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Fakultät Architektur Lehrstuhl für Tragwerksplanung Prof. Dr.-Ing. Wolfram Jäger Tel.: 03 51 / 4 63 – 3 50 10 * Fax: - 3 77 13 E-Mail: [email protected] TECHNISCHE UNIVERSITÄT DRESDEN Kurzfassung zum Abschlussbericht Titel: Kosteneinsparung durch wirklichkeitsnahe Erfassung des Tragverhaltens von Mauerwerksbauten Wirklichkeitsnahe Erfassung des Tragverhaltens von Mauerwerksbauten des Wohnungsbaus mit dem Ziel einer höheren Materialausnutzung und der weiteren Kosteneinsparung unter Berücksichtigung der Möglichkeiten der Rationalisierung der Ausführung. Gefördert vom: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Referat II 13 Deichmanns Aue 31-37 53179 Bonn Aktenzeichen: Z 6 - 5.4 - 01.10 / II 13 -80 01 01-10 Bearbeitung: Technische Universität Dresden Fakultät Architektur Lehrstuhl Tragwerksplanung Prof. Dr.-Ing. Wolfram Jäger Prof. Dr.-Ing. Wolfram Jäger Dipl.-Ing. Gunar Baier Dipl.-Ing. Mike Thieme Datum: September 2004

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TECHNISCHE UNIVERSITÄT

DRESDEN

Kurzfassung zum Abschlussbericht

Titel: Kosteneinsparung durch wirklichkeitsnahe Erfassung des Tragverhaltens von Mauerwerksbauten

Wirklichkeitsnahe Erfassung des Tragverhaltens von Mauerwerksbauten des Wohnungsbaus mit dem Ziel einer höheren Materialausnutzung und der weiteren Kosteneinsparung unter Berücksichtigung der Möglichkeiten der Rationalisierung der Ausführung.

Gefördert vom: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung

Referat II 13 Deichmanns Aue 31-37 53179 Bonn Aktenzeichen: Z 6 - 5.4 - 01.10 / II 13 -80 01 01-10

Bearbeitung: Technische Universität Dresden Fakultät Architektur Lehrstuhl Tragwerksplanung Prof. Dr.-Ing. Wolfram Jäger

Prof. Dr.-Ing. Wolfram Jäger Dipl.-Ing. Gunar Baier Dipl.-Ing. Mike Thieme

Datum: September 2004

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Die Verantwortung für den Inhalt des Berichtes liegt beim Autor“

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1 Ziel der Forschungsaufgabe Die Bemessung nach der Methode der Grenzzustände setzt sich im Bauwesen allgemein durch. Auch der Mauerwerksbau muss diese Methodik zukünftig übernehmen, um ein einheitliches Berechnungs- und Bemessungskonzept für alle Bauteile eines Gebäudes zu haben. Durch die detaillierte Erfassung der Sicherheitseinflüsse und fundiertere Berechnungs- und Bemessungsmethoden sind damit Effekte im Sinne der Kostenreduzierung möglich, die bisher nicht erschlossen worden sind. Das betrifft vor allem die Berücksichtigung der Deckenverdrehung beim Nachweis gemauerter Wände. Tastversuche haben gezeigt, dass der Wand-Decken-Knoten, also die Verbindungsstelle zwischen Wänden und Geschossdecken innerhalb eines Gebäudes wesentlich biegeweicher und damit die Momentenbeanspruchung für die Wände wesentlich geringer ist, als dies rechnerisch angenommen wird.

Die Wand-Decken-Knoten-Modelle im Mauerwerksbau stellen komplexe und statisch mehrfach unbestimmte Systeme dar. Eine realitätsnahe Einschätzung des Tragverhaltens kann nur dann erfolgen, wenn die Rissbildungsprozesse, die in diesen Bereichen bereits unter Gebrauchslasten in Wohnungsbauten auftreten, berücksichtigt werden. In den Normen DIN 1053-1 als auch in EC 6 (prEN 1996-1-1) sind vereinfachte Berechnungsmodelle angegeben, mit deren Hilfe die Biegemomente M in den Wänden bestimmt werden können. Die Berechung erfolgt in beiden Verfahren auf Basis von ebenen Rahmensystemen, bei denen die horizontalen Geschossdecken und die vertikalen Wände als biegesteif miteinander verbunden angenommen werden. Da dies den tatsächlichen Verbindungseigenschaften jedoch nicht entspricht, wird zur Korrektur der Ergebnisse ein zusätzlicher Abminderungsfaktor zur Reduzierung der berechneten Biegemomente verwendet. Bild 1 zeigt das vereinfachte Berechnungsmodell mit den zugehörigen Gleichungen nach EC 6.

M1

M2

2a

3a 1a

4a

2b

3b 1b

4b

h

l4 l3

Rahmen a

Rahmen b

Berechnung am Rahmen a

Berechnung am Rahmen b

Moment am Kopf der Wand:

( ) ( )⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

−−

−×=ϕ

∑ =

1414 4

244

3

233

4

1

1

111

1 nlw

nlw

lIEn

lIEn

)(M

ii

iii

*

mit 4

444

1

1114

1 lIEn

...h

IEnl

IEni

i

iii ++=∑ =

Bemessungswert

*)(Mk)(M ϕ×⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ −=ϕ 11 41

mit

hI En

+ h

I Enl

I En +

lI En

= k

2

22

1

11

4

44

3

33

21

43

E: E-Modul I: Trägheitsmoment h: Wandhöhe l: Deckenspannweite n: Steifigkeitsfaktor k: Abminderungsfaktor

Bild 1 Vereinfachtes Rahmensystem nach EC 6 und zugehörige Berechnungsformeln

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Experimentelle Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass mit den vorhandenen Berechnungsmodellen nach Eurocode 6 und DIN 1053-1 das tatsächliche Tragverhalten in diesem Bereich nur unzureichend erfasst werden kann. Ziel des Forschungsvorhabens war es deshalb, durch die realitätsnahe Erfassung des Tragverhaltens von Mauerwerksbauten, besonders im Bereich des Wand-Decken-Knotens, Effekte im Sinne einer Kostenreduzierung herauszuarbeiten und nach Möglichkeit umzusetzen.

2 Durchführung der Forschungsaufgabe

2.1 Allgemeines Das Tragverhalten des Wand-Decken-Knotens ist in Deutschland bisher nicht ausführlich untersucht worden. Dies ist, basierend auf der Einheit von theoretischen, experimentellen und numerischen Verfahren, im Rahmen dieses Projektes erfolgt.

Der Wand-Decken-Knoten stellt bei der Bemessung von Mauerwerk eine wesentliche Problemstelle dar. Durch die behinderte Verdrehung der Deckenplatten entstehen in Geschossbauten Einspannmomente an den Verbindungsstellen zwischen Decken und Wänden, die in die Wandkonstruktionen abgeleitet werden. Der Einspanngrad schwankt dabei, abhängig von Geometrie und Baustoffkenngrößen, zwischen voller Einspannung und gelenkiger Lagerung. Das Biegemoment bewirkt eine exzentrische Abtragung der Normalkräfte in den Wänden, was wiederum die Tragfähigkeit der Wand nachhaltig beeinflusst.

Wϕ Wanddrehwinkel

Dϕ Deckendrehwinkel ϕ∆ Differenzdrehwinkel

Bild 2 Rahmenssystem in einem mehrgeschossigen Mauerwerksbau und auftretende Verdrehungen im Knotenbereich

Einer möglichst realitätsnahen Bestimmung der Lastexzentrizität bzw. der infolge Behinderung der Deckenverdrehungen indizierten Biegemomente, kommt damit eine besondere Bedeutung bei der Bemessung zu.

2.2 Theoretische Betrachtungen In der Vergangenheit sind verschiedene Methoden entwickelt worden, mit deren Hilfe die gesuchten Größen, teils auf empirischem, teils auf experimentellem Wege bestimmt werden können. Einige ausgewählte und für die Arbeit als Basis zur Weiterentwicklung geeignete Theorien wurden in ihren Grundzügen analysiert.

ϕD

ϕW

∆ϕ

ϕW

M

ϕw ≠ ϕD

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Eine realitätsnahe Berechnung der Knotenmomente kann nur unter Berücksichtigung der Rissbildung im Knotenbereich erfolgen. Somit wurde das im EC 6 enthaltene Berechnungsmodell dahingehend modifiziert, indem im Bereich des Knotens nichtlineare Drehfedern eingeführt wurden. Damit ergibt sich z.B. für einen Außenwand-Decken-Knoten folgendes statisches System.

1

2

<1>

EI4 EI1

l4

h1

h2

<2>

<3>

<4>4

EI2 q

x1 x2

x1

x2

x1 x2

1x~

2x~3ϕ~

Knoten i

i

Drehfeder

DW ϕ≠ϕ

iD ϕ=ϕ

WM

WM DM

unverformt

verformt

Bild 3 Statisches System für einen Außenwand-Knoten mit Drehfedern im Knotenbereich

Dies gleicht im wesentlichen dem System nach Eurocode 6. Die Rotationssteifigkeit der Drehfedern ist über das Verhältnis des in die Wand übertragenden Momentes WM zur dabei entstehenden Differenz zwischen Wand- und Deckendrehwinkel ∆ϕ definiert.

Mw

M0

∆ϕ

M2=M0+c2*⋅∆ϕ

M1=c1*⋅∆ϕ

real

genähert

Sie ist abhängig von der Stein-Mörtel-Kombi-nation des Mauerwerks, der im Knotenbereich wirkenden Auflast und der Geometrie des Deckenauflagers. Der prinzipielle Zusammen-hang ist in nebenstehendem Bild qualitativ dargestellt. Die Funktion kann mittels experimenteller als auch durch numerische Untersuchungen ermittelt werden. Damit ist auchdie Rotationssteifigkeit ic bestimmbar.

Bild 4 M-∆ϕ -Beziehung

Sind die Federsteifigkeiten bekannt, kann das Modell in analoger Weise zu den bisher im Eurocode 6 enthaltenen Verfahren angewendet werden. Die Form der Bestimmungsgleichung des Wandbiegemomentes ist dabei lediglich um einen zusätzlich entstandenen Summanden erweitert, der die Federsteifigkeit ci enthält. Das Kopfmoment der unteren Wand könnte dann folgendermaßen ermittelt werden (vgl. Formeln in Bild 1):

( )14

21414

141414

14

131313

13

121212

12

121212

12

1 −⋅⋅

++

++

+

+=

nlq

EInclnEI

EInclnEI

EInclnEI

EInclnEI

M .

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2.3 Experimentelle Untersuchungen Zur Überprüfung der theoretischen Erkenntnisse wurde je ein Versuch an einem Außenwand- und einem Innenwandknoten im Originalmaßstab durchgeführt. Dabei wurde in beiden Fällen bewusst ein 1m breiter Streifen gewählt, um bei der Überprüfung der „ebenen Formeln“ räumliche Effekte auszuschließen. Der Aufbau und die wesentlichen Parameter können Tabelle 1 entnommen werden

Innenwand-Decken-Knoten Außenwand-Decken-Knoten

Wände - Breite: m 01,b =

- lichte Höhe: m 52,h =

- Wanddicke: m 1750,t =

- Kalksandstein DIN 106 KS 12 – 1,8 -175

- Mörtel Normalmörtel MGII

- Breite: m 01,b =

- Höhe: m 02,h =

- Wanddicke: m 1150,t =

- Kalksandstein KS Quadro 20 – 2,0 – 115

- Mörtel Dünnbettmörtel

Decken - Breite: m 01,b =

- Spannweite: m 06,l =

- Deckendicke: m 160,d =

- Beton B25

- Betonstahl BST 500 M/S

- Breite: m 01,b =

- Spannweite: m 05,l =

- Deckendicke: m 160,d =

- Beton B25

- Betonstahl BST 500 M/S

Tabelle 1 Zusammenstellung der wesentliche Parameter für die Versuchskörper

In beiden Versuchen wurden für verschiedene Kopfbelastungen der Wände die Deckenlasten entsprechend den im Wohnungsbau üblichen Lasten gesteigert und die Verformungen der Decken und Wände sowie deren Verdrehungen am Knoten gemessen.

Mit Hilfe der aufgezeichneten Messdaten wurden die Biegemomente am Wand-Decken-Knoten bestimmt. Deutlich zu beobachten waren Rissbildungen in der 2. Lagerfuge unter-

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und oberhalb der Deckenplatte. Die Fuge zwischen Wänden und Decke blieb ungerissen. Ursache dafür sind die gegenüber der reinen Lagerfuge (Stein-Mörtel) besseren Verbundeigenschaften (Haftzugfestigkeit) zwischen Deckenplatte und den angrenzenden Steinen, wodurch die Risse nicht in der Fuge zwischen Beton und Stein, sonder erst zwischen der 1. und 2. Steinreihe auftraten.

Tabelle 2 zeigt beispielhaft für den Außenwandknoten die Gegenüberstellung der Größe der Deckeneinspannmomente im Bereich des Knotens. Die experimentellen Ergebnisse sind mit MEXP. bezeichnet. Mit M4 ist das Deckeneinspannmoment bezeichnet, das mit dem Berechnungsmodell des Eurocode 6 errechnet wurde. Hierbei wurde noch eine zusätzliche Differenzierung nach der Größe des bei der Berechnung verwendeten E-Moduls von Mauerwerk vorgenommen, da gemäß Eurocode der E-Modul mit E = 1000fk (fk -Mauerwerksdruckfestigkeit) definiert wird, während sich experimentell an nach DIN 18854-1 geprüften Kleinkörpern nur E = 500fk ergab.

Versuch EC 6 Verhältnis Laststufe

.EXPM [kNm]

kfEM 500= [kNm]

kfEM 1000= [kNm] kfE

EXP

MM

500=

kfE

EXP

MM

1000=

1/20 -0,631 -1,394 -3,441 0,45 0,18

3/15 -1,143 -1,394 -3,441 0,82 0,33

5/8 -1,925 -1,394 -3,441 1,38 0,56

Tabelle 2 Gegenüberstellung der experimentell bestimmten und der nach prEN 1996-1-1 berechneten Biegemomente

Aus der Tabelle ist deutlich zu erkennen, dass die experimentell ermittelten Biegemomente für unterschiedliche Laststufen und damit vertikale Auflasten veränderlich sind. Im Gegensatz dazu erhält man nach dem Eurocode-Verfahren stets den gleichen Zahlenwert, da das Verfahren selbst auflastunabhängig ist, was als ein wesentliches Manko zu werten ist. Hinzu kommt, dass sich die unterschiedlichen Verhältnisse von Elastizitätsmodul und Druckfestigkeit des Mauerwerks sehr stark auf die Ergebnisse auswirken.

Die experimentellen Werte liegen in Abhängigkeit der vertikalen Auflast in den Wänden im Vergleich zu den auf Basis von E = 1000fk berechneten Werten lediglich bei 18-56%. Das in die Wände eingetragene Biegemoment ist damit im ungünstigsten Fall nur halb so groß, wie das berechnete Moment. Ähnliche Tendenzen zeigt auch der Vergleich mit den auf Basis des experimentell ermittelten E-Moduls berechneten Größen. Für geringere Auflasten liegen auch hier die Werte unterhalb der theoretischen Größen. Hinzu kommt noch, dass bei hohen Auflasten (letzte Zeile der Tabelle) das berechnete Moment geringer ausfällt, als dies in Wirklichkeit der Fall ist.

Insgesamt muss festgestellt werden, dass die mit dem theoretischen Modell nach Eurocode 6 berechneten Biegemomente nur unzureichend die im Experiment nachgebildeten realen Verhältnisse wiedergeben. Diese Feststellung war eine wesentliche Ursache für die im Punkt 2.2 näher beschriebene Modifikation des Verfahrens mittels Einführung der nichtlinearen Drehfedern im Bereich des Wand-Decken-Knotens. Die Ergebnisse am Innenwand-Knoten zeigten die gleichen Tendenzen.

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2.4 Numerische Untersuchungen Zur Verifizierung der theoretischen und experimentellen Untersuchungsergebnisse und zur weiterführenden Analyse wurden auf Basis der Finiten-Elemente Methode (FEM) numerische Untersuchungen zur Problematik durchgeführt. Dazu wurde ein bereits am Lehrstuhl Tragwerksplanung vorliegendes numerisches Modell verwendet und entsprechend den Anforderungen der untersuchten Thematik angepasst. Wesentliche Ziele waren zum Einen die numerische Nachstellung der durchgeführten experimentellen Untersuchungen, zum Anderen die Entwicklung eines Verfahrens zur realitätsnahen Bestimmung der Knotenbiegemomente auf Basis numerischer Verfahren.

Das verwendete Modell ist als dreidimensionales MICRO-Modell zu verstehen, bei dem die Steine und die Mörtelfugen diskret modelliert werden. Damit ist es möglich, dem Stein als auch dem Mörtel getrennte Eigenschaften zuzuweisen. Der Verbund zwischen beiden Komponenten wird mittels eines Interface Elements simuliert, dem ebenfalls wieder ganz konkrete Eigenschaften zugewiesen werden können. Die für das FEM-Modell relevanten Parameter wurden in parallel zu den im Abschnitt 2.3 beschriebenen Großversuchen durchgeführten Materialprüfungen ermittelt.

Damit konnten beide Versuche (IWDK und AWDK) numerisch simuliert werden. Die Belastung sowie die geometrischen Parameter wurden in analoger Weise zu den experimentellen Untersuchungen übernommen. Aus den je Laststufe ermittelten Daten erfolgte wiederum die Bestimmung der Verformungen von Wänden und Decken. Insgesamt konnte gegenüber den experimentell ermittelten Größen eine gute Übereinstimmung festgestellt werden. Gleiches gilt in Bezug auf die im Experiment beobachteten Rissbildungen. Auch in der numerischen Simulation traten die Risse nicht in der ersten Fuge direkt über bzw. unter der Stahlbetondeckenplatte auf, sondern erst in der jeweils zweiten Lagerfuge (Stein-Mörtel-Stein).

FEM Laststufe

FEMM [kNm]

1/20 -0,48

3/15 -1,25

5/8 -1,95

Bild 5 Links: Modell und Belastung; mitte: Spannungsverteilung und Rissbildung im Knotenbereich (Laststufe 20 - geringe Auflast); rechts: Größe der Deckenein-spannmomente

Verglichen mit den experimentell ermittelten Biegemomenten am Wand-Decken-Knoten kann eine sehr gute Übereinstimmung festgestellt werden. Dies führt zu der Erkenntnis, dass mit dem hier verwendeten Modell augrund der zu den experimentellen Untersuchungen guten Korrelation der Ergebnisse eine realitätsnahe Ermittlung der Schnittgrößen in jedem Fall für die hier vorrangig untersuchten Stein-Mörtel-Kombinationen grundsätzlich möglich ist. Darüber hinaus ist auch die Ermittlung der für das erweiterte theoretische Modell erforderlichen M-∆ϕ-Beziehungen und damit der unbekannten Federsteifigkeiten möglich.

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3 Zusammenfassung der Ergebnisse Als wesentliche Ergebnisse lassen sich folgende Dinge ableiten:

• Das Berechnungsmodell nach prEN 1996-1-1 liefert realitätsnahere Ergebnisse, als dies bei Anwendung des Verfahrens in DIN 1053-1 der Fall ist. Eine Übernahme dieses Verfahrens in die zu überarbeitende DIN 1053-1 ist daher prinzipiell empfehlenswert. Die tatsächlichen Verhältnisse werden trotz des gegenüber DIN 1053-1 verbesserten Verfahrens gemäß prEN 1996-1-1 dennoch nicht ausreichend erfasst. Bei geringeren Auflastbereichen sind hier nach wie vor Tragreserven und damit Potentiale für die Anwendung schlankerer Wände vorhanden.

• Bei dickeren Wänden sind noch größere Einsparpotentiale vorhanden, da die Abminderung, wie sie gegenwärtig nach prEN 1996-1-1 erfolgt, ausschließlich auf dem elastischen Steifigkeitsverhältnis zwischen Decken und Wänden basiert. Bei größeren Wandstärken fällt die Abminderungsmöglichkeit nach Norm damit geringer als bei schlanken Wänden aus, obwohl die gleichen Rissbildungsprozesse von statten gehen.

• Die an dem experimentell untersuchten Kalksandsteinmauerwerk abgeleiteten Erkenntnisse sind prinzipiell auch auf anderes Mauerwerk aus Steinen mit mittleren und hohen Festigkeiten übertragbar (Ziegel- und Leichtbetonsteine).

• Das Verfahren in prEN 1996-1-1 ist nicht auflastabhängig, was als Nachteil zu bewerten ist und eine Ursache für die festgestellten Abweichungen darstellt.

• Der Einfluss der Haftzugfestigkeit zwischen Mauerstein und Fugenmörtel auf das Tragverhalten des Knotens wird bisher nicht berücksichtigt. Solange die Haftzugfestigkeit nicht überschritten wird, bleibt der Knoten biegesteif. Erst danach, sind Abminderungen überhaupt zulässig. In Fällen, wo die Steinzugfestigkeit geringer als die Haftzugfestigkeit ist, ist nicht mit der sonst üblichen Rissbildung in den Fugen zu rechnen. Der Knoten verhält sich dann bis zum Erreichen der Steinzugfestigkeit biegesteif. Anschließend ist ein plötzliches Versagen des Knotens zu erwarten (Porenbetonsteine in Kombination mit Dünnbettmörtel).

• Die Normalkraft in den Wänden ist maßgeblich für die Einspannwirkung der Decken in den Wänden verantwortlich. Der Abminderungsfaktor nach prEN 1996-1-1 liefert bei hohen Auflasten und sehr schlanken Wänden u. U. nicht gesicherte Ergebnisse. Hier sind zukünftig Korrekturen notwendig.

• Bei Anwendung des E-Moduls von Mauerwerk gemäß prEN 1996-1-1 (E=1000fk), entstehen gegenüber dem Experiment erheblich zu große Wandbiegemomente Korrekturen bei der Festlegung dieser Größe können maßgeblich zur Verbesserung der Ergebnisse beitragen.

• Das erweiterte Modell mit zusätzlich im Knotenbereich eingeführten Drehfedern lieferte selbst bei einer vereinfachend konstant angesetzten Federsteifigkeit für den Versuch am Außenwand-Knoten eine gute Übereinstimmung mit den experimentellen Ergebnissen. Die Anpassung erfolgte besser als nach EC 6. Die erforderlichen Federsteifigkeiten konnten aus den Versuchsdaten ermittelt werden. Das Verfahren gleicht dem in prEN 1996-1-1, lässt jedoch auch die Berücksichtigung unterschiedlicher vertikaler Auflasten zu.

• Die Berücksichtigung veränderlicher Federsteifigkeiten ist bereits im theoretischen Modell impliziert. Damit wäre das Tragverhalten des Wand-Decken-Knotens mit einfachen Mitteln sehr gut erfassbar. Voraussetzung ist die Bestimmung der veränderlichen Steifigkeiten der Drehfedern. Dies kann experimentell oder auch

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numerisch an einfachen Systemen erfolgen. Die Anwendung des theoretischen Modells auf unterschiedlichste Stein-Mörtel-Kombinationen ist damit gegeben.

• Das zur Verifizierung erstellte FEM-Modell eignet sich sehr gut zur Nachstellung der realen Verhältnisse am Wand-Decken-Knoten. Die Übereinstimmung mit den experimentellen Ergebnissen ist als sehr gut einzuschätzen. Das Modell ist auf verschiedene Materialkombinationen anwendbar, vorausgesetzt, die dazu verwendeten Materialparameter sind bekannt.

• Eine realitätsnahe Berechnung der tatsächlichen Schnittgrößen kann mit Hilfe des Finiten-Element Modells an einem komplett im Originalmaßstab nachzubildenden System ebenfalls erfolgen. Das Modell ist zudem auch für die Bestimmung der für die theoretische Lösung erforderlichen Federsteifigkeiten sehr gut geeignet. Aufwändige experimentelle Untersuchungen können damit weiter reduziert werden.

Daraus lassen sich folgende Empfehlungen für die gegenwärtige Normungsarbeit ableiten:

• Die Übernahme des Verfahrens der prEN 1996-1-1 zur Berechnung der Biegemomente in den Wänden aufgrund der Deckenverdrehungen sollte bei der Überarbeitung der DIN 1053-1 erfolgen.

• Die Zwischenergebnisse des Projektes sind in die Überarbeitung der ENV 1996-1-1, die nun als prEN 1996-1-1 vorliegt, eingeflossen. Im Anhang C konnte bei der Bestimmung des Abminderungsfaktors η=1-k/4 eine Klausel eingeführt werden, die eine grundsätzliche Anpassungsmöglichkeit offen lässt. Damit ist eine weitere Spezifizierung auch im Eurocode nach wie vor möglich. Verbesserte k- bzw. η-Werte können auf Basis des beschriebenen numerischen Modells ermittelt werden. Diese sind jedoch nicht in konstanter Form anzugeben.

• Mit dem Berechnungsmodell auf Basis der Drehfedern im Knotenbereich liegt zusätzlich ein einfach handhabbarer Algorithmus vor, der zur Verbesserung der Realitätsnähe der normativen Berechnungsverfahren als auch im Sinne einer Typenstatik bei größeren Wohnungsbauvorhaben geeignet ist. Damit können der bisher nicht erfasste Einfluss unterschiedlicher Auflasten sowie Rissbildungsprozesse berücksichtigt werden, was maßgeblich zu verbesserten Ergebnissen beiträgt.

• Der Abminderungsfaktor ist in jedem Fall materialabhängig und somit für unterschiedliche Stein-Mörtel-Kombinationen veränderlich. Es zeigt sich, dass zukünftig zur realitätsnahen Erfassung des Tragverhaltens von Mauerwerksbauten eine normative Kategorisierung von Mauerwerk notwendig wird, um die ausgewiesenen Reserven zu erschließen. Diese muss hinsichtlich der versagensrelevanten Eigenschaften erfolgen.

• Bei Ein- und Zweifamilienhäusern kann davon ausgegangen werden, dass der Abminderungsfaktor infolge der geringen Geschosszahl deutlich niedriger ausfällt, als bisher berechnet. Die Wandquerschnitte können damit aus statischer Sicht weiter reduziert werden, wodurch besonders bei Kalksandsteinmauerwerk Wände mit 11,5 cm ausreichend sind.

Quellen

[1] Jäger, W.; Baier, G.: Kosteneinsparung im Mauerwerksbau durch wirklichkeitsnahe Erfassung des Tragverhaltens von Mauerwerksbauten. Forschungsbericht: TU Dresden, Fakultät Architektur, Lehrstuhl Tragwerksplanung. Gefördert durch Mittel des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung. Dresden September 2004