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LEPIDOIDE IX 93 Lepidoide IX Probleme der Bildungs- und Bauprinzipien Iepidoider (Si04)- Tetraeder-Netze H. K autsky und R. R eise Institut für Siliciumchemie (jetzt Institut für Anorganische Chemie) der Universität Marburg/Lahn (Z. Naturforsch. 20 b, 93—103 [1965] ; eingegangen am 1. Dezember 1964) Aus der Gegenüberstellung des chemischen Verhaltens zweier Iepidoider Substanzen gleicher Zusammensetzung, Si02 , 0,1 H20, I und II, die eine durch Oxydation von Siloxen, die andere durch Erhitzen Iepidoider Kieselsäure dargestellt, sind Schlüsse auf die Bildung- und Bauprinzipien ihrer Netze gezogen worden. Das chemische Verhalten Netz und Netzrand reagieren verschieden. Allein das Netz des Si02 , 0,1 KLO I setzt sich mit CHjMgBr um, und zwar zu (CH3)2Si(OMgBr)2 ; dagegen die Netzränder beider Si02 , 0,1 H20 , I und II, zu Si(CH3)4. Si02 , 0,1 H20 II ist infolge seiner Siloxan-Doppelbrücken hydrolysierbar, S i0 2 , 0,1 H20 I mangels soldier nicht. Aus dem chemischen Verhalten abgeleitete, bei der Gestaltung der Si0.2 , 0,1 H.20 II- und I-Netze wirksame Prinzipien Zu II: Ein Zueinander-Abwärtsklappen zweier über eine Siloxan-Brücke verbundener, flächen- OH OH ständiger Tetraeder „O —Si —O —Si —O“ unter Kondensation der beiden OH-Gruppen, bewirkt O O Bildung einer Siloxan-Doppel-Brücke. Im Netz ergibt sich daraus die Anordnung \ / O O O \ / \ / Si Si “, in welcher jedes Si04-Tetraeder derart von drei Si04-Tetraedern um- / \ / \ O O O / \ 0 / \ geben ist, daß es mit einem derselben eine Kante (Si Si-Brücke), mit jedem der beiden \ / 0 anderen eine Ecke (Si —0 —Si-Brücke) gemeinsam hat; eine Anordnung alternierender Siloxen- Doppel- und Einfach-Brücken. Zu I: Das Auseinander-Aufwärtsklappen eines, nach irans-cis-Umlagerung gleichgerichteten Te- 0 O 1 I traederpaares führt es aus der flächenständigen Lage in die kantenständige „HO —Si —0 —Si —OH“ I I O 0 über. Dieser Vorgang führt zu einer H20-Abspaltung im Netz, eine Anordnung ergebend, in wel cher ein Si04-Tetraeder mit jedem der es quadratisch umgebenden vier Si04-Tetraeder eine Ecke (Si —0 —Si-Brücke) gemeinsam hat. Die Sauerstoff-Ionen bilden, der Kantenstellung der Tetraeder zufolge, zwei übereinander liegende Schichten kubisch dichtester Packung. 1 Si —0 —Si- und SiOH-Bindungen der Kiesel säuren reagieren mit RMgBr nach: Si —0 —Si + RMgX —► SiR + SiOMgX, (1) SiOH + RMgX -> SiR + Mg (OH) X. (2) Bei der Grignardierung einer durch Oxydation des Siloxens hergestellten Kieselsäure entsteht fast nur R2Si(OMgX)2, das zu cyclischen Methylpolysiloxa nen hydrolysiert. Bei der Grignardierung von Silika- gel entsteht SiR4 (auch R3SiOMgX, das zu This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution-NoDerivs 3.0 Germany License. On 01.01.2015 it is planned to change the License Conditions (the removal of the Creative Commons License condition “no derivative works”). This is to allow reuse in the area of future scientific usage. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz. Zum 01.01.2015 ist eine Anpassung der Lizenzbedingungen (Entfall der Creative Commons Lizenzbedingung „Keine Bearbeitung“) beabsichtigt, um eine Nachnutzung auch im Rahmen zukünftiger wissenschaftlicher Nutzungsformen zu ermöglichen.

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LEPIDOIDE IX 93

L epidoide I X

Probleme der Bildungs- und Bauprinzipien Iepidoider (S i04)- Tetraeder-NetzeH. K a u t s k y und R . R e is e

Institut für Siliciumchemie (jetzt Institut für Anorganische Chemie) der Universität Marburg/Lahn

(Z. Naturforsch. 20 b, 93— 103 [1965] ; eingegangen am 1. Dezember 1964)

Aus der Gegenüberstellung des chemischen Verhaltens zweier Iepidoider Substanzen gleicher Zusammensetzung, S i02 , 0,1 H20 , I und II, die eine durch Oxydation von Siloxen, die andere durch Erhitzen Iepidoider Kieselsäure dargestellt, sind Schlüsse auf die Bildung- und Bauprinzipien ihrer Netze gezogen worden.

Das chemische Verhalten Netz und Netzrand reagieren verschieden. Allein das Netz des S i02 , 0,1 KLO I setzt sich mit

CHjMgBr um, und zwar zu (CH3) 2Si(OMgBr)2 ; dagegen die Netzränder beider S i02 , 0,1 H20,I und II, zu Si(CH3) 4 . S i02 , 0,1 H20 II ist infolge seiner Siloxan-Doppelbrücken hydrolysierbar, S i02 , 0,1 H20 I mangels soldier nicht.

Aus dem chemischen Verhalten abgeleitete, bei der Gestaltung der Si0.2 , 0,1 H.20 II- und I-Netzewirksame Prinzipien

Zu II: Ein Zueinander-Abwärtsklappen zweier über eine Siloxan-Brücke verbundener, flächen- OH OH

ständiger Tetraeder „O —Si —O —Si —O“ unter Kondensation der beiden OH-Gruppen, bewirkt O O

Bildung einer Siloxan-Doppel-Brücke. Im Netz ergibt sich daraus die Anordnung\ /

O O O\ / \ /

Si Si “, in welcher jedes S i04-Tetraeder derart von drei S i04-Tetraedern um-/ \ / \

O O O/ \

0/ \

geben ist, daß es mit einem derselben eine Kante (Si Si-Brücke), mit jedem der beiden\ /

0anderen eine Ecke (Si —0 — Si-Brücke) gemeinsam hat; eine Anordnung alternierender Siloxen- Doppel- und Einfach-Brücken.

Zu I: Das Auseinander-Aufwärtsklappen eines, nach irans-cis-Umlagerung gleichgerichteten Te-0 O1 I

traederpaares führt es aus der flächenständigen Lage in die kantenständige „HO —Si —0 —Si —OH“I IO 0

über. Dieser Vorgang führt zu einer H20-Abspaltung im Netz, eine Anordnung ergebend, in wel­cher ein S i04-Tetraeder mit jedem der es quadratisch umgebenden vier S i04-Tetraeder eine Ecke (Si —0 — Si-Brücke) gemeinsam hat. Die Sauerstoff-Ionen bilden, der Kantenstellung der Tetraeder zufolge, zwei übereinander liegende Schichten kubisch dichtester Packung.

1

Si —0 —Si- und SiOH-Bindungen der Kiesel säuren reagieren m it RM gBr nach :

Si — 0 — Si + RMgX —► SiR + SiOMgX, (1)SiOH + RMgX -> SiR + Mg (OH) X. (2)

Bei der G rignardierung einer durch O xydation des Siloxens hergestellten K ieselsäure entsteht fast nur R2S i(O M gX )2 , das zu cyclischen M ethylpolysiloxa­nen hydrolysiert. Bei der G rignardierung von Silika- gel entsteht SiR4 (auch R3SiOMgX, das zu

This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution-NoDerivs 3.0 Germany License.

On 01.01.2015 it is planned to change the License Conditions (the removal of the Creative Commons License condition “no derivative works”). This is to allow reuse in the area of future scientific usage.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung 3.0 DeutschlandLizenz.

Zum 01.01.2015 ist eine Anpassung der Lizenzbedingungen (Entfall der Creative Commons Lizenzbedingung „Keine Bearbeitung“) beabsichtigt, um eine Nachnutzung auch im Rahmen zukünftiger wissenschaftlicher Nutzungsformen zu ermöglichen.

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9 4 H. KAUTSKY UND R. REISE

R;JSi — 0 — SiR3 hydro lysiert). Von diesen E rgeb­nissen 1 geht unsere U ntersuchung aus.

Entw eder liegt die Ursache des unterschiedlichen chemischen V erhaltens in einer verschiedenen Zusam ­m ensetzung der K ieselsäuren oder in S truk turunter­schieden, d. h. einer verschiedenen A nordnung der Strukturelem ente. Eine Entscheidung darüber ist möglich: M an braucht nur beide Arten Kieselsäuren auf gleiche chemische Zusam mensetzung, gleich­bedeutend einem gleichen H ydratationsgrad, zu b rin ­gen und die Reaktionsprodukte ih rer G rignardierung zu vergleichen.

Zu diesem Zweck sind 2 K ieselsäuren gleicher Zusam m ensetzung dargestellt w orden; die eine ausgehend vom lepidoiden Siloxen j (S i6) 0 6/2 I H 6 , die andere von der lepidoiden Kieselsäure | (S i60 6) 0 6/2 | (OH) 6 . Siloxen m it N 0 2 oxydiert, ergibt, sondererbarerw eise unter H 20-A bspaltung, eine lepidoide V erbindung der Brutto-Zusammen- setzung S i0 2 , 0,1 H 20 . E ine lepidoide V erbindung gleicher Zusam m ensetzung erhält man durch therm i­sche K ondensation der lepidoiden Kieselsäure. Die beiden schuppigen V erbindungen bezeichnen wir als S i0 2 , 0,1 H 20 I und S i0 2 , 0,1 H 20 II. W asserfreies S i0 2 I und II böte reinere Bedingungen; es durch therm ische W asserabspaltung zu gewinnen, gelang, der Tem peraturem pfindlichkeit der Lepidoidstruktu- ren wegen, nicht.

Darstellung des S i0 2v 0,1 H20 I : In eine Aufschläm­mung von 20 g Siloxen in 250 ml Pentan bei —15 bis— 20° ein Gasgemisch von N2 und N 0 2 (3 : 1) (vor­sichtig) bis zur Sättigung einleiten. Nach 6 bis 8 Stdn. nimmt das Siloxen kaum mehr 0 2 auf, obwohl noch8 — 10% seiner reaktionsfähigen Bindungen (SiH oder auch Si — Si) unangegriffen sind. Zu seiner vollständi­gen Oxydation versetzt man die abfiltrierte, mit Äther + etwas CH3OH gewaschene Substanz mit 150 ml HoO + 25 ml Aceton, tropft, schwach alkalische Reaktion aufrechterhaltend, 0,5-proz. wäßrige NH3-Lösung unter Rühren langsam zu und w»artet, bis-sich kein H2 mehr entwickelt. Abfiltriert, mit absolutem Alkohol und Äther gewaschen, dann 8 Stdn. an der Hg-Pumpe evakuiert, hatte die Substanz die Zusammensetzung S i0 2 , 0,1 H20.

Darstellung des S i0 2, 0.1 H20 I I : Sie geschieht durch einstündiges Erhitzen der lepidoiden, schuppigen Kieselsäure auf 500°. Die schuppige Kieselsäure erhält man durch Einfrieren eines 2-proz. Grahamsols der

1 H. K a u t s k y u . B . B a r t o c h a , Z. Naturforschg. 10 b, 422 [1955] ; B . B a r t o c h a . Diss., Marburg 1956 (Inst. f. Sili­

ciumchemie) .2 H. K a u t s k y u . R. I r n ic h , Z. anorg. allg. Chem. 295, 193

[1958] ; R. I r n ic h , Diss., Marburg 1960 (Inst. f. Silicium- chemie).

Kieselsäure 2. Das Erhitzen beeinträchtigt die Lepidoid- struktur nur wenig. Die Übereinstimmung der Wasser­werte 0,1 H20 beider S i0 2, 0,1 H20 , I und II, ist gut. Sie können sich bis zu 5% voneinander unterscheiden.

A l l g e m e i n e V e r s u c h s b e d i n g u n g e n , d i e f ü r a l l e i n d i e s e r A r b e i t d u r c h ­

g e f ü h r t e n G r i g n a r d i e r u n g e n g e l t e n

Die feste Siliciumverbindung in n-butylätherischer CH3MgBr-Lösung am Rückfluß (143°) 32 Stdn. kochen, dann die gelöste organische Siliciumverbindung vom festen Rückstand durch mehrfaches Waschen und Ab­hebern möglichst vollständig trennen, dann abdestillie­ren des Butyläthers und abfangen des Si(CH3) 4 (Sdp. 26,5°) in zwei mit Trockeneis und Aceton gekühl­ten Fallen, dann die trockenen Mg-Silanolate in Äther aufnehmen, hydrolysieren und die basischen Mg-Salze mit Salzsäure entfernen, schließlich das abgeschiedeneOl in Äther aufnehmen, mit Na2S 0 4 trocknen und frak­tioniert destillieren.

Bestimmt wurden die Verbindungen durch Siede­punkt, Verbrennungsanalyse, Brechungsindices und IR- Spektren *.

V e r g l e i c h d e r G r i g n a r d i e r u n g e n b e i d e r S i02, 0 , l H 20 , 1 u n d II

Versuch 1: Grignardierung des S i0 2, 0,1 H20 , 1 15 g S i02, 0,1 H ,0 I mit 49 g CH3MgBr in 250 ml n-Butyläther grignardieren.

Isolierte Verbindungen:2,6 g Oktamethylcyclotetrasiloxan,0,6 g Decamethylcyclopentasiloxan,0,5 g Gemisch beider2,9 g nicht trennbares Gemisch, cyclischer wie auch langkettiger Methylpolysiloxane und Ver­unreinigungen.

Versuch 11: Grignardierung des S i0 2 , 9,1 •H20 II50 g S i02, 0,1 HoO II mit 49 g CH3MgBr in 250 ml n-Butyläther grignardieren.

Isolierte Verbindung:2,4 g Si(CH3) 4 **,(0,5 g brauner Rückstand geringen Si-Gehaltes).

Gegenüberstellung der E rgebnisse der Versuche 1 und 2: S i0 2, 0,1 H 20 1 setzt sich, m it CH^MgBr selek­tiv zu (C H :i)o S i(O M gB r) 2 um , S i 0 2 , 0,1 H 20 II dagegen zu S i(C H 3) A. D araus folgt: D ie u n ter­schiedlichen R eaktionsw eisen der beiden gleich zu ­sam m engesetzten Verbindungen S i0 2, 0,1 H 20 I undII beruhen allein auf S trukturunterschieden .

* Ausführliche Angaben dazu: R . R e is e , Diss., Marburg/Lahn 1960 (Inst. f. Siliciumchemie).

** Bei größeren Ansätzen wird auch (CH3) 3Si (OMgBr) nach­weisbar; über den Chemismus seines Enstehens sieheR . R e ise * .

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LEPIDOIDE IX 95

Die Kurven Abb. 1 und 2, zu den Versuchen 1 und 2 gehörig, bringen M eßergebnisse des zeitlichen V erlaufs der G rignardierungen der beiden S i0 2 , 0,1 HoO I und II.

Abb. 1. Zeitlicher Verlauf der Grignardierung des S i02 , 0,1 H20 I.

t [Stdn.]■

Abb. 2. Zeitlicher Verlauf der Grignardierung des S iO ,, 0,1 H ,0 II.

Unm ittelbar einander gegenübergestellt sind diese Kurven nicht vergleichbar, denn in Versuch 1 (Abb. 1) waren 15 g S i0 2 , 0,1 H 20 I eingesetzt, im Versuch 2 (Abb. 2) dagegen, der geringeren Aus­beute wegen, 50 g S i0 2 , 0,1 H 20 II.

Zu A bbildu n g 1 : Nach 32 Stdn. ist das CH3MgBr weitgehend verbraucht, die Grenze der A ufnahm e­fähigkeit für weiteres CH3MgBr jedoch noch keines­wegs erreicht. Anscheinend beteiligt sich das gesamte Netz an der Bildung des (CH3) 2Si (OM gBr) 2 .

Zu A bbildung 2 : Bereits nach 24 Stdn. steht die Reaktion still. Aus dem zu diesem Zeitpunkt erm it­telten CH.jMgBr-Verbrauch berechnet sich die A n­zahl der (S i0 4)-Tetraeder, die bis zum Stillstand der Reaktion in S i(C H 3) 4 verwandelt wurden, zu etwa \% der insgesam t vorhandenen.

W odurch zeichnen sich diese 4% g rignard ierbarer (S i0 4)-Tetraeder vor den anderen 96% nicht g rig n ar­dierbarer des Flächengitters aus? Drei A rten (S i0 4)- Tetraeder beteiligen sich am Aufbau des Netzes:

0 O OH O

Si Si Si

OH

OH.O O O O O

N ur die mit zwei OH behafteten kom m en in der geringen Anzahl von wenigen Prozenten im Gitter vor. Sie beschränken sich auf den N etzrand 3 (und A nm .* . S. 9 4 ). Die Gl. (4) und (5) form ulieren ihre Umsetzung mit CH3MgBr zu S i(C H 3) 4 .

0 O OH 0 0 CH3

\ s i ' ^ S i ^ + 2 CH3M gBr ^ S i ^ S i + 2 MgBr (OH)/ \ / \ / \ / \

O O OH o O CH3

(3) *

O 0\ / \ ,

Si Si / \ / '

0 o

CH*

CH,

2 CHjMgBr

OMgBr

Si + Si (CH3)4 (4)

OMgBr

/

O OMgBr O OH\ / \ /

Si + H o0 ^ Si + 2 MgBr (OH)

/ \ / \0 OMgBr O OH

(5)

3 H. K autsky, H. P f l e g e r , R . R e is e u . W. V o g e l l , Z. Natur- * Vgl. Gl. (2 ) . forschg. 17 b, 491 [1 9 6 2 ] .

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9 6 H. KAUTSKY UND R. REISE

W arum spaltet CH3MgBr die Siloxanbindung nur an dem mit zwei CH3 behafteten Si [Gl. (4 )] ? Weil an dieser Stelle die Si-Sauerstoffbindung ionischer ist. Der Ersatz von Si — OH durch Si — CH3 [Gl. (3) ] w irkt sich wie eine H erabsetzung der Ladung des Si aus. D arin liegt der Ausdruck eines bereits in einer V ielfalt von Fällen beobachteten gesetzmäßigen V er­haltens, von denen wir drei zum Vergleich anführen:

CH3I

O—Sn—0I

O

0 o\ /

Te

© CH, -i ©

OHH© und H3C —SnICH

2© H3C -\

2 H© und Te 2 OH©.

O 0 H3C

Auch Si — Si-Bindungen wirken analog den CH3 — Me- B indungen:

SiO

O - S i - O

O

GH© und 0 —Si

Si

© OH©

In der K ieselsäure tauscht H® gegen K at­

ionen aus.

In Oxysiloxenen tauscht O H 0 gegen

Anionen aus.

Gin. (3 ), (4) und (5) sind experimentell p rü f­b a r : Im Endzustand der Reaktion (Abb. 2, V er­such 2) gekennzeichnet durch die W aagerechte, in welche die Kurve letztlich m ündet, sind die anfäng-

0 OH

lieh vorhandenen Si nach Gin. (3) und (4)

00

OMgBrOH

Si übergegangen. H ydrolyse der

O OMgBr Si — 0 — M gBr-Bindung m üßte unter Abspaltung von M gB r(O H ) die ursprüngliche Zusammensetzung des Randes und dam it die Ausgangsbedingungen für den A blauf der Reaktionen 3 und 4 wieder herstei­len [Gl. (5) ] .

Versuch 3 und 4 (Abb. 3) bestätigen diese Folge­rung.

Versuch 3 (zu Abb. 3, Kurve 1) : 60 g S i02, 0,1 H20 II mit 44 g CH3MgBr in 300 ml n-Butyläther grignardie- ren.

Ausbeute an Si(CH3) 4 = 3,8 g.

Abb. 3. Kurve 1 (Versuch 3) : Zeitlicher Verlauf der Grignar­dierung des S i02 , 0,1 H20 II. Kurve 2 (Versuch 4) : Zeit­licher Verlauf der Grignardierung des in Versuch 3 entstan­

denen festen Reaktionsproduktes.

Nach Trennen von der Lösung (Vorschrift S. 94) den festen Rückstand hydrolysieren, mit Methanol und Äther waschen, trocknen und durch Evakuieren von an­haftenden Fremdstoffen befreien.

Versuch 4 (zu Abb. 3, Kurve 2) : 60 g aus dem Ver­such 3 stammenden Hydrolyseproduktes mit 44 g CH3MgBr in 300 ml n-Butyläther grignardieren.

Ausbeute an Si (CH3) 4 = 3,8 g, übereinstimmend mit der des Versuches 3.

D ie Ü bereinstim m ung der in den beiden K urven 1 und 2 (A b b . 3 ) dar gestellten zeitlichen R eaktions­abläufe is t befried igen d . D as bedeu te t: D ie H yd ro ­lyse des E n dprodu k tes des Versuches 3 [v g l. Gl. ( 5 ) ] schaßt w ieder d ie A usgangsbedingungen , aus denen es her vor g ing [v g l . Gl. ( 3 ) ] * .

Nicht allein Si

O

O

O

Si'

OH

OH

reagiert mit

O O c h 3\ . / v /CH3MgBr unter Bildung von Si Si

0/ V CH3/

[Gl. (3 )], sondern auch das nach Gl. (4) entstehende

O O OMgBr\ / \ /

Si Si [Gl. (6 ) ]1/ \ / \

o O OMgBr

* Auf diese Weise ließe sich das ganze Netz des S i02 , 0,1 H.,0 II vom Rande her zu Si(CH3) 4 abbauen [s. auch Gf. (6)].

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LEPIDOIDE IX 97

\ / \ .

Si Si / \ / '

O 0

O 0 OMgBr

+ 2C H 3MgBr

OMjrBr

O

O

Si Si'

0

CH,

CH,

+ 2 (MgBr2M gO). Gl. (6)

Diese Reaktion entzieht sich aber, ih rer geringen Geschwindigkeit unter den gegebenen sehr ungünsti­gen Bedingungen wegen, dem Nachweis. Zu Beginn

0 OMgBr

der Umsetzung m angelt es an Si , zu-

0 OMgBr letzt an CH3M gBr. W ählt m an die in Versuch 5

0 OMgBr\ /

(Abb. 4, K urve 1) erreichte Si -End-/ \

0 OMgBr konzentration und etwa die CH3MgBr-Ausgangskon- zentration als R eaktionsbedingungen (Versuch 6, Abb. 4, K urve 2 ) , dann gelangt die entstehende Menge S i(C H 3) 4 in den Bereich des M eßbaren. Eine G egenüberstellung beider K urven läßt erkennen, wie träge sich, selbst unter den so günstigen Bedingun­gen, die SiOM gBr-Gruppe, im Vergleich zur SiOH- Gruppe, mit CH3MgBr umsetzt.

Abb. 4. Kurve 1 (Versuch 5) : Zeitlicher Verlauf der Grignar­dierung des S i02 , 0,1 H20 II. Kurve 2 (Versuch 6) : Zeit­licher Verlauf der Grignardierung des in Versuch 5 entstan­

denen Reaktionsproduktes.

Versuchsangaben zu Abb. 4: Versuch 5, Kurve 1: 100 g S i02,0 , l H20 II mit 37 g CH3MgBr in 250 ml n-Butylalkohol grignardieren. Ausbeute: 5,3 g Si(CH3)4 nach 32 Stunden. Versuch 6, Kurve 2: 100 g sauber extrahiertes festes Endprodukt des Versuchs 7 mit 42,5 g CH3MgBr in 250 ml n-Butylalkohol grignardie­ren. Ausbeute: 1,2 g Si(CH3) 4 nach 40 Stunden.

Die G rignardierung des S i0 2 , 0,1 H 20 I in gleicher Weise wie die des S i0 2 , 0,1 HoO II (Versuche 2 und 5) durchgeführt, erg ib t kein S i(C H 3) 4 , obwohl auch am R and eines Netzes, im Vergleich zur Fläche, die Hydroxyl- G ruppen dichter angeordnet sein dürften. Der Um ­satz und dam it auch die Nachweisbarkeit einer R andreaktion hängt von der R andgröße ab. Das, auf vergleichbare Mengen bezogene, V erhältnis der Randgröße des S i0 2 , 0,1 H 20 I zu der des S i0 2 , 0,1 H 20 II beträgt ungefähr 1 : 104; die Netze des letzteren haben einen m ittleren 0 von höchstens 100 Ä 3. Die Bedingung, gleiche R andgrö­ßen für beide zu schaffen, ist deshalb nicht gut e r­füllbar. Es ist jedoch möglich, die Blättchen des S i0 2 , 0,1 HoO I bis zu einem m ittleren Durchmesser von 1 u zu zerm ahlen und dam it das V erhältnis der Durchmesser auf 1 : 102 zu verbessern. D araus läßt sich allerdings noch nicht die m ittlere R andgröße ab ­schätzen; denn die Schuppen sind von unzähligen, den Rand vielfach vergrößernden, Sprüngen durch­zogen.

Versuch 7 soll die Frage beantw orten, ob auch die Ränder der S i0 2 , 0,1 H 20 I-Netze gleich denen des S i0 2 , 0,1 HoO II nach den Gin. (3) und (4 ) , S i(C H 3) 4 entwickelnd, zu reagieren vermögen.

Versuch 7: 25 g S i02, 0,1 H20 I auf 5 Glaskolben gleichmäßig verteilen, in 20 ml H20 + 10m l Aceton 10 Stdn. mit Lagerkugeln mahlen, dann mit Aceton und Äther waschen und 8 Stdn. im Vakuum trocknen. 25 g des gemahlenen S i02, 0,1 H ,0 I mit 44 g CH3MgBr in 200 ml n-Butyläther grignardieren.

Ergebnis: 0,2 g Si(CH3) 4 . Außerdem (vgl. Ver­such 2) : 5 g Octamethylcyclotetrasiloxan, 1,1 g Deca- methylcyclopentasiloxan, 0,4 g Gemisch beider, 6,1 g nicht trennbares Gemisch cyclischer auch langkettiger Methylpolysiloxane und Verunreinigungen.

D er N etzrand des S i0 2 , 0,1 H 20 reagiert in d er­selben Weise w ie der des S i0 2 , 0,1 H 20 II : In b e i­den Fällen entsteht S i ( CH3 .

Die Bildung von S i(C H 3) 4 ist demnach keine spe­zifische Eigenschaft der S i0 2 , 0,1 H 20 II-S truktur. Die Strukturen der beiden S i0 2 , 0,1 H 20 , I und II, unterscheiden sich nicht, wie es anfangs aussah, da­durch, daß die eine zu (CH3) 2Si (OM gBr) 2 und die andere zu S i(C H 3) 4 g rignard iert w ird. Der W esens­unterschied der beiden S trukturen liegt vielm ehr darin , daß S iO o, 0,1 H20 I m it seiner N etzober­fläche unter B ildung von (CH 3) 2Si (OM gBr) 2 in Reaktion tritt, w ährend die Netzoberfläche des S i0 2 , 0,1 HoO II dem CH3M gBr keine Angriffs-

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punkte bietet. Die A ngriffspunkte für das CH3MgBr an dem S i0 2 , 0,1 H 20 I-Netz sind unbedingt in einer besonderen A nordnung der es gestaltenden S i-O —Si- Brücken zu suchen, die einen spezifischen Kontakt des CH3M gBr mit diesem R eaktionspartner herbei­zuführen verm ag.

An diesem Punkt angelangt, erhielten wir aus gleichzeitig laufenden U ntersuchungen der H ydro­lyse beider S i0 2 , 0,1 H 20 , I und II, Ergebnisse, die einen übersichtlicheren und kürzeren W eg weisen, an die ihre S trukturen gestaltenden allgemeinen Auf­bauprinzipien heranzukom m en, als es der zuvor be­tretene der G rignardierung war. W ir folgten deshalb zunächst dem neuen Weg. Die Untersuchungen über die G rignardierung finden ihre Fortsetzung in einer weiteren A rbeit (H. K a u t s k y und Ch. W e r n e r ) .

Die lepidoide K ieselsäure S i0 2 , 0,5 H 20 (Brutto- Form el) entsteht durch W asserabspaltung zwischen S i(O H )4-Molekülen. Den Ergebnissen unserer b is­herigen Untersuchungen nach 1. c. 3’ 4 kondensiert S i(O H )4 nicht, gleich den meisten drei oder vier kondensationsfähigen G ruppen enthaltenden Mole­külen, ungerichtet zu harzartigen S trukturen, son­dern gerichtet zu ebenen, durch Si — 0 — Si-Brücken

OHgeknüpften 0 Si O-Tetraeder-Netzen. Die bei-

0den Oberflächen eines Netzes dieser A rt unterschei­den sich voneinander. E ine besteht aus denSi — 0 — Si-Brücken, die andere aus den, die freien Tetraederspitzen bildenden, unkondensierten OH- G ruppen. Dieses, einem Kristallwachstum ähnliche, ebene A neinanderkondensieren der S i(O H )4-Mole-

OHküle gibt den dabei entstehenden 0 Si O-Tetra-

0edern Gelegenheit, unbehindert die stabilste Lage zu­einander einzunehm en, die Sechsring-Anordnung cj’s-ständiger S i0 4-Tetraeder, vergleichbar der des Siloxannetzes im Talk- oder Pyrophyllit-G itter.

Die Netze der lepidoiden K ieselsäure sind jedoch Doppelnetze, in denen zwei gleiche, einzelne Netze mit ihren Siloxan-Oberflächen aneinanderhaften 5.

Legt man zwei Atommodelle (Tischtennisbälle) einfacher K ieselsäurenetze m it ihren S iloxanober­flächen exakt aufeinander und verschiebt sie dann entlang einer a-Achse gegeneinander, so gleiten sie in eine Lage, die weiterem Verschieben W iderstand entgegensetzt.

Diese Lage ist dadurch charakterisiert, daß wech­selseitig Brückensauerstoffe des einen Netzes gewis­serm aßen als fünfte Liganden (vgl. Abb. 9 .3) über Siliciumatome des anderen zu stehen kom m en:

. 50% der S i0 4-Tetraeder jedes

der beiden Netze haften auf diese W eise an dem ihm anliegenden.

D araus möchte m an auf ein Prinzip schließen, nach welchem die Doppelnetz-Bildung durch ebenes Ankondensieren von Si (OH) 4-Molekülen an bereits koordinativ angelagerte Si (OH) 4-Moleküle erfolgt,] c 5, S. 107

K ondensieren zwei benachbarte OH eines einzel­nen Netzes, dann verm ag das n u r unter B ildung

O/ X .einer Si Si-Doppelbrücke zu geschehen. Abb. 5\ /

Overauschaulicht diesen V organg an dem Modell eines

OH OH O Si O Si O -Tetraederpares.

0 0Die Ecken der T etraeder in Abb. 5 bedeuten

Schwerpunkte der O-Ionen ( r = 1 . 4 Ä ) . A: Die Te­traeder verbindet eine Si — O — Si-Brücke (gem ein­same Ecke). Die dick ausgezogene Linie bedeutet einen senkrechten Schnitt durch die beiden. B : An

Abb. 5. Die Kondensation der Kieselsäure an einem Schnitt durch ein Si04-Tetraeder-Paar erläutert. rO = 1.4 A. A = in Aufsicht. B = in ebener Pro­

jektion der Schnittflächen.

4 H. P fleger u . H. K autsky, Kolloid-Z. 169. 11 [ I 9 6 0 ] , 3 H. K autsky, W. O tto u . H. P f le g e r . Z. Naturforschg. 19 b,102 [1 9 6 4 ] ,

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LEPIDOIDE IX 99

der ebenen P ro jek tion der Schnittflächen erläutern wir den Ü bergang der Si — 0 — Si-Brücke in die

0

Si Si-Brücke. E r kommt dadurch zustande, daß

0die beiden Tetraeder, sich zueinander neigend, nach abw ärts klappen, bis nach K ondensation beider OH eine gemeinsame Kante b ,b r sie verbindet. Die Pfeile deuten die dam it verbundene L ageänderung der Sauerstoffschwerpunkte, der Tetraeder-M ittelpunkte (Si) und der K anten a und a' an. Der Ü bergang des 142°-W inkels in den 71°-W inkel schafft einen Span­nungszustand, welcher die leichte hydrolytische A uf­spaltung der durch therm ische K ondensation neu- geschalfenen Siloxan-Brücken begreiflich erscheinen läßt.

0y \ .Hydrolyse öffnet Si Si-Doppelbrücken zu

0Siloxan-Einfachbrücken unter Rückbildung der An-

OH OHO rd n u ng 0 Si 0 Si O 6. S iO o, 0,1 H o0 II

0 0sollte, in Hinblick darauf, zur K ieselsäure S iO o, 0,5 HoO hydrolysieren (Versuch 8 ) .

Versuch 8: Quantitative Bestimmung des Verhältnis­ses Si : OH nach der Hydrolyse des S i02, 0,1 H20 II. Versuchsbedingungen: Proben von S i0 2, 0,1 H20 II bis zu 15 Tagen in H20 aufbewahren, dann durch Ionen­austausch, H® gegen (CuOH) ®, die Anzahl der SiOH- Gruppen bestimmen 2. Der pn-Wert lag unter 9, eine Sicherheit dafür, daß keine Si — 0 — Si-Brücken, son-

0/ \ .dern ausschließlich Si Si-Brücken der Hydrolyse

0zugänglich waren.

E rgebn is: Das V erhältnis Si : OH betrug vor der H ydrolyse 1 : 0,2, nach der Hydrolyse 1 : 0,8.

Das in der unkondensierten, frisch aus dem Sol hergestellten Kieselsäure bestimm te V erhältnisSi : OH liegt im Bereich von 1 : 0 ,9 bis 1,0. Ih re K ondensation zu dem SiO o, 0,1 H 20 II erfordert eine T em peratur von 500°, eine etwas derbe Be­handlung, welche die Lepidoid-Struktur nicht voll­kommen unbeeinflußt läßt. Dies in Betracht ziehend, d a rf m an in dem Ergebnis des Hydrolyseversuches einen recht befriedigenden Nachweis der weitgehen­den R ehydratisierung des S i0 2 , 0,1 H 20 II zu der K ieselsäure S i0 2 , 0,5 H 20 , aus der es hervorging, sehen.

Gl. (7) form uliert die einander entgegengesetzt laufenden Vorgänge der Kondensation und der H y­drolyse:

OH OH OH OHK o n d e n s a tio n , /

— O — Si — O — Si — O — Si — O — Si — O — * -p. , . ^ — O — SiH y d ro ly s e , yo 0 0 0

O 0\ / \

Si — O — Si Si — OI I \ / |

O 0 O O 0 0

(7)

Aus dem K ondensationsprinzip leitet sich das Bau-O

prinzip ab. A lternierend angeordnete Si Si-

Ound Si — O — Si-Brücken gestalten das N etz; jedes S i0 4-Tetraeder ist darin von 3 S i0 4-Tetraedern um-

0/ \ .

geben; mit einem hat er eine Kante (Si Si-\ /

OBrücke) gem einsam, m it jedem der beiden anderen eine Ecke (Si — O — Si-B rücke). U neingeschränkt gilt dies natürlich nur für ein H 20-freies S i0 2 II-Netz.

Ganz allgem ein dürften reversibel hydratisier- bare K ondensationsprodukte der Kieselsäure, gleich

ih r selbst, S i0 4-Tetraeder-Sechsringnetze bilden, je ­doch m it veränderten A bständen von Si zu Si dort, wo sich durch Kondensation die W inkel derSi — O — Si-Bindungen änderten (Abb. 5 ) .

E in Sechsring-Netz, aufgebaut aus alternierend angeordneten Siloxan-Doppel- und -Einfach-Brücken, bedeutet noch keine eindeutige S trukturangabe. Ebenso wie in der organischen Chemie alternierende Einfach- und Doppel-Bindungen chinoid oder ben­zoid angeordnet sein können, bestehen analoge A n­ordnungsm öglichkeiten auch für alternierende Silo­xan-Einfach- und -Doppel-Brücken in einem Netz; selbst Mischtypen sind in Betracht zu ziehen. Über die Feststellung des Bauprinzips hinausgehend, A n­gaben über den speziellen O rdnungszustand des S i0 2 , 0,1 HoO II-Netzes zu machen, ist deshalb noch nicht möglich.

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1 0 0 H. KAUTSKY UND R. REISE

5

Versuch 9: Die Bedingungen für die quantitative Be­stimmung der Hydrolysierbarkeit des S i02,0 , l H20 I wählten wir übereinstimmend mit denen des Versuches 8. Wie im S i0 2, 0,1 H20 II ist das Verhältnis Si : OH =1 : 0,2. Dieses Verhältnis findet sich auch in lang­dauernd unter Wasser aufbewahrten Proben unver­ändert wieder.

S i02, 0,1 H20 I ist im Gegensatz zu S i0 2 , 0,1 H.20 II nicht hydrolysierbar. Demnach gestalten lediglich einfache Si — 0 — Si-Brücken das Siloxan- Netz des S i0 2 , 0,1 H20 I.

Von dieser Feststellung ausgehend versuchen wir die Bildungs- und Bauprinzipien des S i0 2, 0,1 H 20 I- Netzes abzuleiten. Es handelt sich um Prinzipien und nicht um die Erm ittlung der A nordnung einzel­ner vollkommen und weniger vollkommen konden­sierter Stellen in dem S i0 2 , 0,1 H 20 I-Netz. Die A b­leitung bezieht sich deshalb nicht auf das S i0 2 , 0,1 H 0 2 I, sondern — vom H 20-Gehalt abgesehen — auf die A bstraktion eines vollkommen kondensier­ten S i0 2 I *.

Im S i0 4 I ist jedes S i0 4-Tetraeder von 4 S i0 4- T etraedern umgeben. M it jedem hat es eine Ecke (Si — O — Si-Brücke) gemeinsam. Es gibt anschei­nend nur zwei Bauprinzipien, nach denen sich mit dieser A nordnung ein Flächengitter konstruieren läßt (Abb. 6 und Abb. 7 ) .

Abb. 6. Ein Doppelnetz bestehend aus 2 überein­ander liegenden Kieselsäurenetzen, deren vormals OH-bedeckte Oberflächen durch K ondensation über Siloxan-Brücken aneinandergeschweißt sind.

Abb. 7. Ein einfaches Netz kantenständiger S i0 4- Tetraeder, deren Sauerstoff-Ionen in kubisch dichte­ster Packung zwei übereinanderliegende Schichten bilden.

Netz

Netz

Abb. 6. Schema der S i04-Tetraeder-Verknüpfung in einem Doppelnetz des S i02 I.

* Die realen Netze enthalten Wasser. Bisher experimentier­ten wir nur mit dem durch O-Übertragung mittels N 02 her­gestellten S i02, 0,1 H ,0 I (Abschn. 1). Bei der Oxyda­tion von Siloxen mit Luftsauerstoff in Lösung entsteht ein schwächer hydratisiertes S i02 , 0,05 HäO I, mit KMn04 dagegen ein stärker hydratisiertes der Zusammensetzung S i02 , 0,14 H20 12 Diss.. Dieser Abhängigkeit von den Darstellungsbedingungen nach zu schließen, sind die der Kondensation entgangenen, den H20-Gehalt bedingenden

Die Bildung eines Doppelnetzes (Abb. 6) durch K ondensation zweier OH-behafteter Einzelnetze setzt den unm ittelbaren K ontakt ih rer Oberflächen voraus. Diese V oraussetzung erfüllt sich kaum bei der Um­w andlung des Siloxens zu S i0 2 , 0 ,1 H 20 I. Flüssig­keitsschichten, in denen die Moleküle des Oxyda­tionsm ittels und der R eaktionsprodukte diffundieren, trennen die Netze voneinander. Besonders aber wi­derspricht die m angelnde K ondensationsneigung der

Oein Kieselsäurenetz aufbauenden O — Si — OH-Tetra-

Oeder, herandiffundierenden Si(OH )4-Molekülen oder auch einem zweiten anhaftenden Netz 3’ 4 gegenüber, der A nnahm e einer freiwilligen K ondensation zweier Kieselsäurenetze zu einem derartigen S i0 4-Doppel- netz.

P

u u u u

Abb. 7. Ein SiO, I-Flächengitter kantenständiger S i04-Tetra- eder. o = obere Kanten, u = untere Kanten, P = Ausschnitt zur Berechnung der Elementaroberfläche. Alle Schnittpunkte

bedeuten Schwerpunkte der Sauerstoff-Ionen.

Ein Netz des S i0 2 I ist som it allein nach dem in Abb. 7 zum Ausdruck gebrachten Bauprinzip kon­stru ierbar. W eitere Möglichkeiten scheint es nicht zu geben. Das bedeutet die Sicherung eines Bezugs­punktes für die weiteren, auf die Strukturumbildung gerichteten Überlegungen.

Die G rundfrage, zunächst rein geometrisch ge­stellt, ist: Wie verm ag eine ebene Sechsringanord- nung auf Flächen stehender (flächenständiger) Te­traeder (Abb. 10) in eine ebene reguläre A nordnung kantenständiger Tetraeder (Abb. 7) überzugehen, ohne B indungen des Netzes aufzuspalten. E ine Uber-

OO —Si —OH-Tetraeder, nicht als konstanter Struktur-

Obestandteil aufzufassen. Bevor nicht weitere Experimente die Bedingungen erkennen lassen, die wesentlich den, nach abgelaufener Oxydation verbleibenden Hydratationsgrad beeinflussen, wäre es voreilig, in dieser Richtung weiter zu diskutieren.

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LEPIDOJDE IX 101

Abb. 8. Das Umklappen eines flächenständigen Tetraederpaares in ein kantenständiges. B = in ebener Projektion eines Schnittes im Sinne der

Abb. 5 dargestellt. C = in Aufsicht.

gangsmöglichkeit in die kantenständige Lage, ohne Bindungsöffnung zwischen den T etraeder zu zeigen, ist der Sinn der Abb. 8.

Die Pfeile deuten die Lageänderungen der S auer­stoff-Schwerpunkte, der Tetraeder-M ittelpunkte (Si) und der Kanten a und a' beim A ufw ärtsauseinander- klappen der beiden flächenständigen T etraeder in ihre kantenständige Lage an. Wie in Abb. 5 geht die K onstruktion der Abb. 8 von einem T etraederpaar mit einer gem einsamen Ecke aus. Die bis zu seiner A nordnung im S i0 2 I durchlaufenen S tellungsände­rungen unterscheiden sich naturgem äß grundsätzlich von denen des Tetraederpaares der Abb. 5. Im ersten Fall geht die flächenständige Lage der beiden T etra­eder zunächst ohne K ondensation in eine kantenstän­dige über, in letzterem Falle klappen sie zueinander, einen über eine gem einsame Kante verbundenen Tetraeder-Zwilling bildend. W ir benutzen in Abb. 8, wie in Abb. 5, die beiden A ußenkanten a und a als Drehachse. Die D rehung erfolgt aber hier entgegen­gesetzt nach aufw ärts, so weit, bis beide Tetraeder auf ihre Kanten zu stehen kommen. D er 142°-W in- kel, der die beiden Tetraeder verbindenden Si—O -Si- Brücke verengt sich dabei auf 109°. In Aufsicht (Abb. 8 C) tr itt bereits ganz k lar das P rinzip der in Abb. 7 veranschaulichten T etraeder-A nordnung hervor.

So einfach sich der V organg der S truk turum bil­dung in der K onstruktion Abb. 8 darstellt, so sehr stemmt sich aber auch ein E inw and dagegen. Die S truk tur des S i0 2 I geht nicht aus der S truk tu r der cw-Kieselsäure, sondern aus der des Siloxens h e r­vor. In dieser sind aber die L iganden in trans-Ste\- lung (Abb. 9) gleichm äßig hälftig auf beide O ber­flächen verteilt *.

Ein Netz /rans-ständiger T etraeder in eines eis- ständiger um zulagern erfordert freie Beweglichkeit der einzelnen Tetraeder. Diese ist in keinem Zeit­punkt der Oxydation des Siloxens zu S i0 2, 0,1 H 20 I gegeben. Sauerstoff-Atome lagern sich, katalysiert durch NO, ohne das Netz an irgendeiner Stelle auf­zureißen, entweder direkt, oder infolge innerer Um-

OR Rlagerung Si — Si -> Si — 0 — Si **, in die Si — Si- Bindungen des Siloxens ein.

Eine, von einer Beweglichkeit der Tetraeder ganz unabhängige Möglichkeit der frans-czs-Umlagerung ergibt sich vielleicht aus dem Komplexbildungs-Ver- mögen des Siliciums gegenüber Sauerstoffverbin­dungen. Zur Klarlegung des Prinzips einer d era rti­gen Um lagerung wählten w ir ein, auf bekannten Tatsachen — der koordinativen A nlagerung von H 20 und O H 0 und der möglichen K oordinations­zahl 5 des Si — beruhendes Modell-Beispiel Abb. 9.

frans eisOH 0H2 OH 0H_ H+ OH OH

\ /\ /\ /V

oh2

7 2 3

Abb. 9. /r<ms-a's-Umlagerung.

Bild 1 dieser Abb. zeigt 2 OH-behaftete Tetraeder in frans-Stellung. An dem rechten, dem OH2 koord i­nativ angelagert ist, befinden sich infolge des H ydro­lysengleichgewichtes S i . . . OHo ^ S i . . . OH -f H® (Bild 2) zeitweise gleichzeitig zwei OH, das eine in Irans- das andere in czs-Stellung, zu dem benachbar-

* Kondensation zwischen den auf einer Netzoberfläche in /rae/a-Stellung zueinander befindlichen OH-Gruppen her­beizuführen ist nicht möglich, und zwar aus sterischen Gründen, wie der Versuch, ein Strukturmodell aus Kugeln (O-Ionen) auf dieser Grundlage aufzubauen, lehrt.

** Untersuchungen an Oxy- und Acido-Siloxenen (anorgani­scher und organischer Säuren)7 führten zur Entdeckung

dieser Umlagerung. Erneute Bestätigung findet sie in wei­teren, dieselben Atomanordnungen und Liganden enthal­tenden Verbindungen, wie

[Si(OH)2]x und[Si(OOCCH3) 2] x 8,auch in einem hydrolysierten (SiCl) x 9; neu ist daselbst der Nachweis der vollzogenen Umlagerung durch den U.R.- Nachweis der SiH- und Si —O —Si-Bindungen.

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1 0 2 H. KAUTSKY UND R. REISE

ten linken Tetraeder. Der Ü bergang des Si — 0 — Si- W inkels der Jrarcs-Stellung in den energetisch bevor­zugten 142°-W inkel der cw-Stellung sowie die ir ­reversible U m lagerung cis-ständiger Tetraeder-Paare in die K antenstellung nach Abb. 8 begünstigen eine /rons-ci's-Umlagerung (Bild 3) *.

Ü ber die E ignung des N 0 2 gleich dem OH2 im vorgezeichneten Beispiel Abb. 9 zu wirken, wissen w ir nichts. A ußer dem N 0 2 sind jedoch bei der Oxy­dation zwei Stoffe gegenwärtig, Propanol und W as­ser, deren koordinative A nlagerungsfähigkeit an Si bekannt i s t 10. E rsteres entstam m t den D arstellungs­bedingungen des Siloxens, letzteres der mit der Oxy­dation fortschreitenden K ondensation. Damit wären die, fü r eine Jrans-czs-Umlagerung nach Abb. 9 e r­forderlichen Bedingungen, dem Anschein nach, ge­geben. Noch fehlt jedoch der experimentelle Beweis dafür. A ber ganz abgesehen von allen Versuchen die Jrans-as-U m lagerung zu erklären und die sie erm ög­lichenden Bedingungen aufzudecken, steht eines fest: Bildungs- und B auprinzipien des idealen S i0 2 I- Netzes, dam it auch des realen S i0 4 , 0,1 H 20-Netzes, lassen sich nur an H and der c« -S truk tu r diskutieren und bildlich darstellen; und dafür ist die trans-cis- U m lagerung V oraussetzung.

Bei Vergleich der Abb. 5 mit Abb. 8 stellt sich die F rage: W arum klappen die Tetraeder-Paare in einem Falle nach abw ärts zueinander, in dem ande­ren nach aufw ärts auseinander. Die Änderungen der Oberflächengröße bei der B ildung des S i0 2 , 0,1 H 20I und II aus ihren Ausgangsstoffen vermögen d a r­über vielleicht Aufschlüsse zu geben.

Die Oberflächengröße berechneten wir wie in unseren vorangegangenen A rbeiten 11; Oberfläche pro Formelgewichi = E lem entaroberfläche’L o S c h m id t - scher Zahl. Elem entaroberfläche des Flächengitters = obere + untere Fläche des Elem entarepipeds (dem für ein F lächengitter in 2 D im ensionen die analoge Bedeutung zukom mt wie dem Elem entarepiped für ein Raum gitter in 3 D im ensionen). Die Elementar- epipede des Siloxens und der Kieselsäure entspre­chen in ih rer chemischen Zusam mensetzung den F o r­meln |Si60 6/2) S H 6 und | (S i60 6) 0 6/21 (OH) 6 . Die Elem entaroberfläche des S i0 2 I entspricht ebenfalls seiner Form el (Abb. 7, P ) ; sie enthält nu r 1 Sili­cium. Um sie den Elem entaroberflächen des Siloxens

* Nach dem in Abb. 9 dargelegten Umlagerungsprinzip be­steht offensichtlich gleiche Wahrscheinlichkeit für die Um­lagerung des rechten Tetraeders nach oben, in cis-Stellung zum linken, wie die des linken nach unten in cts-Stellung

und der K ieselsäure zum Vergleich stellen zu kön­nen, ist sie mit 6 zu m ultiplizieren. Die zu verglei­chenden Oberflächen betragen fü r:

Siloxen = 5,4 105 m 2 ( S i - S i = 2,2 Ä;Si — 0 — Si = 2,9 Ä ; beide in ebener P ro je k tio n ).

S i0 2 I = 5,65 • 10° m 2 (rO = 1,4 Ä ). K ieselsäure = 8,3 105 m2 (Si —O —Si = 2,9 Ä ).

Drei F ragen weisen die Richtung w eiterer S truk­turüberlegungen: Wie ist es möglich, daß die Ober­fläche des S i0 2 I mit der des Siloxens überein­stimmt, obwohl es aus dem Siloxen durch Einlage­rung einer erheblichen Anzahl Sauerstoffatom e ent­steht? W arum oxydiert sich Siloxen nicht zu Kiesel­säure, sondern gleich zu S i0 2 , 0,1 H 20 I? Ist die K ondensation gleichzeitig m it der O xydation gekop­pelt?

W ürde das Siloxen zunächst zu K ieselsäure oxy­diert, dann m üßte sich seine Oberfläche von 5 ,4 ’ 105 m2 auf 8,3 • 105 m 2 ausdehnen. Zunehm ende Sauerstoffeinlagerung übt demnach zunehmend einen Zwang in dem G itter aus, dem auszuweichen das System bestrebt sein w ird. Dieses Ausweichen kann nur durch eine besonders dichte Packung des Sauerstoffs, auch durch eine gleichzeitige Sauerstoff­abspaltung als H 20 infolge K ondensation geschehen.

Das A ufw ärtsklappen der beiden Tetraeder in Abb. 8 rückt die aus den kondensationsfähigen OH bestehenden Tetraederspitzen weit auseinander. Die Bildung des S i0 2-I-Gitters (Abb. 7) durch K onden­sation über die ganze Netzoberfläche herbeizufüh­ren, bedarf es der gerichteten A nnäherung und A n­einanderreihung aller gleicher A rt mit OH behafte­ter Tetraeder-Paare. Ist diese Möglichkeit gegeben? Läßt sich die U m w andlung eines ganzen Siloxen- Flächengitters in das des S i0 2 I (Abb. 7) aus dem A ufw ärtsklappen flächenständiger T etraeder-Paare in ihre kantenständige Lage, wie es die Abb. 8 d ar­stellt, ableiten?

Ein norm ales, aus flächenständigen Tetraedern aufgebautes Sechsringgitter (Abb. 10) kann m an so sehen, daß zwischen parallelen Drehachsen (u) Te­traeder-Paare angeordnet sind. Um die A ußenkan­ten dieser T etraeder-Paare, welche die gem einsamen Drehachsen u bilden, klappen nach dem in Abb. 8

zum rechten. Daraus ergeben sich experimentell prüfbareFolgerungen, für die reale Struktur des S i02, 0,1 H20 I-Netzes, die Gegenstand einer weiteren Untersuchung (H.K a u t sk y und Ch. W e r n e r ) sind.

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LEPIDOIDE IX 103

veransd iau lid iten V organg die Tetraeder in die K antenstellung um. Die Drehachsen bleiben, jetzt e inander wesentlich näher gerückt, erhalten. Sie b il­den die fortlaufend gradlin ig aneinander gereihten un teren K anten u (Abb. 7 ) , der die SiOo I-S truktur aufbauenden kantenständigen S i0 4-Tetraeder.

Abb. 10. Ein Si04-Sechsringgitter. Die Richtung der Konden­sation zwischen den Tetraederpaaren a und b, auch aller ande­

ren, ist durch Pfeile angedeutet.

Betrachten wir zwei in der W aagrechten einander gegenüberstehenden flächständigen T etraeder-Paare (Abb. 10 a und b) und schenken ihren aus OH be­stehenden Spitzen besondere Beachtung. Beim A us­einanderklappen in die kantenständige Lage neigen sich diese OH-Spitzen, durch die gleichzeitige V er­kürzung des Abstandes der Drehachsen u in P a ra ­stellung so nahe zueinander, daß sie unter A bspal­tung von HoO eine Brücke zwischen beiden T etra­

6 S. P. Z h d o n o w , Doklady Akademii NAUK SSSR 68, 99 [1949] ; H. J. d e B o e r , Angew. Chem. 70, 388 [1958] ; A l . u. A r W e is s , Z . anorg. allg. Chem. 276, 95 [1954].

7 H . K a u t s k y u . H . T h i e l e , Z . anorg. allg. Chem. 173, 116 [1928] ; H . K a u t s k y u . A. H ir s c h , Chem. Ber. 64, 1610 [1931].

8 M. S c h m e is s e r u . M. S c h w a r z m a n n , Z. Naturforschg. 11 b,278 [1956].

eder-Paaren zu schlagen gezwungen sind. Dieser V organg, einseitig gerichtet über das ganze Gitter ausgedehnt, erg ib t die fortlaufend gradlin ig anein­ander gereihten oberen K anten o (in Abb. 7) der die SiOo I-S truk tur aufbauenden kantenständigen Tetraeder. D am it wäre die U m bildung der Siloxen- struk tu r in die des S i0 2 I vollzogen.

Die zunehm ende Sauerstoffeinlagerung während des Bildungsprozesses des SiOo I schafft in zuneh­mendem M aße Bedingungen zum A useinanderklap­pen der T etraeder nach A bb. 10 und dam it zur W as­serabspaltung im Netz. Die W asserabspaltung läuft gleichzeitig m it der Sauerstoffeinlagerung 12, so daß K ieselsäure als definierte Zwischenstufe nicht in E r­scheinung tritt.

Vergleichende Untersuchungen der beiden S i0 2 , 0,1 HoO, I und II, führten zur A bstraktion einiger ih rer Bildungs- und B auprinzipien. M it diesem E r­gebnis sind die U ntersuchungen natürlich nicht abge­schlossen. Die abgeleiteten Prinzipien schaffen erst die G rundlagen für ein weiteres, tieferes E indringen in das W esen solcher zw eidim ensionaler Festkörper. Die O xydation der S i-O xalsäure zum Vergleich her­anziehend, hoffen wir sie bald experimentell bewei­sen zu können.

Für die zur Durchführung unserer Arbeit gewährten Mittel sind wir der D e u t s c h e n F o r s c h u n g s ­g e m e i n s c h a f t und dem F o n d s d e r C h e m i e sehr dankbar.

9 E. H e n g g u . G. S c h e f f l e r , Mh. Chem. 95, 1450 [1964].10 G.-A. S a s s e n s c h e id t , Diss., Marburg 1958 (Inst. f. Silicium­

chemie) .11 H. K a u t z k y u . H. P f l e g e r . Z. anorg. allg. Chem. 295, 206

[1958],12 R. M ic h e l , Dipl.Arbeit. Marburg 1952 (Inst. f. Silicium­

chemie) .