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19. Wahlperiode
Kurzbericht öffentlich – ohne Beschlussprotokoll –
103. Sitzung des Innenausschusses
42. Sitzung des Rechtspolitischen Ausschusses
14. Juni 2018, 10:00 bis 12:00 Uhr
Anwesend:
Vorsitzender des INA: Abg. Horst Klee (CDU)
Vorsitzender des RTA: Abg. Christian Heinz (CDU)
CDU
Abg. Alexander Bauer
Abg. Holger Bellino
Abg. Christian Heinz
Abg. Heiko Kasseckert
Abg. Irmgard Klaff-Isselmann
Abg. Markus Meysner
Abg. Uwe Serke
Abg. Astrid Wallmann
SPD
Abg. Tobias Eckert
Abg. Nancy Faeser
Abg. Dieter Franz
Abg. Lisa Gnadl
Abg. Karin Hartmann
Abg. Rüdiger Holschuh
Abg. Günter Rudolph
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Abg. Jürgen Frömmrich
Abg. Eva Goldbach
Abg. Daniel May
DIE LINKE
Abg. Hermann Schaus
FDP
Abg. Wolfgang Greilich
Lb/me – 2 – INA 19/103 u. RTA 19/42 – 14.06.2018
Fraktionsassistentinnen und Fraktionsassistenten:
Helena Fertmann (Fraktion der CDU)
Lisa Ensinger (Fraktion der SPD)
Dr. Frederik Rakor (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Adrian Gabriel (Fraktion DIE LINKE)
Bérénice Münker (Fraktion der FDP)
Landesregierung, Rechnungshof, Datenschutz, Landtagskanzlei:
Protokollierung: Claudia Lingelbach
Stefan Ernst
Lb/me – 3 – INA 19/103 u. RTA 19/42 – 14.06.2018
Information zum aktuellen Sachstand im Fall Ali B.
Vorsitzender Abg. Horst Klee: Meine Damen und Herren, ich darf Sie herzlich zur 103.
Sitzung des Innenausschusses und zur 42. Sitzung des Rechtspolitischen Ausschusses be-
grüßen.
Ich habe vor der Sitzung mit den Fraktionen gesprochen. Der Punkt ist selbstverständlich
öffentlich. Wenn das einhellig so gesehen wird, brauchen wir keinen Beschluss mehr zu
fassen.
Minister Peter Beuth: Die Justizministerin Frau Kollegin Kühne Hörmann und ich selbst ha-
ben dem Ausschuss angeboten, dass wir über den Fall Susanna F. informieren. Das wol-
len wir hiermit auch tun.
Zunächst einmal will ich feststellen: Das ist eine schreckliche Tat, die sich hier zugetragen
hat und uns alle erschüttert hat. Unser Mitgefühl gilt natürlich vor allen Dingen den An-
gehörigen. Das möchte ich noch einmal zum Ausdruck bringen. Darüber hinaus will ich
deutlich machen, dass wir alles tun, um den Täter und die Tat genau auszuermitteln und
den Täter am Ende seiner gerechten Strafe zuzuführen. Im Fall der getöteten Susanna F.
möchte ich Sie über den bisherigen Sachstand informieren. Den Obleuten des Innen-
ausschusses ist das nach der ausführlichen Information vom vergangenen Freitag-
nachmittag überwiegend schon bekannt. Ich möchte darauf hinweisen, dass es sich
um eine Momentaufnahme handelt und die Ermittlungen jederzeit neue Erkenntnisse
hervorbringen können.
Nachdem Susanna F. am späten Abend des 23. Mai von ihrer Mutter in Mainz als ver-
misst gemeldet worden war, wurden zunächst durch die zuständigen rheinland-
pfälzischen Behörden Ermittlungen eingeleitet. Ab dem 30. Mai 2018 hat das Polizeiprä-
sidium Westhessen diesen Fall übernommen. Grund für die Übernahme der Ermittlungen
waren die sich verdichtenden Erkenntnisse, dass Susanna F. in Wiesbaden ihren regel-
mäßigen Aufenthalt hatte und vermutlich auch dort verschwunden war. Seit Februar
war sie nur selten in der Schule und hatte sich in Wiesbaden einer Clique angeschlos-
sen. Am 22. Mai hatte sie nach unseren Erkenntnissen abends zuletzt Telefonkontakt zu
ihrer Mutter. Am 29. Mai meldete sich eine Freundin der Vermissten bei der Mutter von
Susanna F. Diese Freundin gab an, sie haben einen anonymen Anruf erhalten, in wel-
chem ihr mitgeteilt worden sei, dass Susanna tot sei und in Erbenheim an den Bahnglei-
sen liege. Diese Information gab Susannas Mutter dann am späten Abend des 29. Mai
an die Polizei in Mainz und in Wiesbaden weiter. Die Übernahme der Ermittlungen und
Fahndung durch die Polizei in Wiesbaden erfolgte sodann am 30. Mai.
Nach den heutigen Erkenntnissen wissen wir, dass Susanna F. bereits eine Woche vor
der Übernahme der Ermittlungen durch die hessischen Behörden tot war. Direkt am
nächsten Tag erfolgten durch das zuständige Kommissariat des Polizeipräsidium West-
hessen mehrfache Kontaktaufnahmeversuche durch das zuständige Kommissariat so-
wohl auf dem Handy der Zeugin und der Mutter als auch auf dem Festnetzgerät. Ein
Kontakt kam nicht zustande. Auf Nachfrage der Polizei in Mainz wurde bekannt, dass
die Zeugin über das verlängerte Wochenende im Urlaub und nicht erreichbar sei. Wo
sich die Zeugin aufhielt, wurde nicht bekannt.
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Durch die Polizei erfolgten neben der Suche nach weiteren Kontakten und Aufenthalts-
orten umgehend – wie in einem solchen Fall üblich – Abklärungen, beispielsweise bei
der Schule, über Spuren in sozialen Netzwerken, durch Telefonüberwachungsmaßnah-
men, Ortungsmaßnahmen des Telefons der Vermissten, öffentliche Fahndung nach der
Vermissten und durch umfangreiche Suchmaßnahmen unter Helikoptereinsatz in der
Gemarkung Erbenheim. Viele Hinweise erfolgten auch durch die Mutter der Vermissten,
denen sofort nachgegangen wurde. Alle diese Überprüfungen ergaben – so wie von
mir berichtet – keinen entscheidenden kriminalistischen Ermittlungsansatz.
Am Sonntag, den 3. Juni erschien ein 13-jähriger Zeuge afghanischer Staatsangehörig-
keit auf einem Polizeirevier in Wiesbaden und erklärte, dass Susanna F. vergewaltigt und
getötet worden sei. Er benannte den irakischen Flüchtling Ali B. als Täter und einen
möglichen Tatort in Erbenheim. Noch in derselben Nacht wurde Ali B. zur Fahndung
ausgeschrieben, die Flüchtlingsunterkunft aufgesucht und der Zeuge zu dem möglichen
Tatort gebracht. Zur Fahndung, den weiteren Ermittlungen und zur Suche nach Susanna
F. waren täglich zwischen 140 und 220 hessische Beamte eingesetzt.
Am Nachmittag des 6. Juni 2018 wurde schließlich eine weibliche Leiche in Wiesbaden
gefunden. Weitere Ermittlungen ergaben, dass Ali B. gemeinsam mit seiner acht Perso-
nen umfassenden Familie am 2. Juni, d. h. vor dem entscheidenden Zeugenhinweis am
3. Juni 2018, vom Flughafen Düsseldorf nach Istanbul mit Anschlussflug nach Erbil, Irak,
ausgereist ist. Die Ausreise war also bereits vor dem entscheidenden Zeugenhinweis auf
den Tatverdächtigen erfolgt.
Der Tatverdächtige Ali B. konnte schließlich in der Nacht auf den 8. Juni durch kurdische
Sicherheitsbehörden im Nordirak auf Hinweis der Bundespolizei festgenommen werden.
Er wurde am 9. Juni wieder nach Deutschland gebracht. Nach der polizeilichen Ver-
nehmung und der Vorführung vor der Ermittlungsrichterin am vergangenen Sonntag
erging ein Untersuchungshaftbeschluss. Ali B. hat sich geständig bezüglich des Tötungs-
delikts eingelassen. Eine Vergewaltigung wurde durch ihn allerdings bestritten.
Der Tatverdächtige ist nach eigenen Angaben im Oktober 2015 in das Bundesgebiet
eingereist. Im April 2016 erfolgte die Zuweisung des Beschuldigten nach Wiesbaden. Die
Asylantragstellung folgte im September 2016. Im Oktober 2016 hat die Anhörung zum
Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stattgefunden. Der Asylan-
trag wurde im Dezember 2016 abgelehnt. Daraufhin wurde im Januar 2017 Klage beim
Verwaltungsgericht Wiesbaden gegen den ablehnenden Bescheid eingereicht. Dies
hatte im März 2017 die Erteilung einer Aufenthaltsgestattung durch die Ausländerbe-
hörde der Stadt Wiesbaden aufgrund der laufenden Klage zur Folge. Ein Zeitverzug von
mehr als einem Jahr zwischen der Einreise und dem Asylgesuch und der formellen Asyl-
antragstellung war in den Jahren 2015/2016 nicht ungewöhnlich.
Im Zustrom der Asylsuchenden im Laufe der Jahre 2015 und 2016 wurden zwar Gesuche
aufgenommen und Bescheinigungen über die Meldung als Asylsuchender, sogenannte
BüMA, ausgestellt. Die Antragstellung konnte verwaltungsseitig durch das BAMF indes
nicht gewährleistet werden. Im Verlauf des Jahres 2016 zeigte sich zudem, dass das so-
genannte EASY-Gap eine Differenz von EASY-Zuweisungszahlen und tatsächlich aufge-
nommenen Asylanträgen aufwies. Daraufhin wurden in einer von der EAE in Gießen
gesteuerten Maßnahme mehrere 10.000 Asylsuchende aus den Unterkünften in die
HEAE und zu den Außenstellen des BAMF gebracht, um ihren formalen Asylantrag stel-
len zu können und das EASY-Gap zu schließen.
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Zur weiteren Einordnung des Gesamtaufkommens an Flüchtlingen zu dieser Zeit möchte
ich Ihnen darüber hinaus noch Folgendes in Erinnerung rufen. Der Tageszugang am
28. Oktober 2015 belief sich auf insgesamt 1.128 Personen. An diesem Tag befanden
sich 27.820 Asylsuchende in 32 Standorten der HEAE sowie den ca. 32 Landesnotunter-
künften von zehn Landkreisen.
Ali B. ist bereits vor dem Tatverdacht im Zusammenhang mit der Tötung von Susanna F.
polizeilich in Erscheinung getreten. Die Vorgänge, alle mit Tatort Wiesbaden, liegen
überwiegend im Zeitraum Februar 2018 bis Juni 2018. Es handelt sich um Verdacht auf
gefährliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, versuchte Kö-
perverletzung, Raub und Verdacht auf Vergewaltigung. In einigen Fällen war kein Tat-
nachweis möglich, insbesondere zum Verdacht auf Vergewaltigung war bisher und ist
nach meiner Kenntnis auch gegenwärtig kein Tatnachweis zu führen, da die bislang
vorliegenden Zeugenaussagen keine Konkretisierung der Tathandlung zuließen. Insbe-
sondere sahen Polizei und Staatsanwaltschaft auch im Zusammenhang mit den schwe-
reren Deliktsvorwürfen, wie z. B. dem schweren Raub, keine Chance, erfolgreich Unter-
suchungshaft zu beantragen.
Über diesen Sachstand hinaus möchte ich noch zwei weitere Punkte aufgreifen, die
zum Teil bereits ebenfalls medial diskutiert wurden: einmal die Frage der Identität des Ali
B. und zum anderen die Rahmenbedingungen für Abschiebungen in den Irak.
Das Polizeipräsidium Westhessen hat sich zur Frage der auch medial thematisierten, an-
geblich unterschiedlichen Identitäten des Beschuldigten und dessen Familie unmittel-
bar und mit großem Nachdruck gewidmet. Das irakische Generalkonsulat hat hier sehr
zur Aufklärung beigetragen. Wie mir berichtet wurde, steht die Identität des Beschuldig-
ten fest. Im Irak erfolgt die Namensgebung von Kindern wie folgt: erstens, eigener ge-
wählter Vorname; zweitens, Vorname des Vaters; drittens, Vorname des Großvaters und
viertens, Vorname des Urgroßvaters oder der sogenannte Stammesname. Auf diese
Weise setzen sich die jeweiligen Namen zusammen. Nach Auskunft des Generalkonsu-
lats sei man jedoch nicht verpflichtet, den vierten Namen in der Namensfolge auf amt-
lichen Dokumenten zu erfassen. Auch im Sprachgebrauch ist die Verwendung aller
Namen nicht üblich. Auf diese Weise entstand der Eindruck unterschiedlicher Identitä-
ten. Auf einem Dokument ist z. B. der vierte Name des Beschuldigten enthalten; auf ei-
nem anderen – und beispielsweise auf dem der Übersetzung der Laissez-passer – nicht.
Die Kontrolle der Dokumente und der Abgleich der Dokumente bei der Ausreise der
Familie oblag der Bundespolizei. Hier liegen der hessischen Polizei keine Erkenntnisse vor.
Ali B. stammt aus dem autonomen Kurdengebiet im Nordirak. In diesem Gebiet übt die
kurdische Regionalregierung die Staatsgewalt de facto alleine aus. In den letzten Jah-
ren fanden keine Abschiebungen aus Hessen in den Irak statt. Auch bundesweit wurde
nach meiner Kenntnis lediglich eine niedrige zweistellige Zahl von Personen in den Irak
abgeschoben. Eine formale Aussetzung von Abschiebungen nach § 60a Abs. 1 Aufent-
haltsgesetz wurde allerdings nicht angeordnet. Grundlage ist die Beschlusslage der
Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren. Im Jahre 2003 wurde durch ei-
nen Beschluss der IMK festgestellt, dass angesichts der gegenwärtigen Lage im Irak und
des Fehlens von Flugverbindungen eine zwangsweise Rückführung ausreisepflichtiger
irakischer Staatsangehöriger derzeit noch nicht in Betracht kommt. Der Bund wurde ge-
beten, die Länder über die weitere Entwicklung der Lage zu unterrichten, damit die
Ausländerreferenten des Bundes und der Länder rechtzeitig ein abgestimmtes Konzept
zur Rückführung ausreisepflichtiger irakischer Staatsangehöriger vorlegen können, so-
bald eine zwangsweise Rückführung möglich ist.
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Ab 2006 war die Rückführung von verurteilten – ich wiederhole verurteilten – Straftätern
in den Nordirak möglich. Die kurdische Seite bat jedoch darum, nur solche Straftäter zur
Rückführung anzubieten, die zu mindestens 90 Tagessätzen bzw. drei Monaten Freiheits-
strafe verurteilt wurden.
Am 4. Juli 2017 schließlich stellte der damalige Bundesinnenminister de Maizière fest,
dass es nach sorgfältiger Prüfung des Einzelfalls auch möglich sei, Abschiebungen in
den Zentralirak zu betreiben und die Passersatzbeschaffung einzuleiten. Die letzte IMK
hat nun beschlossen, dass Straftäter und Gefährder auch in den Zentralirak abgescho-
ben werden können. Der BMI wurde zugleich gebeten, weiterhin mit der Zentralregie-
rung des Irak die dafür notwendigen Vereinbarungen zu treffen. Eine Abschiebung von
Ali B. wäre daher zum einen aufgrund des laufenden Klageverfahrens, zum anderen
aber auch aufgrund der gerade beschriebenen Beschlusslage nicht möglich gewesen.
Ministerin Eva Kühne-Hörmann: Der Tod von Susanna F. macht uns alle betroffen. Mein
Mitgefühl – das will ich zuallererst sagen – gilt ihrer Mutter und ihrer ganzen Familie.
Staatsanwaltschaft und Polizei setzen alles daran, das mutmaßliche Verbrechen an Su-
sanna F. möglichst zeitnah und trotzdem gründlich aufzuklären. Soweit es um das ver-
waltungsgerichtliche Asylverfahren des Beschuldigten Ali B. geht, möchte ich voraus-
schicken, dass Gerichte als dritte Gewalt in unserem Rechtsstaat ihre Verfahren eigen-
verantwortlich führen. Aufgrund des verfassungsrechtlich garantierten Prinzips der rich-
terlichen Unabhängigkeit kann und darf das Justizministerium keinen Einfluss auf einzel-
ne gerichtliche Verfahren nehmen. Wegen der verfassungsrechtlich garantierten rich-
terlichen Unabhängigkeit kommentiere ich auch weder die Prozessführung noch die
Entscheidungen in einzelnen Verfahren. Das gilt übrigens für alle gerichtlichen Verfah-
ren, nicht nur für das verwaltungsgerichtliche Asylverfahren des Beschuldigten Ali B.
Ich kann Ihnen aber mitteilen, was mir das Verwaltungsgericht Wiesbaden zu dem Ver-
fahren im Wesentlichen mitgeteilt hat. Am 27. September 2016 stellte Ali B. einen Asylan-
trag. Mit Bescheid vom 29. Dezember 2016, zugestellt am 31. Dezember 2016, lehnte
das BAMF die Zuerkennung einer Flüchtlingseigenschaft und auch die eines subsidiären
Schutzstatus ab. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 9. Januar 2017 erhob der Beschuldig-
te beim Verwaltungsgericht Wiesbaden Klage gegen diesen Bescheid. Er beantragte
das BAMF zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise ihm
subsidiären Schutzstatus zu gewähren und weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschie-
bungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Aufenthaltsgesetz vorliegen. Eine weitere Be-
gründung wurde angekündigt, ist aber trotz entsprechender Aufforderung durch das
Verwaltungsgericht Wiesbaden dort nicht eingegangen.
Das BAMF übermittelte am 8. Februar 2017 dem Verwaltungsgericht Wiesbaden die
elektronische Bundesamtsakte und beantragte, die Klage abzuweisen. Durch Beschluss
des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 13. März 2017 wurde der Rechtsstreit gemäß
§ 76 Abs. 1 Asylgesetz dem Einzelrichter übertragen. Nachdem der Prozessbevollmäch-
tigte des Beschuldigten mit Schriftsatz vom 11. Juni 2018 die Klage zurückgenommen
hat, hat das Verwaltungsgericht das Verfahren mit Beschluss vom selben Tag einge-
stellt. – Soweit die Mitteilungen des Verwaltungsgerichts zum Verfahrensablauf.
Ergänzend möchte ich noch zu dem, was Kollege Beuth eben dargestellt hat, darauf
hinweisen, dass nach Erlasslage die Rückführung irakischer Staatsbürger in den Irak in
den letzten Jahren grundsätzlich nicht möglich ist.
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Im Weiteren will ich darauf hinweisen, dass die Asylverfahren in der Justiz in der jüngeren
Vergangenheit erheblich zugenommen haben. Bereits seit 2014 sind die Eingangszahlen
deutlich und kontinuierlich gestiegen. So stieg die Zahl der Asylhauptverfahren an den
hessischen Verwaltungsgerichten von rund 3.000 im Jahr 2014 auf über 25.000 im Jahr
2017. Dieser enorme Anstieg ist eine Spätfolge der Entwicklung in den Jahren 2015/2016.
Die in diesen Jahren zeitweise massiv gestiegenen Flüchtlingszahlen führten zu einer er-
heblichen Zunahme der Verfahren vor den Verwaltungsgerichten. Das Justizministerium
hat auf diese Situation reagiert und Maßnahmen ergriffen, um die personelle Ausstat-
tung der hessischen Verwaltungsgerichte deutlich zu verbessern.
Schon seit 2014 haben wir nach Jahren wieder Proberichterinnen und –richter in der
Verwaltungsgerichtsbarkeit eingestellt. Das waren 2014 zunächst zwei neue Richter. Zu-
dem sind aus anderen Gerichtsbarkeiten Richterinnen und Richter in die Verwaltungs-
gerichtsbarkeit gewechselt. Im Jahr 2016 haben wir die Verwaltungsgerichte aufgrund
des Flüchtlingszustroms erheblich verstärkt. Es wurden 32 neue Stellen in der Verwal-
tungsgerichtsbarkeit geschaffen, davon 15 Richterstellen und 17 im nichtrichterlichen
Bereich. An den Verwaltungsgerichten Frankfurt am Main, Gießen und Kassel wurden
insgesamt vier neue Kammern errichtet. Auch in der ordentlichen Gerichtsbarkeit wur-
de dem Verfahrensanstieg im Zusammenhang mit den minderjährigen unbegleiteten
Flüchtlingen Rechnung getragen. Dort wurden im Haushalt 2016 insgesamt sieben Stel-
len geschaffen, davon drei Richterstellen. Diese Personalverstärkungen haben wir mit
dem Haushalt 2017 ausgebaut. Mit dem Haushalt 2017 wurde das Stellenabbaupro-
gramm vorzeitig beendet. Personal im Umfang von rund 185 Stellen, die noch hätten
abgebaut werden sollen, blieb erhalten. Zusätzlich wurden 256 Stellen neu geschaffen.
Eine nochmalige Verstärkung erfolgte mit dem Doppelhaushalt 2018/2019, in dem zu-
sätzlich insgesamt 234 Stellen neu geschaffen worden sind. Von diesen sind 30 Stellen
zur Stärkung der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Asylverfahren vorgesehen. Davon
sind 14 Richterstellen. Ergebnis: Seit dem Jahr 2016 haben wir in der Verwaltungsge-
richtsbarkeit insgesamt 62 neue Stellen geschaffen, davon insgesamt 29 neue Stellen für
Richterinnen und Richter.
Trotz der hohen Verfahrenszahlen ist es den Verwaltungsgerichten bislang gelungen,
die Asylsachen in einer überschaubaren Zeit zu erledigen. So lag die durchschnittliche
Verfahrensdauer bei den hessischen Verwaltungsgerichten in den erledigten Hauptsa-
cheverfahren im Jahr 2017 bei 6,1 Monaten, bei den Asyleilverfahren betrug die durch-
schnittliche Verfahrensdauer im Jahr 2017 1,6 Monate.
Nach Mitteilung des Verwaltungsgerichtshofs sind im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis
zum 11. Juni 2018 beim Verwaltungsgericht in Wiesbaden insgesamt 166 Hauptsache-
verfahren, die sich mit Irakern beschäftigen, anhängig gewesen. Davon sind 133 bereits
erledigt. In dem Zeitraum gab es 46 Eilverfahren, von denen 43 erledigt worden sind.
Der Justizstandort Wiesbaden wurde erheblich gestärkt. Beim Verwaltungsgericht Wies-
baden sind bis ins laufende Jahr hinein 4,5 Richterstellen sowie 3 weitere Stellen für
nichtrichterliches Personal zusätzlich zur Verfügung gestellt worden, sodass die Zahl der
besetzbaren Richterstellen heute aktuell 19 beträgt. Im September 2018 wird eine weite-
re Stelle hinzukommen, die derzeit haushaltsrechtlich noch gesperrt ist.
Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat im selben Zeitraum zwei zusätzliche Stellen für
Staatsanwälte erhalten. Das Landgericht Wiesbaden ist auch um insgesamt zwei Stellen
im richterlichen Bereich und um fünf weitere Arbeitsplätze im nichtrichterlichen Bereich
ergänzt worden. Angesichts dieses gestiegenen Personaleinsatzes, den ich Ihnen eben
beschrieben habe, verbunden mit nunmehr rückläufigen Neueingängen, bin ich davon
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überzeugt, dass die hessische Justiz die durch die Flüchtlingskrise ausgelöste Klagewelle
bewältigen wird.
Ich will zu einem letzten Punkt kommen, und zwar zu den Informationen über die
Rechtshilfeaktivitäten. Am Freitag, den 8. Juni 2018 teilte die Generalstaatsanwaltschaft
dem Justizministerium gegen 13 Uhr telefonisch mit, dass eine Festnahme des Beschul-
digten Ali B. im Irak erfolgt sei. Ein Bericht der Staatsanwaltschaft Wiesbaden werde
noch am gleichen Tag erfolgen. Im Justizministerium wurde daraufhin ein Auslieferungs-
vorgang angelegt und ein Schreiben an das Bundesamt für Justiz vorbereitet. Am sel-
ben Tag gegen 15 Uhr wurde der telefonisch angekündigte Bericht der Staatsanwalt-
schaft Wiesbaden nebst dem Haftbefehl gegen den Beschuldigten übermittelt. Noch
am selben Tag hat sich das Justizministerium schriftlich an das Bundesamt für Justiz ge-
wandt, die erforderlichen Unterlagen übersandt und wie üblich um Prüfung gebeten,
ob im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt ein Auslieferungsersuchen in den Irak als
weiterleitungsfähig erachtet werde. Am Montag, den 11. Juni 2018 ging eine E-Mail-
Nachricht des Bundesamtes für Justiz mit einem Fernschreiben des Bundesministeriums
des Innern ein. In dieser Nachricht wurde über die Verbringung des Beschuldigten in die
Bundesrepublik Deutschland berichtet. Das Bundesamt für Justiz teilte mit, dass es daher
seinen Auslieferungsvorgang als abgeschlossen betrachte. Das Justizministerium hat die
Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main und die Staatsanwaltschaft Wiesbaden
noch am gleichen Tag entsprechend informiert.
Zu den weiteren Ausführungen, was die strafrechtlichen Belange angeht, würde ich
jetzt an den Generalstaatsanwalt, Herrn Prof. Dr. Fünfsinn, abgeben.
Prof. Dr. Fünfsinn: Ich denke, dass eigentlich alles gesagt worden ist, jedenfalls für jetzt.
Ich kann aus meiner Sicht nur sagen, wir sind ja als Mittelbehörde mit den Dingen be-
traut, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Staatsanwaltschaft Wiesbaden
an irgendeiner Stelle zögerlich gehandelt hätte oder dass Dinge von der General-
staatsanwaltschaft zu beanstanden wären. Im Übrigen laufen die Ermittlungen, und sie
sind – wie Sie alle wissen – nicht öffentlich zu führen. Das hat der Gesetzgeber so vorge-
sehen. Der Gesetzgeber hat dabei ganz zu Recht im Auge gehabt, dass die Beweisfüh-
rung im Verfahren sehr schwierig sein wird, wenn andere Personen gleichzeitig ermitteln.
Daran sollten wir uns alle halten. Noch einmal: Ich sehe zurzeit keinen Anlass zur Bean-
standung.
Abg. Alexander Bauer: Ich möchte mich zunächst für die Berichte von der Justizministe-
rin und dem Innenminister bedanken, die ja heute auch ein Stück weit auf Konsens ge-
stoßen sind. Wir haben diese Sondersitzung einberufen, um uns über die Fakten zu in-
formieren und diese der Legendenbildung entgegensetzen. Die Fakten sind heute zu-
mindest in einem Zwischenstand – in einer Momentaufnahme – hier in die Diskussion
eingebracht worden. Bei genauem Zuhören kann man erkennen, wie dramatisch und
schrecklich dieser Einzelfall, dieser Mord, dieses Verbrechen ist. Das entsprechende Be-
dauern und das Mitgefühl für die Angehörigen wurden ja schon kundgetan. Dem kann
ich mich nur anschließen.
Gleichwohl gibt die Schilderung auch Einblicke in die Komplexität unseres Rechtsstaa-
tes. Wenn man sich das Ganze anhört und sich die Verläufe anschaut, kann man schon
erkennen, wie komplex die entsprechenden Entwicklungsketten sind. Für uns ist es wich-
tig, dass wir ein Stück weit aus den Erfahrungen und der Vorgeschichte dieses Falles
lernen. Ich bin mir ganz sicher, dass der aktuelle Fall, dieses Verbrechen auch ganz kon-
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sequent aufgeklärt wird. Ich habe keine Zweifel, dass die entsprechende Tat auch der
gerechten Strafe und Sühne zugeführt wird. Für das aktuelle Verfahren werden wir uns
an das halten, was der Generalstaatsanwalt hier gesagt hat. Wir werden uns nicht ins
laufende Verfahren einmischen. Aber man kann den Blick auf die Vorgeschichte dieses
Falles, auf die Personen, auf die Hintergründe richten, um daraus für die Gegenwart
und die Zukunft Konsequenzen zu ziehen. Das ist das Ansinnen, was CDU und BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN mit dieser Beratung haben.
Mir fallen beim ersten Durchschauen schon drei Dinge auf. Deshalb möchte ich noch
einmal nachfragen. – Der Innenminister hat deutlich gemacht, dass es im Laufe des
Verfahrens eine Aufenthaltsgestattung gab – ich glaube, er hatte März 2017 in diesem
Zusammenhang erwähnt. Die Frage ist, ob eine Aufenthaltsgestattung befristet ist, ob
sie verlängert werden muss oder ob sie dann dauerhaft bis zum Abschluss des jeweili-
gen Gerichtsverfahrens bzw. bis zum Abschluss der entsprechenden unwiderruflichen
Bescheidung dieses Antrags beim Verwaltungsgericht gilt.
Sie haben ja gesagt, dass aufgrund der Vordelikte keine Untersuchungshaft möglich
gewesen sei. Ich denke, man müsste an dieser Stelle einmal über die Rahmenbedin-
gungen sprechen, damit man in solchen Fällen vielleicht doch so etwas möglich ma-
chen kann. Ich glaube, bei all den Dingen, die dem Beschuldigten schon im Vorfeld
zugeschrieben wurden, müsste man das Ganze vielleicht ein Stück weit schärfen, um
bei solchen Sachlagen der Person schneller habhaft werden zu können.
Dann möchte ich hinweisen – ich möchte keine Debatte anstoßen, aber die Debatte ist
für uns als CDU-Fraktion extrem wichtig – auf die komplexe Diskussionslage bezüglich
der Einrichtung einer Abschiebehaftanstalt hier in Hessen, damit wir Personen zurückfüh-
ren können, die unrechtmäßig in Hessen sind, unabhängig davon, welche Personen es
sind, wohin sie kommen und welche Vorerfahrungen wir mit diesen Personen haben.
Diese entsprechende Einrichtung, die wir in Darmstadt etablieren, ist ja auch nicht un-
umstritten.
Auch die Frage der Rückführungen von Personen, die durchaus straffällig geworden
sind, ist hier oftmals Gegenstand der Debatte im Hessischen Landtag. Ich will nur einmal
daran erinnern, dass es da Tendenzen gibt, generell in gewisse Gebiete und gewisse
Länder gar keine Rückführungen durchzuführen, unabhängig davon, ob diese Person in
erheblichem oder geringfügigem Maße straffällig geworden ist. Dazu gibt es durchaus
unterschiedliche politische Einschätzungen. Ich glaube, ich muss nicht erläutern, wie die
CDU-Fraktion zu diesen Dingen steht. Aber diese komplexe Gemengelage ist auch Ge-
genstand für die kommenden und künftigen politischen Debatten.
Ich rufe noch einmal die zwei Fragen in Erinnerung. Es geht um die Aufenthaltsgestat-
tung: Hätte sie verlängert oder widerrufen werden können? Und es geht um die Frage
nach den Untersuchungshaftumständen, ob man da nicht eine gesetzliche Schärfung
herbeiführen müsste.
Vorsitzender Abg. Horst Klee: Wir lassen im ersten Durchgang alle zu Wort kommen.
Dann können die Ministerien antworten.
Abg. Nancy Faeser: Ich möchte für die SPD sagen – ich will das auch ganz persönlich
tun –: Als Mutter ist so ein Fall das Schlimmste, was einem passieren kann. Deswegen gilt
unser Mitgefühl den Angehörigen der Ermordeten. Ich will sagen, dass das etwas ist, um
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das wir uns sehr stark kümmern müssen. Wir müssen überlegen – da teile ich die Ansicht
des Kollegen Bauer –, ob man so etwas verhindern kann.
Ich will an das anknüpfen, was der Kollege Bauer gefragt hat, weil ich das für einen der
wichtigsten Punkte in diesem Fall halte, was das Innenministerium oder auch die Frage
betrifft, wer da letztlich die Entscheidung getroffen hat. Da will ich nachfragen, Herr In-
nenminister: Ich hatte Sie in der letzten Woche etwas anders verstanden, nämlich bei
der Frage der polizeilichen Vorerkenntnisse. Ich hatte es so verstanden: Wenn ich – –
Darf ich das hier sagen?
(Zuruf von der CDU: Das kommt darauf an, was Sie sagen! – Weitere Zurufe)
– Das ist jetzt schwierig. Sie haben uns Informationen über polizeiliche Vorerkenntnisse
gegeben. Da stand, soweit ich mich erinnere, bis auf den Raub nie ein dringender Tat-
verdacht im Raum. Ist das so weit richtig? Sonst frage ich das noch mal nach, denn ich
finde die polizeilichen Vorerkenntnisse sehr wesentlich, weil mich seit Freitag die Frage
umtreibt: Inwieweit – – Wer hat denn entschieden bei dem Verdacht des Raubes, dass
keine U-Haft angeordnet wird?
Sie haben jetzt gesagt, es seien die Ermittlungsbehörden gewesen, die keinen Anlass
gesehen oder nicht genügend Hinweise gehabt hätten, um Untersuchungshaft zu be-
antragen. Ich hatte es bislang so verstanden, dass das Gericht das abgelehnt hat. Ich
würde gerne wissen, wer quasi da entschieden hat, dass entweder nicht genügend
Kenntnisse vorlagen oder kein Haftgrund bestanden hat.
Ich will erläutern, warum ich da so genau nachfrage. Wir haben diesen Komplex
durchaus im Innenbereich hin und wieder, nämlich die Frage, ob tatsächlich für das
Nichtvorhandensein eines Fluchtgrundes bei der U-Haft ein fester Wohnsitz ausreichend
sei, wenn jemand in der Asylbewerberunterkunft gemeldet ist. Wir hatten damals bean-
tragt, dass es auch eine Sensibilisierung der Justizbehörden gibt. Frau Kühne-Hörmann,
deswegen spreche ich das auch bei Ihnen mit an. Man sollte dafür sensibilisieren, dass
bei Asylbewerbern vielleicht per se ein Fluchtgrund vorliegen könnte und dass das ein-
fache Beantworten mit: „Da ist doch ein fester Wohnsitz, weil er in einer Asylbewerber-
unterkunft gemeldet ist“ durchaus kritisch gesehen werden könnte. Deswegen interes-
siert mich so sehr an diesem konkreten Fall des Verdachtes auf schweren Raub, warum
keine U-Haft angeordnet wurde. Das war, soweit ich weiß - das wäre die Nachfrage,
Herr Innenminister -, im April dieses Jahres, oder?
Dann habe ich eine Frage zu den Ermittlungsmaßnahmen. Wie ich es bislang verstan-
den habe – das haben Sie wiederholt –, ist die Wiesbadener Polizei erst am 30. Mai in-
volviert worden. Da würde mich interessieren, inwieweit dann die Maßnahmen ergriffen
wurden, was den Vermisstenfall betrifft. Denn für mich ist heute neu, dass bereits zu die-
sem Zeitpunkt der Hinweis der Freundin der Mutter schon vorhanden war. Meine Frage
lautet: Ab wann wurde denn veranlasst, dass Handyortung und öffentliche Fahndung
getätigt wurden – schon ab der Übergabe von Rheinland-Pfalz nach Hessen oder erst
nach Intervenieren durch die Anwältin der Mutter, die sich wohl eingemischt hat? Das
fände ich auch sehr interessant.
Das Mädchen hat sich wohl – so habe ich es der Berichterstattung entnommen – häufi-
ger in der Flüchtlingsunterkunft aufgehalten. Deswegen ist man wohl relativ schnell da-
rauf gekommen. Mich würde interessieren, welche Vorerkenntnisse vorliegen, was das
Mädchen dort gemacht hat.
Er/me – 11 – INA 19/103 u. RTA 19/42 – 14.06.2018
Dann habe ich eine dritte Frage zu dem, was Sie relativ kurz abgetan haben. Mich inte-
ressiert, Herr Innenminister, ob Sie Kontakt mit dem Bundesinnenminister hatten, was die
Frage, die jetzt in der Presse rauf und runter diskutiert wird, angeht, ob die Rückführung
nicht legal gewesen sein soll. Gibt es dazu schon Hinweise des Bundesinnenministeri-
ums?
Erlauben Sie mir noch den Hinweis auf den Kollegen Bauer mit der Abschiebehaftein-
richtung. Sie können sich erinnern, dass es im letzten Sommer eine Sondersitzung des
hessischen Innenausschusses auf Antrag der SPD gegeben hat, weil wir wissen wollten,
wie es mit einer Abschiebehafteinrichtung weitergeht. Sie wissen, dass sowohl FDP als
auch SPD das schon sehr lange gefordert haben.
Deswegen finde ich interessant, dass Sie die Nebenbemerkung gemacht haben, da
seien sich hier nicht alle einig. Erlaubt sei, das an der Stelle noch einmal zu erwähnen,
denn ich finde es schon spannend, weil wir es schon länger auf dem Schirm hatten,
dass es nicht hilfreich war, nur in andere Bundesländer abzuschieben.
Abg. Wolfgang Greilich: Diese Situation hat uns alle in der Tat massiv getroffen – nicht
nur, die wir politisch Verantwortung tragen, sondern quer durch die gesamte Bevölke-
rung hat das eine Aufmerksamkeit zu Recht gefunden und eine Erschütterung hervorge-
rufen, die danach ruft, dass wir uns intensiv mit der Frage beschäftigen, ob es etwas
gibt, um künftig Solches zu verhindern, sprich, auch kontrollierend zu schauen: Was ist
gut gelaufen? Was ist falsch gelaufen? Was hätte man vielleicht tun können, um es zu
ändern? Ich will eines dazusagen: Ich verfolge – wie wahrscheinlich alle hier – sehr ge-
nau alle Veröffentlichungen, die dazu bis jetzt vorliegen. Ich finde es auf den konkreten
Fall bezogen beruhigend, dass – das muss ich mit der Einschränkung sagen – mindes-
tens im hessischen Bereich bislang keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass irgendet-
was unterlassen worden ist, was hätte geschehen müssen. Das will ich ganz klar voraus-
schicken.
Gleichwohl müssen wir natürlich nach den Details im Einzelnen fragen. Deswegen rich-
ten sich meine Fragen in erster Linie an den Innenminister. Ich denke, das betrifft den
Bereich der polizeilichen Ermittlungen. Wenn ich die Daten richtig im Blick habe, ist Su-
sanna am 22. Mai verschwunden. Am 23. Mai ist sie als vermisst gemeldet worden bei
der Polizei in Mainz. Dann gibt es eine große Informationslücke, was immerhin sechs Ta-
ge angeht, bis zum 29. Mai, als die Mutter dann der Polizei berichtet hat, dass es einen
Hinweis gebe, Susanna sei im Raum Wiesbaden gewesen und sei tot. Das war sechs
Tage danach. Haben wir irgendwelche Informationen – ich nehme an, die Frage wird
zur gleichen Zeit im Moment in Rheinland-Pfalz im Ausschuss besprochen –, was in die-
sen sechs Tagen passiert ist?
Dann interessiert mich schon genau: Wie ist die Übergabe von Mainz nach Wiesbaden
erfolgt: am 29. oder am 30. Mai? Welche Ermittlungsmaßnahmen sind wann durch die
hessische Polizei unternommen worden? Es gibt eine TKÜ. Wenn ich es richtig verstan-
den habe – das passt zu der Frage von Frau Kollegin Faeser –, ist sie wohl in Hessen an-
geordnet worden – nicht in Mainz. Aber auch das würde ich gerne konkret wissen.
Was mich brennend interessiert, ist, ob es schon vor dem 3. Juni, als sich dieser 13-
jährige Flüchtling mit dem entscheidenden Hinweis gemeldet hat – und wenn ja, seit
wann –, irgendwelche Hinweise auf eine Bekanntschaft, auf eine Verknüpfung zwischen
Ali B., der Familie B. und Susanna F. gab. Gab es dort vorher irgendwelche Verknüpfun-
gen, irgendwelche Erkenntnisse über Verbindungen?
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Dann ist im Nachhinein nach meiner Notiz bekannt geworden, dass der Hausmeister
angibt, er hätte die Familie zuletzt am 31. Mai gesehen. Am 1. Juni abends haben sie
erst den Flug gebucht und dann die Unterkunft verlassen. Was ist in der Zwischenzeit
gewesen? Wann hat man den Hausmeister erstmals befragt? Ist das erst nach dem
3. Juni passiert, oder gab es schon vorher irgendwelche Hinweise, sich um Ali B. zu
kümmern?
Das Folgende betrifft die konkreten Abläufe, zu denen ich ein paar Fragen hatte und
hoffe, dass sie beantwortet werden können. Es gibt aber auch die generelle Einord-
nung. Kollege Bauer hat das Thema „Abschiebehaftanstalten“ in dem Zusammenhang
angesprochen. Es tut mir leid, Herr Kollege Bauer, aber das scheint mir mit dem Thema
gar nichts zu tun zu haben. Es bestand überhaupt kein Grund, Abschiebehaft anzuord-
nen. Dass wir endlich Abschiebehaft haben, ist gut, aber sie hat mit diesem Fall nur sehr
wenig zu tun. Was aber mit dem Fall etwas zu tun hat, ist etwas, das mich aufgrund der
Zeitungsberichte der letzten Tage besorgt macht, nicht was den verantwortlichen Um-
gang der Justiz mit solchen Verfahren angeht, sondern wir müssen uns wahrscheinlich
Gedanken machen, ob wir nicht ein generelles Problem damit haben, wie wir mit der
Situation umgehen. Alle von Ihnen kennen seit vielen Jahren die Beschwerde, die man
immer mal wieder hört, etwa von der Polizei, über Verärgerung mit Staatsanwaltschaft
und Justiz. Wie das zu bewerten ist, wissen wir auch alle, denn das sind oft sehr pau-
schale Wahrnehmungen.
Aber man hört häufig, wenn man auf Polizeistationen kommt: Was ist denn? Wir reißen
uns hier sonst was auf, um Täter zu ermitteln. Dann geben wird das an die Staatsanwalt-
schaft ab, und zum Schluss laufen die wieder in der Gegend herum. – Es hat viel mit
Rechtsstaat und mit rechtsstaatlichen Verfahren zu tun, dass es diese Erscheinungen
gibt. Aber ich habe in den letzten Tagen das Gefühl gewonnen, dass diese Frustration
derjenigen, die dort arbeiten, langsam auf die Justiz überschwappt, weil man in der
Justiz das Gefühl hat: Wir können im Asylverfahren entscheiden, was wir wollen, aber
das hat keine Konsequenz. – Der Verwaltungsgerichtspräsident aus Frankfurt, Herr Gers-
ter, ist zitiert worden. Er spricht von durchschnittlich sechs Monaten. – Er hat vor allem
Äthiopier im Blick. Ich zitiere wörtlich, was er gesagt hat:
Wir haben mehrere Hundert Fälle und müssen jeden einzelnen genau prüfen.
Aber wenn ich mir die Zahl der Abschiebungen nach Äthiopien ansehe, frage
ich mich: Wozu eigentlich?
Ähnlich ist in einem anderen Artikel, im „Wiesbadener Kurier“ berichtet worden. Aus Jus-
tizkreisen war zu erfahren:
Die meisten Richter räumten schlichtweg den Fällen Priorität ein, bei denen auch
tatsächliche Aussicht auf eine Vollstreckung des Urteils besteht.
Das kann man ja aus richterlicher Sicht verstehen, aber ich höre Folgendes in unserem
konkreten Fall: Zum Thema „Abschiebestopp Irak“ hat der Innenminister in seinen einlei-
tenden Worten schon etwas gesagt. Das ist jetzt hoffentlich endgültig gefallen. Aber
was bleibt, ist, dass am 9. Januar 2017, wenn ich das richtig sehe, die Klageerhebung
stattfand. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist bis heute diese Klage noch nicht
einmal begründet.
Das heißt: Wir haben jetzt schon bei einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von
sechs Monaten in diesem Fall, wo der Richter zu Recht bis vor Kurzem davon ausgehen
konnte, dass ohnehin folgenlos blieb, was er entschied, eine Verfahrensdauer von rund
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16 oder 17 Monaten, ohne dass bislang überhaupt eine Begründung der Klage vorge-
legt oder angefordert worden ist. Das macht einen natürlich nachdenklich, ob ein we-
sentliches Problem, das wir haben, darin liegt, dass wir diese Vollzugsdefizite am Ende
nach dem Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens haben, nämlich bei dem
Vollzug des Rechtsstaates insoweit, als auch Entscheidungen, die in diesem Rechtsstaat
getroffen werden, anschließend vollzogen werden.
Dazu hätte ich gern eine Einschätzung des Innenministers.
Vorsitzender Abg. Horst Klee: Nach der Frage von Frau Hofmann machen wir eine Ant-
wortrunde, weil alle Fraktionen zu Wort gekommen sind – teilweise zweimal. Sonst verlie-
ren sich die Fragen.
Abg. Heike Hofmann: Ich möchte mich den Kollegen und Kolleginnen anschließen,
dass es eine schreckliche Tat ist, dass unser Mitgefühl in der Tat der Familie gehört und
dass es aber geboten ist, dass wir in dieser Sorgsamkeit natürlich alle Vorgänge auf den
Prüfstand stellen und auch uns hinterfragen, wie so etwas auf jeden Fall künftig ausge-
schlossen und verhindert werden kann, damit solch eine Tat nie wieder passiert.
Deshalb finde ich es gut, dass, nachdem wir als SPD-Landtagsfraktion gesagt haben,
dass wir uns in den Fachausschüssen im Parlament mit den Fragen auseinandersetzen
werden, diese gemeinsame Ausschusssitzung zustande gekommen ist.
Ich möchte ein paar Punkte vertiefen, die aus meiner Sicht von besonderer Bedeutung
sind, etwa die Frage, warum keine U-Haft gegen Ali B. angeordnet bzw. beantragt
wurde und die entscheidende Frage, wer das entschieden hat. Ich möchte auf einen
weiteren Punkt eingehen. Es gibt mehrere mögliche Haftgründe. Sie sind, so wie Sie es
geschildert haben, ausgeschlossen worden. Ein möglicher Haftgrund bei den Delikten,
die Ali B. im Vorfeld möglicherweise verübt hat, Widerstand gegen Vollstreckungsbeam-
te, der schwere Raub, Verdacht auf Vergewaltigung – –
Ein weiterer Anordnungsgrund für eine Untersuchungshaft ist die Wiederholungsgefahr.
Bitte gehen Sie auf diesen entscheidenden Punkt ein, wer entschieden hat, dass keine
U-Haft angeordnet wird, und warum sie nicht angeordnet wurde. Denn wie gesagt: Es
gibt vielleicht mögliche Fallkonstellationen oder zumindest mögliche Tatbestandsgrün-
de, bei denen man vielleicht auch – ich spreche im Konjunktiv – hätte etwas anordnen
bzw. vorab beantragen können.
Dann möchte ich auf einen Punkt eingehen, der aus meiner Sicht im Zuge der Ermitt-
lungen auch wichtig ist, und zwar auch aus den Presseberichterstattungen etc. Ober-
staatsanwalt Kuhn hat unter anderem auf die in den Irak ausgereisten Familienmitglie-
der von Ali B. als wichtige Zeugen hingewiesen. Welche Möglichkeiten bestehen, diese
zu vernehmen, weil diese womöglich wichtige Erkenntnisse liefern können?
Ich möchte zur Frage, die Herr Greilich angesprochen hat, nachfragen. In der Tat hört
man aus verschiedenen Justizkreisen, aber auch von der Polizei immer wieder, dass das
Zusammenspiel zwischen Polizei und Justiz verbessert werden könnte. Aus meiner Praxis
bzw. Anschauung und Gesprächen ist das aus meiner Sicht immer dort besser gege-
ben, wenn es runde Tische bzw. regelmäßige Abstimmungsgespräch in der gebotenen
Form zwischen Polizei und Justiz gibt. Ich frage, wie Sie das einschätzen und ob man
das flächendeckend im Land einsetzen oder installieren könnte. Denn in der Tat hört
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man immer wieder, dass die Abstimmungen in dem Bereich zwischen Polizei und Justiz
optimiert werden könnten.
Ich möchte auf die Verwaltungsgerichtsverfahren eingehen. Frau Justizministerin, Sie
haben es so dargestellt, als sei sozusagen alles in Butter. Fakt ist – das mussten Sie ja
selbst darstellen; das weiß auch jeder –, dass die Zahl der Verwaltungsverfahren und
insbesondere der Asylverfahren angestiegen ist, und zwar massiv. Ich darf aus einem
Artikel der „Frankfurter Neuen Presse“ zitieren, in dem jemand aus der Praxis, der Präsi-
dent des Verwaltungsgerichts Frankfurt, Gerster, zu Wort kommt. Er weist zu Recht, wie
ich finde, in dem Artikel – ich darf daraus zitieren – darauf hin:
In der Statistik sind nur die abgeschlossenen Fälle enthalten, aber der Großteil der
Asylverfahren läuft noch, und es kommen weiterhin neue Klagen hinzu.
Das heißt: Er weist aus meiner Sicht zu Recht darauf hin, dass die Statistiken nur einen Teil
der Realität wiedergeben. Ich darf erneut – ich machte das immer wieder – auf das
Schreiben des Bezirksrichterrates hinweisen, das Sie, Frau Justizministerin, auch erhalten
haben. Der Bezirksrichterrat und niemand anderes hat in einem Schreiben an Sie, aber
auch an alle Obleute der Rechtspolitik darauf hingewiesen, dass die Verwaltungsge-
richtsbarkeit eine Belastungsquote von 259 % hat und dass es zwar jetzt Stellenmehrun-
gen gegeben hat, dass es aber – ich darf aus dem Schreiben wörtlich zitieren – noch
Jahre dauern wird, bis die anhängigen Verfahren überhaupt abgearbeitet werden
können. Das ist ein Zitat aus dem Schreiben des Bezirksrichterrates an Sie und auch an
die Obleute der Fraktionen.
Ich darf noch einen Punkt ansprechen aus der „Frankfurter Neuen Presse“ und noch
einmal Herrn Gerster zitieren, der auch – das ist hier schon angedeutet worden – sagt:
Egal, wie wir entscheiden, abgeschoben wird am Ende kaum jemand.
Ich darf auch Bezug auf eine Beantwortung aus dem Innenministerium nehmen. Sie ist
in der „Rhein-Main-Zeitung“ abgedruckt worden und bezieht sich auf Folgendes: Mit
der Einschaltung des Verwaltungsgerichts werde das Ziel verfolgt, die sich aus der Ab-
lehnung des Asylantrags ergebende Pflicht zur Ausreise auszusetzen. Wegen der Über-
lastung der Justiz – ich zitiere – könnten sich zwischen Einreise und endgültiger Rückfüh-
rung Zeiträume von einem, teilweise mehreren Jahren ergeben. – Das ist eine Antwort
des Hessischen Innenministeriums auf eine entsprechende Anfrage. Das ist Ihre Antwort.
Dazu bitte ich auch Stellungnahme. Wenn Sie diese Problematik sozusagen selbst auf-
tun, muss uns das nachdenklich stimmen und verdeutlichen, dass es an der einen oder
anderen Stelle doch noch Handlungsbedarf gibt.
Abg. Jürgen Frömmrich: Ich würde fast vorschlagen – ich weiß es aber nicht –, dass
man vielleicht eine Runde der Minister macht, denn die Fragen, die schon gestellt wur-
den, sind einigermaßen komplex. Dann kann man vielleicht auch die gegebenen Ant-
worten aufbauen.
Aber ich will eingangs auch darauf eingehen, dass das natürlich eine schreckliche Tat
war, die uns alle beschäftigt und die die Menschen in unserem Land beschäftigt. Des-
wegen ist es auch gut, dass wir heute hier von den beiden Ministern umfangreich darü-
ber informiert werden, wie die Ermittlungen laufen und wie der Ablauf der Ermittlungen
vonstattengegangen ist. Dafür auch von meiner Seite bzw. von unserer Seite herzlichen
Dank.
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Weil es die Menschen so beschäftigt und weil es in der öffentlichen Wahrnehmung so
eine große Rolle spielt, ist es eben auch wichtig, dass wir dieses Thema möglichst trans-
parent hier behandeln, soweit das in solchen Ermittlungsverfahren überhaupt geht. Der
Generalstaatsanwalt hat dazu Auskunft gegeben.
Ich möchte noch einmal daran appellieren, dass jetzt natürlich die Stunde der Ermittler
ist. Das sollte uns alle daran hindern, hier Spekulationen ins Kraut schießen zu lassen oder
Verdächtigungen in den Raum zu stellen. Zum Teil ist das ja in der Öffentlichkeit ge-
schehen. Deswegen würde ich darum bitten, dass der Minister zu diesen Fragen, die
hier zu Recht hergestellt worden sind und die die Menschen beschäftigen, Auskunft
gibt.
Ich möchte bitten, dass man zu zwei Themenkomplexen, die noch nicht angesprochen
worden sind, Auskunft gibt. Ein Bereich ist, glaube ich, vom Kollegen Greilich angespro-
chen worden. Was ist in der Zeit zwischen dem 23. und dem 29. eigentlich passiert?
Welche Maßnahmen sind da vonstattengegangen? Das ist vom Zeitpunkt der Vermiss-
tenanzeige bis zu dem Anruf der Freundin mit dem Hinweis, dass Susanna F. tot ist. Ich
würde gerne wissen, was in dieser Zwischenzeit passiert ist.
Dann hätte ich gerne erläutert, wie es passieren kann, dass jemand mit Passersatzpa-
pieren über einen Flughafen ausreisen kann, ohne dass kontrolliert wird, ob die Passer-
satzpapiere mit dem Ticket übereinstimmen. Das hat mich ein bisschen verwirrt, denn
sonst könnte jeder mit einem gebuchten Ticket einen Flieger besteigen, ohne dass der
Besitzer des Tickets mit der tatsächlichen Person übereinstimmt. Dass das vielleicht in
Europa so ist, kann ich wegen der Freizügigkeit nachvollziehen. Aber dass das bei Rei-
sen in die Türkei genauso ist? Deswegen möchte ich Sie bitten zu erläutern, wie das ge-
nau abgelaufen ist und wie das Prozedere da ist.
Zu den Fragen ist hier etwas angedeutet worden. Zu der Frage der Rückführung von
Ali B. aus dem Irak ist, glaube ich, gestern im Innenausschuss des Deutschen Bundesta-
ges gesprochen worden. Vielleicht erklären Sie, wie die Rückführung vonstattengegan-
gen ist und was das Bundesinnenministerium oder aber die Bundespolizei dazu im In-
nenausschuss des Deutschen Bundestages erklärt hat.
Abg. Dr. Ulrich Wilken: Ich möchte bitten, dass vier Bereiche etwas näher beleuchtet
werden. Ein Bereich ist schon mehrfach nachgefragt worden, nämlich warum eigent-
lich nach der Vermisstenanzeige das Ermittlungsverfahren eher schleppend angelaufen
ist, vor allen Dingen vor dem Hintergrund – da möchte ich Herrn Bauer widersprechen,
der von einem Einzelfall geredet hat –, dass es leider kein Einzelfall ist, sondern wir im
letzten Jahr in Hessen insgesamt 93 Morde, in Wiesbaden 69 Fälle von Vergewaltigung
bzw. besonders schwerer sexueller Nötigung sowie sechs Fälle von Totschlag hatten. Vor
dem Hintergrund möchte ich, dass Sie, Herr Innenminister, beleuchten, wie das Verfah-
ren in der polizeilichen Ermittlung in die Gänge kommt und ob es typisch war, wie es in
diesem Fall gelaufen ist.
Der zweite Bereich bezieht sich genau auf diesen Fall. Ich bin bisher davon ausgegan-
gen, dass wir mit „Fall“ die Vergewaltigungen, den Totschlag, den Mord an der 14-
jährigen jungen Frau behandelt haben in. Mein Respekt vor dem Leid der Angehörigen
des Opfers gebietet, dass ich das nicht vermische. Ich bin aber hier zu einer Sitzung ein-
geladen worden, in der über den aktuellen Sachstand im Fall Ali B. berichtet werden
soll. Ich gehe nach wie vor davon aus, dass der Tatbestand und der Fall Vergewalti-
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gung sowie Mord und Totschlag sind. Auch möchte ich Sie bitten, mir über diese Ver-
drehung Auskunft zu geben.
Drittens. Sie haben, Herr Innenminister, gesagt: Er ist mit Hinweis der Bundespolizei fest-
genommen worden. – Vielleicht könnten Sie mir dazu erläutern, ob die Bundespolizei
wusste, wo er ist, oder ob man nur gesagt: Wir suchen ihn, und wenn ihr ihn findet, gebt
ihn uns. Also: Was wusste die Bundespolizei da ganz genau?
Viertens. Ich habe eine Frage ausdrücklich an beide Minister, auch an Sie, Frau Kühne-
Hörmann: Wie gedenken Sie jetzt, gegen Hetze und Hass gegen Ausländer nicht nur in
sozialen Netzwerken, sondern in der breiten Öffentlichkeit anlässlich dieses Falls – mit
„Fall“ meine ich ausdrücklich immer noch Tötung und Vergewaltigung – vorzugehen?
Minister Peter Beuth: Ich versuche, alle Fragen zu beantworten. Das systematisch zu tun,
fällt mir ein bisschen schwer. Deswegen muss ich versuchen, das nach den Fragestellern
abzuarbeiten, obwohl ähnliche Fragestellungen von den unterschiedlichen Kollegen
aufgeworfen worden sind. Aber um nichts zu vergessen, versuche ich, es chronologisch
abzuarbeiten.
Herr Kollege Bauer hatte nach dem Thema „Aufenthaltsgestattung im Klageverfahren“
gefragt. Die Ausländerbehörden geben eine entsprechende Aufenthaltsgestaltung
aus. Sie ist sechs Monate befristet. Sie hängt natürlich am Klageverfahren. Wenn die
Klage dann noch läuft, kann sie verlängert werden. So ist sozusagen der Zusammen-
hang zwischen Aufenthaltsgestattung und dem Klageverfahren selbst.
Zur Frage der U-Haft-Gründe will ich zunächst vorwegschicken: Das Thema „Gründe für
die Untersuchungshaft“ ist keine völlig neue Debatte. Das ist eine rechtspolitische De-
batte, die – wenn ich: „30 Jahre“ sage, glaube ich, den Zeitraum noch unzureichend
erfasst zu haben – mindestens diesen Zeitraum währt.
Wir brauchen für die Anordnung einer Untersuchungshaft entsprechende Haftgründe:
Flucht-, Verdunklungs- oder Wiederholungsgefahr. Nach der Bewertung von Staatsan-
waltschaft und Polizei waren in der Situation von Ali B. entsprechende Haft- bzw. Unter-
suchungshaftgründe nicht gegeben. Insofern ist auch kein entsprechender Untersu-
chungshaftbefehl erlassen worden.
Dass man – Frau Kollegin Faeser, ich mache bei Ihnen in der Chronologie der Fragen
weiter – für Flüchtlinge per se ein anderes Untersuchungshaftrecht bräuchte, finde ich
kühn.
(Abg. Nancy Faeser: Das habe ich nicht gesagt, Herr Innenminister!)
– Ich habe das so verstanden. – Dass man bei Flüchtlingen strafprozessual anders han-
delt als bei anderen,
(Widerspruch der Abg. Nancy Faeser)
ist zumindest ein kühner Vorschlag.
Zu den Maßnahmen um den 30. Mai wurde von unterschiedlichen Kollegen nachge-
fragt. Ich werde gleich den Landespolizeipräsidenten bitten, das zu beantworten –
auch, was die Vorerkenntnisse angeht.
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Ich will aber noch einmal darauf hinweisen, dass – Herr Greilich, in der Tat waren am
22. Mai der letzte Kontakt und vermutlich auch die Tat – die Vermisstenmeldung am
23. Mai erfolgte, also am Tag danach. Die ersten sieben Tage, 23. bis 30., haben sich
sozusagen in Mainz abgespielt bzw. bei den dortigen Behörden. Da bitte ich jetzt wirk-
lich um Nachsicht, aber dazu kann ich keine Auskunft geben, wie die Kolleginnen und
Kollegen dort gearbeitet haben.
In dem Moment, als wir übernommen haben – das war am 29./30.; das mag bitte
gleich der Landespolizeipräsident genauestens erläutern –, sind dann die Maßnahmen
von uns entsprechend losgegangen. Das können, wie gesagt der Landespolizeipräsi-
dent und der Polizeipräsident aus Wiesbaden hier noch mal erörtern.
Auch die Frage, ob es vor dem 3. Juni, also bevor der Zeuge, der dann den entschei-
denden Hinweis gegeben hat, Erkenntnisse zu der Familie im Zusammenhang der Tat
gegeben hat, müssten Sie bitte beantworten.
Ich wurde gefragt, ob wir schon Erkenntnisse über die Zeit zwischen dem 2., der Ausrei-
se, und dem 30./31. haben, als der Hausmeister erklärt hat, die Unterkunft sei leer.
Herr Kollege Greilich, ich will Ihnen nur kurz zurufen, dass der hessische Innenminister
nicht die Entscheidungspraxis von Verwaltungsgerichten und von unabhängigen Rich-
tern beurteilt. Das ist nicht meine Aufgabe.
Frau Kollegin Hofmann, Sie hatten zu der Frage „Zeugenvernehmung und Familie“ an-
gefragt, inwieweit dort entsprechende Bemühungen stattgefunden haben. Das kann
ich Ihnen nicht sagen. Das kann Ihnen vielleicht die Polizei sagen. Ich weise aber vor-
sichtig die rechtspolitische Sprecherin der SPD darauf hin, dass es sich um Familienmit-
glieder handelt.
(Abg. Heike Hofmann: Ja!)
Da gibt es ein paar strafprozessuale Einschränkungen, wonach Zeugenaussagen nur in
dem Rahmen der Strafprozessordnung zu tätigen sind.
(Abg. Heike Hofmann: Das hat auch keiner bestritten!)
– Nein, ich wollte Sie nur darauf hinweisen. Ich bin ganz ruhig; Sie brauchen gar nicht so
aufgeregt zu sein. Ich wollte Sie nur darauf hinweisen, dass das sozusagen dort im Wege
stehen könnte, umfangreiche Aussagen zu erhalten.
Kollege Frömmrich, Sie haben nach den Tickets und der Frage „Flughafen“ gefragt. Da
sage ich jetzt mal von mir aus: Da gilt eigentlich dasselbe wie für den Zeitraum vor dem
30. Mai. Das ist eine Angelegenheit der Bundespolizei. Die Bundespolizei hat sich dazu
eingelassen. Ich will nur darauf hinweisen, dass diese Frage der Identität nach meinem
Dafürhalten zumindest erklärbar ist. Wir haben die Situation, dass die Namensgebung im
arabischen Raum, im kurdischen Recht oder bei den Irakis so gestaltet ist, wie ich es
eben vorgetragen haben: mit diesen vier Namenszusammensetzungen. Flugtickets,
Aufenthaltsgestattung, Asylverfahren, Laissez-passer, ID-Card, Staatsangehörigkeits-
urkunde enthalten in irgendeiner Kombination eben immer diese Namen. Deswegen ist
die Frage der Identität eigentlich nicht ungeklärt gewesen. Das hat uns zumindest der
irakische Generalkonsul in Frankfurt entsprechend bestätigt, sodass sich der Rückschluss,
das sei nicht kontrolliert worden bzw. da sei ein großer Fehler passiert, nicht zwingend
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aufdrängt. Aber wie gesagt: Ich mag es nicht beurteilen, denn es ist am Ende nicht un-
sere Angelegenheit. Dazu muss sich der Bund einlassen.
Bei dem Thema, wie die Rückführung aus dem Irak hierher erfolgt ist, bitte ich, die Bun-
despolizei vorzutragen, weil wir auch darüber letztlich nur in dem Rahmen Auskunft ge-
ben können, wie es die Justizministerin vorhin gemacht hat. Wir waren sozusagen bei
der Vorbereitung der nach den Regeln der Kunst sozusagen erforderlichen Ausliefe-
rungspapiere. Die Entwicklungen im Rahmen der bundespolizeilichen Maßnahmen sind
sozusagen über dieses Verfahren hinweggegangen.
Herr Abgeordneter Wilken, das, was ich eben zum Kollegen Greilich gesagt habe, gilt
letztendlich auch für Sie. Ich maße mir nicht an zu erklären, dass Ermittlungsverfahren
schleppend geführt worden sind, insbesondere wenn sie von einer anderen Polizeibe-
hörde geführt worden sind. Zu den Dingen, die hier bei uns passiert sind, werden gleich
der Landespolizeipräsident und der Polizeipräsident von Wiesbaden Auskunft geben. Zur
Frage, was die Bundespolizei bezüglich des Irak wusste, kann ich Ihnen auch keine ent-
sprechende Auskunft geben; das tut mir leid.
Aber wir geben gerne Auskunft über das, was in unserer Hoheit gelegen hat. Deswegen
bitte ich den Landespolizeipräsidenten, den Ermittlungsstand zum 30. – Übergang von
der Mainzer Polizei zur hessischen Polizei – darzustellen.
Herr Münch: Mit Hinweis auf den Vermerk von unserem „General“ bitte ich um Ver-
ständnis, wenn ich mich bei den Ermittlungsmaßnahmen auf ganz grobe Überblicke
konzentriere und an dieser Stelle keine Details dazu sagen kann.
Vorsitzender Abg. Horst Klee: Herr Münch, bitte sprechen Sie ein bisschen lauter. Rücken
Sie bitte näher ans Mikro.
Herr Münch: Noch einmal: Mit Hinweis auf die Ausführungen unseres „Generals“ bitte
ich um Verständnis, wenn ich mich bei der Darstellung der Ablaufsystematik nur auf
ganz grobe Hinweise beschränke. Ich greife noch einmal das auf, was mein Minister
gesagt hat. Die Mainzer Ermittlungsarbeit in dem Fall ist Sache der Mainzer Ermittlungs-
behörden. Da haben wir keinen Zugang. Ich kann also nur darstellen, was bei uns ge-
laufen ist.
Wir hatten einen sehr guten Kontakt mit Mainz. Wir haben in der Zeit nach Bekanntwer-
den der Vermisstenanzeige sehr umfänglich, zum Teil im eigenen Ermessen oder auch
im Auftrag der Mainzer Kollegen Abklärungen vorgenommen. Wir haben allein drei Un-
terkünfte begangen. Wir haben acht bis neun Kontaktpersonen abgeklärt – das war
sehr schwierig, weil zum Teil Namen nur phonetisch übermittelt worden sind –, bis es
dann gelungen ist, tatsächlich die Person aufenthältlich festzustellen. Das war zu dem
Zeitpunkt alles negativ. Wir haben gemutmaßte Aufenthaltsorte, letzte Aufenthaltsorte
der Verschwundenen hier in Wiesbaden abgeklärt. Wir haben umfänglich mit dem
Streifendienst gearbeitet – mit Sensibilisierungen – und im Grunde genommen das gan-
ze Maßnahmenpaket abgearbeitet.
Der Maßnahmenübergang erfolgte am 30. Das war meine Frage, glaube ich, vom Ab-
geordneten Greilich an uns. Wir haben bereits begonnen, am 28. technische Maßnah-
men einzuleiten. Wir haben über Ortung, Verkehrsdaten, Aufhebung TKÜ, IMEI das ge-
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samte technische Programm abgefahren und das ganze Repertoire ausgeschöpft. Al-
lerdings sind alle Versuche, TKÜ-Protokolle, Maßnahmen oder Ortungshinweise zu be-
kommen, negativ verlaufen, weil das Handy nach heutigem Sachstand deshalb nicht
aufgefunden worden ist, weil es ausgeschaltet war. Deswegen waren keine weiteren
Ermittlungserkenntnisse daraus abzuleiten.
Das ist zunächst der Sachstand. Im Rahmen der Ermittlungen haben wir dann den Vor-
gang am 30. übernommen. Das war eine mit Mainz abgestimmte Maßnahme und ist
auch geübte Praxis. Nach heutigem Kenntnisstand gibt es auch keinen kritischen An-
satzpunkt. Die Wiesbadener Kollegen haben umfänglich eine SOKO im Rahmen der
Ermittlung aufgebaut, sodass das dann ganz normal seinen Verfahrensgang gegangen
ist.
Zunächst einmal so weit, bis dahin.
Vorsitzender Abg. Horst Klee: Herr Müller, noch ergänzend?
Herr Müller: An dieser Stelle erst einmal nicht, danke.
Ministerin Eva Kühne-Hörmann: Es ist von der Kollegin Faeser noch einmal zu der Unter-
suchungshaft gefragt worden. Der Kollege Beuth hat schon etwas dazu gesagt. Da
würde ich gerne an Herrn Oberstaatsanwalt Kuhn abgeben, der in diesem Verfahren
auch als Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Wiesbaden schon zu vielen Dingen Stel-
lung genommen hat.
Frau Hofmann hat ein Zitat angeführt, das die Vernehmung von Zeugen angeht, die
sich im Umfeld der Familie befinden. Die beiden Themenkomplexe würde ich jetzt an
Sie, Herr Oberstaatsanwalt, abgeben.
Herr Kuhn: Zur ersten Frage: Ich nehme an: Die Frage bezog sich auf das Raubdelikt,
(Abg. Nancy Faeser: Ja, auf den schweren Raub!)
auf den schweren Raub zum damaligen Zeitpunkt. Das Delikt ereignete sich am
27. April 2018, Mitternacht, in der Parkstraße in Wiesbaden. Es gab einen Geschädigten
und zwei in dem Sinne mutmaßliche Täter. Das Problem in diesem Verfahren war ers-
tens, dass es erst einmal gegen unbekannt lief, weil keine Hinweise auf konkrete Person
vorhanden waren. Der Geschädigte wurde dann dreimal vernommen und berichtete
dreimal unterschiedliche und zum Teil widersprüchliche Sachverhalte. Das ist wichtig im
Hinblick auf den dringenden Tatverdacht.
Am 17. Mai 2018 fand eine Wahllichtbildvorlage mit dem Geschädigten statt. Da deu-
tete er Ali B. als einen der Täter heraus. Ich weise nochmals darauf hin: Wir hatten zu
dem Zeitpunkt drei widersprüchliche Angaben von dem Geschädigten. Das heißt: Der
Sachverhalt stand zu diesem Zeitpunkt nicht konkret fest. Für einen dringenden Tatver-
dacht brauche ich aber nicht nur den Täter, sondern ich brauche auch die konkrete
Straftat, die dem Ganzen zugrunde liegt. In Übereinstimmung mit Polizei sind wir zu dem
Zeitpunkt zu der Auffassung gelangt, dass am 17. Mai deshalb kein dringender Tatver-
dacht wegen einer konkreten Straftat gegen Herrn B. zu begründen war.
Er/me – 20 – INA 19/103 u. RTA 19/42 – 14.06.2018
Wir haben dann am 22. Mai, nachdem uns das Verfahren zugeleitet worden ist, einen
Durchsuchungsbeschluss beim Amtsgericht Wiesbaden beantragt, um über diesen Weg
weitere objektive Beweismittel zu finden, um diesen Tatverdacht zu erhärten. Dieser
Durchsuchungsbeschluss konnte aber dann aufgrund der bekannten Umstände nicht
mehr umgesetzt werden.
Deshalb: Schon aus den Gründen, dass es keinen dringenden Tatverdacht gab, konnte
kein Untersuchungshaftbefehl beantragt werden. Das ist die erste Entscheidung.
Eine Frage wird dann immer gestellt: Aber könnte nicht Fluchtgefahr vorgelegen ha-
ben? – Das ist dann unerheblich. Sie brauchen kumulativ einen dringenden Tatver-
dacht und die Haftgründe. Zu diesem Zeitpunkt bestand, wie gesagt, schon kein drin-
gender Tatverdacht.
Zur anderen Frage, wenn man sich die Fluchtgefahr betrachtet, möchte ich an dieser
Stelle einwerfen: Das ist natürlich immer objektiv für den konkreten Fall zu betrachten.
Herr B. war fest in dieser Flüchtlingsunterkunft untergebracht. Man muss berücksichtigen:
Er war zu diesem Zeitpunkt mit sieben weiteren Familienmitgliedern dort untergebracht.
Das heißt: Die soziale Bindung war vielleicht anders ein als bei einer Einzelperson, die
untergebracht ist. All das fließt in die Bewertung mit ein. Deshalb wird man auch zu die-
sem Zeitpunkt davon ausgehen können, dass keine Fluchtgefahr bestand.
Ministerin Eva Kühne-Hörmann: Dann sind noch einige andere Sachen gefragt worden.
Herr Kollege Greilich, Sie haben angeführt, dass für die Asylverfahren bei den Verwal-
tungsgerichten die zeitliche Dimension eine Rolle spielt, und haben auch aus der Presse
zitiert. Frau Kollegin Hofmann hat zu einem ähnlichen Bereich gefragt. Deshalb würde
ich gerne diesen Bereich an den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes, Herrn
Schönstädt, abgeben.
Herr Schönstädt: Es ist so, dass natürlich über die Reihenfolge der Abarbeitung verwal-
tungsgerichtlicher Verfahren die Richterinnen und Richter der hessischen Verwaltungs-
gerichtsbarkeit in ihrer richterlichen Unabhängigkeit entscheiden. Auch ich habe ihnen
dabei keine Vorgaben zu machen; ich kann es Ihnen aber gern aus der Praxis berich-
ten.
Wie sieht es aus beim Verwaltungsgericht Wiesbaden? Ich nehme nur das Jahr 2017. Da
kamen allein im Asylbereich 4.715 Eingänge dazu. Ende 2017 belief sich der zu bearbei-
tende Bestand von Asylverfahren auf 5.195. Hinzurechnen müssen Sie immer noch un-
gefähr ein Viertel dieser Zahl für klassische Verfahren. Die müssen bearbeitet werden.
Wir haben uns innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit Nachdruck darauf verstän-
digt, dass wegen Asylverfahren andere Verfahren nicht zurückstehen sollen.
Konsequenz dieser Sache ist, dass natürlich Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungs-
richter ihre Verfahren möglichst effizient bearbeiten. Das heißt: Sie nehmen eine Rei-
hung vor – auch in den Asylverfahren – und bilden Gruppen. Da mag es – das vermag
ich nicht zu beurteilen, weil das die Richter in ihrer Unabhängigkeit machen – sicherlich
auch eine Rolle spielen, ob Verfahren in dem Sinne bedeutsam sind, dass es nach ihrem
Abschluss auch tatsächlich zum Vollzug der verwaltungsgerichtlich bestätigten behörd-
lichen Entscheidung kommt.
Er/me – 21 – INA 19/103 u. RTA 19/42 – 14.06.2018
Da ist Folgendes dargelegt worden: Was konkret den Irak anbelangt, hat es eine ent-
sprechende Erlasslage gegeben, dass in den Irak grundsätzlich keine Abschiebungen
erfolgten. Gleichwohl – die Zahlen sind mitgeteilt worden – ist die Mehrzahl der Irakver-
fahren in absehbarer Zeit beendet worden.
Dass in der konkreten Angelegenheit keine bevorzugte Behandlung erfolgt ist, erklärt
sich meines Erachtens leicht daraus, dass hier kein Anlass bestand, gerade dieses Ver-
fahren priorisiert zu bearbeiten.
Die Belastungen der Verwaltungsgerichte mit dem Verfahren sind recht hoch. Wir ha-
ben eine Verstärkung bekommen. Dass der Bezirksrichterrat, auf den eingegangen
worden ist, darauf hingewiesen hat, dass sich die Verfahrensdauer verwaltungsgericht-
licher Verfahren aufgrund des Zuwachses neuer Verfahren und des Bestandes hinaus-
zögern wird, lässt sich meines Erachtens nicht von der Hand weisen.
In dem Schreiben des Bezirksrichterrats ist natürlich darauf hingewiesen worden, dass
man darum bittet, sich für eine Streichung der Sperrvermerke im Haushalt 2018/2019
einzusetzen. Das ist aber in der ersten Tranche bereits passiert. Das heißt: Von den in
2018/2019 der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Verfügung gestellten Planstellen werden
die ersten jetzt besetzt werden können. Nach meinem Kenntnisstand ist es so, dass die
Aussichten darauf, dass im Herbst die zweite Tranche zur Verfügung steht, gut sind.
Ministerin Eva Kühne-Hörmann: Herr Dr. Wilken, zu dem letzten Komplex, der den Be-
reich der Justiz betrifft, haben Sie noch einmal gefragt: Was passiert gegen die Hetze im
Netz? – Es passiert das, was immer in diesen Verfahren passiert. Wenn es Straftatbestän-
de gibt, dann ist das im Netz genauso strafbar wie in der realen Welt. Wenn sich da Het-
ze ereignet, dann wird das verfolgt.
Abg. Handan Özgüven: Ich habe noch eine kleine Frage, was den zeitlichen Ablauf
anbelangt. Frau Justizministerin, Sie haben gesagt, die Klage vor dem Verwaltungsge-
richt sei am 11. Juni 2018 zurückgenommen worden. War das tatsächlich nach der Aus-
lieferung des Beschuldigten hierher, oder war das ein Versprecher und die Klage ist im
Jahr 2017 zurückgenommen worden?
Ministerin Eva Kühne-Hörmann: Das war kein Versprecher, sondern sie ist am 11. Juni
2018 vonseiten des Anwalts zurückgenommen worden. Das kann der VHG-Präsident
vielleicht noch einmal ergänzen.
Herr Schönstädt: Da gibt es nur eine Ergänzung: Ja.
Abg. Hartmut Honka: Zunächst finde ich es gut, dass wir es hier schaffen, das Thema
sachlich aufzuarbeiten. Das ist anders als das, was man leider manchmal von einer Par-
tei in der Öffentlichkeit hört, die zum Glück noch nicht dem Hessischen Landtag ange-
hört.
Ich habe eine Detailfrage zu dem gerichtlichen Verfahren. Dort wurde ausgeführt, dass
die Klage vom 9. Januar 2017 ohne Begründung bei dem Verwaltungsgericht einge-
gangen sei. Soweit ich die öffentliche Presseberichterstattung zu solchen Verfahren ver-
Lb/me – 22 – INA 19/103 u. RTA 19/42 – 14.06.2018
folge, wurde geschrieben, das sei häufig der Fall. – Dann fordert das Gericht bei dem
Anwalt eine Stellungnahme an. Wie wird das aus Sicht der Justiz gesehen? Wie häufig ist
das der Fall? Zu wie viel Verzögerung führt das in einem Verfahren? Was ist dort aus
Sicht der Justizministerin nötig? Es sind doch Bundesgesetze, die dann in Angriff ge-
nommen und geändert werden müssten, damit die Richter, die diese Verfahren auf
dem Schreibtisch haben, eine Chance bekommen, dass sie überhaupt etwas ent-
scheiden können. Dafür sind sie da. Insofern gilt mein Dank auch den Richterinnen und
Richtern, die trotz hoher Belastung ihre Arbeit sehr gut machen.
Ministerin Eva Kühne-Hörmann: Ich kann zu der Praxis überhaupt nichts sagen. Herr
VGH-Präsident, bitte sehr.
Herr Schönstädt: Ich habe auch keine genauen Zahlen darüber, in wie vielen Fällen
verwaltungsgerichtlicher Verfahren die Begründung nachlässig ist. Was ich allerdings
von Kollegen und Kolleginnen im Gespräch erfahre, ist, dass es gerade im Asylbereich
Verfahren gibt, in dem auf diese Art und Weise gehandelt wird. – Sie haben es richtig
dargestellt: Die Reaktion der Kolleginnen und Kollegen bei den Gerichten ist dann so,
dass der anwaltlich vertretene Kläger aufgefordert wird, die Klage zu begründen. Man
kann das Ganze auch damit verbinden, dass im Nachhinein ein Vorbringen abge-
schnitten wird. Das wären Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung. Sie werden
auch vorgenommen; das kann ich hier verbindlich sagen. Die Frage ist dann nur, wann
das Verfahren zur Entscheidung kommt. Das gesamte Verfahren ist gleichwohl durch-
zuhalten. Es ist eine mündliche Verhandlung durchzuführen etc. Das hängt dann wiede-
rum mit der Anzahl an Verfahren und der Anzahl von Kolleginnen und Kollegen zusam-
men, in welcher Reihenfolge das abgearbeitet wird. Es gibt also kurz gesagt prozessuale
Möglichkeiten, ein entsprechendes Verhalten zum Anlass zu nehmen, den Vortrag der
Beteiligten – hier im konkreten Fall des Klägers – abzuschneiden. Das nennt man dann
Präklusion. Dann ist ein etwaiges Vorbringen im Nachhinein unbeachtlich.
Abg. Nancy Faeser: Zum einen bin ich dem Leitenden Oberstaatsanwalt dankbar, dass
er das ausgeräumt hat, weil es in der Tat ja so ist, dass sich die Frage nach den Flucht-
gründen ja überhaupt nicht mehr stellt, wenn kein dringender Tatverdacht vorliegt. Das
stand aber bislang im Raum. Deswegen ging meine Frage ja auch dahin; denn diese
Frage – Herr Innenminister, das müssen Sie jetzt schon aushalten, da Sie versucht haben,
mir da eins mitzugeben –, in der es nicht um die Änderung von Recht, sondern um die
Bewertung von Fluchtgründen ging, haben wir hier gemeinschaftlich, und zwar mehr-
fach angemahnt. Daran kann ich die Kolleginnen und Kollegen erinnern. Deswegen
finde ich es auch hochgradig unfair, da jetzt zu unterstellen, man wolle eine unter-
schiedliche Handhabung bei Flüchtlingen, Deutschen oder anderen. Das ist wirklich
purer Unsinn.
Ich hätte da zum einen noch einmal die Frage, ob seitens der Polizei die technischen
Maßnahmen erst aufgrund des Intervenierens der Anwältin der Mutter geschaltet wur-
den. – Das ist noch nicht beantwortet worden. Herr Münch, ich hatte es von Ihnen so
verstanden, dass bereits am 28. Mai die technischen Maßnahmen geschaltet wurden.
Das würde aus meiner Sicht nicht zu dieser Theorie passen. Aber ich glaube, es ist wich-
tig, das auszuräumen, Herr Münch. Da geistert doch einiges in der Presse immer wieder
herum.
Lb/me – 23 – INA 19/103 u. RTA 19/42 – 14.06.2018
Ich hätte auch noch eine Frage in Bezug auf die Ermittlungsbehörden, wie denn die
Tatsache gewertet wurde, dass Ali B. doch mehrfach polizeilich auffällig war. In so ei-
nem Verfahren stellt sich in der Tat die Frage, ob jemand einmal auf die Idee gekom-
men ist, dort weitere Maßnahmen zu ergreifen oder zu überlegen, wie man dem Herr
werden kann, wenn er im Zusammenhang mit mehreren Taten mal unter Verdacht ge-
raten ist. Wir sprechen bei keiner der Taten von einem dringenden Tatverdacht. Das ist
mir klar. Aber auffällig ist es ja schon, dass er im Zeitraum von Februar bis Juni bei meh-
reren Taten mit im Gespräch war – so will ich es jetzt einmal sehr unrechtlich formulieren.
Aber das war ja auch der Komplex, den Kollege Bauer angesprochen hat, nämlich die
Frage: Wie geht man eigentlich damit um, und wie beherzt ist da das Vorgehen der
Ermittlungsbehörden? Inwiefern läuft das zusammen, dass man dann solche Erkenntnis-
se über jemanden hat?
Ich habe noch eine Frage zu der mutmaßlichen Vergewaltigung einer 11-Jährigen, die
ja auch ständig durch die Presse geistert und wo nicht klar ist, ob Ali B. da beteiligt war
oder nicht. Auf jeden Fall ist dem Wiesbadener Kurier vom 12. Juni zu entnehmen, dass
angeblich auch noch die Rockergruppe Black Devils an der Schule des Mädchens auf-
getaucht sein soll. Herr Innenminister, da würde ich gerne wissen: Welche Kenntnisse
haben Sie darüber? Angeblich sollen zwei Mitglieder die Begleitung der Schwester der
11-Jährigen mit den Worten bedroht haben, sie möge nicht so viel über Ali B. reden. Da
ist schon wieder der Täter im Gespräch. Ist da etwas dran? Liegen Ihnen dazu über-
haupt Erkenntnisse vor? Ich glaube, es wäre schon hilfreich, dem nachzugehen, um die
die Gerüchte, die da im Moment kursieren, möglichst bald aufzuklären.
Einen Hinweis kann ich mir nicht ersparen, auch unter Bezug auf das, was die Kollegin
Hofmann zum Bezirksrichterrat gesagt hat: Haben Sie sich einmal die Frage gestellt, ob
es richtig war, in den Jahren vor 2016 nachhaltig Personal im Bereich der Polizei und der
Justiz abzubauen? Die Justizministerin hat ja davon gesprochen, dass seit 2017 der Ab-
bau von Tarifbeschäftigten im Bereich der Justiz aufgehalten wurde, d. h. vorher wurde
noch massiv Personal abgebaut. Ich glaube, man muss sich schon mit der Frage be-
schäftigen – und da würde ich keinem einzigen Richter jemals einen Vorwurf machen,
im Gegenteil –: Wie viel kann man den Richterinnen und Richtern, der Staatsanwalt-
schaft und auch der Polizei an Belastung eigentlich zumuten? Man muss auch darüber
nachdenken, ob das Verhalten der Landesregierung in den Jahren vor 2016 richtig war.
Sie wissen, dass wir das mehrfach angemahnt haben, sowohl bei der Polizei als auch
bei der Justiz.
Minister Peter Beuth: Die Justizministerin hat vorhin schon einmal ausgeführt, wie sich der
Personalaufbau bei der Justiz gestaltet hat. Es ist am Ende auf die entsprechenden Vor-
lagen aus dem Justizministerium und auf die Entscheidungen der Koalition im Hessi-
schen Landtag zurückzuführen, dass wir einen entsprechenden Stellenaufbau haben.
Ich kann das auch für die Polizei sagen. Wir haben am Ende 1.520 zusätzliche Stellen in
unseren Haushalten geschaffen; das sind bei der Polizei 11 % mehr. Insofern kann ich
den Vorwurf, den Sie hier wieder konstruieren wollen, in keiner Weise nachvollziehen. Wir
sind dabei, dass wir zusätzliche Stellen in einem nie da gewesenen Umfang bei der Poli-
zei und bei den Sicherheitsbehörden geschaffen haben. Wenn ich das richtig in Erinne-
rung habe, haben Sie an keiner einzigen Stelle im Hessischen Landtag den Haushalten
zugestimmt.
(Abg. Nancy Faeser: Aber Sie den Personalerhöhungen davor auch nicht !)
Lb/me – 24 – INA 19/103 u. RTA 19/42 – 14.06.2018
– Ich bin mir nicht sicher, ob das alles so angemessen ist; aber das ist eine andere Fra-
ge.
Meine Damen und Herren, ich will zu der polizeilichen Vita des 20-jährigen Ali B. noch
einmal von mir aus zwei Bemerkungen machen. Jetzt bitte ich die Kollegen von der Po-
lizei, genauestens aufzupassen, um dann ggf. noch zu ergänzen.
Wir haben keine Verurteilung von Ali B. Es gibt keinen Tatbestand, der zu einer Verurtei-
lung geführt hätte. Wir haben sechs Vorgänge mit Verdachtslagen. Wir haben einmal
einen Widerstand gegen eine Stadtpolizistin – darüber ist auch berichtet worden – und
eine versuchte Körperverletzung. Ansonsten haben wir entsprechende Verdachtsfälle.
So ist es mir zumindest übermittelt worden – ggf. müssten Sie das noch einmal korrigie-
ren. – Das Problem, dort entsprechende Maßnahmen aufzusetzen, erschließt sich sicher-
lich jedem. Aber ich will dazu sagen, dass Ali B. auch in der Behandlung des Hauses des
Jugendrechts ist, was wir ja für jugendliche und heranwachsende Straftäter haben und
wo wir versuchen, die staatsanwaltschaftlichen, die polizeilichen Ermittlungen zusam-
menzubinden und wo wir auch die Sozialbehörden noch mit eingebunden haben. Das
heißt, wir haben für eine solche Verdachtslage ein Instrument, mit dem wir uns auch um
die Delinquenten kümmern. Das wollte ich Ihnen nur noch einmal dargestellt haben.
Zum Thema Black Devils und ggf. die Ergänzung der polizeilichen Vita würde ich den
Landespolizeipräsidenten bitten, noch einmal zu ergänzen.
Herr Münch: Zunächst steht noch eine Frage im Raum. Die Schaltung technischer Maß-
nahmen erfolgte am 28. erstmals in Abstimmung zwischen den Kollegen in Wiesbaden
und Mainz. Die weiteren technischen Maßnahmen, die dann im Rahmen der sachlei-
tenden Zuständigkeit von uns gemacht worden sind, sind die Entscheidung der örtli-
chen Behörde gewesen. Die Mutter spielte nach meinem Kenntnisstand keine Rolle.
Aber das war eine rein polizeiliche Maßnahme.
Noch einmal zu Ali B.: Der Minister hat das zutreffend aufgeführt. Es gab nach unserem
Kenntnisstand keinen unmittelbaren Bezug zwischen der Vermissten und Ali B. Es gab ein
Kennverhältnis – das wissen wir – zu dem jüngeren Bruder des späteren Tatverdächti-
gen. Insofern war die direkte Herleitung aus den Taten nicht möglich. Deswegen ist das
so abgearbeitet worden, wie es abgearbeitet worden ist.
Beim Thema „Vergewaltigungsvorwurf“ sind wir genau an dem Punkt, den Herr Minister
gesagt hat. Es war kein dringender Tatverdacht zu dem Zeitpunkt festzustellen. Das lag
unter anderem auch an den Schwierigkeiten im Ermittlungsvorgang, und es ist an der
Stelle nicht weiter zu vertiefen. Da bitte ich um Verständnis.
Zum Thema „Black Devils“ gebe ich an Herrn Müller als Polizeipräsident von Westhessen
ab.
Herr Müller: Ich will das gern ergänzen bezogen auf die Rocker. Wir hatten 7. Juni schon
einen Hinweis einer Schulleiterin aus Wiesbaden, nach dem die Elfjährige, um die es
ging, in Verbindung mit ihrer Schwester eine Bedrohung erfahren hatte. Die Elfjährige
stand als mögliches Opfer der Vergewaltigung im Raum.
Wir waren als Polizei in der Schule und wurden am 8. Juni morgens wieder verständigt,
dass nunmehr die zwei Schülerinnen mit zwei Männern zu Schule erschienen sind. Es gibt
Er/me – 25 – INA 19/103 u. RTA 19/42 – 14.06.2018
im privaten Bereich, im Bereich der älteren Schwester, ein Kennverhältnis zu den Black
Devils. Die haben offensichtlich dann einen Eigenschutz aufgesetzt, den wir als Polizei
sofort unterbunden haben. Wir haben den Rockern Platzverweise erteilt. Wir haben uns
dann an dem Wochenende zusammen mit der Stadt mit der Schule und mit dem Ju-
gendamt um diese Kinder gekümmert. Tiefergehend möchte ich darauf mit Blick auf
den Schutz der Familie nicht eingehen.
(Zuruf von der SPD: Danke schön!)
Abg. Wolfgang Greilich: Ich danke zunächst einmal für die doch schon recht weitge-
henden Auskünfte. Aber wie es immer ist: Die zusätzlichen Informationen werfen immer
weitere Fragen auf.
Ich habe jetzt bei dem zweiten Beitrag von Herrn Münch verstanden: In der Tat war es
so, dass schon vor dem 30. Mai, als, wenn ich das so sagen darf, die Federführung von
Wiesbaden übernommen wurde, eine Zusammenarbeit stattgefunden hat und die hes-
sische Polizei – so habe ich es verstanden – durch die Mainzer Polizei in die Maßnahmen
eingebunden war. Ich habe es auch so verstanden, dass diese technischen Maßnah-
men, Handyortung etc., von der hessischen Polizei schon vor dem 30. Mai durchgeführt
wurden.
Dann habe ich mir notiert – da bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich es richtig verstanden
habe –, dass auch Unterkünfte in Wiesbaden durch die Wiesbadener Polizei kontrolliert
worden sind. Wann war das? War das auch schon vor dem 30. Mai? Und welche waren
das? War das insbesondere auch die, in der Familie B. untergebracht war?
In dem Zusammenhang: Sie sagten, Kontakte zwischen Ali B. und Susanna habe man
nicht feststellen können, wohl aber habe man ein Kennverhältnis zu dem jüngeren Bru-
der feststellen können. Wenn so etwas zusammenkommt – Kennverhältnis zu dem jün-
geren Bruder und die noch unbeantwortete Frage: War auch die Unterkunft der Fami-
lie B. in dem Zusammenhang im Blick –, hätte man da nicht doch stutzig werden und
sich mal genauer das Umfeld anschauen müssen? Denn dieses Kennverhältnis war ja,
wenn ich die Zeitungsberichte richtig verstanden habe, der Punkt, der letztlich auch zu
dem Kontakt zu Ali B. führte. Das würde ich gerne von der Polizei beantwortet haben –
ob vom Innenminister oder von jemand anderem, ist natürlich Ihrer Entscheidung über-
lassen.
Genauso spannend und aufschlussreich fand ich die Ausführungen des Generalstaats-
anwalts zu der Frage: Wie waren die Abläufe in dem Ermittlungsverfahren? Warum gab
es da noch nicht mehr? Warum gab es zum Beispiel auch keinen Haftbefehl oder sons-
tige Maßnahmen? Ich habe mir notiert: Die Lichtbildvorlage wegen dieses Verdachts
auf schweren Raub war am 17. Mai. Das war dann doch schon etwas früher. Wenn ich
das richtig verstanden und notiert habe, gab es dann einen Durchsuchungsbeschluss
am 22. Mai, also fünf Tage nach der Lichtbildvorlage. Ich glaube: Das ist bei normalen
Ermittlungsverfahren ein normaler Ablauf. Aber wenn man das so schnell hinbringt, fra-
ge ich mich: Warum ist der Durchsuchungsbeschluss vom 22. Mai, wenn ich das richtig
verstehe, gar nicht vollzogen worden? Warum hat man die Durchsuchung nicht durch-
geführt? Denn ich nehme an – das ist auch wieder eine Unterstellung von mir –: Der
Durchsuchungsbeschluss muss sich ja wohl auf die Unterkunft bezogen haben, sprich:
Wenn man einen Durchsuchungsbeschluss für die Unterkunft hatte und die Unterkunft
durchsucht hätte, wäre man auch früher schon auf den Hausmeister gestoßen. Dann
wäre man überhaupt auf die Situation der Familie B. gestoßen. Warum ist also die
Durchsuchung nicht erfolgt, nachdem es den Durchsuchungsbeschluss gab?
Er/me – 26 – INA 19/103 u. RTA 19/42 – 14.06.2018
Zu meinem letzten Punkt: Der Innenminister hat in der ihm eigenen Art gemeint, er
kommentiere keine richterlichen Entscheidungen. Das tue ich auch nicht. Das tue ich
grundsätzlich nicht. Ich habe auch danach gar nicht gefragt, richterliche Entscheidung
zu kommentieren. Das ist nicht unser Thema.
Zur Diskussion über die Frage: „Wie ist die Stimmung in der Justiz?“ hat Herr Präsident
Schönstädt auch ein bisschen beschrieben, dass natürlich ein Richter in seiner richterli-
chen Unabhängigkeit festlegt, wann er was wie abarbeitet. Wenn in der öffentlichen
Diskussion aus der Justiz an die Politik herangetragen wird – das wird es logischerweise,
wenn sich zum Beispiel der Präsident des VG Frankfurt in der Presse äußert –, dass es of-
fensichtlich bei den beschäftigten Richtern Frust gibt, weil das, was sie entscheiden,
keine Konsequenzen hat – –
Das war die Frage an den Innenminister: Sie sehen erstens, dass das solche Auswirkun-
gen auf unsere unabhängige Justiz haben kann? Zweitens: Was wollen Sie tun, damit
das anders als in letzter Zeit in Hessen wie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen auch
funktioniert, dass in stärkerem Umfang Abschiebeanordnungen auch durchgeführt
werden bzw. vollziehbare Ausreiseverpflichtungen durchgesetzt werden? Wir haben es
kürzlich schon mal im Parlament erörtert: In Hessen sind die Zahlen rückläufig. Dass es
auch anders geht, führt NRW vor. Da steigen die Zahlen.
Minister Peter Beuth: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Die Frage „Frust in der
Justiz“, die Sie hier unterstellen, werde ich auch weiterhin als Innenminister nicht kom-
mentieren. Allerdings will ich die die Hinweise auf Nordrhein-Westfalen zumindest inso-
fern kommentieren, als wir dafür Sorge tragen, dass diejenigen, die bei uns kein Bleibe-
recht haben, in ihre Heimatländer zurückgeführt werden, und zwar idealerweise mit Pri-
orität auf freiwilliger Rückreise. Aber auch entsprechende zwangsweise Rückführungen
finden statt. Wir haben im Jahre 2016 insbesondere aus dem Bereich des Westbalkans
die Rückführungen durchgeführt. Das hat dazu geführt, dass wir im Jahr 2017 aus die-
sem Bereich, den andere Länder bedient haben und dafür entsprechend höhere Rück-
führungszahlen erreicht haben, unsere Arbeit im Jahr 2016 schon gemacht hatten. Im
Jahr 2017 hatten wir gegenüber dem Vorjahr 2016 anteilig etwas höhere Rückführungs-
zahlen.
Sie wissen selbst, weil Sie selbst die Debatten, die wir im Innenausschuss und im Hessi-
schen Landtag geführt haben, schon angesprochen haben, dass das für die beteiligten
Behörden ein sehr, sehr schwieriges Geschäft ist, weil es allerlei Restriktionen gibt, die wir
unter anderem hier auch haben.
In den Bereich Irak zurückzuführen, ist in der Vergangenheit tatsächlich so gut wie un-
möglich gewesen – auch für den Bereich der Straftäter und Gefährder. Wir haben in
den Jahren 2017 und 2018 deutschlandweit nur eine sehr, sehr geringe Zahl an Rückfüh-
rungen gehabt. Die Debatten über die Frage „Rückführung nach Afghanistan?“ will ich
hier niemandem zumuten. Aber sie gehört natürlich auch mit dazu. Das ist eine ent-
sprechende Restriktion. Der Hessische Landtag hat entsprechend beschlossen, wie wir
damit umzugehen haben.
Wir haben darüber hinaus an vielen Stellen das Problem, dass die Heimatländer der
Rückzuführenden nicht sehr kooperativ sind. Das ist eine Angelegenheit, die wir aus
Hessen heraus nicht verändern können. Da sind am Ende die Bundespolitik, das Auswär-
tige Amt und das Bundesinnenministerium gefragt – gegebenenfalls stellt sich auch die
Frage der Entwicklungszusammenarbeit, dass man dort eine entsprechenden Druck auf
Er/me – 27 – INA 19/103 u. RTA 19/42 – 14.06.2018
die Herkunftsstaaten aufbaut, die sich nach meiner Einschätzung völkerrechtswidrig
verweigern, ihre eigenen Leute wieder zurückzunehmen. Ich finde, dass wir diese Frage
schon hinreichend miteinander diskutiert haben. Sie kennen meine Position dazu.
Sie müssten eigentlich auch wissen, dass wir uns mit allen Maßnahmen, die wir in den
vergangenen Monaten oder anderthalb Jahren aufgebaut haben, genau auf diese
Situation auch bei der Frage der Vollstreckung und der Rückführung entsprechend ein-
gerichtet haben. Insofern sehe ich dort keinen kritikwürdigen Ansatz. Aber das ist meine
Einschätzung. Insbesondere im Vergleich mit Nordrhein-Westfalen stehen wir insgesamt,
was unsere Arbeit angeht, sehr, sehr gut dar.
Ich will die Frage „Vollstreckung von unterschiedlichen Maßnahmen“ an das LPP wei-
tergeben. Herr Polizeipräsident, sind Sie so lieb und beantworten die technischen Fra-
gen, die noch gestellt worden sind?
Herr Münch: Zunächst, Herr Greilich, war die Abfolge richtig verstanden mit dem Beginn
der Maßnahmen. Nach der Anzeigenaufnahme durch die Mutter ist noch in der Nacht
in beiden PP-Bereichen, also Mainz und Wiesbaden, eine Funkfahndung mit Personen-
beschreibung herausgegeben worden. Da bekannt war, dass sie sich öfters in Wiesba-
den aufhält, haben wir noch an dem Folgetag – – Ich bitte um Verständnis, weil wir jetzt
langsam doch im Ermittlungsbereich sind, aber im Rahmen der parlamentarischen Auf-
klärung – ich schaue unseren „General“ an; er nickt noch – haben wir drei Unterkünfte
konkret angefahren. Wir haben dort Lichtbilder vorgelegt. Alle drei Überprüfungen wa-
ren ohne Ergebnis. Die Kontaktpersonen, die auch genannt worden sind, waren zum
damaligen Zeitpunkt nicht familiär mit dem späteren Tatverdächtigen irgendwie ver-
bandelt, sodass der erste Bezugspunkt dort ins Leere ging. Aber die Aktivitäten haben
unmittelbar am Folgetag nach der Vermisstensachbearbeitung oder Vermisstenmel-
dungserstattung auch in Hessen stattgefunden.
Ministerin Eva Kühne-Hörmann: Ich will noch etwas zur Praxis bei den Verwaltungsge-
richten sagen. Ich habe vorhin ausdrücklich darauf hingewiesen, was die Erlasslage
angeht. Die gibt es ja schon lange. Der Kollege Beuth hat das eben auch schon getan,
wie 2003, 2006, 2016 und zuletzt die letzte Innenministerkonferenz auch wieder. Danach
konnte man all die Jahre – auf Bundesebene hat es keine Mehrheit dafür gegeben –
eine andere Lösung zu finden. Das heißt: Es hat all die Jahre einen Abschiebestopp in
den Irak gegeben, außer wenn es sich um schwere Straftäter handelte. Da ist konkret
bezeichnet worden, welche darunter fallen. Das ist die Rechtslage, die wir haben. Ich
will es noch mal sagen: Die hat politisch eine Mehrheit gefunden. Alles, was darüber
hinaus beantragt worden ist – übrigens auch von Unionsseite –, hat keine Mehrheit ge-
funden – auch auf Bundesebene nicht.
Diese Praxis hat aber nicht dazu geführt – das habe ich auch mitgeteilt –, dass beim
VG Wiesbaden die Verfahren, die den Irak betreffen, komplett nach hinten geschoben
worden wären. Deswegen will ich es noch mal erwähnen: Im Zeitraum Januar 2016 bis
Juni 2018 gab es beim VG Wiesbaden 166 Hauptsacheverfahren. Von diesen 166 sind
133 erledigt – eben nicht wegen dieser nicht möglichen Abschiebung. Sie sind trotzdem
bearbeitet worden. Von den 46 Eilverfahren sind 43 erledigt.
Warum der eine Fall, über den wir hier reden, nicht erledigt worden ist, kann nur im Er-
messen des Einzelrichters liegen. Jedenfalls hat das nach der Statistik, die mir vorliegt, für
Er/me – 28 – INA 19/103 u. RTA 19/42 – 14.06.2018
das VG Wiesbaden nicht dazu geführt, dass die irakischen Fälle nicht bearbeitet wor-
den wären. Darauf möchte ich hinweisen.
Abg. Alexander Bauer: Ich habe nur noch eine kurze Nachfrage. Mir ist schon bekannt,
dass man, solange kein Haftbefehl vorliegt, bei der Ausreise natürlich keine Kontrollen
durchführen und die Person dann auch nicht ausfindig machen kann. Aber mich inte-
ressiert Folgendes: Die Familie ist ja komplett ausgereist. Ist schon bekannt, wie die
Finanzierung dieser Ausreisetickets, die ja nicht unerheblich ist, erfolgt ist. Ist das durch
eigene Mittel erfolgt oder wurde das Ganze von Dritten unterstützt?
Minister Peter Beuth: Wenn ich das richtig im Kopf habe, kostet ein Flugticket 133 €. Wie
das finanziert wurde, ist jetzt eine Frage der Ermittlung.
Abg. Heike Hofmann: Ich bin dankbar, dass der VGH-Präsident in aller Deutlichkeit die
hohe Belastung dargestellt hat und – ich darf einmal zitieren – dass nicht von der Hand
zu weisen ist, was der Bezirksrichterrat geschrieben hat. Generell will ich noch einmal
verdeutlichen, dass nach dem Abbauprogramm 150 Stellen in der Justiz weniger vor-
handen sind. Ich kann es vollumfänglich nachvollziehen, dass es für die Justiz keine Pla-
nungssicherheit gibt, die erforderlich wäre, wenn Stellen zwar zusätzlich vorgesehen,
aber mit dem Zusatz „kann wegfallen“ versehen sind.
Herr Innenminister, Sie haben angesprochen, dass Ali B. im Haus des Jugendrechts ein-
gebunden war. Wir haben das Haus des Jugendrechts 2007 hier im Hessischen Landtag
beantragt. Es gibt jetzt glücklicherweise etliche Häuser des Jugendrechts in Hessen. Ich
möchte Sie aber konkret dazu fragen, weil das ja nicht ganz unbedeutend ist. Wir spre-
chen hier von sechs Vorgängen. Aufgrund welchen Vorgangs/welcher Vorgänge war
Ali B. denn im Haus des Jugendrechts eingebunden, wie Sie es formuliert haben? Wel-
che Maßnahmen wurden konkret ergriffen, oder hätten von dort aus ergriffen werden
können, um den Dingen zeitnaher auf den Grund gehen zu können?
Minister Peter Beuth: Frau Kollegin Hofmann, das habe ich jetzt nicht verstanden.
(Abg. Jürgen Frömmrich: Ich auch nicht!)
Welche Maßnahmen meinen Sie?
Abg. Heike Hofmann: Sie haben es ja selbst dargestellt, dass im Haus des Jugendrechts
gerade hier in Wiesbaden verschiedene Fachdisziplinen – Polizei, Staatsanwaltschaft,
Jugendgerichtshilfe etc. – interdisziplinär miteinander arbeiten, übrigens auch präven-
tiv. Hier findet auch ein Täter-Opfer-Ausgleich statt. Es ist ja gerade die Stärke des Hau-
ses des Jugendrechts, wenn solche Jugendlichen mit entsprechenden Fällen dort sind,
dass man sich diese Fälle dann interdisziplinär anschaut und klärt, was präventiv getan
wird, damit der Jugendliche nicht noch einmal straffällig wird. Das ist ja gerade das
Konzept des Hauses des Jugendrechts.
Minister Peter Beuth: Wir haben ja in Wiesbaden eine große Tradition, was die Frage der
Jugenddelinquenz und deren Bearbeitung angeht – angefangen von der AG Jaguar in
Lb/me – 29 – INA 19/103 u. RTA 19/42 – 14.06.2018
den Neunzigerjahren, wenn ich daran noch einmal erinnern darf, sodass das es eine
konsequente Fortführung war, dass wir die Häuser des Jugendrechts hier eingerichtet
haben. Ich weise noch einmal darauf hin, bevor der Polizeipräsident das genauer tut:
Wir haben einen Zeitraum, in dem Ali B. aufgefallen ist, mit – sagen wir es einmal so –
Verdachtsmomenten. Es geht nicht darum, dass es irgendeine Verurteilung gegeben
hätte. Wir sind noch nicht einmal beim dringenden Tatverdacht richtig weitergekom-
men. Der Zeitraum lag zwischen Februar 2018 bis jetzt, so ist uns berichtet worden. Ich
will zumindest darauf hingewiesen haben. Wie die Behandlung im Haus des Jugend-
rechts gelaufen ist, da wäre ich dankbar, wenn die Polizei noch einmal etwas dazu sa-
gen kann.
Herr Münch: Der Herr Minister hat das zutreffend dargestellt. Wenn sich die Verdachts-
lage bestätigt, ist die Zeit, in der Ali B. Delinquent geworden ist, sehr eng gefasst. Wir
hatten eine Einstellung aus dem alten Jahr 2017. Alle anderen Fälle waren noch laufen-
de Ermittlungsvorgänge, sodass es noch nicht zum Verfahrensabschluss gekommen ist.
Die Schlagkraft und die Stärke der Häuser des Jugendrechts liegt ja gerade in der ge-
meinsamen schnellen Bearbeitung zwischen Polizei, der Jugendgerichtshilfe und der
Staatsanwaltschaft. Zur Frage der rechtlichen Bewertung: Ist das zutreffend aufgeführt
worden? – Es lag aufgrund der gemeinsamen Bewertung kein Grund für eine U-Haft vor.
Insofern war dort im Grunde genommen nach allen Regeln der Kunst alles getan wor-
den.
Herr Greilich, noch einen Hinweis zu der Frage des Durchsuchungsbeschlusses, der am
22. Mai wegen schweren Raubs erwirkt worden ist. Wie läuft das in der Praxis ab? – Das
Haus des Jugendrechts hat naturgegeben bei etwa 20 Personen, die dort arbeiten,
eine gewisse Durchsatzzahl. Wir hatten in der Umsetzung von Beschlüssen noch drei wei-
tere prioritäre Maßnahmen zu erledigen. In einem Fall ging es um eine Durchsuchung
nach einer Machete. Diese war am 28. Mai geplant. Dann gab es eine weitere Durch-
suchung wegen gefährlicher Körperverletzung mit einer Schusswaffe; diese war am
30. Mai getaktet. Eine weitere Bedrohung mit einer Schusswaffe war der Grund für eine
Durchsuchungsmaßnahme am 5. Juni. Es gab ein weiteres Verfahren am 7. Juni wegen
schweren Raubs, sodass die Kollegen im Rahmen der Lagebewertung und insbesonde-
re unter dem Eindruck des Hintergrunds des gesamten familiären Bildes gesagt haben,
dass das eine Aktion ist, die wir organisatorisch so planen und steuern müssen, dass wir
nicht nur mit dem Streifenwagen hinfahren, sondern entsprechende Maßnahmen ab-
stimmen müssen. Deswegen ist das dann im Rahmen der vorwiegenden Priorisierung für
den 12. Juni vorgesehen gewesen. Das ist in dem Umfeld ein veritabler Einsatz, der auch
zum Schutz der Kollegen dient. Ich glaube, ich brauche an der Stelle nicht weiter auszu-
führen, dass die Örtlichkeit mit den vorgegebenen Rahmenbedingungen für uns keinen
einfachen Zugriff erlaubt hätte. Insofern haben die Kollegen die Lagebeurteilung so
aufgesetzt, dass ein geplanter organisierter Zugriff erfolgt, der im Grunde genommen
durch die Situation, die wir alle kennen, überholt worden ist, sodass es dann im Endef-
fekt zu der Beschlussumsetzung nicht mehr gekommen ist.
Abg. Wolfgang Greilich: Herr Münch, Sie haben erst in dem Zusammenhang vom Haus
des Jugendrechts gesprochen. Das hatte doch wohl nichts mit dem Durchsuchungsbe-
schluss zu tun, oder? Das ist die eine Frage, die sich mir noch stellt.
Zum Zweiten ist es schon eine lange Zeitspanne, wenn man vorher innerhalb von fünf
Tagen den Durchsuchungsbeschluss erwirkt, dass man ihn dann in der Planung erst
einmal drei Wochen liegenlassen will. Das finde ich schon nachdenkenswert.
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Noch nicht beantwortet ist die Frage aus der letzten Runde – ich kann mir nicht vorstel-
len, dass dem jetzt plötzlich Interessen der Nichtöffentlichkeit der Ermittlungen entge-
genstehen –, ob bei den drei überprüften Unterkünften auch die dabei war, in der die
Familie B. wohnte.
Herr Münch: Ja, die Unterkunft war dabei.
Abg. Dr. Ulrich Wilken: Ich möchte auf die Frage nach der Reaktion des Hasses und der
Hetze im Internet zurückkommen. Frau Kühne-Hörmann, Sie haben ja schon etwas dazu
gesagt. Ich glaube, die Abscheulichkeit der Tat ist nur noch zu toppen durch die Wider-
lichkeit, wie jetzt im Netz mit Hass und Hetze gegen fast alle von uns vorgegangen wird
– angefangen von der Bundeskanzlerin etc. Jetzt lese ich ganz aktuell in den Medien,
dass derzeit eine bundesweite Razzia gegen Hassmails läuft. In der Berichterstattung
wird Hessen ausdrücklich nicht erwähnt, während hingegen andere Bundesländer er-
wähnt werden. Vielleicht könnten Sie dazu etwas sagen.
Minister Peter Beuth: Im Zweifel wird es sich um laufende Ermittlungen handeln. Dazu
kann ich Ihnen im Moment nichts sagen. Ich kann Ihnen aber zusagen, dass wir die
Antwort gerne in der nächsten Innenausschusssitzung nachliefern.
Abg. Hugo Klein (Freigericht): Liegen denn belastbare Dokumente vor, die das Alter des
Beschuldigten von 20 Jahren eindeutig bestätigen?
Minister Peter Beuth: Wir versuchen ja, den DPA-Ticker immer mitzulesen. Herr Kollege Dr.
Wilken, um 10:19 Uhr hat DPA in der Tat gemeldet, dass das Bundeskriminalamt gegen
Hasspostings koordiniert vorgeht. In der DPA-Meldung steht Hessen mit drin.
Das Thema „Alter des Beschuldigten“ kann der Landespolizeipräsident sicher noch auf-
klären.
Herr Münch: In Abstimmung mit dem Konsulat kam es im Rahmen einer Umsetzung zu
einem Dreher. Man muss wissen, dass im irakischen Recht nicht der Geburtstag als Erstes
genannt wird, sondern der Monat, also „11 3“. Das ist korrigiert und auch vom Konsulat
bestätigt. Er ist geboren am 11.03. und war zum Zeitpunkt der Begehung der Tat 21 Jah-
re alt.
Abg. Nancy Faeser: Ich glaube, das war vorhin etwas missverständlich, Herr Innenminis-
ter. Deswegen noch einmal konkret die Frage an die Polizei: Hat sich das Haus des Ju-
gendrechts in Wiesbaden mit Ali B. beschäftigt – ja oder nein?
Zum Durchsuchungsbeschluss: Es ist in der Tat eine große Zeitspanne vom 22. Mai bis
zum dann geplanten 12. Juni. Ich habe eine präzise Frage zu dem Durchsuchungsbe-
schluss wegen dieser Waffenfunde. Verstehe ich das richtig, dass sich der Durchsu-
chungsbeschluss gegen mehrere Beschuldigte richtete oder nur gegen Ali B.?
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Dann hätte ich von der Polizei gern einmal gewusst: Gab es denn eine Bewertung, als
dann das Verfahren zu Susanna F. geführt wurde und man ja auch u. a. die Asylbewer-
berunterkunft im Blick hatte und dort ja auch vorstellig war, weil sich das Mädchen da
möglicherweise aufhält. Hätte man da nicht eventuell auch einen Zusammenhang mit
dem Dursuchungsbeschluss sehen können, sodass es dann vielleicht angemessen ge-
wesen wäre, ihn schneller zu vollziehen?
Minister Peter Beuth: Zur Behandlung des Hauses des Jugendrechts hat m. E. der Polizei-
präsident eben schon einmal gesagt: Ja, sie hat stattgefunden. Das ist ja im Prinzip
auch von den mitbeteiligten Behörden bestätigt worden, weil man sich dort gemein-
sam über einzelne Fragen unterhalten hat, z. B. ob Haftbefehle, U-Haftbefehle möglich
sind oder nicht.
Herr Münch, bei der Frage des Durchsuchungsbeschlusses müssten Sie Folgendes noch
einmal erklären: Es muss klar werden, dass man für diese Maßnahme ein entsprechen-
des Umfeld braucht.
Herr Münch: Zunächst noch einmal zur Klarstellung bei den dargestellten Maßnahmen:
Das sind völlig andere Fälle. Ich habe versucht, das anzudeuten, weil das Haus des Ju-
gendrechts eine Vielzahl von Fällen bearbeitet. Im Rahmen des Einsatzes der operati-
ven Einheit, die die Operative abbildet, um prozessuale Maßnahmen umzusetzen, ist
das dort gemeinsam entschieden worden. Das heißt, die vier genannten Fälle haben
mit unserem in Rede stehenden Ali B. gar nichts zu tun gehabt. Ali B. war ein nächster
Fall.
Zum Zweiten. Am dem Tag, als der Durchsuchungsbeschluss gefasst wurde, lag noch
nicht einmal eine Vermisstenanzeige vor. Eine Zusammenführung der Ereignisse war also
noch gar nicht möglich, weil der Durchsuchungsbeschluss am 22. Mai wegen schweren
Raubs gegen den Hauptverdächtigen gefasst wurde. Die Vermisstenanzeige ist aber
erst am 23. Mai erstattet worden, nachdem das Kind am 22. Mai verschwunden war. Es
war also schlichtweg unmöglich, da einen Sachzusammenhang herzustellen.
Abg. Nancy Faeser: Ich habe das noch nicht verstanden. Ist jetzt Ali B. im Haus des Ju-
gendrechts behandelt worden, ja oder nein? Wenn das so ist, ist es ja in Ordnung. Dann
hätte ich das nur gerne noch einmal präzise gewusst, wenn das quasi zu dem Fall war,
dringender Tatverdacht, ja oder nein, was spricht gegen ihn, für ihn? Herr Münch, ich
würde gerne Folgendes davon abtrennen: Die Frage der Durchsuchungsmaßnahmen
hatte aber mit dem Durchsuchungsbeschluss gegen Ali B. nichts zu tun, oder doch? Das
hätte ich gerne noch einmal auseinandergehalten.
Herr Münch: Ali B. war in der Sachbearbeitung des Hauses des Jugendrechts. Im Rah-
men der Sachbearbeitung wurde wegen Ermittlung des schweren Raubs ein Durchsu-
chungsbeschluss beantragt und erlassen. Er ist am 22. Mai erlassen worden, am 24. Mai
lag er auf dem Postweg bei dem Haus des Jugendrechts vor. Ali B. ist einer von vielen
jugendlichen Delinquenten, die im Haus des Jugendrechts bearbeitet werden. Bezüg-
lich der sonstigen Sachbearbeitung sind weitere Vorgänge im Rahmen der operativen
Umsetzung besprochen worden. Deswegen ist nach dem postalischen Eingang mit den
Einheitsführern der operativen Einheit gesprochen worden, wann der Beschluss umge-
setzt werden kann. Da gab es eine Taktung. Ich habe die Termine genannt, wann die
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vier Vormaßnahmen geplant waren. Der Durchsuchungsbeschluss, der mit den ande-
ren Verfahren gar nichts zu tun hatte, war dann für den 12. Juni eingeplant.
Vorsitzender Abg. Horst Klee: Gibt es weitere Fragen? – Ich stelle fest, das ist nicht der
Fall. Damit ist diese Sitzung geschlossen.
Wiesbaden, 9. Juli 2018
Für die Protokollierung: Der Vorsitzende des INA: Der Vorsitzende des RTA:
Claudia Lingelbach Horst Klee Christian Heinz