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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/9546 21.08.2015 Datum des Originals: 20.08.2015/Ausgegeben: 26.08.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3687 vom 7. Juli 2015 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/9296 Ist die Landesregierung mit der Flüchtlingsunterbringung hoffnungslos überfordert? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3687 mit Schreiben vom 20. August 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Erstaufnahmeeinrichtung in Dortmund- Hacheney verfügt über 300 reguläre Plätze - plus 50 Notfallplätze. Am Mittwoch 1. Juli 2015 sowie am Montag 6. Juli musste die Erstaufnah- meeinrichtung in Dortmund-Hacheney wegen erheblicher Überbelegung einen Aufnahme- stopp verhängen. In der Nacht zum 1. Juli hätten 870 Menschen auf dem Gelände geschla- fen, teilte die Stadtverwaltung mit. Am Montag, 6. Juli, verhängte die Stadt Dortmund aber- mals einen Aufnahmestopp für die Erstaufnahmeeinrichtung in Hacheney. Für 0.00 Uhr wur- de mit rund 750 Asylbewerbern gerechnet, um 8.00 Uhr rechnete man wieder mit mehr als 800 Flüchtlingen. Der Aufnahmestopp sollte bis Mittwoch, 8. Juli 12.00 Uhr gelten. Eine geordnete Weitervermittlung der Menschen sei dadurch nicht mehr möglich gewesen, weil es zu diesem Zeitpunkt in Nordrhein-Westfalen keine ausreichenden Kapazitäten gege- ben habe. Einige Landesaufnahmeeinrichtungen seien krankheitsbedingt geschlossen ge- wesen. Der aktuelle Ausbruch von Windpocken sowie Magen-Darm-Erkrankungen blockierte gleich mehrere Standorte des Landes. Sie stehen unter Quarantäne und dürfen vorerst keine weiteren Personen aufnehmen. Hintergrund der Entwicklung in Dortmund ist auch, dass der weitere Ausbau der Platzkapazi- täten in Landesaufnahmereinrichtungen nicht voran geht und weiterhin die notwendige Platzzahl an Kapazitäten in Landeserstaufnahmerichtungen und Zentralen Unterbringungs- einrichtungen nicht der Anzahl der tatsächlich notwendigen Kapazitäten entspricht. Das Land will bis zum Jahresende 10.000 reguläre Plätze vorweisen.

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode

Drucksache 16/9546

21.08.2015

Datum des Originals: 20.08.2015/Ausgegeben: 26.08.2015

Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de

Antwort der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 3687 vom 7. Juli 2015 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/9296 Ist die Landesregierung mit der Flüchtlingsunterbringung hoffnungslos überfordert? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3687 mit Schreiben vom 20. August 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Erstaufnahmeeinrichtung in Dortmund- Hacheney verfügt über 300 reguläre Plätze - plus 50 Notfallplätze. Am Mittwoch 1. Juli 2015 sowie am Montag 6. Juli musste die Erstaufnah-meeinrichtung in Dortmund-Hacheney wegen erheblicher Überbelegung einen Aufnahme-stopp verhängen. In der Nacht zum 1. Juli hätten 870 Menschen auf dem Gelände geschla-fen, teilte die Stadtverwaltung mit. Am Montag, 6. Juli, verhängte die Stadt Dortmund aber-mals einen Aufnahmestopp für die Erstaufnahmeeinrichtung in Hacheney. Für 0.00 Uhr wur-de mit rund 750 Asylbewerbern gerechnet, um 8.00 Uhr rechnete man wieder mit mehr als 800 Flüchtlingen. Der Aufnahmestopp sollte bis Mittwoch, 8. Juli 12.00 Uhr gelten. Eine geordnete Weitervermittlung der Menschen sei dadurch nicht mehr möglich gewesen, weil es zu diesem Zeitpunkt in Nordrhein-Westfalen keine ausreichenden Kapazitäten gege-ben habe. Einige Landesaufnahmeeinrichtungen seien krankheitsbedingt geschlossen ge-wesen. Der aktuelle Ausbruch von Windpocken sowie Magen-Darm-Erkrankungen blockierte gleich mehrere Standorte des Landes. Sie stehen unter Quarantäne und dürfen vorerst keine weiteren Personen aufnehmen. Hintergrund der Entwicklung in Dortmund ist auch, dass der weitere Ausbau der Platzkapazi-täten in Landesaufnahmereinrichtungen nicht voran geht und weiterhin die notwendige Platzzahl an Kapazitäten in Landeserstaufnahmerichtungen und Zentralen Unterbringungs-einrichtungen nicht der Anzahl der tatsächlich notwendigen Kapazitäten entspricht. Das Land will bis zum Jahresende 10.000 reguläre Plätze vorweisen.

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Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung bekennt sich eindeutig zur Aufnahme und Integration von Flüchtlingen. Das Land steht zu seiner humanitären Verantwortung und unternimmt große Anstrengungen, um Flüchtlingen Schutz und Zuflucht zu gewähren. Dies zeigen auch die unter anderem auf den nordrhein-westfälischen Flüchtlingsgipfeln vereinbarten Maßnahmen, wozu auch der weitere Ausbau der Landeskapazitäten zählt. Seit 2012 wurden die Unterbringungskapazitäten des Landes von rund 1.800 auf 9.500 Re-gelplätze am 31.07.2015 und damit auf mehr als das Fünffache erhöht. Mit allen Notunter-künften stehen am 31.07.2015 rund 21.500 Plätze zur Verfügung. Alleine die Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) wurden von 600 auf 2.000 erhöht. Bis zum Jahresende sind mehrere Tausend weitere Plätze in der Landesaufnahme geplant, siehe dazu auch die Antwort auf die Kleine Anfrage 3469 (LT-Drs. 16/9240). Immer mehr Menschen fliehen aus ihrer Heimat, weltweit sind dies zur-zeit rund 60 Millionen. Im Jahr 2015 sind bis 31. Juli über 300.000 Asyl-suchende nach Deutschland gekommen, davon rund 87.400 nach NRW (darunter 59.210 in NRW verbleibende Erstantragsteller und rund 28.200 Folgeantragsteller oder wegen Erfüllung der Aufnahmequote in andere Bundes-länder weiter zu verteilende Personen). Zum Vergleich: im gesamten Jahr 2014 wurden in den EAE des Landes rund 47.000 Asylerstantragsteller verzeichnet. Die Dynamik der aktuellen Situation wird besonders deutlich beim Ver-gleich der Zugangs-entwicklung der Monate Mai bis Juli 2015. Während im Monat Mai noch 6.721 dem Bundes-land NRW zugewiesene Asyler-stantragsteller in den Landeseinrichtungen aufzunehmen waren, ist die entsprechende Zahl im Juni auf 9.452 und im Juli auf 16.273 ange-wachsen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass tatsächlich deutlich mehr Personen die EAE des Landes aufsuchen. Erstantragsteller, die über die von NRW zu erfüllende Quote hinaus in den EAE Nordrhein-Westfalens ankommen und von hier aus in andere Bundesländer weitergeleitet werden, und Folgeantragsteller, die in ihre Zuweisungskommune aus dem Erstverfahren weitergeleitet werden, müssen vorläufig untergebracht und versorgt werden. So sind im Mo-nat Juli durchschnitt-lich pro Woche rund 5.000 Personen in die nordrhein-westfälischen EAE gekommen. Dies entspricht in etwa dem Gesamtjahreszugang in NRW von 2007. Die Ta-geszugänge liegen teilweise bei rund 1.000 Personen, am 03. August wurde mit 1.379 Per-sonen der höchste Tageszugang in der Geschichte des Bundeslandes NRW erreicht. Diese Entwicklung war so nicht vorhersehbar. Das Bundesamt für Mig-ration und Flüchtlinge (BAMF) musste seine Prognosen für das Jahr 2015 bereits mehrfach nach oben korrigieren. Auch die jüngste Progno-se von Mai 2015 mit 400.000 Erst- und 50.000 Folgeantragstellern wur-de zwischenzeitlich von der Realität überholt, da in den ersten sieben Monaten bereits rund drei Viertel des vorhergesagten Jahreszugangs eingetreten sind und nach den Erfah-rungen der Vorjahre in der zweiten Jahreshälfte mit noch höheren Zugängen zu rechnen ist. Diese Situation stellt alle Beteiligten - Bund, Länder und Kommunen - vor immense Heraus-forderungen, insbesondere auch die EAE in Nord-rhein-Westfalen. Hier kommen Asylsu-chende in NRW täglich erstmals an, in kaum prognostizierbarer Anzahl. Deswegen liegt ein Schwerpunkt beim Ausbau der Kapazitäten auf der Errichtung weiterer EAE. Zu den bereits bestehenden EAE in Bielefeld und Dortmund sind in diesem Jahr neue EAE in Unna und im Kreis Siegen-Wittgenstein hinzugekommen, eine weitere in Essen befindet sich im Aufbau und soll im Dezember in Betrieb gehen. Hiermit soll eine bessere Verteilung der Zugänge auf mehrere EAE-Standorte erreicht werden.

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Die konkrete Situation der EAE Dortmund ist neben ihrer bisherigen, zentralen Stellung im Aufnahmesystem Nordrhein-Westfalens von den dargelegten, enormen Steigerungsraten bei den Zugängen geprägt. Hinzu kamen Sondereffekte durch ansteckende Krankheiten sowohl in mehreren Landeseinrichtungen NRWs, als auch in anderen Bundeslän-dern. Kurzfristig mussten 600 Asylsuchende zusätzlich in NRW aufge-nommen werden, weil EAE anderer Länder gesperrt waren. Weiterhin waren Transfers aus den NRW-EAE in Zentrale Unterbrin-gungseinrich-tungen (ZUE) und Notunterkünfte des Landes wegen Maßnahmen der Ge-sundheitsämter nicht im erforderlichen Umfang möglich. Aufgrund der verschiedenen Faktoren wurden in der EAE Dortmund im Juni und Juli Bele-gungszahlen erreicht, die über die Regelkapazität von 300 Plätzen (zzgl. 50 Reserve) hin-ausgingen. In der Spitze hielten sich am 01.07.2015 792 Personen in der Einrichtung auf. Der sodann von der Stadt Dortmund angekündigte Aufnahmestopp konnte abgewendet wer-den, weil durch die Bezirksregierung Arnsberg kurzfristig Notunterkünfte bereitgestellt wur-den, in denen die Asylsuchenden vorübergehend untergebracht werden konnten. Ein Aufnahmestopp wurde seitdem verhängt, wenn um 12 Uhr in Kenntnis der Zugangs-prognose für diesen Tag und der sicher feststehenden Entlastungsplätze festgestellt wurde, dass die zu erwartende Belegung um 24 Uhr 400 Personen übersteigen werde. In der Folge kam es am 06.07.2015 zu einem Aufnahmestopp in der EAE Dortmund zwischen 16:00 Uhr und 0:00 Uhr, weil die Belegung um 16:00 Uhr bei 387 lag und für 0:00 Uhr eine Belegung in Höhe von 746 prognostiziert wurde. Auch hier wurden durch die Bezirksregierung Arnsberg Ausweichkapazitäten angeboten, so dass die Belegungszahl bis 0:00 Uhr tatsächlich auf 286 gesenkt werden konnte. Zu zwei weiteren Aufnahmestopps wegen prognostizierter Kapazi-tätsüberschreitungen kam es am 16.07.2015 von 17:00 Uhr bis 0:00 Uhr und am 20.07.2015 von 16:00 Uhr bis 0:00 Uhr. Auch hier konnten in den Abendstunden die nötigen Ausweich-unterbringungen geschaffen werden. Auch um die Aufnahmefähigkeit der EAE zu sichern, wurden durch alle Bezirksregierungen in den vergangenen Wochen zahlreiche Notunter-künfte geschaffen. Alleine im Juli wurden über 9.000 Notunterkunftsplät-ze eingerichtet. Um der aktuellen Entwicklung der Asylbewer-berzahlen Rechnung zu tragen, werden in allen Regierungsbezirken derzeit weitere Unter-bringungskapazitäten geschaffen, die längerfristig zur Verfügung stehen werden. 1. Wie bewertet es die Landesregierung, dass die Situation am 01. Juli in Dortmund-

Hacheney nur dadurch etwas entspannt werden konnte, weil man auf 300 Plätze in Hagen zurückgreifen konnte, die eigentlich nur für den sog. Katastrophenfall vor-gesehen sind?

Zur Beantwortung der Frage wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 2. Wie bewertet es die Landesregierung, dass der Antrag der Stadt Dortmund auf

Freigabe zusätzlicher Wachleute mehr als dreieinhalb Monate unbeantwortet blieb?

Die Stadt Dortmund hat in den vergangenen Monaten der Bezirksregierung Arnsberg regel-mäßig Personen zur Überprüfung für den Einsatz im Sicherheitsdienst gemeldet. Die Über-prüfung, die unter Beteiligung des Landeskriminalamtes NRW und des Verfassungsschutzes NRW durchgeführt wird, ist überwiegend in den üblichen Bearbeitungszeiten abgeschlossen worden. Bei vier von der Stadt Dortmund im Zeitraum zwischen dem 24.3.2015 und dem 17.4.2015 gemeldeten Personen fehlten deren für die weitere Überprüfung notwendigen Ein-

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verständniserklärungen oder waren fehlerhaft. Aufgrund dieser formalen Mängel konnte das Verfahren bei LKA und Verfassungsschutz nicht vollständig durchgeführt werden. Nach ei-nem Wechsel in der Bearbeitungszuständigkeit bei der Bezirksregierung Arnsberg fielen die-se Formfehler erst bei einer grundlegenden Überarbeitung der Liste Ende Juni auf, woraufhin die fehlenden Dokumente in drei Fällen erneut an die zuständigen Behörden weitergeleitet wurden. Im vierten Fall wurde die Stadt Dortmund auf das fehlerhafte und die weitere Über-prüfung hindernde Dokument hingewiesen. Die Überprüfungen konnten daraufhin abge-schlossen werden.

3. Welche Landesaufnahmeeinrichtungen waren an den o.g. Daten aufgrund von welchen Infekten und Krankheiten geschlossen, so dass 3.000 Plätze in Landes-einrichtungen nicht zur Verfügung standen?

Am 01.07.2015 waren acht Einrichtungen in Bad Berleburg, Bad Driburg, Burbach, Essen, Olpe, Rüthen, Hagen und Heiligenhaus mit insgesamt 3.100 Plätzen von Maßnahmen der Gesundheitsämter aufgrund von Varizellen betroffen. Am 06.07.2015 waren dieselben Einrichtungen aus denselben Gründen nach wie vor von diesen Maßnahmen betroffen, in Neuss gab es zusätzlich einen Varizellenverdacht. Es handelte sich bei den Maßnahmen der örtlichen Gesundheitsämter nicht um vollständige Schließungen, siehe dazu auch die Beantwortung der Frage 4. 4. Aus welchem Grund werden bei Infekten und Krankheiten die kompletten Einrich-

tungen geschlossen, anstatt Quarantänestationen zu schaffen?

Für das Auftreten von Varizellen in Aufnahmeeinrichtungen, wie zuletzt und aktuell der Fall, hat das Landeszentrum Gesundheit NRW in Abstimmung mit dem Ministerium für Gesund-heit, Emanzipation, Pflege und Alter die als Anlage 1 beigefügte Handlungsempfehlung für die unteren Gesundheitsbehörden erarbeitet (siehe auch Anlage 2: Ablaufschema). Darüber hinaus gibt es von der Bezirksregierung Arnsberg erstellte Handreichung für Einrichtungsbe-treiber „Management der Windpocken in der Asylunterkunft“ (Anlage 3), die diese Empfeh-lungen in einem vereinfachten Ablaufschema zusammenfasst. Eine wichtige Zielvorgabe bei der Erstellung dieser Empfehlungen war es, in der akuten Notsituation sowohl dem Infekti-onsschutz gerecht zu werden, als auch den notwendigen Transfer zwischen den Unterbrin-gungseinrichtungen zu ermöglichen. Hiernach sind, sofern die örtlich zuständigen Amtsärztinnen/Amtsärzte dieser Empfehlung im Rahmen ihres ärztlichen Ermessens folgen, unter bestimmten Voraussetzungen Personen-transfers bezüglich der betroffenen Einrichtungen möglich. Das führt dazu, dass die betref-fende Einrichtung gerade nicht komplett geschlossen werden muss. Gemäß dem speziellen Notfallkonzept der Bezirksregierung Arnsberg zum Umgang mit in-fektiösen oder parasitären Erkrankungen in Aufnahmeeinrichtungen des Landes ist daneben bei Erkennen von infektiösen oder parasitären Erkrankungen zwingend die Separation be-troffener Personen und ggf. nahestehender Kontaktpersonen mittels der Nutzung eines Iso-lierzimmers bis zum Eintreffen einer Ärztin/ eines Arztes durchzuführen. Bei Erkrankungen in Unterkünften ohne die Möglichkeit der isolierten Unterbringung ist das Verlegen der betroffe-nen Personen nach Rücksprache mit einer Ärztin/einem Arzt in eine Unterbringungseinrich-tung, die diese Möglichkeit bietet, vorgesehen.

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5. Warum hat die Landesregierung, trotz der angespannten Aufnahmesituation, kein geeignetes Gesundheitsmanagement in den Aufnahmeeinrichtungen des Landes, um die Komplett-Schließung einzelner ZUEs oder EAEs zu vermeiden?

Es wird auf die Beantwortung der Frage 4 verwiesen.

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Landeszentrum Gesundheit

Nordrhein-Westfalen

Varizellen - Empfohlenes Vorgehen bei Auftreten von Varizellen in

Asylbewerbereinrichtungen (oder sonstigen Massenunterkünften)

Besondere Risikogruppen

• Schwangere ohne Impfschutz oder durchgemachte Varizellen-Erkrankung in

der Vergangenheit (Gefahr: fetales Varizellensyndrom mit Fehlbildiingen des

Kindes oder Fehlgeburt),

• immundefiziente Personen mit unbekannter oder fehlender

Varizellenimmunität (z. B. bekannte HlV-lnfektion oder immunsuppressive

Therapie),

® Neugeborene

Zielsetzung im Sinne des Infektionsschutzes

Schutz der aktuellen und zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtung

vor Infektion - insbesondere der Gruppen, bei denen eine hohe Gefährdung durch

die Infektion entstehen könnte (Schwangere, immundefiziente Personen,

Neugeborene).

Empfohlene Maßnahmen

• Isolation bekannter Fälle für bis zu 7 Tage nach Beginn des Exanthems.

Engen Kontaktpersonen sollte eine Impfung angeboten werden. Trotz Impfung

sollten diese Kontaktpersonen für die mittlere Inkubationszeit nicht transferiert

werden.

• Schwangere, Neugeborene und Personen mit bekannter Immundefizienz

sofort räumlich getrennt von den anderen unterbringen (auch eigene

Sanitäranlagen und Essens-/Verpflegungsbereich). Vordringliche Ab lärung

des Immunstatus (bei positivem Antikörper-Befund (AK) kann die räumliche

Abtrennung wieder aufgehoben werden).

• Schwangere Frauen mit negativem AK-Ergebnis sollten kurzfristig einem

Gynäkologen vorgestellt werden.

• Wenn möglich Aufnahmestopp für Frauen mit bekannter Schwangerschaft (die

seronegativ sind) und für Personen mit bekannter FllV-lnfektion erwirken.

• Personen ohne dokumentierte Immunität (durch Impfung oder positiven AK

Test) Impfung anbieten.

Stand: 23.10.2014 1 www.lzg.gc.nrw.de

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Landeszentrum Gesundheit

Nordrhein-Westfalen

Impfung

• Eine Impfung von Kindern und Jugendlichen bis zum Alter von 17 Jahren

sollte generell und auch unabhängig von einem AK-Test durchgeführt werden.

• Erwachsenen sollte bei nicht nachgewiesener Immunität (durch Impfung oder

negativen AK-Test) eine Impfung angeboten werden.

• Fachinformationen der Impfstoffhersteller sind zu beachten und begonnene

Immunisierungen müssen abgeschlossen werden (2 Dosen Impfschema).

Impfung in Schwangerschaft und Stillzeit

• Impfungen mit einem Lebendimpfstoff - wie z. B. gegen Varizellen - sind in der

Schwangerschaft grundsätzlich kontraindiziert. Nach Impfung mit

Lebendimpfstoff sollte eine Schwangerschaft für 3 Monate vermieden werden.

Eine versehentliche Impfung mit MMR-, Röteln- oder Varizellen-Impfstoff in

oder kurz vor einer Schwangerschaft stellt jedoch nach nationalen und

internationalen Empfehlungen keine Indikation zum Schwangerschaftsabbruch

dar. Bei mehreren hundert dokumentierten Impfungen während bzw. innerhalb

von 3 Monaten vor einer Schwangerschaft wurde kein erhöhtes Risiko für

kongenitale Fehlbildungen festgestellt (siehe auch die Hinweise in den

Fachinformationen der jeweiligen Impfstoffe).

• Im Rahmen der Impfaufklärung kann ein Schwangerschaftstest angeboten

werden.

• Stillen ist grundsätzlich keine Kontraindikation für Impfungen.

Postexpositionsprophylaxe

Aktive Immunisierung

Eine postexpositionelle Impfung für ungeimpfte Personen ohne Varizellenanamnese

ist möglich und in Abhängigkeit von dem zeitlichen Abstand zur Exposition (maximal

5 Tage) auch wirksam. Eine Varizellenexposition stellt keine Kontraindikation zur

Durchführung einer Impfung dar.

Passive Immunisierun

Eine postexpositionelle Varizellenprophylaxe mittels VZIG (Varize lla-Zoster-

Immunglobulin) wird innerhalb von 96 Stunden nach Exposition (Aufenthalt eine

Stunde oder länger mit infektiöser Person in einem Raum oder face-to-face-Kontakt

oder Haushaltskontakt) für Personen mit erhöhtem Risiko für

Varizellenkomplikationen empfohlen. Sie kann den Ausbruch einer Erkrankung

verhindern oder deutlich abschwächen.

Stand: 23.10.2014 2 www.lzg.gc.nrw.de

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Landeszentrum Gesundheit

Nordrhein-Westfalen

Zu diesem Personenkreis zählen

• ungeimpfte Schwangere ohne Varizellenanamnese,

• immundefiziente Patientinnen oder Patienten mit unbekannter oder fehlender

Varizellenimmunität,

• Neugeborene, deren Mutter 5 Tage vor bis 2 Tage nach der Entbindung an

Varizellen erkrankte.

Für Applikation und Dosierung von VZIG sind die Herstellerangaben zu beachten.

Die Empfehlungen der STIKO zu Impfungen und zur Postexpositionsprophylaxe bei

Varizellen finden sich im Epidemiologischen Bulletin 34/2014

Transfer von Asylsuchenden aus anderen/in andere Einrichtungen

Bei der Erstaufnahme ist oftmals weder der spezifische Immunstatus bekannt, noch

wurden aktuelle Impfungen durchgeführt, odereine Immundefizienz initial

ausgeschlossen. Der Transfer in bzw. aus andere/n Einrichtungen kann daher in der

Regel nur nach erfolgter Untersuchung und ggf. Impfung gemäß

§ 62 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) erfolgen.

Im Ermessen des Amtsarztes oder der Amtsärztin ist unter Güterabwägung in

Notsituationen und bei Unterbringungsengpässen auch der Transfer von Personen

nach einmaliger, aktueller Impfung gegen Varizellen vertretbar. Ausgenommen

davon sind jedoch enge Kontakte an Windpocken erkrankter Personen(wie z.B.

Familienmitglieder oder vergleichbar). Zudem ist auf den Schutz von

Personengruppen mit besonderer Gefährdung durch die Erkrankung zu achten.

Weitere Informationen zu Varizellen

http://www.rki.de/DE/Content/lnfekt/EpidBull/Merkblaetter/Rataeber Varizellen.html

RKI-Ratgeber für Ärzte

http://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/lmpfen/Varizellen/FAQ-

Liste Varizellen Impfen.html?nn=2375548

Schutzimpfung gegen Varizellen: Häufig gestellte Fragen und Antworten

http://www.infektionsschutz.de/erreqersteckbriefe/windpocken/

Erregersteckbriefe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

http://www.impfen-info.de/

Informationsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

Stand: 23.10.2014 3 www.lzg.gc.nrw.de

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Landeszentrum Gesundheit

Nordrhein-Westfalen

Ansprechperson im Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen

(LZG.NRW)

Dr. Sebastian Thole

Fachgruppe Infektiologie und Hygiene

Tel.: 0251 7793-4237

E-Mail: [email protected]

Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG.NRW)

von-Stauffenberg-Straße 36, 48151 Münster

Telefon: 0251 7793-0 Telefax: 0521 7793-4250poststelle@lz .ac.nrw.de

Stand: 23.10.2014 4 www.lzg.gc.nrw.de

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Landeszentrum Gesundheit

Nordrhein-Westfalen

Z

Auftreten von Varizellenerkrankungen in Asylbewerberunterkünften

Übersicht und Transferschema

Personengruppe Kontakt zu Erkrankten Maßnahme / Empfehlung T ransfer

2 dokumentierte

Impfungenoder

bekannt seropositiv

nicht relevant keine besonderen

Maßnahmen

uneingeschränkt

möglich

1 dokumentierte Impfung

(z.B. im Rahmen der

Untersuchung ge . §62AsylVfG)

kein bekannter/

wahrscheinlicher Kontakt

oder

keine Exposition

entsprechend t

Impfung vervollständigen(mind. 4 Wochen nach der

ersten Impfung)

IN die Einrichtungmöglich

AUS der Einrichtung > in

einer Notsituation mögl.

siehe unten

ungeimpftExposition Impfung, mögl. bis 5 Tage

nicht für dieInkubationszeit(i.d.R. 14-16 Tage)

oder entsprechend * oder J nach Exposition

bekannt seronegativ keine Exposition

entsprechend * oder tImpfung

(Immunisierung nach 4

Wochen komplettieren)

ja, nach dokumentierter

Impfung

Erkrankte - Isolation für bis zu 7 nach

Auftreten des Exanthems

Nein

Schwangere,

Neugeborene,

verhindern!!! Immunstatus erheben Ja, bei nachweislich

positivem Immunstatus

Immundefiziente diese Personen sind durch

eine Infektion besonders

gefährdet

Räumlich getrennte

Unterbringung zum Schutz

vor Erkrankung

Aufnahme dieser Personen

verhindern!

(durch zurückliegende

Erkrankung od. Impfung)

Nein, wenn seronegativ

Im Ermessen des Amtsarztes oder der Amtsärztin ist unter Güterabwägung in Notsituationen und

Unterbringungsengpässen auch der Transfer von Personen nach einmaliger, aktueller Im fung gegen

Varizellen vertretbar. Ausgenommen davon sind jedoch enge Kontakte an Windpocken erkrankter

Personen (wie z.B. Familienmitglieder oder vergleichbar, siehe t). Zudem ist stets auf den Schutz von

Personengruppen mit besonderer Gefährdung durch die Erkrankung zu achten!

Definition der Exposition:

* Exposition:

• Haushaltskontakt (Familienmitglieder oder vergleichbar)

• 1 Stunde oder länger mit infektiöser Person in einem Raum

• face-to-face Kontakt

± Exposition in Notsituationen:

• enge Kontakte (z.B. Familien, Zimmernachbarn, oder vergleichbar)

Stand: 23.10.2014 1 www.lzg.gc.nrw.de

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Handreichung für die Einrichtungsbetreiber 08.07.2015

Management der Windpocken in der Asylunterkunft-Notfallplan zur Vermeidung der Schließung bei drohender Obdachlosigkeit-

Ablaufschema bei einem

Verdacht auf Windpocken

Unmittelbar:

1: Kontaktsperre erkrankter Personen (und deren Familie bzw. enge Kontaktpersonen) zu

anderen Asylsuchenden, soweit möglich

2: parallel: ärztliche Sicherung der Diagnose (möglichst am selben Tag, spätestens am Folgetag)

UND sofortige Infor ation des Gesundheitsamtes

Das weitere Vorgehen legt das Gesundheitsamt in Abstimmung mit der Einrichtungsleitung unter

Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten fest. Grundsätzlich entscheiden die Gesundheitsämter

gemäß § 28 IfSG in eigener Verantwortung über die notwendigen Schutzmaßnahmen.

Die Einrichtungsleitung veranlasst die weiteren Schritte, und meldet Unterstützungsbedarf

(personell/finanziell) bei der Bezirksregierung an.

Um Transferstopps zu verhindern kann bei Unterbringungsengpässen nach dem umseitigen

Fließschema vorgegangen werden.

Grundlage für das Fließschema ist das Dokument „Auftreten von Varizellenerkrankungen in

Asylbewerberunterkünften - Übersicht und Transferschema , welches den Gesundheitsämtern in

RW vorliegt.

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Handreichung für die Einrichtungsbetreiber 08.07.2015

1. Kontrolle der Impfpässe

y

Mindestens eine Impfung dokumentiert Bisher keine Impfung dokumentiert

f

Verlegun möglich* | 2. Impfangebot an alle Bewohner ohne

dokumentierte Impfung

VZV = Varize 11a-Zoster-Virus (Windpocken-Virus)

# als gegen Windpocken geimpft gelten Personen, deren Impfung in einem deutschsprachigem

Impfpass dokumentiert ist oder deren Impfung vom zuständigen Arzt des Gesundheitsamtes als

durchgefuhrt akzeptiert wurde

* Verlegung/ Zuweisung erst nach Rücksprache mit dem Gesundheitsamt

1 Kontraindikation nach ärztlicher Entscheidung (z.B. Schwangerschaft, Immunsuppression,

akuter, fieberhafter Infekt)

± Kontraindikation'/Ablehnung der Impfung

T3 b Titerbestimmung der VZV-Antikörper (VZV-IgG)

Bl tentnahme und Versand an Labor

Schwangere und Immungesch ächte zuerst testen (akuter Handlungsbedarf)

VZV-IgG positiv

-> Immunität vorhanden

VZV-IgG negativ

keine Immunität vorhanden

Verlegung möglich* Kontraindikation vorhanden?

Inein

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4a Erneutes Impfangebot 4b Einzelfallentscheidun

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