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ANZEIGE Am kreiskolbenförmigen Holz- tisch des Clubhauses von Kurt Hofstetter, dem Garagisten mit Mazda-Vertretung, sind gleich mehrere Koryphäen der einst blühenden Wankelszene ver- sammelt. Sie alle haben natür- lich gehörig Benzin im Blut. Doch damit nicht genug: aus- serdem weisen ihre roten Blut- körperchen nämlich Kreiskol- benform auf. NSU- und Mazda-Freunde haben sich unter dem gemein- samen Wankeldach gefunden. In separaten Clubs organisiert, teilen sie die Freude am Wan- kelmotor und treffen sich regel- mässig zu geselligen Anlässen, natürlich immer begleitet von technischen Fachsimpeleien. Lauter rotierende Teile Überzeugt von der Idee der kreisenden Scheibe, die an Stel- le von stampfenden Kolben für Drehmoment sorgen sollte, ge- lang es Felix Wankel zu Beginn der 50er-Jahre, im Kreis der so- wieso innovationsfreudigen NSU-Ingenieure für Begeiste- rung zu sorgen. Soviel Begeiste- rung, dass man sich in Neckar- sulm entschied, den neuarti- gen Motor zur Serienreife zu bringen. Und nachdem Wan- kels revolutionärer Rotations- kolbenmotor im Frühjahr 1957 in modifizierter Ausführung seinen ersten Testlauf auf dem Prüfstand erfolgreich hinter sich gebracht hatte, hielten nicht nur die am Versuch betei- ligten NSU-Motorenentwickler die neue Maschine für eine wegweisende Alternative zum schon damals betagten Hub- kolbenmotor. Voller Enthusias- mus machten sie sich daran, das erste Auto auf die Strasse zu bringen. NSU Prinz als Vorreiter Die Ehre, das erste mit Wankel- motor ausgestattete Strassen- fahrzeug zu sein, fiel im Jahr 1960 dem NSU Prinz zu. Sein 250-cm 3 -Motor sorgte mit ex- Vor 50 Jahren hatte der Wankel-Motor seinen ers- ten Auftritt, in den 60er-Jahren wurde er vor- übergehend zum Star, heute fristet er ein Schat- tendasein. Aber: Er ist noch immer da – und hätte durchaus Entwicklungspotenzial. STEPHAN HAURI trem hohen Drehzahlen von bis zu 13000/min und vorher nicht gekannter Laufruhe bei den Testfahrern für Furore. Dem drei Jahre später lancierten ers- ten Serienmodell mit Wankel- Triebwerk, dem von Bertone entworfenen Spider, blieb je- doch ein grosser kommerzieller Erfolg versagt. Offenbar wäre mit einer «ausgewachsenen» Limousine mehr Verkaufs- potenzial vorhanden gewesen. Dass das vollständig neue Motorenkonzept aber Entwick- lungsingenieure aller Ausrich- tungen interessierte, zeigte die lange Liste der Unternehmen der ersten Stunde, die Lizenz- verträge unterzeichen wollten: Nach Curtiss Wright und Fich- tel & Sachs waren darunter so bekannte Automobil- und Mo- torenhersteller wie Toyo Kogyo (nach 1984 besser bekannt als Mazda), Daimler-Benz, Alfa Romeo, Porsche, Perkins, Klöckner Humboldt Deutz und Krupp. Allerdings beschränkte sich die Baugrösse eines Wankel- Motors nicht auf Personenwa- gendimensionen: Modellbauer rüsteten kleine Flugzeuge mit Kreiskolbenmotoren aus, Kom- pressorenspezialist Ingersoll Rand baute einen erdgasbetrie- benen 41-L-Zweischeibenmo- tor, dessen 1100 PS Maximal- leistung dem Antrieb schwerer Kompressoren zur Rohölförde- rung dienten. Daneben trieb der Wankel- Motor auch Motorräder, Boote, Motorschlitten, Rasenmäher, Motorsägen und Go-Karts an. Den neusten Auftritt hatte er in Gestalt einer Briefmarke: Das 1.45--Wertzeichen für Post- sendungen aus Deutschland ist dem 50-Jahre-Jubiläum gewid- met. Darauf dargestellt sind ein schematisierter Schnitt durch den Motor sowie ein Ro 80. Musterknabe Ro 80 Die grosse Wankel-Sensation und gleichzeitig auch eine klei- ne Revolution im Automobil- bau allgemein verkörperte der NSU Ro 80, der 1967 auf der Frankfurter IAA Premiere feier- te (vgl. Fahrbericht Seite 27). Die Messebesu- cher strömten in Massen auf den NSU-Stand, die Zeitung mit den vier grossen Buch- staben vermutete gar, NSU könnte mit die- sem Fahrzeug «die deut- sche Auto-Ehre retten», und selbst «der Spiegel» rückte dieVerdienste des Erfinders Fe- lix Wankel mit Titelbild und grosser Story ins Rampenlicht. Der Ro 80 war schon bald der unangefochtene Star der auto- mobilen Avantgarde. Technik- freaks konnten sich seiner Anzie- hungs- kraft kaument- ziehen, Prominen- te querbeet schmückten sich gerne mit dem beispiel- haft fortschrittlichen und auf alle Fälle PR-wirksamen Fahr- zeug. Film-, Fernseh- und Sport- grössen der Epoche wie Erik Ode, Dieter Borsche, Wim Tho- elke und Bubi Scholz liebten es, mit den «wankelnden» Fahr- zeugen abgelichtet zu werden. Nicht weiter überraschend ist deshalb auch, dass es in Ne- ckarsulm schon bald auch eine Felix-Wankel-Strasse gab. Vom DKM zum KKM In den Anfängen entwickelte Wankel Drehschieber, die an Stelle der konventionellen Ein- und Auslassventile die Gas- wechsel des Hubkolbenmotors steuerten. Damit waren zwar deutlich höhere Drehzahlen realisierbar, doch traten im Au- tomobilbereich schwerwiegen- de thermische Probleme auf, die sich nur in Flugmotoren lö- sen liessen. Wankels Originalmo- tor, der 1954 noch ein ver- gleichsweise komplizier- ter Drehkol- benmotor (DKM) mit vielen Teilen war, ver- wandelten die NSU-Ingenieure unter der Leitung von Hanns Dieter Paschke in den Kreiskol- benmotor (KKM), wie er auch heute noch bei Mazda, aber auch in diversen Entwicklings- abteilungen funktioniert. Im Wesentlichen wurde bei die- sem Schritt der Aussenläufer «stillgelegt», also mit dem Mo- torgehäuse unverschiebbar verbunden. Deshalb musste in dieser Anordnung der Mittel- punkt des Innenläu- fers kreisen, da- mit die für das 4-Takt-Arbeits- prinzip notwen- dige veränderli- chen Räume erzeugt werden konnten. Wankel jedoch hatte keine Freude an dieser Weiterentwicklung des Automobilbauers. In seinen Au- gen war da- mit «aus dem Renn- pferd ein Ackergaul» ge- worden. Allerdings drängte sich diese techni- sche Verände- rung wohl als Notwendig- keit auf, um den Motor über- haupt se- rienproduktions- fähig zu machen. Mit dieser Weiterentwicklung der NSU-Leute gingen Ende 1957 die Abkehr Wan- kels und die Gründung der «Wankel GmbH» einher. Laufruhig, durstig Es fällt nicht schwer, eine Liste der Vorteile des Wankel- Motors zu erstellen: Das Aggre- gat ist leicht, platzsparend, ar- beitet vibrationsarm und dreht fast so mühelos wie ein Elektro- motor. Gegenüber einem leis- tungsgleichen Hubkolbenmo- tor darf mit einer Gewichtsver- ringerung von etwa 33% und ei- nem um praktisch die Hälfte reduzierten Raumbedarf ge- rechnet werden. Aber natürlich fehlt es auf der Negativseite ebenfalls nicht an Erwähnenswertem: In sei- nen frühen Ausführungen hat sich «derWankel» den Ruf eines Problemmotors eingehandelt, weil er von Startschwierigkei- ten, Zündungsproblemen und vorzeitigemVerschleiss (Ratter- spuren, defekte Dichtleisten) geplagt wurde und ausserdem eine auffallende Drehmoment- schwäche sowie – vor allem – einen nicht gerade bescheide- nen Benzinverbrauch aufwies. Die meisten Nachteile konnten mit der Weiterentwicklung des Aggregates behoben werden. Neben den erwähnten Li- zenznehmern beschäftigten sich im Laufe der Jahre auch Citroën, Mercedes-Benz, Nis- san, General Motors und natür- lich Mazda mit dem Wankel- Aggregat. Als aufsehenerregen- de Vertreter der Drehmaschi- nenkategorie könnten der Citroën GS Birotor, der Merce- des C111, der Chevrolet Cor- vette Z-Rotor und natürlich der Mazda Cosmo 110 Sport ge- nannt werden. Vielen Herstellern gab die Erdölkrise der ersten Hälfte der 70-Jahre den Rest. Sie wandten sich vom rotierenden Arbeits- prinzip ab, das ihnen beson- ders hinsichtlich Treibstoffver- brauch und Abgasqualität im- mer grössere Sorgen zu berei- ten drohte. Da versprach der weniger risiokobehaftete Weg mit dem Hubkolbenmotor in technischer und wirtschaftli- cher Hinsicht schnellere und nachhaltigere Erfolge. Der in Kennerkreisen legen- däre KKM 871, der den weiter- entwickelten Ro 80, aber auch den Audi 100 und eventuell den Citroën CX antreiben sollte, wurde mit seitlicher Beatmung und zwei 750-cm 3 -Kammern für Höchstleistungen bis rund 200 PS ausgelegt. Von VW wur- de der Motor aber aus Kosten- gründen auf Eis gelegt. Mazda weiter am Ball So ist heute Mazda der letzte verbliebene Autohersteller, der den Kreiskolbenmotor weiter- entwickelt. Mit der nun eben- falls 40-jährigen Erfahrung im Bau von Serienfahrzeugen die- ser Antriebsform und selbst- verständlich mit dem 1991er Le-Mans-Sieg im Palmares ste- hen die Japaner als anerkannte Kreiskolbenspezialisten da. Und dass das Thema Wankel- Motor dort ernst genommen wird, belegt die Entwicklungs- arbeit an der wasserstoffbetrie- benen Version dieses Aggrega- tes (vgl. «Wankel lebt weiter !»). Zwar hat die technische Wei- terentwicklung dem Wankel- Motor in fast allen Belangen zu einem hohen Technikniveau verholfen, doch wird er trotz- dem seinen Exotenstatus be- halten. Dankwart Eiermann, der mit dem Kreiskolbenmotor so vertraut ist wie nur wenige Zeitgenossen, sieht den ver- fehlten Durchbruch dieses Prinzips durchaus pragma- tisch: «Eigentlich hat es ihn im Automobilbau halt einfach nie wirklich gebraucht, weil der konventionelle Verbrennungs- motor dort schon auf einem sehr hohen Niveau war.» Natür- lich sehen das noch heute viele Fans ein bisschen anders. Mazda ist heute der einzige Auto- hersteller, der den Kreiskolben- motor in einem Serienauto instal- liert. Allerdings ist zu bemerken, dass sich der Motor des RX-8 auf einem hohen Entwicklungsni- veau befindet, das heisst, dass praktisch sämtliche Schwächen der ersten Generationen ausge- merzt werden konnten. Im Wei- teren setzt Mazda grosse Hoff- nungen in die Weiterentwicklung des Triebwerkes in Richtung Wasserstoffbetrieb. Erprobungs- fahrzeuge des Typs RX-8 Rotary Hydrogen mit bivalentem Ben- zin-Wasserstoff-Motor sind be- reits auf der Strasse. Aber auch andernorts wird der Wankel-Motor weiterentwickelt. Bei der Wankel Supertec GmbH in Cottbus widmet sich Entwick- lungschef und CEO Dankwart Ei- ermann mit einem 12-köpfigen Team einer neuen, modular auf- gebauten Turbomotorenfamilie in 1- bis 4-Rotor-Bauweise. Cha- rakteristisch für diese Triebwer- ke, die – zumindest vorläufig – nicht in Autos zum Einbau kom- men werden, sind die Common- Rail-Direkteinspritzung sowie die zusätzliche Fremdzündung, spe- ziell ausgelegt für den Betrieb mit unterschiedlichen Treibstoffen – von Diesel/Biodiesel über Ben- zin/Kerosin bis Gas. Mit dieser Baureihe sollen sich Leistungen bis gegen 400 kW (über 500 PS) realisieren lassen. «Der erste Komplettmotor in 1-Rotor-Ausführung», berichtet Wankel-Routinier Eiermann, «lief schon Anfang 2006 auf dem Prüfstand und befindet sich seit- her in der Entwicklung mit allen notwendigen Schritten für eine Optimierung.» In kleinen Flugzeugen könnte der Kreiskolbenmotor ebenfalls ein gutes Einsatzfeld finden. Jeden- falls beschäftigt sich die im Jahr 2001 gegründete Genfer Firma Mistral Engines zusammen mit Hochschulinstituten und Indust- riepartnern mit der Verfeinerung des Wankel-Motors. Als Lizenznehmerin betreibt die US-amerikanische Firma L-3 Communications Combat Propul- sion Systems ein eigenes Weiter- entwicklungsprogramm für den Kreiskolbenmotor in speziellen Anwendungen. SHA INSIDE Im Kreisverkehr Wankel lebt weiter ! Felix, der Glückliche Der 1902 in Lahr geborene, 86 Jahre später in Heidelberg ge- storbene Felix Wankel hat wäh- rend der 50er- und 60er-Jahre in Motorenbauerkreisen für reichlich Wirbel gesorgt. 1951 gründete er die Techni- sche Entwicklungsstelle Lin- dau und widmete sich dort der Idee vom Motor, der aus- schliesslich aus drehenden Tei- len bestand. Den herkömmli- chen Hubkolbenmotor hielt er für eher primitiv und nannte ihn deshalb Schüttelhuber. Obwohl der gelernteVerlags- kaufmann kein promovierter Ingenieur war – den «Dr. Ing.» erhielt er 1969 von der TH Mün- chen ehrenhalber –, gelang es ihm und einem Team von Tech- nikern, «seinen Rotationskol- benmotor» zu realisieren. NSU- und Mazda-Ingenieure brach- ten den Motor schliesslich in Serienautos. Dies zum Techniker Wankel. Vom Menschen Wankel wissen die bestandenen Mannen des Ro-80-Clubs, aber auch die Techniker, die inWankels klei- ner, aber feiner Entwicklungs- firma angestellt waren, die eine oder andere Anekdote zu er- zählen. Etwa dass er in seinem – selbstverständlich nach eige- nen Plänen entstandenen – Pri- vathaus in Gstaad zum Teil glä- serne Bodenplatten einsetzte, die dem Tageslicht erlaubten, das Haus zu durchfluten und ausserdem manche interessan- te Perspektive auf Besucher im oberen Stock eröffnete. Wankel, übrigens bekennen- der Tierfreund und -schützer, trat stets in perfekter Kleidung an die Öffentlichkeit. Eine Kra- watte fehlte selten, erzählen seine früheren Mitarbeiter, ein Anzug nie. Hans-Peter Lang, der Präsident des NSU-Ro-80- Clubs der Schweiz, berichtet, Wankels Gang sei «aufrecht wie ein Caran-d’Ache-Bleistift» ge- wesen. Dass Felix Wankel nie einen Führerschein besass und er- wiesenermassen auch nie Auto fahren gelernt hatte, hinderte ihn nicht daran, dem Fahrer vom Beifahrersitz aus genaue Fahranweisungen zu geben. Hans Portele, ehemaliger Be- triebsleiter im Werk Lindau, er- innert sich mit einem Grinsen an solche Fahrten. Ebenfalls nur als Beifahrer erlebte Wankel deshalb die Fahrten mit seinem Mercedes SL, in den er 1972 einen 4- Scheiben-Rotationskolbenmo- tor mit Bosch-Einspritzung in- stallieren liess. Mit der Leistung von 320 PS konnte das Auto, das gegenüber der Basisversion rund 60 Kilogramm leichter war, in für jene Zeiten bemer- kenswerten 6,9 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 be- schleunigt werden. SHA 18. JULI 2007 AUTOMOBIL REVUE NR. 29 DRIVE STYLE 25 24 DRIVE STYLE 18. JULI 2007 AUTOMOBIL REVUE NR. 29 Aktuell von Wankel Supertec: 2-Scheiben-Motor für Dieselbetrieb. Mazdas Prototyp RX-8 Hydrogen RE läuft wahlweise mit Benzin oder Wasserstoff. Mit zwei Turbos: 280-PS-Motor des 1990er Mazda Eunos Cosmo. Wankel-Aggregat im Suzuki-Motorrad. (Fotos: Patrick Corminbœuf) Sammlung Hofstetter: fast alle Schweizer Wankel-Fahrzeuge. Vertreter der Wankel-Gemeinde, am Kreiskolbentisch versammelt. Fans erkennt man an Details. Kreiskolben an jeder Ecke. Felix Wankel (l.) mit Mazda- Chairman Kenichi Yamamoto. Nach den Anfängen in Fahrzeu- gen von NSU wurde der Wankel-Motor vor allem von Mazda weitergepflegt. (Foto: Werk)

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Page 1: Layout ar-24/drive style/A2/workflow2 - Mazda Rotarymazda-rotary.ch/files/87199_wankelmotor.pdf · Wankel, übrigens bekennen-der Tierfreund und -schützer, trat stets in perfekter

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Am kreiskolbenförmigen Holz-tisch des Clubhauses von KurtHofstetter, dem Garagisten mitMazda-Vertretung, sind gleichmehrere Koryphäen der einstblühenden Wankelszene ver-sammelt. Sie alle haben natür-lich gehörig Benzin im Blut.Doch damit nicht genug: aus-serdem weisen ihre roten Blut-körperchen nämlich Kreiskol-benform auf.

NSU- und Mazda-Freundehaben sich unter dem gemein-samen Wankeldach gefunden.In separaten Clubs organisiert,teilen sie die Freude am Wan-kelmotor und treffen sich regel-mässig zu geselligen Anlässen,natürlich immer begleitet vontechnischen Fachsimpeleien.

Lauter rotierende Teile

Überzeugt von der Idee derkreisenden Scheibe, die an Stel-le von stampfenden Kolben fürDrehmoment sorgen sollte, ge-lang es Felix Wankel zu Beginnder 50er-Jahre, im Kreis der so-wieso innovationsfreudigenNSU-Ingenieure für Begeiste-rung zu sorgen. Soviel Begeiste-rung, dass man sich in Neckar-sulm entschied, den neuarti-gen Motor zur Serienreife zubringen. Und nachdem Wan-kels revolutionärer Rotations-kolbenmotor im Frühjahr 1957in modifizierter Ausführungseinen ersten Testlauf auf demPrüfstand erfolgreich hintersich gebracht hatte, hieltennicht nur die am Versuch betei-ligten NSU-Motorenentwicklerdie neue Maschine für einewegweisende Alternative zumschon damals betagten Hub-kolbenmotor. Voller Enthusias-mus machten sie sich daran,das erste Auto auf die Strasse zubringen.

NSU Prinz als Vorreiter

Die Ehre, das erste mit Wankel-motor ausgestattete Strassen-fahrzeug zu sein, fiel im Jahr1960 dem NSU Prinz zu. Sein250-cm3-Motor sorgte mit ex-

Vor 50 Jahren hatte der Wankel-Motor seinen ers-ten Auftritt, in den 60er-Jahren wurde er vor-übergehend zum Star, heute fristet er ein Schat-tendasein. Aber: Er ist noch immer da – und hättedurchaus Entwicklungspotenzial.

■ STEPHAN HAURI trem hohen Drehzahlen von biszu 13000/min und vorher nichtgekannter Laufruhe bei denTestfahrern für Furore. Demdrei Jahre später lancierten ers-ten Serienmodell mit Wankel-Triebwerk, dem von Bertoneentworfenen Spider, blieb je-doch ein grosser kommerziellerErfolg versagt. Offenbar wäremit einer «ausgewachsenen»Limousine mehr Verkaufs-potenzial vorhanden gewesen.

Dass das vollständig neueMotorenkonzept aber Entwick-lungsingenieure aller Ausrich-tungen interessierte, zeigte dielange Liste der Unternehmender ersten Stunde, die Lizenz-verträge unterzeichen wollten:Nach Curtiss Wright und Fich-tel & Sachs waren darunter sobekannte Automobil- und Mo-torenhersteller wie Toyo Kogyo(nach 1984 besser bekannt alsMazda), Daimler-Benz, AlfaRomeo, Porsche, Perkins,Klöckner Humboldt Deutz undKrupp.

Allerdings beschränkte sichdie Baugrösse eines Wankel-Motors nicht auf Personenwa-gendimensionen: Modellbauerrüsteten kleine Flugzeuge mitKreiskolbenmotoren aus, Kom-pressorenspezialist IngersollRand baute einen erdgasbetrie-benen 41-L-Zweischeibenmo-tor, dessen 1100 PS Maximal-leistung dem Antrieb schwererKompressoren zur Rohölförde-rung dienten.

Daneben trieb der Wankel-Motor auch Motorräder, Boote,Motorschlitten, Rasenmäher,Motorsägen und Go-Karts an.Den neusten Auftritt hatte er inGestalt einer Briefmarke: Das1.45-€-Wertzeichen für Post-

sendungen aus Deutschland istdem 50-Jahre-Jubiläum gewid-met. Darauf dargestellt sind einschematisierter Schnitt durchden Motor sowie ein Ro 80.

Musterknabe Ro 80

Die grosse Wankel-Sensationund gleichzeitig auch eine klei-ne Revolution im Automobil-bau allgemein verkörperte derNSU Ro 80, der 1967 auf derFrankfurter IAA Premiere feier-te (vgl. Fahrbericht Seite27). Die Messebesu-cher strömten inMassen auf denNSU-Stand, dieZeitung mit denvier grossen Buch-staben vermutetegar, NSU könnte mit die-sem Fahrzeug «die deut-sche Auto-Ehre retten»,und selbst «der Spiegel» rücktedie Verdienste des Erfinders Fe-lix Wankel mit Titelbild undgrosser Story ins Rampenlicht.

Der Ro 80 war schon bald derunangefochtene Star der auto-mobilen Avantgarde. Technik-freaks konntensich seinerAnzie-hungs-kraftkaument-ziehen, Prominen-te querbeet schmücktensich gerne mit dem beispiel-haft fortschrittlichen und aufalle Fälle PR-wirksamen Fahr-zeug.

Film-, Fernseh- und Sport-grössen der Epoche wie ErikOde, Dieter Borsche, Wim Tho-elke und Bubi Scholz liebten es,mit den «wankelnden» Fahr-zeugen abgelichtet zu werden.

Nicht weiter überraschend istdeshalb auch, dass es in Ne-ckarsulm schon bald auch eineFelix-Wankel-Strasse gab.

Vom DKM zum KKM

In den Anfängen entwickelteWankel Drehschieber, die anStelle der konventionellen Ein-

und Auslassventile die Gas-wechsel des Hubkolbenmotorssteuerten. Damit waren zwardeutlich höhere Drehzahlenrealisierbar, doch traten im Au-tomobilbereich schwerwiegen-de thermische Probleme auf,die sich nur in Flugmotoren lö-sen liessen.

WankelsOriginalmo-tor, der 1954noch ein ver-gleichsweisekomplizier-

ter Drehkol-benmotor (DKM) mit

vielen Teilen war, ver-wandelten die NSU-Ingenieureunter der Leitung von HannsDieter Paschke in den Kreiskol-benmotor (KKM), wie er auchheute noch bei Mazda, aberauch in diversen Entwicklings-

abteilungen funktioniert. ImWesentlichen wurde bei die-sem Schritt der Aussenläufer«stillgelegt», also mit dem Mo-torgehäuse unverschiebbarverbunden. Deshalb musste indieser Anordnung der Mittel-

punkt des Innenläu-fers kreisen, da-

mit die für das4-Takt-Arbeits-prinzip notwen-

dige veränderli-chen Räume erzeugtwerden konnten.

Wankel jedoch hattekeine Freude an dieserWeiterentwicklung desAutomobilbauers.

In seinen Au-gen war da-mit «aus

dem Renn-pferd ein

Ackergaul» ge-worden.

Allerdingsdrängte sichdiese techni-sche Verände-rung wohl alsNotwendig-keit auf, um

den Motorüber-haupt se-

rienproduktions-fähig zu machen. Mit dieserWeiterentwicklung der

NSU-Leute gingen Ende1957 die Abkehr Wan-kels und die Gründungder «Wankel GmbH»einher.

Laufruhig, durstig

Es fällt nicht schwer, eineListe der Vorteile des Wankel-Motors zu erstellen: Das Aggre-gat ist leicht, platzsparend, ar-beitet vibrationsarm und drehtfast so mühelos wie ein Elektro-motor. Gegenüber einem leis-tungsgleichen Hubkolbenmo-tor darf mit einer Gewichtsver-ringerung von etwa 33% und ei-nem um praktisch die Hälftereduzierten Raumbedarf ge-rechnet werden.

Aber natürlich fehlt es aufder Negativseite ebenfalls nichtan Erwähnenswertem: In sei-nen frühen Ausführungen hat

sich «derWankel» den Ruf einesProblemmotors eingehandelt,weil er von Startschwierigkei-ten, Zündungsproblemen undvorzeitigemVerschleiss (Ratter-spuren, defekte Dichtleisten)geplagt wurde und ausserdemeine auffallende Drehmoment-schwäche sowie – vor allem –einen nicht gerade bescheide-nen Benzinverbrauch aufwies.Die meisten Nachteile konntenmit der Weiterentwicklung desAggregates behoben werden.

Neben den erwähnten Li-zenznehmern beschäftigtensich im Laufe der Jahre auchCitroën, Mercedes-Benz, Nis-san, General Motors und natür-lich Mazda mit dem Wankel-Aggregat. Als aufsehenerregen-de Vertreter der Drehmaschi-nenkategorie könnten der

Citroën GS Birotor, der Merce-des C111, der Chevrolet Cor-vette Z-Rotor und natürlich derMazda Cosmo 110 Sport ge-nannt werden.

Vielen Herstellern gab dieErdölkrise der ersten Hälfte der70-Jahre den Rest. Sie wandtensich vom rotierenden Arbeits-prinzip ab, das ihnen beson-ders hinsichtlich Treibstoffver-brauch und Abgasqualität im-mer grössere Sorgen zu berei-ten drohte. Da versprach derweniger risiokobehaftete Wegmit dem Hubkolbenmotor intechnischer und wirtschaftli-cher Hinsicht schnellere undnachhaltigere Erfolge.

Der in Kennerkreisen legen-däre KKM 871, der den weiter-entwickelten Ro 80, aber auchden Audi 100 und eventuell den

Citroën CX antreiben sollte,wurde mit seitlicher Beatmungund zwei 750-cm3-Kammernfür Höchstleistungen bis rund200 PS ausgelegt. Von VW wur-de der Motor aber aus Kosten-gründen auf Eis gelegt.

Mazda weiter am Ball

So ist heute Mazda der letzteverbliebene Autohersteller, derden Kreiskolbenmotor weiter-entwickelt. Mit der nun eben-falls 40-jährigen Erfahrung imBau von Serienfahrzeugen die-ser Antriebsform und selbst-verständlich mit dem 1991erLe-Mans-Sieg im Palmares ste-hen die Japaner als anerkannteKreiskolbenspezialisten da.Und dass das Thema Wankel-Motor dort ernst genommenwird, belegt die Entwicklungs-

arbeit an der wasserstoffbetrie-benen Version dieses Aggrega-tes (vgl. «Wankel lebt weiter !»).

Zwar hat die technische Wei-terentwicklung dem Wankel-Motor in fast allen Belangen zueinem hohen Technikniveauverholfen, doch wird er trotz-dem seinen Exotenstatus be-halten. Dankwart Eiermann,der mit dem Kreiskolbenmotorso vertraut ist wie nur wenigeZeitgenossen, sieht den ver-fehlten Durchbruch diesesPrinzips durchaus pragma-tisch: «Eigentlich hat es ihn imAutomobilbau halt einfach niewirklich gebraucht, weil derkonventionelle Verbrennungs-motor dort schon auf einemsehr hohen Niveau war.» Natür-lich sehen das noch heute vieleFans ein bisschen anders.

Mazda ist heute der einzige Auto-hersteller, der den Kreiskolben-motor in einem Serienauto instal-liert. Allerdings ist zu bemerken,dass sich der Motor des RX-8 aufeinem hohen Entwicklungsni-veau befindet, das heisst, dasspraktisch sämtliche Schwächender ersten Generationen ausge-merzt werden konnten. Im Wei-teren setzt Mazda grosse Hoff-nungen in die Weiterentwicklungdes Triebwerkes in RichtungWasserstoffbetrieb. Erprobungs-fahrzeuge des Typs RX-8 RotaryHydrogen mit bivalentem Ben-zin-Wasserstoff-Motor sind be-reits auf der Strasse.Aber auch andernorts wird derWankel-Motor weiterentwickelt.Bei der Wankel Supertec GmbH in

Cottbus widmet sich Entwick-lungschef und CEO Dankwart Ei-ermann mit einem 12-köpfigenTeam einer neuen, modular auf-gebauten Turbomotorenfamiliein 1- bis 4-Rotor-Bauweise. Cha-rakteristisch für diese Triebwer-ke, die – zumindest vorläufig –nicht in Autos zum Einbau kom-men werden, sind die Common-Rail-Direkteinspritzung sowie diezusätzliche Fremdzündung, spe-ziell ausgelegt für den Betrieb mitunterschiedlichen Treibstoffen –von Diesel/Biodiesel über Ben-zin/Kerosin bis Gas.Mit dieser Baureihe sollen sichLeistungen bis gegen 400 kW(über 500 PS) realisieren lassen.«Der erste Komplettmotor in1-Rotor-Ausführung», berichtet

Wankel-Routinier Eiermann, «liefschon Anfang 2006 auf demPrüfstand und befindet sich seit-her in der Entwicklung mit allen

notwendigen Schritten für eineOptimierung.»In kleinen Flugzeugen könnte derKreiskolbenmotor ebenfalls eingutes Einsatzfeld finden. Jeden-falls beschäftigt sich die im Jahr2001 gegründete Genfer FirmaMistral Engines zusammen mitHochschulinstituten und Indust-riepartnern mit der Verfeinerungdes Wankel-Motors.Als Lizenznehmerin betreibt dieUS-amerikanische Firma L-3Communications Combat Propul-sion Systems ein eigenes Weiter-entwicklungsprogramm für denKreiskolbenmotor in speziellenAnwendungen. SHA

INSIDE

Im Kreisverkehr

Wankel lebt weiter!Felix, derGlücklicheDer 1902 in Lahr geborene, 86Jahre später in Heidelberg ge-storbene Felix Wankel hat wäh-rend der 50er- und 60er-Jahrein Motorenbauerkreisen fürreichlich Wirbel gesorgt.

1951 gründete er die Techni-sche Entwicklungsstelle Lin-dau und widmete sich dort derIdee vom Motor, der aus-schliesslich aus drehenden Tei-len bestand. Den herkömmli-chen Hubkolbenmotor hielt erfür eher primitiv und nannteihn deshalb Schüttelhuber.

Obwohl der gelernteVerlags-kaufmann kein promovierterIngenieur war – den «Dr. Ing.»

erhielt er 1969 von derTH Mün-chen ehrenhalber –, gelang esihm und einemTeam vonTech-nikern, «seinen Rotationskol-benmotor» zu realisieren. NSU-und Mazda-Ingenieure brach-ten den Motor schliesslich inSerienautos.

Dies zum Techniker Wankel.Vom Menschen Wankel wissendie bestandenen Mannen desRo-80-Clubs, aber auch dieTechniker, die in Wankels klei-ner, aber feiner Entwicklungs-firma angestellt waren, die eineoder andere Anekdote zu er-zählen. Etwa dass er in seinem –selbstverständlich nach eige-nen Plänen entstandenen – Pri-vathaus in Gstaad zum Teil glä-serne Bodenplatten einsetzte,die dem Tageslicht erlaubten,das Haus zu durchfluten undausserdem manche interessan-te Perspektive auf Besucher imoberen Stock eröffnete.

Wankel, übrigens bekennen-der Tierfreund und -schützer,trat stets in perfekter Kleidungan die Öffentlichkeit. Eine Kra-watte fehlte selten, erzählenseine früheren Mitarbeiter, einAnzug nie. Hans-Peter Lang,der Präsident des NSU-Ro-80-Clubs der Schweiz, berichtet,Wankels Gang sei «aufrecht wieein Caran-d’Ache-Bleistift» ge-wesen.

Dass Felix Wankel nie einenFührerschein besass und er-wiesenermassen auch nie Autofahren gelernt hatte, hinderteihn nicht daran, dem Fahrervom Beifahrersitz aus genaueFahranweisungen zu geben.Hans Portele, ehemaliger Be-triebsleiter im Werk Lindau, er-innert sich mit einem Grinsenan solche Fahrten.

Ebenfalls nur als Beifahrererlebte Wankel deshalb dieFahrten mit seinem MercedesSL, in den er 1972 einen 4-Scheiben-Rotationskolbenmo-tor mit Bosch-Einspritzung in-stallieren liess. Mit der Leistungvon 320 PS konnte das Auto, dasgegenüber der Basisversionrund 60 Kilogramm leichterwar, in für jene Zeiten bemer-kenswerten 6,9 Sekunden ausdem Stand auf Tempo 100 be-schleunigt werden. SHA

18. JULI 2007 AUTOMOBIL REVUE NR. 29 DRIVE STYLE 2524 DRIVE STYLE 18. JULI 2007 AUTOMOBIL REVUE NR. 29

Aktuell von Wankel Supertec: 2-Scheiben-Motor für Dieselbetrieb.

Mazdas Prototyp RX-8 Hydrogen RE läuft wahlweise mit Benzin oder Wasserstoff.

Mit zwei Turbos: 280-PS-Motor des 1990er Mazda Eunos Cosmo. Wankel-Aggregat im Suzuki-Motorrad. (Fotos: Patrick Corminbœuf)

Sammlung Hofstetter: fast alle Schweizer Wankel-Fahrzeuge. Vertreter der Wankel-Gemeinde, am Kreiskolbentisch versammelt.

Fans erkennt man an Details.

Kreiskolben an jeder Ecke.

Felix Wankel (l.) mit Mazda-Chairman Kenichi Yamamoto.

Nach den Anfängen in Fahrzeu-gen von NSU wurde der

Wankel-Motor vorallem von Mazda

weitergepflegt.(Foto: Werk)