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Kurzgutachten zu den Artikeln 8 bis 11 des Entwurfs für ein Integrationsgesetz des Kantons Bern zuhanden des Rechtsamtes der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern Verfasst durch Prof. Dr. iur. Alberto Achermann, LL.M., Rechtsanwalt in Bern Bern, 31. März 2011

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Kurzgutachten zu den Artikeln 8 bis 11 des Entwurfs für ein Integrationsgesetz des Kantons Bern

zuhanden des Rechtsamtes der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern

Verfasst durch Prof. Dr. iur. Alberto Achermann, LL.M., Rechtsanwalt in Bern

Bern, 31. März 2011

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Inhaltsverzeichnis

I. Auftrag .................................................................................................................. 3

II. Ausgangslage ....................................................................................................... 3

1. Der Entwurf für ein Integrationsgesetz des Kantons Bern 3

2. Integrationsverpflichtungen auf Bundesebene 6

3. Kantonale Kompetenzen im Bereich Integrationsverpflichtungen 6

III. Beurteilung der Art. 8 bis 11 IntG ........................................................................ 10

1. Abklärung des Integrationsbedarfes, Beratungsstellen 10

2. Integrationsvereinbarungen der Migrationsbehörde 11

3. Integrationsmassnahmen der Gemeinden 14

4. Situation von neu zuziehenden Staatsangehörigen aus EU- und EFTA-Ländern 18

4.1. Anmeldung (Art. 8 Abs. 1 IntG) und Erstgespräch (Art. 8 Abs. 2 IntG) 18

4.2. Integrationsvereinbarung der Migrationsbehörde (Art. 10 IntG) 19

4.3. Massnahmen der Gemeinde (Art. 11 IntG) 20

IV. Hinweise auf weitere rechtliche Problemzonen ................................................... 21

V. Beantwortung der Gutachtensfragen .................................................................. 23

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I. Auftrag

Der Verfasser ist vom Rechtsamt der Gesundheit- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern (GEF) beauftragt worden, im Rahmen eines Kurzgutachtens eine kritische Analyse des Entwurfes eines Integrationsgesetzes des Kantons Bern, namentlich der Art. 8 bis 11, hinsichtlich der Vereinbarkeit mit übergeordnetem Recht vorzunehmen und soweit möglich konkrete Vorschläge für die Formulierung von Gesetzesbestimmungen für ver-pflichtende Integrationsleistungen zu machen.

Im Einzelnen soll das Kurzgutachten namentlich folgende Fragen beantworten:

1. Hält sich Artikel 10 des Entwurfs im Rahmen der bundesrechtlichen Vorgaben?

2. Ist Artikel 11 des Entwurfs mit dem übergeordneten Recht vereinbar?

3. Können die „Massnahmen der Gemeinde“ (Integrationsvereinbarung sui generis, Verfügung einer Integrationsmassnahme, verwaltungsrechtliche Sanktion bei Nicht-einhaltung) gemäss Artikel 11 auch gegenüber Ausländerinnen und Ausländern aus dem EU/EFTA-Raum Anwendung finden?

4. Falls die Massnahmen nur teilweise Anwendung finden können, wo liegen die Gren-zen?

5. Falls für EU/EFTA-Staatsangehörige keine verpflichtenden Massnahmen möglich sind: Besteht eine andere Möglichkeit für eine verbindliche Einforderung der Integ-rationsleistungen für die Zielgruppe, die sich nach AuG oder Freizügigkeitsabkom-men EU/EFTA nicht verpflichten lässt? Wie müssten solche Normen formuliert wer-den?

Schliesslich soll das Gutachten auf weitere Punkte hinweisen, die aus Sicht des Gutach-ters Fragen aufwerfen.

II. Ausgangslage

1. Der Entwurf für ein Integrationsgesetz des Kanto ns Bern

Der Entwurf für ein Gesetz über die Integration der ausländischen Bevölkerung (Integra-tionsgesetz, IntG; in der Folge für den Entwurf verwendet) in der Fassung für das Ver-nehmlassungsverfahren vom April 2010 bezweckt gemäss Art. 1 u.a. die Förderung der Integration der ausländischen Bevölkerung (lit. a), die Einforderung eines eigenen Bei-trages zur Integration der ausländischen Bevölkerung (lit. b), die Verstärkung der Teilha-

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be der ausländischen Bevölkerung am wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politi-schen Leben (lit. c), die Ermöglichung der Chancengleichheit (lit. d) oder der Entfaltung individueller Fähigkeiten (lit. e) und schliesslich auch die Verhinderung ethnisch-kultureller Diskriminierungen (lit. g). Das Gesetz gilt in Bezug auf die Integrationsbe-stimmungen für alle „längerfristig und rechtmässig anwesenden Ausländerinnen und Ausländer“ (Art. 2 Abs. 1), was gemäss dem Vortrag des Regierungsrates an den Gros-sen Rat in der Fassung für das Vernehmlassungsverfahren vom April 2010 (in der Folge Vortrag Regierungsrat) „ausländische Personen mit einer Aufenthalts- oder Niederlas-sungsbewilligung sowie vorläufig aufgenommene Personen“ umfasst (ad Artikel 2 Absatz 1, S. 17). Im Weiteren gelten die Bestimmungen gemäss Vortrag Regierungsrat auch für Ausländerinnen und Ausländer aus der EU und der EFTA, „[s]ofern sie nicht durch die Bestimmungen der Personenfreizügigkeit eingeschränkt werden“ (a.a.O).

Während sich das 2. Kapitel des Gesetzes mit den Grundsätzen (Art. 3) befasst, regelt das 3. Kapitel unter dem – eher ungenauen – Titel „Aufgaben von Kanton und Gemein-den“ auch die Pflichten von Migrantinnen und Migranten. Solche finden sich in folgenden Bestimmungen:

• Gemäss Art. 6 Abs. 2 IntG haben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Sprach- und Integrationskursen, die mit kantonalen oder kommunalen Beiträgen durchgeführt werden, „unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse an-gemessen an den Kurskosten zu beteiligen“.

• Laut Art. 8 Abs. 1 IntG sind neu aus dem Ausland zuziehende Ausländerinnen und Ausländer ab dem 15. Altersjahr verpflichtet, sich in der Wohngemeinde persönlich anzumelden.

• Im Zusammenhang mit dieser persönlichen Anmeldung sieht Art. 8 Abs. 2 IntG ein „Erstgespräch“ vor, bei dem die Ausländerinnen und Ausländer „ausreichend über ih-re Rechte und Pflichten sowie über die örtlichen Lebensbedingungen und die vor-handenen Angebote zur Förderung der Integration“ orientiert werden.

• Falls die Gemeinde feststellt, dass bei der anmeldenden Person oder bei ihrer Fami-lie ein besonderer Integrationsbedarf vorliegen könnte, meldet sie die betroffene Per-son oder Familie laut Art. 8 Abs. 3 IntG bei einer regionalen Beratungsstelle für die Integration an. Dies kann auch zu einem späteren Zeitpunkt geschehen, wenn ein besonderer Integrationsbedarf festgestellt wird. Abs. 4 von Art. 8 IntG erläutert den Begriff des „besonderen Integrationsbedarfes“ näher, indem er ausführt, dass ein solcher namentlich vorliegen kann bei mangelnden Sprachkenntnissen in der Amts-sprache des Wohnortes, bei Familien mit Kindern im vorschul- oder schulpflichtigen Alter oder mit besonderem Betreuungsbedarf, bei unsicheren Wohnsituationen oder bei Arbeitslosigkeit, gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Sozialhilfebedürftig-keit.

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• Laut Art. 9 Abs. 1 IntG sind die der Beratungsstelle zugewiesenen Personen ver-pflichtet, die Beratungsstelle aufzusuchen. Dort findet ein Beratungsgespräch statt (Abs. 2), welches der Abklärung dient, ob ein Bedarf für „Integrationsleistungen“ vor-liegt. Die Beratungsstelle informiert die Gemeinde über das Ergebnis der Abklärun-gen und kann „Massnahmen“ empfehlen, sofern sie feststellt, dass dafür ein Bedarf besteht (Abs. 3).

• Falls sich aufgrund der Abklärung ein Bedarf für Integrationsmassnahmen ergeben hat, kann entweder das Migrationsamt oder die Gemeinde tätig werden:

o Laut Art. 10 Abs. 1 IntG besteht zum einen die Möglichkeit, dass die Gemein-de mit der zuständigen Migrationsbehörde klärt, ob diese mit der betroffenen Person gestützt auf Art. 54 AuG eine Integrationsvereinbarung abschliesst, wobei – „soweit erforderlich“ – in dieser Vereinbarung die Pflicht zum Besuch eines Sprach- oder Integrationskurses oder über eine andere Integrations-massnahme festgehalten wird (Abs. 2). Laut Abs. 3 hat die Migrationsbehörde die Einhaltung der Vereinbarung in Verfahren betreffend Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen zu berücksichtigen.

o Ein anderes Konzept verfolgt Art. 11 IntG unter der Marginalie „Massnahmen der Gemeinde“: Danach kann – falls die Migrationsbehörde keine Vereinba-rung abschliesst – die Gemeinde mit der betroffenen Person eine „Vereinba-rung über den Besuch eines Sprach- oder Integrationskurses oder über eine andere Integrationsmassnahme abschliessen“ (Abs. 1). Im Gegensatz zur Regelung der Vereinbarungen durch die Migrationsämter sieht Abs. 3 vor, dass die Gemeinde die betroffenen Personen mit Verfügung zur Integrations-massnahme verpflichten kann, wenn mit einer Person keine Vereinbarung ab-geschlossen werden konnte. Wer sich weigert, an einer Abklärung teilzuneh-men, die Vereinbarung nicht einhält oder der Verfügung nicht Folge leistet, kann mit einer verwaltungsrechtlichen Busse bis 3‘000 Franken sanktioniert werden.

Dem Vortrag des Regierungsrates lässt sich entnehmen, dass die Integrationsvereinba-rung – sei es die von den Migrationsbehörden, sei es die von den Gemeinden mit den Migranten und Migrantinnen abgeschlossene – als verwaltungsrechtlicher Vertrag aus-gestaltet sein soll (S. 28, ad. Art. 10 und Art. 11), dass aber bei Nichteinhaltung eine Ver-fügung folgen soll.

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2. Integrationsverpflichtungen auf Bundesebene

Das Ausländergesetz des Bundes (Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Auslän-der, AuG, vom 16. Dezember 2005, SR 142.20) regelt die Ein- und Ausreise, den Auf-enthalt sowie den Familiennachzug von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz und die Förderung von deren Integration (Art. 1 AuG). In unserem Zusammenhang ist namentlich Art. 54 Abs. 1 von Bedeutung, der ermöglicht, die Erteilung einer Aufenthalts- oder Kurzaufenthaltsbewilligung von der Bedingung abhängig zu machen, dass ein Sprach- oder Integrationskurs besucht wird, und der vorsieht, dass die Verpflichtung zum Kursbesuch in einer Integrationsvereinbarung festgehalten werden kann. Ausführungs-bestimmungen zur Integrationsvereinbarung finden sich in Art. 5 der Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern (VIntA, vom 20. Oktober 2007, SR 142.205). Gemäss dieser Norm können die zuständigen Behörden bei Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung mit Ausländerinnen und Ausländern Integrati-onsvereinbarungen abschliessen. Die Vereinbarung hält „nach Prüfung des Einzelfalls die Ziele, die vereinbarten Massnahmen sowie die möglichen Folgen im Falle einer Nichterfüllung fest“ (Abs. 2). Ziel der Vereinbarung ist gemäss Abs. 3 „insbesondere die Förderung des Erwerbs der am Wohnort gesprochenen Landessprache sowie von Kenntnissen über die gesellschaftlichen Verhältnisse und Lebensbedingungen in der Schweiz; das schweizerische Rechtssystem; die grundlegenden Normen und Regeln, deren Befolgung eine unerlässliche Voraussetzung für ein geordnetes Zusammenleben ist“. Das Bundesamt hat Weisungen und Empfehlungen zur Anwendung dieses Instru-mentes publiziert, die im Vortrag des Regierungsrates (S. 27) erwähnt sind.

3. Kantonale Kompetenzen im Bereich Integrationsver pflichtungen

Bevor die im Integrationsgesetz vorgesehen Massnahmen rechtlich analysiert werden, ist darzustellen, wie weit der kantonale Regelungsbereich im Ausländerrecht geht.

Gemäss Art. 121 Abs. 1 BV ist die „Gesetzgebung über die Ein- und Ausreise, den Auf-enthalt und die Niederlassung von Ausländerinnen und Ausländern sowie über die Ge-währung von Asyl (…) Sache des Bundes“.1 Es handelt sich dabei um eine umfassende, nachträglich derogierende Gesetzgebungskompetenz.2 Damit kann der Bund alle Rechtsfragen im betreffenden Sachbereich erschöpfend regeln. In Bezug auf den Sach-bereich, in welchem dem Bund eine umfassende Gesetzgebungskompetenz zukommt,

1 Vgl. dazu umfassend Alberto Achermann, Bundeskompetenzen im Integrationsbereich. Kurzgut-

achten in Hinblick auf ein mögliches Integrationsgesetz, erstattet dem Bundesamt für Migration, Bern 2008.

2 Botschaft des Bundesrates über eine neue Bundesverfassung, vom 20. November 1996 (Bot-schaft BV), BBl 1997 I 336.

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lässt sich der Verfassung klar entnehmen („Ein- und Ausreise, Aufenthalt und Niederlas-sung von Ausländerinnen und Ausländern“), dass primär der eigentliche fremdenpolizei-liche Bereich, das Ausländerrecht, gemeint ist. Dies umfasst im Wesentlichen die Rege-lung der Zulassung, der Bewilligungserteilung, des Aufenthaltes und der Niederlassung, und die Regelung der Rechtsstellung von Aufenthaltern und Niedergelassenen, soweit sie im Zusammenhang mit der Staatsangehörigkeit steht.

Die Botschaft zur Bundesverfassung von 1999 nennt in Bezug auf den von Art. 121 Abs. 1 umfassten Sachbereich namentlich folgende Bereiche: Rechtsstellung der Ausländer, deren Grund- und Menschenrechte, Bewilligungspflicht für Aufenthalt und Niederlassung oder auch die Festlegung von Höchstzahlen durch den Bund. In Absatz 1 werde zudem eine ausschliessliche Bundeszuständigkeit für die Asylgewährung verankert. Die Bot-schaft weist darauf hin, dass der Verzicht auf die Erwähnung der kantonalen Aufgaben und Zuständigkeiten (insbesondere im Vollzug) nur konzeptionellen Überlegungen ent-spreche und damit keine materielle Änderung verbunden seien. Indessen verweist die Botschaft zur Bundesverfassung – unter Hinweis auf den Bericht des Bundesrates zur Ausländer- und Flüchtlingspolitik aus dem Jahr 1991 und Art. 1 der früheren Begren-zungsverordnung – auf die aktuellen Ziele der Ausländerpolitik, namentlich auf das Ziel eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen dem Bestand der schweizerischen und der ausländischen Wohnbevölkerung, dem Ziel der Schaffung günstiger Rahmenbedingun-gen für die Eingliederung der hier wohnenden und arbeitenden Ausländerinnen und Aus-länder sowie auf das Ziel der Verbesserung der Arbeitsmarktstruktur und einer möglichst ausgeglichenen Beschäftigung.3 Die Botschaft zum Ausländergesetz äussert sich nur am Rande zur verfassungsmässigen Kompetenzordnung. Es wird lediglich in Hinblick auf das Zustimmungsverfahren (Art. 99 AuG) festgehalten4, die geltende Kompetenzordnung im Ausländerbereich sei vom Grundsatz gekennzeichnet, dass die Kantone befugt seien, Bewilligungen in eigener Zuständigkeit zu verweigern, sofern kein gesetzlicher oder völ-kerrechtlicher Bewilligungsanspruch bestehe. Mit Art. 121 Abs. 1 der neuen Bundesver-fassung vom 18. April 1999 verbleibe die Kompetenz zur Gesetzgebung im Ausländerbe-reich beim Bund; auf eine Festlegung der Kompetenzverteilung zwischen den Bundes-behörden und den Kantonen sei demgegenüber verzichtet worden. Das bisherige Sys-tem habe sich grundsätzlich bewährt und entspreche dem föderalistischen Aufbau der Schweiz.

In der Lehre wird von BIAGGINI5 die Auffassung vertreten, trotz der Aufzählung von Ein-

zelbegriffen (Ein- und Ausreise, Aufenthalt und Niederlassung) sei die Kompetenz um-fassend und ermögliche „die Regelung grundsätzlich aller Fragen, welche Status und

3 Botschaft zur BV, BBl 1997 I 336. 4 Botschaft zum Bundesgesetz über Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002, BBl 2002

3768. 5 Giovanni Biaggini, BV-Kommentar, Zürich 2007, Art. 121, Rz. 9.

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Stellung von Ausländern betreffen, vorbehältlich gegenteiliger Anordnung in der Bundes-verfassung“. In die Kompetenz des Bundes falle somit auch die Förderung der sozialen Integration, wobei der Bund auf kantonale Zuständigkeiten Rücksicht zu nehmen habe (z.B. Schulwesen). Ebenso ist gemäss MAHON

6 die Kompetenz umfassend („globale“), also nicht nur auf die namentlich aufgezählten Bereiche beschränkt. Differenzierter äuss-ren sich CAVELTI/ABDERHALDEN im St. Galler Kommentar7: Art. 121 Abs. 1 räume dem Bund in Bezug auf die Ein- und Ausreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Aus-länderinnen und Ausländern eine umfassende Kompetenz ein. Der Bund habe die Kom-petenz mittels Gesetzgebung auch so weit ausgenützt, dass kaum mehr Raum bleibe für kantonale Regelungen. Der Bund könne aber die Integration der Ausländerinnen und Ausländer nicht ohne Zusammenarbeit mit den Kantonen regeln, wolle er deren Kompe-tenzen respektieren. Deshalb halte das AuG auch fest, es handle sich bei der Integration um eine Aufgabe von Bund, Kantonen und Gemeinden. Gemäss CAVELTI/ABDERHALDEN habe der Bund seine Politik mit den Kantonen abzustimmen, sofern in Teilbereichen der Integration von Ausländern parallele Kompetenzen von Bund und Kantonen bestehen. Weiter sei der Bund „nicht zuständig für die auch im Migrationsrecht relevanten Bereiche Volksschule, Kulturpolitik, Gesundheitswesen oder Fürsorge“. Ebenso verbleibe den Kantonen die Polizeihoheit gegenüber Ausländern, wenn sie die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdeten oder verletzten. Diese Auffassung geht richtigerweise davon aus, dass die Kompetenz des Bundes, sich im Bereich der Integration von Ausländerinnen und Ausländern zu betätigen, nicht auch die Kompetenz beinhaltet, alle möglichen Le-bensbereiche dieser Personengruppe zu bestimmen, welche teilweise in die kantonale Kompetenz fallen.

Damit besitzt der Bund eine umfassende Kompetenz zur Regelung verpflichtender Integ-rationsmassnahmen, namentlich des Besuches von Sprach- oder Integrationskursen gemäss Art. 54 Abs. 1 AuG: Diese Massnahmen haben einen engen Bezug zum Kern-bereich von Art. 121 Abs. 1 BV: Auflagen für die Erteilung von Bewilligungen für die Ein- und Ausreise, den Aufenthalt und die Niederlassung mit ausländerrechtlichen Konse-quenzen bei deren Nichtbefolgung. Somit steht dem Bund zu, alle damit zusammenhän-genden Fragen erschöpfend zu regeln und die entsprechenden Massnahmen zu treffen. So ist es Sache des Bundes, Anforderungen an die Integration zwecks Erteilung einer ausländerrechtlichen Bewilligung festzulegen, vorausgesetzt, dass die Grundrechte und die völkerrechtlichen Verpflichtungen beachtet werden.

6 Pascal Mahon, Art. 121 Rz. 11, in: Jean-François Aubert/Pascal Mahon, Petit commentaire de la

Constitution fédérale de la Confédération suisse, Zürich 2003. 7 Ulrich Cavelti/Ursula Abderhalden, Art. 121, Rz. 7f, in: Die schweizerische Bundesverfassung,

Kommentar, 2. Auflage 2008, Hrsg. von Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender, Zürich, Band II, S. 1878.

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Der Bund hat aber keine umfassende Kompetenz, alle Aspekte der Rechtsstellung von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz zu regeln. So hat das Bundesgericht etwa festgehalten, Einschränkungen der Erwerbstätigkeit von Niedergelassenen, die keinen fremdenpolizeilichen Schranken unterliegen, beruhten nicht auf dem Fremdenpo-lizeirecht des Bundes und liessen sich nicht auf Art. 69ter aBV stützen.8 Ebenso wenig hat der Bund eine umfassende Kompetenz im Bereich der „Integration“ von Ausländerin-nen und Ausländern im Allgemeinen. Als Querschnittaufgabe mit einem sehr weiten Sachbereich (z.B. Schule, Polizei, Sozialhilfe) würde diese Zuweisung die verfassungs-rechtliche Kompetenzordnung sprengen und den Bund ermächtigen, in weitgehendem Masse in ausschliessliche Kompetenzen der Kantone einzugreifen.

Die Kantone dürfen keine von den Vorgaben der Ausländergesetzgebung abweichenden Vorschriften erlassen. Namentlich dürfen sie die Bewilligungserteilung nicht von zusätzli-chen Bedingungen abhängig machen.9 Dies gilt insbesondere auch für die Integrations-vereinbarungen, die als ausländerrechtliches Instrument auf Art. 54 AuG beruhen.10 Da-her verstossen kantonale Gesetze, die den Personenkreis erweitern oder den Inhalt der Verpflichtung (Kursbesuche) ausweiten möchten, gegen den Grundsatz der derogatori-schen Wirkung des Bundesrechts gemäss Art. 49 BV und sind verfassungswidrig, sofern sie auf die Aufenthaltserteilung und Aufenthaltsbeendigung Einfluss nehmen. Dem kan-tonalen Gesetzgeber bleibt die Möglichkeit, Integrationsmassnahmen im Rahmen von Vereinbarungen vorzusehen, die auf Freiwilligkeit beruhen und deren Nichteinhaltung keine aufenthaltsrechtlichen Folgen mit sich bringt.11

8 BGE 116 Ia 237ff, E. 2c. 9 Vgl. dazu ausführlich von Lucie von Büren/ Judith Wyttenbach, Integrationsverpflichtung und

Integrationsvereinbarung aus rechtlicher Sicht, in: Piñeiro/Bopp/Kreis (Hrsg.), Fördern und For-dern im Fokus, Zürich 2008, S. 73f.

10 Ebenso von Büren/Wyttenbach, a.a.0., S. 74: „Integrationsvereinbarungen können nur abge-schlossen werden, wenn das Bundesrecht dies vorsieht (…) Die Kantone sind nicht berechtigt, ausserhalb dieses Anwendungsbereichs den Abschluss von Integrationsvereinbarungen vorzu-sehen, jedenfalls nicht, soweit die Vorgaben mit ausländerrechtlichen Bewilligungen verknüpft werden“.

11 So von Büren/Wyttenbach, a.a.O., S. 74.

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III. Beurteilung der Art. 8 bis 11 IntG

Art. 8 bis 11 IntG, welche die eigentlichen Verpflichtungen von Migrantinnen und Migran-ten regeln, sehen im Wesentlichen zwei unterschiedliche Konzepte vor, die beide auf vorherigen Abklärungen durch Gemeindebehörden und Integrationsfachstellen beruhen: Ein ausländerrechtliches Instrument und ein Instrument, welches Gemeinden erlaubt, Massnahmen anzuordnen. Diese beiden Instrumente sind gesondert zu untersuchen (unten Ziff. 2. und 3.), nach einem Blick auf die Regelung des Verfahrens zur Abklärung des Integrationsbedarfes (Ziff. 1.) geworfen wurde. Gesondert zu untersuchen ist, inwie-fern Personen aus dem EU- und EFTA-Raum Verpflichtungen unterworfen werden kön-nen (unten Ziff. 4).

1. Abklärung des Integrationsbedarfes, Beratungsste llen

Eine Pflicht zur persönlichen Anmeldung ist für alle Kategorien von Ausländerinnen und Ausländern unproblematisch (siehe auch unten Ziff. III 4.1 und Ziff. IV für Schweizerin-nen und Schweizer). Dasselbe gilt prinzipiell auch für das Erstgespräch gemäss Art. 8 Abs. 2 IntG (Orientierung, Information), da dieses Gespräch, sofern es neu aus dem Ausland zuziehende Ausländerinnen und Ausländer betrifft, einerseits klarerweise einen engen Bezug zum Ausländerrecht hat (Zulassung, Aufenthalt), und sich andererseits das Gespräch im Rahmen der bundesrechtlichen Vorgaben bewegt, welches offen lässt, welche Behörde einen allfälligen Integrationsbedarf untersucht, und damit dem Vollzug des Bundesrechts dient. Auch handelt es sich nicht um einen Eingriff, der dem Schutzbe-reich der persönlichen Freiheit gemäss Art. 10 Abs. 2 BV oder der Gewährleistung des Privatlebens gemäss Art. 13 Abs. 1 BV unterstellt wäre.12 Vorausgesetzt bleibt, dass das Gespräch zur Abklärung des Integrationsbedarfes nicht Fragen zu Bereichen stellt, die als besonders schützenswert erscheinen und keinen zwingenden Zusammenhang zu den integrationsrelevanten Fragen im Zusammenhang mit der Erteilung einer Bewilli-gung haben (z.B. Sprachkenntnisse, Situation schulpflichtiger Kinder, angemessene Wohnung, finanzielle Verhältnisse, nicht hingegen Fragen der Religion, Weltanschau-ung, Sexualität usw. Als heikel dürften sich in diesem Zusammenhang Fragen nach der Gesundheit erweisen, so z.B. eine HIV-Ansteckung).

Die Zuweisung an eine regionale Beratungsstelle von Personen, bei denen „ein beson-derer Integrationsbedarf vorliegen könnte“, gemäss Art. 8 Abs. 3 IntG i.V. mit Abs. 4 er-scheint dann als rechtskonform und namentlich nicht rechtsungleich oder gar diskriminie-

12 Diese Grundrechte gewährleisten dem Einzelnen den Anspruch, die wesentlichen Aspekte sei-

nes Lebens selber zu gestalten und dabei nach seiner Wahl persönliche Beziehungen zu knüp-fen, und die elementaren Aspekte der Lebensführung selbstbestimmt zu gestalten. Dabei werden gemäss Bundesgericht nur diejenigen Aspekte persönlicher Lebensgestaltung gewährleistet, welche für die Persönlichkeit des Betroffenen von elementarer Bedeutung sind (vgl. dazu etwa Jörg Paul Müller/Markus Schefer, Grundrechte in der Schweiz, 4. Auflage, Bern 2008. S. 139ff).

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rend, wenn sich diese auf klare Kriterien abstützt, welche einen direkten Zusammenhang mit den Voraussetzungen für die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilli-gung haben (finanzielle Verhältnisse, angemessene Wohnung, Beachten der Rechtsord-nung) oder einen direkten Bezug auf die mit der Migration verbundenen Eingewöh-nungsprobleme (namentlich sprachlicher Natur oder Einschulung der Kinder) aufweisen. Insofern genügen die im Gesetz genannten Kriterien diesen Vorgaben. Ein Fragezeichen ist hinter die „gesundheitliche Beeinträchtigung“ in Abs. 4 lit. d zu stellen. Ebenso diskus-sionswürdig erscheint die Kategorie „Kinder im vorschul- oder schulpflichtigen Alter oder mit besonderem Betreuungsbedarf“ (lit. b), da bei dieser Kategorie in gewissen Fällen nicht die Migration ausschlaggebend sein dürfte, sondern sich auch Schweizerinnen und Schweizer in einer ähnlichen Situation mit „besonderem Bedarf“ befinden dürften.

Für die Verpflichtung, eine Beratungsstelle aufzusuchen und für den Inhalt des Gesprä-ches gelten die gleichen Grundsätze wie für das Erstgespräch. Auch hier finden sich im Weiteren hinsichtlich der rechtlichen Zulässigkeit der Verpflichtung keine verfassungs-mässigen Schranken, da es sich um eine geringfügige Einschränkung handelt.

Was die Zielgruppe des Erstgespräches und insbesondere des Beratungsgespräches auf der Beratungsstelle gemäss Art. 9 IntG betrifft, gilt es darauf hinzuweisen, dass eine Verpflichtung primär – wie in Art. 8 Abs. 1 IntG festgehalten – neu aus dem Ausland zu-ziehende Ausländerinnen und Ausländer betrifft (zur Frage bei EU- und EFTA-Angehörigen unten Ziff. 4). Allenfalls ist auch die spätere Zuweisung von Jahresaufent-haltern möglich, wenn sich der „besondere Integrationsbedarf“ später zeigt, wie dies in Art. 8 Abs. 3 IntG festgehalten ist. Unzulässig wäre m.E. aber die Zuweisung von Nie-dergelassenen an eine Beratungsstelle, da hier der direkte Zusammenhang zu auslän-derrechtlichen Anforderungen fehlt und insbesondere Niederlassungsbewilligungen nicht mit Auflagen und Bedingungen verknüpft werden können.

2. Integrationsvereinbarungen der Migrationsbehörde

Die in Art. 10 IntG vorgesehene Möglichkeit für Migrationsbehörden, Integrationsverein-barungen abzuschliessen, beruht auf Art. 54 Abs. 1 AuG und bewegt sich damit – mit einer Ausnahme, auf die im Folgenden eingegangen wird – im Rahmen des Ausländer-gesetzes. Die Frage, ob das Konzept der Integrationsvereinbarung mit den verfas-sungsmässigen Grundrechten vereinbar ist oder ob die Anordnung im Einzelfall gegen Grundrechte oder andere Rechtsnormen verstösst, würde den Umfang dieses Kurzgut-achtens sprengen.13 Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Migrationsbehörden schon vor Inkrafttreten des AuG (mit dem neu eingeführten Konzept der Integrationsvereinba-rung) im Rahmen von Auflagen bei der Bewilligungserteilung gewisse Integrationsver-

13 Vgl. hierzu ausführlich Alberto Achermann, Art. 54 AuG, in: Caroni/Gächter/Thurnherr (Hrsg.),

AuG-Kommentar, Bern 2010, Rz. 4ff.

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pflichtungen einfordern konnten. Weshalb für diese Form nun aber die Form der Verein-barung gewählt wird, bleibt schleierhaft.

Betreffend die Problematik des Instrumentes der Integrationsvereinbarung soll lediglich auf einige rechtliche Schwierigkeiten hingewiesen werden, die sich bereits aus dem Bundesrecht ergeben:

• die Fragwürdigkeit der Form des verwaltungsrechtlichen Vertrages;

• den eingeschränkten persönlichen Geltungsbereich (nicht Staatsangehörige aus der EU und EFTA, siehe unten Ziff. 4; nicht Flüchtlinge; nicht Personen mit Rechtsanspruch aus anderen Abkommen);

• der zulässige Inhalt der Verpflichtung: Gemäss Art. 54 Abs. 1 AuG sind „Sprach- und Integrationskurse“ vorgesehen;

• die ungenügende gesetzliche Grundlage, namentlich für umfassendere Integrati-onsmassnahmen.

Exkurs: gesetzliche Grundlage und Integrationsvereinbarungen:

Der Bundesrat stellte in der Botschaft zum Ausländergesetz fest, ein Zwang zum Besuch von Integrationskursen wäre bei gewissen Personengruppen mit der per-sönlichen Freiheit unvereinbar.14 Das Bundesgericht hatte darüber zu befinden, ob eine obligatorische Ausbildungs- und Dienstpflicht für Medizinalpersonen15 einen Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit darstellt. Es führte dabei aus, der Zwang, in „ein besonderes Rechtsverhältnis zum Staat zu treten“ bedürfe als schwerer Eingriff in die persönliche Freiheit einer klaren Grundlage in einem Ge-setz im formellen Sinn. Während für die vorgesehene Dienstpflicht diese Anforde-rung erfüllt gewesen wäre, sah das Bundesgericht dieses Erfordernis bei der Aus-bildungspflicht nicht erfüllt. Das Bundesgericht geht dabei davon aus, dass eine Ausbildungspflicht für Medizinalpersonen eine Einschränkung der persönlichen Freiheit bedeutet. Ähnlich lässt sich auch in Bezug auf die Verpflichtung zu einem Kursbesuch argumentieren: Eine solche Pflicht fällt jedenfalls dann in den Gel-tungsbereich der persönlichen Freiheit, wenn ein Sprach- oder Integrationskurs nicht nur mehr als ein paar Stunden beschlägt, sondern eine so intensive Ver-pflichtung bedeutet, dass damit das Privat- und Familienleben ernsthaft tangiert wird (indem z.B. eine Betreuung für Kinder gesucht werden muss oder bei erwerb-stätigen Paaren gemeinsame Freizeit rar wird) oder dass sich die Kurse nicht mit den zur Finanzierung der Lebenshaltungskosten notwendigen Erwerbstätigkeiten kombinieren lassen (z.B. bei Personen, die neben einer schlecht bezahlten Stelle abends noch Reinigungsarbeiten erledigen). Unter diesen Voraussetzungen ist die

14 Botschaft AuG vom 8. März 2002, BBl 2002 3799; gemäss Bundesrat ist dies bei Personen der

Fall, die über ein völkerrechtlich (FZA, Art. 3 und 8 EMRK) oder verfassungsrechtlich verbrieftes Aufenthaltsrecht verfügen. Wieso das Bestehen eines Aufenthaltsrechts das entscheidende Kri-terium dafür sein soll, ob ein obligatorischer Kursbesuch im Widerspruch zur persönlichen Frei-heit steht, erläutert der Bundesrat nicht.

15 BGE 115 Ia 277, namentlich E. 7. (S. 288f.).

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grundrechtlich garantierte Autonomie der Lebensführung betroffen und ein Eingriff nur unter den Voraussetzungen von Art. 36 BV zulässig.

Einschränkungen von Grundrechten müssen gemäss Art. 36 Abs. 1 BV auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, wobei schwerwiegende Einschränkungen im Gesetz selbst vorgesehen sein müssen. Im Fall der Dienst- und Ausbildungspflicht für Medizinalpersonen hielt das Bundesgericht16 fest, schwerwiegende Grund-rechtseingriffe bedürften einer klaren Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinn. In diesem müsse der wesentliche Inhalt des Rechtsverhältnisses umschrie-ben sein. Nur die Regelung von Einzelheiten dürfe in solchen Konstellationen vom Gesetzgeber an die Exekutive delegiert werden. Darüber hätten grundrechtsbe-schränkende Normen einen gewissen Grad an Bestimmtheit aufzuweisen. Konkret zur gesetzlichen Grundlage der Ausbildungspflicht hielt das Bundesgericht fest, diese genüge nicht, da insbesondere nicht aus ihr hervorgehe „welche Belastung sie für die Betroffenen mit sich bringt“. Das Gesetz sage daher nichts über den wesentlichen Inhalt des durch die Ausbildungspflicht begründeten besonderen Rechtsverhältnisses aus. Notwendig wäre gemäss Bundesgericht aber, dass die Grundzüge der Verpflichtung im Gesetz selbst umschrieben würden, namentlich „Angaben über Altersgrenzen, Tauglichkeitsanforderungen, Ausbildungsdauer, Be-freiungs- und Dispensationsmöglichkeiten usw.“. Jedenfalls sollten sich die Ver-pflichteten aufgrund des Gesetzes selbst ein grobes Bild darüber machen können, inwieweit ihre persönliche Freiheit eingeschränkt würde.

Unabhängig davon, wie schwer der Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit taxiert wird17, erweist sich Art. 54 AuG i.V. mit Art. 5 VIntA vor diesem Hin-tergrund als ungenügende gesetzliche Grundlage für verpflichtende Sprach- und Integrationskurse. Denn das Gesetz schweigt sich selbst über die Eckpunkte einer Kursverpflichtung aus, d.h. über den möglichen Kursumfang, die allfällige Kosten-beteiligung der Verpflichteten, Dispensationsmöglichkeiten etc. Auch der Verord-nung lassen sich keinerlei konkrete Angaben zu diesen Kernpunkten entnehmen. Der blosse Verweis der geltenden Gesetzgebung auf die Integrationsvereinbarung räumt damit der rechtsanwendenden Behörde in verfassungswidriger Weise völli-ge Freiheit ein, wieweit sie die persönliche Freiheit der Migrantinnen und Migran-ten einschränken will. Eine ergänzende kantonale Gesetzgebung vermöchte diese ungenügende gesetzliche Grundlage aufgrund der umfassenden Bundeskompe-tenz im Bereich von Bedingungen und Auflagen für die Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen nicht zu kompensieren.

Aufgrund der Kompetenzverteilung im Ausländerrecht dürfen – wie ausgeführt (siehe oben Ziff. II.3.) – die Kantone keine von den Vorgaben der Ausländergesetzgebung ab-weichenden Vorschriften erlassen. Namentlich dürfen sie die Bewilligungserteilung nicht von zusätzlichen Bedingungen abhängig machen. Dies gilt insbesondere auch für die Integrationsvereinbarungen, die als ausländerrechtliches Instrument auf Art. 54 AuG be-

16 BGE 115 Ia 277, E. 7 (S. 288f.). 17 Ob es sich bei der Verpflichtung zum Kursbesuch um einen schweren oder eher leichten Eingriff

handelt, kann nicht abstrakt beantwortet werden, da der Umfang der Sprach- oder Integrations-kurse nicht gesetzlich festgesetzt wurde. Gemäss von Büren/Wyttenbach, a.a.O., (S. 77), handelt es sich bei der Pflicht einen Sprach- oder Integrationskurs zu besuchen, um einen leichten Ein-griff. Auch im Fall eines eher leichten Eingriffs wären mindestens die Eckpfeiler der Verpflichtung im Gesetz im formellen Sinn selbst zu regeln.

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ruhen. Daher würden kantonale Gesetze, die den Personenkreis erweitern oder den In-halt der Verpflichtung (Kursbesuche) ausweiten möchten, gegen den Grundsatz der derogatorischen Wirkung des Bundesrechts gemäss Art. 49 BV verstossen, sofern sie auf die Aufenthaltserteilung und Aufenthaltsbeendigung Einfluss nehmen. Möglich sind lediglich Präzisierungen, welche bereits im Bundesrecht angelegt sind, z.B. von Kriterien, von welchen eine Bewilligungserteilung abhängig gemacht wird (z.B. Auflagen in Hinblick auf die finanzielle Situation). Die Integrationsmassnahmen, welche von den Migrations-behörden angeordnet werden, müssen einen engen Konnex zu den Voraussetzungen der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung haben oder in direktem Zusammenhang mit den Integrationskriterien von Art. 4 VIntA stehen (Respektierung der Rechtsordnung; Erlernen einer Landessprache; Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen; Wille zur Teilnahme am Wirtschaftsleben und zum Erwerb von Bildung).

10 Abs. 2 IntG erweist sich in dieser Beziehung als sehr problematisch, indem in der Vereinbarung neben der Pflicht zum Besuch eines Sprach- oder Integrationskurses auch die Vereinbarung anderer Integrationsmassnahmen vorgesehen wird, besonders im Zu-sammenhang mit Abs. 3, wonach die Migrationsbehörde die Einhaltung der Vereinba-rungen in Verfahren betreffend Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligungen berück-sichtigt. Insofern damit Massnahmen gemeint wären, die üblicherweise in den Regel-strukturen getroffen werden (z.B. schulische), wäre die Verknüpfung mit einer Integrati-onsvereinbarung m.E. unzulässig. Aus rechtstaatlicher Sicht erscheint eine solch offene Norm, welche die Vereinbarung irgendwelcher Integrationsmassnahmen erlaubt, höchst bedenklich. Das AuG hingegen beschränkt sich ausdrücklich auf Sprach- und Integrati-onskurse.

3. Integrationsmassnahmen der Gemeinden

Der m.E. problematischste Aspekt des Entwurfes für ein Integrationsgesetz findet sich in Art. 11 IntG mit der Kompetenz für Gemeinden, Integrationsmassnahmen mit Auslände-rinnen und Ausländern abzuschliessen, falls die Migrationsbehörde keine Vereinbarung abschliesst. Falls keine Vereinbarung abgeschlossen werden kann, verpflichtet die Ge-meinde die Person mittels Verfügung. Bei Nichteinhaltung bzw. Verstoss gegen die Ver-fügung droht eine Busse.

Namentlich folgende problematische Aspekte sind hier zu erwähnen:

• Die Zielgruppe dieser „Vereinbarungen sui generis“ ist nicht ohne weiteres er-sichtlich. Dem Vortrag des Regierungsrates (S. 28) lässt sich entnehmen, dass das Instrument (auch) dazu dienen soll, mit Personen, bei denen die Migrations-behörde gar nicht befugt ist, bewilligungsrechtliche Massnahmen an Integrati-onsvoraussetzungen zu knüpfen, Integrationsvereinbarungen abzuschliessen. Dies würde aufgrund der Systematik des Ausländergesetzes (insbesondere Art. 2

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und 54 Abs. 1 AuG) insbesondere für Bürgerinnen und Bürgern aus EU- und EFTA-Staaten gelten (siehe dazu unten Ziff. 4.3.), aber auch für den Fall des Ehegattennachzugs durch Schweizer Bürgerinnen und Bürger (Art. 42 AuG), wel-che gemäss Bundesgesetz vom Instrument der Integrationsvereinbarung nicht er-fasst werden können, schliesslich ev. auch für Niedergelassene. Das Ausländer-gesetz des Bundes selbst knüpft bei der Möglichkeit, die Erteilung oder Verlänge-rung einer Aufenthaltsbewilligung von Integrationsvoraussetzungen, die in einer Integrationsvereinbarung festgehalten werden, nicht darauf ab, ob ein Rechtsan-spruch auf eine Bewilligung besteht, sondern regelt die Ausnahmen vom Zielpub-likum der Integrationsvereinbarung entweder explizit (nur Erteilung und Verlänge-rung von Aufenthaltsbewilligungen, nicht die Niederlassungsbewilligung; nur Fa-miliennachzug durch Aufenthalter oder Niedergelassene) oder implizit (nicht für Freizügigkeitsberechtigte).

• Wie im Falle der Integrationsvereinbarungen durch die Migrationsbehörden ist m.E. die Kompetenz zum Abschluss einer Vereinbarung über den Besuch eines Sprach- und Integrationskurses „oder über andere Integrationsmassnahmen“ zu unbestimmt. Könnte die Gemeinde eine Migrantin zum Besuch eines Kochkurses und einen Migranten zum Mitmachen in einem dörflichen Verein verpflichten? Welche Grenzen sind den Gemeinden gesetzt?

• Die Androhung einer Verfügung für den Fall, dass mit einer Person keine Verein-barung abgeschlossen werden kann, zeigt deutlich, dass das Instrument des ver-waltungsrechtlichen Vertrages hier falsch eingesetzt wird: Die übliche Handlungs-form des Staates zur Regelung von Verwaltungsrechtsverhältnissen ist die Verfü-gung.18 Der Staat kann zwar unter bestimmten Voraussetzungen auch in Form eines verwaltungsrechtlichen Vertrages19 handeln. Die Lehre20 geht davon aus, dass sich bei subordinationsrechtlichen Verträgen, d.h. Willenseinigungen zwi-schen der Verwaltung und Privaten, die Vertragspartner als rechtlich gleichgeord-nete Subjekte gegenüberstehen, und dass es tatsächlich etwas zu verhandeln gibt, d.h. ein erheblicher Gestaltungsspielraum besteht. Zulässig sind subordinati-onsrechtliche Verträge, wenn sachliche Gründe bestehen, welche die Vertrags-form gegenüber der Verfügung als die angemessenere Handlungsform auswei-

18 Vgl. Pierre Tschannen/Ulrich Zimmerli/Markus Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, Bern 2009,

S. 326. 19 Als solcher wird eine auf übereinstimmenden Willenserklärungen von zwei oder mehreren

Rechtssubjekten beruhende Vereinbarung bezeichnet, welche die Regelung einer konkreten verwaltungsrechtlichen Rechtsbeziehung, vor allem im Zusammenhang mit einer öffentlichen Aufgabe, zum Gegenstand hat; So Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, 6. Auflage, Zürich 2010, S. 221.

20 Siehe ausführlich Tschannen/Zimmerli/Müller (a.a.O.), S.326ff; Häfelin/Müller/Uhlmann (a.a.O.), S. 221ff.

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sen und wenn der Vertragsinhalt rechtmässig bleibt. Raum für den Vertrag ver-bleibt dort, wo das Gesetz nach seinem Sinn und Zweck der einvernehmlichen Konkretisierung bedarf.21 Dies wäre etwa der Fall, wenn beide Parteien eine dau-erhafte Bindung bezwecken und wenn ein erheblicher Ermessensspielraum be-steht, der nach Sinn und Zweck des Gesetzes konsensual konkretisiert werden soll. Besteht im Fall der Integrationsvereinbarung in Form eines Vertrages für den betroffenen Ausländer oder die Ausländerin kein Verhandlungsspielraum, ist etwa der Inhalt der Vereinbarung seitens der Verwaltung von Anfang an vorgegeben22, wäre die Form der Vereinbarung unzulässig. Was den Inhalt eines verwaltungs-rechtlichen Vertrages betrifft, darf gemäss TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER23 das Gemeinwesen einem Privaten nicht „Zugeständnisse abpressen, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt.“

Letztlich hat der Ausländer oder die Ausländerin wohl wenig zum Inhalt der Ver-einbarung beizutragen. Mangels Verhandlungsspielraum und Freiwilligkeit der In-tegrationsvereinbarung ist das Instrument des Vertrags damit für den vorliegen-den Zusammenhang ungeeignet.

• Im Weiteren stellt sich die Frage, ob kommunale Integrationsverpflichtungen, die zwar nicht an die Zulassung von Ausländerinnen und Ausländern anknüpfen, aber allgemeine Fragen der Integration in die Gesellschaft oder gesellschaftspolitisch unerwünschtes Verhalten regeln wollen, und die eine Nichteinhaltung mit Bussen sanktionieren, gegen das Gebot der rechtsgleichen Behandlung in Art. 8 Abs. 1 BV.24 Das wäre dann der Fall, wenn im Bereich der Rechtssetzung eine Un-gleichbehandlung zwischen Staatsangehörigen und Nicht-Staatsangehörigen ein-geführt wird, die sachlich nicht gerechtfertigt ist bzw. für die keine rechtfertigen-

21 So Tschannen/Zimmerli/Müller (a.a.O.), S. 333. 22 Dies ist der Hauptgrund, weshalb Subordinationsverträge von einem Teil der Lehre abgelehnt

werden. So führt z.B. Fritz Gygi, Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 208, aus, es fehle in der Be-ziehung zwischen dem überlegenen Gemeinwesen und dem Einzelnen vielfach an jener Gleich-stellung der Vertragspartner, die für eine Begründung von Rechten und Pflichten aus freiem Wil-len vorausgesetzt sei.

23 Tschannen/Zimmerli/Müller (a.a.O.), S. 334. 24 Oder gegen das Diskriminierungsverbot von Art. 8 Abs. 2 BV, sofern mit dem Instrument nur

bestimmte soziale und ökonomische Gruppen erfasst werden sollen, d.h. z.B. sozial schwächere Personen aus dem Westbalkan, nicht hingegen unintegrierte nordamerikanische Führungskräfte und ihre Familienangehörigen. Vgl. dazu Müller/Schefer (a.a.O.), S. 713ff und S. 727f. Gemäss Müller/Schefer (S. 715) sind neue ausdrückliche Schlechterstellungen von Ausländern problema-tisch; bei ihnen bestehe die Gefahr, dass sie xenophoben Vorurteilen entspringen oder solche verfestigen. Sie seien deshalb am strengeren Prüfungsmassstab des Verbots der Diskriminie-rung wegen der Herkunft nach Art. 8 Abs. 2 BV zu messen. Sie seien daher nur dann zulässig, wenn sie ein dringendes öffentliches Interesse verfolgten, präzise auf die Verwirklichung dieses Interesses zugeschnitten seien und die Betroffenen nicht unzumutbar hart treffen.

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den ernsthaften und sachlichen Gründe für die Differenzierung bestehen.25 Eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots wäre z.B. zu bejahen, wenn Auslände-rinnen und Ausländer mittels Integrationsvereinbarung verpflichtet würden, einen Gewaltpräventionskurs zu besuchen, Schweizer und Schweizerinnen mit ähnli-chem Hintergrund hingegen nicht; hier fehlt der enge Bezug zum Bürgerrecht, auf welches sich rechtliche Unterscheidungen beziehen müssten.26

• Fehlt der Konnex zur Aufenthaltsbewilligung hätte dies u.a. auch zur Konsequenz, dass eine rechtsgleiche Behandlung voraussetzen würde, dass auch Schweize-rinnen und Schweizer mit Integrationsbedarf (z.B. rückkehrende Auslandschwei-zer oder ortssprachenunkundige Tessiner) von der Gemeinde mittels Vereinba-rung zum Besuch eines Sprachkurses verpflichtet werden.

• Handelt es sich hingegen um eigentliche Auflagen bei neu zugezogenen Auslän-derinnen und Ausländern oder solchen, bei welchen sich später ein Integrations-bedarf zeigt, welche der Migrationsbehörde obliegen würde, würde m.E. das un-zuständige Organ damit befasst.

• Vorbehalten bleibt immer das Handeln in den Regelstrukturen z.B. der Schule, der Sozialhilfebehörde oder der Arbeitsvermittlungsstelle, die mittels ihrer Instru-mente Leistungen von Migrantinnen und Migranten einfordern können.

Abschliessend ist festzuhalten, dass sich die in Art. 11 IntG vorgesehene Möglichkeit für Gemeinden, „Integrationsvereinbarungen sui generis“ abzuschliessen bzw. nötigenfalls Integrationsmassnahmen zu verfügen, aus verschiedenen Gründen als rechtswidrig er-weisen dürfte, auch wenn eine abschliessende Beantwortung im jetzigen Zeitpunkt an-gesichts der unklaren Ausgestaltung des Inhaltes solcher Vereinbarungen nicht möglich ist:

25 Vgl. dazu Müller/Schefer (a.a.O.), S. 714, wonach eine unterschiedliche Behandlung von Aus-

ländern einen engen Bezug zu rechtlichen Unterschieden haben muss, die auf den primären Wirkungen des Bürgerrechts beruht; dies sind namentlich die politischen Rechte, das absolute Recht auf Anwesenheit in der Schweiz, auf Zugang zum Markt, die Niederlassungsfreiheit, der diplomatische und konsularische Schutz, die auf der Militärdienstpflicht beruhenden Verpflichtun-gen. Vgl. auch Walter Kälin/Martina Caroni, Das verfassungsrechtliche Verbot der Diskriminie-rung wegen der ethnisch-kulturellen Herkunft, in: Walter Kälin (Hrsg.), Das Verbot ethnisch-kultureller Diskriminierung. Verfassungs- und menschenrechtliche Aspekte, Basel 1999, S. 70f.

26 Vgl. auch BGE 129 I 392 (Initiative „SchweizerInnen zuerst“), E. 3.2.3. und 3.3. (3.2.3.) Eine un-terschiedliche Behandlung von Ausländern und Schweizern ist nicht von vornherein rechtsun-gleich oder diskriminierend. Sie ist vielmehr nach der Rechtsprechung und der einhelligen Lehre zulässig, soweit dafür sachliche Gründe bestehen (…) (3.3.). Satz 2 der Initiative zielt auf Sach-bereiche, in denen eine unterschiedliche Behandlung von Schweizern und Ausländern ausge-schlossen ist. Sie bezweckt eine Bevorzugung der Schweizerinnen und Schweizer gegenüber Ausländerinnen und Ausländern in vom Gebot der Rechtsgleichheit beherrschten Bereichen.“

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• Entweder handelt es sich um ein ausländerrechtliches Instrument, für welches aber der kantonale Gesetzgeber nicht Voraussetzungen über das Bundesrecht hinaus statuieren darf und für dessen Anwendung die Gemeindebehörde nicht zuständig wäre, sofern sie nicht als Migrationsbehörde fungiert;

• oder es handelt sich – wie im Entwurf offensichtlich angelegt – um ein Instrument, das nicht ausländerrechtlich motiviert ist (da der Verstoss keine bewilligungsrecht-lichen Auswirkungen27 haben soll) und Integrationsleistungen einfordert, für wel-che im Ausländergesetz des Bundes keine gesetzliche Grundlage besteht. In der Anwendung dürften sich unüberwindbare Probleme der rechtsgleichen Behand-lung stellen, da es schwer vorstellbar ist, ernsthafte und sachliche Gründe für eine Differenzierung ausserhalb der Frage der Zulassung, des Aufenthaltsrechts und der Ausübung der politischen Rechte bzw. des Zugangs zu gewissen Ämtern und Tätigkeiten zu finden. Verzichtet die Migrationsbehörde explizit auf eine Verpflich-tung zum Besuch eines Sprachkurses, so ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Gemeinde eine solche Verpflichtung statuieren soll. Ausserhalb des Bereichs „In-tegrations- und Sprachkurse“ erscheinen zulässige Vereinbarungen noch weniger denkbar: So bilden z.B. „Kinder mit besonderem Betreuungsbedarf“ keinen sach-lichen Grund, um zwischen SchweizerInnen, EU-Angehörigen und Drittstaatsan-gehörigen zu differenzieren und Anlass für eine Integrationsvereinbarung auf Gemeindeebene abzugeben. Das Gesetz riskiert damit, Grundlage für ethnisch-kulturelle Diskriminierungen zu bieten, welche es eigentlich (Art. 1 lit. g) verhin-dern und beseitigen will.

4. Situation von neu zuziehenden Staatsangehörigen aus EU- und EFTA-Ländern

4.1. Anmeldung (Art. 8 Abs. 1 IntG) und Erstgespräch (Art. 8 Abs. 2 IntG)

Das Freizügigkeitsabkommen der Schweiz mit der EU, wie auch die entsprechende Re-gelung im EFTA-Übereinkommen (SR 0.632.31), verankern einen Anspruch von EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern, sich in der Schweiz aufzuhalten und einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (Art. 2 Abs. 1 Anhang I des Freizügigkeitsabkommens, FZA, SR 0.142.112.681). Zwar gelten für EU-Staatsangehörige die Anmeldevorschriften des Aus-ländergesetzes (vgl. Art. 9 der Verordnung über die schrittweise Einführung des freien Personenverkehrs vom 22. Mai 2002, VEP, SR 142.203, der für das Anmelde- und Be-

27 Wobei der Hinweis erlaubt sein soll, dass gemäss Art. 80 Abs. 1 lit. a VZAE eine Widerruf einer

Bewilligung möglich ist „bei einer Missachtung von gesetzlichen Vorschriften und behördlichen Verfügungen“. Damit könnte – entgegen dem im Vortrag enthaltenen Verzicht auf bewilligungs-rechtliche Konsequenzen – eine Nichteinhaltung der Verfügung durchaus ausländerrechtliche Folgen haben.

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willigungsverfahren die Art. 10-13 und 15 AuG für anwendbar erklärt). Dieses verpflichtet u.a. in Art. 11 AuG Ausländerinnen und Ausländer bei Aufenthalt mit Erwerbstätigkeit eine Bewilligung zu beantragen und in Art. 12 AuG sich am Wohnort bei der zuständigen Behörde anzumelden. Dabei ist ein gültiges Ausweispapier vorzulegen. Einzelheiten re-gelt die Verordnung (Art. 9ff der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstä-tigkeit vom 24. Oktober 2007, VZAE, SR 142.201). Der Bewilligung kommt aber gemäss Lehre und Praxis28 „lediglich deklaratorische Bedeutung zu, da sich das Recht auf Auf-enthalt bereits direkt aus dem Freizügigkeitsabkommen ergibt“; von Unionsbürgern, die sich ohne entsprechende Bewilligung in der Schweiz aufhielten, könne nicht allein wegen Fehlens einer Bewilligung die Ausreise verlangt werden. Im Falle der Nichteinhaltung der vorgesehenen Verwaltungsformalität könne der Aufenthaltsstaat lediglich gewisse ver-hältnismässige und nichtdiskriminierende Sanktionen ergreifen (d.h. wie gegenüber Schweizerinnen und Schweizern auch, welche ähnliche Formalitäten nicht beachten), nicht aber allein aus diesem Grund den Aufenthalt beenden.

Auch das Bundesgericht hat in BGE 136 II 329 kürzlich festgehalten, das Freizügig-keitsabkommen schliesse ergänzende nationale Verfahrensregeln bei der Verlängerung von EG/EFTA-Aufenthaltsbewilligungen bzw. –papieren nicht aus. Zwar habe die Bewil-ligung keine rechtsbegründende, sondern bloss eine deklaratorische Bedeutung. Dies entbinde die FZA-Berechtigten indessen nicht davon, sich bei den Behörden zu melden und das erforderliche Ausweispapier zu beschaffen bzw. die hierfür notwendigen Anga-ben zu liefern. Diese Argumentation kann ohne weiteres auf die erstmalige Anmeldung übertragen werden.

Die Bundesregelung ist abschliessend und aufgrund der umfassenden Zuständigkeit des Bundes im Bereich der ausländerrechtlichen Gesetzgebung dürfen die Kantone keine zusätzlichen Voraussetzungen für das Anmelde- und Bewilligungsverfahren vorsehen, sofern das Bundesrecht keine Regelung enthält.

Damit erscheint klar, dass ausländerrechtlich EU- und EFTA-Angehörige nicht verpflich-tet werden können, an einem Erstgespräch i.S. von Art. 8 Abs. 2 IntG teilzunehmen.

4.2. Integrationsvereinbarung der Migrationsbehörde (Art. 10 IntG)

Laut Art. 2 Abs. 2 und 3 gilt das AuG für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der EU bzw. der EFTA nur, soweit das Freizügigkeitsabkommen keine abweichenden Bestim-mungen enthält. Das FZA sieht aber keinerlei sprachliche Bedingungen für die Einreise29

28 Siehe ausführlich Astrid Epiney/Tamara Civitella, Die rechtliche Stellung von Unionsbürgern und

Drittstaatsangehörigen in der Schweiz – ein Vergleich ausgewählter Aspekte, Jahrbuch für Migra-tionsrecht 2007/2008, S. 17, mit Hinweisen.

29 Gemäss Art. 1 Abs. 1 Anhang I FZA ist die Einreise unter Vorlage eines gültigen Personalaus-weises oder eines Reisepasses zu gestatten, und es darf kein Visum verlangt werden. Gemäss Praxis des EuGH darf insbesondere nicht der Nachweis verlangt werden, dass die Aufenthaltsvo-raussetzungen vorliegen; vgl. Epiney/Civitella, S. 9, mit Nachweisen der Praxis.

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in die Schweiz oder den Aufenthalt vor. Bei erwerbstätigen Personen verlangt das Ab-kommen lediglich den Nachweis einer Arbeitsstelle30, bei Nichterwerbstätigen ausrei-chender finanzieller Mittel31 und eines Krankenversicherungsschutzes.32

Nach dem Freizügigkeitsrecht dürfen Aufenthaltsrechte nicht von der Erfüllung irgendwie gearteter Integrationsanforderungen abhängig gemacht werden33; das Freizügigkeitsab-kommen enthält dafür schlicht keine Grundlage. Dies gilt im Übrigen nicht nur für EU- (und EFTA-) Staatsangehörige selbst, sondern auch für deren Familienangehörige auch aus Drittstaaten, falls sie in die Schweiz nachgezogen werden (Ehegatten und Familien-angehörige in auf- und absteigender Linie); Damit darf z.B. eine brasilianische Ehefrau, die zu ihrem Ehegatten in die Schweiz zieht – und auch deren Eltern, sollten sie nachge-zogen werden – nicht zu einer Integrationsvereinbarung verpflichtet werden bzw. das Erfüllen von Integrationsleistungen verlangt werden.

4.3. Massnahmen der Gemeinde (Art. 11 IntG)

Die in Art. 11 vorgehsehen Massnahmen, die nicht mit ausländerrechtlichen Bewilligun-gen verknüpft sind, deren Nichteinhaltung aber sanktioniert werden kann, indem Fehlba-re mit Bussen bestraft würden, halten vor dem Freizügigkeitsabkommen ebenso nicht stand: Die Durchsetzung gegenüber Freizügigkeitsberechtigten wäre rechtswidrig, da sie eine im Freizügigkeitsabkommen nicht vorgesehene Einschränkung des Freizügigkeits-rechts bedeuten und insbesondere – in Form einer direkten Diskriminierung – gegen das darin enthaltene Diskriminierungsverbot verstossen würde. Das Verbot der Nichtdiskri-minierung gegenüber EU- und EFTA-Angehörigen würde nur dann nicht verletzt, wenn – für den Fall der Anordnung eines Sprachkurses – alle Personen mit mangelnden Sprachkenntnissen, d.h. auch etwa heimkehrende Auslandschweizerinnen oder franzö-sisch- oder italienischsprachige Schweizer, zu einem Sprachkurs verpflichtet würden und diese Verpflichtung auch durchgesetzt würde.

Art. 2 FZA (Nichtdiskriminierung) schreibt vor, dass die Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmässig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, bei der Anwen-dung des Abkommens inkl. der Anhänge (insb. mit Anhang I zur Freizügigkeit) nicht auf Grund ih-rer Staatsangehörigkeit diskriminiert werden dürfen. Dabei fallen alle Regelungen in den Anwen-dungsbereich, die Auswirkungen auf die Ausübung der Freizügigkeit haben.34 Wird bei vergleich-baren Integrationsproblemen bei Schweizer Bürgern auf Massnahmen verzichtet, muss dies

30 Art. 6 Anhang I FZA. 31 Damit sie während des Aufenthalts keine Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen. 32 Vgl. Art. 24 Abs. 1 Anhang I FZA. 33 Vgl. auch Epiney/Civitella (a.a.O.), S. 39. 34 Astrid Epiney, Das Abkommen über die Personenfreizügigkeit – Überblick und ausgewählte As-

pekte, in: Alberto Achermann et al. (Hrsg.), Jahrbuch für Migrationsrecht 2004/2005, Bern 2005, S. 66ff.

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auch für EU- (und EFTA-) Angehörige gelten. Die EU-Kommission hat in einer Mitteilung vom 2. Juli 2009 (KOM 2009 313 endgültig) an das Europäische Parlament und den Rat betreffend „Hil-festellung bei der Umsetzung und Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten“, festgehalten, die Mitgliedstaaten könnten zwar die Integration der EU-Bürger und ihrer Familienangehörigen aus Drittstaaten durch das Angebot von Sprachkursen oder anderen auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Kursen fördern. Gemäss Kommission darf aber die Ablehnung, an solchen Kursen teilzunehmen, für die Betroffenen keine nachteiligen Konsequenzen haben (Ziff. 2.2.1.).

Es besteht damit ausser einer alle Personen mit ähnlichem Hintergrund verpflichtenden Norm keine rechtlich zulässige Möglichkeit, Personen aus EU- und EFTA-Staaten zum Abschluss von Integrationsvereinbarungen zu verpflichten oder mit einer Busse zu bele-gen.

IV. Hinweise auf weitere rechtliche Problemzonen

• Art. 8 Abs. 1 IntG lässt sich zunächst entnehmen, dass die Verpflichtung, sich persönlich anzumelden für „neu aus dem Ausland zuziehende Ausländerinnen und Ausländer ab dem 15. Altersjahr“ gilt. Daraus liesse sich der falsche Schluss ziehen, dass die Verpflichtung zur persönlichen Anmeldung für die übrigen Aus-länderinnen und Ausländer nicht gelten würde. Hinzuweisen gilt es auf die Tat-sache, dass die Pflicht zur persönlichen Vorsprache auch für Schweizerinnen und Schweizer gilt: Gemäss Art. 1 Abs. 1 des bernischen Gesetzes über Nieder-lassung und Aufenthalt der Schweizer (GNA, BSG 122.11) haben sich „Schwei-zer und Schweizerinnen, die in eine Gemeinde einziehen, (…) innerhalb von 14 Tagen bei der Gemeindepolizeibehörde persönlich anzumelden“.

Insofern diese Bestimmung lediglich den Anwendungsbereich der folgenden Ar-tikel 8-11 nur auf neu aus dem Ausland zuziehende Ausländerinnen und Auslän-der beschränken möchte, können sich gewisse Unklarheiten in Bezug auf die „nachholenden“ Integrationsmassnahmen (Art. 8 Abs. 3, spätere Feststellung von Integrationsbedarf) ergeben. Können auch niedergelassene Ausländerinnen und Ausländer aufgeboten werden? Wie steht es mit Ausländerinnen und Aus-ländern, die aus einer anderen Sprachregion in den Kanton Bern umziehen? Werden diese nicht zu einem Erstgespräch eingeladen, obwohl ev. ein besonde-rer Integrationsbedarf besteht?

• Die Terminologie in Art. 9 und 10 IntG erschliesst sich nicht ohne Weiteres: Ist mit „Integrationsleistungen“ in Art. 9 Abs. 2 etwas anderes gemeint als mit „Mas-snahmen“ in Art. 9 Abs. 3 und „Integrationsmassnahmen“ in Art. 10 Abs. 1? Auch dem Vortrag lässt sich keine schlüssige Antwort entnehmen.

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• Die Gebührenerhebung für Sprach- und Integrationskurse, d.h. für die Beteili-gung an den „Kurskosten“ in Art. 6 Abs. 2 erscheint unter dem Aspekt des Lega-litätsprinzips im Abgaberecht als problematisch. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung bedürfen öffentliche Abgaben einer Grundlage in einem formel-len Gesetz. Delegiert das Gesetz die Kompetenz zur Festlegung einer Abgabe an den Verordnungsgeber, so muss es zumindest den Kreis der Abgabepflichti-gen, den Gegenstand und die Bemessungsgrundlagen der Abgabe selber fest-legen (vgl. z.B. BGE 130 I 113, E.2.2.). Die Anforderungen dürfen zwar dort her-abgesetzt werden, wo das Mass der Abgabe durch überprüfbare verfassungs-rechtliche Prinzipien (Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip) begrenzt wird (a.a.O.). Das Bundesgericht erachtet gemäss BGE 130 I 113 (E. 2.4.) zwar un-bestimmte gesetzliche Grundlagen in Zusammenhang mit Studiengebühren an Universitäten als ausnahmsweise ausreichend, „wenn sich das zur Gebühren-festsetzung zuständige Organ als durch die bisherige Übung gebunden betrach-tete und sich die Gebühren nach der Erhöhung immer noch in der Grössenord-nung bewegten, die an anderen schweizerischen Hochschulen üblich war“. Es sei freilich nicht ausser Acht zu lassen, dass ausschliesslich durch ein Exeku-tivorgan festgesetzte Gebührenbemessungsgrundlagen den Anforderungen des Legalitätsprinzips im Abgabenrecht grundsätzlich nicht genügten. Unter den kon-kreten Umständen dieses Falles liesse es sich in Zukunft nicht mehr rechtferti-gen, gestützt auf eine ungenügende gesetzliche Grundlage wie der vorliegenden Gebührenerhöhungen zu beschliessen, die deutlich über die Teuerung hinaus-gehen (E. 2.6.). Das Bundesgericht deutet damit zumindest für Studiengebühren an Universitäten einen künftig strengeren Massstab an. Strengere Anforderun-gen an die hinreichende gesetzliche Grundlage bei Kursgebühren bei Sprach- und Integrationskursen, die ja von einem Teil der Migrantinnen und Migranten obligatorisch zu besuchen sind, drängen sich daher auf, insbesondere in Hinblick auf die maximale Höhe der Kurskosten und die Abstufung gemäss wirtschaftli-cher Leistungsfähigkeit. Die vorgesehene Regelung würde z.B. Kosten von Fr. 1.-- pro / Stunde, aber auch von Fr. 20.-- / Stunde erlauben.

• Ev. würde sich eine Erwähnung der regionalen Beratungsstellen, die in Art. 7 Abs. 2 und in Art. 8 Abs. 3 IntG erscheinen, auch im Kapitel 4 (zuständige Be-hörden) aufdrängen, damit klarer über die verschiedenen Institutionen informiert wird.

• Möchte Art. 14 IntG einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer vorzeitigen Nie-derlassungsbewilligung einräumen? Sofern diese Bestimmung bloss deklaratori-schen Charakter hat, da sie Art. 34 Abs. 4 AuG wiederholt, könnte darauf ver-zichtet werden.

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V. Beantwortung der Gutachtensfragen

1. Hält sich Art. 10 IntG im Rahmen der bundesrechtlichen Vorgaben?

Sofern die Zielgruppe der Integrationsvereinbarungen der Migrationsbehörde – wie im AuG vorgegeben – auf Jahresaufenthalter (allenfalls Kurzaufenthalter) ohne Rechtsan-spruch auf eine Bewilligung beschränkt wird und sich die Verpflichtung wie in Art. 54 Abs. 1 AuG auf den Besuch von Sprach- und Integrationskursen beschränkt (und nicht auf „andere Integrationsmassnahmen“ ausgedehnt wird), hält sich Art. 10 IntG an die bundesrechtlichen Vorgaben. Bei der Anwendung des Instrumentes der Integrationsver-einbarung wird allerdings darauf zu achten sein, dass dies in rechtsgleicher und nichtdis-kriminierender Weise geschieht. Die Problematik der ungenügenden gesetzlichen Grundlage für verpflichtende Massnahmen beruht auf Bundesrecht und kann mittels kan-tonalen Rechts nicht behoben werden.

2. Ist Art. 11 IntG mit dem übergeordneten Recht vereinbar?

Art. 11 IntG mit der Möglichkeit der Gemeinde, Integrationsmassnahmen „sui generis“ zu ergreifen, erweist sich unter mehreren Gesichtspunkten als rechtlich problematisch bzw. unhaltbar, sei dies in Bezug auf das unklare Verhältnis zu den ausländerrechtlichen Massnahmen, sei dies in Bezug auf die Form des verwaltungsrechtlichen Vertrages, sei dies aber besonders unter dem Aspekt der Gefahr rechtsungleicher bzw. diskriminieren-der Behandlung. Ausserhalb des Kontextes des Ausländergesetzes und der Frage der Zulassung und des Aufenthaltsrechts, im weiteren des Zugangs zu politischen Ämtern und öffentlichen Tätigkeiten lässt sich eine unterschiedliche Behandlung von Drittstaats-angehörigen, EU-Angehörigen und Schweizerbürgern kaum rechtfertigen. Grundsätzlich möglich wären zwar Massnahmen, welche direkt mit dem Zuzug zusammenhängende Integrationsfragen betreffen (Sprache, Einschulung). Für konkrete Verpflichtungen er-weist sich indessen die gesetzliche Grundlage als zu unbestimmt, um einen Eingriff in die persönliche Lebensgestaltung zu erlauben. Eine Vorgehensweise über die Regel-strukturen (z.B. Schulbehörden) wäre zudem klar der Vorzug zu geben.

3. Können „Massnahmen der Gemeinde“ gestützt auf Art. 11 IntG auch gegen-über Ausländerinnen und Ausländern aus dem EU/EFTA-Raum Anwendung finden?

Das Freizügigkeitsabkommen mit der EU (wie das analoge Abkommen mit der EFTA) erlaubt keine Integrationsmassnahmen sui generis mit verwaltungsrechtlichen Sanktio-

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nen bei Nichteinhaltung, da dies eine durch das Abkommen verbotene Diskriminierung darstellen würde (siehe auch nachfolgend Ziff. 5).

4. Falls die Massnahmen nur teilweise Anwendung finden würde: wo liegen die Grenzen?

Es besteht keinerlei Spielraum für eine teilweise Anwendung der Massnahmen der Ge-meinden (siehe nachfolgend Ziff. 5).

5. Falls für EU/EFTA-Staatsangehörige keine verpflichtenden Massnahmen möglich sind: Besteht eine andere Möglichkeit für eine verbindliche Einforde-rung der Integrationsleistungen für die Zielgruppen, die sich nach AuG oder FZA nicht verpflichten lassen? Wie müssten solche Normen formuliert wer-den?

Als rechtlich zulässig und insbesondere mit dem Diskriminierungsverbot des Freizü-gigkeitsabkommens vereinbar würde sich nur eine Regelung erweisen, die nicht am ausländerrechtlichen Status einer Person (Drittstaatenangehöriger nach AuG, Frei-zügigkeitsberechtigter nach FZA, Schweizer Bürger) anknüpft, sondern an einem er-kennbaren Integrationsbedarf. Dies würde aber in der mehrsprachigen Schweiz mit garantierter Niederlassungsfreiheit (Art. 24 BV) weitreichende Fragen aufwerfen. Ei-ne realistische Alternative besteht daher keine.

Schlussbemerkung: Auf Bundesebene läuft aktuell ein umfassender Revisionsprozess der einschlägigen Bestimmungen zur Integration, namentlich derjenigen mit verpflichten-dem Charakter. Unter Umständen würde sich ein Zuwarten empfehlen, bis die Stossrich-tung dieses Prozesses und dessen Zeitplanung bekannt wird.