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Laufmantelrollen sind wichtige Elemente der Fördertechnik. Für ihre kontaktme- chanische Auslegung konnten vergleichs- weise einfache Berechnungsformeln erarbeit werden (Foto: Faigle Kunststoffe) 71 Kunststoffe 11/2009 KONSTRUKTION > JOHANNES KUNZ L aufrollen sind wichtige Elemente der Fördertechnik. Solche mit ei- nem Laufmantel aus Kunststoff ver- binden vorteilhafte Betriebseigenschaf- ten wie geringe Geräuschentwicklung, hohe mechanische Dämpfung, gutes Fe- derverhalten und hohe Verschleißfestig- keit mit einer wirtschaftlichen Fertigung. Das gilt insbesondere dann, wenn sie im Spritzgießverfahren hergestellt werden. Diese Laufmantelrollen bestehen im We- sentlichen aus einer Nabe und einem Laufmantel. Die Nabe, auch als Rol- lenkörper bezeichnet, kann massiv oder in Form eines Wälzlagers vorliegen. Der Laufmantel kann aufgepresst oder um- spritzt sein und je nach Funktion und Geometrie der Gegenfläche (Laufbahn, Unterlage) ein zylindrisches, konvexes, konkaves oder dachartiges Profil aufwei- sen (Bilder 1 und 2). Die lokalen Kontakt- verhältnisse zwischen Rolle und Lauf- bahn sind in Abhängigkeit von Geome- trie und Werkstoffeigenschaften je durch spezifische geometrische Parameter be- stimmt. Für die rechnerische Erfassung dieser Zusammenhänge standen der Konstruktionspraxis bisher nur in sehr begrenztem Umfang Berechnungs- grundlagen zur Verfügung [1, 2]. Rechnerisch-experimentelle Untersuchungen Zur Verbesserung dieser wenig befriedi- genden Situation wurden am Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverar- beitung (IWK) der HSR Hochschule für Technik, Rapperswil, im Rahmen eines größeren Projekts der anwendungsorien- tierten Forschung und Entwicklung um- fangreiche Untersuchungen zur Kontakt- mechanik solcher Kunststofflaufrollen durchgeführt. Die angewendete Metho- dik verbindet in bewährter Weise theore- tisch-analytische Betrachtungen, gezielte Versuche und rechnerisch-numerische Parameterstudien mittels der Finite Ele- mente Methode (FEM). Für die Experi- mente wurden eine eigens dafür ent- wickelte Abplattungsmesseinrichtung und die Videoextensometrie eingesetzt. Untersucht wurden einerseits speziell hierfür hergestellte Versuchsrollen aus Polyoxymethylen (POM), teilweise aber auch im Handel erhältliche Rollen. Die erforderlichen Kriechmoduln wurden nach demselben Messprinzip ermittelt. Die Belastung der Rollen besteht aus ei- ner statischen bzw. quasistatischen Radi- allast im Zentrum der Nabe. Dieser Fall Laufrollen kontakt- mechanisch auslegen Laufmantelrollen. Neue Berechnungsgrundlagen ermöglichen es, statisch belastete oder langsam bewegte Rollen mit Kunststoff-Laufmantel gezielter und zuverlässiger auszulegen. Es handelt sich um vergleichsweise einfach anwendbare Formeln zur ingenieurmäßigen Berechnung der wesentlichen kontaktmechani- schen Größen dieser Rollen in Abhängigkeit der maßgebenden Geometrie- und Werkstoffparameter. ARTIKEL ALS PDF unter www.kunststoffe.de Dokumenten-Nummer KU110250 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- © 2009 Carl Hanser Verlag, München www.kunststoffe.de/Kunststoffe-Archiv Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern

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Laufmantelrollen sindwichtige Elementeder Fördertechnik.

Für ihre kontaktme-chanische Auslegung

konnten vergleichs-weise einfache

Berechnungsformelnerarbeit werden

(Foto: Faigle Kunststoffe)

71Kunststoffe 11/2009

KONSTRUKT ION

>

JOHANNES KUNZ

Laufrollen sind wichtige Elementeder Fördertechnik. Solche mit ei-nem Laufmantel aus Kunststoff ver-

binden vorteilhafte Betriebseigenschaf-ten wie geringe Geräuschentwicklung,hohe mechanische Dämpfung, gutes Fe-derverhalten und hohe Verschleißfestig-keit mit einer wirtschaftlichen Fertigung.Das gilt insbesondere dann, wenn sie imSpritzgießverfahren hergestellt werden.Diese Laufmantelrollen bestehen im We-sentlichen aus einer Nabe und einemLaufmantel. Die Nabe, auch als Rol-lenkörper bezeichnet, kann massiv oderin Form eines Wälzlagers vorliegen. DerLaufmantel kann aufgepresst oder um-spritzt sein und je nach Funktion und

Geometrie der Gegenfläche (Laufbahn,Unterlage) ein zylindrisches, konvexes,konkaves oder dachartiges Profil aufwei-sen (Bilder 1 und 2). Die lokalen Kontakt-verhältnisse zwischen Rolle und Lauf-bahn sind in Abhängigkeit von Geome-trie und Werkstoffeigenschaften je durchspezifische geometrische Parameter be-stimmt. Für die rechnerische Erfassungdieser Zusammenhänge standen derKonstruktionspraxis bisher nur in sehrbegrenztem Umfang Berechnungs-grundlagen zur Verfügung [1, 2].

Rechnerisch-experimentelleUntersuchungen

Zur Verbesserung dieser wenig befriedi-genden Situation wurden am Institut fürWerkstofftechnik und Kunststoffverar-beitung (IWK) der HSR Hochschule fürTechnik, Rapperswil, im Rahmen eines

größeren Projekts der anwendungsorien-tierten Forschung und Entwicklung um-fangreiche Untersuchungen zur Kontakt-mechanik solcher Kunststofflaufrollendurchgeführt. Die angewendete Metho-dik verbindet in bewährter Weise theore-tisch-analytische Betrachtungen, gezielteVersuche und rechnerisch-numerischeParameterstudien mittels der Finite Ele-mente Methode (FEM). Für die Experi-mente wurden eine eigens dafür ent-wickelte Abplattungsmesseinrichtungund die Videoextensometrie eingesetzt.Untersucht wurden einerseits speziellhierfür hergestellte Versuchsrollen ausPolyoxymethylen (POM), teilweise aberauch im Handel erhältliche Rollen. Dieerforderlichen Kriechmoduln wurdennach demselben Messprinzip ermittelt.Die Belastung der Rollen besteht aus ei-ner statischen bzw. quasistatischen Radi-allast im Zentrum der Nabe. Dieser Fall

Laufrollen kontakt-mechanisch auslegen

Laufmantelrollen. Neue Berechnungsgrundlagen ermöglichen es, statisch

belastete oder langsam bewegte Rollen mit Kunststoff-Laufmantel gezielter und

zuverlässiger auszulegen. Es handelt sich um vergleichsweise einfach anwendbare

Formeln zur ingenieurmäßigen Berechnung der wesentlichen kontaktmechani-

schen Größen dieser Rollen in Abhängigkeit der maßgebenden Geometrie- und

Werkstoffparameter.

ARTIKEL ALS PDF unter www.kunststoffe.deDokumenten-Nummer KU110250

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ist für die Berechnung der statischenTragfähigkeit, des Verformungsverhaltensim Stillstand und der Federwirkung beilangsamer Bewegung von Bedeutung, in-direkt aber auch für die Beurteilung desAnfahrwiderstands.

Bei der Auswertung der Resultatewurden die gefundenen Gesetzmäßig-keiten qualitativ herausgearbeitet undanschließend mathematisch beschrieben,um daraus, aufbauend auf die HertzscheTheorie der Kontaktprobleme, geeigneteBerechnungsformeln abzuleiten. Hierbeistand aber nebst der Erzielung realisti-scher Ergebnisse die praktische Hand-habbarkeit dieser Formeln im Vorder-grund. Deshalb wurden partiell zuguns-ten der Einfachheit gewisse Abstriche ander Genauigkeit hingenommen. Wie diebisherigen Erfahrungen zeigen, genügendie bis dato entwickelten Berechnungs-formeln diesen Kriterien. Dasselbe Vor-gehen hat sich in der Zwischenzeit aucherfolgreich bei verschiedenen konkretenFragestellungen aus der Industrie be-währt.

Kontaktmechanische Größen

In der Untersuchung interessierten in ers-ter Linie der maximale Kontaktdruck zwi-schen Rolle und Unterlage, Form undAusmaß der entstehenden Kontaktflächeund die Rollenabplattung, definiert alsVerschiebung des Rollenzentrums inRichtung Unterlage (Bild 3).Diese kontakt-mechanischen Größen sind alle abhängigvon der Belastung, den geometrischenVerhältnissen und den Werkstoffeigen-schaften von Rolle und Unterlage. Sie be-

stimmen u.a. auch maßgeblich den An-fahr- und den Rollwiderstand. WichtigeKriterien für die Auslegung der Rollensind auch die Vergleichsspannung und diemaximalen Dehnungswerte.

Theoretische Grundlage für die Bestim-mung der kontaktmechanischen Größensind die allgemeine Hertzsche Theorie derKontaktprobleme und die daraus abgelei-teten, bekannten Formeln [3].

Die Überlegungen basieren auf einerReihe von Voraussetzungen und Ideali-sierungen:� Laufmantel und Nabe sind von glei-

cher Zylinderlänge (Rollenbreite);� der Kunststoff des Laufmantels verhält

sich linear viskoelastisch, d.h. die zeit-abhängige Werkstoffsteifigkeit, be-schrieben durch den Kriechmodul, istkeine Funktion der Last;

� zwischen Nabe und Laufmantel be-steht kein Stoffschluss;

Bild 1. Profile bei Kunststoff-Laufmantelrollen: Theoretische Linienberührunga: Zylindrischer Laufmantel mit Rundungb: Zylindrischer Laufmantel mit AnfasungcA: Zylindrischer Laufmantel mit innerer partieller AbstützungcB: Zylindrischer Laufmantel mit äußerer partieller Abstützungd: Zylindrische 2K-Rolle mit weichem Radkörper

Bild 2. Profile bei Kunststoff-Laufmantelrollen: Theoretische Punktberührunge: Konvexes Laufmantelprofilf: Konkaves Laufmantelprofilg: Dachartiges Laufmantelprofil

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� allfällige Vorspannungen durch Auf-pressen bzw. Umspritzen lassen sich li-near überlagern (Boltzmannsches Su-perpositionsprinzip);

� die Nabe besteht aus einem Werkstoffvergleichsweise hoher Steifigkeit, so-dass ihre Verformung vernachlässigtwerden kann;

� die Krafteinleitung in die Nabe erfolgtin deren Zentrum;

� die Rolle wirkt als reine Laufrolle, d.h.es wirken keine Tangentialkräfte in derBerührungsfläche;

� die Unterlage verhält sich linear elas-tisch bzw. linear viskoelastisch;

� die Rollenachse ist parallel zur Unter-lage ausgerichtet, d.h. Verkanten wirdausgeschlossen.

Rollen mit zylindrischem Laufmantel

Ideale Zylinder berühren die achsparal-lele ebene Unterlage idealerweise und imunverformten Zustand längs einer Linie.Die unter Last eintretende Verformungzeigt sich dann in Form einer rechtecki-gen Kontaktfläche. Reale zylindrischeLaufmantelrollen weichen in mehrfacherHinsicht vom idealen Zylinder ab, so na-

mentlich durch die Nabe, auf welcher derLaufmantel vollständig oder nur partiellabgestützt sein kann, aber auch dadurch,dass der Zylindermantel in der Regel ei-ne mehr oder weniger ausgeprägte Anfa-sung bzw. Rundung zu den Stirnseitenaufweist (Bild 1 a und b). Diese Gegebenhei-ten können sich auf die kontaktmechani-schen Größen unterschiedlich stark aus-wirken, wie dies die nachstehenden, fürdas Beispiel zylindrische Laufmantelrol-le mit partieller Abstützung (Bild 1c) gel-tenden Formeln zeigen.

Die Untersuchungen [5, 6] ergaben,dass die erwähnten Einflüsse auf die hal-be Breite b der rechteckigen Kontakt-fläche und den maximalen Kontaktdruckp0 unbedeutend sind. Damit können diebekannten, für ideale Zylinder geltendenBeziehungen angewendet werden:

(1)

(2)

Gegen die Anfasung bzw.Abrundung hinweicht die Form der Kontaktfläche vom

Rechteck ab; die Breite kann dort bis zu15 % größer sein. In diesen Formeln be-deutet EV den Vergleichs-Elastizitätsmo-dul für den Kontakt zwischen Kunststoff-Laufmantel (Kriechmodul EC in Abhän-gigkeit der statischen Belastungsdauer)und Laufbahn bzw. Unterlage (Elasti-zitäts- bzw. Kriechmodul EL):

(3)

Bei dünnerem Laufmantel im Bereich 0,6� dN/dR � 0,8 wird ein deutlicher, prak-tisch linearer Einfluss der partiellenAbstützung spürbar, was in den Grenzen0,2 � s/l � 0,8 mit der Formel 4 recht gutbeschrieben werden kann.

(4)

Die Abplattung w kann treffend mit ei-ner quadratischen Funktion des Abstüt-zungsverhältnisses s/l beschrieben wer-den. So führt die Beziehung (Formel 5)im Gültigkeitsbereich 0,4 � dN/dR � 0,8,0 � a/la � 0,2 und 0,2 � s/l � 1,0 zu gutbrauchbaren Resultaten.

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(5)

Für die innere Abstützung (Bild 1cA) wur-de der Zahlenfaktor mit k �0,94 ermit-telt, für die äußere Abstützung (Bild 1cB)liegt er mit k �1,26 etwas höher. Dabeimacht es praktisch keinen Unterschied,ob der Übergang von zylindrischer Lauf-fläche zur Stirnfläche mit einer Fase derLänge a oder einem Radius r = a ausge-führt wird. In (5) ist

(6)

die Abplattung beim Kontakt idealerachsparalleler Zylinder unter Kraftwir-kung. Da sich hierfür aus der HertzschenTheorie analytisch keine Beziehung ab-leiten lässt, musste eine solche Lösungauf anderem Weg erst erarbeitet werden[4].

Komplexer sind die Verhältnisse, wennwie bei neuartigen 2K-Laufrollen zwi-schen dem zylindrischen Laufmantel ho-her Steifigkeit und der Nabe ein weicherRadkörper integriert wird (Bild 1d). DieseKonzeption weist mit zwei weiterenDurchmesserverhältnissen und den un-terschiedlichen Steifigkeiten von Lauf-mantel und Radkörper zusätzliche Para-meter auf, die sich auf die kontaktmecha-nischen Größen auswirken. Dennochkonnten wenigstens teilweise analoge,aber entsprechend kompliziertere Be-rechnungsformeln aufgestellt werden [7].Als Vorteil solcher Rollen verspricht man

sich dank geringer lokaler Verformungenein leichtes, reibungsarmes Abrollen,während der Radkörper mit seiner gerin-gen Steifigkeit für die erwünschte Dämp-fung und die hohe Nachgiebigkeit sorgt(Bild 4).

Rollen mit theoretischerPunktberührung

Rollen mit konvexem oder konkavemLaufmantelprofil weisen eine zweifache,d.h.räumliche Krümmung der Laufflächeauf. Nebst dem geometriebedingtenKrümmungsradius in Umfangsrichtunghat auch ihre Kontur im Querschnitt eineKrümmung (Bild 2 e und f). Damit berührensich Rolle und Unterlage im unverform-ten Zustand theoretisch nur in einemPunkt. Unter Last stellt sich hier eine Kon-taktfläche mit elliptischem Grundriss ein.Der Fall theoretischer Punktberührungzwischen räumlich gekrümmten Körper-oberflächen wird grundsätzlich durch dieHertzsche Theorie beschrieben: Diese istfür Laufmantelrollen allenfalls zu modifi-zieren, um den Einfluss des Durchmesser-verhältnisses dN/dR von Nabe und Rolle er-fassen zu können.

Die Untersuchungen haben ergeben,dass die Abmessungen der Kontaktellip-se und der maximale Kontaktdruck prak-tisch nicht vom DurchmesserverhältnisdN/dR abhängen und somit anhand derHertzschen Formeln berechnet werdenkönnen. Dagegen macht sich dN/dR beider Abplattung bemerkbar.Zur Erfassungdieses Einflusses ließ sich die HertzscheFormel relativ einfach erweitern, undzwar je separat für das konvexe und daskonkave Profil [9, 10]. Auf deren Wieder-gabe wird hier allerdings aus Platzgrün-den verzichtet.

Theoretische Punktberührung liegtauch vor, wenn der Laufmantel dachartigprofiliert ist (Bild 2g). Solche Profile beste-hen aus zwei symmetrisch zueinander an-geordneten Kegelmantelflächen, wie sie

1,0

0,8

0,6

0,4

0,2

0Achsverschiebung Rollwiderstand

1K-Rolle steif1K-Rolle weich2K-Rolle

Bild 4. Abplattungbzw. Achsverschie-bung und Rollwider-stand der 2K-Rolle imVergleich zur Massiv-rolle mit steifem(POM) bzw. weichem(TPU) Radkörper [7]

© Kunststoffe

Bild 3. Kontaktmechanische Größen an der Laufmantelrollea, b: Halbe Länge der Kontaktfläche in Umfangsrichtung [mm]p0: Maximaler Kontaktdruck [N/mm2]w: Abplattung bzw. Achsverschiebung unter Belastung [mm]

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sich beispielsweise in der Trennebene desSpritzgießwerkzeugs berühren. Trotztheoretischer Punktberührung lässt sichdie Hertzsche Theorie nicht direkt an-wenden, da diese in der Kontaktzone ste-tige Krümmungen voraussetzt. Gleich-wohl schien es naheliegend, der Untersu-chung einen Ansatz zugrunde zu legen,der auf der Hertzschen Theorie aufbaut.Die spezifischen geometrischen Gegeben-heiten der dachartigen Profilierung, diemehr oder weniger rautenförmige Kon-taktflächen erwarten lässt (Bilder 5 und 6),wurden in der Untersuchung durch di-mensionslose Funktionen erfasst. Diesemussten durch Parametervariation rech-nerisch-numerisch und experimentell be-stimmt werden [8]. Entscheidender Pa-rameter ist hier der Anzug bzw. Kegelwin-kel α. Die erarbeiteten Formeln erlaubendie rechnerische Bestimmung der Kon-taktflächengröße, des maximalen Kon-taktdrucks und der Abplattung in weitenGrenzen der variierten Parameter. Siesind durchaus auch auf Fabrikate an-wendbar, die beidseits der Mittelebenenebst einem gewissen Anzug noch eineBalligkeit aufweisen.

Spannungen und Dehnungen

Für die Auslegung der Kunststoffrollenwichtige Größen sind nebst jenen derKontaktmechanik auch die größte posi-tive Dehnung und die Vergleichsspan-nung. Deren Höhe und Ort wurde an-hand der FEM-Analysen bestimmt undversucht, die Abhängigkeiten von denmaßgebenden Parametern festzustellenund wo möglich in Formeln zu fassen. Eszeigte sich, dass bei zylindrischem Lauf-mantel vor allem der Übergangsbereichvon Zylindermantel zu Stirnfläche kri-tisch ist. Bei konvex und konkav ge-krümmtem Laufmantel tritt die größte

Vergleichsspannung nach der Gestaltän-derungsenergiehypothese (GEH) erwar-tungsgemäß in einem gewissen Abstandvon der Kontaktfläche im Innern desLaufmantels auf (Bild 7).

Fazit

Die im Projekt gewonnenen Erkenntnis-se bilden wichtige Grundlagen einer ein-fachen ingenieurmäßigen Auslegung derverschiedenen Rollentypen. Darüber hin-aus vermitteln sie ein klares Bild der kon-taktmechanischen Zusammenhänge undder relevanten Einflussfaktoren. Die erar-beiteten Berechnungsformeln beschrei-ben die komplexen Abhängigkeiten mit

Belastung

1500 N 2500 N500 N

0,25

°0,

5°2°

4°1°

Anzu

gwin

kel

tang

entia

l

axial

Bild 5. Kontaktflächen von dachartig profilierten

Rollen in Abhängigkeitvon Kegelwinkel

und Belastung, mit FEM ermittelt [8]

© Kunststoffe

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gewissen Vereinfachungen, jedoch inner-halb der angegebenen Grenzen mit hin-reichender Genauigkeit. Denn für diePraxis sollen sie einerseits die wesentli-chen Einflüsse erfassen, anderseits aberauch einfach anwendbar sein. So sind bei-spielsweise Abweichungen von der hierzugrunde gelegten Poissonzahl μ = 0,3praktisch durchwegs von vernachlässig-bar geringem Einfluss. Die Formelnknüpfen an die bekannten Beziehungenan, die aus der Hertzschen Theorie derKontaktprobleme abgeleitet sind, undweiten diese auf Laufmantelrollen realis-tischer Ausgestaltung aus. Ihre Gültigkeitbeschränkt sich selbstverständlich auf diejeweils getroffenen Voraussetzungen undIdealisierungen. Sie können überall dorthilfreich sein, wo auf FEM-Rechnungenverzichtet werden soll, so etwa bei ersten

Abschätzungen von Rollendaten, bei Ta-bellenkalkulationen usw.

Weitere aktuelle Fragestellungenbetreffen beispielsweise das Verhaltenzylindrischer Kunststoff-Laufmantelrol-len beim Verkanten, d.h. wenn sie nichtmehr sauber auf der ebenen Unterlageaufliegen, oder die rechnerische Ab-schätzung des Anfahr- bzw. Rollwider-stands von Kunststoffrollen anhandder relevanten kontaktmechanischenGrößen [11]. �

DANK

Die hier vorgestellten Arbeiten sind Teil des For-schungsprojekts „Grundlagen für die Auslegung von

Kunststoffkonstruktionen“. Für dessen Förderungdankt der Verfasser der Gebert Rüf Stiftung, Basel,und dem Forschungsfonds der HSR Hochschule fürTechnik Rapperswil.

LITERATUR

1 Schmidt, H.: Rollen aus Hostaform. Verformungs-verhalten und Versagenskriterien. Konstruktion 25(1973) 6, S. 211–219

2 Kunze, G.: Rollpaarung Plast – Stahl: Empfehlungzur Dimensionierung. Plaste und Kautschuk 25(1978) 9, S. 527–532

3 Grothe, K.-H.; Feldhusen, J. (Hrsg.): Dubbel – Taschenbuch für den Maschinenbau. Springer Verlag Berlin, 22. Aufl., 2007

4 Kunz, J.; De Maria, E.: Die Abplattung im Kontakt-problem paralleler Zylinder. Forschung im Ingeni-eurwesen 67 (2002) 4, S. 146–156

5 Kunz, J.: Kontaktmechanik zylindrischer Kunst-stoff-Laufmantelrollen. Kunststoffe-Synthetics 52(2005) 6, S. 19–22

6 Kunz, J.; Studer, M.: Zylindrische Laufmantelrollemit partieller Abstützung. Kunststoffe-Synthetics53 (2006) 1, S. 18–21

7 Kunz, J.; Studer, M.: Neuartige 2K-Laufrollen undihre Kontaktmechanik. SwissPlastics 30 (2008) 3,S. 17–20

8 Kunz, J.; Holzinger, M.: Kunststoffrollen mit dach-artigem Laufmantelprofil. Kunststoffe-Synthetics53 (2006) 11, S. 24–27

9 Kunz, J.; Bürzle, W.; Studer, M.: Kontaktmechanikballiger Kunststoff-Laufmantelrollen. Swiss-Plastics 29 (2007) 6, S. 31–34

10 Kunz, J.; Bürzle, W.: Kontaktmechanik konkaverKunststoff-Laufmantelrollen. SwissPlastics 30(2008) 9, S.17–20

11 Kunz, J.; Studer, M.: Rollwiderstand von Laufrollen.SwissPlastics 31 (2009) 10, S. 71/72 und 75/76

DER AUTOR

PROF. DIPL.-ING. JOHANNES KUNZ, geb. 1940,Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbei-tung (IWK) an der HSR Hochschule für Technik Rap-perswil, Schweiz; [email protected]

SUMMARY

DESIGNING ROLLERS DUE TOCONTACT MECHANICSJACKETED ROLLERS. New computational methods makeit possible to design slowly moving plastic-jacketed rol-lers or similar rollers subject to a static load moreaccurately and reliably. The approach involves relative-ly simple equations for an engineering calculation ofthe major contact mechanical variables for these rol-lers as a function of the most important geometric andmaterial parameters.

Read the complete article in our magazine Kunststoffe international and on www.kunststoffe-international.com

Bild 6. Kontaktfläche einer dachartig profilier-ten Rolle: Kohlepapier-Abdruck als experimen-telles Ergebnis, digital-optisch ausgewertet [8]

Bild 7. Zone maximaler Vergleichsspannung imInnern des Laufmantels [10]

F:EC:EL: EV:a: a:b:b:dG:dN:dR:l:la:p0:r:rQ:r1:r2:s:w:w0:α:α:

Verwendete Zeichen und Symbole:!

Radiale RollenlastKriechmodul des Kunststoff-LaufmantelsElastizitäts- bzw. Kriechmodul der UnterlageVergleichs-ElastizitätsmodulFasenlängeGroße Halbachse der KontaktellipseKleine Halbachse der KontaktellipseHalbe Breite der rechteckigen KontaktflächeGrenzdurchmesserNabendurchmesserRollendurchmesserRollenbreiteLaufflächenbreite (Auflagelänge)Maximaler KontaktdruckRundungsradiusKrümmungsradius in QuerrichtungProfilradius der RolleRadius der UnterlageBreite der AbstützungAbplattungAbplattung des vollen, homogenen ZylindersFasenwinkelAnzug des Laufmantelprofils (Kegelwinkel)

[N][N/mm2][N/mm2][N/mm2][mm][mm][mm][mm][mm][mm][mm][mm][mm][N/mm2][mm][mm][mm][mm][mm][mm][mm][rad bzw. °][rad bzw. °]

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