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KUNSTGESCHICHTE 19. JAHRHUNDERT 1 Grundwissen zur Kunst des 19. Jahrhunderts Teil 1 Klassizismus, Romantik, Realismus

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KUNSTGESCHICHTE 19. JAHRHUNDERT

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Grundwissen zur Kunst des 19. Jahrhunderts

Teil 1 Klassizismus, Romantik, Realismus

KUNSTGESCHICHTE 19. JAHRHUNDERT

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Zeitgeschichte

Die Jahre von 1770 bis 1830 umfassen eine Zeitspanne geistiger, sozialer und politischer Umwälzungen und Erneue-rungen. Es ist die Zeit der Aufklärung und des Idealismus (vgl. Geschichtsunterricht: Napoleon I., Wiener Kongress). DieGedanken der antiken Philisophie von der Freiheit des Menschen und seiner Verantwortung für das Gemeinwesenwerden propagiert. Dies bildet den zeitgeschichtlichen Hintergrund für die Epoche des Klassizismus. In Frankreichwerden die neuen Ideen mit der Revolution schlagartig und brutal durchgesetzt. Andere europäische Staaten wie Preu-ßen unter Friedrich II. führen Reformen durch. Die Entstehung großer Städte, die viele Menschen anziehen, und derWandel der Arbeitswelt durch die sogenannte „technische Revolution“ tragen Mitte des 19. Jh. zur gesellschaftlichenVeränderung bei.

AUFGABE: Sammle aus dem Geschichtsbuch Namen und Fakten, die das 19. Jh. bis etwa 1860 kennzeichnen.

In diesem Jahrhundert ist der Maler ein wichtigerZeitzeuge, erst Mitte des Jahrhunderts wird dieseAufgabe von der Fotografie übernommen. DerMaler erzählt die Ereignisse allerdings aus seinerSicht - bzw. der Sicht seiner Auftraggeber.So führt im „Barrikadenaufstand“, den EugeneDelacroix hier darstellt, eine Frau die Menschen-massen. Die Frauenfigur mit der erhobenen Fah-ne wird später zu einer Allegorie für das freiheits-liebende Frankreich.Auch die Freiheitsstatue in New York, die die Neu-ankömmlinge im jungen Staat Amerika begrüßt, isteine allegorische Figur.In den großen Städten wird das Denkmal mit histo-rischen oder allegorischen Figuren zu einem wich-tigen Aufgabenfeld für den Künstler. Die Auftragge-ber wollen auf diese Weise mit ihren Vorstellungenund Idealbildern viele Menschen erreichen.

Keine Allegorien, sondern ganz reale, wirkliche Menschen wollen die Künstler des Realismus in der Mitte des Jahrhun-derts darstellen, Menschen bei der täglichen schweren Arbeit in den neuen Industrieanlagen. Im „Eisenwalzwerk“ hatder Maler Adolph von Menzel viele Tage mit Beobachtungen und Skizzen verbracht, bevor er dieses Gemälde anfertig-te. Es ist ein Zeugnis der technischen Revolution, aber auch der harten Arbeitsbedingungen in dieser Zeit.

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Klassizismus - Architektur

Die Form des Baukörpers wird aus Quadrat und Kreis entwickelt, dabei werden einfa-che Körper (Kubus, Pyramide, Kegel, Kugel, Zylinder) bevorzugt.Die Bauteile werden streng symmetrisch angeordnet.Die Proportionen sind geometrisch durchdacht.Triumphbogen- und Tempelmotiv (Säulenreihe mit Dreiecksgiebel) herrschen vor inder Gestaltung von Fassaden, bei der Umrahmung von Portalen und Fenstern. Stützenund Säulen werden mit dorischen, ionischen und korinthischen Kapitellen versehen.Der Bau ist geprägt von übermenschlicher Größe (Monumentalarchitektur).

Auch hier wird die geometrisch-klare Gliederung deutlich; den senkrechten Säulen wir-ken waagerecht verlaufende Gesimse entgegen und schaffen so ein Gleichgewicht.

Die Bauten dienten vor allem repräsentativen Zwecken und sollten politische Ideendokumentieren. Sie stehen deshalb oft an exponierter Stelle.

Häufig werden ganze Straßenverläufe, Plätze und auch ganze Städte neu geplant undgestaltet. München wird unter Ludwig I. ganz in diesem Sinn umgestaltet: Leopoldstraßevon Siegestor bis Feldherrnhalle, Königsplatz mit Antikensammlung, Glyptothek.Karlsruhe wird „auf dem Reißbrett“ entworfen und erbaut.

Carl Gustav Langhans: Brandenburger Tor, BerlinKarl Friedrich Schinkel: Neue Wache und Schauspielhaus, BerlinLeo von Klenze: Glyptothek, München ; Walhalla, Regensburg

Gestaltungsmerkmale

Außenbau

Innenraum

Bauaufgaben

Baumeister und ihreWerke

Man spricht auch von der zweiten Wiedergeburt der Antike (vgl. Renaissance), denn wesentliche Gestaltungsmittelwerden auch in dieser Epoche aus der Antike übernommen:- die Form der Kapitelle (dorisch, ionisch, korinthisch)- das Motiv der Tempelfassade mit Dreiecksgiebel und Säulenreihe und- das Triumphbogenmotiv.

Die Architekten wenden sich damit ab vom Illusionismus und der Prachtentfaltung des späten Barock und des Rokoko.Stattdessen werden klare, schlichte Formen mit harmonischer, monumentaler und repräsentativer Wirkung gewählt.Deutlich erkennbar ist die Vorliebe für symmetrische und ausgewogene Formen, die nach antiker Vorstellung die Schönheitder Schöpfung wiedergeben. Aus diesem Grund werden auch geometrische Grundformen wie Quadrat und Kreis bevor-zugt.

Aufgabe: Suche geeignetes Bildmaterial für die Baukunst des Klassizismus und klebe es hier ein.

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Wichtige Stationen seinesLebens

Kurzcharakteristik

Hauptwerke

geboren 1781 in Neuruppin, gestorben 1841 in Berlin

Über seine Absichten sagt Schinkel: „Historisch ist nicht, das Alte allein festzuhaltenoder zu wiederholen, dadurch würde die Historie zu Grunde gehen, historisch handelnist das, welches das Neue herbeiführt und wodurch die Geschichte fortgesetzt wird.“

Schinkel studierte in Berlin Architektur, er malte Stadtansichten und Idealarchitektur.Schinkel unternahm etliche Reisen ins europäische Ausland, um sich Anregungen zuholen. Ab 1809 war er im Staatsdienst als Baurat und zuständig für die baulicheGestaltung Berlins als preußische Hauptstadt, aber auch für andere Bauaufgaben inPreußen. So entwarf er den Prototypen einer „Normalkirche“, wie sie in der Folgezeitüberall in Brandenburg erbaut wurde.

Schinkel war Architekt, Stadtplaner und Maler. Seine Bauten sind Zweckbauten; erpflegte einen sachlichen Stil. Darüber hinaus hat Schinkel den Beginn der deutschenDenkmalpflege unterstützt. Sein Rückgriff auf die Gotik nimmt Elemente desHistorismus vorweg.

Schauspielhaus, Berlin, 1818Altes Museum, Berlin, 1824Schloss Charlottenburg, Potsdam-SanssouciNeue Wache, Berlin, 1818Friedrichswerdersche Kirche (Backstein-Gotik), 1825

Klassizistische Architekten

Karl Friedrich Schinkel -der Baumeister Berlins

Wichtige Stationen seinesLebens

Kurzcharakteristik

Hauptwerke

geboren 1784 bei Schladen, gestorben1864 in München

„Ausgang der Form ist geistige Haltung. Die Gesichtslosigkeit der Architektur ist dieFolge der Gesichtslosigkeit der Bewusstseins.“

Klenze stammt aus einer Beamtenfamilie. Während seiner Ausbildungszeit und späterauch noch unternahm er zahlreiche Reisen nach Italien und Griechenland. Er gelangteals Hofarchitekt von König Ludwig I. von Bayern zu Bedeutung. Zu seinen Aufgaben-bereichen gehörte die klassizistische Umgestaltung Münchens.

Klenze hat mit seinen Bauten das Stadtgesicht von München entscheidend geprägt.Seine Bauten stehen für harmonische Ausgewogenheit und schlichte Klarheit. Sie sindbesonders von der Antike und den Bauten der Renaissance beeinflusst.

Glyptothek, München, 1816 - 1830Alte Pinakothek, München, 1826 - 1836Walhalla, Regensburg, 1842Propyläen, München, 1854 - 1862

Leo von Klenze -für Ludwig I. gestaltet er München

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Romantische Malerei

In der Spätphase der Romantik, Spätromantik = Biedermeierschrumpfen die Ideale der Freiheit des Individuums und der unendlichen Natur zu heimeligen Idyllen. Wichtigste Vertre-ter dieser Zeit sind Ludwig Richter (Märchenillustrationen und idyllische Alpenlandschaften), Moritz von Schwind (The-men der Volks- und Heldensagen) und Carl Spitzweg (beschauliche, kleinbürgerliche Welt der deutschen Kleinstädte, z.B. „Der arme Poet“, „Sonntagsspaziergang“).

Unter „Romantik“ versteht man eine philosophisch-literarisch ausgeprägte Bewegung um 1800, die sich parallel zumeuropäischen Klassizismus besonders in den Ländern nördlich der Alpen ausbreitet. Die Romantiker wenden sich ge-gen die rationalistische Geisteshaltung der Klassizisten und sehen mehr in der Empfindsamkeit des Menschen, seinerengen Verbundenheit mit der Natur und dem dort gegenwärtigen Göttlichen den Schlüssel zum Verständnis der Welt.Gefühl und Phantasie sind für die Romantiker wichtiger als Logik und Verstand. Die Romantik ist durch den Bezug zurGeschichte, zu den Sagen und Märchen eines Volkes, sehr stark national geprägt.

NORDDEUTSCHE ROMANTIKKennzeichen sind:- die poetische Sicht der eigenen Vergangenheit, vor allem des Mittelalters, das als „Goldenes Zeitalter“ verklärt wird,- eine gefühlvolle Betrachtung der Natur, vor allem der Landschaft der eigenen Heimat, und- das Streben nach einem tiefenGlauben.Sentimentalität und Weltschmerz kennzeichnen die deutsche Romantik; sie betont die Person und ihre Gefühle.Farbgebung, Kompositionsmittel und Malweise erinnern ganz an die traditionelle Malerei von Renaissance und Barock,es gibt in dieser Epoche keine eigenen, neuen Stilmittel.

CASPAR DAVID FRIEDRICH versucht, in seinen Bildern Religiösität und Naturnähe zu verbinden. Er stellt hauptsäch-lich stimmungsvolle, schwermütige Landschaften dar, in denen sich der im Verhältnis zur Natur winzige Mensch derNaturkraft und der Naturseele gegenübergestellt sieht. Christliche Symbole werden in die Landschaft hinein interpre-tiert: Kreuz - Erlösungstod - Sonnenaufgang. Personen und Gegenstände, Tages- und Jahreszeiten haben ihren be-stimmen Bedeutungsgehalt. So drückt Friedrich seine Gedanken und Gefühle in den Landschaftsdarstellungen aus. Einhäufiges Bildmotiv ist die Rückenfigur: Der Betrachter soll sich selbst in das Bild hineinversetzt fühlen.PHILIPP OTTO RUNGE malt neben Landschaften v. a. Porträts, die meist ernste, verschlossene Menschen zeigen.Auch bei ihm spielt die Symbolik der verwendeten Farben, Beigaben und einer bestimmten Umgebung eine großeRolle. Sein Hauptwerk ist der Zyklus „Vier Zeiten“, der seine symbolisch-mystischen Gedanken über Welt und Schöp-fung zum Ausdruck bringt.Die sog. NAZARENER wollen eine religiöse Kunst schaffen. Diese Künstlergruppe um FRIEDRICH OVERBECK siedeltsich in einem italienischen Kloster an. In ihrer Gestaltung knüpfen die Maler an die harmonischen Darstellungen derfrühen Renaissance an, vor allem an die Zeit vor Raffael. Eine Künstlergruppe in Englandmit den gleichen Absichtennennt sich zu dieser Zeit deshalb auch PRÄRAFFAELITEN.

Im Bild „Italia und Germania“ zeigt Friedrich Overbeck ideali-siert die enge Verbindung beider Länder. Die Freundinnen sindjeweils „typisch“ dargestellt: Aussehen, Frisur und Kleidung, auchdie typische Landschaft mit einem Kirchenbau. Für die deut-sche Stadt steht hier eine gotische Kirche, wie in der Kleidungfindet sich hier ein Hinweis auf die Vorliebe für das Mittelalter.

„Der arme Poet“ von Carl Spitzweg zeigt, wie der Alltag „romanti-siert“ wird: Alles ist nett und idyllisch, selbst die Armut des Dichtersoder die Unordnung in seiner Dachstube. Spitzweg ist ein Maler mitgroßem Können. Seine Bilder gelten als dekorativ, sie treffen denGeschmack des Publikums; bis heute sind seine Motive bekanntund beliebt, sogar als Stickvorlagen.

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FRANZÖSISCHE ROMANTIK

Hier werden die Themen aus der zeitgenössischenGeschichte gewählt, z. B. die Revolution von 1789, dieTaten Napoleons, der Freiheitskampf der Griechen ge-gen die Türken. Beliebte Bildmotive bieten die phan-tasievolle Darstellung des Orients, exotische Abenteu-er oder besonders abenteuerliche Reisen. Dramati-sche Szenen werden hier bevorzugt; Farbauftrag, Mal-weise und Komposition ähneln der barocken Malerei.

THEODORE GERICAULT schildert solche abenteu-erlichen Ereignisse sehr realistisch und in barockerMalweise, z. B. im „Floß der Medusa“.EUGENE DELACROIX wendet sich häufig histori-schen Themen zu. Durch seine - vom Barock beein-flusste - Betonung der Farbe gegenüber der Linie wirder zu einem Vorbild der Impressionisten.

Der „Barrikadenaufstand des 17.Juni“ hat auch denTitel „Die Freiheit führt das Volk an“, die Frauengestaltmit der französischen Flagge ist die Verkörperung desfreiheitliebenden Frankreichs und wurde zur National-figur. Dieses Gemälde zeigt aber auch, dass in derRomantik die traditionelle Malerei mit ihren Helldun-kel-Effekten, der realistischen Darstellungsweise undden traditionellen Kompositionsschemata verwendetwird.

ENGLISCHE ROMANTIK:

Hauptvertreter sind die Präraffaeliten, dazu gehörenEdward Burne JONES und Dante Gabriel ROSSETTI.Ihre Bilder haben religiöse oder mystische Inhalte.Auch die englischen Romantiker wählen gerne The-men aus der Welt der Märchen und Sagen: Geschich-ten mit geheimnisvollem Inhalt. Die Theaterstücke vonWilliam Shakespeare dienen JOHANN HEINRICHFUESSLI, einem Schweizer Maler, der in London lebt,als Vorlagen für Gemälde und Illustrationen.JOHN CONSTABLE widmet sich der Landschafts-darstellung. Seine Bilder mit Szenen aus dem Land-leben, mit Dörfern und Kathedralen prägen unser ro-mantisches Bild von England.WILLIAM TURNER nimmt eine Sonderrolle ein. SeinHauptthema ist die Darstellung der Naturgewalten:Meer, Sturm und Regen, Licht werden im Lauf seinerEntwicklung immer freier und spontaner aufgefasst. Ergilt damit als Wegbereiter der Impressionismus.

AUFGABE:Suche Abbildungen von Werken der genannten Künstler und füge sie mit entsprechenden Bilduntertiteln ein.

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Romantische Malerei - Vergleich

Deutsche Romantik Französische Romantik Englische Romantik

Inhalte

Vertreter/Werke

AUFGABE

Ordne folgende Begriffe zu (auch mehrfach):Träume - Sehnsucht nach dem „goldenen“ Mittelalter - Abenteuer - religiöse Inhalte - Exotisches - heimatliche Landschaft -mystische Landschaft - geschichtliche Themen - Märchen - OrientalischesTrage die Titel der abgebildeten Werke ein und suche Werkbeispiele zu den genannten Malern!

Caspar David Friedrich

Ludwig Schwind

Carl Spitzweg

Philipp Otto Runge

Eugene Delacroix

Theodor Gericault

Johann Heinrich Füssli

John Constable

D.G.Rosetti

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Caspar David Friedrich...der Melancholiker

Maler der Romantik

Lebensdaten

Zitat

Wichtige Stationen seinesLebens

Kurzcharakteristik

Hauptwerke

geboren 1774 in Greifswald, gestorben 1840 in Dresden

„Kunst ist die Mittlerin zwischen der Natur und den Menschen.“

Der Künstler studiert an der Kunstakademie Kopenhagen und lebt in Dresden, dasdamals Zentrum der romantischen Bewegung ist. Er wird als sehr melancholischerund menschenscheuer Charakter beschrieben. 1835 lähmt ihn ein Schlaganfall. Durchgelegentliche Käufe des russischen Zaren kann er der Armut entgehen.

Caspar David Friedrich gilt heute als einer wichtigsten Vertreter der romantischenMalerei und als Erneuerer des Landschaftsbildes. Er sieht die Natur als Spiegelmenschlicher Empfindungen. Kunst soll seiner Meinung nach zwischen Gott und seinenWerken - Mensch und Natur - vermitteln. Viele seiner Motive sind symbolisch zu deutenund im religiösen Bezug zu verstehen. Der Mensch wird der Natur gegenübergestellt,dabei wählt der Künstler meist die Rückenfigur, so dass der Betrachter sich in dendargestellten Menschen hineinversetzen kann.

Der Wanderer über dem Nebelmeer, 1818Kreidefelsen auf Rügen, 1818Die gescheiterte Hoffnung, 1821Mondaufgang am Meer, 1823

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Malerei des Realismus

Der Realismus (ca. 1840 - 1860)

ist die „Antwort“ auf die Romantik: Auf das Gefühl, die Emotion, das Persönliche folgt nun die Betonung von Wahrheit,Objektivität, Wirklichkeit. Bilder sollen nach Ansicht der Realisten nicht einfach schön sein, sondern „wahr“ im Sinn vonreal, echt, wirklich.

Ihr Ziel ist es nur das wiederzugeben, was man objektiv wahrnehmen kann, ohne die Welt zu beschönigen, d. h. zuidealisieren oder zu verändern. Damit soll das Alltägliche, auch das Hässliche, zum „bildwürdigen“ Thema werden. DieMaler provozieren damit den Zeitgeschmack, denn das konservative Kunstpublikum vertritt zu dieser Zeit die Ansicht,dass Kunst etwas Schönes darstellen muss, an dem sich der Betrachter erfreuen und bilden kann. Die Klassizisten sindder Meinung, die Künste - Literatur, Malerei, Bauten - sollen den Menschen zum Guten und Schönen erziehen. DieRealisten dagegen wollen die Augen öffnen für die Wirklichkeit in ihrer Zeit und ihrer Gesellschaft, die sich immer stärkerund schneller verändert.Die Zeit ist geprägt durch:

• INDUSTRIALISIERUNG: Es entstehen große Fabriken, die Menschen ziehen vermehrt in die Städte.

• TECHNISIERUNG: Die Erfindung von Dampfmaschine, Eisenbahn u. a. bedeutet eine “technische Revolution“.

• KAPITALISMUS: In einer „Klassengesellschaft“ stehen den Besitzern von Maschinen und Fabriken die großeMasse der Arbeitern gegenüber. Soziale Auseinandersetzungen sind unausweichlich.

So wird der Realismus auch verstanden als eine Antwort auf die gesellschaftlichen Umbrüche dieser Zeit.

Bildthemen:Vor allem Szenen aus dem alltäglichen Le-ben werden dargestellt - in der Stadt und aufdem Land, Menschen bei der täglichen Arbeitauf dem Feld, aber auch Szenen aus den Fa-briken, dem Industriemilieu. Die Situationenwirken ganz alltäglich, zum Teil sehr banal:Waschen, Ankleiden, Einkaufen, Beten, Put-zen ...

Ein anderes wichtiges Thema dieser Zeit istdie Gesellschaftskritik (Kritik am Beamten-tum, an der Verwaltung, der Justiz und derPolitik ganz allgemein). Durch die Massen-medien (Zeitungen werden jetzt in großer Zahlgedruckt) werden die Karikaturen weit verbrei-tet. Viele Künstler finden hier ein neues Auf-gabenfeld.

Gestaltungsmittel:Sie unterscheiden sich nicht von den traditio-nell in Renaissance und Barock entwickeltenMöglichkeiten, so dass die Bilder auf den ers-ten Blick nicht leicht einzuordnen sind. DieWirklichkeit wird genau wiedergegeben.Form, Plastizität und Lichtwirkung werden ander Natur genau studiert. Auch die bekann-ten Mittel der Raumdarstellung werden wei-ter verwendet. Die Malweise ist je nach Tem-perament des Künstlers exakt und lasierendoder pastos. Manche Künstler bevorzugenspontanes und schnelles Arbeiten, andere ar-beiten sehr langsam in feinen Lasuren im Stilder Alten Meister. Der Bildausschnitt soll ei-nen Ausschnitt aus dem „wirklichen“ Lebenzeigen, deshalb wirkt die Komposition oft wiezufällig gewählt. Viele Realisten bevorzugendie Erdfarben; die Brauntöne drücken sowohlBodenständigkeit, Verbindung mit der Naturals auch Einfachheit und Armut aus.

Wilhelm Leibl: Drei Frauen in der Kirche

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Künstler des Realismus

geboren 1815 in Breslau, gestorben 1905 in Berlin

„Wahr ist wohl, dass je mehr einer zur Kunst zugeschnitten ist, desto sau-rer fällt ihm das Handwerk, alle Kunst ist ja aber auch zugleich Handwerk,was bitter erlernt werden muss, und grade mit darin liegt ihr Großes.“

Menzels Vater führt einen kleinen lithografischen Betrieb in Berlin, denAdolph Menzel nach dessen Tod übernimmt. Daher rührt die Betonung derZeichnung als Grundlage aller Kunstfertigkeit, immer hat Menzel ein Skiz-zenbuch bei sich. Als Künstler ist er Autodidakt. Er ist kleinwüchsig, erlangtjedoch höchste Anerkennung für sein Werk. Trotz großer Ehrungen wie derVerleihung des Adelstitels bleibt er misstrauisch und verschlossen. Er istein genau beobachtender, sehr fleißiger Mensch und wird wegen seinerbissigen Bemerkungen gefürchtet.Menzel ist ein bedeutender Maler und Grafiker des 19. Jh. und ein Vertre-ter des Berliner Realismus. Als preußischer Hofmaler beschäftigt er sichmit Auftragsarbeiten zur preußischen Geschichte (z. B. Zyklus zum „LebenFriedrichs des Großen“). Unter dem Einfluss der gesellschaftlichen Ereig-nisse wendet er sich auch kritischen und sozialen Themen zu.

Das Balkonzimmer, 1845Flötenkonzert Friedrichs d. Großen, 1852Das Eisenwalzwerk, 1875

Er stellt vor allem Menschen aus dem bäuerlichen Milieu dar. und bevor-zugt eine altmeisterliche, naturalistische Technik, z. B. bei den Werken „DreiFrauen in der Kirche“ und „Die Dorfpolitiker“.

geboren 1819 in Ornans, Frankreich, gestorben 1877 in La-Tour-de-Peilz,Schweiz

„Ich will in meinen Bildern die Erde der Felder mit Fäusten packen, sieberiechen, küssen und beißen, die Stämme der Bäume beklopfen, Steinein Wasserlöcher werfen und die Natur in mich hineinfressen undverschlingen.“

Courbet gilt als sinnenfroher, gutmütiger Zeitgenosse. Für seine Ideentritt er vehement ein. Seine Bekanntheit wächst mit dem Aufsehen, dasseine Gemälde erregen. Er wird zwar am Anfang seiner Karriere vomPariser Salon abgelehnt, kann später jedoch Anerkennung finden.Gemeinsam mit Daumier soll er sogar das Kreuz der Ehrenlegion erhalten.Beide lehnen jedoch ab, um die Freiheit der Kunst zu demonstrieren. Imrepublikanischen Frankreich wird er 1869 Stadtrat und Mitglied der PariserKommune. Nach deren gewaltsamer Ablösung flieht er in die Schweizund lebt dort bis zu seinem Tod. Courbet gilt als Begründer der Plein-air-Malerei, der Malerei im Freien direkt vor dem Landschaftsmotiv. Er lehntbewusst die überkommenen Kunstrichtungen ab und wendet sich einernichts beschönigenden realistischen Malerei zu.

Die Steinklopfer, 1849Die Korbsieberinnen, 1853Das Atelier des Künstlers, 1854

Er ist vor allem bekannt durch seine gesellschaftspolitischen Karikaturen,in denen er die Missstände in Verwaltung und Justiz kritisiert, er hält aberauch dem Bürgertum einen kritischen Spiegel vor. Einige Gemälde, z. B.„Das Drama“ setzt er auch als Lithographien (Flachdruckverfahren) umund verwendet sie als Illustrationen.

stellt vor allem einfache Menschen bei bäuerlichen Arbeiten dar, z. B. „DieÄhrenleserinnen“. Dabei neigt er dazu, diese einfachen Tätigkeiten zu ide-alisieren und zu heroisieren. Er wird in Thematik und Malweise zum Vorbildfür die frühen Arbeiten Vincent van Goghs.

Wilhelm Leibl

Adolph von Menzel

Gustave Courbet

Honore Daumier

Jean-Francois Millet