LATENEZEITLICHE FUNDE AUS WORMS...der keltischen Latenekultur zu deutenden Erschei- nungen wurde...

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LATENEZEITLICHE FUNDE AUS WORMS BEITRÄGE ZUR LATENEZEIT IM MAINZER BECKEN VII Von Bernhard Stümpel In seinem grundlegenden Aufsatz über „Das Worm- ser Stadtgebiet in vor- und frühgeschichtlidier Zeit" hat Georg Wiesenthal den Siedlungsablauf der Wormser Antike vorbildlich aufgezeichnet 1 . Dabei war es ihm allerdings nicht um eine detaillierte Vor- lage des Fundmaterials zu tun. Er wollte vielmehr den damals bekannten archäologischen Stoff für die Stadt- geschichte auswerten, speziell für die Entwicklung des Siedlungsbildes. Deshalb ist es wohl erlaubt, die Ausführungen Wie- senthals durch eine Materialpublikation zu ergänzen. Da dem Verfasser die latenezeitlichen Funde seit einer vor nun allerdings schon fast zwanzig Jahren unternommenen Bestandsaufnahme besonders ver- traut sind, seien diese zunächst hier präsentiert. Es soll allerdings nicht in chronologischer Reihenfolge vorgegangen werden, sondern in topographischer. Den Anfang machen die Funde aus den nördlichen Gemarkungsteilen. Hier sind in den Gewannen um die Mainzer Straße, im Pfaffenwinkel, in der Räder- und der Rheingewann so viele und so hervorragende Zeugen gerade auch der Latenezeit zutage getreten, daß sie uns in erster Linie beschäftigen müssen. Diese Aufgabe ist um so interessanter, weil eine ganze Anzahl von Beobachtungen zur Verfügung stehen, die es gestatten, vor allem zu den Grabfunden etwas eingehender Stellung zu nehmen 2 . Im Abschnitt „Jüngere Eisenzeit" erscheinen bei Wie- senthal die Namen Mainzer Straße, Pfaffenwinkel, Räder- und Rheingewann sowohl für die ältere als auch die jüngere Latenezeit 3 . Die ältere Stufe läuft unter der Bezeichnung „keltische" und die jüngere unter der einer „germanischen" Stufe. Während die Identifizierung des älterlatenezeitlichen Fundgutes in Südwestdeutschland als Hinterlassenschaft kel- tischer „Stämme" oder zumindest der keltischen Kul- turzone bis heute fester Bestandteil der archäologi- schen und althistorischen Wissenschaft geblieben ist, müssen zum vermeintlich germanischen Charakter des jüngeren Latene unseres Raumes noch einige Be- merkungen gemacht werden. Für Karl Schumacher bestand in seiner Untersuchung über „Gallische und germanische Stämme und Kul- turen im Ober- und Mittelrheingebiet zur späteren Latenezeit" 4 noch kein Zweifel daran, daß die jün- gere oder späte Latenezeit Rheinhessens Germanen, und zwar die Wangionen, als ethnische Träger haben müsse. Gustav Behrens spricht in seiner Material- veröffentlichung „Denkmäler des Wangionengebie- tes", Germanische Denkmäler der Frühzeit I, Fft. M. 1923 wie schon der Untertitel zeigt —, und in an- deren Publikationen ebenfalls von Germanen 5 . Auch zahlreiche weitere namhafte Wissenschaftler liegen auf der gleichen Linie 6 . Erste Zweifel, die durch Paul Reineckes Aufsatz über „Leichenverbrennung bei den Mittellatene-Kelten Süddeutschlands" 7 geweckt und durch Theodor Steches in der Quelleninterpretation allerdings stark umstrittene Studie „Zur Deutung der Schriftquellender südwestdeutschenFrühgeschichte" 8 stark gefördert wurden, setzten in den vergangenen zwei Jahrzehnten in noch höherem Maße der Ger- manentheorie zu. In fast allen Arbeiten über die jüngere Latenezeit Südwestdeutschlands wird be- stritten, daß während dieser, etwa die letzten hun- dert oder hundertfünfzig Jahre vor der Zeitenwende umfassenden Periode bereits Germanen links des Rheines ansässig gewesen sein können 9 . Eine ver- mittelnde Stellungnahme des Verfassers 10 entbehrt bisher noch der Zustimmung 11 . Da neue Ausgrabungs- ergebnisse, die allenfalls eine letzte und endgültige Klärung dieser strittigen Frage bringen könnten, einstweilen noch nicht vorliegen, muß man sich mit der Feststellung begnügen, daß der von Wiesenthal gebrauchte Terminus „Germanische Stufe" von der Wissenschaft stark in Zweifel gezogen wird. Die weit- hin zu beobachtende Abkehr von einer Interpretation 1 Der Wormsgau II, 1934—43, S. 220—233. * Im Archiv des Wormser Museums (Ortsakten), dessen Direktor, Herrn Dr. G. liiert, ich. für die Erlaubnis zur Einsichtnahme zu Dank ver- pflichtet bin. 3 A. a. O. S. 227 f. 4 Prähist. Zeitschr. VI, 1914, S. 230—92, hier S. 269 ff. 5 Etwa in: Die Latenezeit an d. unt. Nahe, Kreuznach 1920, S. 43; in: Neue Funde von d. Westgrenze d. Wangionen, Mainzer Zeitschr. 29, 1934, S. 44—45j in: Die Germanisierung d. linken Rheinufers, Ber. d. 52. Tgg. d. Dt. Ges. f. Anthrop., Ethnol. u. Urgesch. in Speyer, 1934, S. 26—32. 8 Z. B. F. Kutsch, Die Germanen im Rhein-Main-Gebiet und die germ.- römischen Kämpfe um die Zeitwende, Korrbl. d. Ges. Ver. d. Dt. Gesch. Ver. 82, 1934, 4, Sp. 274—85, hier 274 ff.; H. Behagei, Die Eisen- zeit im Raume des rechtsrheinischen Schiefergebirges, Wiesbaden 1943/ 49 2 , hier S. 135. 7 Mainzer Zeitschr. 8/9, 1913/14, S. 111—14. 8 Mannus 31, 1939, S. 411^0. * Z. B. E. Wahle, Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturpro- vinzen, Grenzen frühgeschichtlicher Erkenntnis I, Heidelberg 1941/52*, Sitz.Ber. Heidelb. Akad. d. Wiss. Phil. Hist. Klasse 1940/41,2. Abh., hier S. 12 ff.; H. Nesselhauf, Die Besiedlung der Oberrheinlande in römischer Zeit, Bad. Fundberr. 19, 1951, S. 71—85, hier S. 79; wei- terhin Franz Fischer, Spätkeltische Funde aus dem badischen Ober- land, ungedr. Diss. Tübingen 1952, S. 125 ff.; letzte Äußerung bei H. J. Engels, Die Hallstatt- und Latänekultur in der Pfalz, Speyer 1967, S. 85; Versuch einer neuen Deutung bei R. Hadunann/G. Kos- sack/H. Kuhn, Völker zwischen Germanen und Kelten, Neumünster 1962, im Sinne des Titels, allerdings in erster Linie auf das nördl. Westdeutschland bezogen. 18 In: Nass. Ann. 67, 1956, S. 269 f. 11 Ablehnend zuletzt wieder Franz Fischer, Alte und neue Funde der Lateneperiode aus Württemberg, Fundberr. aus Schwaben, NF 18, I, S. 77, Anm. 43. 9

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LATENEZEITLICHE FUNDE AUS WORMS

BEITRÄGE ZUR LATENEZEIT IM MAINZER BECKEN VII

Von Bernhard Stümpel

In seinem grundlegenden Aufsatz über „Das Worm- ser Stadtgebiet in vor- und frühgeschichtlidier Zeit" hat Georg Wiesenthal den Siedlungsablauf der Wormser Antike vorbildlich aufgezeichnet1. Dabei war es ihm allerdings nicht um eine detaillierte Vor- lage des Fundmaterials zu tun. Er wollte vielmehr den damals bekannten archäologischen Stoff für die Stadt- geschichte auswerten, speziell für die Entwicklung des Siedlungsbildes.

Deshalb ist es wohl erlaubt, die Ausführungen Wie- senthals durch eine Materialpublikation zu ergänzen. Da dem Verfasser die latenezeitlichen Funde seit einer vor nun allerdings schon fast zwanzig Jahren unternommenen Bestandsaufnahme besonders ver- traut sind, seien diese zunächst hier präsentiert. Es soll allerdings nicht in chronologischer Reihenfolge vorgegangen werden, sondern in topographischer. Den Anfang machen die Funde aus den nördlichen Gemarkungsteilen. Hier sind in den Gewannen um die Mainzer Straße, im Pfaffenwinkel, in der Räder- und der Rheingewann so viele und so hervorragende Zeugen gerade auch der Latenezeit zutage getreten, daß sie uns in erster Linie beschäftigen müssen. Diese Aufgabe ist um so interessanter, weil eine ganze Anzahl von Beobachtungen zur Verfügung stehen, die es gestatten, vor allem zu den Grabfunden etwas eingehender Stellung zu nehmen2.

Im Abschnitt „Jüngere Eisenzeit" erscheinen bei Wie- senthal die Namen Mainzer Straße, Pfaffenwinkel, Räder- und Rheingewann sowohl für die ältere als auch die jüngere Latenezeit3. Die ältere Stufe läuft unter der Bezeichnung „keltische" und die jüngere unter der einer „germanischen" Stufe. Während die Identifizierung des älterlatenezeitlichen Fundgutes in Südwestdeutschland als Hinterlassenschaft kel- tischer „Stämme" oder zumindest der keltischen Kul- turzone bis heute fester Bestandteil der archäologi- schen und althistorischen Wissenschaft geblieben ist, müssen zum vermeintlich germanischen Charakter des jüngeren Latene unseres Raumes noch einige Be- merkungen gemacht werden.

Für Karl Schumacher bestand in seiner Untersuchung über „Gallische und germanische Stämme und Kul- turen im Ober- und Mittelrheingebiet zur späteren Latenezeit"4 noch kein Zweifel daran, daß die jün- gere oder späte Latenezeit Rheinhessens Germanen, und zwar die Wangionen, als ethnische Träger haben

müsse. Gustav Behrens spricht in seiner Material- veröffentlichung „Denkmäler des Wangionengebie- tes", Germanische Denkmäler der Frühzeit I, Fft. M. 1923 — wie schon der Untertitel zeigt —, und in an- deren Publikationen ebenfalls von Germanen5. Auch zahlreiche weitere namhafte Wissenschaftler liegen auf der gleichen Linie6. Erste Zweifel, die durch Paul Reineckes Aufsatz über „Leichenverbrennung bei den Mittellatene-Kelten Süddeutschlands"7 geweckt und durch Theodor Steches in der Quelleninterpretation allerdings stark umstrittene Studie „Zur Deutung der Schriftquellender südwestdeutschenFrühgeschichte"8

stark gefördert wurden, setzten in den vergangenen zwei Jahrzehnten in noch höherem Maße der Ger- manentheorie zu. In fast allen Arbeiten über die jüngere Latenezeit Südwestdeutschlands wird be- stritten, daß während dieser, etwa die letzten hun- dert oder hundertfünfzig Jahre vor der Zeitenwende umfassenden Periode bereits Germanen links des Rheines ansässig gewesen sein können9. Eine ver- mittelnde Stellungnahme des Verfassers10 entbehrt bisher noch der Zustimmung11. Da neue Ausgrabungs- ergebnisse, die allenfalls eine letzte und endgültige Klärung dieser strittigen Frage bringen könnten, einstweilen noch nicht vorliegen, muß man sich mit der Feststellung begnügen, daß der von Wiesenthal gebrauchte Terminus „Germanische Stufe" von der Wissenschaft stark in Zweifel gezogen wird. Die weit- hin zu beobachtende Abkehr von einer Interpretation

1 Der Wormsgau II, 1934—43, S. 220—233. * Im Archiv des Wormser Museums (Ortsakten), dessen Direktor, Herrn

Dr. G. liiert, ich. für die Erlaubnis zur Einsichtnahme zu Dank ver- pflichtet bin.

3 A. a. O. S. 227 f. 4 Prähist. Zeitschr. VI, 1914, S. 230—92, hier S. 269 ff. 5 Etwa in: Die Latenezeit an d. unt. Nahe, Kreuznach 1920, S. 43; in:

Neue Funde von d. Westgrenze d. Wangionen, Mainzer Zeitschr. 29, 1934, S. 44—45j in: Die Germanisierung d. linken Rheinufers, Ber. d. 52. Tgg. d. Dt. Ges. f. Anthrop., Ethnol. u. Urgesch. in Speyer, 1934, S. 26—32.

8 Z. B. F. Kutsch, Die Germanen im Rhein-Main-Gebiet und die germ.- römischen Kämpfe um die Zeitwende, Korrbl. d. Ges. Ver. d. Dt. Gesch. Ver. 82, 1934, 4, Sp. 274—85, hier 274 ff.; H. Behagei, Die Eisen- zeit im Raume des rechtsrheinischen Schiefergebirges, Wiesbaden 1943/ 492, hier S. 135.

7 Mainzer Zeitschr. 8/9, 1913/14, S. 111—14. 8 Mannus 31, 1939, S. 411^0. * Z. B. E. Wahle, Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturpro-

vinzen, Grenzen frühgeschichtlicher Erkenntnis I, Heidelberg 1941/52*, Sitz.Ber. Heidelb. Akad. d. Wiss. Phil. Hist. Klasse 1940/41,2. Abh., hier S. 12 ff.; H. Nesselhauf, Die Besiedlung der Oberrheinlande in römischer Zeit, Bad. Fundberr. 19, 1951, S. 71—85, hier S. 79; wei- terhin Franz Fischer, Spätkeltische Funde aus dem badischen Ober- land, ungedr. Diss. Tübingen 1952, S. 125 ff.; letzte Äußerung bei H. J. Engels, Die Hallstatt- und Latänekultur in der Pfalz, Speyer 1967, S. 85; Versuch einer neuen Deutung bei R. Hadunann/G. Kos- sack/H. Kuhn, Völker zwischen Germanen und Kelten, Neumünster 1962, im Sinne des Titels, allerdings in erster Linie auf das nördl. Westdeutschland bezogen. 18 In: Nass. Ann. 67, 1956, S. 269 f.

11 Ablehnend zuletzt wieder Franz Fischer, Alte und neue Funde der Lateneperiode aus Württemberg, Fundberr. aus Schwaben, NF 18, I, S. 77, Anm. 43.

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der j üngerlatenezeitlichen Funde des nördlichen Ober- rheingebietes als Überreste germanischer Besiedlung hat zwei recht überzeugende Argumente hinter sich: Einerseits die veränderte Auslegung der antiken Schrift quellen in dem Sinne, daß „die germanischen Stämme der Triboker, Nemeter und Wangionen erst nach Caesar, die Triboker spätestes in augusteischer, die Nemeter und Wangionen spätestens in claudi- scher Zeit auf dem linken Rheinufer seßhaft wur- den" 12, also allenfalls in der Übergangszeit von der jüngeren Latene- zur römischen Periode; anderer- seits die Tatsache, daß die jüngerlatenezeitlichen Funde im strittigen Raum sich kaum unterscheiden von denen des sicher rein keltisch besiedelten Gebie- tes. Es ist also nicht etwa nur eine Reaktion auf die in früheren Jahren zweifellos vorhanden gewesene Tendenz zur Überbetonung alles Germanischen, wenn die archäologische Forschung jetzt die kel- tischen Elemente im jüngeren Latene des ehemals für die germanischen Triboker, Nemeter und Wan- gionen „reservierten" Oberrheingebietes besonders herausstellt.

Falls aber Kelten während dieser Zeit in unserem Raume saßen, wäre die Frage nach dem Namen des Stammes zu stellen. Schumacher glaubt — allerdings für die ältere Stufe der Latenezeit, da er die jüngere den Germanen zuschreibt —, außer dem unteren Elsaß und der Pfalz auch noch ganz Rheinhessen zum Sied- lungsbereich der Mediomatriker rechnen zu dür- fen13. Zu anderen Vorstellungen kam Harald Koethe, der den größten Teil Rheinhessens zum Gebiet der Treverer schlagen möchte14. Da sich die Hinweise auf ethnische Zugehörigkeit zu den Treverern meh- ren, scheint uns — unbeschadet der Frage, wann nun die Wangionen nachgerückt sind — die Schumacher- sche Meinung an Wahrscheinlichkeit zu verlieren15. Ohnehin ist die antike Erwähnung vom Wohnsitz der Mediomatriker zwischen Sequanern und Treverern bis vor an den Rhein, die Hauptstütze Schumachers, geographisch nicht sonderlich genau auszuwerten. Der Wormser Raum allerdings mag wohl ziemlich peripher gelegen haben, sei es nun auf treverischer Seite oder der der Mediomatriker. Die jüngste Äuße- rung zur gleichen ethnischen Frage aus pfälzischer Sicht gesteht jedenfalls zu, daß in der Vorderpfalz, also in unmittelbarer Nachbarschaft, „die keltischen Mediomatriker gesessen haben könnten"16. Nach diesem Excurs in die Sphäre der wissenschaftlichen Theorien und Zweifel seien jetzt ganz konkrete archä- ologische Funde und Befunde vorgewiesen, so, wie sie nach den Beeinträchtigungen durch Krieg und die turbulente erste Nachkriegszeit noch anzutreffen sind.

Die Masse des aus Worms stammenden Latenemate- rials liegt natürlich im dortigen Museum. Auf diese

Tatsache wird bei der Nennung der Inventarnummern nachfolgend im allgemeinen nicht mehr ausdrücklich aufmerksam gemacht. Soweit es sich um Eigentum anderer Museen handelt, ist der Aufbewahrungsort jeweils angegeben17.

Aus dem eingangs erwähnten antiken Siedlungs- gebiet im Norden der Wormser Gemarkung stellen wir zunächst die Funde der Sand- oder Kiesgruben an der MAINZER STRASSE zusammen. In den Auf- zeichnungen des Wormser Museums, den Berichten im Mitteilungsblatt des Altertumsvereins Worms so- wie im mehrfach zitierten Aufsatz von Wiesenthal18

werden als im Jahre 1938/39 neu erschlossene Fund- stellen die Sandgruben Arnheiter, Conrad, Klausing und Oswald genannt. Auf dem Grundstück Arnheiter scheinen nur Gräber endeckt worden zu sein, da ledig- lich folgende Befunde im Museum festzustellen waren:

Weithalsige Flasche, stark ergänzt, mit Resten von Harzüberzug, handgeformt, Inv.-Nr.BE 864; dazu noch 49,5 cm langes Schwert aus Eisen, dessen Identität mit dem abgebildeten Schwert ohne Inv.-Nr. nur aus dem Längenmaß erschlossen ist; aus einem am 16.9. 1938 beobachteten gestörten Skelettgrab (Abb.lA). Handgeformte Flasche mit glattem Oberteil (Harz- spuren) und rauhem Unterteil, Hals ergänzt, Inv.- Nr. BE 867, aus einem am 17. 9. 1938 beobachteten gestörten Skelettgrab (Abb. 1B).

Handgeformte Flasche, Oberteil glatt mit Resten von Harzüberzug, Unterteil rauh, Inv.-Nr. BE 868, aus einem am 14.1.1938 beobachteten gestörten Skelett- grab (Abb. 1 C).

Gedrehte weithalsige Flasche, gedrehtes Fläschchen mit Harzüberzug, tellerartiges Schälchen (gedreht), Unterteil einer kugeligen Rassel mit Fuß und Harz- überzug, fragmentarische Bronzefibel, Kettenrest (?) aus acht zusammenhängenden „Fibelrollen", acht blaue Glasringperlen, darunter noch eine „Augen- perle" mit drei gelben Punkten19, Inv.-Nr. BE 857-63, aus einem Skelettgrab (Abb. 1D).

Der zuletzt aufgeführte Fundkomplex hebt sich von den drei anderen, typisch älterlatenezeitlichen Grä- bern mit ihren handgeformten großen Flaschen deut- lich ab. Er stammt zwar auch aus einem zwischen den übrigen Bestattungen gelegenen Skelettgrab, 12 Nesselhauf a. a. O. 13 K. Schumacher, Gallische u. germ. Stämme . . . S. 257; auch W. Dehn,

Katalog Kreuznach I, Berlin 1941, S. 115, im gleichen Sinne. 14 H. Koehte, Ein Treverergrab aus Wincheringen, Ein Beitrag zur Tre-

vererfrage, Trierer Zeitschr. 12, 1937, S. 60—64; ders. Das Treverer- problem im Licht der Archäologie, Rhein. Viertel]'. Bll. 9,1939, S. 1—22. 15 Vgl. vor allem H. Klumbach, Aresaces, in: Limes-Studien, Bd. 14 der Schriften d. Inst. f. Vor- u. Frühgesch. Basel 1959, S. 69—76, hier S. 74 f.

18 H. J. Engels, a. a. O. S. 85. 17 Möglicherweise sind Verf. einige in auswärtige Sammlungen verschla-

gene Stücke entgangen 18 Ortsakten u. Eingangsbuch d. Mus.; Mitt.-Bl. A. V. Worms, 9, S. 54, 10, S. 63 f.; Wiesenthal a. a. O. S. 227. 19 Mitt.-Bl. A. V. Worms, 10, 1939, S. 64, nennt drei Augenperlen. Bei zwei Perlen sind die Augen inzwischen offensichtlich Bausgewittert“.

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Abb. 1: Worms, Funde aus latenezeitlidien Skelettgräbern der Sandgrube Arnheiter (Mainzer Straße).

zeichnet sich aber durch drei auf der Scheibe gedrehte Gefäße und eine weit größere Zahl von Beigaben aus. Mit Recht wird daher in der .Notiz des Wormser Mitteilungsblattes (a. a. O.) dieser Fund als Besonder- heit von den „keltischen" Gräbern getrennt und dem jüngeren Latene zugewiesen, welches man damals generell als eine germanische Stufe unseres Raumes betrachtete, über die starken Bedenken an dieser verschiedenen ethnischen Zuweisung zweier über- wiegend wohl nur als aufeinanderfolgende Zeitstufen der keltischen Latenekultur zu deutenden Erschei- nungen wurde bereits weiter oben berichtet.

Funde aus der Sandgrube Conrad ließen sich im Wormser Museum nicht mehr identifizieren. Das Mitteilungsblatt des Wormser Altertumsvereins spricht von mehreren zerstörten Gräbern, den Resten einer „Urne" und einer vergangenen eisernen Fibel der älteren Latenezeit20. Der Begriff „Urne" muß nach der im Mitteilungsblatt üblichen Terminologie nicht unbedingt eine Benutzung des Gefäßes als Leichen- brandbehälter voraussetzen. Er wird häufig auch im Zusammenhang mit großen Beigefäßen aus Skelett- gräbern benutzt.

In der Sandgrube Klausing dürfte die zum Gräber- feld Arnheiter/Conrad gehörige Siedlung angeschnit- ten worden sein. Das Mitteilungsblatt meldet ein aus- gedehntes Siedlungsgelände keltischer Zeit mit rei- chen keramischen Funden, u. a. Schalen, hohe Töpfe mit Tupfenzier, Gefäße mit Zierleisten, Besenstrich und eingeglätteten Mustern sowie Spinnwirtel. Außerdem sind ein reich geperlter offener Bronze- arm- oder -fußring zu nennen, ferner ein in den Be- richten nicht erwähnter, aber im Museumsinventar

unter Nr. BE 879 geführter schlichter „Pufferarmring" aus rundstabiger Bronze21.

Bei der Fundaufnahme im Museum konnten folgende Objekte erfaßt werden: Doppelkonischer Wirtel mit größtem Durchmesser in der Mitte, höherer Wirtel mit größtem Durchmesser in der unteren Hälfte, große handgeformte Schulterschale, zwei Kalottenschalen mit einbiegendem Rand, handgeformte Schale mit Schulterumbug und Omphalosboden (?), handge- formte Schulterschale mit leicht ausbiegendem Rand und Glättmuster innen und außen, gedrehte Schale mit gerippter Schulter und ausbiegendem Rand, sehr gut gearbeiteter (gedreht?) flaschenartiger Topf mit schwach abgesetzter Schulter und ausbiegendem Rand, dickwandiger Becher mit nach außen abge- schrägtem Rand und drei Löchern (keine Flicklöcher!) im Oberteil des nur zu ca. fünfundzwanzig Prozent erhaltenen Originalbestandes (handgeformt), bizarr mit vielen kleinen und vier großen Knoten geperlter offener Bronzering, einfacher rundstabiger Bronze- ring mit undeutlichem Strichmuster vor den Puffer- enden; Inv.-Nr. BE 869-79. Hier hat der seinerzeit in der Literatur aufgezählte Fundbestand sicher nicht vollständig den Krieg überdauert, da z.B. die tupfen- und leistenverzierten Gefäßreste fehlen oder jeden- falls nicht mehr identifizierbar sind (Abb. 2, Ifd.Nrn. in der Reihenfolge der Aufzählung).

Zur Sandgrube Oswald läßt sich nur sagen, daß dort zwischen römischen Brandgräbern Scherben einer hohen keltischen Flasche geborgen wurden, ferner

>* Mltt.-Bl. A. V. Wams, 10, 1930, S. 63. » ebenda S. 64, ebenda Nr. 14, 1942, S. 101.

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Abb. 2: Worms, Funde aus einer Siedlung der älteren Latenezeit, Sandgrube Klausing (Mainzer Straße).

ein Pufferarmring als Streufund., und zwar letzterer in der Nähe der Mainzer Straße, nördlich der Sied- lungs- und Grabfunde, wobei offenbar an die Funde der Gruben Arnheiter, Conrad und Klausing gedacht ist22. Vermutlich handelt es sich bei dem Ring um das weiter oben beschriebene, unter dem Fundort „Klau- sing11 laufende Stück. Die Flaschenreste konnten im Museum nicht mehr eruiert werden.

Nach den noch vorhandenen Grabungsnotizen des Wormser Museums fanden die Bergungen in der Sandgrube Klausing am 12. 4. und vom 18. bis 22.7. 1939 statt. Zu den Sandgruben Conrad und Oswald existieren offenbar keine derartigen Unterlagen mehr.

Ebenfalls zu diesen Fundstellen an der Mainzer Straße dürften Keramikreste gehören, die ohne In- ventarnummer mit der Bezeichnung „Kiesgrube Jakob Best II, östlich der Mainzer Straße, neben dem Rhein- gewannfriedhof" im Museum Worms liegen, aller- dings unter der Voraussetzung, daß der keltische

Rheingewannfriedhof gemeint ist. Im einzelnen sind zu nennen:

Randscherbe einer wohl gedrehten Schale mit geripp- ter Schulter und ausbiegendem Rand, desgl. von einer gedrehten (?) Schale mit ausbiegendem Rand und durch zwei umlaufende Rillen betonter Schulter, desgl. von einer handgeformten Schüssel mit aus- biegendem Rand und Schulterumbug, Omphalosboden eines handgeformten Gefäßes, Scherben von zwei gut gearbeiteten (nicht gedreht) großen Schalen mit ein- biegendem Rand, Randstück einer handgeformten Flasche, Bodenscherbe eines handgeformten Topfes und ein sogenannter „Garnwickler", ein sechsarmi- ges Gerät aus Ton, dessen Zweckbestimmung noch nicht sicher geklärt ist. Man vermutet, daß die durch- bohrten Arme zum Zwirnen von Garn aus mehreren Einzelfäden dienten (Abb. 3, lfd. Nr. in der Reihen- folge der Aufzählung).

« Mitt.-Bl. A. V. Worms, 10,1939, S. 64.

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Abb. 3: Worms, hallstatt- und latenezeitlidie Keramik aus der Sandgrube Best II (Mainzer Straße?).

Abb. 5: Worms, hallstatt- oder latenezeitlidie Gefäßreste aus einer Sandgrube westlich der Mainzer Straße.

Diese Funde aus der Sandgrube Best machen keinen ganz einheitlichen Eindruck. Es scheint ein Gemisch aus hallstatt- und frühlatenezeitlichen Überresten zu sein. Mit Sicherheit als Latenefund ist eigentlich nur die gedrehte Schulterschale mit den beiden umlau- fenden Rippen anzusprechen. Wahrscheinlich sind die Keramikstücke als Lesefunde aus einer hallstatt- bis latenezeitlichen Siedlung zu betrachten. Ein dem Stück aus der Sandgrube Best II völlig ent- sprechender „Garnwickler" fand sich bezeichnender- weise in der Hallstattgrube Nr. 60 des vorgeschicht- lichen Siedlungsplatzes auf dem Wormser Adlerberg (Der Wormsgau II, 1934-43, S.361, Abb,7).

Eine Notiz vom 27.3. 1954 in der Akte „Worms- Mainzer Straße" des Museums korrigiert die Fund- stellenangabe eines zerstörten Skelettgrabes mit einem hohlen Bronzeblech-Halsreif und einem offe- nen Bronzearmring („Pufferring"), welches entgegen den Literaturangaben nicht östlich, sondern „150 m westlich der B 9 in Im Tiefe bei Baggerarbeiten in einer Kiesgrube" zutage kam2®, Damit kann man auch dieses Grab zum älterlatenezeitlichen Friedhof an der Mainzer Straße zählen (Inv.-Nr. BE 996 a u. b, Abb. 4).

Abb. 4: Worms, Beigaben eines zerstörten Skelettgrabes (Mainzer Straße).

Die vorerst letzten Belege für Siedlung und Gräber- feld an der Mainzer Straße sind einige vermutlich älterlatenezeitliche Scherben, die in einer ehemali- gen Sandgrube westlich der Straße aufgelesen wur- den (Abb. 5, Inv.-Nr. BE 1022)24. Keramische Einzel- funde der späten Bronzezeit, die unter „Mainzer Straße" laufen, stammen ebenso wie einige hallstatt- zeitliche Gräber aus einem erheblich weiter südlich gelegenen Fundgebiet und können nicht als Zeugen für eine Vorgängersiedlung des hier besprochenen Raumes gelten25.

Im PFAFFENWINKEL lassen sich archäologische Funde seit der späten Bronzezeit nachweisen26. Das uns hier interessierende Material entstammt vorwie- gend Gruben einer hallstatt- bis latenezeitlichen Sied- lung, die in den Jahren 1926 und 1936 vom Wormser Museum ergraben und von W. Bauer publiziert wurde27. Einige sichere Latenescherben, überwiegend der jüngeren Stufe, greifen wir heraus:

Gedrehte Schale oder Becher mit flach gerippter Schulter und ausbiegendem Rand, zwei große hand- geformte Schalen mit einbiegendem Rand, aus Grube XXIV der Grabung 192628; Wandscherbe eines Be- chergefäßes mit starken Drehrillen, Bodenscherbe eines gedrehten Bechergefäßes mit Standrille, Wand- scherbe eines gedrehten größeren Gefäßes mit Glätt- muster, gedrehte Schale mit leicht einbiegendem, innen verstärktem Rand, gedrehter Becher mit innen schwach verdicktem, außen durch umlaufende Rille betontem Rand, alles aus Grube XVIII der Grabung 1936 (Grubenrest)29 (Abb.6A).

Während diese Grabungen zwischen Kläranlage und chemischer Fabrik vorgenommen wurden, finden sich

“ Der Wormsgau IHM, 1954/55, S. 240j Mainzer Zeitsdir. 54, 1959, S. 70 u. Abb. 17 links, S. 69. u Mainzer Zeitsdir. 59,1964, S. 129. 25 vgl. Karte II, S. 225, bei Wiesenthal a. a. O. u. G. M. liiert, Skizze

der Entwicklung der Stadt Worms, Der Wormsgau III, 4, 1954/55, S. 233, Nr. 11, ferner Karte I.

21 Wiesenthal a. a. O. S. 225 ff.; liiert a. a. O. S. 234. 27 Walter Bauer, Eine Siedlg. d. späten Hallstatt- u. Latinezeit im Pfaf- fenwinkel bei Worms, Der Wormsgau II, 1934—43, S. 159—189; s. auch Mitt.-Bl. A. V. Worms 8, 1937, S. 46.

!S W. Bauer, a. a. O. S. 177, Nr. XXIV u. Abb. 9, XXIV, 2 u. 3, S. 178. ” W. Bauer, a. a. O. S. 175 f. Nr. XVIII u. Abb. 7, S. 170, Nr. XVIII.

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Abb. 7: Worms, Keramik aus Skelettgräbern der Rädergewann.

unter der Bezeichnung „chemische Fabrik" noch wei- tere Scherben gut gedrehter jüngerlatenezeitlicher Ware mit Gruppen umlaufender Glättlinien, vermut- lich von einer Flasche, im Wormser Museum (Abb.6B, Boden dieses Gefäßes). Ebenfalls jüngerlatenezeitlich dürfte ein eiserner Spiralring sein, der mit der Inv.- Nr. T 733 als Fund aus dem Pfaffenwinkel geführt wird (Abb. 6 E).

Zuletzt sei eine schön verzierte doppelkonische Ton- rassel erwähnt, die im Museumsinventar unter Nr.

T 725 läuft. Ein ähnliches Gegenstück wird weiter unten zitiert (s. u. Leiselheim), (Abb. 6 C).

Die RÄDERGEWANN grenzt unmittelbar an den Pfaffenwinkel. Diese Nachbarlage hat dazu geführt, daß die Gewannamen gelegentlich verwechselt wur- den. So meldet das Mitteilungsblatt des Wormser Altertumsvereins (Nr. 6, Jan. 1935, S. 32) aus dem Gebiet der Kläranlage im Pfaffenwinkel zwei Urnen- gräber mit Deckelschale und einem kleinen Bronze- gürtelhaken, deren noch verbliebener Restfund im

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Inventar mit Nr. T 771 unter „Rädergewann" ver- zeichnet ist (Abb. 6D1). Diese beiden Urnen sind lei- der nicht mehr greifbar. Eines der Gefäße zerfiel schon bei der Entdeckung. Das zweite, welches den noch vorhandenen Ringgürtelhaken enthielt, läßt sich nicht mehr bestimmen. Wahrscheinlich handelte es sich um ähnliche Eimerurnen wie eine weitere später in Abbildung vorgelegt wurde30, die ebenfalls mit einer Schale abgedeckt war (Abb. 6 Da). Wiesenthal betonte bereits den „wangionischen Charakter" des Befun- des, allerdings ohne weitere Erklärung31. In einer Erläuterung zur Verbreitung der „Eimerumengräber" hat der Verfasser versucht, diese Andeutung zu untermauern32. Die Urne hat zwar den Krieg Über- stunden. Das gedrehte Deckelschälchen ist jedoch nicht mehr aufzuspüren.

Bei der Aufzählung der sicher aus der Rädergewann stammenden Funde soll mit denen der älteren Stufe begonnen werden33:

Weithalsige handgeformte Flasche mit Resten von Harzüberzug auf dem geglätteten Oberteil, Inv.-Nr. BE 804, aus einem am 17. 6. 1935 gehobenen Skelett- grab (Abb. 7 A).

Handgeformte hochhalsige Flasche, mit Rillen und verschiedenen Stempeln reich verziert; Omphalos- schälchen, stand auf der Flaschenmündung; Bronze- fibel mit geperltem Bügel, auf der Fußplatte radial gekerbtes Beinplättchen mit zentraler, am Rand mit Strichelkranz versehener Goldauflage; bronzene Fibel mit geperltem Bügel und Fußende; glatter, geschlos- sener Bronzearmring; zwei flache, fragmentarische Bronzeringelchen; ein dritter ähnlicher Ring nicht mehr zu ermitteln; Inv.-Nr. BE 820-26 (Abb. 8 A).

Die Beigaben dieses von NNO (Kopf) nach SSW ge- richteten, auf der linken Seite ruhenden Skelettes, das am 23. 10. 1935 ausgegraben wurde, sind in mehr- facher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Einerseits konnte ihre Lage am Skelett genau fixiert werden, so daß Aufschlüsse über die Trageweise des Schmuk- kes gegeben sind. Die Gefäße standen am rechten Fuß; die beiden Fibeln lagen auf der rechten bzw. linken Schulter; der Armring umschloß den linken Unterarm; die drei kleinen Ringe fanden sich links und rechts des Halses sowie unter der rechten Schläfe. Andererseits bietet die Flasche mit ihren vier ver- schiedenen Stempeln und dem Wellenband aus ein- gestochenen Punkten interessante Vergleichmöglich- keiten im Rahmen der keltischen Kulturzone. Leider kann auf diese Gesichtspunkte weiter unten nur kurz eingegangen werden.

Gedrungene Flasche mit Standring (gedreht?); offener Bronzering mit Pufferenden, innen stark abgenutzt, mit Spuren von Verzierung; Inv.-Nr. BE 827-28; am

21.10.1935 beim Kiesabbau gefunden, wohl als Reste eines Grabes (Abb. 8B).

Gedrungene Flasche mit Standring und Glättverzie- rung auf dem Unterteil; zweiteilige Bronzefibel, am Ende des Scharnierdrahtes eine Perle aufgesetzt, Fuß in Tierkopf endend; Bronzefibel mit profiliertem Fuß; Bronzefibel mit profiliertem Bügel und Fuß; Bronze- kettchen aus gekerbten Gliedern (kein Draht!), in eine große Drahtöse endend, Länge 20,5 cm; Inv.-Nr. BE 883-85; Beigaben eines Skelettgrabes der städtischen Kiesgrube (Abb. 8C). Ulrich Schaaff bildet in den soeben erschienenen Inventaria Archaeologica, Deutschland, Heft 15, Blatt D 133, nur den Bronze- schmuck ab, ohne das Gefäß zu erwähnen. Dabei stützt er sich offenbar auf Angaben des Ausgräbers Jourdan, der auf einem Skelett-Vordruck des Worm- ser Museums vom 8.3.1939 ein W(Kopf)-G gerich- tetes Grab meldet mit einem Bronzekettchen und drei Bronzefibeln, ein Grab, das wir weiter unten bei den unklaren Befunden aufgeführt haben. Die von Schaaff zitierte Publikation im Mitteilungsblatt des Alter- tumsvereins Worms (10, 1939, S. 64) nennt dagegen außer den Bronzen auch eine „schwarztonige Urne". Dieses Gefäß findet sich auch im Museumsinventar unter der Nummer BE 883 als Bestandteil des Grabes. Da einerseits im Wormser Museum weitere, nicht mehr identifizierbare Teile von Bronzekettchen und mehrere Bronzefibeln ohne Inventarnummern existie- ren, die zum Jourdanschen Grab gehören könnten, andererseits ganz offensichtlich seinerzeit nicht mehr alle Funde der Grabungen von 1938/39 veröffentlicht worden sind, also u.U. auch das Jourdansche Grab, sehen wir vorerst noch keine Veranlassung, den Zu- sammenhang der Inventarnummern 883-885 zu be- zweifeln. Auch die Tatsache, daß für unser Grab mit einem Gefäß, der Kette und den Fibeln keine origi- nalen Grabungsunterlagen vorhanden sind, ist kein beweiskräftiger Faktor, da viele dieser Unterlagen den Krieg nicht überdauert haben.

Gedrungene, auf der Scheibe gedrehte Flasche, Hals und Schulter durch zwei umlaufende flache Wülste getrennt, abgesetzter Standring; offener rundstabiger Halsreif aus Bronze mit Pufferenden und Strich- bzw. Kerbverzierungen; gedrehter bronzener Halsreif mit tellerförmigen Enden, die durch einen Niet geschlos- sen werden; zwei gleichartige bronzene Beinringe mit strichverzierten Pufferenden; zwei gleichartige bronzene Armringe mit lockerer Strichverzierung vor

“ Mitt.-Bl. A. V. Worms 10, 1939, S. 64, mit Abb. “ A. a. O. S. 227. 12 Neue Spätlat&ne - Grabfunde aus Rheinhessen, Mainzer Zeitschr. 54,

1959, S. 47—57, hier S. 54 f. 23 Vgl. zum Folgenden die relativ spärlichen Angaben in: Mitt.-Bl. A. V. Worms, 7, 1936, S. 38| Germania 20, 1936, H. 2, S. 142, ebenda H. 4, S. 278; Mainzer Zeitschr. 31, 1936, S. 77 u. 119; Wiesenthal a. a. O. S. 227.

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den Pufferenden; zwei ähnlich gearbeitete Bronze- fibeln mit graviertem Bügel und profiliertem Fuß; Fragment einer kleinen Fibel aus Bronzedraht; Stück eines „eigenartig gebogenen" Drahtes, dessen Iden- tität nicht ganz sicher ist (Nr. 11); Bronzedrahtfibel mit mehrfach kreisförmig gebogenem Bügel; Inv.-Nr. BE 805-16; Beigaben eines am 16.10.1935 ausgegra- benen, von NNW (Kopf) nach SSO gerichteten Ske- lettes (Abb. 8 D).

Dieses Grab konnte ebenfalls wieder sorgfältig ge- hoben werden, so daß Angaben über die Lage der Beigaben zu machen sind. Die Flasche stand vor den Füßen; die beiden Halsreifen lagen aufeinander am Hals; die Beinringe fanden sich an den Unterschen- keln, die Armringe an den Unterarmen; alle vier Fi- beln, an denen noch Gewebereste zu erkennen waren, wurden zwischen Hals- und Armschmuck angetrof- fen; der eigenartige Draht scheint nach Aussage des Grabungstagebuches bei den Fußringen gelegen zu haben.

Auch dieses Grab hat Ulrich Schaaff in den Inventaria Archaeologica abgebildet (Deutschland, Heft 15, Blatt D 136). Im Gegensatz zu der vom Wormser Museum vorgenommenen Ergänzung zu einer Flasche mit kur- zem Hals, die wir in unserer Abbildung ebenfalls zei- gen, schlägt Schaaff einen Typus mit hohem Hals vor. Im Zusammenhang mit anderen Fragen werden wei- ter unten beide Möglichkeiten erörtert.

Handgeformte Schulterschale mit Omphalosboden und von diesem ausgehendem „Strahlenwirbel" aus zwanzig eingeglätteten Linien; bronzene Fibel mit

profiliertem Fuß und „Leiterreihe" auf dem Bügel; Inv.-Nr. BE 818-19; Beigaben eines am 23.10.1935 freigelegten, von N (Kopf) nach S gerichteten Skelet- tes; Grab schon erheblich gestört und nicht mehr komplett; Schale zwischen den Füßen, Fibel auf der unteren linken Brusthälfte liegend (Abb. 8 E). Handgeformter Becher; Schale mit Omphalosboden und einbiegendem Rand sowie Harzresten innen und außen, handgeformt oder mäßig gedreht; eiserne Kette (Länge 9 cm) und zugehöriger eiserner Bommel (Länge 2,9 cm) noch verschollen; Inv.-Nr. BE 891-93; Beigaben eines am 7. 3. 1939 geborgenen Skelettgra- bes. Das in der Ortsakte befindliche vorgedruckte Skelett-Formular berichtet von völliger Zerstörung und nennt statt des Bommels den Rest einer eisernen Fibel, wohl in Verkennung der noch nicht gesäuber- ten Gegenstände (Abb. 7 B). Handgeformter Becher ähnlich BE 892, am 16.9.1935 beim Sandabfahren gefunden, wohl ebenfalls eine Grabbeigabe, Inv.-Nr. BE 829 (Abb. 7 C). Mäßig gut gedrehter Schulterbecher, Inv.-Nr. BE 817, aus einem von N (Kopf) nach S gerichteten seitlichen Hockergrab vom 21. 10. 1935, nach Ausweis des Gra- bungstagebuches ein Kindergrab (Abb. 7D). Handgeformte Flasche mit abgesetztem Hals und Bauchumbug, Oberteil geglättet und mit Resten von Harzüberzug behaftet, Inv.-Nr. T 719, wohl auch eine Grabbeigabe (Abb. 7 E). Mäßig gedrehte (?) Schulterschale mit ausbiegendem Rand und Omphalosboden, Inv.-Nr. T 724, Grabbei- gabe? (Abb. 7 F).

Abb. 9: Worms, Rädergewann, Funde aus Skelettgräbern (A und B), aus einem (?) Brandgrab (C) und Einzelfunde (D).

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„Geknoteter" Bronzearmringmit Pufferenden, schlich- ter Bronzearmring mit Stridiverzierung und Puffern an den Enden sowie verzierte bronzene Gürtelschließe (Länge 5,4 cm, Breite 4,2 cm); Inv.-Nr. BE 880-82; am 13. 6. 1938 als Beigaben eines nur noch im Oberteil erhaltenen Skelettes, das mit dem Kopf „nach We- sten" lag, in der städtischen Kiesgrube geborgen. Die Ringe fanden sich an den Unterarmen, die Gürtel- schließe in der Magengegend (Abb. 9 A).

Außer den bisher vorgelegten Funden des älteren Abschnitts der Latenezeit haben wir noch mehrere Befunde zu nennen, die nicht klar einzuordnen sind, sei es, daß die Beigaben sich nicht genau klassifizieren lassen, sei es aus dem Grunde, weil nur noch schrift- liche Unterlagen existieren.

So meldet das Grabungstagebuch vom 13.6.1938 zer- störte Skelettgräber der älteren Latenezeit, aus denen nur noch zwei kleine Bronzeringe, das Fragment eines eisernen Ringes sowie Scherben einer einfachen graubraunen Flasche dieser Zeit zu retten waren.

Am 18. 4. 1939 wurde ein Skelettgrab mit sechsspei- chigem Bronzerädchen als einziger Beigabe (Inv.-Nr. BE 890) aufgedeckt, welches auf der Brustpartie lag (Abb. 9B).

Am 21.4.1939 fand sich eine zerstörte Bestattung mit Scherben einer „Urne", nach einem Eintrag vom 7. 6. 1939 einer „Frühlateneurne".

Am 8. 3. 1939 wurde ein schlecht erhaltenes, W (Kopf) —O gerichtetes Skelett beobachtet, und zwar eines jungen Menschen mit Holzkohleresten links und einem Bronzekettchen rechts neben dem Kopf, einer Bronzefibel in der Magengegend, zwei weiteren Bronzefibeln neben dem rechten Unterschenkel34.

Am 12. 4. 1940 brach in der Kiesgrube ein Latene- brandgrab (jüngere Latenezeit?) herunter mit einer Urne, zwei Fibeln und Resten einer Schale sowie eines dritten Gefäßes. Es mag sich dabei um zwei eiserne „Mittellatene"-Fibeln, eine fragmentarische gedrehte Flasche, Scherben einer Schale mit einbie- gendem Rand und zwei Bruchstücke eines gedrehten Gefäßes handeln, die mit der Bezeichnung „Räder- gewann, aus Brandgräbern" unter gleichem Datum im Museum aufbewahrt werden (Abb. 9 C).

Am 20. 6. 1940 zerstörte der Kiesabbau einN (Kopf)—S gerichtetes Skelett bis zum Becken, so daß nur noch das Unterteil einer „Urne oder Flasche" sicherzu- stellen war.

An Einzelfunden seien ein kleiner Bronzearmring mit Kerbverzierung und Puffern an den Enden (Inv.- Nr. T 726), ein bronzener Arm- oder Fußringmitüber- einandergreifenden profilierten Enden (T729), eine kleine Bronzefibel mit zwei großen Windungen,

strichverziertem Bügel und ebenfalls strichverzier- tem, durch eine Verdickung profiliertem Fuß (T 732) und schließlich ein am 22. 9. 1934 beim Sandgraben gefundener offener Bronzering mit Pufferenden er- wähnt (Durchmesser 6,8 cm, ein Ende aufgebogen), Inv.-Nr. T 770 (Abb. 9D).

Unklar ist der Befund bei den Gräbern C/D35, die zerstört wurden und noch einen kugelbauchigen gro- ben Topf ohne erkennbare Drehspuren, im Bericht als „Urne" bezeichnet, eine Bronzefibel mit band- artigem Bügel und tellerförmigem Kopf, einen ge- schlossenen und einen offenen kleinen Bronzering sowie ein bronzenes Beschlagblech lieferten, wie es an Gürtelhaken auftritt. Die unter Inv.-Nr. BE 886-89 geführten Beigaben machen bis auf das Gürtelblech einen späten Eindruck und dürften nicht mehr zu den älterlatenezeitlichen Skelettgräbern zu stellen sein. Die Bergung des Fundkomplexes erfolgte wohl 1938/39 (Abb. 10 A).

Bei der gleichen Aktion kam ein Skelettgrab zum Vorschein, welches ebenfalls mit spät zu datierenden Beifunden ausgestattet war:

Gut gedrehte Flasche, handgeformter grober Becher mit Resten von Harzüberzug, gleicher Überzug auf einem konischen Napf, Fragment eines gewölbten Bronzeknopfes (Belag?) und bronzene Fibel vomNaü- heimer Typ mit drei „Leiterreihen" auf dem Bügel, Inv.-Nr. BE 895-99. Ein beschrifteter Skelettvordruck in der Ortsakte verrät außer dem genauen Datum (16. 2. 1939) der Bergung, daß die Bestattung schlecht erhalten und von SO nach NW gerichtet war (Kopf- lage?). Die „Flaschenurne" stand links, die restliche Keramik rechts des Kopfes; die Fibel fand sich auf dem rechten Schlüsselbein, der Knopf auf der rechten oberen Brusthälfte (Abb. 10 B).

Die gleiche Richtung, aber mit gesicherter Kopflage in NW, hatte ein bereits am 3. 4. 1936 untersuchtes Skelett, dessen untere Beinpartie gestört war. Eine „flaschenförmige Urne mit zwei Rillen oben am Hals” scheint mit dem unter Inv.-Nr. BE 848 geführten ge- drehten Gefäß identisch zu sein, dessen Form gleich- falls in die jüngere Latenezeit zu setzen ist. Die Iden- tität geht nicht nur aus der Flaschenform und den zwei Rillen, sondern auch aus dem roten Ton und der schwarzen, glänzenden Oberfläche hervor, Eigen- schaften, die im Grabungstagebuch ausdrücklich ge- nannt sind (Abb. IOC).

Am 17. 5. 1935 fanden sich weitere jüngerlatenezeit- liche Skelettgräber. Ein gedrehtes Schulterschälchen

M Nadi Sdiaaff a. a. O. identisch mit dem in Mitt.-Bl. A. V. Worms ICC 1939, S. 64, genannten Grab B, wo aber noch eine „sdrwarztonige Urne-

aufgeführt wird. !S Mitt.-Bl. A. V. Worms 10, 1939, S. 64.

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A2-5, B4-5 u.C2=1-2

1:4

Rädergewann D s>

Abb. 10: Worms, Rädergewann, Grabbeigaben der jüngeren Latenezeit.

Abb. 11: Worms, Lesefunde aus dem Latenefriedhof in der Rädergewann.

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und eine Bronzefibel vom sogenannten Mittellatene- typ (?) könnten mit dem am Schluß einer Fundaufzäh- lung im Mitteilungsblatt des Wormser Altertums- vereins (7, 1936, S. 38) erwähnten Skelettgrabinventar übereinstimmen, wenn nicht am Anfang eine kleine graue Schale mit Bronzefibel darin genannt wäre, offenbar Einzelfunde ohne beobachteten Grabzusam- menhang (Abb. 10 D), Inv.-Nr. BE 801/802. Auch ein fragmentarisch erhaltenes gedrehtes Fläsch- chen, ein gedrehtes Schälchen mit umlaufenden Glätt- zonen auf dem Unterteil und eine gedrehte Schale mit einbiegendem Rand, beides ebenfalls nur in Bruchstücken vorhanden, stammen aus demselben Grabbezirk, aber als Lesefunde vom 17. 5. 1935 (Abb. 10 E), Inv.-Nr. BE 798—800. Weiterhin lassen sich nur als Lesefunde der jüngeren Latenezeit aufführen: Gedrehtes weithalsiges Fla- schengefäß mit gewulsteter Schulter (Inv.-Nr. T 720), gedrehte Flasche mit Glättmuster (T721), gedrehte Flasche mit Rille unter Rand und Hals (T 722), gedreh- ter Becher (sog. Humpen, T723), Schale mit kolben- förmig verdicktem Rand und antikem Flickloch unter dem Rand (Fragment, gedreht?, T735), zwei Bronze- ringlein (T 730-31), Scherben von einer (?) gedrehten Flasche mit gewulsteter Schulter und Schulterleiste (ohne Inv.-Nr.), Schale mit einbiegendem Rand und geradem Boden (gedreht?, o. Inv.-Nr.), Scherben einer gedrehten (?) Flasche o. Inv.-Nr. (Abb, 11 A—J).

Eine relativ steilwandige, wohl nicht gedrehte Schale wurde am 20. 6. 1924 bei Anlage eines Gleises nord- östlich der Zuckerfabrik gefunden. Sie gehört zu Bei- gaben aus Latene-Gräbern, die außerdem je eine Bronze- und Eisenfibel sowie mehrere kleine eiserne Ringe erbrachten, offensichtlich gestörte Befunde38. Außer der Schale mit Inv.-Nr. VR 640 ließ sich keiner der Funde wiederentdecken (Abb. 11 K). Im Gegensatz zum Pfaffenwinkel, wo eine Latene- siedlung angeschnitten wurde, lieferte die Räder- gewann Funde des zugehörigen Gräberfeldes. Wir haben also, ähnlich wie an der Mainzer Straße, Sied- lung und Friedhof eines keltischen Weilers unmittel- bar beieinander. Die letzte Fundstelle am Nordausgang der Stadt ist die RHEINGEWANN, eine östlich an Pfaffenwinkel und Rädergewann anschließende Flur. Hier konnten, vermutlich aus gestörten Skelettgräbern des älteren Latene, folgende Funde sichergestellt werden (Abb. 12 u. 13 A-D): Handgeformte Flasche mit vier sich gegenüber- stehenden runden Dellen am größten Durchmesser, Inv.-Nr. 1576 (Zug.-Nr.); handgeformte Flasche mit geglättetem, ehemals mit Harz überzogenem Ober- teil, gerauhter unterer Hälfte und Fingerkuppenein- drücken um den Boden37, gefunden auf dem Gelände der Rohpappefabrik; als geschlossener Grabfund ein

Muffenhalsring mit Kreisaugen- und Strichverzie- rung an den Enden, ein Bein- und ein Armring mit Pufferenden und gleicher Strichverzierung, ein Bein- ring mit profilierten, durch Kreisaugen verzierten Enden, ein weiterer ähnlicher Ring, alles Bronze und

Abb. 12: Worms, Rheingewann, Flaschen der älteren Latenezeit, wohl Grabbeigaben.

z. Z. noch in Privatbesitz der Firma Rohm & Haas, auf deren Gebiet das Grab zutage kam38; Bronzehalsring mit Knoten und eingekerbter Strichverzierung vor den Enden und zwei gleichartige Bronzearmringe, in verwandter Weise ornamentiert und geformt, ge- schlossener Grabfund?, 1944 am Rheingewannweg geborgen, Inv.-Nr. BE 970-71; bronzener Pufferhals- reif mit verzierten Enden, Inv.-Nr. BE 584; bronzener Armreif mit schwach ausgebildeten Puffern und Strichverzierung vor den Enden, Inv.Nr. BE 585; hoh- ler Armring aus Bronzeblech mit Muffenverschluß, Inv.-Nr. BE 586; Bronzeringlein und Stück eines durch Bronze verfärbten Handknochens, Inv.-Nr. BE 587; bronzener Knotenring mit kräftigen Pufferenden, Inv.- Nr. BE 513, wie die vorgenannten vier Stücke mit 500er Nummer aus dem ehemaligen Tonwerk Off- stein; dünner rundstabiger Pufferhalsreif, zusammen mit zwei offenen, an den Enden profilierten Bronze- armringen und einer 4,6 cm langen Fibel aus Grab 1 unter Inv.-Nr. 299 registriert; dazu angeblich offener Hohlring aus Bronzeblech mit Strichverzierung vor den Enden, zusammen mit stark abgenutztem, an den Enden verbreitertem Bronzering, beides nach Koehl aber in der Rheingewann „westlich der Dampfzie- gelei11 aus einem Skelettgrab gehoben39, Inv.-Nr. BE

“Der Wormsgau I, 1, 1926, S. 24. Die Schale dort nicht erwähnt, im In- ventar aber eindeutig ausgewiesen.

” Der Wormsgau III, 1, 1951, S. 44, ebenda III, 2, S. 95; Mainzer Zeit- schrift 48/49, 1953/54, S. 56.

“Der Wormsgau V, 1961/62, S. 124; Mainzer Zeitschr. 59, 1964, S. 129 u. Abb. 25, S. 130. .

39 Westdt. Zeitschr. f. Gesdi. u. Kunst 25, 1906, S. 449.

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300/01; zwei .bronzene Pufferringe mit strichverzier- ten und profilierten Enden, einer fast geschlossen, mit anhängendem Bronzeringlein, der zweite weiter ge- öffnet, Inv.-Nr. BE 301, im Museumsinventar eben- falls zu Grab 1 gerechnet.

Vom Jahre 1893 wird ein Grabfund aus dem Grund- stück der „neuen Fabrik Remy" gemeldet, der hier als Vertreter des auslaufenden Latene gelten kann, und zwar bestehend aus Fragmenten zweier eiserner Fibeln mit geschlossenem Nadelhalter und Rudiment des „Mittellateneknotens" auf dem Bügel, einer offen- bar tonnenförmigen Henkeltasse, einer verzierten grauen Scherbe und einem 30 cm langen verbogenen eisernen Messer. Leider waren nur noch die Fibeln ausfindig zu machen; doch spricht die verbogene Waffe für ein jüngerlatenezeitliches Brandgrab40, wie auch die Fibelform späte Zeitstellung verrät. Dar- über hinaus kann man sich unter einer verzierten grauen Scherbe eigentlich nur das Fragment eines mit Stempel ornamentierten graubelgischen Topfes vor- stellen, also eines Gefäßes, welches in die Ubergangs- phase von der keltischen zur römischen Kultur und wahrscheinlich schon in das Jahrhundert nach der Zeitenwende gehört (Abb. 13 E).

Da in der Rheingewann bisher nur Gräber beobachtet wurden, scheint sich lediglich der Friedhof, nicht aber die Siedlung von Pfaffenwinkel und Rädergewann hierher erstreckt zu haben.

überblickt man die Befunde aus den nördlichen Ge- wannteilen der Stadt, so zeigt sich zunächst die Exi- stenz zweier verschiedener keltischer Siedlungs- plätze, vermutlich von der Größe heutiger Weiler oder gar nur von Einzelhöfen. Trotz der zahlreichen Inventarnummern bleibt nämlich bei einer Vertei- lung über einen Zeitraum von ca. 400 Jahren nicht die Möglichkeit, hierin den Nachlaß einer größeren Bevölkerungsgruppe zu sehen, selbst wenn man unterstellt, daß nur ca. zwanzig Prozent der ehemals im Boden gewesenen Siedlungsgruben und Gräber registriert werden konnten. Die beiden keltischen Weiler an der Mainzer Straße bzw. im Gebiet von Pfaffenwinkel, Räder- und Rheingewann liegen etwa einen halben Kilometer auseinander, eine Entfer- nung, die auf die Größe des „Lebensraumes" einer solchen kleinen keltischen Siedlungseinheit schließen läßt.

Von erheblichem Interesse für den Archäologen ist übrigens die Feststellung, daß die Skelettbestattung nicht — wie gemeinhin angenommen — mit dem älte- ren Abschnitt der Latenezeit ausstirbt, sondern noch recht häufig auch im jüngeren Latene geübt wird.

Außerdem fällt bei Betrachtung der Angaben über die Lage der Skelette auf, daß diese in ihrer Ausrich- tung überwiegend um die N-S-Achse pendeln, wobei

der Kopf im Norden zu liegen pflegt. An anderer Stelle haben wir bereits auf diese Erscheinung hin- gewiesen41. Da die Fundstellen an der Mainzer Straße ohnehin schon zum Vorort HERRNSHEIM rechnen, sollen jetzt die anderen, aus Herrnsheimer Gemarkung kommen- den Latenefunde besprochen werden.

In der Goethestraße wurden schon 1932 beim Bau einer Scheune (Haus Nr. 10) zwei Bronzearmringe angeblich der älteren Latenezeit aus einem gestörten Grab geborgen. Einer gelangte 1939 unter Inv.-Nr. BE 854 in das Wormser Museum42, dürfte aber wohl noch hallstattzeitlich sein. Im gleichen Jahr, am 22. 5. 1939, zeigten sich beim Zufüllen der Hohl unterhalb der St. Anna-Kapelle, Gewann Bubenberg (Hasenlauf- kanzel), zwischen Gräbern eines fränkischen Fried- hofes auch zwei durch Tiergänge gestörte keltische Skelettgräber. Ein beigabenloser Hocker war von NW (Kopf) nach SO gerichtet. Das zweite, ebenso gelagerte Grab lieferte einen Pufferhalsring aus Bronze, das Bruchstück eines bronzenen Pufferarm- ringes, einen kleinen Bronzering (Inv.-Nr. 850-52, Abb. 15 A) und Reste von Schale und „Urne". Am 1. 6. 1939 entdeckten die Ausgräber des Museums in einem Erdblock Teile eines weiteren Skeletts mit „Bronzefingerring" und einer Scherbe. Am 21. 6. 1939 wurde erneut ein Skelettgrab untersucht, das im Ge- gensatz zu den ersten Bestattungen von W nach O lag. Dieses nach Ausweis des Grabungstagebuches offenbar genau beobachtete und ungestörte Grab ent- hielt eine „vollständige Urne aus dunkelgrauem Ton" neben dem rechten Fuß und einen stark verrosteten eisernen Gürtelhaken an der rechten Beckenseite. Leider läßt sich das Beigefäß nur bedingt ermitteln, da die Funde aus diesem Grab im Inventar nicht ver- zeichnet sind. Mit der Bezeichnung „Hasenlaufkanzel" existiert aber eine hochbauchige, weithalsige, hand- geformte Flasche ohne Inventarnummer, allerdings von hallstattzeitlichem Habitus (Abb. 15 B). Da kein anderes zu existieren scheint, setzen wir voraus, daß es sich um das im Tagebuch erwähnte Gefäß handelt, zumal Tonfarbe und Form der flüchtigen Angabe und Gefäßskizze im Tagebuch weitgehend entsprechen.

Unter diesem Aspekt ist das letztgenannte Grab von den latenezeitlichen Bestattungen zu trennen, für die dann die gleiche Feststellung gilt, wie für die Befunde von der Mainzer Straße und den Gewannen im nörd- lichen Industriegebiet. Auch an der Hasenlaufkanzel scheint man die Toten während der Latenezeit an- nähernd in nord-südlicher Richtung beigesetzt zu haben, jeweils mit dem Kopf im Norden.

« Westdt. Zeitschi. f. Ges*, u. Kunst 13, 1894, S. 288; feiner G. Behrens, Denkmäler . . . S. 14. Zur Sitte der Waffenverbiegung zuletzt G. Mahr, Die jüngere Latünekultur des Trierer Landes, Berlin 1967, S, 171 ff. 41 Bemerk, zu latenezeitlichen Gräberfeldern des Wormser Raumes, Mitt.-Bl. z. rhh. Landeskunde 12, 1963, H. 3, S. 104—107.

« Mitt.-Bl. A. V. Worms, 10, 1939, S. 63.

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Zur Fundstelle des Hallstattgrabes sei noch bemerkt, daß „etwas oberhalb, aber dicht neben diesem Grab" ein Kreisgraben untersucht werden konnte, der aus zwei „durch Lehmbänke getrennten Bogen" bestand. Da lediglich einige unwesentliche Scherben in der Ackerkrume über dem Graben zu beobachten waren, kann man nur durch die Lage bei einem Hallstattgrab und Vergleich mit analogen Objekten zum Versuch einer Datierung kommen. Ohne das Problem vertie- fen zu wollen, soll auf ähnliche Kreisgräben mit Lehmbrücken (Eingängen?) in Gau-Bickelheim hinge- wiesen werden, die Heinz Schermer freilegen und in die Hallstattzeit verweisen konnte43. Auch bei Als- heim im Kreis Worms dürfte für einen entsprechen- den Befund die gleiche Datierung gesichert worden sein44.

Als kostbarster Latenefund aus Herrnsheim kann ein besonders seltenes Stück präsentiert werden, eine Bronzeschnabelkanne vermutlich etruskischer Her- kunft. Trotz weitgehender Zersetzung des Mitteltei- les läßt sich eine Höhe von ca. 30 cm rekonstruieren, bei einem Durchmesser von 14,7 cm. Oberteil mit dem durch eine Palmettenattache unter stilisiertem Köpf- chen verzierten Henkel und Boden sind relativ gut erhalten. Das Stück ist ein Einzelfund vom Schieß- stand ostwärts der Klauer (Inv.-Nr. BE 991) 45. über die in das ältere Latene gehörigen Schnabelkannen orientiert nach wie vor am ausführlichsten eine Studie von P. Jacobsthal und A. Langsdorf46. Da die Fund- umstände nicht bekannt sind, ist es müßig, die Frage zu erörtern, ob wir es mit einem Grabfund zu tun haben, eventuell von einem keltischen Fürsten, der sich abseits der großen Gräberfelder beisetzen ließ (Abb. 14 und 15 C).

Abb. 14: Worms-Herrnsheim, etruskische Schnabelkanne (ca. 1:4).

Weitere Funde der älteren Latenestufe gelangten im Jahre 1871 als Geschenk des Verwaltungsrates der hessischen Ludwigsbahn ins Mainzer Museum (Mit- telrheinisches Landesmuseum). Ein dünnstabiger Bronzehalsreif mit verzierten Pufferenden, ein stark abgenutzter Bronzebeinring mit Pufferenden und schwachen Spuren von Strichverzierung, ein geschlos- sener Bronzebeinring mit plastischer Verzierung (stark abgenutzt, wohl einfache Variante der „Kno- tenringe"), ein Paar Bronzearmringe mit kräftig pro- filierten Pufferenden, ein weiteres Paar bronzener Armringe mit durch Strichmuster und Kreisaugen verzierten Pufferenden, ein drittes Paar derartiger Ringe mit ähnlichem Strichmuster vor den mit Stri- chen dicht besetzten Pufferenden, Inv.-Nr. V 899-907, ferner ein fragmentarisches eisernes Schwert (Inv.- Nr. V 898) stammen aus Gräbern bei Herrnsheim (Abb. 15 E). Wenn man unterstellt, daß diese Latene- bronzen, die seinerzeit mit mehreren anderen Fun- den von der Bahnverwaltung übergeben wurden, bei einem größeren Bauvorhaben der Bahn zutage ge- kommen sein müssen, dann scheidet die in Richtung Mainz führende Rheintalstrecke vermutlich aus. Diese Bahnlinie ist nämlich schon in der Jahrhundertmitte gebaut worden und hat im Bereich der Gemarkung Herrnsheim keine zusätzlichen Bauwerke aufzuwei- sen. Eher käme schon die in Neuhausen abzweigende und über Herrnsheim nach Gundheim führende Ne- benlinie in Betracht47. Die oben genannte Fundstelle an der Hasenlaufkanzel liegt nahe dieser Bahnstrecke, so daß die nach Mainz geratenen Schmuckbronzen in diesem Gräberfeld entdeckt worden sein könnten. Das Schwert scheint übrigens verschollen zu sein, so daß die Abbildung auf einer Mainzer Katalogzeich- nung ohne Maßstab fußen muß. Ebenfalls aus Herrns- heim, und zwar aus einem Grabe beim Ort, kommt ein kleiner bronzener Gürtelhaken, dessen Ende in Gestalt einer menschlichen Maske garbeitet ist. Ohne weit ausholen zu müssen, finden wir ein Gegenstück zu dieser Maske über der Palmette der Herrnsheimer Schnabelkanne (Abb. 15 C). Der Gürtelhaken ist in der Fachliteratur oft abgebildet worden und eindeu- tig ins ältere Latene zu stellen48 (Abb. 15 D). In NEUHAUSEN entdeckte Karl Koehl, eine der gro- ßen Persönlichkeiten der deutschen archäologischen Forschung, südlich der nach Hochheim führenden Straße Reste von jüngerlatenezeitlichen Brandgrä- bern, die Bronzefibeln, eine eiserne Schere, einen eisernen Gürtelhaken und viele Keramikfragmente

“ Mainzer Zeitschr. 50, 1955, S. 103 f. mit Angabe der Erstpublikation. “ w. Bauer, Eine kleine Grabenanlage bei Alsheim, Der Wormsqau II, 1934—43, S, 97 I. ' « Der Wormsgau III, 2, 1952, S. 95| Mainzer Zeitsdir. 48/49, 1953/54,

S. 56. “ P' Jacobsthal, A. Langsdorl, Diu Bronzesdinabelkannen, Berlin 1929. 47 Vgl, etwa K, Fuchs, Elsenhahnproiekte u. Eisenbahnbau am Mittel-

rhein 1836—1903, Nass. Ann. 67, 1956, S. 158—202, hier S. 167 u. 202. <" Erste Vorlage in A uh V, III, 3, Taf. II, 9, letzte von J, V. S. Megaw,

Germania 1967, Hbd. 1/2, T. 8,4.

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Abb. 15: Worms-Herrnsheim, Flasche aus einem Hallstattgrab (B) und Funde der älteren Latenezeit.

enthielten. Bei näherer Untersuchung konnten diese offenbar gestörten Befunde durch ein teilweise erhal- tenes Grab ergänzt werden, mit Scherben verschie- dener Gefäße, die um den Leichenbrand standen49. Ebenfalls aus Neuhausen, und zwar einer Kiesgrube ohne nähere Lagebezeichnung, stammt neben hall- stattzeitlichen Scherben auch das Randstück einer ge- drehten typisch jüngerlatenezeitlichen Flasche (Abb. 16 A). Im Gegensatz zu den Hallstattfunden, die be- reits 1887 gehoben wurden (Inv.-Nr. BE 188), trägt diese Randscherbe jedoch keine Beschriftung, so daß letzte Sicherheit für ihre Provenienz nicht gegeben ist.

DAS LIEBENAUERFELD, bei Neuhausen gelegen und wahrscheinlich mit der Koehl'schen Fundstelle iden-

tisch, lieferte in den dreißiger Jahren zwei jünger- latenezeitliche Brandgräber50. Diese sind in ihrer Ausstattung mit je einer „unverzierten, von einer flachen Schale bedeckten Urne11, mit einem Gürtel- ring, einem Armreif mit Punzverzierung und zwei Fibeln den weiter oben vorgelegten Urnengräbern vom Gebiet der Kläranlage (Pfaffenwinkel/Räder- gewann, Inv.-Nr. T 771) sehr verwandt. Leider schei- nen die Urnen vom Liebenauerfeld verlorengegan- gen zu sein. Lediglich eine strichverzierte Scherbe von guter keltischer Drehscheibenware und das Frag- ment einer gedrehten Schale (?) mit abgesetztem Rand

“ Westdt. Zeitsdir. f. Gesdi. u. Kunst 19, 1900, S. 383 f.s G. Behrens, Denkmäler . . . S. 14.

s" Germania 19, 1935, H. 2, S. 170 (Es wird nidit deutlich, ob .je“ nur zu Urnen mit Deckel oder auch zu den anderen Funden gehört).

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Abb. 16: Worms, latenezeitliche Funde aus Neuhausen (A), vom Liebenauer Feld? (B), vom Gaswerk (C), von Maria Münster (D), aus Horchheim (E) und von nicht näher bekannten Fundstellen (F—H).

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waren mit der Bezeichnung YZ Lieb(enauerfeld?) im Museum aufzutreiben (Abb. 16 B).

Die von Koehl a. a. O. erwähnten Skelettgräber las- sen sich mangels näherer Hinweise und datierbarer Funde nicht einordnen. Möglicherweise haben wir aber auch hier die ältere Belegung des Latenefried- hofes vor uns.

Im PFRIMMPARK (Carl-Bittel-Park), und zwar im westlichsten Teil, liegt auf dem Hochufer des Baches eine größere Siedlung der Hallstatt- und Latenezeit51. Da nennenswerte Latenefunde nicht mehr existieren, begnügen wir uns mit diesem Hinweis.

LEISELHEIM, einer der westlichen Vororte von Worms, hat aus der älteren Latenezeit eine weithal- sige, handgeformte Flasche mit glatter Oberfläche und Harzspuren auf dem Oberteil vorzuweisen. Das Gefäß wurde bei einem weiblichen Skelett entdeckt (Inv.-Nr. BE 980). Vielleicht gehört zu diesem Fund ein ohne weitere Hinweise unter Inv.-Nr. BE 981 lau- fender Becher aus Leiselheim. Ohne Inv.-Nr. ist eine ebenfalls hier, und zwar nördlich des Ortes gefundene verzierte, doppelkonische Rassel aus Ton (vgl. Abb. 6 C), wahrscheinlich noch älterlatenezeitlich5ia. In die jüngere Stufe zu datieren sind Siedlungsfunde, die aus zwei zylindrischen Gruben westlich der Neu- mühle geborgen wurden (Inv.-Nr. BE 1046/47, Main- zer Zeitschr. 63/64, 1968/69, Ber. d. Staatl. Amtes f. Vor- u. Frühgesch., S. 190).—Abb. 17—

Die WOLLSTRASSE erbrachte das einzige latene- zeitliche Objekt im Stadtzentrum. Koehl nennt den Teil eines Halsringes, wohl der älteren Stufe52.

KLOSTERSTRASSE (Gaswerk) und MARIA-MUN- STER sind wahrscheinlich zwei Fundstellen des glei- chen Gräberfeldes. Jedenfalls sind sie eng benach- bart, haben allerdings nur jeweils ein Objekt zu bie- ten. Vom Gelände des Gaswerks stammt eine blaue Glasringperle mit weißen Augen, aus der Gewann Maria-Münster eine gedrehte Flasche mit Glätt- muster53 (Abb.16 C u. D). Da die Flasche verhältnis- mäßig gut erhalten ist und aus dem Abfall von Sied- lungsstätten nur ganz selten Gefäßreste zu ihrer ur- spi%iglichen Form zusammengesetzt werden können, glaufen wir, im Fund von Maria-Münster eine Grab- beigeme sehen zu dürfen. Sie fand sich im Bereich eines großen römischen Gräberfeldes54, natürlich ohna direkten Bezug zu diesen späteren Beisetzun- gei«

DiemOHRLACHE, eine in den heutigen Meßtisdi- blättems „Bärenloch" genannte Gewann südwestlich der am Altbach gelegenen Ziegelei, ist eine weitere Fundstelle mit Ufffdngräbern der Art, wie wir sie schon aus der Kläranlage im nördlichen Industrie- viertel und vom Liebenauerfeld kennen55. Nach dem

Fundbericht des Museums konnten am 14. 9. 1934 und den folgenden Tagen am kleinen Rohrlachweg, Gewann XIX, Flur 68 (wohl Flur XIX und Parzelle 68!), ungefähr 50 m von der Frankenthaler Straße entfernt, in 0,6 m Tiefe eine Urne mit Aschenresten und vier antiken Flicklöchern sowie eine zweite, so- fort zerfallene Urne mit zwei Latenefibeln beobachtet werden. Bei der „Frankenthaler Straße" handelt es sich ganz offensichtlich um den in Richtung Franken- thal führenden Niedesheimer Pfad, der in älteren Karten noch verzeichnet ist. Wiesenthal spricht 1939 in seinem Aufsatz a. a. O. nur von einer hohen hand- gemachten Urne und einer Bronzefibel. Im Fund- bericht werden die Zugangs- bzw. Inventarnummern Z 805/T 769 und Z 808/T 772-73 aufgeführt. Bei der Bestandsaufnahme im Museum war keines der Stücke zu ermitteln.

Auch der weiter östlich gelegene ADLERBERG, eine seit dem Neolithikum bewohnte Siedlung der Worm- ser Gemarkung, hat Funde der Latenezeit aufzuwei- sen. Bisher sind allerdings nur einige Scherben der älteren Stufe zu vermerken5*. Von Interesse ist vor allem eine gedrehte fragmentarische Schüssel mit profiliertem Oberteil und Standring, vergleichbar ähnlichen Stücken aus den Sandgruben Klausing und Best, die weiter oben beschrieben wurden (Abb. 2,8 u. 3,1). Daneben treten handgeformte Schalen auf mit mehr oder weniger einbiegendem Rand (Abb. 18).

Abb. 18: Worms, älterlatenezeitlidie Siedlungsfunde vom Adlerberg.

51 Mitt.-Bl. A. V. Worms, 10, 1939, S. 64; Wiesenthal a. a. O. S. 227 f. t,a Der Wormsgau III, 1, 1951, S. 45; von F. Rothrodt eingelieferter 52 Westdt. Zeitschr. f. Gesdi. u. Kunst 9, 1890, S. 295; vgl. au* liiert

a. a. O. S. 234. äI AuhV, V, S. 65, Nr. 238; Behrens, Denkmäler . . . S. 14; Thea E. Hae-

vernidc, Die Glasringe u. Ringperlen der Mittel- u. Spätlatenezeit auf d. europ. Festland, Bonn 1960, hat die Wormser Perlen offenbar ni*t erfaßt.

51 Wiesenthal, a. a. O. S. 228. si Mitt.-Bl. A. V. Worms, 6, 1935, S. 32; Mainzer Zeits*r. 30, 1935, S. 77;

Wiesenthal a. a. O. S. 228; liiert a. a. O. S. 234. M F. M. liiert, Neue Ausgrabungen am Adlerberg, Der Wormsgau II,

1934—43, S. 356—67, hier S. 361 u, 365 f. mit Abb. 14 u. 6, Nr. 10, S. 360; Wiesenthal a. a. O. S. 227; Der Wormsgau III, 1, 1951, S. 44.

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Mit der Herkunftsangabe „HORCHHEIM, Wehrte" befinden sich im Wormser Museum einige Scherben gedrehter und teilweise mit Glättmustem versehener jüngerlatenezeitlicher Schalen und Flaschen (Abb. 16 E) sowie das Bodenstück eines handgeformten gro- ben Topfes. WORMS als Fundort, ohne genauere Provenienz, ist bei folgenden Stücken zu verzeichnen: Gedrehte Lateneflasche der jüngeren Stufe, mit rei- chem Glättmuster, ähnlich dem der Flasche von Maria- Münster, unter Inv.-Nr. BE 953 zwar ohne Fundort registriert, aber anhand zweier Hinweise ziemlich sicher zu bestimmen (Abb. 16F). So schreibt Köehl von einem „schönen, schwarzen, sehr großen Krug aus einem früheren Fund", wobei man berücksichti- gen muß, daß in der Koehl'schen Diktion ein „Krug" das Gleiche bedeutet wie eine „Flasche" in der heute unter Archäologen gebräuchlichen. Wiesenthal nennt im Anschluß an die Beschreibung des Fundes von Maria-Münster (vgl. weiter oben) „eine ähnliche Flasche aus Worms, der die Fundumstände fehlen, vielleicht gleicher Herkunft"57. Außerdem ist das zwanzig Zentimeter lange Stück einer bronzenen Kette der jüngeren Latenezeit zu nennen mit einem gut ausgebildeten Gürtelhaken in Form eines Tier- kopfes. Dieses schöne Schmuckstück, das ganz am An- fang der jüngeren Latenestufe steht, ist im Mainzer Museum (Mittelrheinisches Landesmuseum) unter Nr. V 565 inventarisiert. Die Kette wurde schon 1872 an- gekauft und könnte im Zusammenhang mit Arbeiten der Ludwigsbahn geborgen worden sein, auf die wir weiter oben bei Vorlage der Herrnsheimer Funde zu sprechen kamen. Unsere Abbildung 16 G bietet eine vereinfachte Wiedergabe der von Gustav Behrens in seinen „Bodenurkunden aus Rheinhessen" I, Mainz 1927, S. 58, Abb. 209, veröffentlichten Zeichnung. Ein gleichzeitig gekaufter angeblicher Glasarmreif (Beh- rens. Denkmäler S. 40) besteht aus gagatartigem Stoff (V 566). Im Wiesbadener Museum werden zwei dicht geknotete bronzene Beinringe aufbewahrt, die schon 1822 „in römischen Ruinen" bei Worms endeckt wur- den, wie eine Notiz im Museumskatalog besagt (Inv.- Nr. 1648/49, Abb. 16 H)58, weiterhineineElektronmünze der Mediomatriker, die Wiesenthal am Schluß seines Latenekapitels erwähnt (a. a. O. S. 229 mit älterer Lite- ratur). Zwei keltische Kleinsilbermünzen aus Worms (Forrer 351) schließlich liegen im Römisch-Germani- schen Zentralmuseum Mainz, ein gleiches Stück im Kölner archäologischen Museum (ehemals im Bayen- turm), angeblich „bei Worms" gefunden. Der letzte Hinweis auf diese Stücke findet sich ebenfalls bei Wiesenthal (a. a.O.). Die topographische Verteilung der latenezeitlichen Fundstellen nach siedlungsgeographischen Gesichts- punkten zu beurteilen, hieße nur, die Ausführungen

von Wiesenthal und Georg M. liiert zu wieder- holen59. Es sei daher erlaubt, die Vorlage des Latene- materials aus Worms mit einigen Bemerkungen aus rein archäologischer Sicht zu beenden.

Einerseits erweist sich Worms im Vergleich zu ande- ren archäologischen Ballungszentren des Rhein-Main- Gebietes als ein Platz von hervorragender Bedeutung besonders im älteren Latene. Nirgends sonst verfü- gen wir über ein so reiches und darüber hinaus so gut beobachtetes Material aus dieser Zeit. Auch die Tatsache, daß die großflächigen Bodenaufschlüsse der Sand- und Kiesgruben bei Worms eine ausnahms- weise glückliche Fundsituation bieten, vermag diese Feststellung nicht zu entkräften.

Andererseits gestatten die erwähnten sorgfältigen Beobachtungen der Fundumstände seitens der Beauf- tragten des Wormser Museums einige nicht un- wesentliche Ergänzungen zu unserer Kenntnis vom Bestattungsbrauch der Latenezeit. Wir haben bereits darauf aufmerksam gemacht, daß offenbar eine Aus- richtung der Gräber bevorzugt wurde, die um die Nord-Süd-Achse schwankt. Weiterhin scheint man die Toten so gebettet zu haben, daß der Kopf in der Nord- hälfte des Grabes lag. Die früher einmal geäußerte Meinung, die Verstorbenen seien mit dem Gesicht zur aufgehenden Sonne bestattet worden und die ver- schiedene Ausrichtung der Gräber hänge mit der ver- schiedenen Jahreszeit der Beisetzung zusammen60, läßt sich mit unseren Feststellungen nicht in Einklang bringen.

Eine andere Frucht der Beschäftigung mit den Worm- ser Funden ist die Erhärtung der Tatsache, daß im jüngeren Latene die Körperbestattung nicht allge- mein von der Brandbestattung abgelöst wurde. Es ist sogar ein Skelettgrab des Nauheimer Horizontes vor- handen (Rädergewann), des späten Abschnitts der jüngeren Latenezeit, der durch Fibeln des „Nauhei- mer Typs" charakterisiert wird61. Die Körperbestat- tung hält sich also, wenn auch nicht in größerem Um- fang, zumindest bis in diesen Horizont hinein, der das Ende der reinen Latenezeit markiert.

Als Nachtrag im Anschluß an die Materialvorlage, die das Hauptanliegen des Verfassers war, mögen noch einige Betrachtungen zur älterlatenezeitlichen Kera- mik unseres Raumes folgen. So fiel die mit fünf ver-

57 Westdt. Zeitschr. f. Gesdi. u. Kunst 20, 1901, S. 341; Wiesenthal a. a. O. S. 228.

58 J. Emele, Besdireibg. römischer u. deutscher Altertümer in d. Gebiet der Prov. Rheinhessen, Mainz 1825, Tab. 19, 1.

59 Wiesenthal a. a. O. S. 229; G. M. liiert, a. a. O. S. 232; ders. aus- führlicher in: Das vorgeschichtliche Siedlungsbild des Wormser Rhein- übergangs, Der Wormsgau, Beih. 12, Worms 1952, hier S. 61 ff.; dort finden sich in Zusammenfassung noch einmal die bis dahin bekannt ge- wordenen Bodenfunde aus Worms.

80 F. Kutsch, Frühlatenegrabhügel u. „Michelsberger* Grube bei Rauen- thal, Nass. Ann. 48, 1927, S. 50—64, hier S. 53 f.

81 Zum Bestattungsbrauch der jüngeren Latönezeit besonders ausführ- lich zuletzt G. Mahr, Die jüngere Latenekultur des Trierer Landes, Berlin 1967, S. 129 ff.

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Abb. 19: Verzierte und gedrehte Keramik der Frühlatenezeit aus Lampertheim (1, Mus. Worms, Inv.-Nr. BE 930 f.),

Eppelsheim (2, Mus. Worms, Inv.-Nr. BE 293), Eckelsheim (3 a u. b, Mus. Alzey, Inv.-Nr. H 95, 6), Ramsen (4, Mus. Speyer, Inv.-Nr. 344), Monsheim (5 u. 6, Mus. Worms, Inv.-Nr. BE 283 u. 285),

Eckelsheim (7, Mus. Alzey, Inv.-Nr. H 95, 6), Wallertheim (8 u. 9, Mus. Alzey, vgl. Mainzer Zeitsdir. 44/55, 1949/50, S. 20, Abb. 9; ebenda Bd. 52, 1957, S. 108),

Nieder-Olm (10, Landesmus. Mainz, Inv.-Nr. 28, 53, 2; vgl. Mainzer Zeitsdir. 34/35, 1929/30, S. 137, ferner Germania 13, 1929, H. 1/2, S. 74) und Alzey (11, Mus. Alzey, Inv.-Nr. L 45, 1).

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schiedenen Stempeln verzierte Flasche aus der Räder- gewann auf (Abb. 8 A, 1), mit einer derart ungewöhn- lich reichen Verzierung, daß man an einen Fremdling denken möchte. Eine Analyse des Ornamentes er- weist jedoch die Bodenständigkeit des Stückes. Zwi- schen den umlaufenden Rippen des Gefäßhalses er- scheint ein Rechteckstempel, der durch einen vier- geteilten Rhombus so gegliedert ist, daß vier gleich- seitige Dreiecke den zentralen Rhombus rahmen. Der Stempel setzt sich also letztlich aus drei- und vier- eckigen Eindrücken zusammen, letztere nahezu qua- dratisch. Solche Stempelformen treten auch im außer- wormsischen Bereich des Mainzer Beckens auf, wenn auch in anderer Komposition. So findet sich auf der Schulter einer gedrehten Lateneschale aus Lampert- heim (Starkenburg)62 eine Girlande aus kleinen qua- dratischen Stempeln, deren Bögen jeweils in einem Doppelkreisstempel mit vier umschlossenen Quadrat- stempeln zusammenlaufen (Abb. 19, 1). Die Girlande wiederum ist der durch feine Punktstiche erzielten Wellenlinie auf dem Bauch der Rädergewann-Flasche verwandt. Ähnliche Girlanden aus Quadratstempeln tragen eine Lateneflasche aus Langenlonsheim, Kr. Kreuznach63 und eine Flasche aus Nieder-Olm, Ldkr. Mainz (Abb. 20, 1) 64, letztere zusätzlich mit in Vierer- gruppen zu etwa kreisförmigen Motiven zusammen- gestellten Dreieck- und verschiedenen Kreisstempeln.

Eine Girlande mit Einzelmotiven der Nieder-Olmer Flasche erscheint auch auf einem Nauheimer Topf (Kr. Friedberg), den jüngst Lothar Süß publizierte65. Einfachere, durch Riefung erzielte Girlanden finden sich in mehr oder weniger kräftiger Ausführung auf einer Flasche aus Eppelsheim69, in Verbindung mit s-förmigen Motiven, wie sie auf der Rädergewann- Flasche jeweils vierfach in rechteckiger Umrahmung auftreten (Abb. 19,2), ferner auf einer Flasche und Schalen von Rüdesheim, Rheingaukreis67 (Abb, 21A1, 3 u. 4), oder auf Schalen des Braubacher Typs bzw. verwandter Typen, wie Mittelheim, Rheingaukreis (Abb. 21, C 1)68, Winkel, Rheingaukreis69 und Bad Dürkheim, Kr. Neustadt, ein Ort, den wir gerade noch im Zusammenhang mit Funden des Mainzer Beckens zu nennen wagen70. Die schon angesprochenen S-Mo- tive können wir noch aus Wiesbaden71 und Rüdes- 51 Vgl. Der Wormsgau II, 1934—43, S. 371 ff., ferner G. M. liiert, Der

Wormser Rheinübergang ... S. 111 u. 138 bzw. W. Jorns, Neue Bo- denurkunden aus Starkenburg, Kassel 1953, S. 94. 63 Zuletzt W. Dehn, Kat. Kreuznach I, Berlin 1941, S. 123, Abb. 75, 1.

64 Kurze Notiz über die Fundstelle in: Mainzer Zeitsdir. 60/61, 1965/66, S. 161. 65 Fundberr. aus Hessen 5/6, 1965/66, S. 32, Abb. 2, 1. 86 G. Behrens, Bodenurkunden aus Rheinhessen I, Mainz 1927, S. 50, Abb. 179: H Kühn, Die vorgesch. Kunst Deutschlds., Berlin 1935, S. 372, Abb. 1 (Unsere Abb. 19,2). 67 Kurze Fundnotiz in: Bodenaltertümer in Nassau VIII, 1958, S. 51 f. 68 Kurze Fundnotiz in: Bodenaltertümer in Nassau VI, 1956, S. 65. 09 H. Behaghel, Die Eisenzeit im Raume d. rechtsrhein. Schiefergebirges, Wiesbaden 1949, Taf. 17. B 10. 70 H. J. Engels, Die Hallstatt- u. Latenekultur in d. Pfalz, Speyer 1967, Taf. 34, 21. 71 Behaghel a. a. O. Taf. 20 A, 27.

Abb. 20: Nieder-Olm, Ldkr. Mainz, Keramik aus Latene-Grube 14 einer vorgesdiiditlidien Siedlung (Landesmus. Mainz, Inv.-Nr. 64, 101 f).

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Mitte Lhei’m

__( Presberg

ccsssss 1-4 (D2u.3 = '1.-2)

A: Rüdesheim , Asbach-WerKe

B: Rüdesheim, KöhtränkerKopf

Abb. 21: Älterlatenezeitliche Funde aus Rüdesheim (A, Asbachwerke; B, Kühtränkerkopf, 1—3,4—5 je ein Grabkomplex), Mittelheim (C) und Presberg (D).

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heim (Abb. 21,A4) nachweisen. Besonders häufig sind die auf unserer Flasche teils mit S-Stempeln, teils allein in verschiedener Gruppierung angebrachten Kreisstempel. Sie können einfach oder „geschachtelt" auftreten. Wir erwähnen die Funde von Biebelnheim, Kr. Alzey72, Eckelsheim, Kr. Alzey (Abb. 19, 3), Fin- then (Mainzer Zeitschr. 1957, S. 90, Abb. 3 a, 29,30-40) u. Budenheim, Ldkr.Mainz73, Nieder-Walluf, Rhein- gaukreis74, Schierstein bei Wiesbaden75, Darmstadt, Rosenhöhe76 und Ramsen, Kr. Kirchheimbolanden (Abb. 19,4)77. Diese leicht anzubringenden Kreis- stempel waren vielfach auch schon bei den vorher aufgeführten, in anderer Weise verzierten Gefäßen zu finden. Sie leben übrigens in die jüngere Stufe der Latenezeit hinein weiter78.

Als nächster Punkt soll die Frage nach der Ergänzung der Rädergewann-Flasche (Abb. 8 Dl) aufgegriffen werden. Wie oben dargelegt, hält U. Schaaff a.a. O. einen hohen Hals für wahrscheinlicher als die in der Werkstatt des Wormser Museums vorgezogene Lö- sung mit kurzem Hals, überschaut man den vorhan- denen Bestand an gedrehten älterlatenezeitlichen Fla- schen des Mainzer Beckens, wobei wir alle Flaschen mit abgesetztem Standring zu dieser Gruppe zählen, so lassen sich eigentlich nur zwei Exemplare mit dem typischen hohen Hals herausstellen, der vorwiegend für die handgeformten, also nicht gedrehten Flaschen am nördlichen Oberrhein und am Mittelrhein charak- teristisch ist79. Wir meinen die Flaschen aus Rüdes- heim, Kühtränker Kopf (Abb. 21 B 3) und Schierstein bei Wiesbaden80, Ansonsten überwiegen aber ge- drungene Typen mit kurzem Hals, und zwar vor allem auch in Worms und Umgebung. Besonders nahe stehen der Rädergewannflasche die Flaschen aus Monsheim, Schloßhöhlchen, Kr. Worms (Abb. 19, 5 u. 6) 81, aus Presberg, Rheingaukreis (Abb. 21, D 1)S2, aus Wiesbaden, Biebricher Allee83, aber auch zwei an- dere, von uns bereits präsentierte Flaschen aus der Rädergewann (Abb. 8, B 1 u. C 1). Weitere Vertreter des gedrungenen, kurzhalsigen Typs sind Flaschen aus Eppelsheim84, Esselborn85, Eckelsheim (Abb. 19, 7) , Wallertheim (Abb. 19, 8 u. 9)86, alles Kr. Alzey, aus Nieder-Olm, Ldkr. Mainz (Abb. 19, 10 u. 20, 1), Langenlonsheim, Kr. Kreuznach87 und Rüdesheim (Abb. 21, A 1). Unschlüssig über ihre Zuweisung bleibt man bei den Funden von Alzey (Abb. 19, 11), Rüdes- heim (Abb. 21 A 2) und Ramsen, Kr. Kirchheimbolan- den (Abb. 19, 4). Das kleine Rüdesheimer Fläschchen entspricht zwar weitgehend dem hochhalsigen Typ, scheint mit seinem völlig flachgearbeiteten Boden aber nicht gedreht zu sein. Ein deutliches Merkmal der gedrehten Flaschen des älteren Latene ist einer- seits der meist deutlich markierte, überwiegend wohl nachträglich angesetzte Standring, andererseits der im allgemeinen nach unten durchhängende Gefäß-

boden, der nur selten gerade, aber nie merklich nach oben einziehend geformt ist. Obwohl natürlich keine letzte Sicherheit zu gewinnen ist, könnte man auf- grund der gewonnenen überschau dazu neigen, die in Worms getätigte Ergänzung der Rädergewann- Flasche zu einer kurzhalsigen Form für richtig zu hal- ten. Andererseits läßt der relativ enge Hals (-ansatz?)

Abb. 22: Worms, Rädergewann, Flasche aus Grab Abb. 8 D (1) ohne und mit Ergänzung des Randes.

72 G. Behrens, Bodenurkunden aus Rheinhessen I, Mainz 1927, S. 55, Abb. 196, 2. 73 Schumacher-Festschrift, Mainz 1930, S. 29, Abb. 6, 2 u. 3. 74 Behaghel a. a. O. Taf. 28 C 42, 44, 45. 75 ebenda Taf. 27 D. 78 A. Koch, Vor- u. Frühgesch. Starkenburgs, Darmstadt 1937, Taf. 27, Abb. 131 A. 77 Zuletzt H. J. Engels a. a. O. Taf. 20, F 1. 78 Vgl. dazu B. Stümpel, Neue Spätlatene-Grabfunde aus Rheinhessen, Mainzer Zeitschr. 54, 1959, S. 56, Anm. 15. 79 Zu diesen Flaschen vgl. W. Dehn, Kat. Kreuznach. I, Berlin 1941, S. 115 mit Abb. 68, S. 114. 80 Vgl. Anm. 75; zu Rüdesheim: Bodenaltert, in Nassau VI, 1956, S. 65; ebenda VIII, 1958, S. 52; Führer I, 1955, des Rheingauer Museums (Schwedische Fels,bilder), S. 16, mit Hinweisen auf Grabzusammen- hänge. 81 Vgl. Westdt. Zeitschr. f. Gesch. u. Kunst 11, 1892, S. 240; ebenda Bd. 23, 1904, S. 349 f.j G. Behrens, Bodenurkunden . . . S. 50, Abb. 177. 82 Nach Aussage einer in der Flasche liegenden Beschriftung „Rüdes- heim, weißer Turm", aber wohl identisch mit „Presberg, weißer Turm", vgl. Fundberr. aus Hessen 4, 1964, S. 221, wo zwei Bestattun- gen mit je einer Flasche genannt werden u. ein Bronzering mit „Kno- tenenden", während es sich bei dem abgebildeten und in der Flasche befindlichen um einen Vierknotenring handelt. 83 Behaghel a. a. O. Taf. 27 G 1. 84 Vgl. Anm. 66. 85 AuhV III, 6, Taf. 4, 1 (in Mainzer Privatbes.). 88 Mainzer Zeitschr. 44/45, 1949/50, S. 20, Abb. 9. 87 Vgl. Anm. 63.

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Page 24: LATENEZEITLICHE FUNDE AUS WORMS...der keltischen Latenekultur zu deutenden Erschei- nungen wurde bereits weiter oben berichtet. Funde aus der Sandgrube Conrad ließen sich im Wormser

tatsächlich auch an eine ehemals hohe Form denken (vgl. dazu die beiden Fotos auf Abb. 22).

Da die älterlatenezeitlichen Funde aus Rüdesheim (Asbach-WerkeundKühtränkerkopf), aus Mittelheim und Presberg (Abb. 21) sowie die aus Nieder-Olm, Grube 14 einer eisenzeitlichen Siedlung (Abb. 20), bisher nur in knappen Notizen erwähnt wurden, hiel- ten wir es für notwendig, nicht nur die hier zitierten Stücke zu zeigen, sondern die geschlossenen Kom- plexe. Beim Rheingauer Material, das im Rüdeshei- mer Museum ausgestellt ist, konnten wir allerdings nicht den Eindruck gewinnen, alles Zugehörige erfaßt zu haben, da dort keine Unterlagen greifbar waren.

Bei der nun schon viele Jahre zurückliegenden Mate- rialaufnahme. besonders lange im Falle des Museums

Worms, einer Aufnahme, die in erster Linie Fragen des jüngeren Latene diente, waren viele durdi die Turbulenz des Krieges und der ersten Nachkriegs- jahre entstandene Lücken zu verzeichnen. Vermutlich sind inzwischen einige dieser Lücken durch die ge- duldige Tätigkeit der Museumsleute geschlossen wor- den. Es ist daher geplant, im Zusammenhang mit einer Aufarbeitung der Funde des Wormser Hinterlandes ggf. einen Nachtrag zum vorgelegten Bericht zu lie- fern. Außer den Herren Direktoren Dr. F. M. liiert (f) und Dr. G. M. liiert von den Wormser Kulturinstitu- ten ist der Verfasser insbesondere Herrn Museums- leiter Dr, Paulus vom Rheingauer Museum in Rüdes- heim und Herrn Dr. Mandera vom Museum nassaui- scher Altertümer in Wiesbaden für großzügig ge- währte Arbeitserlaubnis zu Dank verpflichtet.

2. NACHTRAG ZU:

DIE ENTWICKLUNG DES LÖWENTAUFSTEINS IN

DER HESSISCHEN UND RHEINFRÄNKISCHEN GOTIK

Von Otto Bocher

Wiederum, wie schon 1963/64 1, besteht die Möglich- keit, des Verfassers Arbeit über Löwentaufsteine und verwandte Taufsteine der hessischen und rhein- fränkischen Gotik2 durch zwei inzwischen bekannt- gewordene Exemplare zu ergänzen. Das eine (Nr. 27a) reiht sich der südpfälzischen Gruppe des Lilien- Maßwerk-Typus ein, das andere, gleichfalls pfälzi- sche Stück (Nr. 59a) gehört in den Schulzusammen- hang des von Worms ausgehenden Astwerk-Typus.

27a. Groß-Fischlingen bei Edenkoben (Pfalz), ehemals Katholische Pfarrkirche St. Gallus (jetzt Haardt bei Neustadt/Weinstr., Höhenweg 27) Erstveröffentlichung.

Abbildung : Tafel 3, Abb. 1.

Beschreibung: Die achtseitige Kuppa aus Hardtsandstein ist heute als Blumenschale im Vorgarten des Hauses Höhen- weg 27 in Haardt bei Neustadt aufgestellt (Besitzer: Herbert Denzinger). Vorgeblendete, ungenaste Kreuzbogen, die an den Kanten des Beckens in hän- gende Lilien auslaufen, überziehen die acht bauchi- gen Seitenflächen der Kuppa, deren kräftiges Kranz- gesims aus Platte, Kehle und Rundstab besteht; ein Fuß fehlt. Bis ins Detail entsprechen die Formen den- jenigen des etwas kleineren Taufsteins in der Pro- testantischen Pfarrkirche zu Winden/Pfalz (Nr. 27).

Maße: Oberer Durchmesser (Seite : Seite) 94 cm; oberer Durchmesser (Ecke : Ecke) 99 cm; Höhe noch 52 cm; Länge einer Kuppaseite oben 41 cm; Durchmesser der Beckenöffnung 68 cm; Beckentiefe zur Zeit nicht fest- stellbar. Geschichtliches : Wie der Taufstein von Winden (Nr. 27) und das iso- lierte Tauf- oder Brunnenbecken im benachbarten Heilsbruck (Nr. 28a) ist die Groß-Fischlinger Kuppa abhängig von dem qualitätvollen, 1506 datierten Lö- wentaufstein in der Katholischen Pfarrkirche zu Lan- dau (Nr. 26). Sie dürfte um 1510 entstanden sein und stammt aus dem mittelalterlichen Vorgängerbau der 1765 errichteten jetzigen Katholischen Pfarrkirche St. Gallus zu Groß-Fischlingen, die einen barocken Tauf- stein ihrer Erbauungszeit aufweist3; offenbar er- folgte die Profanierung und teilweise Zerstörung des spätgotischen Taufsteins bereits im Jahre 1765. Der heutige Besitzer der Kuppa, Herbert Denzinger, fand diese vor einigen Jahren als Brunnentrog — ohne Sockel - in einem Groß-Fischlinger Bauernhof4.

1 Der Wormsgau 6. Worms 1963/64, S. 68-70. 2 Der Wormsgau 5. Worms 1961/62, S. 31-84. 3 Anton Edcardt, Die Kunstdenkmäler von Bayern, Pfalz,

II, Stadt und Bezirksamt Landau. München 1928, S. 184. 4 Freundliche Auskunft von Herrn Herbert Denzinger,

Haardt bei Neustadt (Brief vom 22.11. 1968).

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