig auf die Bedürfnisse der jüngeren, noch ak-tiven Senioren einstellt.

Das soll in Zukunft schwieriger werden, sagen Sie. Warum?Wir werden weniger, wir werden älter und wir werden auch bunter. Dabei wird unserer Gesellschaft keineswegs nur durch Einwanderung bunter, auch in der einheimischen Bevölkerung wird die Vielfalt grö-

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ßer. Das heißt, das Bild von der häkelnden Oma am Ofen entspricht schon jetzt nicht mehr der ganzen Bandbreite der Lebensweisen. Es gibt genauso die Gruppe der aktiven Senioren, für die Reisen, Sport und Erlebnisse eine große Bedeutung haben.

Welche Angebote wären erforderlich?Wir brauchen z.B. dezentrale und seniorengeeignete Sportmöglich-

keiten in den Stadtteilen. Bildungsträger sollten ihr Angebot vermehrt auf Senioren zuschneiden. Warum bietet die Musikhochschule nicht Kurse für ältere Menschen an, die ein Instrument lernen wollen? Da-mit hätten zugleich Studenten der Musikpädagogik die Möglichkeit, sich auf eine zukünftige Zielgruppe vorzubereiten, die in der alternden Gesellschaft immer wichtiger wird.

Müsste sich auch das Kulturangebot ändern? Sollte es beispielsweise spezielle Theatervorführungen für Senioren geben?Theaterleute und andere Kulturanbieter suchen ohnehin ihr Publikum, so dass es automatisch vielfältige Kulturangebote auch für diese Be-völkerungsgruppen geben wird. Vorausgesetzt natürlich, die Anbieter bekommen den Wandel in der Altersstruktur der Bevölkerung mit.

Prognosen gehen von einer Bevölkerungsabnahme im Umland aus. Kann Würzburg das egal sein?Auf keinen Fall! Man muss die Region immer als Ganzes sehen. Würz-burg erfüllt als Oberzentrum wichtige Funktionen für das Umland. Wenn dort die Bevölkerung weniger wird, wird Würzburg die sinkende Nachfrage deutlich zu spüren bekommen. Doch außer dem demogra-phischen Wandel stellt sich die ganz wichtige Zukunftsfrage: Wovon wollen wir leben? Wo können qualifizierte Arbeitsplätze entstehen? Wir denken bei Industrie oft nur an ein paar Großbetriebe in Würz-burg, Schweinfurt und Lohr. Aber innerhalb dieses Dreiecks gibt es eine Reihe von hochspezialisierten Kleinbetrieben, die der Öffentlich-keit kaum bekannt sind. Auch Forschungseinrichtungen werden we-nig wahrgenommen. Dabei haben wir hier u. a. mit dem Fraunhofer Institut oder dem Süddeutschen Kunststoffzentrum Forschungsein-richtungen von weltweiter Bedeutung.

Liegt die Zukunft der Arbeit in der Region in Hightech-Betrieben und Forschungseinrichtungen?Es fragt sich, ob das für eine nachhaltige Entwicklung ausreicht. Wenn wir zusätzlich noch ein Max-Planck-Institut nach Würzburg bekommen könnten, wäre ich optimistischer. Denkbar wären aber auch ganz an-dere Optionen: So haben unsere Untersuchungen gezeigt, dass Würz-burg ein attraktiver Standort für Tagespendler nach Frankfurt und Nürnberg ist. Gerade in Frankfurt gibt es interessante Arbeitsplätze für hochqualifizierte Arbeitskräfte. Dagegen bietet Würzburg mit sei-ner reizvollen Landschaft sowie den Freizeit- und Kulturangeboten das hochwertigere Wohnumfeld. Auch darauf könnte man setzen.

Forschungsstandort oder Wohnstadt für Pendler, das sind zwei sehr unterschiedliche Vorstellungen.Ja, bedingt. Es ist extrem wichtig, dass man sich über verschiedene Zukünfte austauscht. Dass über die Frage, wie wir morgen in dieser Stadt leben wollen, endlich ein breiter Dialog mit den Bürgern und un-ter den Bürgern in Gang kommt. Man muss über verschiedene mög-liche Zukünfte reden, sich dann aber für eine Zukunftsvision entschei-den und auf diese entschlossen hinarbeiten. Denn wenn man sich nicht entscheidet und meint, man könne von allem ein bisschen ma-chen, dann bekommt man zum Schluss gar nichts.

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Achtelmillion am StartDie Würzburger Stiftung Zukunft Kulturvon Axel Herber / Illustrationen: Benjamin Brückner

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+ Freie Künstler haben kaum finanzielle Sicherheit, kaum Zukunftsper-spektive. Das wusste David Herzog, als er sich gegen ein Studium an der Hochschule für Musik in Detmold entschied. Dabei war er musika-lisch bestens präpariert. Seine Instrumente, Trompete und Klavier, be-herrschte er problemlos. Zusätzlich wollte er Kunst studieren, die Be-werbungsmappe lag bereit. Aber schließlich siegte die Vernunft. Und so schrieb sich Herzog an der Universität Würzburg ein – für Jura und Geschichte. Im Lauf seiner Karriere ließ ihn die Kunst jedoch nie mehr

ganz los. Als gut verdienender Anwalt für Wirtschafts- und Steuer-recht beschloss er, Nachwuchskünstlern unter die Arme zu greifen.

Ein freies KunstdepotMit Gleichgesinnten organisierte er erste Kulturveranstaltungen. Das war vor etwa fünfzehn Jahren. „Wir machten alles selbst, vom Stühle-schleppen bis zur Abrechnung“, erzählt Herzog. Einen Teil finanzierten

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Link: www.stiftung-zukunft-kultur.de

sie stets aus eigener Tasche. Für den Rest suchten sie Sponsoren. Sei-ne ersten Erfahrungen mit der professionellen Organisation von Ver-anstaltungen machte Herzog bei den Hofmusiktagen in der Residenz. Daraus lernte er für die Gründung des Programmkinos Central. Her-zog wurde Vorsitzender im Aufsichtsrat. Auch der Kulturförderkreis um Herzog, rund fünfzehn bis zwanzig Leu-te, entwickelte sich weiter, die Ansprüche stiegen. „Wir wollten uns in der Kulturlandschaft verorten“, erzählt er. Man entschied sich schließ-lich dafür, eine Stiftung zu gründen. Die brauchte einen soliden finan-ziellen Grundstock, um ihre Aufgaben dauerhaft erfüllen zu können. Inzwischen beträgt das Kapital „120.000 Euro, das reicht fürs Erste“, freut sich Herzog. „Gerade schreiben wir noch an der Satzung, im Juni oder Juli wollen wir den Antrag einreichen.“ Auch der Name der Stif-tung existiert bereits: Stiftung Zukunft Kultur: „Er drückt genau das aus, was wir machen: Der Kultur eine Zukunft zu geben.“Herzog veranschaulicht die Arbeitsweise der Stiftung anhand eines Konzerts der Jungen Philharmonie: „Wir haben Sponsoren gesucht, die Solisten angeworben und die Plakate gestaltet. Das macht kein anderer Geldgeber außer uns.“ Neben klassischer Musik wird die ge-meinnützige Stiftung ausschließlich Jazz und bildende Kunst fördern. „Schließlich kann man nicht alles machen“, betont Herzog. „Das sind die beiden Bereiche, in denen wir bislang auch schon tätig waren.“ Dafür kann grundsätzlich jeder einen Antrag stellen, unabhängig von Wohnort, Alter und Ausbildung. Ein Gremium aus Fachleuten wählt anschließend die förderungswürdigen Projekte aus.Die zweite Säule der Stiftung sollen mehrere Kunstsammlungen bil-den. Ausgewählte Künstler können ihre Werke spenden, um sie als

Gelungener Schritt: Stiftungsinitiator Herzog setzte sich bereits erfolgreich für das Genossenschaftsmodell im Kino Central ein.

„ewigen Bestand“ ins Grundstockvermögen einzulegen. „Im Gegen-zug verpflichten wir uns, die Kunstwerke nach dem Tod des Künstlers zu lagern, zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“, sagt Herzog. Er verhandelt deshalb bereits mit der Stadt über einen permanenten Ausstellungsraum. Dort soll beispielsweise eines Tages die Sammlung von Joachim Hiller ausgestellt werden. Der Maler aus Berlin hat seinen Nachlass bereits der Stiftung vermacht.Als Konkurrenz zu den bereits etablierten Kulturstiftungen, wie etwa der Sparkassenstiftung, sieht sich die Stiftung Zukunft Kultur nicht. „Wir wollen in erster Linie Lücken füllen“, sagt Herzog. „Würzburg hat zwar mittlerweile eine recht interessante Kulturszene, doch es trägt auch eine Bürde: Die großen Kulturereignisse sind entweder in den Händen der Stadt, wie das Mozartfest, oder in vergleichbaren Struk-turen organisiert, wie die Bachtage. Das erdrückt vieles.“ So seien die städtischen Konzertsäle für freischaffende Künstler oft nicht bezahl-bar. Dort könnte künftig die neue Stiftung mit einer Projektförderung auf den Plan treten. Zur Unterstützung der bildenden Kunst möchte Herzog den Ringpark zwischen Bahnhof und Fernheizkraftwerk jährlich von einem anderen Künstler gestalten lassen: „Das würde Interesse wecken, sich in Rich-tung Kulturspeicher zu bewegen.“ Doch das ist Zukunftsmusik. Jetzt möchte er erstmal seine Stiftung auf den Weg bringen: „Dann kann ich vielleicht endlich aufhören, Stühle zu schleppen“, hofft er.

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+ Im Fabrikensemble am Ende der Frankfurter Straße sollen sich schon in wenigen Jahren Kunden, Konzert- und Restaurantbesucher tummeln, während zahlreiche kreative Dienstleister, Handwerker und Künstler hier ihrer Tätigkeit nachgehen. Das ist das erklärte Ziel von Roland Breunig und Carsten Höfer. Die beiden Investoren sind be-reit, erhebliche Mittel in die Sanierung der historischen Bausubstanz zu stecken, und sie haben ein Nutzungskonzept entwickelt, auf dessen Basis sie Ende 2011 den Großteil des rund fünf Hektar großen Areals von der Stadt Würzburg erworben haben. Zur Zeit beschäftigen sie sich intensiv mit den Detailplanungen.Kennengelernt haben sich die beiden bei einer Veranstaltung über die Zukunft des Bürgerbräugeländes. Carsten Höfer gehörte da bereits zu den Nutzern des Grundstücks, denn er gründete hier im Jahr 1994 zusammen mit seiner Frau Karin die Sektkellerei Höfer. Roland Breu-nig war als interessierter Architekt anwesend. Sein in der Nachbar-gemeinde Zell ansässiges Büro archicult entwirft nicht nur Baupläne, sondern erarbeitet auch Konzepte für Gastronomie, Tourismus und Ausstellungen.Höfer und Breunig kamen ins Gespräch und entwickelten ihre eigene Zukunftsvision. Sie planen eine gemischte Nutzung des Areals, aber keine x-beliebige Mischung. Vielmehr steht über allem das Leitbild eines Kultur- und Dienstleistungszentrums mit hochwertigen Angebo-ten und einer starken Verwurzelung in der Region. Mit diesem auf die Kultur- und Kreativwirtschaft hin orientierten Profil unterscheidet sich das Projekt in der Zellerau vom Kulturquartier rund um den Kultur-speicher im Alten Hafen, wo Veranstaltungen, aber auch Hotels, Ta-gungen und Tourismus deutliche Akzente setzen.Das von Breunig und Höfer entwickelte Leitbild soll die Möglichkeit eröffnen, das Bürgerbräuareal als Ganzes zu vermarkten. Gleichzeitig

hat es den Charme, dass es sowohl Raum für Neues bietet als auch das schon Vorhandene einbezieht. Die beiden Investoren sehen einen wichtigen Pluspunkt für ihr Konzept in der Lage der Bürgerbräu: in der Stadt und doch im Grünen, mit direktem Zugang zu oberhalb gele-genen Streuobstwiesen und einem Straßenbahn-Stop vor der Tür. Po-sitiv sehen sie auch das umliegende Viertel Zellerau, das sich nach Breunigs Einschätzung in den letzten Jahren steil nach oben entwi-ckelt hat. Hinzu kommen die gute Erreichbarkeit mit Auto (die für 2014 geplante Wiedereröffnung des Zeller Bocks könnte zeitlich genau pas-sen) und Fahrrad.

Historische Brauereigebäude als MarkenzeichenEinen wichtigen Teil des Konzepts bilden die neu auszubauenden Ge-werberäume, für die Breunig und Höfer schon ein reges Interesse bei kreativen Dienstleistern wie Architekten und Marketingfachleuten ver-zeichnen. Auch mit einem Filmproduzenten und dem Betreiber eines Tonstudios sind sie bereits im Gespräch. Natürlich wird Roland Breu-nig sein eigenes Architekturbüro ebenfalls hierher verlegen.Ganz neu hinzukommen wird ein Restaurant im Sudhaus. Seine Spei-sekarte wird vornehmlich auf regionale Produkte setzen und damit bestens zum Bauernmarkt passen, der seit 20 Jahren auf dem Bür-gerbräugelände stattfindet. Die Kellerei selbst, die sich aufs Versek-ten von Frankenwein spezialisiert hat, rundet das kulinarische Ange-bot ab. Carsten Höfer freut sich über die Erweiterungsmöglichkeiten für seinen Betrieb und auf neue Räume für Verkostungen und eigene Veranstaltungen.

Mainfränkischer Branchen-MixBürgerbräu-Dornröschenschlaf zu Endevon Christine Weisner / Foto: Benjamin Brückner

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KulturGut 09 | Seite 18 | Würzburg

Neben den bereits vorhandenen Künstlerateliers sollen künftig im ehemaligen Pferdestall und im hinteren Bereich Werkstätten für Hand-werker und Kunsthandwerker entstehen, die vor Ort produzieren und direkt verkaufen, so dass die Kunden einen unmittelbaren Einblick in den Herstellungsprozess bekommen können. Kulturinteressierte sollen neben dem theater ensemble und dem Sie-boldmuseum zwei weitere Anlaufstellen finden: Den großen Veran-staltungssaal mit einem regelmäßigen, breit konturierten Programm-

angebot und das Brauereimuseum. Es soll Einblicke in die Geschichte des Ortes geben, weshalb bereits mit der historischen Bauforschung begonnen wurde. Überhaupt spielen die alten Backsteingebäude, die hier ab 1886 hier errichtet wurden, um den Umzug der Brauerei von Zell in die Zellerau zu ermöglichen, eine wichtige Rolle. Dieses vollständig erhaltene und für Würzburg einmalige Industrieensemble soll dem Areal auch in Zu-kunft ein unverwechselbares Gesicht verleihen.

InfoS: Das Bürgerbräufest, das erstmals am 2. Juni statt-findet, gibt von 8 bis 23 Uhr einen vielfältigen Vor-geschmack auf das Kommende. Zudem kann man sich ausführlich über die Planungen für das Ge-samtprojekt informieren.

Informationen und Kartenvorverkauf:Kloster Bronnbach · Verwaltung im Prälatenbau Bronnbach97877 Wertheim · Tel. (0 93 42) 9 35 20 20 21 · www.kloster-bronnbach.de

zu Gast in Bronnbach:

Sa. 23.6. 20:00 UhrMusikalisch-literarische SoireeChristine Neubauer, RezitationTRIO 37 (Flöte, Fagott, Klavier)

So. 24.6. 16:00 UhrKinderkonzert: Mozarts EntführungLeitung: Christian Kabitz

Kartenverkauf unter 0931 372336www.mozartfest-wuerzburg.de

42. Bronnbacher Kreuzgangserenade

Fr. 6.7. 20:00 UhrVIVA VOCE: „Neue Songs in alten Mauern“

Sa. 7.7. 20:00 UhrVon Bach bis Brubeck – Von Klassik zu JazzWandelkonzert mit „Point of view“ mit abschließendem festlichen Barbecue

So. 8.7. 16:00 UhrKinderkonzert: Der Meisterdieb mit dem Pindakaas Saxophon Quartett

zu Gast in Bronnbach:

So. 15.7. 18:00 UhrLudwigsburger Schlossfestspiele:Wandelkonzert

Sa. 25.8. 19:30 UhrSommerserenademit Fabio Martino, KlavierWerke von Beethoven, Ravel und Scriabin

Sa. 22.9. 19:30 Uhr Musik in der Stille des Taubertalsmit dem Consortium Classicum

So. 7.10. 15:30 Uhr TeekonzertMusik aus Österreich, Ungarn und Deutschlandmit Mariel Müller-Brincken, Anna Nesyba, Katja Tschirwitz

Sa. 13.10. 19:00 UhrWo sind die Tränen von gestern Abend?Lieder und Schlager der 30er JahreHerbstkonzert des Förderkreises Bronnbacher KlassikKurt Weill, Hanns Eisler, Arnold Schönberg, Erwin Schulhoff Michal Shamir, Sopran; Moshe Zorman, Klavier

Sa. 10.11. 19:30 UhrRastrelli Celloquartett mit David Geringas

Sa. 17.11. 19:30 UhrA-CapulcoBenefi zkonzert zugunsten hilfsbedürftiger Kinder

Bronnbacher Kozerte

AUSVERKAUFT

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Frei gelassene MusikNeue-Musik-Legende John Cage bekommt zum 100. Geburtstag in Würzburg den Konzertmarathon „Open Cage“von Daniel Staffen-Quandt | Foto: Benjamin Brückner

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+ Kurz gesagt: John Cage war nie in Würzburg. Zumindest weiß nie-mand davon. Und auch sonst sind die Berührungspunkte eher – nicht wirklich vorhanden. Trotzdem wird der US-Komponist, der als wich-tigster Vertreter der so genannten Neuen Musik gilt, in Würzburg mit einem eigenen Kulturprogramm gewürdigt. Der Anlass: John Cage wäre am 5. September dieses Jahres stolze 100 Jahre alt geworden. Doch der Künstler starb bereits wenige Wochen vor seinem 80. Geburtstag. Damals, im Spätsommer 1992, plante ein junger Student in Saarbrücken fleißig an der Feier für Cage mit. Ale-xander Jansen hatte gerade eben erst Musikwissenschaft zu studie-ren begonnen – doch der Komponist begleitete ihn seit seinen Kla-vierstunden. „Ich war von frühauf ein Fan zeitgenössischer Musik“,

erinnert er sich. Und von John Cage ganz besonders. „Seine Idee des offenen Kunstbegriffs hat mich fasziniert.“ Dass er bei der Feier zu Cages Achtzigstem mithelfen würde, war für Jansen Ehrensache. Er war damals auch bei Ulrike Rosenbach zugange, einer Beuys-Meister-schülerin, die an der Hochschule der Bildenden Künste Saar die Klas-se Neue künstlerische Medien leitete. Am 4. September sollte Cage in Saarbrücken zu Gast sein, am 5. September dann in Frankfurt am Main. Doch es kam alles anders. Die Geburtstags- wurde zur Trauer-feier. Eine derart unliebsame Überraschung wird den Machern von „Open Cage“ in Würzburg nicht passieren. Jansen, seit vielen Jahren in der hiesigen Kulturszene verschiedentlich unterwegs, hat sich mit Armin Fuchs, Dozent für neuere Klaviermusik an der Musikhochschule, zu-sammengetan – ebenfalls ein Cage-Fan. Herausgekommen ist ein wahrhaft vielschichtiger Reigen von Mai bis Dezember, allerdings werden die drei Sommermonate Juli, August und September – und damit auch Cages Geburtstag selbst – ausges-part. „Das hat rein pragmatische Gründe“, erläutert Jansen. Was hel-fe schließlich das tollste Programm, wenn wegen der Ferienzeit keiner komme. Seit 2010 organisieren Fuchs und er schon an „Open Cage“, immer mehr Gleichgesinnte reihten sich ein, und das nicht nur aus der Mu-sikszene. Mit an Bord sind beispielsweise auch das Mainfranken The-ater Würzburg – als Jansens frühere Hauptwirkungsstätte – mit einer Ausstellung für „aktives Publikum“ im Foyer, Bildender Kunst, einer Performance im Plastischen Theater Hobbit und natürlich vielen Kon-zerten, etwa in der Hochschule für Musik, der Augustinerkirche und der Residenz. Nicht zu vergessen auch die Inszenierung von „Euro-pera 5“ durch Theater-Intendant Hermann Schneider. Außerdem wird John Cage für Kinder präsentiert und aufgearbeitet – in Konzerten und in der Reihe „Kinder-Musikhochschule“.Was nach wildem Sammelsurium klingt, würde John Cage als Künst-ler sicher gefallen. Irgendwie wild, konventionslos. Und trotzdem nicht abgehoben. „Cage hat den Kunstbegriff noch mehr erweitert als etwa Joseph Beuys“, sagt Jansen, der als junger Mann auch in Briefkon-takt mit Cage stand. „Es geht um Lust, Cage ist nicht verkopft, nicht schwer zugänglich“, findet der Ideengeber des Programms. Die Lust Cages, musikalisch eine Welt zu entdecken, sollen die Gäste in Würz-burg auch selbst spüren.Eine dafür geradezu prädestinierte Veranstaltung ist das Konzert von Armin Fuchs am 24. Oktober, wenn er das präparierte Klavier spielt – Cages Erfindung. Der US-Amerikaner wollte Kompositionen vom Ent-stehungsprozess eines Werkes entkoppeln, die Improvisation und der Zufall spielten dabei eine große Rolle. Cages „Sonates and Interludes“ am präparierten Klavier klingen also jedes Mal und bei jedem Künst-ler irgendwie anders. Verrückt. Und irgendwie simpel. Wie Würzburg. Irgendwie.

Info: Der Flyer mit dem kompletten Pogramm von „Open Cage“ liegt an den bekannten Stellen aus, unter anderem bei der Stadt Würzburg.

Alexander Jansen stellte bereits zu Cages 80. Geburtstag ein Festprogramm auf die Beine. Leider starb der Komponist kurz vorher.

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Nicht unterm Tiepolo-Himmel ausruhen!Das Museum der ZukunftInterview und Fotos: Michaela Schneider & Benjamin Brückner

+ Früher waren sie Musentempel und Hort der Wissenschaft – seit ei-nigen Jahren wandeln sich Museen zu Lernorten mit Unterhaltungs-wert fürs breite Volk. Besucherorientierung lautet das Schlagwort. Für Museumsteams sind damit Herausforderungen verbunden – nicht nur finanziell, vor allem müssen neue Ideen her. Einer, der sich intensiv mit den Museen der Zukunft auseinandersetzt, ist der Kunsthistoriker Holger Simon, der über Riemenschneider promovierte. Sein Kölner Unternehmen Pausanio entwickelt Museums-Apps – also mobile An-wendungen für Smartphones oder Tablet-PC.

Sind Deutschlands Museen angestaubt? Da muss man differenzieren. Insgesamt gibt es in Deutschland mehr als 6000 Museen, etwa die Hälfte davon Heimatmuseen. Unter diesen

6000 Häusern gibt es rund 50 echte Leuchtturmobjekte, die sich mehr als nur sehen lassen können. Und dann haben wir wieder erstklas-sige Sammlungen, die sich ganz anders präsentieren könnten, als sie es tun. Ein Beispiel ist das Martin-von-Wagner-Museum. Hier geht es schon damit los, dass der Eingang kaum zu finden ist.

Der Eingang ist das eine, aber wie sieht es in unseren Museen aus? Bleiben wir in Würzburg. Im Martin-von-Wagner-Museum hängen die Bilder recht unvermittelt, zum Teil nach Größe sortiert an den Wänden, versehen mit wenigen Informationen – das war es. Auch im Würzbur-ger Diözesanmuseum finden sich nur wenige Informationen – aber die Objekte werden extrem inszeniert. Der Museumsbesuch wird zum Er-lebnis. Das Problem ist: Es gibt immer noch Häuser, die ihre Schätze

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hüten und am liebsten niemandem zeigen würden. Um das zu verste-hen, muss man die Geschichte der Museen betrachten: Früher war ein Museum ein reines Objekt der Wissenschaft – das ist gerade in einem Universitätsmuseum wie dem Martin-von-Wagner-Museum zu spü-ren. Erst in den letzten Jahren tritt unter dem Haushaltsdruck die Be-sucherorientierung stärker in den Vordergrund.

Besucherorientierung heißt, potenzielle Gäste fürs Museum zu inter­essieren. Welche Rolle spielt das Internet?Das Internet bietet wunderbare Möglichkeiten, denn: Ein Museum ist nicht mehr so ortsgebunden wie früher, es kann sich zu jeder Zeit an jedem Ort präsentieren. Nehmen wir das Mainfränkische Museum. Besucher kommen nach Würzburg, um die Residenz und Tiepolos De-ckengemälde anzuschauen – ans Mainfränkische Museum denken sie erst einmal nicht. Auf einer guten Internetseite aber kann das Muse-umsteam kommunizieren, welche Schätze sich auf der Festung befin-den.

Wie können Blogs und Social Media helfen?Ein Museumsblog ist eine gute Sache – aber er braucht jemanden, der sich regelmäßig darum kümmert. Ein veralteter Blog macht einen sehr schlechten Eindruck, dann sollte man’s besser ganz bleiben lassen.

Facebook bietet Museen ebenfalls vielfältige Möglichkeiten, alle rdings braucht man ein Konzept und Ideen, um Leute auf die Seite zu locken.

Soll man komplette Ausstellungen im Netz zeigen?Meine Meinung ist: Museen dürfen nicht nur, sondern müssen bereits über die Webseite sehr viel von ihren Schätzen zeigen, um neugierig zu machen. Nur dann kommen die Besucher, denn das Internet ersetzt keine Kunsterfahrung. Auf einer Museumsseite im Netz brauche ich heute gleich auf der Startseite gute Fotos, die Meisterwerke und am besten kindgerechte Elemente. Museumsteams sollten bedenken: Die Generation 60 plus kommt sowieso ins Museum, ihnen muss man vor Ort etwas bieten. Aktiv bewerben und begeistern muss ich Familien – und damit die kommende Generation.

Den Besucher ins Museum zu locken ist das eine – sich ansprechend zu präsentieren, etwas anderes…Im Gegensatz zu früher müssen die Häuser ihre Schätze besonders hervorheben, sich auf zentrale Themen fokussieren und den Mut ent-wickeln zur Inszenierung – natürlich immer auf wissenschaftlich fun-dierter Basis. Der Aufschrei der Kuratoren, die jedes Objekt in ihrer Sammlung für gleich wichtig erachten, ist ihnen mit solchen Vorschlä-gen sicher. Will sich ein Museum aber für Besucher öffnen, müssen

Wie machen Smartphone & Co. eine gute Figur als Museumsführer?

Highlights inszeniert, Leuchttürme gesetzt und Geschichten erzählt werden. Denn wenn wir ganz ehrlich sind, sind wir Kunsthistoriker nichts anders als Geschichtenerzähler, wenn auch wissenschaftlich fundiert und legitimiert.

Brauchen solche Inszenierungen auch Neue Medien?Wichtig ist: Bild, Ton und bewegte Bilder ersetzen keine Exponate, sondern ergänzen sie. Museen arbeiten seit Jahrzehnten mit Medi-en – angefangen bei Stellwänden mit Informationstafeln über Me-dienstationen bis hin zu Audioguides. Die zunehmende Verwendung von Museums-Apps steht daher in einer Tradition. Das Neue liegt in der mobilen Nutzung auf dem ersten privaten Massenmedium, dem Smartphone.

Verdrängt der Unterhaltungswert nicht den wissenschaftlichen An-spruch?Ein Museum ist ein Ort des Forschens, des Bewahrens und des Zei-gens: ein idealer Lernort. Aber in meiner Freizeit will ich unterhalten werden – auch im Museum. Das kann auf einem hohen Niveau ge-schehen. Unterhaltung heißt ja nicht, dass man Clowns durch die Aus-stellungsräume schickt. Wobei das auch mal eine Idee wäre… (lacht). Es ist auch eine schöne Sache, wenn Besucher bestimmte Dinge selbst ausprobieren können, solange alle Elemente dem eigentlichen Objekt dienen. Das Vermittlungsmedium darf nicht dominieren.

Ihr Unternehmen entwickelt Museums-Apps. Was ist das besondere an diesen Anwendungen?Der Vorteil ist: Die Besucher bringen ihre Smartphones selbst mit. Apps sind ein wunderbares Instrument zur Besucherbindung. Gäste können die Anwendung vor Ort nutzen – und dann als Souvenir mit-nehmen. Inhaltlich ist eine App nichts Neues, sondern Film, Audiogui-de, Texttafel und Bilderwand in einem – eine Weiterentwicklung der bisherigen Medien im Museum. Die mobile Nutzung ermöglicht dem Museum aber, seinen Gästen bereits vor dem Besuch zu zeigen, was bei ihm das Besondere ist, und nach dem Besuch über Neues zu infor-mieren. Die Museums-App ist damit ein ideales Marketinginstrument.

Wie viel Inszenierung sich ein Museum leisten kann, ist immer auch eine Frage des Geldes.Das stimmt – aber auch mit kleinem Budget kann man gute Sachen machen. Das Industriemuseum Schiffshebewerk in Henrichenburg et-wa hat mit ganz einfachen Mitteln eine spannende Installation unter dem Motto „Das Monster von Waltrop“ entwickelt. Das Team hat da-für kleine Wasserschnecken aus dem Ufer unter ein Mikroskop gelegt und 200fach vergrößert. Die einfache Idee besticht und beeindruckt.

Wie stellen sie sich die Museumslandschaft der Zukunft vor?Ich hoffe, dass die Museen ihre Türen weit aufmachen – und das fängt in Würzburg damit an, dass man zeigen sollte, wo die Tür überhaupt ist. In Würzburg gibt es mehr als nur Tiepolo, auch wenn das Decken-gemälde natürlich großartig ist. Viel Potenzial liegt in den erstklas-sigen Würzburger Sammlungen, die mit einer gemeinsamen Marke-tingstrategie eine bessere Aufmerksamkeit verdienen. Hier sollte man sich unter dem Tiepolo-Himmel nicht ausruhen.

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+ Neue Wege geht das Mainfränkische Museum: Moderne Inszenie-rungen verschaffen ausgewählten Ausstellungsstücken künftig mehr Aufmerksamkeit. Denn das Museum soll sich vom rein kunsthisto-rischen zum kulturgeschichtlichen Museum wandeln, wünscht Leiterin Claudia Lichte. Erstes „Leuchtturm-Objekt“: der so genannte Mattern-Sekretär. Auf den ersten Blick nicht mehr als ein prunkvolles barockes Möbelstück, kann es auf den zweiten Blick aus einer Epoche erzäh-len, in der Handwerker und Feingeister die Künste in der fürstbischöf-lichen Residenzstadt aufblühen ließen.

Wie aber stellt man ein Möbelstück wörtlich genommen ins Schwein-werferlicht? Eine Schwierigkeit: Herkömmliche, direkte Beleuchtung kann Objekten wie dem Mattern-Sekretär schaden, denn vor allem Ultraviolett-Strahlung lässt Farbstoffe ausbleichen. Bei LEDs ist dies nicht der Fall – doch schaffen die energiesparenden Leuchtdioden ei-gentlich ein kühles, bläuliches Licht, das zum barocken Sekretär nicht gepasst hätte. Abhilfe schaffen konnte das Würzburger Unternehmen StrideLight mit einem Prototypen: Der Physiker Matthias Bruhnke und der Diplom-Ingenieur Bastian Freitag entwickelten gemeinsam ei-

Kunsttageslicht wärmt altes HolzDas Mainfränkische Museum inszeniert sein erstes Leuchtturmobjekt mit App, LED und kubischen SitzgruppenText und Foto: Michaela Schneider / Illustration: Benjamin Brückner

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ne LED-Beleuchtung, die sich farblich verändern lässt. Statt im kalten Blau lassen sie den Sekretär in warmem „Kunsttageslicht“ erstrah-len. Das Prinzip: Die vier Lampen enthalten jeweils mehr als 50 LEDs in acht verschiedenen Farben, die computergesteuert zusammenge-schaltet werden. Doch geht es Lichte nicht nur darum, den Sekretär ins rechte LED-Licht zu rücken. Auch will sie die Besucher motivieren, beim Sekretär zu verweilen und intensiver in die Zeit des Barock einzutauchen. Also mussten Sitzmöbel her. „Unsere Idee war eine Art Sitzsofa – und das ist in einem Haus wie dem Mainfränkischen Museum mit Möbelstü-cken als Objekten gar nicht so einfach“, sagt Lichte. Schließlich muss der Besucher auf den ersten Blick erkennen, was Objekt ist und wo man sitzen darf. Hier kam Schreiner Jürgen Auinger aus Zell ins Spiel. Modern sollten die Sitzmöbel sein und dem heutigen Zeitgeist ent-sprechen – dabei aber nicht in Konkurrenz mit den Objekten treten. Medientechnik sollte integrierbar sein und Museumsbesucher sollten das historische Objekt studieren und sich auch unter- bzw. neben-einander austauschen können. „So kam mir die Idee, kubische Blö-cke übers Eck an den Stützen zu positionieren“, erzählt Auinger. Die schwarzen Sitzgruppen aus durchgefärbter Faserplatte wirken zwar wie aus einem Block, sind aber flexibel kombinierar – zum Beispiel beim nächsten Leuchtturmobjekt. In ihrer Schlichtheit lenken sie von den eigentlichen Ausstellungsstücken nicht ab.

Zur PC-Lektüre, für die Museums-SiteIntegriert in die Blöcke sind Tablet-PCs mit einer multimedialen App, also einer mobilen Anwendung. Entwickelt hat diese der Kunsthisto-riker Holger Simon, Geschäftsführer des Kölner Unternehmens Pau-sanio GmbH. Tippt der Museumsbesucher auf der Startseite der App auf die Tür, schaut er tiefer hinein in den Mattern-Sekretär: Nach einer Einführung vom Museumsleiterin Claudia Lichte kann er eintauchen

in die Entstehungsgeschichte des Sekretärs. Er erfährt, wie das Möbel-stück aus Franken nach England und erst Jahrzehnte später wieder in die alte Heimat gelangte. Und er lernt Schreiner Carl Maximilian Mat-tern und seine Epoche intensiver kennen. „Eintauchen und mehr wissen“ – das soll die ganz neue, moderne Prä-sentationsform den Besuchern ermöglichen, betont Lichte. Und üb-rigens nicht nur Erwachsenen. Diplom-Restauratorin Susanne Wort-mann schreibt und illustriert in ihrer Freizeit eigene Kinderbücher. In

Multimediale Technik bringt auch den hölzernsten Schrank zum Sprechen.

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link: www.mainfraenkisches-museum.de

liebevollen Illustrationen hat sie die Geschichte des Barocksekretärs und seiner Zeit kindgerecht aufbereitet. Das Ergebnis lässt sich nicht nur auf den Tablet-PCs anklicken. Man kann es auch als gutes altes Pa-pierbüchlein durchblättern.

Multimediale Technik bringt auch den hölzernsten Schrank zum Sprechen.

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+ Das Stück ist ein gespielter Sachbuchtext. So nüchtern muss man das sagen. ‚Oder vielleicht doch nicht?’, schleicht sich Bedenken ein. Denn in Form einer großen Videoprojektion auf den Eisernen Vorhang spricht der immer etwas hintergründige Schauspieler Rainer Appel bei der Feierstunde einer ominösen „Rückkehrberatungsstelle“ für Asylsuchende. So etwas subtil Sarkastisches muss man erst einmal erfinden! „Rückkehrberatungsstelle“! Für Menschen, die oft ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, um überhaupt hierher zu kommen!Der Witz ist: Diese Dienststelle arbeitet tatsächlich, in der Gemein-schaftsunterkunft an der Veitshöchheimer Straße. Fakten, Fakten, Fak-ten wählte und wertete der Dokumentartheatermacher Hans-Werner Kroesinger aus, und dabei zählte für ihn auch das Kriterium: Wo wird das Groteske in der bundesdeutschen Ausländerpolitik sinnfällig? Wo zeigt sich, dass dieser Verwaltungsumgang mit Menschen keinerlei menschlichen Bezug zu seinen Objekten hat?

Antike Substanz in der GegenwartErschrecken und Mitleid sind Wirkmomente der antiken Tragödie und ziehen sich auch durch die „Stückentwicklung nach Euripides“. Die antike Vorlage reduzierte Kroesinger auf wenige Minuten. Im über-wiegenden Teil der eineinhalb Stunden zitieren und rezitieren die Schauspieler Gerichtsprotokolle, Politikerstatements, eine Kafka-Para-bel, wobei sie sich Satz für Satz und manchmal auch mittendrin noch abwechseln. In der zweiten Hälfte des Stücks übernehmen einzelne Sprecher kurz sogar identifizierbare Rollen. Dabei tauchen vermehrt Requisiten auf, mehren sich die Regieeinfälle und steigern sich zu – fast schon wieder überflutender – Bühnenbewegung. Die Anfangssequenzen erscheinen also extrem undramatisch. Da fragt sich natürlich, ob hierfür ein großer Theatersaal nötig ist. Die Ausla-stung an einem gewöhnlichen Wochentag zeigt: Es ist. Die kleinen Kammerbühne fasst ein solches Interesse an empathischer Belehrung nicht. Zudem wäre es zynisch, wenn Künstler sich mit schönen Ideen auf dem Rücken der schutzflehenden Antragsteller profilierten. Dass

sie das tun, muss unauffällig bleiben. So erstreckt sich die künstle-rische Leistung zunächst einmal auf dreierlei: Kroesinger strukturierte sein dokumentarisches Material lebendig und publikumsfreudig, und das heißt letztlich: einschlägig. Die Bühnenumsetzung funktioniert wie gewachsen, hat den „Atem“. Und schließlich möchte man ein sol-ches Projekt keiner noch so engagierten Laienbühne überlassen, wer-den die erregenden Tatsachen den Zuschauern doch auch deswegen so eindringlich übermittelt, weil hier Profis in einer gekonnt unauffäl-lig bleibenden Inszenierung mit ausgebildeten Stimmen sprechen. So gut, dass man gar nicht merkt, dass sie es tun. Schon allein das recht-fertigt wieder einmal das öffentlich subventionierte Theater. Ja, in einem Fall hätte es noch ein bisschen mehr sein dürfen. Denn die Pro-jektionen von Tiepolo-Fresken kranken an etwas zu kleiner Technik.Abweichend von der Eitelkeit anderer profilierter Projektanten kam Hans-Werner Kroesinger nicht als Gastregisseur nach Würzburg, um dem Stadttheater sein Schema aufzustülpen. Oder, in die Zukunft ge-schaut: Völlig undenkbar, dass der bundesweit renommierte Doku-mentartheater-Spezialist seine Würzburger Stückentwicklung dem-nächst auf die Bühnen von Hamburg oder Berlin hebt, um dort erst richtig Ruhm einzufahren. „Die Schutzflehenden“ verwenden fast nur lokales Datenmaterial und leben davon, dass das Geschilderte mitten unter uns geschah. Dieses Theaterstück funktioniert nur in Würzburg.Vor der veristischen Ernsthaftigkeit, mit der Kroesinger zuwerke ging, gewinnt der Schlussschuss seine Durchschlagskraft. Wenn aus Afri-ka, so lautet die Textüberlegung, so viele Leute abgewandert sind, wie das demographisch gebeutelte Europa zur Behebung seines Arbeits-kräftemangels braucht, dann gibt es auch für die Deutschen wieder „tolle Jobs – in Burkina Faso“.

Tolle Jobs in Burkina FasoAktuelles Dokumentarstück „Die Schutzflehenden“ am Mainfranken Theater von Joachim Fildhaut / Foto: Falk von Traubenberg

InfoS: 1., 14., 17., 22., 26., 30. Juni. Karten Telefon (0931) 3908124. | www.theaterwuerzburg.de

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Robin Bohn und Gastspielerin Nicola Schößler bringen physische Bewegung in die Dokumente.

KulturGut 09 | Seite 32 | Würzburg

| Termine |

weitere Informationen: www.kulturgut.wuerzburg.de

10, 11, 12 – third floorbis 9. Juni, Torturmtheater SommerhausenZur Saisoneröffnung gab’s wieder einen frisch über-setzten Bühnentext. Wird die streckenweise leicht makabre Komödie es ins Repertoire schaffen? Der Kanadier Jason Hall entfaltet sein Thema „Woh-nungsnachbarn“ sehr konzentriert auf wenige Mo-tive. Eine Fußmatte zu wenig und einige Müllbeutel zuviel genügen als dramatischer Treibsatz, um einen jungen Mann und eine hübsche Frau eine Stunde lang konsequent auf Trab zu halten. Und: Müll und Matte sind Objekte, die es erlauben, den Schauplatz auf den Flur zu begrenzen. Das Bühnenbild von Hausherr Veit Relin stülpt die Ausstattung des Boulevards, der vom Türenklappen aus der Wohnungsinnensicht lebt, konsequent um. Die beiden Bewohner – gespielt von Christoph Pabst als Kumpeltyp, dem man leider nicht trauen kann, und Deborah Müller als Schönheit vom Lande mit dem besten festen Willen, sich in der Stadt zu behaupten – werfen unter der Regie von Christine Neuberger hinter den Kulissen Bälle in ihre Umwelt, treten ins Rampenlicht und fangen sie geschickt auf, um sie einander zuzuspielen. Es ist eine Freude, da-bei zuzusehen. Bis die Stunde vorbei ist und nun al-les mal zu Ende kommen muss. Das setzt Autor Hall abrupt. Souverän lässt Neuberger auch das einfach spielen und verlässt sich dabei zurecht auf die Prä-senz ihrer Mimen. | www.torturmtheater.de

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Richard III.6. Juni bis 14. Juli, Mi.-Sa. jeweils 20 Uhr, EfeuhofEs ist zwar ein Luxusproblem, aber ein Problem. Denn was soll einer machen, der mit dem ganz normalen friedlichen Leben als Gentleman der englischen

| Theater |

Hoch aristokratie so gar nichts mehr anfangen kann? Der muss eben weiter das tun, was er kann. Und wenn mit dem englischen Königsthron das einzige, um was es sich für ihn zu kämpfen lohnt, schon von einem aus der eigenen Familie besetzt ist, beein-flusst das nur noch die Wahl der Mittel. Was diesen Richard Plantagenet bei seinem ihm irgendwie doch gewogenen Biographen William Shakespeare irgend-wie doch sympathisch macht: im Unterschied zu den meisten anderen Verbrechern (wir erinnern an einen Chemielehrer aus Albuquerque) behauptet er gar nicht erst, in seinem verderblichen Streben nur das Gute zu wollen. Er erklärt sich gleich im ersten Akt offen zum Bösewicht und das Publikum zu sei-nem Komplizen. Andreas Büettner inszeniert Shake-speares letztes Königsdrama der York-Tetralogie für die Sommerbühne im Efeuhof. Eine öffentliche Schnupperprobe gibt es am 2. Juni (16.30 Uhr) beim Bürgerbräufest daheim.| www.theater-ensemble.net

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Les Bonnes ab 8. Juni, 20 Uhr, KunstkellerJean Genets „Zofen“ kommen in der Originalsprache und mit einem Thema, das heute so aktuell wie lange nicht wirkt. Denn die Bediensteten, die abhängig Be-schäftigten, sollten gegen den Druck der Herrschaft doch eigentlich zusammenhalten. Tun sie aber nicht, ganz im Gegenteil. Nach der Premiere steht dieser Klassiker der Moderne bis zum 7. Juli insgesamt elf-mal auf dem Spielplan des kleinen Hauses Kroaten-gasse Nr. 20. Im Juli und September ist wieder ein Tschechow dran: „An der Landstraße“.| www.kunstkeller-wuerzburg.de

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Käthchen von Heilbronn9. und 14. Juni, 19.30 Uhr, 24. Juni, 19 Uhr, Theater MeiningenThomas Goritzki inszenierte das große (in Meinin-gen knapp dreistündige) Referenzstück des roman-tischen Theaters als Paradebeispiel für heutige Bühnentradition überhaupt: Kann uns das Stück noch etwas sagen und wie viel von der Bühnenkunst seiner Entstehungszeit sollte ein Theatermacher bei der Umsetzung mit transportieren? Goritzki gibt hierauf eine schlüssige Antwort, was nicht synonym damit ist, dass diese Wiederaufnahme eine in sich stimmige Inszenierung aus einem Guss vorlegte. Wie sollte sie auch? Nun, immerhin verschmilzt einiges wundersam. Denn schreiende Schauspieler sind ja nicht der letzte Gag der Gegenwartsdramaturgie, sondern Krachchargen seit jeher. Und für technischen Aufwand – ein Rezensent formulierte „einstürzende Altbauten“ über die notorische Ritterburg – steht das ehemalige Hoftheater mit der lange verpflich-tenden Geschichte ohnehin. Schon allein deswegen sollte der Schauspielinteressent das renovierte Haus in der Nachbarschaft mal besuchen. Mit 30 Metern Bühnentiefe misst es so viel wie die Berliner Staats-oper. Die Hubzylinderdrehbühne mit doppeltem Kranz ermöglicht spannende Perspektivwechsel und ein Hinterbühnenschlitten große Verwandlungen auch während des Spiels. | www.das-meininger-theater.de

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Spezialitäten14. bis 16. Juni, je 20 Uhr, Theater am NeunerplatzDas siebte Stück der internationalen Truppe Tschun-gulung feiert auf mehreren Ebenen den Grundsatz: Theater ist das ideale Medium für interkulturelles Lernen! Aus Improvisationen heraus entwickelt

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Tschungulung Stücke, die schließlich in deutscher Sprache zur Aufführung kommen. Letztere ist selbst Held der Shows: sie, ihre Tücken und die Schwierig-keiten, die man mit ihr in Deutschland haben kann. Das soll Ängste vor dem Fremden abbauen – auf bei-den Seiten der Bühnenrampe. Einige Szenen wurden schon zur Verleihung des Bayerischen Integrations-preises im Landtag gegeben.| www.theater-am-neunerplatz.de

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Bei lebendigem Leibeab 16. Juni, 20 Uhr, Mainfranken TheaterEin Spaziergang wird diese Uraufführung sicher nicht. Der in Berlin lebende Dramatiker und Regis-seur Paul M. Waschkau, 1963 geboren, gewann den Leonhard-Frank-Dramatikerpreis 2011 mit dem Thema „Nacktes Leben“. „Bei lebendigem Leibe“ komponiert 13 monologische Fragmente über die Ex-treme, die sich Menschen zufügen: in Vernichtungs-lagern, Kriegsgebieten, Kliniken und Arbeitsagen-turen. Die Darstellungen der Entrechteten können ins Groteske, Ironische lappen, ohne dass dies ihre Schwererträglichkeit anhaltend mildert. Ingesamt sieben Schauspieler geben bis 20. Juli sieben wei-tere Vorstellungen.| www.theaterwuerzburg.de

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Global Underscore23. Juni, 15.30 Uhr, Tanzraum Kontakt-Improvisation wird 40 Jahre alt. Diese ei-genartige Bewegungsform ist ein Kernelement zeit-genössischen Tanzes, zumal in seiner Würzburger Stilistik, da hier einige choreographisch engagierte Improvisierende wirken. Improvisiert wird mit dem

so genannten Kontaktpunkt, gewissermaßen als Spiel-Motiv – d. h. mit der Stelle, an der sich die Körper zweier Tänzer berühren. An diesem Orien-tierungspunkt bewegen sich die Teilnehmer, um alle Möglichkeiten zu erkunden, einander Gewicht abzu-geben, übereinander abzurollen… Auf diversen Fo-ren arbeitete Andrea Kneis viel mit KI. Nun lädt sie zum Geburtstags-Improvisieren und zum Zuschauen in die Schießhausstraße 19. Denn: Auf der ganzen Welt begehen Kontakter das Jubiläum gleichzeitig. Die Würzburger haben sich drei Stunden vorgenom-men, gleichzeitig mit den Neuseeländern, zu denen man – zumindest über einen gemeinsamen Zeitpunkt – Kontakt hält.| www.tanzraum.li

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Die Drei von der Tankstelle25. Juli bis 12. August, je 20 Uhr, Theater ChambinzkyDie Film-Experten sind sich da einig: Der UFA-Klassiker von 1930 verdankt seine Bedeutung nicht den Comedian Harmonists oder Heinz Rühmann, sondern der Tatsache, durch den „virtuosen Um-gang mit Erzählung, Tanz und integrierter Musik eine neue filmische Form“ erfunden zu haben - das erste Filmmusical wurde nicht in Hollywood, son-dern im Vorkriegs-Berlin gedreht. Nach einigen nie an das fröhlich-spritzige Original mit den Schlagern von Richard Heymann und Robert Gilbert heranrei-chenden filmischen Adaptionen kam der kräftig aus-geklopfte Stoff um die Boygroup als Wir-AG endlich doch noch als Musical auf die Bühne: 2005 in Berlin und 2011 in Würzburg. Dröhnenden Applaus ernte-te Hermann Drexlers Inszenierung im vergangenen Winter und bestreitet ob der großen Nachfrage nun den Spielplan des Sommertheaters.| www.chambinzky.com

Max Uthoff, Reiner Kröhnert3. August, 20 Uhr, HafenbühneSechs Jahre nach seiner beruflichen Neuorientie-rung vom Rechtsanwalt zum Kabarettisten bestreitet der (Neues aus der-)Anstaltsjurist Uthoff die zwei-te Hälfte des Theaterabends vom Hafensommer. Er macht das ultracool, und wenn er sich vor diesem Hintergrund analytischen Denkens zu Zynismen auf-schwingt, dann schmecken die umso bitterer nach Erkenntnis. Den ersten Mann des Abends sollte man von einer der vordersten Sitzreihen aus sehen. Reiner Kröh-nert, seit langem das gekröhnte Haupt unter den Parodisten, kann mit einer einzigen Mundwinkelfalte einen ganzen Menschen darstellen. Doch er arbeitet auch mit anderen Teilen seines Körpers, so dass man sogar ohne vergrößernden Bühnen-Monitor etwas von der Live-Präsenz hat. Und, nicht übersehen: Es gibt etwas zu hören. Der Mann hat phantastische Einfälle, die umso überzeugender wirken, wenn er sie seinen Polit-Opfern in den fältchengenau nach-plissierten Mund legt.| www.hafensommer-wuerzburg.de

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Der Vergewaltiger des Bösen29. September, 20 Uhr, PosthalleOlaf Schubert stellt sich schutzlos im ärmellosen Pul-lunder vor den Riesensaal, bemerkt in ungelenken, ja irregeleiteten Wörtern, dass er unmenschliches Streben nach Reichtum nicht richtig gern haben kann, und amüsiert damit die Leute. Man gönnt ihm das, auch wenn seine Stand-Ups bisweilen knapp am „In der DDR war nicht alles schlecht“ vorbeischram-men. Denn: Für Ostalgie gebärdet sich der Sachse zu tölpelhaft – als wäre er der Sohn vom Instrumenten-wart einer Bolschewistischen Kurkapelle.| www.olaf-schubert.de

KulturGut 09 | Seite 34 | Würzburg

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+ Salah Eddin Maraqa würde gerne von seiner Musik leben. Kann er aber nicht. Jedenfalls nicht so, wie er möchte. Was weniger an sei-nen Verdienstmöglichkeiten läge, als an seinem Anspruch. Maraqa, 30 Jahre alt, gebürtiger Jordanier aus Amman, ist einer der weltbesten Qanun-Spieler, der orientalischen Zither. Traditionelle arabische Mu-sik ist sein Leben, aber leben kann er davon nicht. Deshalb schreibt er an der Würzburger Uni seit dem Jahr 2009 an seiner Doktorarbeit im Fach Musikwissenschaft.Maraqas Weg zur Musik war eigentlich eine Trotzreaktion. Er war neun Jahre alt und ein begeisterter Fußballer, als er eines Tages mit seiner kleinen Schwester und der Mutter ins Konservatorium fahren sollte. Die Schwester sollte damals Musikunterricht erhalten, war aber noch zu jung. „Als der Direktor zu meiner Mutter sagte, ich solle doch ein Instrument lernen, sagte sie nein, weil ich ja angeblich nur Fußball im Kopf hatte“, erinnert sich Maraqa: „Da wollte ich natürlich erst recht Musik machen.“ Und weil am Konservatorium vor allem junge Menschen gesucht wur-den, die nicht Klavier oder Geige lernen wollten, sondern ein traditio-nelles arabisches Instrument, war Salah Eddin Maraqa besonders will-kommen. „Ich habe mir das einzige Instrument ausgesucht, das ich damals nicht kannte“, sagt er. Es muss irgendwie Schicksal gewesen sein. Denn der Junge entpuppte sich als Naturtalent – nach nur einem Monat Unterricht rieten die Lehrer, sich eine eigene Zither zu kaufen, weil er so begabt sei. Der Junge übte und übte – und wurde schon als Jugendlicher zu einem gefragten Qanun-Spieler. Er durfte während seiner Zeit in Jor-danien auch bei Meistern wie dem 1997 verstorbenen Iraker Munir Baschir lernen. Von Kennern der arabischen Musik wird Maraqa we-gen seiner Virtuosität und seiner Spielweise am Qanun als Nachfolger Munirs gesehen. Sicher auch, weil dieser außer Maraqa keinen ande-ren Schüler angenommen hat. Mit 17 sagte man ihm, man könne ihm nichts mehr beibringen.Maraqa ging nach Deutschland – ursprünglich mit dem Plan, Musik zu studieren. Doch er wollte kein zweites Instrument nebenher studieren, sondern sich entweder ganz dem Qanun widmen, oder gar nicht. Er machte seine Leidenschaft zum Hobby und studierte in Münster Mu-

sikwissenschaft. Seine Zither nahm er in dieser Zeit trotzdem täglich mindestens eine Stunde in die Hand, vor allem für sich; er übte aber auch für seine rund 20 Auftritte pro Jahr. „Angebote habe ich natür-lich mehr“, sagt er.

Mit Sarband auf WelttourneenDoch der heute 30-Jährige ist wählerisch. Er ist Traditionalist und hat Überzeugungen. Deshalb kann er nicht von seiner Musik leben. „Ich will nicht in irgendwelchen Clubs oder Bauchtanzbars spielen“, sagt er. Und auch für bloße Sample-Aufnahmen kurzer Sequenzen im Ton-studio sei er nicht zu haben, obwohl sich damit schnell Geld verdie-nen lasse. „Ich habe jahrelang bei den besten Qanun-Spielern gelernt, ich will die Tradition der arabischen Musik bewahren und nicht aus-schlachten“, erklärt er.Für niveauvolle Crossover-Projekte ist Maraqa durchaus zu haben. Schon seit Jahren ist er immer mal wieder weltweit mit dem Ensem-ble Sarband unterwegs, eine klassische Formation, sie sich zwischen den musikalischen Welten von Okzident und Orient bewegt. „Die ma-chen großartige Musik, die zwar neu ist, aber in den Traditionen ver-haftet“, sagt der junge Mann. Es sei jedes Mal eine „große Freude, mit dieser Band auf der Bühne zu stehen“. Auch, weil es Sarband um Kul-turverständigung gehe. Musik ist für Salah Eddin Maraqa immer noch sein Leben. Seine Dok-torarbeit ist fast fertig, nebenbei spielt er Qanun, gibt kleinere Kon-zerte, geht mit Sarband auf Welttournee. In die Vermarktungs- und Verwertungsmaschinerie der heutigen westlichen Musikwelt aber passt er nicht: „Musik ist nicht nur etwas, mit dem man Geld verdie-nen kann. Man muss an die Musik glauben, sie spüren.“ Maraqa hat Prinzipien. Bislang lebt er gut mit und irgendwie auch von ihnen. Bei-nahe unbemerkt, in Würzburg.

Schicksal MusikEiner der weltbesten Spieler der orientalischen Zither lebt mitten in Würzburg. Beinahe unerkannt. von Daniel Staffen-Quandt / Foto: privat

LINK: | www.maraqa.org

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Je nach Land hat sein Instrument 72 bis 78 Saiten: Maraqa am Qanun.

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+ Opa und Oma passen beim Umsonst & Draußen-Festival (U & D) auf die Kleinen auf. Denn das hat für jeden Geschmack was im Angebot. Zur Prime Time schieben zwei Menschenschlangen in der Budengasse aneinander vorbei. Kehrt machen sie an den Bühnen, die den Schlus-spunkt der Promenade für Zigtausende bilden. Doch nicht nur das. Auf der Bühne wird auch musiziert – vor einem hoffentlich wenigstens mehrhundertköpfigem Publikum. „Wer für ein Konzert 20 Euro Eintritt bezahlt, konzentriert sich auch für 20 Euro. Wer nichts bezahlt, interes-siert sich nicht für die Musik“, befürchtet freilich Andy König, mit der Band Stakkato 1987 auf der Bastion beim allerersten Ur-U & D dabei. Die Kirmes-Atmosphäre entgeht auch den Veranstaltern nicht. Tilman Hampl, einer der 13 haftenden Organisatoren, setzt angesichts von Aufmerksamkeitsdefiziten auf die Zukunft: „Wer beim U & D seine er-ste Festival-Atmosphäre geschnuppert hat, hat eine gute Prägung, um später zum Konzertgänger zu werden“, sagt Hampl, der für Auftritte seiner Lieblingsmusiker gern bis nach Berlin und weiter reist.

Nachwuchs-ChancenWas also leistet dieses niederschwellige Musikangebot? Wenn es ein neues Publikum heranzieht – zieht es dies auf einen Gipfel oder in ei-ne Talsenke der deutschen Geizlandschaft? Gitarrist Werner Küspert geht zwar nicht so weit, kostenfreie Konzerte und ebensolche Down-loads gleichzusetzen. Allerdings gibt er zu bedenken: „Die Haltung im Publikum, dass Kultur nichts zu kosten hat, wird durch Freikonzerte bekräftigt.“Was Bands von kosten- und honorarfreien Veranstaltungen haben, sieht Küspert, vielfach beschäftigter Berufsmusiker und Mitgründer der Jazzinitiative Würzburg, differenziert: „Ein Gratis-Festival ist für Amateurbands eine gute Gelegenheit, vor einem größeren Publikum zu spielen. Aber Profimusiker schneiden sich ins eigene Fleisch, wenn sie dort auftreten.“ Aus fleißiger Konzerttätigkeit kennt der Gitarrist die Haltung von Veranstaltern: ‚Bei denen hast du umsonst gespielt – und ich soll Gage für euch zahlen?!’

Anschlussgigs in NorddeutschlandKarrieresprungbrett funktioniert nur, wenn sich ein gehöriger Men-schensee unter der Bühne ausbreitet. Ein U & D als Förderfestival braucht eine Mindestgröße, auch auf die Gefahr hin, dass der Jahr-marktlärm einiges verschluckt. Da sind sich die Musiker einig. Noch

mal Andy König: „Bei so einem komplexen Thema stehen die ver-schiedenen Seiten alle unter verschiedenen Zugzwängen.“ Allerdings glaubt der Twenty-Fingers-Gitarrist nicht, dass man im Anschluss an unhonorierte Auftritte besser an größere Verträge herankommt. Ihm habe es nichts genützt, dass er ins Band-Infos schreiben durfte: ‚Habe beim U & D gespielt.’ „Wenn wir gut gespielt haben, konnten wir beim U & D ein halbes Dut-zend bezahlte Auftritte festmachen“, erinnert sich hingegen Wolfgang Salomon. Der Bassist trat in den 1980ern viel mit der Würzburger Fu-sion-Kapelle Munju auf. Die erwähnten U & D-Anschlussgigs machte Munju allerdings nicht in Würzburg fest, sondern bei der Mutter der Umsonst-Open-Airs an der Porta Westfalica. Dahin pilgerten die Club-betreiber aus Norddeutschland früher auf Talentsuche.

Kreativer Repertoire-DruckFragt sich, wie Würzburger Newcomer heute die Sache sehen. Beim Abend „School of Rock“ traten sie jüngst serienweise im Bechtolshei-mer Hof auf. Zusammengefasst: Auch 2012 ist das Mainwiesenfestival noch ein Orientierungspunkt. Dabei hat sich sogar der Geist der ersten Stunde, von dem die Gründergeneration gern schwärmt, ins laufende Jahrtausend gerettet: Ein tolles Gefühl sei das, Teil der Atmosphäre eines Festivals zu sein, als Performer; so sehen es die Mitglieder einer Funkrock-Band, die heuer zwar abgelehnt wurde, sich für 2013 aber si-cher wieder bewirbt: „Wenn es uns dann noch gibt.“ Thrown Together spielte im Bechto bunt gemischte, knackige Covers. Aber: „Fünf, sechs Eigenkompositionen bis Ende des Jahres“ stellt sich Frontfrau Franzi als nächsten Schritt der Band vor. Ein eigenes Repertoire ist generelle Bedingung für einen U & D-Auftritt. Thrown Together fühlen sich davon ein bisschen unter Druck gesetzt; aller-dings sieht Franzi auch, wie diese Vorgabe sie motiviert. Und so ist es eine ganz formal klingende Bedingung, die eine der Leistungen dieses Festivals für die Szene ausmacht: als Wegmarke bei der Entwicklung von Nachwuchsbands.

Umsonst & diskutiertWas leistet das U & D-Festival für die Würzburger Musikszene? von Joachim Fildhaut / Foto: Jutta & Jörg Kulow

INfo: Do., 21., bis So., 24. Juni, Talavera-Mainwiesen. | www.umsonst-und-draussen.de

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Hier können Musiker Teil einer Riesen-Party sein. Was beim ersten U & D begeisterte, gilt fürs 25. Festival immer noch.

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Frau Kraushaar14. Juni, 20.30 Uhr, KellerperleKunsthochschulen haben mehr Popstars ausgebildet als Musikkonservatorien. Auch Silvia Berger a.k.a. Frau Kraushaar lernte an der Hamburger Akade-mie – Video und Eigeninszenierung. In Deutsch und selbstgemachten scheinslawischen Sprachen zirpt und plärrt sie zum Kinderzimmerpop des Kammer-orchester Mark Matthes, dass beim Zuhörer in der Gegend zwischen den Ohren ein Wechselspiel von Grinsen und Grausen anhebt. Anscheinend wurde der Stubenarrest der Musiker erst kurz vor dem Kon-zert amnestiert.| www.kellerperle.blogspot.de

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Aufgang16. Juni, 20 Uhr, Vogel Convention CenterDas Crossover-Projekt beim Mozartfest schwelgt in den Finessen klassischer Piano-Anschlagskultur und zugleich in der Techno-Trance. An den Flügeln sitzen Rami Khalifé und Franceso Tristano, wenn nicht ei-ner von ihnen das vielsaitige Instrument zugunsten von Electronics verlässt. Als Scharnier bewegt sich Aymeric Westrich an den Drums. Aufgang erfindet höchst abwechslungsreiche Klangarchitekturen aus impressionistischem Jazz, Detroiter Club-Energie und Cluster-Harmonia-Reminiszenzen. Da sich die Band also nicht mit dem Trio ELF verwechseln lässt, trauert man auch nur kurz dessen Schlagwerker Ger-win Eisenhauer nach (der freilich besser trommelt als Westrich). Bei den Karten zwischen 20 und 40 Euro sollte man nicht sparen. | www.mozartfest.de

| Musik |

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The Kooks 9. Juli, 20 Uhr, PosthalleUnd hier der Generationen-Verbinder: Wieder einmal schafft es eine Gruppe junger Briten, Songs für ihre AltersgenossInnen zu singen und damit selbst Sech-zigjährige zu rühren. Vom ersten Hören an klingen ihre Hits wie gute alte Bekannte, ja Freunde fürs Leben, wie selbstverständlich immer schon dagewe-sen. Das bringt die Musikgeschichte natürlich nicht weiter über die Linien eines Ray Davis und/oder Steve Harley hinaus – aber genau danach fragt man bei den Kooks eben auch nicht. Sie unterbrechen ihre Europa-Festival-Tour für drei Deutschland-Shows mit ungewöhnlich positiver und eingängiger Musik, live mit großer Spielfreude rübergebracht. | www.posthalle.de

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Dikanda14. Juli, 20 Uhr, Marktplatz SommerhausenDie Sommerhäuser Hoffeste ziehen auf den großen Platz. Den wird an diesem Samstag ein Stettiner Sextett füllen, das mit der berüchtigten östlichen Spielfreude Folkloren von Polen bis Türkei fusioniert, zu selbstgeschriebenen Texten. Dikandas Sound aus den Kehlen zweier Sängerinnen, von Akkordeon, Gei-ge, Gitarre, Bass und Perkussionsinstrumenten gou-tierten die Massen des Wiener Donauinsel-Festivals genauso wie die Gourmets auf Burg Herzberg und beim Jazzfestival Montreux.| www.hofkonzerte-sommerhausen.de

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17 Hippies feat. Elliott Sharp25. Juli, 20 Uhr, HafenbühneGleich das erste Konzert nach der Eröffnung des Hafensommers bringt eine exklusive, aberwitzig erscheinende und doch recht einleuchtende Begeg-nung. Die berührende Power-Polka- und Seelen-kräusel-Combo mit der Vorliebe für östliche Folklore trifft auf einen Gitarrenextrementalisten, der in der aufgeschlossensten AKW-Zeit etliche Würzburger Ohren zum Wackeln brachte. Elliott Sharp gab in der New Yorker Downtown-Szene den Ton mit an, und der Ton hieß Noise, Nu-Jazz o. ä. Was wenige wissen: Sharp erforschte auch Klezmer-Klänge, gemeinsam mit dem etwas prominenteren Saxer John Zorn und dem Tom-Waits-Gitarristen Marc Ribot, für den er bei diesem Würzburger Pro-jekt übrigens einspringt. Da schließt sich der Kreis zu den 17 Hippies. Doch offen bleibt zum Glück manches: Als Vorprogramm stellt sich der Glatzkopf solo mit seiner Elektrischen auf die Bühne! Das Ge-samtprogramm des Hafensommers lässt wieder ein-mal über die Leistungsfähigkeit des Kulturstandorts Würzburg staunen.| www.hafensommer-wuerzburg.de

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Hubert von Goisern27. Juli, 20 Uhr, Festung, NeutorgrabenVor genau 20 Jahren hatte H. Achleitner aus dem oberösterreichischen Goisern mit seinen Alpinkatzen auch in Bayern den Durchbruch. Danach probierte er verschiedene weitere, gleichfalls bunte Instrumen-tierungen aus. Inzwischen ist sein „Heast as nit“ von 1992 Österreichs zweitliebster Popsong überhaupt – und immer noch im Repertoire. Die vier Jung-spunde, die aktuell an von Goiserns Seite agieren, interpretieren den Hit einfühlsam, an den richtigen Stellen sogar mit Macht. Sie beherrschen aber auch

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| Musik |

transparenten Bluesjazz, wenn der Herr aus Goisern zur Klarinette greift. Der hat sich kurz vor seinem 60. Geburtstag mit abgespecktem Sound überzeugend neu erfunden.| www.argo-konzerte.de

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Polnisches Requiem27. und 28. Juli, 20 Uhr, NeubaukircheMonteverdichor Würzburg und Hofer Symphoniker führen eins der persönlichsten Werke Krzysztof Pendereckis auf. Darin erinnert er an Freunde und Vorbilder, zugleich ist es ein religiöses Bekennt-nis, das in der Volksrepublik Polen abzulegen Mut verlangte. Solisten, großer Chor und Orchester mit vier- bis sechsfacher Bläserbesetzung lassen eine Werkfolge erschallen, in der der Komponist ein „Ag-nus Dei“ für Primas Stefan Wyszynski und ein „La-crimosa“ für den niedergeschlagenen Aufstand der Danziger zum Ausgangspunkt für eine großformatige Trauermesse nahm. Soli singen Anna Nesyba, Bar-bara Bräckelmann und Johannes Weinhuber, Leitung hat Matthias Beckert. Vorverkauf bei Deußer, Karme-litenstraße. | www.monteverdichor.com

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Gabby Young & Arnotto9. August, 20 Uhr, HafenbühneDie Leute wollen Spektakel. Eine Musikshow zum Staunen von der ersten bis zur letzten Minute ver-spricht die extrovertierte britische Sängerin Gabby Young mit ihrem Rock-Zirkus-Orchester Other Ani-mals: eingängige Quersummen durch die europä-ische Geschichte der Tanz- und Unterhaltungsmusik. Das Vorprogramm bestreiten Arnotto, das sind der Österreicher Otto Lechner und der Franzose Arnaud

Méthiviér. Auf ihren Akkordeons ergehen sie sich in Klanglandschaften, über denen der Wind der Minimal Music säuselt, wenn nicht heiterere Empfindungen erwachen.| www.hafensommer-wuerburg.de

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Toselli-Quartett10. August, 19.30 Uhr, Lola-Montez-Saal, Bad BrückenauVier Streicherinnen des Bayerischen Kammerorche-sters Bad Brückenau stellten ein amerikakritisches Programm zusammen. Nichts Politisches! Die Stück-auswahl wurde angeregt von Antonin Dvoraks Satz: „Unsinn, dass ich indianische oder amerikanische Motive verwendet hätte. Ich habe nur im Geiste der amerikanischen Volkslieder geschrieben.“ Anhand von Schubert, Haydn, Gershwin und des „Amerika-nischen Quartetts“ von Dvorak erkundet das Toselli-Quartett die Wechselbeziehungen zwischen Europa und Amerika.| www.kammerorchester.de

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Bridges & Mortazavi12. August, 20 Uhr, HafenbühneUnd noch einmal Hafensommer (letztmals vor dem Finale), weil es so schön wird. Nämlich mit dem Brü-cken-Projekt zwischen Würzburg und seiner schot-tischen Partnerstadt Dundee. Als Botschafter über Kanal und Firth of Forth wechselnd, formierte der Würzburger Jazzbassist und Münchner Filmmusik-Dozent Georg Kolb ein Ensemble aus Instrumen-talisten beider Städte, das Twincity European Jazz Project. Das entwickelte rasch eine eigene Klang-sprache, auch wenn es schottische und fränkische Traditionals aufgreift.

Ein Erneuerer ist auch der zweite des Doppelkon-zerts. Auf die Großcombo folgt der Solist mit den persischen Percussions, Mohammad Reza Mortaza-vi. Der war mit neun Jahren so weit auf dem klas-sischen Instrumentarium, dass ihm kein Lehrer mehr etwas beibringen konnte. Also erfand Mortazavi ei-gene Techniken (30 an der Zahl). Vor allem aber ließ er poppige Grooves in die traditionelle iranische Mu-sik einfließen. So vereint dieser Abend eine Weltur-aufführung und ein Weltwunder. www.hafensommer-wuerzburg.de

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Seien sie mir ewig gut!23. September, 17 Uhr, Toscanasaal der ResidenzIm Mai starteten die Toscanakonzerte, die das reiche musikalische Erbe der Region vorstellen. Gespielt werden originale Tasteninstrumente der Entste-hungszeit der Kompositionen aus der Sammlung in Schloss Homburg. Renommierte Musikologen führen in das Programm ein. An diesem Sonntag erklingen Lieder, Klavierwerke und Klavierkammermusik von Joseph Martin Kraus. Der in Miltenberg geborene spätere schwedische Kapellmeister (1756-1792) wurde immer wieder mit Wolfgang Amadeus Mozart verglichen. Tatsächlich ist er einer der originellsten und unabhängigsten Musiker des 18. Jahrhunderts. Er verfügte über hervorragende Kenntnisse der ge-rade aufblühenden Poesie in deutscher Sprache, pflegte Kontakt zu Matthias Claudius und verfasste selbst Lyrik, die er zu Liedern verarbeitete. Seine heutigen Interpreten sind Jan Kobow (Tenor), Swant-je Hoffmann (Violine), Martin Seemann (Violoncello) und der Pianist Michael Günther, der auch einige temperamentvolle Briefe des Komponisten liest.| www.clavier-am-main.de

KulturGut 09 | Seite 40 | Würzburg

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+ Sie sieht futuristisch aus, Tilo Werners Elektrodenhaube mit den bunten Kabeln. Und auch die Technik dahinter klingt wie Science Fic-tion: Stellt sich ein Mensch Körperbewegungen oder Gegenstände vor, entstehen im Gehirn Signalmuster. Mittels Elektroden können di-ese Hirnströme über die Kopfhaut gemessen und Befehle an einen

Computer gesendet werden. So kann der Proband aus der Kraft sei-ner Gedanken an einem Computer Bilder malen, Emails verschicken oder ein digitales Fotoalbum erstellen. Maus, Tastatur und Handbewe-gungen sind überflüssig. Das Ganze funktioniert über Gehirn-Compu-ter-Schnittstellen, kurz BCI (Brain Computer Interfaces).

Gedanken treiben es buntGehirn-Computer-Schnittstellen verbinden Gelähmte mit virtueller Palette von Michaela Schneider

Adi Hoesle: „Brain-Painting B-P 9/2009, Performance BCI Conference, Berlin”. 100 x 100 cm, Courtesy/Copyright: Adi Hoesle.

KulturGut 09 | Seite 41 | Würzburg

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Konzentration lässt sich lernenIm Rahmen des europäischen Projekts TOBI forschen zwölf Univer-sitäten – unter anderem Würzburg – an den Verbindungen zwischen Computer und Gehirn; die Europäische Union fördert mit zwölf Millio-nen Euro. Jetzt sorgt die futuristische Technik sogar in der Kunstszene für Aufsehen. Künstler saßen dabei in ihren Ateliers und „zeichneten“, während der Prozess live in die Ausstellungen nach Linz und Rostock übertragen wurde. Besucher konnten Brainpainting zudem selbst aus-probieren. Zudem wurde direkt in der Ausstellung an neuen Ideen ge-forscht. Kurator Adi Hoesle gilt als Ideengeber und Erfinder des Brain-painting, die Würzburger Psychologin Andrea Kübler hat die Technik auf wissenschaftlicher Basis vorangetrieben und „alltagstauglich“ ge-macht. Für Menschen wie Tilo Werner eröffnen BCI völlig neue Möglichkeiten und eine Lebensqualität, die vor ein paar Jahren noch undenkbar ge-wesen wäre, denn: Der 41-Jährige ist seit einem Badeunfall vor zwei-einhalb Jahren querschnittsgelähmt. Nur Kopf und Schultern kann er noch bewegen. Damit wäre er sein Leben lang rund um die Uhr auf fremde Hilfe angewiesen. Doch will er sich nun mittels Gehirn-Com-puter-Schnittstellen Stück für Stück Selbstständigkeit zurückerobern. Er trainiert mit einer Apparatur, die noch einen Schritt weiter geht als die Brainpainting-Technik. Über die Bewegung seiner Schulter steuert der 41-Jährige eine Armorthese, eine Art Ärmel aus Metall. Dabei werden Muskeln für be-

stimmte Bewegungen aktiviert, die der Patient selbst nicht mehr aus-führen kann. Das ist an sich noch nicht das Neueste. Gleichzeitig kann Tilo Werner aber über Gehirn-Computer-Schnittstellen „umschalten“ zwischen Arm- und Handmodus, erklärt Ingenieur Rüdiger Rupp. Mit der neuen Apparatur ist es Forschern erstmals gelungen, dass bei ei-ner so schweren Form der Querschnittslähmung ein Patient ohne fremde Hilfe in einem Zug den Ellenbogen strecken, beugen und mit der Hand zugreifen kann. Die Rede ist dabei von Brainswitch – Hirn-schaltung. Dafür musste Tilo Werner hart üben – etwa ein halbes Jahr lang dreimal pro Woche – bis er als ersten Gegenstand eine Laugen-stange griff.Malen aus Gedankenkraft erfordere ebenfalls viel Konzentration, sei aber einfacher zu lernen, erzählt Psychologin Andrea Kübler. Adi Hoesle wollte für den an amyotropher Lateralsklerose erkrankten Künstler Jörg Immendorff eine Möglichkeit schaffen, Kreativität weiter auszudrücken. Die Krankheit lähmt nach und nach den ganzen Körper. Brainpainting sei mehr als nur eine Spielerei: „Die Patienten lieben es, lässt es doch völlig neue Entfaltungsformen zu“, sagt die 48-jährige Psychologin. Hinzu kommt: Nur zwei Knopfdrucke sind nötig, um das System zu starten und es auf die Hirnantwort zu kalibrieren. Die Pa-lette auf dem Bildschirm besteht aus Symbolen für Farben, Formen, Pinselstärke oder Transparenz. Auf einem zweiten Screen entsteht ein Bild – gezeichnet mit der Kraft der Gedanken.

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Gegenüberstellungenab 16. Juni, Kartause AstheimDas kleine Diözesanmuseum bereitet die christliche Ikonographie der Volksfrömmigkeit in 17 verwin-kelten Räumen und stimmungsvoller Lichtregie auf. Dank ihrer breiten Motivik eignet sich die Samm-lung, auch einmal das Konzept des Mutterhauses am Würzburger Dom auszuprobieren. Und so setzt ab Mitte Juni die Sonderausstellung „Gegenüberstellungen“ Werke der Gegenwartskunst mit den Zeugnissen alter Prozessionen und Wallfahr-ten in Beziehung.| www.museen.bistum-wuerzburg.de

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LandArt 17. Juni, 14.15 Uhr, Walderlebnispfad Guttenberger ForstFamilien mit Kindern ab fünf bringen sich kreativ zwi-schen den Bäumen ein „und zaubern vergängliches Schönes in den Wald“, sagen die Pädagogen der För-sterei. Material für eineinhalb vergnügliche Stunden ist in Fülle vorhanden.| www.aelf-wu.bayern.de

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Veit Schmittbis 30. Juni, BBK-Werkstattgalerie Wie konservativ kann ein Künstler sein, in Aussage und Technik? Wie dekorativ darf er sein? Grundfra-gen der Kunst wirft der 1945 geborene Münchner Konservator (!) und Graphiker auf, dessen Drucke und Zeichnungen im kühlen Keller des Kulturspei-chers hängen.| www.bbk-unterfranken.de

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Die zweite Hautbis 22. Juli, Museum am DomDie vorige Ausgabe wies zwar auf diese Ausstellung, nicht jedoch auf die Größe der Exponate hin. Und die ist konstitutiv für manches Werk von Sylvia Hatzl. Die aus Baumwolle, Schweinsdarm oder Hasenhäu-ten gestalteten textilen Skulpturenbilder bewegen sich im Hauch des Vorübergehenden, ja, teils wur-den sie im gänzlich frei geräumten Museumsunter-geschoss extra so gehängt, dass man nah an ihnen vorbei schreiten muss. Von dieser Möglichkeit sollte der Besucher ausgiebig Gebrauch machen und auch selbst einmal hauchen. Alle Werke, auch das größte von sechseinhalb Metern Höhe, haben den Zuschnitt von Gewändern, der zweiten Haut eben. Wer trägt sie? Und wie? Solche Fragen drängen sich auf, und da wird‘s dann leicht mystisch.| www.museum-am-dom.de

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Tord Knudsen27. Juli, 20 Uhr, HafenbühneVideokunst und Ambient-Musik sind natürliche Ver-wandte. Schon der Erfinder des Musikgenres, Brian Eno, wünschte sich zur Tapetenmusik visuelle Bild-schirmereignisse, die die Funktion eines gerahmten Bilds nicht überschreiten sollten. Zu einem solchen Guckkasten-Gesamtkunstwerk verwandelt sich die Seebühne am Alten Hafen, wenn – nach einem so-lo-E-gitarristischen Vorprogramm - das Nils Petter Molvær-Trio abstrakte, trompetengestützte Klänge in die Nacht schweben lässt. Nordlichthaft schillern dazu die Projektionen, die der ebenfalls norwegische Videokünstler Tord Knudsen von der Bühne auf die Bühne strahlen lässt.| www.hafensommer-wuerzburg.de

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Begnadete Händebis 29. Juli, Mainfränkisches MuseumSchnecken und Kristalle hatte Alfred Ehrhardt oft vor seiner Fotolinse. Der Bauhaus-Schüler drehte 1955 einen Film über Riemenschneider-Skulpturen, „Begnadete Hände“, und zur Vorbereitung fing er die Schatten unseres fränkischen Meisterschnitzers in ausdrucksvollen Schwarz-Weiß-Fotographien ein. Die lassen sich nun in unmittelbarer Nähe zu den Originalen betrachten. Und die Museumsleiterin per-sönlich hilft dabei! Am 24. Juni (14.30 Uhr) und am 26. Juli (15.30 Uhr) führt Claudia Lichte durch die Ab-teilung. Der zweite Termin ist der erste einer Doppel-führung. Denn gleich danach geht es im Museum im Kulturspeicher weiter - Henrike Holsing konzentriert sich ab 17 Uhr auf „Neue Sachlichkeit in Franken und darüber hinaus“.| www.mainfraenkisches-museum.de| www.alfred-ehrhardt-stiftung.de

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Freiraumbis 29. Juli, Tagungszentrum Schmerlenbach, HösbachSkulpturen von Dierk Berthel, Christoph Jakob, Mar-kus Schmitt und Christine Wehe-Bamberger stehen im Park (ganztags geöffnet) und Kreuzgang (werk-tags 9 bis 17, wochenends 9 bis 12 Uhr). Beim BBK-Vorsitzenden Berthel kombinieren sich Stein und Metall spielerisch und im selben Atemzug doch mit archaischer Wucht. Wehe-Bamberger trat in Würz-burg mit einer Spitäle-Installation aus gedehnten Damenstrumpfhosen in Erscheinung. Christoph Ja-kob orientiert sich an der Stele, eine Form, derer sich Markus Schmitt bereits dezidiert für Bildstöcke bedient hat. Am 8. Juli, 15.30 Uhr kann man alle vier KünstlerInnen bei einer Führung kennenlernen.| www.schmerlenbach.de

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Aufbruch11. August bis 23. September, Museum im KulturspeicherDie Entdeckung der Zentralperspektive zur Renais-sancezeit holte den Raum hinein in die Bildfläche. Als diese dann im 20. Jahrhundert mit der abstrakten Malerei eine ungeheure Aufwertung erfuhr und sich auf ihren zwei Dimensionen selbständig machte, holte der Raum in seinem Exil hinter der Leinwand kräftig aus – und brach durch. Malerei verließ die klassische Bildebene, Künstler ersetzten den fiktiven Bildraum durch den Bezug zum realen Umraum: die Bilder gehen über die Grenzen des Rahmens hinaus, öffnen die Fläche oder verbinden sich mit der Wand. 80 Werke von 50 Künstlern führen Strategien seit den 1950er Jahren vor Augen, darunter Ellsworth Kelly und Leon Polk Smith, die nun erstmals in Würz-burg zu sehen sind. Günter Fruhtrunk, Rupprecht Geiger und François Morellet sind hingegen schon aus der Sammlung Ruppert bekannt, ebenso wie eine der Kuratorinnen: Britta Buhlmann, frühere Leiterin der Städtischen Galerie Würzburg, zeigte „Aufbruch“ bereits im Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern. | www.kulturspeicher.de

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Sommerakademie Homburg1. bis 8. September, Homburg am MainAusgesprochen experimentelle Techniken erforschen die Teilnehmer von Kursen wie „Interventionen mit Papier“, „Zeichnung / Cutout / Collage“ oder „Neue Drucktechniken“ ohne Säure und Lösungsmittel. Kursleiter sind u. a. der Hrdlicka-Schüler Rüdiger Schöll, die frühere Schlossherrin Linda Schwarz und die innovative Buchbinderin Nadine Werner. Der Preis für Seminare in Bildenden Künsten (es gibt auch Mu-

sikworkshops) liegt bei 480 Euro, die freilich keine Schlossübernachtung enthalten – Beherbergung im Ort geht extra. Das schöpferische Beisammensein beginnt mit einem Begrüßungsessen, der Schluss-samstag gehört einer Ausstellung (und Konzerten der Musikteilnehmer).| www.sommerakademiehomburg.de

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Dialog9. bis 30. September, SpitäleDie Malerin Barbara Henn und der Bildhauer Dieter Eisenberg schaffen gern Reihen. Die entstehen nicht planvoll, sondern im Dialog mit Farben, Formen und Material, und beide Künstler schließen sie ab, wenn sie die ursprüngliche Idee verwirklicht haben. Henn und Eisenberg wünschen sich sensible Betrachter, die aus den fertigen Kunstwerken etwas von diesen Dialogen heraushören können. | www.spitaele.de

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Mehr Sicht als Land15. September bis 31. Oktober, Arte NoahDie Nürnberger Künstlerin Stefanie Pöllot entwi-ckelte ihre persönliche Handschrift aus der seriellen Fotographie, von der sie einen logischen Schritt zu bewegten Bildern ging. Eine mögliche Konsequenz: Sie projiziert analoge Filme auf Alltagsgegenstände und nimmt das optische Ereignis auf Video auf. Dabei hat sie ein feines Gespür für Größen- und Zeitver-hältnisse – Bedingungen dafür, dass der Zuschauer ein kontemplatives Verhältnis zu seiner Umwelt ge-winnt, zumindest für die Dauer des Kunstgenusses. Pöllot will das „filmische Medium ausloten und sich gleichzeitig seiner Ursprünglichkeit bedienen“ und

„Werke entwickeln, die trotz ihrer unspektakulären Erscheinung Komplexität versprechen“. Das ist ihr zwar nicht spielend, aber spielerisch gelungen. Im Sommer vor zwei Jahren trug Pöllot bereits im Kul-turspeicher zur Nachtlandschaft-Ausstellung bei.| www.kunstverein-wuerzburg.de

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Mexicanidadbis 16. September, Kunsthalle Würth, Schwäbisch HallGemälde aus Mexiko schauen in der Regel unter starken schwarzen Augenbrauen hervor. Tatsächlich dürfte Frida Kahlo mit ihren Gemälden und Klei-derentwürfen die zugkräftigsten Exponate zur Son-derausstellung „Das Mexikanische“ beitragen. Doch sie wird nicht als Star behandelt. Vielmehr zeigen die Ausstellungsmacher, wie Identität und Mentali-tät fünf große Künstler besonders intensiv beschäf-tigten. Das Schicksal Mexikos sei ein „Kampf gegen die Leiden“, sagen die Kuratoren. Während die Surrealistin Kahlo an Leinwänden, am Leiden und an ihrem Leben arbeitete, kämpfte ihr kommunistischer Gemahl Diego Rivera unmittelbar für sein Volk. Jüngere, indigene Kollegen griffen auf ihr präkolumbianisches Erbe zurück. Sie verzichteten auf alle Raumillusion in der Malerei und entdeckten dafür Farben wie Rufino Tamayo oder Mythen wie Francisco Toledo. Der fünfte Vertreter schließlich, Adolfo Riestra, speiste seine Kunst aus der Zeitvor-stellung seiner Urväter: weder linear noch kreis-förmig in sich geschlossen, sondern jederzeit neu abrufbar… 100 kunsthistorisch bedeutende Mei-sterwerke des mexikanischen Quintetts sind in Hall zu sehen, hinzu kommen viele archäologische Fund-stücke und selten gezeigte Fotos – nicht zuletzt von der schönen Frida. | www.kunst.wuerth.com

KulturGut 09 | Seite 44 | Würzburg

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+ Es war Herbst und früh dunkel. Drohnen überflogen die Stadt. Li-lia starrte auf die Kontrollschirme, aber alles war wie immer. Sie rieb sich die müden Augen, und als sie die Bildschirme wieder anvisierte, tauchte da „Verräter“ auf, in großen, roten Buchstaben, direkt auf der Stadtmauer. Lilia traute ihren Augen nicht. Eine Drohne meldete, dass es sich um Lackfarbe handelte, magentarot. Die wurde schon lange nicht mehr hergestellt. Lilia gab den Drohnen den Befehl, die Schmie-rereien zu entfernen, bevor die Bevölkerung sie sehen konnte. Wer hatte etwas auf die Mauer schreiben können, ohne dass sie es be-merkte? Da zerschnitt die weibliche Stimme ihrer Handgelenkseinheit die Stille: „Polizeipräsident an Lilia Sommer: Attentat geplant. Marcus Gebauer, Vorsitzender der ‚Partei Freies Würzburg’, Personenschutz ab sofort, Wohnort Hotelturm.“Sie quittierte mit einem Blick in den Scanner. Marcus Gebauer war Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl. „2050, das Jahr der Befrei-ung“ war sein Slogan. Das System in ihrem Helm übermittelte weitere Details, während sie mit ihrem E-Mobil in wenigen Minuten von der Zellerau in die Schweinfurter Straße fuhr.Im Aufzug erklärten blank polierte Schriftzeichen die Geschichte des Hotelturmes: 2002 Grundsteinlegung, 2005 – 2012 Baustopp, 2013 Fer-tigstellung, Hotelbetrieb bis zur Zerstörung im Zweiten Terroristischen Krieg 2025, Abriss. 2037 Wiederaufbau durch China Tourist Consort, Teil des Würzburg Resort bis 2047, seitdem privat bewohnt.Wie Gebauer das aushielt? „2050, das Jahr der Befreiung“ meinte ja: das Jahr der Befreiung von den Chinesen. Aber als Polizistin durfte Li-lia keine Meinung dazu haben, schließlich bezahlten die Chinesen ihr Gehalt.Der Anzug vibrierte leicht an ihrem Arm und das Display zeigte an, dass die Drohnen das gesuchte Objekt nicht hatten finden können. Enttäuscht weitete sie den Suchbezirk aus. Sie klingelte. Ein Mann öff-nete. Helle Haut, kurze blonde Haare, weißes Hemd, Jeans.„Willkommen, Frau Sommer!“ Er streckte ihr seine Hand entgegen. Für einen Roboter hielt er sie demnach nicht. Oder testete er sie? Ein Roboter würde ihm nie die Hand geben. Sie durfte es eigentlich auch

nicht, aber er sah so sauber aus und …seine Hand war warm, der Hän-dedruck strahlte Ruhe aus. „Infektionsgefahr!“ warnte ihr Kampfanzug. Sofort zuckte sie zurück.„Schalten sie den Plapperkasten lieber aus!“ Er legte seinen Arm um ihre Schultern, worauf wieder der Alarmschrei störte. „Möchten Sie einen Cappuccino?“„Ich wurde von der Zentrale zu Ihrem Schutz eingeteilt, ich darf den Anzug nicht ausschalten, Kandidat Gebauer.“„Marcus!“ Seine Augen waren von tiefstem Blau. „Du riskierst doch dein Leben für mich.“Das Duzen von Sicherungsobjekten wurde offiziell nicht gestattet. Er hielt ihr eine goldumrandete Tasse entgegen. Der Duft echter Kaffee-bohnen stieg berauschend in ihre Nase.„Uns liegen Informationen vor, dass auf Sie ein Mordanschlag ge plant wird.“„Na, da kann mir ja nichts mehr passieren, oder? Wenn du Tag und Nacht bei mir bist.“ Es hatten schon viele Verdächtige versucht, sie zu umgarnen. Das Spielchen kannte sie. Aber Gebauer war kein Verdächtiger. Er war das Sicherungsobjekt. Und so war sie auf der Hut, als sie ihn zu einer Rede vor dem Frän-kischen Weinbau-Verband begleitete. Einziges Thema der Veranstal-tung war die von ihm versprochene Aufhebung der EU-weiten Pro-hibition. Trotz der Begeisterung, die er bei den Winzern entfachte, wurde das allgemeine Berührungsverbot beachtet. Einzelne „Gebau-er, geh du voran!“-Rufe ertönten. Das war alles. Bis ihr Anzug neue „Verräter“-Graffiti meldete, direkt am Hotelturm. Die Drohnen waren bereits unterwegs, und als Lilia und Gebauer dort eintrafen, war nichts weiter zu sehen als Mauro Wang, ihre Ablösung. Sie wohnte in der Nähe, hinterm zerstörten Stadtring. Ihr Opa wartete vor der Wohnungstür. Eigentlich ihr Ur-Opa. Seit dem Tod ihrer Eltern vor zwei Jahren tauchte er manchmal auf, meckerte viel und schnorrte eine warme Mahlzeit. Außerdem lagerte er Gerümpel im leerstehen-den Schlafzimmer ihrer Eltern.

Der KandidatDie literarische Erstveröffentlichungvon Ulrike Sosnitza / Fotos: Benjamin Brückner

KulturGut 09 | Seite 45 | Würzburg

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Sie nahm den Teebeutel vom Frühstück und brühte für ihn eine Tas-se auf. Ob sie ihm von Gebauers Überwachung erzählen sollte? Der Verkauf der Stadt an die Chinesen war ihm doch ebenso ein Dorn im Auge.„Für den falschen Hund willst du dein Leben riskieren?“, rief er, bevor er gierig den Tee trank. Fast sah es so aus, als ob ihm das warme Was-ser schmecken würde. „Hast du Beweise, Opa? Ohne die mache ich gar nichts.“„Manchmal muss man etwas auch ohne Beweise glauben. Aber du bist ja viel zu paragraphentreu dazu. Von mir hast du das nicht geerbt!“Nein, ihr Urgroßvater hatte sich immer mit der Polizei angelegt, im Sommer nackt in den Mainwiesen geschlafen oder war über Autos ge-laufen, weil sie auf Bürgersteigen parkten. Als ob sie das heute genau-so machen könnte. Sie sah aus dem Fenster über die Ruinen der Straße hinüber zum Ho-telturm und fragte sich, was für ein Würzburg das gewesen war, in dem ihr Urgroßvater aufgewachsen war. Reich war die Stadt gewe-sen, sauber, gesund. Es gab keine Krawalle, keine Viren, keine Mord-anschläge, keine… ach. Damals verloren Oberbürgermeister Wahlen,

weil dieses Haus dort, dessen Fassade von der untergehenden Sonne orange gefärbt wurde, nicht fertig gebaut wurde. Für welche Nichtig-keiten die Menschen damals Zeit gehabt hatten.Am nächsten Morgen begrüßte Gebauer sie mit Handschlag, und wie-der wunderte sie sich, dass die Zentrale wegen der Alarmmeldungen nicht nachfragte. Seinen Cappuccino lehnte sie ab, zu sehr hatte sie in dieser Nacht an die Zeit vor dem Krieg denken müssen. Als er telefo-nieren musste, schickte er sie aus dem Zimmer.„Entfernung zum Objekt größer als zwei Meter!“, protestierte ihr An-zug, aber sie trickste ihn aus, indem sie sich direkt an die Zimmerwand stellte. Von hier aus konnte sie durch das Panoramafenster über die ganze Stadt sehen. Es ging sogar noch ein großer Schritt zum Fenster, ohne dass der Anzug sich meldete. Die Mauer war sehr gut zu erkennen. Wie gut, dass Opa in Tibet ge-wesen war, als die alte Stadtmauer wieder aufgebaut wurde. In sei-nem geheiligten Ringpark. In den Stadttoren lagen die Zahlstationen. Millionen von Touristen strömten damals in die wieder aufgebaute, mittelalterliche Stadt. Schauspieler ahmten die Bewohner früherer Zeiten nach: die Ära Riemenschneiders, der Schönborns oder Leon-

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INFOS: Die Autorin ist Sprecherin des Autorenkreises Würzburg. Sie schreibt Kurzgeschichten und arbeitet an einem Psychothriller. „Der Kandidat“ ist der Anfang eines umfangreicheren Texts.

hard Franks. Die Chinesen waren ganz begeistert von Leonhard Frank und seinen Räubern.Ihr fiel auf, dass Marcus auf den Balkon getreten war. Sie folgte ihm und gab den Drohnen den Befehl, den Luftraum zu überwachen. Ob-wohl ein Flugzeug sofort auffallen würde, seitdem das Fliegen nur noch dem Militär und den Drohnen erlaubt war.Jetzt drehte er sich um. Er hielt einen kleinen Kasten in der Hand. Sah aus wie etwas aus Opas Gerümpel. Er lächelte, als er sie bemerkte, und steckte den Kasten in seine Hosentasche. „Meine Stadt!“, rief er und breitete sogar die Arme aus. „Noch nicht“, erinnerte ihn Lilia. Die Wahl fand erst in drei Wochen statt. Ein Vogel flog an ihnen vorbei. Lilia vermutete, dass es eine Taube war, aber sie war sich nicht sicher. Bevor sie genauer hinsehen konnte, hatte eine der Drohnen sie bereits erfasst und erschossen. Völlig un-gerührt erklärte Gebauer, dass seine Umfragewerte derzeit bei 92 Pro-zent lagen, die von Kandidat Schmitt bei acht Prozent. „Nein, das ist meine Stadt, und ich habe Großes mit ihr vor.“ Er wischte sich eine der umherfliegenden Federn vom Hemd.

„Aber wie genau willst du erreichen, dass die Chinesen Würzburg wie-der verkaufen?“ Er erklärte ihr, dass Würzburg im Wert verfallen sei. Aber das wusste jeder. Seit dem Dritten Terroristischen Krieg war der Luftraum welt-weit geschlossen und das Reisen verboten. Dazu die Prohibition. „Aber bisher wollten die Chinesen nur für den ursprünglichen Kauf-preis von 22 Trillionen verkaufen“, erinnerte ihn Lilia. „Das werden wir sehen, okay? Vertrau mir!“ Er kam ihr so nahe, dass das System warnte, ohne dass er sie berührte. Sie versuchte, einen Schritt zurück zu treten. Aber er folgte ihr.„Kannst du diesen Anzug nicht ausziehen?“, flüsterte er in ihr Ohr und küsste sie leicht aufs Ohrläppchen.„Nein“, sie flüsterte unwillkürlich ebenfalls. „Fehlende Vitalzeichen. Dann steht gleich das gesamte Einsatzkommando hier.“Er zog sich zurück und sah auf seine goldene Armbanduhr. „Ich muss zum Bürgerspital, der Abgesandte von Bangladesch erwartet mich. Es geht um ein Kunstprojekt. Fundraising für die Flüchtlinge, gute Sache, oder?“Sie nickte, enttäuscht, wie schnell er wieder nüchtern denken konnte. Ihr schwirrte noch das Herz, so dass sie fürchtete, ihr Adrenalinwert würde zu stark steigen und das System den Einsatz abbrechen. Und er hatte Termine im Kopf.Die „Lotusblüte“ im Bürgerspital zählte zu den besten Restaurants von China-Germany. Aus der Küche roch es scharf, fremdartig. Lilia aß nicht gerne chinesisch. Sie bezog hinter seinem Stuhl Position und ließ sich von der Panora-makamera alle Personen in 100 Metern Umkreis mit Name, Funktion und Strafregister anzeigen. Gebauer und sie waren die einzigen Euro-päer im Restaurant. Beruhigt verschnaufte sie kurz und versuchte die verschiedenen Gerüche zu analysieren. Aber mit Sicherheit erkannte sie nur den Reis.Da schlug das System Alarm. „Id 47659590-0934, Tonoi Garosch“. Ei-ner der Terroristen. In der Küche. Sie zog ihre Waffe, drückte Gebauer auf den Boden und beugte sich über ihn. Töpfe klapperten. Die Droh-nen umklammerten den Schädel des Terroristen und zerrten ihn zu Li-lia. „Ich arbeite hier!“, rief der junge Mann und heulte vor Schmerzen auf.„Tonoi Garosch, ich verhafte Sie wegen versuchten Mordes an Mar-cus Gebauer und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereini-gung!“„Sie irren sich, ich bin hier der Spülboy!“Die Drohnen zogen den Mann durch den Hintereingang nach drau-ßen. Lilia hörte die Tür des Polizei-Helis klappen und das Geräusch der Rotorflügel, als der Hubschrauber abhob. Als sie sich nach Mar-cus umdrehte, sah sie, wie der Botschaftsangestellte ihm etwas Weißes zusteckte. Ein Taschentuch? Da übermittelte das System das Protokoll.„Der Verhaftete wirft Gebauer vor, die Stadt an die Bangladeschis als Siedlungsprojekt für ihre Flutopfer zu verkaufen.“ Seit dem Schmel-zen der Polkappen waren nicht nur die Einwohner des unterge-gangenen Bangladesch auf der Suche nach Siedlungsmöglich-keiten. Und die wurden teuer verkauft, weltweit. Aber wo sollten die Menschen in Würzburg leben, fragte sich Lilia, und steckte ihre Waffe wieder ins Holster.

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Sonntagsdialog mit Thomas Hürlimann17. Juni, 11 Uhr, Exerzitienhaus HimmelspfortenDas katholische Exerzitienhaus lädt wieder zum religiös-literarischen Sonntagsdialog, gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Pastoraltheologie. Dessen Inhaber, Prof. Erich Garhammer, hat sich als For-schungsschwerpunkte das Gespräch und die Ausei-nandersetzung mit moderner Literatur gewählt und mit dem Schweizer Autor Thomas Hürlimann einen Gast, der auf einschlägige biographische Prägung durch ein katholisches Umfeld verweisen kann. Die literarischen Umsetzungen seiner Erfahrungen als Sohn eines führenden CVP-Politikers, Neffe eines St. Galler Stiftsbibliothekars oder als Internatsschüler im Kloster Einsiedeln stießen dabei nicht immer auf die Zustimmung aller Beteiligten. Dennoch: Für seine düstere Calderon-Adaption, das Einsiedler Weltthea-ter (2000/2007), das er im Rahmen des Apokalypse-Jahrs 2010 auch in Würzburg vorstellte, erhielt Hürli-mann im Oktober 2011 den nach 18 Jahren erstmals wieder verliehenen Ludwig-Mühlheim-Preis für reli-giöse Dramatik. | www.himmelspforten.net

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Am Anfang war die Nacht Musik 21. und 22. Juni, 19.30 Uhr, Gartenpavillon JuliusspitalIn Caspar Siebolds barockem Anatomie-Theater liest Alissa Walser aus ihrem 2010 erschienenen Roman über den Arzt und Magnetiseur Franz Anton Mesmer und seinen letzten Wiener Fall. Die gescheiterte Be-handlung der erblindeten Pianistin Maria Theresia Paradis, die 1777 zu seiner Verurteilung als Schar-latan führte, schilderte Mesmer selbst in seiner

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„Abhandlung über die Entdeckung des thierischen Magnetismus“. Walser fügt dem die Sicht der Pati-entin und der um die Virtuosität der Tochter fürcht-enden Eltern hinzu. Eine gewichtige Rolle spielt im Roman die Musik. Für die ist beim Mozartfest-Spezial das Harfenduo Bel Arpa zuständig, mit Werken auch dieses Wiener Zeitgenossen, der Mesmer wie Para-dis kannte. Kostprobe von drei Weinen inklusive.| www.mozartfest-wuerzburg.de

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Werkstattgespräch mit Ulrike Draesner27. Juni, 19.30 Uhr, Campus Hubland, Universitätsbibliothek Begreift man die Form formal, so Ulrike Draesner (Foto: Jürgen Bauer), verfehlt man sie. „Form ist eine Idee, verkörpert in eine Struktur. Ein Gestalt gewordener Gedanke.“ Wenige Gegenwartsautoren wissen so genau zu beschreiben, wie sie was warum schreiben. Die nach einigen akademischen Ausflügen an der LMU in München promovierte Mediävistin entschied sich 1994 für ein Dasein als freie Schrift-stellerin und lebt heute als Lyrikerin, Prosaautorin, Essayistin und Übersetzerin in Berlin. Sie gilt auch als gute Performerin ihrer Texte. Eintritt frei.| www.draesner.de

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Endlich(e) Zeit30. Juni, 19 Uhr, Aussegnungshalle des HauptfriedhofsDie eineinhalbstündige „Literarisch-musikalische Stunde“ befasst sich mit Tod, Endlichkeit und Zeit nicht nur theoretisch. Indem die Themen gera-de an diesem Ort behandelt werden, könnten sie ganz anders als gewohnt wahrgenommen werden.

„Endlich(e) Zeit“ ist eine Konzertlesung. Neben der Rezitation berühmter Autoren und ungewöhnlicher Texte wird der Würzburger Percussionist Bernd Kremling die Zeit klanglich gestalten.| www.domschule-wuerzburg.de

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Lesecafe Freyabis 11. August, jeden Samstag 14 bis 19 Uhr, KS Moderne KulturWöchentlich einmal bietet die Initiativgruppe KS Moderne Kultur in der Landwehrstraße 4 Raum und Gelegenheit zum Austausch über historische, philo-sophische und spirituell-psychologische Neuerschei-nungen. Schwerpunkt im Sommer ist der Themenbe-reich „Gott weiblich“ mit drei Vorträgen (15. und 20. Juni, 4. Juli, je 20 Uhr, s.a. Interkultur). | www.gott-weiblich.de

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Oberst von Huhn bittet zu Tisch25. September, 20 Uhr, Saalbau LuisengartenWer mit Axel Hacke den Spaß am Valschen und die Freude an der Fehlleistunck teilt, kommt an diesem Abend auf seine Kosten. Sein für September ange-kündigtes Buch stellt der SZ-Kolumnist vor, bei dem es sich um die Auskopplung eines Sondersammelge-biets aus seinem Sprachwertstoffhof handelt – das zuweilen nicht nur kuriose, sondern auch sinnmäch-tige Deutsch auf Speisekarten im Ausland diente als Materialbasis. Wie immer hat Hacke nicht nur sein jüngstes Buch dabei. Begegnungen mit Neger Wumbaba oder Kühlschrank Bosch sind also eher ein- als ausgeschlossen. | www.tomprodukt.de

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| Film |

WinterreisenIm April präsentierten die Musiktheater-Macher um Erhard Drexler am Neunerplatz einen Spielfilm, den man sich für fünf Euro gut und gern in die private DVD-Cinemathek stellt. Da treffen sich Musiker und Schauspieler, um Schuberts Liedzyklus „Winterreise“ filmisch umzusetzen. Ganz fremd sind sie sich dabei nicht, denn teils kennen sie sich von früheren Pro-duktionen. Das bringt Spannungen und Entwicklung mit sich. Bevor sie fremd wieder ausziehen, sprechen sie von Liebe, gar von Eh’. Uta Tischer und der Jazzer Ger-hard Schäfer arrangierten die Musik sehr einfühl-sam. Etwas kantiger verläuft eine Amalgamierung mit dem Eulenspiegel-Plot. Bis auf je einen Licht- und Ton-Durchhänger gelang die Umsetzung auch technisch höchst befriedigend. Bezug: [email protected]

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Mozart im Kino4., 11., 18. und 25. Juni, je 20.30 Uhr, Programmkino CentralWie schön und wie schwer es ist, Musik zu machen, zeigt das Programmkino an den Mozartfest-Monta-gen. „Vier Minuten“ bei einem Musikwettbewerb sind das ehrgeizige Ziel von Monica Bleibtreu und Hannah Herzsprung im gleichnamigen Filmdrama von Chris Kraus am 4. Juni. Am 11. Juni begleitet der Do-kumentarfilm „Pianomania“ einen Steinway&Sons-Konzerttechniker und die von ihm betreuten Stars bei der auch komischen Suche nach dem perfekten Instrument für den perfekten Klang. Jane Campi-ons „Das Piano“ folgt, den Abschluss macht Scott Hicks mit seinem 1996 gedrehten Film „Shine“, der emotional bewegend, aber doch unsentimental die Biografie des australischen Pianisten David Helfgott nachzeichnet. Armin Müller-Stahl spielt den Vater

des unter einer schizoaffektiven Störung leidenden Musikers. Und für die Kinder Mozart pur: „Eine klei-ne Zauberflöte“ von der Augsburger Puppenkiste läuft im Nachmittagsprogramm am 18. und 25. Juni (16 Uhr).| www.central-programmkino.de| www.mozartfest.de

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Trace of Light5. Juni, 20.30 Uhr, CairoBeim „Schnittplatz #2“ zeigt der 23 Jahre junge Würzburger Filmemacher Christoph Kirchner seinen Dokumentarfilm über die Fotografin Victoria Pro-ebstel, die er während eines Neuseelandaufenthalts kennenlernte. Im Dezember 2010 begleitete er die Tochter eines Leuchtturmwärters zum wildroman-tischen Ort ihrer Kindheit. Kirchner schnitt und korrigierte seinen Film im Rah-men des FH-Studiums und verpasste ihm mit dem Schweinfurter Sound-Designer Frédéric Gerth und dem amerikanischen Komponisten Sean Trauth eine kinotaugliche Tonkulisse – so beeindruckend, dass er damit nicht nur beim texanischen Boomtown Film & Music Festival überzeugte. | www.cairo.de| www.christoph-kirchner.com

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Buster Keaton mit Musik 4. Juli, 20 Uhr, Club LDie Semester-Flatrate-Karte des Uni-Filmclubs für 12 Euro lohnt sich noch, wenn man bis 17. Juli wirklich alle sieben Dienstags-Vorstellungen im Max-Scheer-Hörsaal besucht (u.a. Soderberghs „Contagion“ am 19. und Polanskis „Gott des Gemetzels“ am 26. Juni). Außer der Reihe laufen am ersten Juli-Mittwoch in

der Inneren Aumühlstraße Buster Keatons Kurzfil-merstlinge „The High Sign“ und „One Week“ und der 42-Minüter „Sherlock Jr.“ (1924). Den Streifen sollte jeder Filmfreund mindestens einmal gesehen haben, ist er doch ein Statement und Beweis für die Möglichkeiten des Kinos überhaupt, nämlich die ge-filmte Machtphantasie des Ohnmächtigen. Mit allen Schikanen. Viele Menschen können nach „Sherlock Jr.“ wochenlang keine computergenerierten Special Effects mehr sehen. Felix Schneider-Restschikow traktiert die Tasten.| www.filmclub-wuerzburg.de| www.clubl.de

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Festungsflimmern5. bis 15. Juli, 20 Uhr (Einlass), NeutorgrabenWarm gemacht für die Freiluftsaison haben sie sich beim Campusflimmern im Mai, im Juli bläst das Open Air-Kinofestteam um Nico Manger seine acht mal 16 Meter große Leinwand wieder auf der Neutorwiese auf. Auch für die zweite Saison am Festungsberg gilt: elf Tage, elf Filme mit musikalischem Vorprogramm und Platz für 1000 Gäste. Programm Anfang Juni auf| www.festungsflimmern.de

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Freilicht-Kino Aub23. bis 26. August, je ca. 21 Uhr, Spitalhof AubRegenfestes Freilichtkino unterm Glasdach der Spi-talbühne steht am letzten Augustwochenende auf dem Programm von Ars Musica. Welche Filme es ausgesucht hat, verrät das gastierende Ochsenfur-ter Programm-Kino Casablanca ab 29. Juli.| www.ars-musica.de

KulturGut 09 | Seite 50 | Würzburg

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+ So kommen die „European Indoorlympics“ auf die Leinwand: ohne Schnee, im geschlossenen Raum, mit Stop-Motion-Technik. Eine Fake-Doku entlarvt die Slogans auf T-Shirts als sinnentleert. „Von Sitzbän-ken und Schleusentoren“ heißt das Werk. Schließlich entwickelt ein Wandrelief („Nr. 27“) auch noch ein merkwürdiges Eigenleben. Das

ist grob der Inhalt einiger Kurzfilme, die in den letzten Jahren in Würz-burg als Schulprojekt umgesetzt wurden. Vor 34 Jahren wurde in Marktheidenfeld das erste Schulfilmfestival der BRD ins Leben gerufen, und mittlerweile hat sich Würzburg zu ei-ner regelrechten Hochburg des Schulfilms entwickelt. Die jährlich Mit-

Schnittpunkt KlassenzimmerDer Würzburger Schulfilm ist bundesweit bekanntvon Christian Neubert / Foto: Hubert Pfingstl

Gutes Licht macht plastische Gesichter. Das gilt nicht nur in Hollywood.

te Oktober stattfindenden „Filmtage der bayerischen Schulen“ wer-den seit fünf Jahren von Thomas Schulz, einem Pionier der hiesigen Szene, im benachbarten Gerbrunn organisiert.Und die von Würzburger Schülern realisierten Filme fuhren viele Prei-se ein. Zum Beispiel den Förderpreis des Kinderkanals und den des Bayerischen Staatsministeriums. „Aber auch auf Bundesebene konn-ten viele Preise gewonnen werden. Außerdem gingen zwei Preise von europäischen Schulfilmfestivals nach Würzburg“, weiß Hubert Pfingstl zu berichten.Er und seine Frau Sabine Blum-Pfingstl sind feste Größen in der Sze-ne. Beide Kunstlehrer bieten Film als Unterrichtsfach seit mittlerwei-le 15 Jahren an. Daneben veranstalten sie schulübergreifende Kurse für 5. bis 8. Klassen und geben Fortbildungen für andere Lehrkräfte, die sich ebenfalls in der Disziplin versuchen wollen. Dabei beschränkt sich das Filmen nicht aufs Gymnasium. So engagiert sich beispiels-weise Alexander Hillenbrand am Sonderpädagogischen Förderzen-trum in der Schorkstraße, der Hauptschullehrer Jürgen Schultheis ist im Cairo und als Medienberater des Bezirksjugendrings tätig, um nur einige zu nennen.

Teamer und Beamer„Unsere Arbeit ist zunächst pädagogischer Art, da Film nun mal Team-work bedeutet. Immerhin gilt die als Kernkompetenz“, stellt Sabine Blum-Pfingstl fest. Aber die als Gruppenarbeit realisierten Streifen sol-len inhaltlich und ästhetisch nicht durchfallen. Im Gegenteil: „Wir lei-ten die Schüler an, Dinge zu kreieren und nicht nur nachzuahmen. Wir leisten Hilfestellung, eigene Ideen einzubringen.“ Ihr Mann ergänzt: „Es geht darum, etwas zu schaffen, das künstlerischen Bestand hat und nicht lediglich vor der eigenen, wohlwollenden Verwandtschaft funktioniert.“Gemeinsam entwickeln die Projektteilnehmer die Idee, entscheiden über die Arbeitsteilung und kurz vorm Ende, beim Schnitt, kommt manche Gruppe dann wieder zusammen. Eigentlich ist das die Arbeit eines Einzelnen, aber mit einem Videobeamer kann man sich auch beim Cut als Crew betätigen. „Wir haben dann einen guten Job ge-macht, wenn die Schüler so in dem Filmprojekt aufgehen, dass wir uns aus den Dreharbeiten praktisch raushalten können“, ist sich das Lehrerehepaar einig.Manche Schulen drehen überwiegend Spiel-, andere Trickfilme. Da-zu kommen dokumentarische und experimentielle Arbeiten. Wenn die zahlreichen Würzburger Schulfilme etwas gemein haben, dann in er-ster Linie die hohe Qualität.

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KulturGut 09 | Seite 52 | Würzburg

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Wo geht es ins Kulturquartier?Ein Viertel profiliert sich. Es könnte die Stadt bereichern.von von Joachim Fildhaut / Foto: Benjamin Brückner

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+ Die Wiener haben es gut. Ihr Museumsquartier wird geographisch klar durch den langgestreckten Gebäudekomplex quartier21 definiert. Auch der Münsteraner kann nicht klagen. Kreativkai ist für ihn einfach das, was die Stadtwerke unter diesem Titel verpachten. In Würzburg liegen die Verhältnisse um das „Kultur- und Kreativ-quartier Alter Hafen“ komplizierter. Denn: Gibt es ein solches über-haupt? Nun, in direkter Nachbarschaft stehen immerhin drei Museen bzw. Galerien, zwei Theater, sieben Kinosäle und zwei Diskotheken. Schon jetzt, ohne Frankenhalle, hat dieses Viertel obendrein zwei Lo-cations für 1500 Besucher. Eine Co-Working-Station vereint vorzugs-weise Selbständige der Kreativwirtschaft, ein Erwerbszweig, der auch in den alten Zollamtshallen bis unters Dach sprießt. Da muss die Dich-

Zwischen Kreativquartier und Künstlerviertel besteht ein Unterschied – noch.

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Alle Aktivitäten der Kunsthalle Würth sind Projekte der Adolf Würth GmbH & Co. KG.

MEXICANIDADFrida Kahlo Diego Rivera Rufino Tamayo Francisco Toledo Adolfo RiestraSammlung Würth und Leihgaben

Kunsthalle Würth Schwäbisch Hall28.4.– 16.9.2012 täglich 11 – 18 UhrFrida Kahlo, Autorretrato con collar, 1933 (Detail), The Jacques and Natasha Gelman Collection of Modern and Contemporary Mexican Art and The Vergel Foundation, Foto: Gerardo Suter, © Banco de México Diego Rivera Frida Kahlo Museums Trust / VG Bild-Kunst, Bonn 2012

KW_Mexi_Ad_4c_93x133_Kulturgut 18.04.12 14:56 Seite 1

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pfadfinderische Fähigkeiten zurückblicken. Und darauf, die Weinhan-delsstadt Würzburg von ihrer industrieromantischen Seite entdeckt zu haben. Außerdem gehört furchtlose Abenteuerlust dazu: Man pirscht sich von der Friedensbrücken-Rampe eine schmale, fast ver-borgene Treppe durchs Grüne hinunter auf einen Parkplatz. Dort wird der neugierige Wegsucher von einem Leucht-Leitsystem im Stil der Architektenbrüder Brückner angelockt und, wenn er einem völlig un-motivierten Impuls nach halblinks Richtung Schiffsschraube folgt, empfangengenommen. Der erschaute Stelenzaun fragwürdiger Funk-tionalität führt zwischen Rampen und den Rückseiten historischer Fa-brikgebäude zu einem weiteren Parkplatz, hinter dem – nun erkennt auch der Erstbesteiger die städtebauliche Situation allmählich wieder – der Zentralplatz mit dem Kulturspeicher harrt. Dort beschleicht den Entdecker das dumpfe Gefühl, ob er nicht irgendwie den Uferweg ver-passt habe.

Fingerspitzengefühl für ParkplatzfragenDamit Bummelanten von der beliebten Ufer-Promenade am Kranen-kai zum Kreativquartier abfließen können, haben die Gutachter „mit-tel- bis langfristig“ (also mit Machbarkeitsstudie etc.) im Sinn, die Au-tos vom Parkplatz unter der Friedensbrücke wegzukarren und in einer mehrgeschossigen Garage auf dem derzeitigen Nachbarparkplatz (dem mit Zufahrt von der Veitshöchheimer) unterzubringen. Der frei werdende Asphaltstreifen müsste dann analog zum Oberen Mainkai gestaltet, beleuchtet, möbliert und bepflanzt werden, dann wären der Kulturspeicher und seine Nachbarn weitaus besser als heute an den Stadtkern angebunden. Langfristig erwägt SSR sogar das „Heran-führen des Ringparks an den Main und Prüfung einer Gestaltung der Pleichachmündung in den Main“.Neben solchen großen Lösungen sind die prinzipiellen Anmerkungen der Autoren zum Übergangsbereich zwischen Mainpromenade und Kreativquartier beherzigenswert. Dessen Status Quo sei a) gesichts-los, biete b) keine Orientierung und führe c) nicht zum Main. Wie schwer auch immer es den Gremien fallen mag, dereinst so etwas wie den großen Wurf zu beschließen, als Richtschnur für einzelne Ein-griffe eignet sich dieser Befund der externen Gutachter sehr wohl: Je-de Maßnahme im Einzugsbereich der Friedensbrücke sollte daraufhin durchdacht werden, ob sie den Main erschließt, Orientierung bietet, gut aussieht. So zeigt sich SSR nicht unzufrieden mit dem - bereits vorliegenden – städtischen Plan, einen Steg über das Wasser kragen zu lassen, parallel zum Mainuferparkplatz, der zwar beibehalten, aber immerhin soweit neu strukturiert wird, dass man hier auch mal Feste feiern und Sport treiben kann.

Was hinter dem Schild giltFehlt noch so etwas wie ein Gateway Arch als Quartierhaustür. Indes, das Wahrzeichen von St. Louis wäre mit seinen knapp 200 Metern doch unangemessen hoch; niedergelegt könnte es ein Viertel des Vier-tels umzäunen. Zudem beharrt die SSR-Empfehlung nicht auf einem Kunstwerk – ein Informationspunkt reicht den Dortmundern durchaus. Denken wir uns eine mannshohe Stahl-Glas-Stele mit der schriftlichen Information, hier fange das Kultur- und Kreativquartier an. Dasselbe braucht ja keine Riesensymbole. Ihm genügt das Wort.

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te an Künstlern, die hier in der Äußeren Pleich wohnen, nicht außer-gewöhnlich hoch sein, um das Urteil zuzulassen: Dieser Raum ist ein Kulturquartier. Er ist’s zwar nicht so hundertprozentig, wie Grombühl einst ein reines Eisenbahnerviertel war. Auch fehlt links und rechts der Ziegelaustraße jedwedes Künstlerflair von Notting Hill oder Sacre Coeur. Doch der Nutzungsschwerpunkt liegt eindeutig zwischen Frei-zeitindustrie und ästhetischer Avantgarde. Und außerdem lässt sich beobachten: Alter Hafen und Äußere Pleich bilden den einzigen Würz-burger Stadtteil, der überhaupt ein solch scharfes Profil entwickelt hat! So wie der Heuchelhof eine reine Schlafstadt werden sollte, aber nicht wurde. Hier dagegen hat die Konzentration von Kunst & Co. ge-klappt. Sie könnte ein kräftiger Faktor bei der künftigen Image-Bildung von Würzburg sein.Mit den Chancen und Hemmnissen eines solchen Prozesses befasste sich das Dortmunder Planungsbüro Schulten Stadt- und Raument-wicklung (SSR) und legte in diesem Frühjahr ein „Integriertes Städte-bauliches Entwicklungskonzept“ (ISEK) für die Würzburger Innenstadt vor. Die Westfalen bezeichnen das Gebiet am Alten Hafen als einen „Nutzungsbaustein“ in „attraktiver Lage“. Doch sobald dieser Lebensraum gewonnen, scheint er schon zerron-nen. Denn gleich die 15. Zeile im einschlägigen ISEK-Kapitel moniert: „Die Anbindung an den Kernbereich der Altstadt ist jedoch ebenso verbesserungswürdig wie die Gestaltung der Veitshöchheimer Stra-ße als zentrale Verkehrsader im Quartier.“ Und das Wechselbad der städtebaulichen Gefühle setzt sich unvermindert fort, denn gleich der nächste Absatz jubelt wieder: „Die Mainpromenade ist ein attraktiver Teilraum“ – um nachzusetzen, der Übergang von der Achse Alte-Main-brücke–CCW zum Alten Hafen sei „ungeklärt“. Hier sollte was gesche-hen.

Frankenhalle als SofortmaßnahmeNun ist der Franke rasch geneigt, Informationen wie den obenste-henden zu entgegnen, er wisse sehr wohl, dass die Veitshöchheimer Straße ein Kino hat. Eine andere Perspektive auf den ganzen Stadt-teil gewinnt hingegen ein Franke, der sich vorstellt, das Entree zum Hafen-Kunstquartier werde markiert durch, sagen wir probehalber, ei-ne Skulptur wie den neuen Triumphbogen von La Défense, durch das Düsseldorfer Stadttor oder eben etwas regional Angemesseneres. So-fort leuchtet die besondere Qualifikation des derart inszenierten Stadt-teils ein. So schlagen die Dortmunder denn auch als mittelfristige Maßnahme für den „Teilraum“ eine „Markierung der Eingangssitua-tion in das Kultur- und Kreativquartier an der Veitshöchheimer Stra-ße Ecke Röntgenring durch Kunst und/oder einen Informationspunkt“ vor. An der idealen Stelle befindet sich allerdings bereits ein Brünnlein mit Bank. Da müsste auch SSR in anderen Dimensionen denken als an eine Investition von 50.000 Euro. – Kurzfristig (!) steht für die externen Gutachter übrigens die Umnutzung der Frankenhalle im Vordergrund.

Äußerst langgestrecke Piazza: PromenadeWer nun von der Mainseite der Altstadt her den Oskar-Laredo-Platz erreicht hat und also im Herzen des Kulturlebens steht, kann stolz auf

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| Stadt |

Bürgerbräufest2. Juni, 8 bis 23 Uhr, BürgerbräugeländeWas bleibt und was kommt? Bleiben werden Sektkel-lerei und Bauernmarkt, Künstlerateliers und Sport-einrichtungen, Theater und Museum. Sie alle zeigen beim ersten Bürgerbräufest, was sie zu bieten ha-ben, Stadtrat Willi Dürrnagel führt um 13 Uhr histo-risch Interessierte über das Gelände. Dazu kommt einiges von dem, was kommen soll: Musikerauftritte, Leckereien, ein Kunsthandwerkermarkt und das Ar-chitekturbüro archicult. Es stellt das von der Stadt geforderte Gesamtkonzept der Investoren für die Umwandlung der Industriebrache zum Kreativquar-tier vor (wie auch diese KulturGut-Ausgabe ab Seitze 17 unter dem Titel „Mainfränkischer Branchen-Mix“). Wer mit der Straßenbahn fährt, fährt umsonst!| www.archicult.de| www.wuerzburg.de

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Mozarttag2. Juni, 11 und 17 Uhr, InnenstadtMusikalisches Zentrum des Mozartfests bleibt selbstverständlich die Residenz. Aber noch vor dem Eröffnungskonzert im Kaisersaal mit Fabio Biondi, Marcello Gatti und Marta Graziolino am Samstag-abend bespielen kleine und große Ensembles aus der Region die ganze Innenstadt mit Musik von Klassik bis Pop. Halt Mozart für alle.| www.mozartfest-wuerzburg.de

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Baustelle Kirche16. Juni, 9 bis 17 Uhr, KiliansdomDerzeit geschlossen ist der Dom – wegen Umbaus. Gute Gelegenheit für eine Tagung, die eine für die

deutschen Katholiken weichenstellende andere Ta-gung thematisiert: Von 1971 bis 1975 beriet hier die Gemeinsame Synode der Bistümer über die Um-setzung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils. Vier Referenten, unter ihnen der Würzbur-ger Kirchenhistoriker Prof. Wolfgang Weiß, stellen die damaligen konzeptionellen Grundlagen vor und fragen, ob und wie die Beschlüsse umgesetzt wur-den. Denn wie es so ist mit denkmalgeschützten Alt-bauten – einige der Renovierungswünsche sind bis heute nicht realisiert. | www.domschule-wuerzburg.de

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Einblicke mit Ausblick22. Juni, 14 bis 18 Uhr, RathausZu einem Seminar der höheren Art bittet der Mittel-alterhistoriker Rainer Leng. Vom Rathausturm aus erläutert er maximal 20 rüstigen Teilnehmern (Trep-pen ganz oben!), was der Fachmann bei diesem sel-tenen Blick auf Würzburg erkennt: die soziale Topo-graphie der Stadt, wie sie sich von den Anfängen bis ins Hochmittelalter mit eigenen Handwerkervierteln, weltlichen und geistlichen Bezirken entwickelte. Wer auch am zweiten Block am 6. Juli teilnimmt, lernt das spätmittelalterliche Würzburg als Heimat einer bedeutenden Judengemeinde und eines auf-strebenden Bürgertums kennen und erhält darüber hinaus Kostenermäßigung und Vorrang bei der An-meldung.| www.domschule-wuerzburg.de

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Hoffest am Stein4. bis 16. Juli, 17 Uhr, Weingut KnollDreizehn Tage geht es ab 19.30 Uhr rund am Stein – 25 Euro kostet die Dauerkarte für alle Konzerte.

Maßgebliches Auswahlkriterium für die Gute-Laune-Bands von Äl Jawala bis Ziehgaeuner (Foto): Keiner bleibt auf den Bänken, keine Hüfte ungeschwungen. | www.weingut-am-stein.de

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Ringparkfest4. und 5. August, 14 bzw. 11 Uhr, Klein-Nizza-ParkSo wie des Menschen Seele die Stammkneipe braucht, die über Jahre hinweg einfach keine Expan-sionsambitionen zeigt, so benötigt die Würzburger Festivallandschaft eine Feier, die August für August in verlässlicher Kleinheit den Urlaubsdaheimbleibern einen Treffpunkt im Grünen beschert. Ein nettes leises Bühnenprogramm, bewährte Gas-tronomen brutzeln, Heimatkundler führen Interes-sierte zu Bemerkenswürdigkeiten im Park und in den anliegenden Straßen. Und Papa kriegt sein Bier. Bis 22 Uhr.| www.wuerzburg.de

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Hofkirche30. September, HofkircheWenn alles gut geht, ist die Residenzkirche an die-sem Tag wieder geöffnet – mit restaurierten Wän-den und Deckenfresken, sanierten Gewölbedecken, erneuerter Dacheindeckung, reaktiviertem Glo-ckenturm und erweiterter Orgel. Und einem neuen, raumklimafreundlichen Eingang. Den spannenden Fortgang der langwierigen Innenraumsanierung do-kumentiert die Bayerische Schlösserverwaltung bis dahin im Internet. | www.restaurierung-hofkirche.de

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+ Als Bildungsinstitution bietet die Volkshochschule Würzburg wie kaum eine andere die Gelegenheit zu persönlicher Entfaltung und le-benslangem Lernen, sagt ihr Leiter Stefan Moos. Neben dem regulären Semesterprogramm hat sie einiges mehr zur sinnvollen Freizeitge-staltung im Repertoire: Dieses Frühjahrssemester fiel der Startschuss

zum Studium Generale mit dem Schwerpunkt auf griechischer Anti-ke. Fächerübergreifende Veranstaltungen lassen sich zu ganz persön-lichen Studienprogrammen zusammenzustellen. Das Studium Gene-rale fördert „die Lust am Denken, Lernen und Erforschen zusammen mit Gleichgesinnten“, verspricht die Volkshochschule, denn schon

Studium, sommerleichtSonderprogramme der Volkshochschulevon Nina Dees / Foto: Joachim Fildhaut

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Platon erkannte: „Das Staunen ist der Anfang der Erkenntnis.“ Gemäß diesem Gedanken will sie Bildung als spannende und vielleicht sogar abenteuerliche Erfahrung vermitteln. Zur Veranschaulichung hat der Würzburger Künstler Peter Stein eine Collage geschaffen: Ein Kubus mit verschobenen sowie fehlenden Segmenten symbolisiert nicht nur

das humanistische Streben nach vollständigem Wissen, sondern auch die allzu menschlichen Wissenslücken. Ziel des Studium Generale soll es sein, möglichst viele dieser Lücken zu schließen und so die Kurs-teilnehmer dem humanistischen Menschenbild wieder ein Stück nä-her zu bringen. Im kommenden Herbst wird sich das Studium Generale der römischen Antike widmen. Aus den unterschiedlichen Blickwinkeln von Geistes- und Kulturwissenschaften, Gesellschafts- und Sozialwissenschaften sowie Naturwissenschaften nähern sich die Teilnehmer dem Schwer-punktthema und lernen unterschiedliche Betrachtungsweisen kennen. Vorträge, Seminare, Führungen und Exkursionen bereiten teils schwer greifbare verständlich Themen auf, beispielsweise aus Politik oder Philosophie. In diesem Punkt sieht Stefan Moos auch klar die Abgren-zung zur Universität: Die Teilnahme am Studium Generale basiert auf keinerlei Zugangsvorrausetzungen, sondern baut gänzlich auf Freiwil-ligkeit und persönliches Interesse.

Sommerliche LeichtigkeitDoch zunächst steht erst einmal der Sommer vor der Tür: Strahlend blauer Himmel und Sonnenschein, davor Palmen, Liegestühle und weißer Sand mit Blick auf die Festung Marienberg. Mit diesem Bild wirbt die Volkshochschule wieder für ihre Sommer-vhs. Und so sol-len sich die Kurse auch anfühlen. Die leichte und offene Gestaltung sei bewusst gewählt, betont Stefan Moos. Es gehe hier vor allem um per-sönliches Interesse und „die Leichtigkeit des Seins“. Daher spielt die berufliche Wiederverwertbarkeit kaum eine Rolle, leichter zu konsu-mierende kulturelle Themen stehen im Blick. Außerdem erinnert das Sonderprogramm erneut an Kurse, die bereits im gängigen Semester-programm zu finden sind, und überbrückt somit die lange Zeitspan-ne zwischen den Erscheinungsterminen der regulären Programme. Denn während der laufenden Semester kommen immer wieder Kur-se neu hinzu, die ein gedrucktes Sonderprogramm notwendig ma-chen. Ebenso bedeutend ist für Moos der Bezug zu Würzburg, ins-besondere in Form von Kooperationen mit anderen Bildungs- und Kultureinrichtungen. Das Zusammenspiel mit Frankenwarte, Main-frankentheater oder Mozartfest ermöglicht es zudem, neue Zielgrup-pen anzusprechen. Mit neuen Ideen. Denn die Kurse unterliegen „kei-ner DIN-Norm“, betont Stefan Moos.

Denken und Spielen prägt den Menschen. Das wissen wir seit der Antike.

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Bionik: Welche technischen Lösungen können wir von der Natur abschauen?

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+ Handys, Touch-Screens, Carbon, LEDs – was Jugendliche in ihrem Alltag umgibt, findet keinen Platz im Unterricht. Zumindest noch nicht. Auch sonst finden Schüler kaum Möglichkeiten, sich mit Nanotech-nologie, Photonik, Materialtechnologien oder Robotik auseinander-zusetzen. Dabei finden sie solche Themen besonders spannend. Des-halb wurde die Initiative Junge Forscherinnen und Forscher (IJF) vor anderthalb Jahren aktiv. Der gemeinnützige Verein hat seinen Sitz in Würzburg, ist bayernweit tätig und wird vom Bayerischen Arbeitsmi-nisterium mit rund 2,8 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozial-

fonds gefördert. Sein Ziel: Zukunftstechnologien für Kinder und Ju-gendliche begreifbar machen, damit sie sich heute dafür begeistern und morgen als Experten die Nase vorn haben.

Vor der Schule parkt das NanomobilDie IJF-Mitarbeiter besuchen Schulen kostenfrei. Im „Technologie-Shuttle“ bringen sie Hightech-Geräte mit, von denen Schüler und Leh-rer nur träumen können: etwa ein Rasterkraft- und ein Rastertunnel-

Hightech begeistert für NaturwissenschaftWürzburger Schul-Initiative fördert Bayerns jüngsten Forschernachwuchsvon Dagmar Wolf / Foto: IJF

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mikroskop, das Atome sichtbar macht. Oder ein Feinstaubmessgerät, mit dem sich Nanopartikel in der Luft nachweisen lassen. Die gibt’s nämlich auch in jedem Klassenzimmer. Mittlerweile finden sich eini-ge Unternehmen aus der Region Mainfranken unter den Förderern. So genannte Top-Mitglieder sind u. a. Brose, Knauf und die Vogel Stif-tung Dr. Eckernkamp, Fördermitglieder das SKZ, das Cluster Nano-technologie, die IHK Würzburg-Schweinfurt, die Sparkasse Mainfran-ken und das Unternehmen va-Q-tec. Und Vogel Business Media ist der Medienpartner. „Das ist eine tolle Initiative, die direkt bei den Jugend-lichen ansetzt und gewissermaßen tagtäglich Initialzündungen der Be-geisterung in den Köpfen der künftigen MINT-Studenten erwirkt. Wir wissen um die großen Sorgen der Industrieunternehmen, was den Nachwuchsmangel angeht, und fördern das Projekt finanziell und re-daktionell. Diese Geschichte müssen wir mit unseren Medien erzäh-len“, sagt Dr. Gunther Schunk, Mitglied der Geschäftsleitung Vogel Business Media. Natürlich gefällt ihm ganz besonders, „dass der Sitz der bayerischen Initiative hier an der Universität Würzburg ist. Das zahlt alles langfristig auf das Konto der Region ein!“

Willi weiß es auchEben hat die Initiative ihren ersten Jahresbericht vorgelegt. Die Bi-lanz kann sich sehen lassen: Mit 117 Veranstaltungen erreichte sie rund 16.000 Kinder, Jugendliche und Lehrkräfte. Sie entwickelte Ma-terialien, Publikationen und pädagogisch-didaktische Konzepte für Ki-ta und Schule, einen Schulwettbewerb zur Nanotechnologie und das Experimentarium in Würzburg. Und hat Willi Weitzel als Schirmherrn gewonnen, der nicht nur Kindern als neugieriger Reporter aus der BR-Fernsehserie „Willi wills wissen“ bekannt ist.„Nachwuchsförderung muss mit allen abgestimmt werden, die an diesem Prozess beteiligt sind“, erläutert Professor Alfred Forchel, Prä-sident der Universität Würzburg und Vorstandsvorsitzender der IJF. „Nur so umfassend angelegt kann es gelingen, die naturwissenschaft-lich-technischen Potenziale zu aktivieren und sie bis zum Berufsein-stieg zu erhalten.“ Bayerns Arbeitsministerin Christine Haderthauer begrüßt diese Initiative: „Unsere Kinder und Jugendlichen sind unse-re Zukunft. Ihre frühzeitige Förderung liegt mir deshalb besonders am Herzen. Mit den Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds haben wir deshalb gezielt das Zukunftsprojekt unterstützt.“

Link: | www.initiative-junge-forscher.de

Konzerte, Theater, Lesungen, Workshops und vieles mehr seit 25 JahrenProgramm: cairo.wue.de

Ausgabe

10Oktober 2012

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Fremde Federn finden20. Juni, 13.15 Uhr, Hubland, Zentrales Seminar- und HörsaalgebäudeMit der Vortragsreihe „Gute Lehre“ greift das Ser-vicezentrum innovatives Lehren und Studieren (ZiLS) ein Projekt der Hochschulrektorenkonferenz auf. An diesem Mittwoch erläutert Deborah Weber-Wulff (Foto: Andrea Jaschinski), was ein Plagiat ist, wie man es ent- und aufdeckt und warum man das über-haupt tun sollte. Die Artenvielfalt geistigen Ideenklaus demonstriert die Berliner Professorin für Medieninformatik mit ak-tuellen Fallbeispielen – „WiseWoman“ nennt sie sich im Plagiatsjägerforum VroniPlag, das ihr auch für den Forschungsschwerpunkt E-Learning im Schwarm als Echtzeitlabor dient. | www.zils.uni-wuerzburg.de

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Doping fürs Gehirn28. Juni, 14 Uhr, NeubaukircheJeder zwanzigste Student nimmt zur Leistungsstei-gerung und zum Stressabbau Schmerz-, Beruhi-gungs- oder Aufputschmittel. Man kann das freundlich „pharmakologisches Neuro-Enhancement“ nennen, andere ziehen die Bezeich-nung „Hirndoping“ vor. Mediziner, Psychologen und Soziologen informieren in vier Vorträgen dreieinhalb Stunden lang über die einschlägigen Mittel und de-ren Auswirkungen bei Studierenden und in der Ar-beitswelt. Und darüber, inwieweit sich der schnelle chemische von langwierigeren Wegen der mentalen Selbstformung unterscheidet. Anmeldung bitte über die E-Mail-Adresse: [email protected].| www.uni-wuerzburg.de

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Campus erleben30. Juni, 11 bis 17 Uhr, Campus HublandNatur und Technik zum Anfassen verspricht der Cam-pus-Tag. Den gemütlichen Teil eröffnet um 11 Uhr eine Jazz-Matinee auf der Wiese hinter der Mensa.. Dort startet schon um 10 Uhr der „Tag der Physik“ – die Fakultät informiert mit Studienberatungen, einer Experimentierstraße und Laborführungen über ihre Arbeit. Vorträge behandeln Laser in der Kryptogra-phie, Weltraumteleskope und Nanoteilchen, Staunen verspricht eine Lasershow, Knalleffekte die Chemie-vorlesung. Zum Abschluss zeigen die Wissenschafts-Komiker Die Physikanten im Max-Scheer-Hörsaal ihre verblüffendsten Experimente (16 Uhr). Externe Interessenten begrüßt auch der Infotag des Uni-Projekts „Globale Systeme und interkulturelle Kompetenz“ (Foto: GSiK-Tag 2011) im benachbar-ten Zentralen Hörsaal- und Seminargebäude (9-18 Uhr, Anmeldung unter www.jura.uni-wuerzburg.de). „Identität und Kommunikation“ lautet das Thema, das die zehn beteiligten Fachbereiche in Workshops ausloten. Den Schlussvortrag bestreitet um 16 Uhr der Passauer Amerikanist und Kulturtheoretiker Prof. Klaus P. Hansen.Wer dann noch im Z6 bleibt und eine Karte hat, kann ab 19 Uhr ein Gläschen Sekt mit Panoramablick und ab 20.30 mit Mathias Tretter, Vince Ebert (Foto: Frank Eidel) und Robert Erzig das genießen, was die Uni ebenfalls erfolgreich produziert: Kabarettisten. | www.uni-wuerzburg.de

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Die Erschaffung der Welt17. Juli, 19.30 Uhr, Neue Universität Aus- und Umgestaltungen alter und moderner Schöp-fungsmythen in Literatur, Musik und bildender Kunst stellen Bibelwissenschaftler, Philologen, Kunsthisto-

riker und Musikwissenschaftler an zwölf Dienstagen des Sommersemesters vor. Friederike Günther, Lehr-beauftragte am organisierenden Institut für Deut-sche Philologie, beschließt die Ringvorlesung mit ih-rem Vortrag „Vom Sterben des Anfangs“ über Botho Straussens irritierenden Text „Beginnlosigkeit“ von 1992. | www.graduateschools.uni-wuerzburg.de

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Mittel und Wege20. Juli, 14.15 Uhr, Rudolf-Virchow-Zentrum (D 15)Promovierende der Graduiertenschule stellen bei diesem Symposium unterschiedliche Arbeitsmetho-den in den Geisteswissenschaften vor – vom Inter-view in der qualitativen Sozialforschung bis zu den Methoden, mit denen etwa die Medienlinguistik den Einfluss von Online- auf Printmedien untersucht. An-meldung bis 12. Juli unter: [email protected] | www.graduateschools.uni-wuerzburg.de

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August Sperl26. September, 19.30 Uhr, HandwerkskammerNach Berufsstationen in Amberg, Castell und Nürn-berg kam August Sperl 1910 als Archivrat nach Würzburg – eine Seitenstraße im oberen Frauenland ist nach ihm benannt. Denn: Mit seinen historischen Romanen und Erzählungen erreichte er zu Lebzei-ten ein Riesenpublikum. Der Frankenbund erinnert anlässlich des 150. Geburtstages an den Historiker, Archivar und Schriftsteller.| www.horchbuch.de

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| Interkultur |

Südamerikanische Legenden5. bis 8. Juni, je 20 Uhr, Theater am NeunerplatzDie spanischsprachige Theatergruppe „Ventana al sur” lässt eine bolivianischen Liebeslegende in der Inkazeit spielen und inszeniert zudem die aus Ecua-dors spanischer Kolonialzeit stammende Geschichte vom schlauen Cantuña. Damit wollen die in Würzburg lebenden Südamerikaner die gesellschaftliche Viel-falt ihrer Länder zeigen. Die Leitung haben der Filme-macher Joaquin Balladares aus Ecuador und Yuli Va-caflores aus Bolivien, die Theaterfreunde schon von ihrer Arbeit mit der Gruppe Tschungulung kennen. | www.neunerplatz.de| www.ventanaalsur.de

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Auf den Spuren der Hussitenbis 26. Juni, Museum Kirche in Franken, Bad Windsheim 100 Jahre vor Luther prangerte Jan Hus in Böhmen ähnliche Missstände an und wurde dafür 1415 hin-gerichtet. Die Hussitenkriege erreichten auch frän-kischen Boden. Eine Wanderausstellung zeichnet die dramatische historische Bewegung nach. Die späte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem alten Phänomen hat ihren Grund. Erst mit der Grenzöff-nung 1990 öffneten die Forscher in Deutschland und der Tschechoslowakei einander auch ihre Archive. | www.freilandmuseum.de

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Diversity Education28. Juni, 18 Uhr, Uni Wittels-bacherplatz, Hörsaal 1Interkultur ist out, „diversity education“ der neue pädagogische Ansatz. Er propagiert in etwa das,

wofür die Erziehungswissenschaftlerin Annedore Prengel seit 1993 plädiert: für eine „Pädagogik der Vielfalt“, die primär die Vorteile nebeneinander be-stehender Lebenswelten sieht. Und Unterschiede nicht überbrückt, sondern aufgreift. Der zweistün-dige Workshop mit Elisabeth Tuider, Professorin für „Soziologie der Diversität“ an der Uni Kassel, und dem Diplompädagogen und systemischen Berater Mario Müller stellt Grundzüge und Methoden vor, die die Vielfalt von der Vielfalt aus erfahrbar machen (Teilnahme kostenlos, Anmeldung erforderlich). | www.zfl-wuerzburg.de

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Krank in einem kalten Land29. Juni, 19.30 Uhr, Residenz, ToscanasaalSeine Aufenthalte in Afrika und Asien haben dem Tro-penmediziner Prof. August Stich gezeigt, dass man auch mit bescheidenen Mitteln gute Medizin betrei-ben kann. Dennoch hält der Chefarzt am Missions-ärztlichen Institut das, was das deutsche Asylverfah-ren Migranten an medizinischer Versorgung bietet, für unzureichend. Denn: Deren Gesundheitsstatus ist schlechter als der von Deutschen in vergleichbarem Alter, die Kinder- und Müttersterblichkeit doppelt so hoch. | www.theaterwuerzburg.de| www.uni-wuerzburg.de

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Bestaunt, bewundert, vorgeführt13. Juli, 19.30 Uhr, Residenz, ToscanasaalFast 500 Jahre wurden Afrikaner als Sklaven, exo-tisches Fürstengeschenk oder Wissenschaftsobjekt

nach Europa verschleppt. Die wenigen Ausnahmen, die es als Künstler oder Wissenschaftler zu Ansehen brachten und als Personen fassbar sind, stellt Karin Sekora vor. | www.uni-wuerzburg.de

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Gott weiblichbis 25. August, verschiedene OrteDie religionsgeschichtliche Ausstellung aus Fribourg prägt den Interkultursommer mit ihrem Rahmenpro-gramm. Die Veranstaltungsformen variieren vom Gottesdienst in St. Stephan (So., 3.6., 10 Uhr) mit Bi-schöfin i. R. Maria Jepsen und einer anschließenden (11.15 Uhr) Prozessions-Performance bis hin zu wissenschaftlichen Vorträgen. Letztere haben ihren Jour fixe in der Neuen Universität am Sanderring, Hörsaal 127, montags um 19.30 Uhr. Thema sind bei-spielsweise am 11. Juni „Rabbinische Vorstellungen von Gottes Weiblichkeit“. Im Schröder-Haus greift eine Kunstausstellung den Titel der Hauptschau in der benachbarten Stephanskirche auf: Künstlerinnen und Künstler gestalten weiblich Göttliches, wie es uns heute begegnet – Gegenwartskunst zur Bibel-Archäologie. Was sie sich dabei gedacht haben, er-läutern sie bei Sonntagsgesprächen am 24. Juni und 29. Juli, jeweils 11.15 Uhr. Im Schröder-Haus dürfte es am 3. Juli besonders interessant werden. Dann fragt Prof. Ulrike Bechmann: „Keine Göttin in Israel? Vom Verhältnis der Bibel zur Archäologie“. Am 27. Juli startet Katrin Rieger eine zweiteilige Einführung in „Die Verehrung des Weiblichen“. Für „Gott weib-lich“ öffnet auch die Kontaktstelle Moderne Kultur in der Landwehrstr. 4: Am Freitag, 15. Juni, lädt sie zu einer meditativen Bildbetrachtung, am Mittwoch, 20. Juni, spricht Zohreh Salali über „die persischen Göt-tinnen vor dem Islam“ (Beginn je 20 Uhr). | www.gott-weiblich.de

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+ Statt Blumen kriegt das Jugendkulturzentrum zum Geburtstag ein Baumhaus. „Das Cairo hat einen schönen Hof, den man wunderbar nutzen kann“, erklärt der 28-jährige Student Johannes von Hollander, der viele ehrenamtliche Helfer beim Bau anleitet. Die Idee stammt vom KÖR e.V., dem Verein zur Förderung von Kunst im öffentlichen Raum. Steffen Deeg sieht das genauso. Der Innenhof des Cairo soll verstärkt genutzt werden – für Filmvorführungen, Kunstaktionen oder vega-ne Grillabende. Entsprechend war der Cairo-Leiter sofort Feuer und

Flamme für die Baumhaus-Idee des KÖR e.V. – „vor allem, weil das Projekt so interdisziplinär ist.“ Das ist auch die Philosophie des Cairo. Hier wird Wert auf Austausch gelegt. Der Sozialpädagoge Deeg sieht sich auch als Kulturmanager und Kulturermöglicher – als jemand, der vermittelt, berät und nötige Infrastrukturen schafft. So stellt das Cai-ro lediglich den Raum für viele, die das Würzburger Kulturprogramm mitgestalten. Was sich daraus entwickeln kann, liegt in den Händen der zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeiter.

Jubiläumsschleife am Ägyptischen BauEin Vierteljahrhundert Cairovon Christian Neubert / Foto: Benjamin Brückner

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Das Frauengefängnis des Revolutionsarchitekten Peter Speeth blickt ruhig auf die belebte Saalgasse.

Link: | www.cairo.wue.de

Nach diesen Prinzipien funktioniert das gesamte Jugendkulturhaus seit 2004. Denn im siebzehnten Jahr seines Bestehens wurde das Ju-gendzentrum geschlossen. Deeg hält das rückblickend für eine gute Entscheidung: Im Stadtgebiet gibt es den Bechtolsheimer Hof, der of-fene Jugendarbeit betreibt. Der Bedarf an kreativen Orten war bereits 2004 größer als das räumliche Angebot, und seit der Schließung des AKW sowie dem Umzug des Immerhin braucht die Jugendkultur ver-stärkt einen Ort für Veranstaltungen und kreative Aktivitäten.Projekte, für die das Cairo Räume stellt, bekommen nur eine Vorgabe: Sie sollen Erfolg versprechen. Nicht im Sinn von finanzieller Rentabi-lität! Auch nicht gemessen an der Zahl der Besucher. Vielmehr geht es darum, wie die Angebote angenommen werden. Um Verhältnis-mäßigkeit: Ein erster Auftritt auf der Studiobühne vor 20 Gästen kann ebenso ein Erfolg sein wie ein ausverkauftes Konzert im großen Saal. Und es geht um die Bereitschaft zum Mitwirken.

Raum für VeranstalterNeben Lesungen, Theateraufführungen und Filmevents machen Kon-zerte in etwa die Hälfte der Veranstaltungen des Jugendkulturhauses aus. Rund 170 Darbietungen finden mittlerweile pro Jahr statt. Um die Bookings für diese Events kümmern sich diverse Veranstalterteams,

die sich teilweise erst im Cairo formiert haben. Diese beweisen jeweils ein gutes Händchen bei der Auswahl der Künstler, die sie nach Würz-burg holen. Auf der Bühne des Cairo haben schon Bands wie The Gos-sip, Tomte oder Sportfreunde Stiller gespielt, bevor sie große Hallen füllen konnten.

Im Cairo fing vieles anAußerdem bietet das Cairo Kurse an. In 25 Jahren Jugendkulturhaus wurden schon Modellbau unterrichtet, Frisbee-Golf als Trendsportart etabliert und verschiedene Tanzstile erprobt. Neben Fotolabor und Töpferwerkstatt gibt es ein Videostudio, das auch Schulen gern nutzen. Die Begeisterung für Improvisationsthea-ter, auf die man in Würzburg stößt, wurde übrigens auch vom Cairo losgetreten. Angefangen hat alles mit einem Praktikumsprojekt, mitt-lerweile nimmt Würzburg eine herausragende Stelle in der bundes-deutschen Impro-Landschaft ein.

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+ Frauen werden von Männern oft vergöttert. Aber Gott ist in den Vor-stellungen der meisten Menschen männlich. Die Ausstellung in der St. Stephanskirche beleuchtet die weiblichen Elementen des bi-blischen Gottes. Gott ist - der liebende Vater, der gute Hirte oder der Mensch gewor-dene Sohn, manchmal auch der zornige, wütende Herrscher über die Welt. Er ist stark, kräftig, patriarchalisch, aber auch sanftmütig und weise. Eins aber ist der jüdische und christliche Gott in den verbrei-tetsten Vorstellungen nicht: weiblich. Doch es gibt sie, die weibliche Seite - damit befasst sich eine Ausstellung mit etlichen jahrtausende-alten Exponaten aus dem Nahen Osten. Die ursprünglich archäolo-gische Schau des Bibel+Orient-Museums aus dem Schweizer Fribourg wurde um neue Facetten ergänzt.

364 mal Dorfgottheiten, einmal JahweGott war nicht immer nur männlich. Göttinnen gab es in der Antike ebenso wie beispielsweise im Orient, sagt Harald Wildfeuer, Direktor des mitveranstaltenden Rudolf-Alexander-Schröder-Hauses. Im Alten Testament gebe es eine „klar erkennbare Tendenz, alle weiblichen Zü-ge aus Jahwe und alle weiblichen Gottheiten ringsum zu eliminieren“. Historisch sei das völlig anders gewesen, wie die archäologischen Fakten zeigten: Juden- und Christentum entstanden „in einem poly-theistischen Kontext“, in dem es natürlich auch Göttinnen gab. Religionen existierten damals nicht strikt getrennt von-, sondern im Austausch miteinander. „Das Jahr über haben die Menschen ihre Dorfgottheiten angebetet – und einmal im Jahr sind sie in den Tempel gegangen, um dort dann Jahwe zu danken“, so Wildfeuer. Das Weib-liche wurde aus Kultstätten verbannt, Erotik und Sexualität – einst-mals sinnbildlich für Schöpferkraft – tabuisiert und dämonisiert. Doch das Weibliche hat bis heute Spuren hinterlassen, zum Beispiel in der Marienverehrung der katholischen Kirche.„Die offizielle Lehre hat sich in diesem Punkt schon seit jeher klar von der Volksfrömmigkeit unterschieden“, erklärt Wildfeuer. Während Ma-ria von den (katholischen) Gläubigen schon seit Jahrhunderten verehrt wurde, hat sich die Amtskirche dem Marienkult erst deutlich später zu-gewandt. Dabei gibt es im Alten Testament viele Stellen, an denen die weiblichen Attribute Gottes durchschimmern, wo Gott als Mutter oder als „Glucke“ beschrieben wird. Diese Aspekte erörterte in den 1970er und 80er Jahren vor allem die feministische Theologie.Die Ausstellung versucht die Brücke zwischen altorientalischen Göt-tinnen und der heutigen Sicht auf Frauen zu schlagen, die einerseits gleichberechtigt sind, zugleich aber auch von Männern als Sexsym-

bol, als schönste oder als mächtigste Frau der Welt regelrecht vergöt-tert werden. Aus den 14 Kapiteln der Original-Ausstellung wurden für die Würzburger Variante die fünf Themenräume Weisheit, Vitalität, Anblick, Macht und Mutter. Die antiken Objekte aus dem Schweizer Museum stehen moderner Kunst gegenüber. Hierfür holten das evan-gelische Rudolf-Alexander-Schröder-Haus und die Katholische Akade-mie Domschule als Veranstalter den Berufsverband Bildender Künst-lerinnen und Künstler (BBK) Unterfranken ins Boot. Der BBK schrieb einen Wettbewerb aus, die Siegerbeiträge hängen und stehen in der Stephanskirche. Die neue Würzburger Variante der Schweizer Wanderausstellung wird bundesweit beworben, sie ist eine theologische, archäologische und auch künstlerische Auseinandersetzung mit der göttlichen Weiblich-keit. „Heute gilt in der Theologie die gängige Lehrmeinung, dass Gott weder männlich noch weiblich ist“, sagt Wildfeuer. Auch diese „trans-sexuellen“ Elemente greift die Ausstellung mit auf, macht den Besu-chern bewusst, „dass man Gott mit den Krücken menschlicher Worte nicht beschreiben kann“, meint Wildfeuer. So scheine er mal eher als Mann, mal als Frau.Für die Kirchengemeinde St. Stephan ist die Ausstellung mit einigen Einschränkungen verbunden. So ist die Kirche normalerweise jeden Tag für jeden geöffnet – ganz ohne Eintritt. Das ist nun für gut dreiein-halb Monate anders. „Aber der Kirchenvorstand hat sich gerne darauf eingelassen“, sagt der Chef des direkt benachbarten Schröder-Hauses. Für Wildfeuer sind Projekte wie diese Ausstellung ein wichtiges Ele-ment in der christlichen Bildungsarbeit von heute, deshalb ist das Be-gleitprogramm auch besonders umfassend geraten. „Klassische Vorträge, Podiumsdiskussionen und Workshops sind im-mer noch ein wichtiger Bestandteil unseres Auftrags“, sagt Wildfeu-er. Doch neue „Kunden“ erreiche man eher „mit Cross-Over-Projekten wie dieser Ausstellung“. Viele würden erst durch das Begleitpro-gramm auf die Schau und kirchliche Bildungshäuser aufmerksam.

Der Herr wurde ein MannAusstellung „Gott weiblich“ entdeckt Seine verborgenen Seiten von Daniel Staffen-Quandt / Foto: Benjamin Brückner

inFoS: Die Ausstellung „Gott weiblich – Begegnung mit einer verborgenen Seite des biblischen Gottes“ ist bis zum 25. August zu sehen, dienstags bis sams-tags von 9 bis 17 Uhr, sonntags von 12 bis 17 Uhr. Eintritt: 4,50, ermäßigt 3 Euro. Öffentliche Füh-rungen jeweils sonntags um 15 Uhr (3 Euro zzgl. Eintritt). | www.gott-weiblich.de

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Zwei Kapellen, Begegnungsraum und Empore wurden in der Dekanatskirche zum Ausstellungsraum.

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| KulturGut 10 | Oktober 2012 |

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BALLETT VON YOURI VÀMOS NACH WILLIAM SHAKESPEARE AB 26. MAI 2012 � MAINFRANKEN THEATER WÜRZBURG, GROSSES HAUS

EIN SOMMERNACHTS-TRAUMKarten: Tel. 0931 / 3908-124 | www.theaterwuerzburg.de

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24.7.–15.8.2012Festival am Alten Hafen Würzburg

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15.8.2012Festival am Alten Hafen Würz

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26.07. Jane Birkin27.07. Nils Petter Molvær 28.07. Rebekka Bakken 29.07. jbbg/Wolfgang Dauner 01.08. Supersilent feat. John Paul Jones (Led Zeppelin) 02.08. Fatoumata Diawara05.08. Caravan Palace

26.07. Jane BirkinSommer-Highlights 201226.07. Jane Birkin27.07. Nils Petter Molvær 28.07. Rebekka Bakken 29.07. jbbg/Wolfgang Dauner 01.08. Supersilent feat. John Paul Jones (Led Zeppelin) 02.08. Fatoumata Diawara05.08. Caravan Palace

Weitere Programmpunkte05.08. Caravan Palace 05.08. Caravan Palace 05.08. Caravan Palace

Weitere ProgrammpunkteWeitere Programmpunkte Bauchklang, Elliott Sharp, Mohammad Reza Mortazavi, 17 Hippies, Stian Westerhus, Pauline Croze, Synje Norland, Gabby Young & Other Animals, Otto Lechner/Arnaud Méthiviér, Die Goldenen Zitronen, Kristof Schreuf, Max Uthoff , Reiner Kröhnert, Twincity European Jazz Project, Karo, Mina Tindle, Stabil Elite, Niels Frevert, u. a.

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