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kurier.at FORUM Montag I 31. August 2015 22 Der schreckliche Todeskampf im Lkw Ein Schlepper hat seinen Lastwagen versperrt und ist weggegangen. 71 Menschen, die bei uns Asyl finden wollten, erstickten. Todesfalle Die offene Grenze zwischen Österreich und Ungarn wur- de zur Todesfalle für mehr als 70 Flüchtlinge, weil Schlep- per diese Situation für ihre Zwecke ausnützten. Am Donnerstagvormittag auf der Ostautobahn, zwi- schen dem burgenländi- schen Neusiedl und Parn- dorf, wurden in einem abge- stellten Lkw mehr als 70 Flüchtlinge tot aufgefunden. Die vermutlich aus Syrien stammenden Menschen dürften einen schrecklichen Tod erlitten haben. Welche Kreaturen sind diese Schlep- per, die Menschen schlechter als Vieh behandeln? Bei einer Fahrzeugkontrolle an der österreichisch-ungari- schen Grenze hätte dieser tragische Vorfall in Burgen- land nicht so passieren kön- nen und der Schlepper wäre gefasst worden. Zumindest hätte man dieses schwere Verbrechen früher entdeckt. Sicher bedarf es einer euro- päischen Lösung, und der Plan von Außenminister Kurz ist ein brauchbarer Ansatz, aber bis die ersten Schritte eingeleitet sind, wird noch viel Zeit vergehen. Österreich kann nicht wie die Maus vor der Schlange erstarren und nichts machen. Um eine rechtsstaatliche Ordnung wieder zu erlangen, sind bis auf weiteres die Grenzüber- gänge zu Ungarn streng zu kontrollieren. Innerhalb der EU können sich die Schlepper fast frei bewe- gen, das hat mit Reisefreiheit und Menschenrechte nichts zu tun. Heute sind es Schlep- per, morgen Terroristen. Kurt Gärtner 4600 Wels Bankrotterklärung Die Asylsituation mit all ihren katastrophalen Einzelheiten ist eine Bankrotterklärung für die österreichische Regie- rung - und hier an vorderster Front für die Empfangsdame Österreichs, wie sie unlängst so treffend genannt wurde. Und nun noch über 70 Tote in einem Lkw im Burgenland. Elend verreckt und stehen ge- lassen. Welches Leid und welch schrecklicher Todes- kampf ist diesem Drama vor- ausgegangen? Und der einzige Kommentar der Frau Minister ist, man müsse die Schlepper mehr kontrollieren. Österreich hatte schon Minister, die we- gen weniger Unfähigkeit ab- gesetzt wurden. Wie lange muss Österreich diese Frau noch ertragen? Ich hoffe, Er- win Pröll wird nicht Bundes- präsident und macht seine Drohung wahr, Johanna Mikl-Leitner zu seiner Nach- folgerin zu machen. Das wäre ein Desaster für Niederösterreich. Ich denke, sie hat schon genug irrepara- blen Schaden angerichtet. Margarethe Harfmann per eMail Verlogener Kampf Keine Frage: Schlepper, die Not und Elend von armen Menschen ausnützen, han- deln unmoralisch und krimi- nell. Aber der allseits propa- gierte „Kampf gegen das Schlepperunwesen“ ist ein politisches, mediales und stammtischiges Ablenkungs- manöver. Denn nach dem Prinzip man schlägt den Sack und meint Esel, richtet sich die Aggression nur vorder- gründig gegen die kriminel- len Schlepper; in Wahrheit geht es um die Angst vor den vielen Fremden. Wagen wir ein Gedankenex- periment. Nehmen wir an, allseits anerkannte karitative Organisationen würden die Funktion von „Fluchthel- fern“ – so positiv wurden üb- rigens Schlepper genannt, die einst Ostdeutsche in den Westen schleusten über- nehmen. Glaubt wirklich jemand, dass sich Caritas, SOS-Mitmensch oder andere NGOs damit Freunde machen würden? Im Gegenteil. Je humaner und professioneller die NGOs arbeiten würden, desto mehr Menschen aus Afrika und dem Nahen Osten könnten sich die Flucht leisten bzw. würden das dann kleinere Ri- siko eher in Kauf nehmen. Ich bin mir gar nicht sicher, ob es angesichts der Dutzenden Toten im Burgenland nicht hierzulande auch „Men- schen“ gibt, die sich insge- heim sogar darüber freuen. Immerhin könnte dieses Mas- sensterben ja vielleicht ab- schreckend wirken! Also sei- en wir doch ehrlich: Die Aufrüstung mit Worten und Mitteln dient nicht pri- mär dem Kampf gegen das Schlepperunwesen, sondern gegen die Unwesen Flüchtlin- ge. Dan Berger 1130 Wien BERNAL REVERT REDAKTIONELLE LEITUNG CHRISTIAN BARTOS LIEBE LESERINNEN UND LESER ! IHRE MEINUNG IST UNS WICHTIG. SCHREIBEN SIE AN DEN KURIER. Anschrift: KURIER Leopold-Ungar-Platz 1, A-1190 Wien oder per eMAIL an [email protected] oder besuchen Sie unsere Homepage www.kurier.at: Registrierte Benutzer können auf KURIER.at aktuelle Berichte kommentieren und teilen. Hinweis: Ihre Zuschriften können sowohl in der Zeitung als auch online veröffentlicht werden. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor. AP / RONALD ZAK a/leser/zylinks - # 22 # - 31.08.2015 gedruckt am 31.08.2015 09:00:35 Gastkommentar ULRIKE LUNACEK Neuer Elan für den Westbalkan Es war zwar nur Teil des Rahmenpro- gramms der Westbal- kan-Konferenz in Wien, doch die Symbol- kraft war stark: In einem Fußballspiel sind Minister des „FC EU“ gegen den „FC Future-EU“ angetreten. Es ging aber um das Gemein- same, das gemeinsame Eu- ropa. Und das ist dringend notwendig. Denn die im EU-Wahlkampf 2014 ge- machte Ansage von Jean- Claude Juncker, in den nächsten fünf Jahren wer- de es keine Erweiterung ge- ben, hat zu massiver Er- nüchterung geführt. „Die EU will uns nicht mehr“, so die Wahrnehmung in den sechs Balkanländern. Die EU muss jetzt die „Reset“-Taste drücken. Denn die Integration der Westbalkanländer ist der Friedensauftrag der EU, gerade auch in Zeiten der größten Flüchtlingskrise, die auch diese Westbalkan- Konferenz dominiert hat und die die EU mit den Mit- gliedstaaten zu bewältigen hat. Junge Menschen brau- chen eine Perspektive – in ihrer Heimat. Trotz aller hausge- machten Probleme in den sechs Staaten liegt mir dar- an, auf Versäumnisse und Blockaden seitens der EU und ihrer Mitgliedstaaten hinzuweisen. Balkangipfel wie der in Wien sind mit ihrem Jugendaustausch- projekt gute Initiativen; sie müssen aber vor Ort Erfol- ge liefern. Der Gipfel in Wien hat ein starkes Signal gesendet, dass die Integra- tion der sechs Staaten in die EU ein vorrangiges Ziel ist. Jetzt muss die EU-Kommis- sion als Reaktion diesen Prozess vorantreiben. Ich fordere mehr Druck vonseiten der Mitglied- staaten auf jene fünf EU- Ulrike Lunacek ist Grüne Vizepräsidentin und Kosovo-Berichterstatterin des Europaparlaments. Staaten, die den Kosovo bis heute nicht anerkennen, sowie auf Griechenland, im Namensstreit mit Maze- donien endlich einzulen- ken. Und: Kosovarinnen und Kosovaren müssen endlich wie alle anderen Menschen in der Region frei für drei Monate in die EU reisen dürfen, und sich nicht mehr eingesperrt fühlen müssen – das redu- ziert auch die Asylanträge. Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit müs- sen vor falsch verstandener Stabilität stehen: Politi- sche Wechsel sind Essenz der Demokratie; sie dürfen nicht infrage gestellt wer- den durch politische Inter- ventionen zugunsten der Regierenden, weil man sie „schon kennt“ oder sie zur eigenen politischen Fami- lie gehören. Ein faires Spiel So wie für die EU braucht es einen Green New Deal für den Balkan: Investitionen in erneuerbare Energien und Energie-Effizienz – da gibt’s Jobs! – statt Hilfen für neue Kohlekraftwerke. Au- ßerdem: Jugendaus- tausch, regionale Aufarbei- tung der Geschichte, Un- terstützung von Frauenor- ganisationen, wie dem Ko- sovo Women’s Network durch die Austrian De- velopment Agency (ADA) oder „Follow Us“, der koso- varisch-serbischen Parla- mentarierinnen-Initiative durch die OSZE. Geht auch nach dieser Wiener Konfe- renz alles weiter wie bisher, läuft „die EU“ Gefahr, die Menschen der Region an religiöse und/oder natio- nalistische Extremisten zu verlieren. Dem Anpfiff in Wien muss ein faires Spiel folgen. Wenn EU und Fu- ture-EU auf Sieg spielen, gewinnen alle. KURIER Leserbriefe Dieser Lastwagen wurde zwischen Parndorf und Neusiedl für 71 Flüchtlinge zur Todesfalle

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k u r i e r . a tFORUM Montag I 31. August 2015

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Der schreckliche Todeskampf im Lkw

Ein Schlepper hatseinen Lastwagenversperrt und istweggegangen. 71Menschen, die beiuns Asyl findenwollten, erstickten.

TodesfalleDie offene Grenze zwischenÖsterreich und Ungarn wur-de zur Todesfalle für mehr als70 Flüchtlinge, weil Schlep-per diese Situation für ihreZwecke ausnützten.Am Donnerstagvormittagauf der Ostautobahn, zwi-schen dem burgenländi-schen Neusiedl und Parn-dorf, wurden in einem abge-stellten Lkw mehr als 70Flüchtlinge tot aufgefunden.Die vermutlich aus Syrienstammenden Menschendürften einen schrecklichenTod erlitten haben. WelcheKreaturen sind diese Schlep-per, die Menschen schlechterals Vieh behandeln?Bei einer Fahrzeugkontrollean der österreichisch-ungari-schen Grenze hätte diesertragische Vorfall in Burgen-land nicht so passieren kön-nen und der Schlepper wäregefasst worden. Zumindesthätte man dieses schwereVerbrechen früher entdeckt.Sicher bedarf es einer euro-päischen Lösung, und derPlanvonAußenministerKurzist ein brauchbarer Ansatz,aber bis die ersten Schritteeingeleitet sind, wird nochvielZeitvergehen.Österreichkann nicht wie die Maus vorder Schlange erstarren undnichts machen. Um eine

rechtsstaatliche Ordnungwieder zu erlangen, sind bisauf weiteres die Grenzüber-gänge zu Ungarn streng zukontrollieren.InnerhalbderEUkönnensichdie Schlepper fast frei bewe-gen, das hat mit Reisefreiheitund Menschenrechte nichtszu tun. Heute sind es Schlep-per, morgen Terroristen.

Kurt Gärtner4600 Wels

BankrotterklärungDieAsylsituationmitall ihrenkatastrophalen Einzelheitenist eine Bankrotterklärungfür die österreichische Regie-rung - und hier an vordersterFront für die EmpfangsdameÖsterreichs, wie sie unlängstso treffend genannt wurde.Und nun noch über 70 Tote ineinem Lkw im Burgenland.Elendverrecktundstehenge-lassen. Welches Leid undwelch schrecklicher Todes-kampf ist diesem Drama vor-ausgegangen?Und der einzige Kommentarder Frau Minister ist, manmüsse die Schlepper mehrkontrollieren. Österreichhatte schon Minister, die we-gen weniger Unfähigkeit ab-

gesetzt wurden. Wie langemuss Österreich diese Fraunoch ertragen? Ich hoffe, Er-win Pröll wird nicht Bundes-präsident und macht seineDrohung wahr, JohannaMikl-Leitner zu seiner Nach-folgerin zu machen.Das wäre ein Desaster fürNiederösterreich. Ich denke,sie hat schon genug irrepara-blen Schaden angerichtet.

Margarethe Harfmannper eMail

Verlogener KampfKeine Frage: Schlepper, dieNot und Elend von armenMenschen ausnützen, han-deln unmoralisch und krimi-nell. Aber der allseits propa-gierte „Kampf gegen dasSchlepperunwesen“ ist einpolitisches, mediales undstammtischiges Ablenkungs-manöver. Denn nach demPrinzip man schlägt den Sackund meint Esel, richtet sichdie Aggression nur vorder-gründig gegen die kriminel-len Schlepper; in Wahrheitgeht es um die Angst vor denvielen Fremden.Wagen wir ein Gedankenex-periment. Nehmen wir an,allseits anerkannte karitative

Organisationen würden dieFunktion von „Fluchthel-fern“ – so positiv wurden üb-rigens Schlepper genannt,die einst Ostdeutsche in denWesten schleusten – über-nehmen.Glaubt wirklich jemand, dasssich Caritas, SOS-Mitmenschoder andere NGOs damitFreunde machen würden?Im Gegenteil. Je humanerundprofessionellerdieNGOsarbeiten würden, desto mehrMenschen aus Afrika unddem Nahen Osten könntensich die Flucht leisten bzw.würden das dann kleinere Ri-siko eher in Kauf nehmen.Ichbinmirgarnichtsicher,obes angesichts der DutzendenToten im Burgenland nichthierzulande auch „Men-schen“ gibt, die sich insge-heim sogar darüber freuen.ImmerhinkönntediesesMas-sensterben ja vielleicht ab-schreckend wirken! Also sei-en wir doch ehrlich:Die Aufrüstung mit Wortenund Mitteln dient nicht pri-mär dem Kampf gegen dasSchlepperunwesen, sonderngegendieUnwesenFlüchtlin-ge.

Dan Berger1130 Wien

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REDAKTIONELLE LEITUNGCHRISTIAN BARTOS

LIEBE LESERINNEN UND LESER! IHRE MEINUNG IST UNS WICHTIG. SCHREIBEN SIE AN DEN KURIER. Anschrift: KURIER Leopold-Ungar-Platz 1,A-1190 Wien oder per eMAIL an [email protected] oder besuchen Sie unsere Homepage www.kurier.at: Registrierte Benutzer können auf KURIER.at aktuelle

Berichte kommentieren und teilen. Hinweis: Ihre Zuschriften können sowohl in der Zeitung als auch online veröffentlicht werden. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor.

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a/leser/zylinks - # 22 # - 31.08.2015 gedruckt am 31.08.2015 09:00:35

Gastkommentar

ULRIKE LUNACEK

Neuer Elan fürden Westbalkan

Es war zwar nur Teildes Rahmenpro-gramms der Westbal-kan-Konferenz in

Wien, doch die Symbol-kraft war stark: In einemFußballspiel sind Ministerdes „FC EU“ gegen den „FCFuture-EU“ angetreten. Esging aber um das Gemein-same, das gemeinsame Eu-ropa. Und das ist dringendnotwendig. Denn die imEU-Wahlkampf 2014 ge-machte Ansage von Jean-Claude Juncker, in dennächsten fünf Jahren wer-deeskeineErweiterungge-ben, hat zu massiver Er-nüchterung geführt. „DieEU will uns nicht mehr“, sodie Wahrnehmung in densechs Balkanländern.

Die EU muss jetzt die„Reset“-Taste drücken.Denn die Integration derWestbalkanländer ist derFriedensauftrag der EU,gerade auch in Zeiten dergrößten Flüchtlingskrise,die auch diese Westbalkan-Konferenz dominiert hatund die die EU mit den Mit-gliedstaaten zu bewältigenhat. Junge Menschen brau-chen eine Perspektive – inihrer Heimat.

Trotz aller hausge-machten Probleme in densechs Staaten liegt mir dar-an, auf Versäumnisse undBlockaden seitens der EUund ihrer Mitgliedstaatenhinzuweisen. Balkangipfelwie der in Wien sind mitihrem Jugendaustausch-projekt gute Initiativen; siemüssen aber vor Ort Erfol-ge liefern. Der Gipfel inWien hat ein starkes Signalgesendet, dass die Integra-tiondersechsStaatenindieEU ein vorrangiges Ziel ist.JetztmussdieEU-Kommis-sion als Reaktion diesenProzess vorantreiben.

Ich fordere mehr Druckvonseiten der Mitglied-staaten auf jene fünf EU-

Ulrike Lunacek ist Grüne Vizepräsidentin undKosovo-Berichterstatterin des Europaparlaments.

Staaten, die den Kosovo bisheute nicht anerkennen,sowie auf Griechenland,im Namensstreit mit Maze-donien endlich einzulen-ken. Und: Kosovarinnenund Kosovaren müssenendlich wie alle anderenMenschen in der Regionfrei für drei Monate in dieEU reisen dürfen, und sichnicht mehr eingesperrtfühlen müssen – das redu-ziert auch die Asylanträge.

Demokratisierung undRechtsstaatlichkeit müs-senvorfalschverstandenerStabilität stehen: Politi-sche Wechsel sind Essenzder Demokratie; sie dürfennicht infrage gestellt wer-den durch politische Inter-ventionen zugunsten derRegierenden, weil man sie„schon kennt“ oder sie zureigenen politischen Fami-lie gehören.

Ein faires SpielSowiefürdieEUbrauchteseinen Green New Deal fürden Balkan: Investitionenin erneuerbare Energienund Energie-Effizienz – dagibt’sJobs!–stattHilfenfürneue Kohlekraftwerke. Au-ßerdem: Jugendaus-tausch,regionaleAufarbei-tung der Geschichte, Un-terstützung von Frauenor-ganisationen, wie dem Ko-sovo Women’s Networkdurch die Austrian De-velopment Agency (ADA)oder „Follow Us“, der koso-varisch-serbischen Parla-mentarierinnen-Initiativedurch die OSZE. Geht auchnach dieser Wiener Konfe-renzallesweiterwiebisher,läuft „die EU“ Gefahr, dieMenschen der Region anreligiöse und/oder natio-nalistische Extremisten zuverlieren. Dem Anpfiff inWien muss ein faires Spielfolgen. Wenn EU und Fu-ture-EU auf Sieg spielen,gewinnen alle.

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Dieser Lastwagen wurde zwischen Parndorf und Neusiedl für 71 Flüchtlinge zur Todesfalle