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Die Elbe: Lebendiger Fluss oder Wasserstraße?

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Die Elbe:Lebendiger Fluss oder Wasserstraße?

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort 4

1. Jahrhunderthochwasser: Alle Jahre wieder? 6

2. Die Elbe und ihre Auen 9

3. Schifffahrt auf der Elbe 12

4. Wie umweltfreundlich ist die Elbschifffahrt wirklich? 18

5. Trotz allem: Forderungen nach Elbausbau 20

6. Sachsens Hafeninvestitionen – ein Zuschuss-Geschäft 22

7. Staustufe Děčín – konstruierter Sachzwang zum Elbausbau 26

8. Elbe und Flusstourismus 30

Literatur 31

Autorin:Iris BrunarHerausgeber:BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Fraktion im Sächsischen LandtagSatz/Gestaltung: Cartell - Werbeagentur und VerlagFotos:Iris Brunar, Seite 5 Jörg Simanowski, Seite 19 „Pro Elbe“

Alle Rechte vorbehalten.1. Auflage, 500 StückStand: August 2013Klimaschonend auf 100% Recyclingpapier gedruckt.

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Vorwort

Die Natur scheint aus den Fugen zu geraten, so möchte man meinen angesichts der jüngsten Hoch-wasser in Deutschland. Müssen wir diese sintflut-artigen Ereignisse als schicksalhaft hinnehmen und uns damit abfinden? Oder sollten wir die Ursachen hinterfragen? Die Natur kennt keine Hochwasser-schäden. Doch was hat der Mensch aus der Natur gemacht? Die Flüsse wurden begradigt und ein-geengt, ehemalige Auen wurden von den Flüssen abgeriegelt, natürliche Flusslandschaften sind nur noch rudimentär vorhanden. Dabei könnten die Überflutungsflächen neben dem Bau von Deichen und Dämmen unsere Städte und Gemeinden ent-lasten und vor katastrophaler Überflutung schützen.

Wer da behauptet, das funktioniere nicht und dazu müsste man die Landschaften ent-völkern, der irrt. Mensch und Natur zu schützen, ist möglich. Ökologie und Hochwasserschutz müssen keine Widersprüche sein. Mahner hat es immer gegeben, die daran erinnerten, dass die Flüsse ihren Raum, also ausreichend natürliche Überschwemmungsflächen brauchen. Doch wie ernst haben Verwaltung und Regierende diese Erkenntnisse seit dem sogenannten Jahrhunderthochwasser 2002 genommen? Wo haben sie die Schwerpunkte gesetzt, wofür Steuergelder ausgegeben und wofür nicht?

Seit 20 Jahren werden immense Summen für die Wasserstraße Elbe und für die Häfen am Fluss ausgegeben. Die Elbe sollte mehr Ver-kehr aufnehmen. Welchen Nutzen haben diese Investitionen? Sind die gesteckten Ziele überhaupt erreicht worden?

Seit zehn Jahren werden Hunderte Mio. Euro für den Deichbau ausgegeben, damit es nicht wieder wie 2002 zu Deichbrüchen und ungewollten Über-flutungen kommt. Aber das Wasser muss ja irgendwohin, wenn es in Massen kommt! Doch nur noch auf 16 Prozent der einstigen Überschwemmungsauen der Elbe kann sich der Fluss im Hochwasserfall ausbreiten. Und so lief das Wasser im Juni 2013 erneut in zahlreiche Wohnzimmer.

Als Lehre aus dem Hochwasser 2002 wollte Sachsens Staatsregierung den Flüssen mehr Raum geben. 7.500 Hektar zusätzliche Überflutungsflächen waren damals im Gespräch, insgesamt 49 Maßnahmen. Und was wurde davon umgesetzt? Ganze 1,5 Prozent! Schlimmer hätte die Bilanz des politischen Versagens nicht

ausfallen können. Die Folgen des vorwiegend technischen Aufrüstens der Deiche müssen nun andere ausbaden – nämlich die Unterlieger. Sankt Florian lässt grüßen! Sie werden mit noch höheren und schnelleren Fluten bestraft. Eine intelligente, nachhaltige und solidarische Flusspolitik sieht anders aus.

Vorschläge, wie künftig anders gehandelt werden muss, bringt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag hiermit in die öffentliche Debatte ein. Wir freuen uns auf Ihre Reaktionen.

Gisela Kallenbachumweltpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag

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1. Jahrhunderthochwasser: Alle Jahre wieder?

Im Juni 2013 ereilte die Anwohnerinnen und Anwohner an der Elbe ein katastrophales Hochwasser. Nach 2002 war es das zweite sogenannte Jahrhundert-hochwasser binnen elf Jahren. Man könnte meinen, die Jahrhunderte vergingen wie im Fluge. Doch die Realität ist eine andere: Die Fehler der Vergangenheit holen uns ein. Der Klimawandel sorgt für häufigere Extremwetterlagen. Längere Trocken-perioden wechseln ab mit anhaltenden Starkniederschlägen. Darauf muss die sächsische Politik reagieren: mit einer Klimaschutzpolitik, die ihren Namen verdient und mehr ökologischen Hochwasserschutz.

Von Unwissenheit kann keine Rede sein: Schon im Mai 2002, also vor dem Jahr-hunderthochwasser, hat das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Land-wirtschaft die Broschüre „Hochwasserschutz in Sachsen“ herausgegeben. Darin sind alle erforderlichen Maßnahmen aufgelistet. Im Abschnitt 4 „Neues Hoch-wasserschutzkonzept“ ist zu lesen: „Umweltgerechter, nachhaltiger Hochwasser-schutz besteht in einem sinnvoll verknüpften Maßnahmebündel für den natür-lichen Hochwasserrückhalt in der Fläche des Einzugsgebietes sowie in Gewässern und Auen, den technischen Hochwasserschutz durch Deiche, Rückhaltebecken und Talsperren sowie die weitergehende Vorsorge ...“1. Trotz dieses Wissens setzte die Staatsregierung Sachsens fast 99 Prozent aller Hochwasserschutzgelder für die technische Aufrüstung der Deiche ein – ohne zusätzliche Überflutungsflächen zu schaffen. Die Folgen müssen nun andere ausbaden.

Defizite im ökologischen Hochwasserschutz

Nach dem Hochwasser 2002 wurden durch die Staatsregierung Sachsens 49 Deichrückverlegungsmaßnahmen und Polder mit einer Mindestgröße von fünf Hektar vorgesehen2. Diese Maßnahmen hätten eine Gesamtfläche in Sachsen von 7.500 Hektar umfasst. Bis heute wurden davon nur zwei der Maßnahmen mit einem Flächengewinn von 111 Hektar (1,5 Prozent) realisiert. Auch wurden die Mittel höchst ungleich verteilt: 530 Mio. Euro wurden in den letzten zehn Jahren für den technischen Hochwasserschutz ausgegeben, vor allem um die Deiche zu erhöhen. So sollten die Siedlungen vor Hochwasser geschützt werden. Der Kardinalfehler der sächsischen Hochwasserschutzpolitik war, dass für die Schaffung zusätzlicher Überflutungsflächen nur fünf Mio. Euro, also lediglich ein Prozent dieser stolzen Summe, aufgewandt wurde - ein krasses Missverhältnis3. Die Folgen: Die Unterlieger bekamen um so mehr Hochwasserprobleme. Während Dresden beim Juni-Hochwasser 2013 einen Pegelstand von 64 cm unter dem vom August-Hochwasser von 2002 zu verzeichnen hatte, lag der Pegelstand von Sachsen-Anhalt über Brandenburg bis Niedersachsen rund einen halben Meter über dem

1 Fügner 20022 Antwort der Sächsischen Staatsregierung vom 16. November 2010 auf eine Anfrage von D. Kallenbach (Drs. 5/3943)3 Antwort der Sächsischen Staatsregierung vom 8. August 2012 auf eine Anfrage von D. Kallenbach (Drs. 5/9671)

Stand von 2002. Schon am Pegel Dessau – also noch weit vor der Einmündung der Saale mit ihren extrem hohen Wasserständen – drehten sich die Verhältnisse um. Der Maximalpegelstand 2013 übertraf den Pegelstand von 2002 um 30 Zentimeter4.

Es ist unverkennbar: Sachsen hat die Fluten und damit die Hochwasserprobleme auf schnellstmöglichem Wege exportiert, statt das Wasser auf geeigneten Flächen zurückzuhalten. Die vorwiegende Erhöhung von Deichen ohne eine ergänzende Schaffung von Überflutungsflächen in den vorhandenen Altauen hat zwangsläufig das Ausmaß der Hochwasserkatastrophe stromab gesteigert. Die Frage nach dem Schutz der Unterlieger ist eine Frage der Solidarität. Es ist die gleiche Solidarität, wie Sachsen sie beim Wiederaufbau nach den Jahrhundertfluten erhalten hat und jetzt, im Jahr 2013, wieder erfährt.

Wie Dresden schützen?

Die Städte zwischen Bad Schandau und im Raum Dresden/Meißen sind nur durch zusätzliche, auch grenzübergreifende Maßnahmen vor Hochwasserschäden zu bewahren, da hier lokal wenig Überflutungsraum zur Verfügung steht. Dennoch darf der geringe Überflutungsraum nicht durch zusätzliche Bebauung eingeschränkt werden, wie es z. B. die geplante Hafencity in Dresden und andere Bauvorhaben erwarten lassen5. Talsperren allein sind gerade bei extremen Niederschlagsereig-nissen nicht ausreichend. Wenn sie voll sind, verlieren sie ihre Wirksamkeit. So war es auch im Juni 2013. Es gilt, das Wasser in den Hochwasserentstehungsgebieten zurückzuhalten. Neben notwendigen Maßnahmen etwa im Erzgebirge müssen sich der Freistaat Sachsen und die Bundesrepublik Deutschland künftig für den öko-logischen Hochwasserschutz in Tschechien engagieren und diesen auch finanzieren – im beiderseitigen Interesse. Vergleichbare Initiativen gehen im Donauraum von Österreich aus, damit Deutschland die Donau wieder entschleunigt und damit die Hochwasserrisiken auch für die Unterlieger senkt.

■ Was künftig anders laufen muss ... Der Freistaat Sachsen und die Bundesrepublik Deutschland müssen sich für den öko-logischen Hochwasserschutz an der Elbe schon in Tschechien engagieren. Hochwasser-schutz muss zu einer grenzüberschreitenden Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe entwickelt und auch finanziert werden.

Wende in der Hochwasserschutzpolitik nötig

Die Hochwasserschutzpolitik steht vor einer entscheidenden Wende: Nach dem technischen Hochwasserschutz muss der nachhaltige, ökologische Hochwasser-schutz in den Fokus gestellt werden. Auen und andere natürliche Wasserspeicher wie Moore, Wälder, Wiesen und Felder sind für den Wasserrückhalt in der unbebauten Landschaft im großen Stil nachhaltig zu nutzen bzw. ihre Schwammfunktion zu

4 Pegelstände unter: www.elwis.de5 Sächsische Zeitung vom 28.6.2013

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reaktivieren. Gesunde Mischwälder können deutlich mehr Wasser aufnehmen als Fichtenmonokulturen. Ackerflächen bieten ein großes Speicherpotenzial, jedoch verlieren sie dieses zunehmend durch Bodenverdichtung sowie durch schnelle Wasserableitung über ein dichtes Entwässerungsnetz6. Durch den Rückbau schneller Entwässerungen kann es gelingen, das Wasser länger im Boden zu halten, damit die Hochwasserspitzen in den Flüssen zu senken und somit die Risiken für die Flussanwohnerinnen und -anwohner zu mindern.

■ Was künftig anders laufen muss ... Nachhaltiger Hochwasserschutz muss Priorität in der Flusspolitik haben. Es geht darum, Auen wiederzugewinnen und die Speicherfähigkeit von Wald- und Ackerflächen zu erhöhen.

6 Sieker 2002

2. Die Elbe und ihre Auen

Flüsse und ihre Auen – also die natürlichen Überschwemmungsgebiete – bilden eine Einheit. Im Hochwasserfall fungieren Auen als Rückhalteräume. In Deutschland sind allerdings natürliche Auen selten geworden. Wie der Auenzustandsbericht des Bundesamts für Naturschutz (BfN) bzw. des Bundesministeriums für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit (BMU) feststellt, sind an den großen Strömen nur noch zehn bis 20 Prozent der einstigen Auen für Überflutungen erreichbar7. Auch die Elbe blieb von großen Auenverlusten nicht verschont. Die Elbe zeichnet sich jedoch durch einige Besonderheiten unter den großen deutschen Strömen aus: Zum einen sind noch große Teile der ehemaligen Auen, der Altauen, siedlungsfrei und für den nachhaltigen Hochwasserschutz reaktivierbar. Zum anderen ist die Elbe noch auf fast 600 Kilo-metern Länge freifließend, d. h.. ihre Wasserstände schwanken frei zwischen Niedrig-wasser und Hochwasser. Zwischen Ústí nad Labem in Tschechien und Geesthacht kurz vor Hamburg behindern keinerlei Staustufen die Elbe in ihrem freien Fließen. Das dynamische Auf und Ab der Wasserstände, der Wechsel zwischen natürlichen Über-flutungen und Trockenfallen bedingt den ökologischen Reichtum und die Attraktivi-tät dieser Flusslandschaft. Eine derartige noch relativ naturnahe Flusslandschaft ist in Mitteleuropa inzwischen einmalig.

7 BMU/BfN 2009

Wassereinzugsgebiet der Elbe

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Somit besteht nicht nur im nachhaltigen Hochwasserschutz, sondern auch im Naturschutz entlang der sächsischen Elbe ein großes Handlungsdefizit.

Der sächsische Teil der Flusslandschaft Elbe beginnt mit dem canyonartigen Sandsteingebirge der Sächsischen Schweiz, gefolgt von den Elbwiesen rund um Dresden, den Granitfelsen und Weinbergen bei Meißen bis hin zu den naturnahen und weitläufigen Auen um Torgau – ein großes ökologisches Potenzial, das es zu nutzen und zu verbessern gilt. Mehr Raum für den Fluss und für das Wasser wären auch geeignete Maßnahmen für Verbesserungen in der Flussökologie, der Struktur-vielfalt und in der Flussdynamik.

■ Was künftig anders laufen muss ... Wir wollen Ökologie und Hochwasserschutz enger zusammenführen und schaffen so eine win-win-Situation.

Arche Elbe

Die Vielfalt – über 1.000 Pflanzenarten, 250 Vogelarten und 40 Fischarten konnten hier überleben – macht den Reiz dieser Flusslandschaft aus. Die an der Elbe noch vorhandenen unterschiedlichsten Lebensraumtypen wie die Auenwälder, Dünen und Altwässer sowie die Sand- und Kiesbänke sind europaweit von der vollständigen Vernichtung bedroht. Fast die gesamte freifließende Elbe steht deshalb unter europäischem Schutz. FFH-Gebiete8 und Europäische Vogelschutzgebiete reihen sich nahezu lückenlos aneinander.

Schutzgebiete

Die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE) zählt 222 Schutzgebiete ent-lang der Elbe9:

• 32 Natura-2000-Gebiete der EU10 • zehn europäische Vogelschutzgebiete • Nationalpark Sächsische und Böhmische Schweiz • UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe, 400 Elbkilometer• UNESCO-Welterbe Elbtal bei Dresden, 22 Elbkilometer (aberkannt)• UNESCO-Welterbe Dessau-Wörlitz, 45 Elbkilometer

Als einziger deutscher Strom wurde die Elbe im Zuge der europäischen Wasser-rahmen-Richtlinie (WRRL) als „natürliches Gewässer“ eingestuft. Daraus ergeben sich internationale Verpflichtungen zur Verbesserung des ökologischen Zustandes des Gewässers.

Obwohl die Flusslandschaft Elbe ein ökologischer Leuchtturm Sachsens ist, tut die Landesregierung zu wenig, um diesen Schatz zu pflegen und zu erhalten. Die Maß-nahmen, die seit 2010 durchgeführt werden, um den nach der EU-Wasserrahmen-richtlinie geforderten guten ökologischen Zustand herzustellen, sind unzureichend und zudem fragwürdig. Baggerarbeiten in der Fahrrinne machen die Hälfte der Maßnahmen aus. Diese dienen der Schiffbarmachung und schaden der Elbe eher, als dass sie dazu beitragen, die strukturelle Vielfalt und den hydromorpho-logischen Zustand zu verbessern. Auch über Aktivitäten, um die ökologischen Ziele für die FFH-Gebiete zu erreichen (Natura-2000-Gebiete), gibt es neben dem Lachsprogramm und einem Förderprojekt zur Wiederansiedlung der Schwarz-pappel nichts Konkretes über die 180 sächsischen Elbekilometer zu berichten11.

8 Schutzgebiete für Pflanzen (Flora), Tiere (Fauna) und Lebensräume (Habitat), die nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ausgewiesen wurden.

9 http://www.bmu.de/bmu/presse-reden/pressemitteilungen/pmartikel/ 11-tagung-der-internationalen-kommission-zum-schutz-der-elbe-ikse-in-tschechien-beendet/

10 Netz von Schutzgebieten innerhalb der EU zum Zweck des länderübergreifenden Schutzes gefährdeter wildlebender heimischer Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume.

11 Antwort der Sächsischen Staatsregierung vom 1. Juli 2013 auf eine Anfrage von G. Kallenbach (Drs. 5/11988)

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Die Kluft zwischen Prognose und Realität

Immer wieder sprechen manche Verkehrspolitiker und Wasserstraßenlobbyisten von der „bedeutenden europäischen Wasserstraße Elbe“. Doch wie bedeutend ist sie wirk-lich? Die Prognosen waren ehrgeizig: Sage und schreibe 23 Mio. Gütertonnen sollten im Jahr 2010 zwischen Magdeburg und Dresden auf der Elbe transportiert werden, verkündete die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung noch im Jahr 1999 in einer Broschüre12. Die Realität nimmt sich dagegen viel bescheidener aus: Im Jahr 2010 wurden nur 1,1 Mio. Tonnen – also nur ein Zwanzigstel des Vorhergesagten – über die Elbe verschifft, Tendenz fallend.

Die Kosten hingegen sind enorm. Seit Anfang der 1990er Jahre werden jedes Jahr ca. 40 Mio. Euro für die Elbe als Wasserstraße ausgegeben – jede transportierte Tonne wird demnach mit 40 Euro bezuschusst. Werden die Fördermittel für die Elbehäfen noch hinzugerechnet, beläuft sich die Gesamtsumme, die seit Anfang der 1990er Jahre für die Wasserstraße Elbe ausgegeben wurde, auf etwa. eine Mrd. Euro! Eine Verkehrsver-lagerung auf das Schiff ist trotz dieser gigantischen Summe nicht erreicht worden. Im Gegenteil, der Verkehr auf der Elbe hat kontinuierlich abgenommen.

12 Wasserstraßen-Neubauamt Magdeburg (Hrsg.): Wasserstraßenkreuz Magdeburg. Magdeburg, 07/1999

3. Schifffahrt auf der Elbe

Auf dem Wiener Kongress 1815 beschlossen die versammelten Staatsoberhäupter, die Flüsse - so auch die Elbe - für den Verkehr schiffbar zu machen. Der einst in viele Neben-arme verzweigte Fluss wurde zu einem Hauptstrom gebündelt. Inseln und riesige Sandbänke verschwanden, aus dem breiten und flachen Strom sollte ein schmaler, aber tiefer Schifffahrtsweg werden. Die beginnende Industrialisierung machte Transport-wege erforderlich. Die Elbe wurde weiter ausgebaut, vertieft und begradigt. Insgesamt verlor sie ca. 110 Flusskilometer und damit über zehn Prozent ihrer Lauflänge. Bis zum Flusskilometer 121 zwischen Riesa und Mühlberg sind die Ufer der Elbe beiderseits mittels Pflasterungen oder Schotterungen befestigt. Weiter stromab wurden Buhnen gebaut, die die Strömung der Elbe bündeln. Zumindest lassen sie teilweise natürliche, unversteinte Ufer zu. In der Blütezeit der Elbschifffahrt fuhren täglich über einhundert Frachtschiffe durch Sachsen. Jede Kleinstadt hatte ihren Hafen und ihre Werft.

Elbschifffahrt auf historischem Tiefststand

Der Höhepunkt der Transporte war im Jahr 1913 erreicht: 18 Mio. Tonnen wurden pro Jahr auf der gesamten Elbe befördert, 1989 waren es immerhin noch knapp 10 Mio. Tonnen pro Jahr. In den letzten Jahren fielen die Transporte auf ein historisches Tief: 2012 waren es nur noch 0,8 Mio. Tonnen – und nur die Hälfte davon auf der sächsischen Elbe. Paradox: Je besser der Fluss schiffbar gemacht wurde, um so weniger wurde auf ihm transportiert.

1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 20120,0

0,20,40,60,81,01,21,4

1,61,82,0

1,6

1,81,7

1,31,2

1,4

1,00,8

1,3

1,00,9

0,70,9

1,2

0,8 0,8

Transportaufkommen auf der Elbe in Magdeburg(in Mio. Tonnen)

Transportauf-kommen

Jahr Datenquelle: WSD Ost

Mio

. Ton

nen

Verkehrsaufkommen Mittel- und Oberelbe

Güteraufkommen auf der Elbe am Grenzübergang Schmilka(in Mio. Tonnen)

1,45 1,40 1,35

1,151,05 1,05

0,750,65

0,95 0,91

0,64

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

1,4

1,6

1,8

2,0

1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Jahr Datenquelle: WSD Ost, Bundesamt für Statistik

Mio

. Ton

nen

Güteraufkommen

Für die Jahre 2008 – 2011 sind keine Daten für grenz-überschreitende Transporte vorhanden.

Die Verkehrsprognosen liegen um das zehn- bis zwanzigfache höher als der tatsächliche Verkehr. Die Investitionen von Hunderten von Mio. Euro haben nicht zur angestrebten Verkehrsverlagerung geführt – selbst nicht im Ost-West-Verkehr, wo Europaschiffe über den Mittellandkanal ganzjährig mit voller Auslastung fahren könnten. (Quellenangaben: links: Wasserstraßen-Neubauamt Magdeburg (Hrsg.): Wasserstrassenkreuz Magdeburg. Broschüre, Magdeburg, 07/1999, rechts: Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes: Verkehrsbericht 2010 der WSD Ost. Binnenschifffahrt in Zahlen. Magdeburg, 05/2011; eigene Darstellung)

Verkehrsaufkommen auf dem Wasserstrassenkreuz Magdeburg.

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Hauptproblem für Frachtschiffe: Niedrigwasser

Die Niedrigwassertage an der Elbe haben seit 1990 deutlich zugenommen. Nicht nur die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe, auch die Umweltverbände und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben immer wieder auf die niedrigen Wasserstände der Elbe verwiesen. Doch die zuständige Behörde, die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, hielt bis Ende 2012 an den veralteten Wasserständen aus den 1970er und 80er Jahren fest. So planten sie ihre Bauvorhaben mit veralteten Prognosen.

20 Jahre lang wurde die Illusion verbreitet, dass die Elbe ab 2010 ganzjährig befahr-bar sein werde – mit einer Mindesttiefe an 345 Tagen von 1,60 m zwischen Dresden und Geesthacht bzw. 1,50 m zwischen Dresden und deutsch-tschechischer Grenze14. Dieses mantramäßig wiederholte Versprechen wurde erstmals auf der Flusskonferenz in Magdeburg im März 2013 offiziell in Frage gestellt.

14 BMVBS: Grundsätze für das Fachkonzept der Unterhaltung der Elbe zwischen Tschechien und Geesthacht mit Erläuterungen, 2005, http://www.wsd-ost.wsv.de/service/Downloads/Grundsaetze_Elbe_02_05_2005.pdf

Die Elbe – ein Zwerg unter den Wasserstraßen

85 Prozent des Binnenschiffsverkehrs in Deutschland gehen über den Rhein, der damit eine Vorrangstellung im Wasserstraßennetz einnimmt. Wichtig für den Güter-transport sind auch die Kanäle, die der Schifffahrt konstante Fahrbedingungen bieten. Erst dann folgen die anderen, teils vollkommen kanalisierten und gestauten Flüsse wie Neckar, Main und Donau. Sie alle verfügen über eine Fahrtiefe von 2,50 Meter oder mehr. Nur 0,5 Prozent der gesamten Schiffstransporte der Bundesrepublik Deutschland werden über die Elbe zwischen Dresden und Lauenburg (Einbindung des Elbeseitenkanals, südliches Schleswig-Holstein) abgewickelt. Das sind weniger als 0,2 Prozent des gesamten Güterverkehrs im Elbekorridor. Selbst wenn dieser Anteil verdoppelt werden sollte – wofür es weder Anzeichen noch Voraussetzungen gibt – wäre dadurch eine Entlastung anderer Verkehrsträger kaum nachweisbar. Laut Statistik der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost für das Jahr 2012 fahren im Schnitt nur sieben Frachtschiffe täglich auf der Elbe durch Magdeburg. Darunter befinden sich auch praktisch alle Schiffe aus Sachsen und Tschechien. Ihre Ladungsmengen liegen im Schnitt bei 300 - 400 Tonnen pro Schiff13 und bewegen sich meist an der Grenze zur Rentabilität oder darunter.

Niedrigwasser ist unberechenbar

Die Elbe ist im Gegensatz zum Rhein ein natürlicher Niedrigwasserfluss. Der Rhein führt die doppelte bis dreifache Menge an Wasser und wird im Sommer von den Alpen-gletschern gespeist. Niedrigwasser am Rhein tritt äußerst selten auf, und wenn doch, so nur für kurze Zeit. Dann ist er mit gut zwei Metern immer noch einen Meter tiefer als die Elbe bei Niedrigwasser. Doch dieser Meter ist entscheidend und ermöglicht den Transport von rund 1.000 Tonnen pro Schiff. Der stetige Rückgang der Frachtschifffahrt auf der Elbe hat viele Gründe. Der Hauptgrund ist die Unberechenbarkeit der Elbe: Hochwasser, Eisgang und vor allem Niedrigwasser unterbrechen immer wieder den Verkehr für Tage, Wochen und in Trockenjahren für Monate.

13 http://www.wsd-ost.wsv.de/service/Downloads/Statistischer_Verkehrsbericht_der_WSD_Ost_2012.pdf

Dresden bei Niedrigwasser Leerfahrt – kein seltener Anblick auf der Elbe

Fahrrinnentiefen am Elbe-Pegel Dresden der Jahre 2008, 2009 und 2010. Eigene Darstellung – Datengrundlage: http://www.wetteronline.de/cgi-bin/pegbild?WOCHE=0&STD=120&FLUSS=Elbe&ORT=10077&LANG=de Das typische Abflussverhalten der Elbe variiert stark über die einzel-nen Jahre sowie zwischen den Jahreszeiten. Eine Fahrrinnentiefe von 1,60 m wird über teils monatelange Zeiträume nicht erreicht. Eine Fahrrinnentiefe von 2,50 m liegt nur selten vor.

Im Durchschnitt des Zeitraums von 1997 – 2012 wurde die offiziell angestrebte Fahr-rinnentiefe von 1,60 Meter an bis zu 126 Tagen pro Jahr nicht erreicht. Hauptgründe: zum einen niedrige Wasserabflüsse (Wasser-menge), zum anderen lassen sich in dem beweglichen Flussbett der Elbe aus Sand keine stabilen Wassertiefen herstellen

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Auf der Schiene rollt‘s

Die Alternative liegt auf der Hand: Es ist für die GRÜNE-Landtagsfraktion nicht der LKW, sondern die Schiene. Ihr kann das Niedrigwasser nichts anhaben. Der Schienen-transport stößt im Vergleich zum Schiffstransport auf der Elbe weniger Kohlendioxid aus und ist wesentlich zuverlässiger und schneller als das Binnenschiff. Zudem ist die Netzdichte zehnmal höher. Die immer wieder von interessierter Seite vorgetragene Behauptung, die Schiene sei an ihrer Belastungsgrenze angekommen, ist falsch. Schon jetzt fahren täglich zehn Containerzüge von Hamburg nach Sachsen und Tschechien. Unter der Annahme, dass alle Containertransporte von der Elbe auf die Schiene ver-lagert werden, müssten elf statt zehn Containerzüge pro Tag verkehren. Und selbst 55 Meter lange Windmühlenflügel, die gelegentlich über die Elbe verschifft werden, transportiert die Bahn schnell und problemlos19.

■ Was künftig anders laufen muss ... Eine deutliche Verbesserung der Lärmsituation an Güterverkehrsstrecken ist nötig. Die GRÜNE-Fraktion hat hierzu Vorschläge vorgelegt.20

Die Elbe, immer wieder von Baulobbyisten als unverzichtbarer Transportweg gepriesen, den man ausbauen müsse, ist also keineswegs unersetzlich. Im Gegenteil: Sie ist schon weitgehend ersetzt. Die rückläufigen und inzwischen marginalen Transportmengen beweisen es.

19 http://www.sncf.com/de/zeitgeschehen/geodis-bringt-windraeder-auf-die-schienen20 www.mobiles-sachsen.de/78662324.l

Das Bundesverkehrsministerium hat dort öffentlich eingestanden, dass im langjährigen Schnitt an der Elbe nur eine Tiefe von 1,20 m bis 1,30 m an 345 Tagen im Jahr gewährleistet werden könne15. Das reicht gerade mal für Personenschifffahrt und für den Transport leichter Güter. Für das Rückgrat der Binnenschifffahrt, den Massenguttransport, genügt das nicht. Als Hauptursache des Wassermangels wurde die Einstellung vieler Braunkohle-tagebaue in der Lausitz und in Mitteldeutschland angegeben. Das Grundwasser in den Braunkohlegruben wird nicht mehr in die Nebenflüsse der Elbe abgepumpt. Deswegen führt der Fluss seit 1990 bei Niedrigwasser um zehn Prozent weniger Wasser.

Transporte nicht planbar

Niemand kann voraussagen, ob ein nasses oder ein trockenes Jahr bevorsteht. Daher sind Transporte auf der Elbe weder planbar noch verlässlich. Das Nicht-Einhalten-Können eines Fahrplanes, die fehlende Verlässlichkeit, ist für die moderne Logistik völlig inakzeptabel. Deshalb kehrt die Schifffahrt der Elbe den Rücken, so konstatiert es das Bundesamt für Güterverkehr.16

Fehlinvestitionen in Wasserstraße Elbe wurden verschleiert

Über 20 Jahre lang wurde diese Realität ausgeblendet und an der Elbe weitergebaut, um ein Ziel zu erreichen, das objektiv nicht erreichbar war: ihre ganzjährige Schiffbarkeit! Durchschnittlich drei bis vier Monate im Jahr hat die Elbe eine niedrigere Wassertiefe als 1,60 m. Auch Baumaßnahmen, wie die jahrzehntelang praktizierten Steinschüttungen der Ufer, können das fehlende Wasser nicht herbeiführen. Die GRÜNE-Landtagsfraktion sieht sich in ihrem Engagement gegen diese beispiellose Verschwendung von Steuer-geldern bestätigt.

■ Was künftig anders laufen muss... Das vom Freistaat Sachsen und der Bundesrepublik Deutschland verfolgte aber nicht erreichbare Ziel an der Elbe eine Fahrrinnentiefe von 1,60 m herstellen zu wollen, muss aufgekündigt werden. Für die frei fließende Elbe kann keine bestimmte Tiefe gewähr-leistet werden.

Der Transport von Massengütern per Binnenschiff auf der Elbe ist ein Auslaufmodell. Das stellte sogar der Geschäftsführer der Sächsischen Binnenhäfen fest17. An der Elbe hat zudem ein grundlegender Strukturwandel der Wirtschaft stattgefunden18. Viele der Unternehmen, die vor 1990 Massengüter transportierten, existieren nicht mehr. Wirtschaftlich ist derzeit laut Bundesamt für Güterverkehr erst der dreilagige Containerverkehr. Er verlangt eine Tiefe von zwei Metern und wäre somit nur zur Hälfte des Jahres möglich. Bislang wird er nicht durchgeführt. Doch auch der vollbeladene zweilagige Containerverkehr beansprucht eine Fahrtiefe von 1,60 m.

15 http://www.flusskonferenz-elbe.wsv.de/dokumentation/Vortraege/Verkehrsweg_Elbe_Volker_Keitel_BMVBS.pdf16 Bundesamt für Güterverkehr (BAG) 200717 Loroff, H., SBO, Sächsischer Bote, 20.02.2013.18 Petschow et al. 2009

Güterverkehr per Bahn parallel zur Elbe

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Symptombekämpfung erfolglos

Die Kosten, um diesen unerwünschten Prozess bzw. dessen Folgen aufzuhalten, sind enorm. Seit Jahren wird der Elbe jährlich bis zu 100.000 Tonnen Kies als sogenanntes Geschiebe zugegeben, um der selbst verursachten, jedoch unerwünschten Vertiefung der Flusssohle Herr zu werden, allerdings ohne durchschlagenden Erfolg. Die Sohl-erosion konnte bestenfalls verlangsamt aber nicht aufgehalten werden. Die Kies-zugaben sind nicht mehr als eine Symptombekämpfung.

■ Was künftig anders laufen muss ... Um die Ursachen der Vertiefung der Sohle zu beheben, braucht die Elbe mehr Raum. Die Verengung des Flussbettes muss rückgängig gemacht, der Fluss entschleunigt werden.

Pilotprojekt gegen Sohlerosion

In Sachsen-Anhalt, kurz hinter der Grenze zu Sachsen, wird ein Pilotprojekt vorbereitet22, um die Erosion der Sohle zu stoppen. Dabei müssen Land und Bund kooperieren, da das Land für die Auen und der Bund für den Fluss zuständig sind. Dabei steht auch die Ver-kürzung bzw. der Rückbau der Buhnen zur Debatte, um die Verengung aufzuheben und die unnatürliche Räumkraft des Flusses zu mindern. Die Lösung des Problems der Sohl-erosion ist existenziell für den Schutz der gesamten Flusslandschaft Elbe und hat deshalb höchste Priorität. Auch an der sächsischen Elbe muss diese Aufgabe beherzt in Angriff genommen werden, um irreversible Schäden an Natur und Landschaft zu vermeiden. Die europäischen Umwelt-Richtlinien verbieten eine ökologische Verschlechterung insbesondere der FFH-Schutzgebiete. Bis zum Jahr 2015 oder nach einer begründeten Ausnahme bis 2027 muss an der Elbe der gute ökologische Zustand hergestellt sein. Der Freistaat Sachsen trägt dafür ebenfalls die Verantwortung.

22 Sohlstabilisierungskonzept für die Elbe; Projektgruppe „Erosionsstrecke Elbe“ bestehend aus Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost, Wasser- und Schifffahrtsamt Dresden, Bundesanstalt für Gewässerkunde, Bundesanstalt für Wasserbau unter der Mitwirkung von Biosphärenreservatsverwaltung „Mittelelbe“ und Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft

4. Wie umweltfreundlich ist die Elbschifffahrt wirklich?

Schifffahrt ist umweltfreundlich, hört man allenthalben. Und es werden damit weitere Forderungen zum Ausbau und zur Vertiefung von Flüssen verknüpft. So werden jähr-lich bundesweit ca. 800 Mio. Euro Steuergelder ausgegeben, um den Verkehr von Straße und Schiene auf die Wasserstraße zu verlagern. Indes – der Erfolg bleibt aus: Der Anteil der Gütertransporte per Schiff am Gesamtgüterverkehr schrumpfte bundesweit von über 30 Prozent im Jahr 1960 auf heute zehn Prozent21. Geopfert wurden nicht nur Milliarden von Steuergeldern, sondern auch ökologisch wertvolle und unersetzliche Flusslandschaften. Die Steuerzahler und die Natur zahlen den Preis für eine verfehlte Politik, die lediglich der Bauwirtschaft Profite eintrug, denn Wasserbau ist ein einträg-liches Geschäft.

Besonders absurd ist die Behauptung, dass Elbschifffahrt umweltfreundlich sei, wenn damit Forderungen nach weiteren Elbvertiefungen verknüpft werden. Inzwischen ist aus der Vertiefung und Einengung eines der drängendsten Probleme an der Elbe erwachsen: Die Sohlerosion mit ihren negativen Folgen ist eine direkte Konsequenz aus der Schiffbarmachung des Flusses.

Neue Herausforderung: Sohlerosion bedroht die Flusslandschaft Elbe

Durch die weitere Verengung und Vertiefung des Flusses wird der unersetzlichen Fluss-landschaft Elbe nach und nach das Wasser abgegraben. Die Fließgeschwindigkeit wird dadurch unnatürlich erhöht. In der Folge gräbt die Elbe sich immer tiefer in ihr beweg-liches Bett aus Kies und Sand. Dieser Prozess begann schon mit der Regulierung der Elbe für die Schifffahrt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals hat man diese Vertiefung der Sohle billigend in Kauf genommen, da die Schifffahrt noch eine große wirtschaftliche Bedeutung hatte.

Inzwischen beschleunigt sich dieser für Natur und Landschaft schädliche Vorgang immer mehr, so dass der Wasserspiegel der Elbe von Riesa/Mühlberg bis nach Magdeburg um bis zu zwei Meter tiefer liegt als im Jahr 1888. Land- und Forstwirt-schaft sowie Fischerei leiden unter dem Wasserspiegelverfall und der Austrocknung der Landschaft, die sich vor allem im Sommerhalbjahr bemerkbar macht. Doch auch die Bauwerke an der Elbe sind dadurch gefährdet. Die Fundamente von Brücken, Uferschutzmauern, Buhnen und Deckwerken drohen unterspült zu werden und zusammenzubrechen. Die Konkurrenz um das knappe Wasser zwischen Wasserstraße und Flusslandschaft schadet der Landschaft und ihren Nutzern, ohne die Schifffahrt vorangebracht zu haben.

21 Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V.: http://www.bgl-ev.de/web/daten/verkehr_modalsplittkm.htm

Protest gegen Aufschüttungen - Bürgerinitiative „Pro Elbe“ fordert ein „Ende der Steinzeit“.

Schwimmaktion - Schwimmender Protest gegen den geplanten Bau der Staustufe Děčín.

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■ Was künftig anders laufen muss ... Die realen Wasserstände beziehungsweise Fahrbedingungen der Elbe müssen Grundlage der Elbepolitik in Sachsen sein. Realistisch ist, dass Güterschifffahrt nicht das ganze Jahr über auf der Elbe stattfinden kann.

Klar ist: Baggern und Schottern hilft nicht. Die Elbe ist ein frei fließender Fluss mit einem beweglichen Bett aus Sand und Kies. Wenn gebaggert wird, ist der Sand in Kürze wieder da, sobald das Baggern beendet ist. Für die Schifffahrt wäre nichts gewonnen. Kanalisierung der Elbe? - Weder ökologisch noch ökonomisch!

Der theoretisch einzige Weg ganzjährig verlässliche Fahrtiefen zu ermöglichen, wäre der Bau einer Kette von insgesamt 30 Staustufen zwischen der Sächsischen Schweiz und Geesthacht kurz vor Hamburg. Die Kosten – eine zweistellige Milliardensumme – wären immens. Sie würden den zu erwartenden Nutzen um das Zehnfache über-steigen, wie im Bundesverkehrswegeplan 1992 errechnet wurde. Eine schnelle Lösung für etwaige Transportengpässe wird damit dennoch nicht geschaffen. Die Bauzeit würde mehrere Jahrzehnte dauern. Natur und Landschaft wären die Verlierer – eine Zerstörung gigantischen Ausmaßes. Für den Hochwasserschutz wäre es eben-falls eine Katastrophe. Ein großer Teil der ohnehin knappen Überschwemmungs-flächen wäre überstaut und als Retentionsraum verloren. Die letzten Auen mit ihrer natürlichen Fähigkeit, Wasser wie ein Schwamm aufzunehmen, wären zerstört. Wer kann diesen Weg gehen wollen?

Fehlende Einsicht

Trotz allem: Neben Brandenburg fordern besonders die Länder Hamburg und Sachsen-Anhalt weiterhin laut den Elbeausbau. Nur wie das geschehen soll, bleibt im Dunkeln. Denn mit einer Beseitigung von ein oder zwei Engstellen bei Hitzacker und Coswig bei Dessau, wie immer gefordert, wäre es bei Weitem nicht getan. Führt die Elbe Niedrigwasser, dann fehlt das Wasser auf der gesamten Länge (siehe Grafik auf Seite 15 - Niedrigwassertage).

Die Politik steht vor einer grundlegenden Entscheidung. Man kann nicht alles haben: Ganzjährige Schiffbarkeit UND Erhalt von Natur und Landschaft, wie im Eckpunktepapier des Bundes und der Länder 2013 gefordert, geht an der Wirklichkeit vorbei. Mit dem Gerede um einen Ausbau verbunden mit öko-logischen Verbesserungen versucht man, Fehlinvestitionen der Vergangenheit zu verschleiern - und zukünftig absehbare Fehlinvestitionen zu rechtfertigen. Dabei liegt eines auf der Hand: Die Elbe ist ein erstklassiger Fluss! Aber sie ist besten-falls eine drittklassige Wasserstraße.

5. Trotz allem: Forderungen nach Elbausbau

Die deutschen Flüsse wurden in den letzten 50 - 80 Jahren weitgehend gestaut und kanalisiert. Ihre Auen wurden zerstört und entwertet. Nur die Elbe macht eine Aus-nahme – eine Folge der deutschen Teilung und der Mangelwirtschaft der DDR.

Nach der Wende sollte auch die Elbe ausgebaut werden – zunächst durch Staustufen, dann durch Strombaumaßnahmen. Das Hochwasser 2002 machte den Planern einen Strich durch die Rechnung. Flussausbau war nicht länger mehrheitsfähig. Doch am Ziel, die Elbe ganzjährig befahrbar zu machen, wurde von Politik und Behörden vielfach festgehalten. Es hieß nun nicht mehr Ausbau, sondern Unterhaltung. Eine Täuschung im doppelten Sinne: Zum einen war die Unterhaltung teils wie ein ver-deckter Ausbau, nur ohne Beteiligung der Öffentlichkeit und ohne Klagerecht. Zum anderen führten die Baumaßnahmen nicht zum erklärten Ziel. Die Transporte per Schiff bleiben eindeutig rückläufig.

Und nun doch wieder Ausbau?

Der Freistaat Sachsen hat sich zwar gegen einen Elbausbau ausgesprochen, aber er forderte auch immer wieder die Mindesttiefe von 1,60 m. Wie steht der Freistaat nun zur Elbe, wenn diese Mindesttiefe nicht ohne Ausbau zu machen ist? Auf eine Anfrage der GRÜNEN-Fraktion gibt die Staatsregierung keine klare Antwort, sondern weicht aus23.

23 Antwort der Sächsischen Staatsregierung vom 1. Juli 2013 auf eine Anfrage von G. Kallenbach (Drs. 5/11988)

Bagger bei der sogenannten Unterhaltung im UNESCO Welterbe bei Dessau

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Jahrespressemitteilungen gerne macht, entbehrt jeder faktischen Grundlage.Auch der Schwerguttransport ist kein Argument für die weitere Vertiefung der Elbe. Gerne wird mit dem Transport von Turbinen der Siemens AG in Görlitz mit einem Gewicht von 20 - 300 Tonnen argumentiert. Die weitaus überwiegende Zeit des Jahres können diese Transporte auf der Elbe stattfinden, da dafür nur eine relativ geringe Fahrtiefe benötigt wird.

Intransparente Förderung mit Steuermitteln

Großzügig werden die Häfen mit öffentlichen Fördermitteln durch den Freistaat Sachsen unterstützt. Die Häfen Dresden, Riesa und Torgau wurden und werden ausgebaut. Der seit Jahren defizitäre Hafen Roßlau (Sachsen-Anhalt) wurde zu 49 Prozent durch die Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe GmbH – also im Prinzip durch den sächsischen Freistaat26 – aufgekauft. Die tschechischen Elbehäfen Děčín und Lovosice sind sogar zu 100 Prozent Eigentum einer Tochtergesell-schaft der SBO. Erst nach wiederholtem Nachfragen gab die Sächsische Staats-regierung Auskunft über die Konditionen. Die drei defizitären Häfen kosteten den sächsischen Steuerzahler 3,6 Mio. Euro.27 Damit finanziert der Freistaat Infra-struktur außerhalb der Landesgrenzen.

26 Der Freistaat Sachsen hält 100 Prozent der Anteile der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe GmbH (Drs. 5/11986).27 Antwort der Sächsischen Staatsregierung vom 11. Juli 2013 auf eine Anfrage von G. Kallenbach (Drs. 5/12316)

6. Sachsens Hafeninvestitionen – ein Zuschuss-Geschäft

Alle Jahre wieder herrscht Anfang Februar Betriebsamkeit in den Sächsischen Binnen-häfen Oberelbe GmbH (SBO). Die Umschlagszahlen werden poliert und der Öffentlich-keit präsentiert. Über die Bilanz der GmbH und deren teils sechsstelligen Jahresfehl-beträge hingegen wird sich ausgeschwiegen. Im Jahr 2011 betrug das Minus 541.899,92 Euro, selbst im umsatzstarken Jahr 2010 wurde noch ein Minus von über 35.000 Euro erwirtschaftet24. In den Vordergrund werden angebliche Erfolge beim Schiffsumschlag gerückt. Doch der Eindruck, den Unbefangene gewinnen sollen, dass sich die Hafen-investitionen für den Freistaat lohnen und dass die Schifffahrt in den Häfen boomt, trügt. Abgesehen von normalen Schwankungen, geht mit der Schifffahrt auf der Elbe auch der Schiffsumschlag in den Häfen zurück. Auch die Förderung durch die EU, beispielsweise der Schifffahrtslinie ETS Elbe25, konnte diesen Trend nicht aufhalten.

Sachsens Häfen – mehr Schein als Sein

Im Vergleich mit den anderen Verkehrsträgern LKW und Schiene kann das Schiff nicht mithalten. Nur etwa zehn Prozent der Güter, die in den Häfen Sachsens umgeschlagen werden, gehen über die Kaikante. Die Elbe als „bedeutenden Hinterlandverkehrs-weg“ zwischen den Binnen- und Seehäfen darzustellen, wie es die SBO in ihren

24 https://www.bundesanzeiger.de. Die Höhe der Verluste der SBO liegt im Jahresdurchschnitt bei über 400 000 Euro25 ETS Elbe ist ein Liniendienst für konventionelle Güter über Magdeburg nach Sachsen und Böhmen; http://www.

elbpro.com/seitetypo3/transportloesung.html

Für Schwergut wie Turbinen sind nur geringe Fahrtiefen notwendig. Für deren Transport muss die Elbe nicht vertieft werden.

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Keine Hoffnung für die Elbschiffer durch den Containerverkehr

Auch der Transport von Containern per Schiff dümpelt vor sich hin, trotz Quersub-ventionierung durch die SBO und Anschubfinanzierung der EU. Nach den neuesten Prognosen des Bundesverkehrsministeriums wird es bis zum Jahr 2025 keine Zunahme.der Containertransporte auf der Elbe geben31. Die Häfen der SBO sind längst zu Logistik-zentren geworden. Im Containerbereich hat das umweltfreundlichere Transportmittel Schiene dem LKW den Rang abgelaufen – und das ist doch eine gute Nachricht! Es gibt eine umweltfreundlichere Alternative – und das ist die Schiene32.

31 Keitel, V., Flusskonferenz Magdeburg, 5. März 2013: http://www.flusskonferenz-elbe.wsv.de/dokumentation/Vortraege/Verkehrsweg_Elbe_Volker_Keitel_BMVBS.pdf

32 Eine Dokumentation verschiedenster Kleiner Anfragen der GRÜNEN-Landtagsfraktion zum Thema finden Sie unter: http://www.mobiles-sachsen.de/elbe.html

Keine Kosten-Nutzen-Analyse

Bei der Finanzierung hingegen ist der Steuerzahler gefragt. Mit über 86 Mio. Euro wurden zwischen den Jahren 1995 und 2012 die Häfen durch den Staat bezuschusst und ein Ende ist nicht absehbar28. Am Beispiel des Hafenausbaus in Riesa wurde nach Anfrage der GRÜNEN-Landtagsfraktion offensichtlich, dass der Freistaat keinerlei Kenntnisse über die Wirtschaftlichkeit der Hafeninvestitionen hat. Eine Kosten-Nutzen-Analyse sei nicht bekannt29.

So werden jedes Jahr Mio. für die sächsischen Häfen ausgegeben ohne den Nachweis einer wirtschaftlichen Mittelverwendung. „Eine gesamtwirtschaftliche Wirtschaftlich-keitsuntersuchung auf der Grundlage des Abschnitts Bziff.9.1 der Verwaltungsvor-schriften zu § 7 Sächsische Haushaltsordnung wurde nicht vorgenommen.“30

■ Was künftig anders laufen muss ... Steuermittel müssen wirtschaftlich eingesetzt werden. Auf Basis einer Kosten-Nutzen-Analyse muss die Staatsregierung für die SBO GmbH ein Konzept entwickeln. Die Mittelverwendung der Vergangenheit wie auch der Zukunft muss transparent dargestellt werden.

28 Antwort der Sächsischen Staatsregierung vom 6. Juni 2013 auf eine Anfrage von G. Kallenbach (Drs. 5/11846) sowie Antwort der Sächsischen Staatsregierung vom 12. Juni 2013 auf eine Anfrage von G. Kallenbach (Drs. 5/11984) und vom 5. August 2011 auf eine Anfrage von J. Lichdi (Drs. 5/6314)

29 Antwort der Sächsischen Staatsregierung vom 25. April und vom 26. Juni 2013 auf Anfragen von G. Kallenbach (Drs. 5/11553 und 5/11985)

30 Antwort der Sächsischen Staatsregierung vom 12. Juni 2013 auf eine Anfrage von G. Kallenbach (Drs. 5/11986)

Die Hafenanlagen in Riesa.

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Hamburg nützt das jedoch nichts, denn in Deutschland kann für die Elbe nur eine Fahr-rinnentiefe von 1,20 m bis 1,30 m gewährleistet werden33.

Der Vergleich der Fahrrinnentiefen der frei fließenden tschechischen Elbe und der sich anschließenden deutschen Elbe zeigt, dass die Fahrbedingungen ähnlich sind. Ein Staustufenbau in Děčín würde der Schifffahrt nach Hamburg nichts nützen! Die realen Fahrbedingungen wurden bei den Staustufen-Planungen von Beginn an aus-geklammert. Die tschechischen Planer berufen sich lieber auf einen Brief der Bundes-kanzlerin Angela Merkel vom Juli 2011 an ihren tschechischen Amtskollegen, in dem sie eine frühere Absichtserklärung bekräftigt, wonach eine Tiefe von 1,60 m an der deutschen Elbe gewährleistet werden soll. Doch dafür führt die Elbe seit über 20 Jahren zu wenig Wasser.

■ Was künftig anders laufen muss ... Das Verwirrspiel muss beendet werden. Die Bundesregierung muss der tschechischen Regierung mitteilen, dass die Befahrbarkeit der deutschen Elbe durch Niedrigwasser viel stärker eingeschränkt ist, als bisher zugegeben. Es ist nicht möglich, eine Fahrrinnentiefe von 1,60 m zu gewährleisten, da die dafür notwendigen Wassermengen fehlen.

Tschechische Binnenschiffer würden auf die Elbe ganz verzichten

Die Sinnlosigkeit des Projekts haben sogar die tschechischen Reeder erkannt. Sie haben zu Verstehen gegeben, dass sie sich lieber in Richtung Rhein und anderer europäischer Wasserstraßen orientieren würden. Sie würden sich mit einer Anschubfinanzierung von ca. 25 Mio. Euro zufrieden geben, die tschechische Regierung könnte dann Planungen für die Staustufe Děčín und weitere Wasserbauprojekte einstellen34.

33 Bundesverkehrsministerium, Flusskonferenz am 5. März 2013 in Magdeburg. Siehe dazu auch die Ausführungen zu Niedrigwasser im Kapitel 3.

34 Sächsische Zeitung, 2.8.2011

7. Staustufe Děčín - konstruierter Sachzwang zum Elbausbau

Seit Ende der 1990er Jahre plant die Tschechische Republik den Bau weiterer Elbestau-stufen zwischen der deutsch-tschechischen Grenze und Ústí nad Labem. Die Elbe in Tschechien ist von Pardubice bis Ústí mit 24 Schleusen und Wehren staureguliert, die größtenteils in den 1950er Jahren entstanden sind. Das proklamierte Ziel der neuen Planungen ist es, Tschechien bzw. den Hafen Děčín auf dem Wasserweg an den Hafen Hamburg und die anderen Nordseehäfen verlässlich anzubinden. Die tschechischen Schifffahrtsbedingungen sollen den deutschen angepasst werden. Doch eine offizielle Analyse der Fahrbedingungen auf beiden Seiten der Grenze hat es bislang noch nicht gegeben. Inzwischen wurden die Planungsunterlagen schon viele Male überarbeitet. Die 5. Version ist für Ende 2013 angekündigt.

Aufgrund des Widerstands und der hohen Kosten soll anstatt der bisher geplanten zwei Staustufen vorerst nur eine entstehen. Sie soll bei Děčín, Flusskilometer 98,88 gebaut werden, nur sieben Kilometer von der Grenze zu Sachsen/Deutschland entfernt. Das sei ein Kompromiss; eine weitere Staustufe bei Malé Brezno, die notwendig wäre, um ganz-jährig in Richtung Tschechien zu fahren, könnte ja dann später folgen, ginge es nach den Wünschen der Wasserstraßenlobby. Die Planungen wären auch unkomplizierter, da der Nachbar Deutschland nicht mehr einbezogen werden müsste.

Kein Anschluss hinter dieser Staustufe

Durch das ca. 220 Mio. Euro teure Großbauprojekt der Staustufe bei Děčín soll die tschechische Elbe auf eine Mindesttiefe von 1,90 m gestaut werden. Dabei wird von einer Eintauchtiefe von 1,40 m ausgegangen und 50 cm Flottwasser – also das Wasser zwischen Schiffsboden und Flusssohle - hinzugerechnet. Der Schifffahrt von und nach

Die Staustufe bei Ústí nad Labem zerschneidet Fluss und Landschaft.

Tschechische und deutsche Umweltschützerinnen und Umweltschützer protestieren vor Ort für eine fließende Elbe und gegen die Staustufe Děčín.

Anzahl Schifffahrtstage in den Jahren 2001 - 2007Vergleich der Überschreitungstage von 1,90 m bzw. Tagen, an denen nicht geleichtert werden muss an der tschechischen und am anschließenden Abschnitt der deutschen Elbe. Eigene Darstellung

Datengrundlage: Antwort der Bundes-regierung vom 20. März 2012 auf eine An-frage von Steiner und Cityplan s.r.o. 2011.

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Wirtschaftlicher Vorteil für Tschechien? Fehlanzeige!

Warum hält Tschechien so verbissen an der Staustufe fest? Mit dem Prestigeprojekt wird in der wirtschaftlich schwachen Grenzregion um Děčín die Hoffnung verknüpft, dass zumindest während der Bauzeit Mio. an EU-Fördermitteln ins Land gespült werden. Der Bau der Staustufe soll dabei eine Antriebsfunktion für eine florierende Wirtschaft zukommen. Doch die Enttäuschung ist vorprogrammiert, auch nach dem Bau würde der Schiffsverkehr auf der Elbe kaum zunehmen.

Den Planungen zufolge soll die Wirtschaftlichkeit des Staustufenprojektes mit dem Druck auf fallende Preise für den Schienentransport erreicht werden. Doch das Güter-schiff ist allein schon darum keine Konkurrenz zum Schienentransport, weil die Fahr-bedingungen an der deutschen Elbe nicht verlässlich sind. Doch Planbarkeit ist das A und O im Transportwesen36. Zudem sind seit der Liberalisierung im Schienenverkehr die Preise für den Transport auf der Schiene substanziell gesunken. Sie können durch-aus mit dem Schiff mithalten.

■ Was künftig anders laufen muss ... Der Bedarf und die Wirtschaftlichkeit eines Großprojekts müssen vor dem Planverfahren öffentlich geprüft werden, um Fehlplanungen und Fehlinvestitionen zu vermeiden.

36 Petschow 2009

Staustufenbau – ökologische und touristische Entwertung der böhmisch-sächsischen Schweiz

Die Staustufe Děčín wäre eine ökologische und touristische Entwertung der böhmisch-sächsischen Schweiz, die sich anschickt, zum UNESCO-Weltnaturerbe zu werden. Insbesondere das Wasserkraftwerk als Teil der Staustufe würde den Lebe-wesen im Fluss schaden.

Die Planer jedoch versuchen, die Staustufe als ökologische Verbesserung zu ver-kaufen. Doch eine erhebliche Verschlechterung ist zu erwarten. Die unter strengstem europäischem Schutz stehende Weichholzaue – ein Lebensraum, benannt nach den „weichen“ Gehölzen wie Weiden und Pappeln – würde im Staubereich unter Wasser gesetzt werden und absterben. Die Wasserqualität und der Sauerstoffhaushalt würden sich durch die Stauhaltung verschlechtern, das Algenwachstum verstärkt zunehmen. Davon wäre auch Sachsen betroffen. Die Elbe würde trüber, brauner und schleimiger.

Lachse bedroht

In der Konsequenz wird zudem die biologisch notwendige Wanderung von Fischen und anderer Wasserorganismen erschwert oder sie würde gar im Wasserkraftwerk tödlich enden. Hier spricht auch die sächsische Landesregierung eine deutliche Sprache. Die Rechenabstände sind mit 24 mm viel zu groß geplant, 10 mm sind Stand der Technik. Junge Lachse (Lachssmolts), die sich auf den Weg zum Atlantik machen, werden durch den Rechen nicht aufgehalten und geraten in die Turbinen. Wenn sie nicht gequetscht oder zerstückelt werden, erleiden sie durch die schnellen Druckänderungen innere Ver-letzungen. Aale werden ebenfalls nicht durch die Rechen abgehalten35. Nach geltender Rechtslage der Europäischen Union wäre damit die Staustufe nicht genehmigungsfähig.

35 Stellungnahme des Freistaates Sachsen an das tschechische Umweltministerium vom 3. April 2012 zum Bau einer Elbe-Staustufe bei Děčín anlässlich des grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens.

Noch durchfließt die Elbe eine idyllische Landschaft, doch hier plant die tschechische Regierung den Bau einer weiteren Staustufe.

Wird die Elbe gestaut, verschwinden Sandbänke wie diese.

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als touristisches Ziel, die unverwechselbare Marke, das ausstrahlende Image. Dazu bedarf es einer länderübergreifenden Kooperation, untersetzt vom politischen Willen, mit der Elbe einen neuen Weg im Umgang mit Flüssen einzuschlagen. Wir haben an der Elbe die einzigartige Chance, einen frei fließenden Strom in Mittel-europa zu erleben und diesen für unsere Nachkommen zu bewahren. Dieses Allein-stellungsmerkmal macht die Elbe in Mitteleuropa einzigartig und unverwechselbar.

■ Was künftig anders laufen muss ... Die GRÜNE-Fraktion will die Elbe als den letzten großen noch relativ naturnahen Fluss in Mitteleuropa erhalten und bewahren. In ihrer touristischen Attraktion sehen wir das wirtschaftliche Potenzial der Elbe.

8. Elbe und Flusstourismus

Die frei fließende Elbe ist eine touristische Attraktion ersten Ranges, auch im inter-nationalen Maßstab. Berühmt sind die Nationalparks Böhmische und Sächsische Schweiz. In Kombination mit der Stadt Dresden – Elbflorenz – zieht dieser Raum jähr-lich Hunderttausende von Touristen an. Ohne den frei fließenden Fluss Elbe gäbe es weder die Naturlandschaft noch die Stadtlandschaft in der bekannten Art. Der Arbeitsplatzeffekt und die Wertschöpfung übertreffen die Güterschifffahrt auf der Elbe um Größenordnungen.

Erfolgsstory Elbe-Radweg

Eine überraschend große Anziehungskraft übt der Elbe-Radweg aus, der Aktivtouris-mus mit Bildungstourismus vereint und damit voll im Trend liegt. Laut der Marktstudie „Radreisen der Deutschen“ des Kölner Marktforschungsunternehmens Trendscope aus dem Jahr 2010 gingen 2.446 Arbeitsplätze auf den Radtourismus an der Elbe zurück. Es könne immerhin von einem Bruttoumsatz von 125 Mio. Euro im Jahr 2009 ausgegangen werden. 415.900 Radtouristen waren in dem Jahr allein in Sachsen unterwegs – 61 Prozent mehr als sechs Jahre zuvor. Hinzu kommen die historischen Elbe-Raddampfer, die aufgrund des geringen Tiefganges auch bei Niedrigwasser noch verkehren können. Die der Elbe angepasste Fahrgastschifffahrt, die Weiße Flotte, benötigt keine Elbvertiefung. Ein weiterer Ausbau der Elbe als Wasserstraße für den Güterverkehr würde hingegen die Natur- und Kulturlandschaft irreversibel schädigen.

Die Elbe ist in Mitteleuropa einzigartig und unverwechselbar

Die Potenziale der Elbe liegen eindeutig nicht in der Verkehrsfunktion, sondern in ökologischen, landeskulturellen und touristischen Bereichen sowie im nachhaltigen Hochwasserschutz. Was der Elbe noch fehlt, ist der internationale Bekanntheitsgrad

Beschluss der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN„Hochwasserschutzpolitik in Deutschland braucht einen grundlegenden Wandel. Grüne Vorschläge für einen effektiven Hochwasserschutz“ Gutachten:WWF-Auen-Institut (Rastatt) für die GRÜNE-Land-tagsfraktion Sachsen (August 2012): „Studie zur ökologischen Überprüfung der Hochwasser-schutzstrategie des Freistaates Sachsen“BMU/BfN (2009): „Auenzustandsbericht – Fluss-auen in Deutschland“.Bundesamt für Güterverkehr (2007): „Markt-beobachtung Güterverkehr, Sonderbericht zur Entwicklung des Seehafen-Hinterlandverkehrs“.Grossmann, M., Hartje, V., Meyerhoff, J. (2010): „Ökonomische Bewertung naturverträglicher Hochwasservorsorge an der Elbe. Naturschutz und Biologische Vielfalt“, Heft 89, BfN.Petschow, U. und Wlodarski, W. (2009): „Stand und Potenziale der Elbe-Binnen schiff fahrt und deren wirtschaftliche Wirkungen auf die Elbe-Region“, Schriftenreihe des IÖW 194/09. Broschüren:Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag (2007): „Die Elbe - Flussland-schaft oder Schifffahrtsweg?“Fügner, D. Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (2002): „Sachsens Flüssen mehr Raum geben“.

Sieker, F.: „Wasserrückhalt in der Fläche“, Hochwasserkonferenz 27.11.2002 in Dresden, Freistaat Sachsen. GRÜNE Anträge (Auswahl):Antrag zu Regierungserklärung „Hochwasser 2013: Helfen - wiederaufbauen - schützen. Gemeinsam für Sachsen!“ (Drs. 5/12181)„Sofortige Schaffung von Rückhalteflächen an sächsischen Flüssen“ (Drs. 5/2705)„Umsetzung der europäischen Wasserrahmen-richtlinie in Sachsen“ (Drs. 5/7199)Antrag zur Fachregierungserklärung „10 Jahre nach der Flut - Bilanz und Ziele des Hoch-wasserschutzes im Freistaat Sachsen“ (Drs. 5/9675)alle verfügbar unter: www.mobiles-sachsen.de/5c4e28ba.l empfehlenswerte Links:Aktivitäten der GRÜNEN-Landtagsfraktion Sachsen zu Elbe und Binnenschifffahrt: www.mobiles-sachsen.de/elbe.html BUND-Elbeprojekt: www.elbeinsel.de WWF-Auen-Institut: www.ifgg.kit.edu/1828.php Gesammelte Kleine Anfragen und Antworten der Sächsischen Staatsregierung zum Thema Elbe und Binnenschifffahrt: www.mobiles-sachsen.de/elbe.html

Literatur

Page 17: Lebendiger Fluss oder Wasserstraße?...Euro wurden in den letzten zehn Jahren für den technischen Hochwasserschutz ausgegeben, vor allem um die Deiche zu erhöhen. So sollten die

Diese Publikation dient der Information und darf nicht zur Wahlwerbung eingesetzt werden.

KontaktFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresdenwww.gruene-fraktion-sachsen.de