Leitsatz Der Vierte Teil des GWB und mithin die...

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Leitsatz Der Vierte Teil des GWB und mithin die Bestimmungen über das Nachprüfungsverfahren gelten nicht für einen Auftrag zum Betrieb der BOS-Stelle Digitalfunk im Freistaat Sachsen, da dieser in den Anwendungsbereich des § 100 Abs. 2 lit. d) 2. Variante GWB fällt, der die Geltung der genannten Vorschriften ausschließt. Die 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen ist gemäß § 100 Abs. 2 lit. d 2. Alt. GWB für den Antrag nicht zuständig. 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen bei der Landesdirektion Leipzig 1/SVK/011-09 Beschluss In dem Vergabenachprüfungsverfahren des Freistaat Sachsen, XXXXXX Sachsen, XXXXXX, XXXXXX, XXXXXX; Verfahrensgegenstand: BOS Digitalfunk im Freistaat Sachsen, Betrieb der BOS-Stelle Digitalfunk im Freistaat Sachsen, Vergabe Nr.: BOSST-0277.90 1. XXXXXX, XXXXXX, XXXXXX, gesetzlich vertreten durch die XXXXXX GmbH, diese wiederum vertreten durch die Geschäftsführer, Verfahrensbevollmächtigte: XXXXXX -Antragstellerin- 2. Freistaat Sachsen, vertreten durch die XXXXXX Sachsen, XXXXXX, XXXXXX Verfahrensbevollmächtigte: XXXXXX -Auftraggeber - hat die 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende, Frau Kadenbach, den hauptamtlichen Beisitzer, Herrn Kühne und den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Dr. Gutsfeld am 12.06.2009 beschlossen:

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Leitsatz

Der Vierte Teil des GWB und mithin die Bestimmungen über das Nachprüfungsverfahren

gelten nicht für einen Auftrag zum Betrieb der BOS-Stelle Digitalfunk im Freistaat Sachsen,

da dieser in den Anwendungsbereich des § 100 Abs. 2 lit. d) 2. Variante GWB fällt, der die

Geltung der genannten Vorschriften ausschließt. Die 1. Vergabekammer des Freistaates

Sachsen ist gemäß § 100 Abs. 2 lit. d 2. Alt. GWB für den Antrag nicht zuständig.

1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen bei der Landesdirektion Leipzig 1/SVK/011-09

Beschluss

In dem Vergabenachprüfungsverfahren des Freistaat Sachsen, XXXXXX Sachsen,

XXXXXX, XXXXXX, XXXXXX; Verfahrensgegenstand: BOS Digitalfunk im Freistaat

Sachsen, Betrieb der BOS-Stelle Digitalfunk im Freistaat Sachsen, Vergabe Nr.:

BOSST-0277.90

1. XXXXXX, XXXXXX, XXXXXX, gesetzlich vertreten durch die XXXXXX GmbH,

diese wiederum vertreten durch die Geschäftsführer, Verfahrensbevollmächtigte: XXXXXX

-Antragstellerin-

2. Freistaat Sachsen, vertreten durch die XXXXXX Sachsen, XXXXXX, XXXXXX Verfahrensbevollmächtigte: XXXXXX

-Auftraggeber -

hat die 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen ohne mündliche Verhandlung durch die

Vorsitzende, Frau Kadenbach, den hauptamtlichen Beisitzer, Herrn Kühne und den

ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Dr. Gutsfeld am 12.06.2009 beschlossen:

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1. Der Antrag wird als unzulässig verworfen.

2. Der Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht wird abgelehnt.

3. Die Antragstellerin trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens sowie

die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des

Auftraggebers. Die Verfahrensgebühr wird auf XXXXXX € festgesetzt.

4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Auftraggeber wird für

notwendig erklärt.

I. Mit Vergabebekanntmachung vom 02.08.2008 veröffentlichte der Auftraggeber, die XXXXXX Sachsen, europaweit die beabsichtigte Vergabe des Auftrages „BOS Digitalfunk im Freistaat Sachsen, Betrieb der BOS-Stelle Digitalfunk im Freistaat Sachsen, Vergabe-Nr. BOSST-0277.90“. Die Antragstellerin reichte am 02.09.2008 einen Teilnahmeantrag ein und wurde daraufhin am 30.09.2008 aufgefordert, ein Angebot abzugeben. Dieser Aufforderung kam sie mit Datum vom 24.11.2008 nach und reichte fristgerecht ihr Angebot beim Auftraggeber ein. Am 17.12.2008 wurde sie vom Auftraggeber zu einem Bietergespräch am 23.01.2009 eingeladen. In diesem Schreiben wurden ihr auch ein Fragenkatalog und Preisblätter zugesandt. Der Anlage zum Einladungsschreiben war eine Liste mit 12 Fragen zum Bietergespräch beigefügt, deren Antworten in einer 1,5-stündigen Präsentation vorgestellt werden soll sowie 41 weitere Fragen, die schriftlich zu beantworten waren. Der Fragenkatalog enthielt auch konkretisierte Angaben zur Inbetriebnahme des Leitstellennetzwerkes, auf deren Grundlage die Antragstellerin ihren Angebotspreis überarbeiten sollte. Weiterhin befanden sich in der Anlage eine Preistabelle für den Service-IT-Support und eine Preistabelle für Lieferung/Leistung. Mit Schreiben vom 22.12.2008 wandte sich die Antragstellerin mit zahlreichen Fragen zum Bietergespräch und den neuen Preislisten an den Auftraggeber, welcher diese mit Schreiben vom 06.01.2009 beantwortete. Am 27.01.2009 wurde die Antragstellerin vom Auftraggeber zu einer ersten Verhandlungsrunde eingeladen. Dem Schreiben war eine Anlage beigefügt, in welcher Themen und Fragestellungen aufgelistet waren, welche Gegenstand der Verhandlungen sein sollten. Nach Abschluss der ersten Verhandlungsrunde versandte der Auftraggeber mit Schreiben vom 10.02.2009 einen weiteren Fragekatalog zur Vorbereitung der zweiten Verhandlungsrunde, welche am 05.03.2009 um 9:00 Uhr stattfinden sollte. Die

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Antragstellerin arbeitete die Antworten aus und übersandte diese dem Auftraggeber zum 20.02.2009. Mit Datum vom 03.03.2009 teilte der Auftraggeber der Antragstellerin mit, dass diese nicht Platz 1 belegt habe und deshalb vorerst nicht an den weiteren Verhandlungen beteiligt werde. Mit Rüge vom 03.03.2009 monierte die Antragstellerin gegenüber dem Auftraggeber, dass dieser mit der Einladung zum Bietergespräch einen Katalog von 29 Fragen übermittelt habe wobei für die Antworten maximal 290 Punkte vergeben werden sollten. Aus den Verdingungsunterlagen sei jedoch nicht ersichtlich gewesen, wie die Wertung des Bietergespräches in die Gesamtwertung eingehe. Damit seien Zuschlagskriterien und Gewichtung erst nach Angebotsabgabe bekanntgemacht worden. Es seien mit der Einladung zum Bietergespräch neue Preise für die Kriterien XXXXXX und XXXXXX gefordert worden. Erst auf Anfrage vom 22.12.2008 habe man mitgeteilt, dass die neu abgefragten Preise mit 100 Punkten in die Gewichtung eingingen. Der Auftraggeber habe zudem nach Abgabe der Angebote den Gegenstand der Ausschreibung grundlegend verändert und habe damit gegen den Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Die Leistung des Bieters solle durch so genannte XXXXXX abgesichert werden, wobei nicht ersichtlich sei, nach welchen Kriterien die Wertung des Angebots erfolgen werde. Die Wertungsformel sei nicht geeignet, den mit 40 % zu bewertenden Anteil des Betriebskonzepts entsprechend abzubilden. Mit der Einladung zum Bietergespräch habe der Auftraggeber eine grundlegende Änderung des Personalkonzepts und eine Konkretisierung der Position XXXXXX übermittelt. Im Zuge der weiteren Verhandlungsrunde sei es deshalb zu weitreichenden Änderungen der ursprünglich definierten Anforderungen gekommen. Daher werde die fehlende Vergabereife gerügt. Soweit die Angebotsbedingungen bestimmt hätten, dass im Rahmen des Bietergespräches die einzusetzenden Mitarbeiter mit Hilfe eines Interviews im Hinblick auf die Ausführung des Auftrages, die angebotenen technischen Lösungen und die Prognose der Qualität der Leistungsausführung geprüft werden sollten, so sei dieses Interview nicht durchgeführt worden, wodurch von der vorgegebenen Angebotsbeurteilung abgewichen worden sei. Der Auftraggeber reduziere unzulässig die Mindestforderung nach einem XXXXXX Servicekonzept. Auch die Softwareplattform solle nunmehr nicht mehr auf XXXXXX sondern als XXXXXX fungieren. In den Fragestellungen zur Vorbereitung der zweiten Verhandlungsrunde entfalle jedoch die Preisblattposition XXXXXX und würde durch die Positionen XXXXXX ersetzt. Zudem seien mit dem XXXXXX und der Planung von XXXXXX im Rahmen der Ressourcenverwaltung zwei neue Anforderungen formuliert worden. Die Verdingungsunterlagen beschrieben die Bereitstellung von Diensten mit Hilfe eines XXXXXX. Damit werde ein Finanzierungskonzept mit XXXXXX und keinem Eigentumsübergang zur XXXXXX ausgeschrieben, nunmehr werde ein reines Kaufgeschäft abgefragt.

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Mit Datum vom 20.03.2009 reichte die Antragstellerin zunächst vorab per Telefax bei der erkennenden Vergabekammer einen Antrag auf Vergabenachprüfung ein und beantragte: 1. Diesen Nachprüfungsantrag dem Antragsgegner unverzüglich nach § 110 Abs. 2 GWB

zuzustellen (vorab per Fax) und diesen gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass vor einer Entscheidung der Vergabekammer und dem Ablauf der Beschwerdefrist (§ 117 Abs.

GWB) das Vergabeverfahren nicht fortgeführt werden darf.

2. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Antragstellerin trug vor, der Auftraggeber habe nachträglich veränderte Zuschlagskriterien eingeführt und die Gewichtung der bestehenden Zuschlagskriterien geändert, was einen Verstoß gegen den Transparenzgrundsatz und gegen § 25 a Nr. 1 Abs. 2 VOL/A darstelle. Weiter wiederholte die Antragstellerin ihren Vortrag aus der Rüge, dass aus den Verdingungsunterlagen nicht ersichtlich gewesen sei, wie die Wertung des Bietergespräches in die Gesamtwertung eingehe. Entgegen einer Mitteilung des Auftraggebers, dass ein Zusammenhang mit der Bewertung der Verdingungsunterlagen nicht bestehe und ebenso wenig ein Bezug zur Formel der Angebotsbewertung herzustellen sei, habe dieser jedoch die Wertung des Bietergespräches als Grundlage für seine Entscheidung, die Antragstellerin vom Verhandlungsverfahren zurückzustellen berücksichtigt. Die Erkenntnisse aus der ersten Verhandlungsrunde dürften lediglich zur Prüfung und ggf. Korrektur der Kriterien und der Beurteilung der Wertungsmatrix herangezogen werden. Es sei zur Begründung der Zurückstellung im weiteren Verhandlungsverfahren vom Auftraggeber angegeben worden, die Ursache in der Zurückstellung läge zum erheblichen Teil in der Komplexität des von der Antragstellerin angebotenen Systems und in der von ihr offerierten Struktur der Benutzeroberfläche. Diesbezüglich habe sich die Antragstellerin im Laufe der Verhandlungen nur sehr wenig bewegt, obwohl die Bedeutung der Komponenten und Systeme für den Beschaffungszweck erkennbar groß war und sei. Insbesondere sei ihr vorgeworfen wurden, dass sie sich in Punkto XXXXXX und XXXXXX weniger bewegt habe, als die Konkurrenten. Die große Bedeutung einer einheitlichen Bedieneroberfläche sei aber der Antragstellerin nicht mitgeteilt worden oder bekannt gewesen. Ein entsprechendes Kriterium sei weder der Bekanntmachung noch den Verdingungsunterlagen zu entnehmen gewesen. Der überwiegende Teil der Benutzeroberfläche würde mit dem XXXXXX und dem XXXXXX realisiert, die im Rahmen des Projektes individuelle an die Bedürfnisse des Auftraggebers angepasst würden. Die Antragstellerin habe in der ersten Verhandlungsrunde deutlich

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gemacht, dass die Gestaltungsanforderungen des Auftraggebers ohne Schwierigkeiten umgesetzt werden könnten. Soweit der Auftraggeber die Antragstellerin zurückgestellt habe, weiche er zudem von den getroffenen Festlegungen zum Ablauf des Verhandlungsverfahrens zum Nachteil der Antragstellerin ab. Eine Reduzierung der Teilnehmer nach Verhandlungsbeginn sei nicht vorgesehen gewesen. Eine Reduzierung der Teilnehmer nach Verhandlungsbeginn sei nicht vorgesehen gewesen. Eine diesbezügliche Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften habe die Antragstellerin mit Schreiben vom 03.03.2009 gerügt. Es sei zudem zu vermuten, dass der Auftraggeber bei der Beurteilung des Angebotes der Antragstellerin auftragsfremde Kriterien verwendet habe, denn er habe in seinem Schreiben vom 17.12.2008 in der Ziffer 9 die Frage aufgeworfen, welche Synergieeffekte sich für die BOS-Stelle beim einem einzigen Auftragnehmer für den Betrieb sowie die Lieferung der Systeme XXXXXX und XXXXXX ergeben würden. Es sei deshalb zu befürchten, dass die Vergabe des Loses 1 und des Loses 4 an einen einzigen Bieter in die Wertung eingegangen sei. Dies könne jedoch nur vermutet werden, die Antragstellerin habe hiervon jedoch keine konkrete Kenntnis. Weiter sei darauf hinzuweisen, dass der Auftraggeber die Antragstellerin mit der Einladung zum Bietergespräch gemäß Schreiben vom 17.12.2008 aufgefordert habe, das Preisblatt „Preise für Lieferungen/Leistungen“ auszufüllen. XXXXXX Soweit die Angebotsbedingungen unter Ziffer 12 bestimmt hätten, dass im Rahmen des Bietergespräches die einzusetzenden Mitarbeiter mit Hilfe eines Interviews im Hinblick auf die Ausführung des Auftrages, die angebotenen technischen Lösungen und die Prognose der Qualität der Leistungsausführung geprüft werden sollten, so sei dieses Interview nicht durchgeführt worden, weshalb der Auftraggeber somit von der vorgegebenen Angebotsbeurteilung abgewichen sei. Die Antragstellerin trug weiter vor, der Auftraggeber habe den ursprünglichen Vertragscharakter der Ausschreibung vollständig verändert. Ursprünglich sei die Erbringung festgelegter Dienstsleistungen mit einem definiertem Erfolg, also einem Werkvertrag, geschuldet gewesen. Durch die Änderung des Leistungsgegenstandes nunmehr eine reine Personalbereitstellung. Nach den dargelegten Änderungen sei unklar, welche Leistungen das überlassene Personal ausführen solle.

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Die Antragstellerin legte weiter dar, dass der Auftraggeber die ursprünglich ausgeschriebene Leistung dergestalt verändert habe, dass nunmehr ein Kaufvertrag mit Eigentumsübergang vorgesehen sei. XXXXXX Anstelle einer Mietlösung werde nunmehr eine Kauflösung gefordert. Wäre dieser Umstand bereits bei Angebotserstellung bekannt gewesen, hätte die Antragstellerin ihr Angebot grundlegend anders bearbeiten können. Der Auftraggeber habe in der Ausschreibung ein XXXXXX gefordert. In den Fragestellungen zur Vorbereitung der zweiten Verhandlungsrunde entfalle jedoch die Preisblattposition XXXXXX und würde durch die Positionen XXXXXX ersetzt. Gegenstand der Ausschreibung sei neben der XXXXXX-Dienstleistung auch die Beschaffung und Installation eines XXXXXX gewesen, welches die Aufgabe habe, den XXXXXX XXXXXX Mit Schreiben vom 25.03.2009 zeigten sich die Verfahrensbevollmächtigten für den Auftraggeber an. Mit Begleitschreiben vom 29.03.2009 wurden der Vergabekammer die Vergabeakten übergeben. Dabei wies der Verfahrensbevollmächtigte des Auftraggebers darauf hin, dass die überwiegenden Teile der Vergabeakten sowie der Angebote der Geheimhaltungspflicht gemäß § 111 Abs. 2 und 3 GWB unterlägen. Mit Schreiben vom 31.03.2009 wurde der Auftraggeber-Vertreter von der Vergabekammer aufgefordert, die Versagung der Akteneinsicht bezogen auf die wesentlichen Bestandteile der Vergabeakte zu begründen. Mit Schriftsatz vom 02.04.2009 teilte der Auftraggeber-Vertreter zunächst mit, dass das Akteneinsichtsrecht schon allein deshalb zu versagen sei, da der Vergabenachprüfungsantrag unzulässig sei. Praktisch die gesamten Akten seien nach dem SächsSÜG i. V. m. VSA als „VS- nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichnet. Dies seien bereits per se Gründe dafür, den überwiegenden Teil der Vergabeakten als geheimhaltungsbedürftig einzustufen. Die Teilnehmer des Verfahrens seien verschiedentlich auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Vorgänge hingewiesen worden, was die Antragstellerin bisher unbeanstandet gelassen habe. Mit Schriftsatz vom 07.04.2009 trat die Antragstellerin den Vorträgen des AGs zur Verwehrung der Akteneinsicht entgegen und legte dar, dass der Verweis darauf, dass Akten oder Aktenbestandteile als Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch eingestuft worden

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seien, nicht darauf schließen lasse, dass die Akten insgesamt als geheimhaltungsbedürftig einzustufen seien, da zwischen der Einordnung als Verschlusssache nur für den Dienstgebrauch und einer sonstigen Geheimhaltung zu differenzieren sei. § 3 der Verschlusssachenanweisung sehe vier unterschiedliche Geheimhaltungsgrade vor: streng geheim, geheim, Verschlusssache – vertraulich, Verschlusssache nur für den Dienstgebrauch. Die Einordnung als geheimhaltungsbedürftig sei insoweit gerade nicht durch den Auftraggeber erfolgt. Darüber hinaus sei die Antragstellerin am Verhandlungsverfahren beteiligt gewesen und habe Unterlagen und Informationen erhalten. Insoweit sei es verwunderlich, warum im Nachprüfungsverfahren, welches einen Teil des Vergabeverfahrens darstelle, die Einsicht und Übergabe von Unterlagen nunmehr einer höheren Schutzbedürftigkeit unterliegen sollten. Mit Schriftsatz vom 09.04.2009 nahm der Auftraggeber nunmehr zum Inhalt des Vergabenachprüfungsantrages Stellung und beantragte u. a.: 1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Der Auftraggeber legte zunächst dar, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren um eine innovative Ausschreibung handele, die mit gutem Grund als Verhandlungsverfahren ausgestaltet worden sei. Insoweit verwundere es, dass die Antragstellerin – präkludiert und vor dem Hintergrund ihres eigenen Mitverhandelns rechtlich verwirkt – wesentliche Teile der Konstruktion des Vergabeverfahrens nunmehr angreifen wolle. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Antragstellerin das vorläufige Absageschreiben des AGs am 03.03.2009, 12.49 Uhr erhalten habe und noch am gleichen Tage gegen 17.08 Uhr ein umfangreiches Beanstandungsschreiben dem AG übermittelt habe, so sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin sehr wohl von Beginn des Ausschreibungsverfahrens an sowie in der ganzen Zeit vorher, in welcher sie sich auf das Verhandlungsverfahren eingelassen habe, von der angeblich fehlenden Rechtskonformität des Vergabeverfahrens überzeugt gewesen sei. Dann aber hätte sie diese fehlende Vergaberechtskonformität rügen müssen, was sie doch nicht getan habe, mit der Folge, dass das jetzige Vorbringen nunmehr präkludiert sei. Speziell hinsichtlich der nunmehr monierten angeblichen Abweichung vom Beschaffungsgegenstand und der angeblich nicht vorhandenen Ausschreibungsreife habe sich die Antragstellerin mit ihrem eigenen Schreiben vom 26.02.2009 voll und ganz auf die Modifikationen in der Umsetzung und Konkretisierung des funktionalen Leistungsbeschriebs, welchen sie selbst als Verschiebungen der Anforderungen bezeichne, eingelassen. Noch darüber hinausgehend habe mit Schreiben vom 26.03.2009 die Antragstellerin sogar von sich aus weitere Änderungen angeboten.

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Erst nachdem die Antragstellerin von ihrem vorläufigen Ausscheiden aus dem Verhandlungsverfahren Kenntnis erhielt, habe sie grundsätzliche Kritik an dem gesamten Verfahren geäußert. Dies sei aber ein geradezu klassischer Fall des Spekulierens mit erkannten angeblichen Vergaberechtsverstößen, die vom Gesetzgeber mit einer Präklusion sanktioniert würden. Die weiteren sonstigen Gesichtspunkte außerhalb der Ausschreibungsreife, also die Handhabung des Verhandlungsverfahrens, die Bewertungsformel, die Einführung angeblich neuer Zuschlagskriterien, die angeblich auf-tragsfremden Kriterien sowie der Verzicht auf Mitarbeiterinterviews betreffend, würde nachgeschoben. Auch diesbezügliches Vorbringen sei daher verfristet. Dezidiert legte der Auftraggeber im Nachfolgenden dar, dass das Vorbringen einer angeblich fehlenden Vergabereife spätestens seit dem Ende der Teilnahmefrist vom 03.09.2008, 24.00 Uhr verfristet und damit i. S. des § 107 Abs. 2 Satz 3 GWB präkludiert sei. Die Funktionalität, d. h. die funktionale Leistungsbeschreibung sei bereits der EU-Vergabebekanntmachung vom 02.08.2008 zu entnehmen gewesen. Insoweit verhalte sich die Antragstellerin widersprüchlich, wenn sie einerseits erkennen lasse, dass sie die angebliche Abweichung vom ausgeschriebenen Ausschreibungsgegenstand sowie die angeblich fehlende Vergabereife bereits mit Übersendung des Fragenkataloges für das Bietergespräch am 23.01.2009 nach dem 17.12.2008 bemerkt habe, andererseits jedoch auch behaupte, dass sie angeblich erst später das vollständige Ausmaß der Änderungen erkannt habe und dies erst am 03.03.2009 beanstandet habe. Diese Einlassung lasse erkennen, dass die Bereitschaft zur Be-anstandung dieser Gesichtspunkte von ihrer Positionierung im Wertungsverfahren abhängig war. Unter Verweis auf eine Entscheidung der Vergabekammer Berlin (VK Berlin, B. v. 31.05.2000, VK B 2/15/00) vertrat der Auftraggeber die Auffassung, dass die Antragstellerin die monierten vergaberechtswidrigen Abweichungen spätestens im Zuge der Bietergespräche hätte rügen müssen. Speziell seien deshalb sowohl die angeblich unzulässige Änderung im Personalkonzept als auch erst recht diejenigen Gesichtspunkte, die erstmals vertiefend in der Begründung zum Nachprüfungsantrag vom 20.03.2009 beanstandet wurden, namentlich die angebliche Änderung des generellen Auftragsgegenstandes, der angebliche Verzicht auf Leistungen nach XXXXXX-Prozessen, die angebliche Änderung der Bereitstellung der Soft- und Hardware, die Änderung der XXXXXX, die angebliche Änderung der Lizenz für das nutzereigene XXXXXX präkludiert. Soweit die Antragstellerin die angeblich fehlerhafte Bewertungsformel rüge, so sei ihr diese bereits mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe bekannt gegeben worden. Auch die Struktur des Verhandlungsverfahrens sei bereits aus der EU-Bekanntmachung vom 02.08.2008 bekannt gewesen, so dass bezüglich beider Punkte eine Präklusion eingreife.

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Ebenso sei der Vortrag präkludiert, mit welchem sich die Antragstellerin gegen die Einbe-ziehung der Ergebnisse des Verhandlungsgespräches wende. Dies sei nämlich in den Verdingungsunterlagen klar geregelt gewesen. Ähnlich verhalte es sich mit dem Monitum der angeblich neuen Zuschlagskriterien. Auch hier sei der Sachverhalt der Antragstellerin lange bekannt gewesen. Im Übrigen hätten die von der Antragstellerin angeführten 29 Fragen die Zuschlagskriterien lediglich konkretisiert. Vor dem Hintergrund, dass von der Antragstellerin für die Verhandlungsrunde am 03.03.2009 ausdrücklich eine Präsentation zu den Themen XXXXXX aufgefordert wurde, sei das entsprechende jetzige Vorbringen präkludiert sei und darüber hinaus auch rechtlich verwirkt. Weiter führte der Auftraggeber an, die Antragstellerin sei auch mit dem Vortrag einer angeblichen Änderung der ausgeschriebenen Leistungen präkludiert, dass das Personal-konzept im Zuge der Verhandlung vom Auftraggeber vorgegeben wurde. Dies sei der Antragstellerin seit längerem bekannt. Auch der Vortrag hinsichtlich der angeblich auftragsfremden Kriterien sei präkludiert, ebenso der Vortrag, dass das Verfahren XXXXXX und das hier zu beurteilende Verfahren in Sachen Vergabe des Betriebes zusammenhänge und der Vorwurf dass auf die Durchführung von Mitarbeiterinterviews verzichtet werde, was die Antragstellerin erst im Beanstandungsschreiben vom 03.03.2009 moniert habe. Dieser Umstand sei insbesondere deshalb präkludiert, weil sich die Antragstellerin auf diesen Verzicht bereits beanstandungsfrei eingelassen habe. Aus dem Gesichtspunkt heraus, dass sich im Laufe des Verfahrens herausgestellt habe, dass die angebotenen Personalkonzepte für die funktional beschriebenen Leistungen wenig optimal seien, habe der Auftraggeber ein Personalkonzept vorgegeben, so dass die Mitarbeiterinterviews überflüssig geworden seien. Dieser Umstand bilde den sachlichen Grund für die Modifikation, die im Übrigen alle Bieter gleichermaßen betroffen habe. Unter Verweis auf Entscheidungen der Vergabekammer Thüringen (VK Thüringen, B. v. 18.12.2008, 250.4003.20-5944/2008-030) und Vergabekammer Düsseldorf, B. v. 21.01.2009 (VK 43/08/L) wies der Auftraggeber daraufhin, dass infolge der dargelegten Präklusion das Vergabeverfahren unter Auslassung der präkludierten Umstände weiterzuführen sei. Hinzu käme, dass sich die Antragstellerin im Verhandlungsverfahren auf die Ausschreibungs-bedingungen eingelassen habe, welche sie zu spät gerügt habe, mit der Rechtsfolge, dass zu-sätzlich zur Präklusion der monierten Umstände auch eine Verwirkung dieser Tatbestände einträte. Speziell beträfe dies die Umstände a) angeblich fehlende Vergabereife b) angeblich fehlerhafte Bewertungsformel

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c) Handhabung des Verhandlungsverfahrens d) Einführung angeblich neuer Zuschlagskriterien e) angebliche Änderung der ausgeschriebenen Leistungen f) Verwendung angeblich auftragsfremder Kriterien g) Verzicht auf Mitarbeiterinterviews. Mit Schriftsatz vom 20.04.2009 beantragte der Auftraggeber, den im Nachprüfungsbegehren der Antragstellerin vom 20.03.2009 enthaltenen Antrag auf Akteneinsicht, auch in Unterlagen des Teilnahmewettbewerbes zurückzuweisen. Das Nachprüfungsbegehren sei unzulässig, weshalb eine Akteneinsicht ausscheide. Darüber hinaus seien die Akten aufgrund des Geheimschutzes im Sinne des § 111 Abs. 2 1. Alternative GWB zu versagen. So sei bereits in den Verdingungsunterlagen unter Anlage 001 Vertraulichkeitsvereinbarung VVB; Anlage 002 Merkblatt zur Behandlung von Verschlusssachen (VS) MBV sowie 0.09 und 0.10 und 016 darauf hingewiesen worden, dass es sich um geheimhaltungsbedürftige Unterlagen handelt, die Verschlusssachen darstellen würden. Die Bieter seien mithin verpflichtet, die Verschlusssachen im Sinne des § 4 SÜG als VS – Nur für den Dienstgebrauch - zu behandeln. Darüber hinaus sei in den Verdingungsunterlagen explizit unter Punkt 2.12 ausgeführt worden, dass die gesamte Ausschreibung als VS – NfD – eingestuft sei. Betriebs- und Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 111 Abs. 2 zweite Alternative lägen sowohl für den Freistaat Sachsen vor, als auch für die anderen öffentlichen Auftraggeber, welche die betreffenden Leistungen noch in naher Zukunft ausschreiben würden, sowie für die am Vergabeverfahren betroffenen Unternehmen. So sei mittlerweile durch die Rechtsprechung (VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14.06.2005, VK 16/05) entschieden worden, dass durch die Geheimschutzbestimmungen nicht nur der aktuelle, sondern auch der künftige gleichartige Wettbewerb durch die Versagung der Akteneinsicht geschützt werde. Die Bundesanstalt für den Digitalfunk (BDBOS) sei gemäß § 6a der Sicherheitsüberprüfungsfeststellungsverordnung als lebenswichtige Einrichtung eingestuft worden. XXXXXX. Mit Schriftsatz vom 28.04.2009 teilte der Auftraggeber mit, vorliegend sei die sogenannte Bereichsausnahme des § 100 Abs. 2 lit. d GWB 2005 anwendbar. Auf diese könne sich der Auftraggeber auch nachträglich berufen. Die Bestimmung sei auch in solchen Fällen anzuwenden und seitens der Vergabekammer als zwingendes Recht zu beachten, in denen tatsächlich eine formale Ausschreibung vorgenommen worden sei. Insoweit verwies der Auftraggeber auf die Entscheidung der Vergabekammer des Bundes (B. v. 03.02.2006, VK 1-1/06) und nahm Bezug auf Artikel 14 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18 EG.

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Damit unterliege die Bestimmung sowohl nach europäischem als auch nach deutschem Recht nicht der Disposition des öffentlichen Auftraggebers. Zwar sei eine offizielle Geheimerklärung des Beschaffungsvorganges im Sinne des § 100 Abs. 2 lit. d Alternative 1 GWB seitens des Auftraggebers noch nicht vorgenommen worden. Die Geheimhaltungsstufen „streng geheim“ oder „geheim“ gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 des Sächsischen SächsSÜG, das parallel zu dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz des Bundes ausgestattet sei, lägen derzeit noch nicht vor. Dies schließe allerdings prinzipiell nicht aus, dass eine solche Geheimerklärung vorgenommen werde bzw. noch vorgenommen werden müsse. Insoweit seien auch Sachverhalte, die der zukünftigen Geheimerklärung unterlägen, auf diese Rechtssituation hin orientiert zu bewerten. Im vorliegenden Fall habe der Auftraggeber bereits im April 2008 unter Verweis auf XXXXXX festgelegt, dass für das Verfahren „Betrieb“ und das Verfahren „Leitstellen“ eine Höherstufung im Hinblick auf die Geheimhaltung erforderlich sei bzw. zukünftig erforderlich werde. Jedenfalls seien die Voraussetzungen des § 100 Abs. 2 lit. d, 2. Alternative GWB gegeben. Dies sei vorliegend bereits deshalb einschlägig, da eine Sicherheitsüberprüfung nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) vorzunehmen sei. Insoweit habe der Auftraggeber bereits in der Ausschreibung auf die Erforderlichkeit einer Sicherheitsüberprüfung hingewiesen. Zudem sei im Verfahren „Betrieb“ bereits in der Veröffentlichung zum Teilnahmewettbewerb unter Punkt III.2.1. als Bedingung eine Erklärung zur Zusicherung der erweiterten Sicherheitsüberprüfung für eingesetzte Mitarbeiter entsprechend § 9 SächsÜG gefordert worden. XXXXXX In prozessualer Konsequenz sei deshalb der streitgegenständliche Vergabenachprüfungsantrag insgesamt mangels Anwendbarkeit der Vorschriften des 4. Teils des GWB unzulässig und sei deshalb als unstatthaft zu verwerfen. Mit Schriftsatz vom 04.05.2009 ergänzte und vertiefte die Antragstellerin ihr bisheriges Vorbringen. Sie wandte sich dagegen, dass der Auftraggeber ihrer Meinung nach durch die Verwendung von Begriffen wie innovative Ausschreibung, Dynamik, etc. davon ablenke, dass vorliegend im Verlaufe des Verhandlungsverfahrens ein anderer Gegenstand beschafft werden solle. Ausgeschrieben sei der Betrieb eines Rechenzentrums. Der Umfang der eigentlich geschuldeten Leistung lasse sich der funktionalen Beschreibung des Projektes (Anlage II.1) und der Leistungsbeschreibung (Anlage II.2) entnehmen. Daraus ergebe sich, dass ein bereits bundeseinheitlicher Standard und die Systemtechnik durch die XXXXXX GmbH geliefert würden, sodass es vorliegend nicht um die neue Entwicklung einer

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innovativen Lösung gehe, sondern lediglich um die Umsetzung bereits bestehender Standards. Die Bieter sollten entsprechend der Ausschreibung vier verschiedene Leistungen erbringen: XXXXXX Im Weiteren vertiefte die Antragstellerin ihren bisherigen Vortrag hinsichtlich der geltend gemachten Rügen und der ihrer Meinung nach zu gewährenden Akteneinsicht. Die Bereichsausnahme des § 100 Abs. 2 greife nicht ein. Bisher sei keine Geheimhaltungserklärung erfolgt. Die Voraussetzungen der Bereichsausnahme nach § 100 Abs. 2 lit. d GWB lägen nicht vor. Der Auftraggeber habe alle Umstände bereits vor Einleitung des Vergabeverfahrens gewusst. Sofern man tatsächlich dazu käme, dass sich nachträglich die Sicherheitsanforderungen geändert hätten, könne der Auftraggeber nicht das Verfahren weiterführen wie bisher. Es müsse daher eine Aufhebung nach § 26 Nr. 1 lit. b VOL/A erfolgen. Mit Schreiben vom 07.05.2009 erteilte die Vergabekammer den Beteiligten einen rechtlichen Hinweis. Nach vorläufiger, nicht abschließender Rechtsauffassung erscheine der Vergabenachprüfungsantrag nicht statthaft weshalb die Vergabekammer erwäge, diesen ohne mündliche Verhandlung als unzulässig zu verwerfen. Die Zuständigkeit der Vergabekammer scheine nach § 100 Abs. 1 GWB i.V.m. § 100 Abs. 2 d) GWB nicht gegeben zu sein. Die Befugnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergäbe sich insoweit aus § 112 Absatz 1 Satz 2 GWB. Mit Schriftsatz vom 12.05.2009 äußerte die Antragstellerin mit, sie teile nicht die vorläufige Rechtsauffassung der Vergabekammer. Unabhängig davon stehe der Antragstellerin auch im Namen der Auseinandersetzung um die Reichweite eines Ausnahmetatbestandes ein Akteneinsichtsrecht zu, da sie anderenfalls die Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestandes nicht prüfen könne. Es dürfe auch nicht auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werden, da komplexe und weitgehend ungeklärte Sachverhalte der Entscheidung der Vergabekammer zu Grunde gelegt werden sollten. Bei ihrer Rechtseinschätzung lasse die Vergabekammer die aktuellen Entscheidungen des EuGH (08.04.2008, RS.C-337/05 und vom 02.10.2008 RS.C-157/06,) unberücksichtigt. Hierin betrachte der EuGH den Anwendungsbereich der Ausnahmetatbestände eindeutig als ultima ratio. Die Vergabekammer gehe unzutreffend davon aus, dass Beschaffungsgegenstand Aufbau und Betrieb des BOS-Digitalfunk seien. Die Antragstellerin bewerbe sich um XXXXXX. Insoweit verwies die Antragstellerin auch auf die Entscheidung der VK Mecklenburg-Vorpommern vom 11.01.2007 (2-VK-11/06). Hierbei ginge es um die Modernisierung der Leitstellen der Polizei vor dem G8-Gipfel in Heiligen-damm. Zu keinem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens habe der Auftraggeber die Absicht einer

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Geheimerklärung und das Vorliegen von Sicherheitserfordernissen geäußert. Hierzu werde erst über einen Monat nach Einreichen des Nachprüfungsantrages vorgetragen. Auch vergleichbare Ausschreibungen habe der Auftraggeber ohne Hinweis auf Geheimhaltung vergaberechtlich ausgeschrieben. Dem Schriftsatz des Auftraggebers vom 28.04.2009 sei zu entnehmen, dass keine vollständige Vergabeakte vorgelegt worden sei, da nunmehr ein Protokoll vom 19.04.2008 vorgelegt würde, das nicht in den Vergabeakten enthalten gewesen sei. Die Antragstellerin vertiefte ihre Begründung zur Gewährung der Akteneinsicht. Des Weiteren sei nach § 112 GWB eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Vorliegend sei selbst nach Ansicht der Vergabekammer der Antrag lediglich unstatthaft, für einen solchen Fall sehe aber § 112 GWB kein Absehen von der mündlichen Verhandlung vor. Es handele sich bei den vorliegenden Ausschreibungen um XXXXXX Die genannte Bereichsausnahme läge nicht vor. Insoweit verwies die Antragstellerin auf Artikel 14 der Richtlinie 2004/18/EG vom 31.03.2004 sowie auf den Erwägungsgrund 22 der Vergabekoordinierungsrichtlinie (2004/18/EG). Die Bezugnahme sei auf die entsprechenden Sicherheitsinteressen kein Automatismus und müsse jeweils fallweise begründet werden. Die Inanspruchnahme solcher nationaler Ausnahmeregelungen sei nur dann gerechtfertigt, wenn diese notwendig seien, um das Ziel, nämlich den Schutz von geltend gemachten wesentlichen Sicherheitsinteressen, zu erreichen. Die Beweislast liege hier bei jeweils dem Mitgliedsstaat, der sich auf die Ausnahmeregel berufe. Insoweit könne die Regelung des § 100 Abs. 2 lit. d GWB nicht losgelöst von seiner europäischen Zielsetzung betrachtet werden. Diesbezüglich verwies die Antragstellerin im Weiteren auf die bereits zitierte Rechtsprechung des EuGH vom 08.04.2008. Die Notwendigkeit, eine Geheimhaltungspflicht vorzusehen hindere danach keineswegs an einer Auftragsvergabe im Ausschreibungsverfahren. In dem genannten Fall sei damit die Ausnahme vom Gemeinschaftsrecht unverhältnismäßig gewesen. Damit sei die Sicherheits- und Geheimhaltungsausnahme ultima ratio. Die Vergabestelle habe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten und deshalb diejenige Art der Vergabe zu wählen, welche die geringstmögliche Einschränkung für die Bieter mit sich bringe. Vor der Anwendung eines Ausnahmetatbestandes müsse die Vergabestelle, die ihr vergaberechtlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, die Weitergabe sicherheitsrelevanter Informationen zu beschränken. Demnach habe die Vergabestelle im Einzelnen vorzutragen und zu begründen, welche Sicherheitsinteressen betroffen seien und aus welchen Gründen sie ihre Interessen nicht anders schützen könne als durch einen Verzicht auf die Durchführung eines Vergabeverfahrens. Im Weiteren sei auch keine Geheimerklärung nach § 100 Abs. 2 d, erste Alternative GWB, durch den Auftraggeber erfolgt.

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Durch die Einstufung als VS – nur für den Dienstgebrauch liege eine solche Geheimerklärung nicht vor. Auch wenn ggf. künftig eine höhere Geheimhaltungsstufe für die Ausführungen des Auftrags vorgesehen sein sollte, so sei bislang in den Vergabeakten noch nichts diesbezüglich erfolgt. Soweit sich der Auftraggeber auf das Protokoll Anlage AG 2 zum Schriftsatz des Auftraggebers vom 28.04.2009 beziehe, dass eine Einstufung VS – vertraulich oder geheim erwartet werde, so sei die Verwertung dieses Protokolls unzulässig, da dieses Protokoll nicht Teil der Vergabeakte sei und Dokumentationsmängel zu Lasten des Auftraggebers gingen. Darüber hinaus betreffe das Protokoll nur das Ausschreibungsverfahren XXXXXX. Das Nachprüfungsverfahren Betrieb werde davon nicht berührt. Des Weiteren sei die Forderung der Bereitschaft zur Sicherheitsüberprüfung kein Indiz für die Geheimhaltung, da bei vielen sicherheitsrelevanten Verfahren dieses in Betracht käme, in denen eine Ausschreibung erforderlich sei. Darüber hinaus hätte die Vergabekammer prüfen müssen, ob die von ihr angenommene Geheimerklärung mit den einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften übereinstimme. Insoweit verwies die Antragstellerin auf verschiedene Entscheidungen von Vergabekammern sowie des Oberlandesgerichtes Schleswig, die sich mit Ausschreibungen von Leitstellen, Notrufabfrage, Funkvermittlungssystemen sowie weiteren BOS-relevanten Kommunikationssystemen befassten. Hier seien die Beschlussgremien jeweils von der Anwendbarkeit des Vergaberechts ausgegangen. Darüber hinaus verwies die Antragstellerin auf die Entscheidung der Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern (B. v. 11.01.2007, 2 VK 11/06). Dieser Fall sei mit den vorliegenden Konstellationen vergleichbar und dort sei man dazu gekommen, dass die Voraussetzungen der Bereichsausnahme nach § 100 Abs. 2 lit. d GWB nicht vorlägen. Gleiches gelte für die zweite Alternative. Das Vorliegen einer einfachen oder erweiterten Sicherheitsüberprüfung nach § 8 bzw. 9 SÜG lasse nicht den Schluss zu, dass damit der Auftrag automatisch dem Vergaberecht entzogen wäre. Insoweit bezog sich die Antragstellerin auf die Rechtsprechung des EuGH vom 08.04.2008 (RS.C-337/05). Des Weiteren sei auch ausgeschlossen, dass ein Auftraggeber im Laufe eines Vergabeverfahrens oder im Zuge eines Vergabenachprüfungsverfahrens nachträglich sich auf die Ausnahmebestimmungen des § 100 Abs. 2 lit. d GWB berufe. Darüber hinaus sei vorliegend nicht von einer Verhältnismäßigkeit auszugehen. Daher könne die von der Vergabekammer geäußerte Rechtsauffassung keinen Bestand haben. Mit Schriftsatz vom 19.05.2009 erwiderte der Auftraggeber auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 12.05.2009 und monierte, dass die Antragstellerin den Beschaffungsgegenstand nicht verstanden habe und erläuterte nachfolgend, was im Verfahren ”Betrieb” wirklich beschafft werde. XXXXXX

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Die gesetzliche Grundlage hierfür sei das SächsSÜG in Zusammenhang mit der Verschlusssachen-Anweisung der Sächsischen Staatsregierung (VSA) sowie der Sicherheitsleitlinie für Digitalfunk und Leitstellen der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben im Freistaat Sachsen. XXXXXX Von größter Wichtigkeit sei neben der Genauigkeit und Verfügbarkeit auch die Vertraulichkeit von Informationen. XXXXXX XXXXXX Aus diesem Grunde sei auch die Bereichsausnahme des § 100 Abs. 2 Lit. d GWB einschlägig. Dabei komme es, wie die Kammer ausgeführt habe, nicht auf ein Sich-Berufen des Auftraggebers an, sondern das Vorliegen der Bereichsausnahme sei von Amtswegen zu beachten. Insoweit sei es auch irrelevant, dass der Auftraggeber sich erst ca. einen Monat nach Beginn des Vergabenachprüfungsverfahrens schriftsätzlich auf diese Bereichsausnahme berufen habe. Weiter wandte sich der Auftraggeber gegen den Vorwurf eines Dokumentationsmangels und wies darauf hin, dass das als Anlage AG2 eingereichte Protokoll keine ”Verfahrensstufe” oder eine ”Maßnahme” darstelle, welche nach § 30 Nr. 1 VOLA zu protokollieren gewesen wäre. Desweiteren ging der Auftraggeber abermals sich vertiefend darauf ein, dass der Auftraggeberin die Akteneinsicht zu verweigern sei und eine mündliche Verhandlung zu unterbleiben habe und setzte sich abschließend dezidiert mit denjenigen Entscheidungen auseinander, die die Antragstellerin angezogen hatte, um zu begründen, dass das streitgegenständliche Vergabeverfahren nicht unter die Bereichsausnahme nach § 100 GWB falle.

II. Der Nachprüfungsantrag ist nicht statthaft.

Der Vierte Teil des GWB und mithin die Bestimmungen über das Nachprüfungsverfahren

gelten nach Auffassung der Vergabekammer nicht für den verfahrensgegenständlichen

Auftrag, da dieser in den Anwendungsbereich des § 100 Abs. 2 lit. d) 2. Variante GWB fällt,

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der die Geltung der genannten Vorschriften ausschließt. Die Voraussetzungen des § 100 Abs.

2 lit. d) 2. Variante GWB, wonach die Ausführung des fraglichen Auftrags nach

innerstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften besondere Sicherheitsmaßnahmen zu

erfordern hat, sind im vorliegenden Fall gegeben. Im vorliegenden Fall erfordert Nr. 2.11. der

Beschreibung des Ausschreibungsverfahrens die Ausführung des streitgegenständlichen

Auftrags eine Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 9 SächsSÜG der mit der Ausführung

betrauten Personen. Damit ist also eine besondere Sicherheitsmaßnahme im Sinne des § 100

Abs. 2 lit. d) 2. Var. GWB gefordert.

Die 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen ist mithin gemäß § 100 Abs. 2 lit. d 2. Alt.

GWB für den Antrag nicht zuständig.

1. Allgemeines Klarzustellen ist zunächst, dass es nach dem Wortlaut des § 100 Abs. 2 GWB auf die benannten Voraussetzungen des Auftrags und nicht auf die Voraussetzungen des reinen Vergabeverfahrens ankommt. Danach sind Aufträge in folgenden drei Fällen von der Anwendung der §§97ff. GWB ausgenommen:

1. Aufträge, die in Übereinstimmung mit den Rechts- und Verwaltungsvorschriften in der Bundesrepublik Deutschland für geheim erklärt werden

2. Aufträge, deren Ausführung nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften in der Bundesrepublik Deutschland besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordert

3. der Schutz wesentlicher Interessen der Sicherheit des Staates gebietet die Nichtanwendung des Vergaberechts.

2. Von Amts wegen zu prüfender Ausnahmetatbestand des § 100 Abs. 2 GWB Von Amts wegen (vgl. VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.11.2006, VK-SH 25/06) war zunächst zu prüfen, ob eine der in § 100 Abs. 2 GWB bzw. den Art. 14 der Richtlinie 2004/18/EG normierten Bereichsausnahmen im Hinblick auf die Vergabe von Aufträgen für die hier in Rede stehenden Verträge einschlägig ist. Liegt nämlich ein Ausnahmetatbestand des § 100 Abs. 2 GWB vor, ist das Vergabeverfahren

einem Primärrechtsschutz der am Verfahren beteiligten Bewerber insoweit - und dann auch

insgesamt - entzogen, als es um die Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren

geht. Der den Bietern eröffnete Rechtsschutz ist in solchen Fällen auf eine Kontrolle durch

die Nachprüfungsinstanzen darauf beschränkt, ob die Voraussetzungen des

17

Ausnahmetatbestands von der Vergabebehörde zutreffend angenommen worden sind. Der

Ausnahmenkatalog in § 100 Abs. 2 GWB ist grundsätzlich als abschließende Aufzählung zu

verstehen (Bundestagsdrucksache 13/9340 z. VgRÄG, S.15), es bleibt kein Raum, über

unterhalb des Europa- und Bundesrechts angesiedelte Bestimmungen weitere Ausnahmen von

der Anwendung des Vergaberechts zu schaffen (EuGH, Urteil vom 13.01.2005, C-84/03;

EuGH, Urteil v. 17.11.1993 - Rs. C-71/92 , OLG Düsseldorf, B. v. 19.12.2007, Verg 51/07

(vgl. VK Sachsen, Beschlüsse vom 26.03.2008, 1/SVK/004-09 und 1/SVK/005-09). Bereits

aus dem Wortlaut des Gesetzes („gilt nicht“) ergibt sich zudem, dass die Unterwerfung unter

den Anwendungsbereich des § 100 Abs. 2 GWB nicht zur Disposition des öffentlichen

Auftraggebers steht (1. VK Bund, B. v. 30.05.2008, VK 1-48/08). Es kommt somit im

vorliegenden Fall nicht darauf an, ob der Auftraggeber die streitgegenständliche Vergabe in

Kenntnis oder Unkenntnis der Anwendbarkeit des GWB durchgeführt hat oder ob sich der

Auftraggeber sogar – wie die Antragstellerin meint – willentlich für die Anwendbarkeit des 4.

Teils des GWB entschieden hat, da ihm ohnedies hinsichtlich der Anwendbarkeit der

Bereichsausnahme kein „Ermessen“ zusteht ( so auch VK Bund, B. v. 26.01.2006, VK 1, 01 /

06; B. v. 03.02.2006 VK 1 - 01 / 06 sowie B. v. 12.12.2006, VK 1 - 136 / 06).

3. Anwendbarkeit des § 100 Abs. 2 lit. d) 2. Alt. GWB Vor dem Hintergrund, dass im zu entscheidenden Verfahren Geheimhaltungs- und Sicherheitsinteressen des Bundes als auch des Freistaates Sachsen zu schützen sind, ist die Rechtsfolge, dass das Vergabeverfahren von der Geltung des vierten Teils des GWB ausgenommen ist, keinesfalls als unverhältnismäßig zu beanstanden.

Nach § 100 Abs. 2 lit. d) 2. Alt. GWB gilt der 4. Teil des GWB nicht für Aufträge, deren Ausführung besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordern, die auf innerstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften basieren. Dabei obliegt die Entscheidung, ob die Ausführung eines Auftrags besonderen Sicherheitsanforderungen zu unterwerfen ist und die Bestimmung der konkret einzuhaltenden Sicherheitsanforderungen den national zuständigen staatlichen Stellen (vgl. EuGH, Urteil v. 16.10.2003 a.a.O.). Der Rechtsschutz ist in solchen Fällen auf eine Kontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen beschränkt, ob die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands von der Vergabebehörde zutreffend angenommen worden sind und darauf, ob es sich es sich bei den Vorschriften, die der Ausführung des Auftrags zugrunde liegen, um Sicherheitsvorschriften im Sinne von § 100 Abs. 2 lit. d) 2. Alt. GWB handelt. Ist dies zu bejahen, ist das zu überprüfende Verfahren dem

18

Zuständigkeitsbereich der Vergabekammer entzogen. Eine andere Auslegung lassen der Wortlaut von § 100 Abs. 2 GWB und der Normzweck nicht zu (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.12.2004 - Verg 101/04). Eine differenzierende Lösung – voller Rechtsschutz in einer sog. „Vertragsanbahnungsphase“ und kein Rechtsschutz lediglich in der „Beauftragungsphase“, die mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe beginnt – ist weder durch den Wortlaut noch den Zweck der Norm gerechtfertigt oder geboten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.3.2005,VII Verg 10 10/04). a) Nach geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften erforderliche Sicherheitsmaßnahmen Die Anwendbarkeit von §100 Abs. 2 lit. d Var. 2 GWB setzt voraus, dass ein Auftrag vorliegt, dessen Ausführung nach den in Deutschland geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordert (vgl. Ziekow a.a.O.). Die Anwendung dieser Variante ist von einer Handlung des Auftraggebers unabhängig. Sie greift bereits dann ein, wenn die Tatbestandsmerkmale objektiv vorliegen, d.h. Rechts- und Verwaltungsvorschriften besondere Sicherheitsmaßnahmen vorgeben. Dies gilt selbst in der Konstellation, dass der Auftraggeber auf die Sicherheitsmaßnahmen verzichten will und eine Ausschreibung vornimmt. Die besonderen Sicherheitsmaßnahmen müssen jedoch durch ein relevantes Sicherheitsinteresse legitimiert werden. Nach Auffassung der erkennenden Vergabekammer wäre der wiederholt vorgetragene und antragstellerseits bestrittene Einwand des Auftraggebers, Vergaberecht sei wegen der Erforderlichkeit besonderer Sicherheitsmaßnahmen nicht einschlägig dann nicht vergabefehlerhaft, wenn sich diese Entscheidung auf Rechts- oder Verwaltungsvorschriften i. S. von §100 Abs. 2 lit. d Var. 2 GWB tatsächlich stützen lässt. Nach herrschender Rechtsprechung zählen zu diesen Vorschriften alle Bestimmungen, die unmittelbar oder mittelbar dem Schutz staatlicher Sicherheitsinteressen dienen. Nach einschlägiger Rechtsprechung (vgl. bspw. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 30.3.2005 – VII-Verg 101/04, VK Bund, Beschluss v. 2.2.2006 – VK 2-02/06 –; Beschluss v. 3.2.2006 – VK 1-01/0 VK Bund, Beschluss v. 12.12.2006 – VK 1-136/06) sind Beispiele für solche Sicherheitsmaßnahmen insbesondere die Sicherheitsüberprüfung einzusetzenden Personals nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz. So hat die VK Bund bereits die Anordnung einer Sicherheitsüberprüfung nach SÜG bei einem sicherheitsrelevanten Auftrag als maßgeblich angesehen. Bereits als Folge der beurteilungsfehlerfreien Qualifizierung des Auftrags als geheim sei demnach gleichzeitig auch die zweite Alternative von § 100 Abs. 2 lit. d) GWB gegeben, da die Ausführung geheimer Aufträge nach den Rechts- und

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Verwaltungsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordere, nämlich eine Sicherheitsüberprüfung nach §§ 7 ff SÜG für die mit der Ausführung des geheimen Auftrags befassten Personen. (VK Bund, Beschluss vom 14.07.2005, VK 3 - 55 / 05).

Vorliegend hat der Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung eine Erklärung zur Zusicherung der erweiterten Sicherungsprüfung (Ü2) für eingesetzte Mitarbeiter entsprechend § 9 SächsSÜG vorgesehen. Er hat damit bereits mit Beginn des Vergabeverfahrens deutlich gemacht, dass die Ausführung der ausgeschriebenen Leistung besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordert. In den Verdingungsunterlagen zum Betrieb der Leitstellen BOS-Digitalfunk ist, wie eingangs erwähnt in Nr. 2.11. der Beschreibung des Ausschreibungsverfahrens eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung nach § 9 SÜG für die mit dem Auftrag betrauten Mitarbeiter vorgesehen. Ausweislich des §1 Abs. 1 SÜG erfolgt eine Sicherheitsüberprüfung von solchen Personen, die von der zuständigen Stelle mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden sollen oder bereits betraut worden sind. Ziel, Sinn und Zweck der Sicherheitsüberprüfung werden deutlich, wenn man den Grund für ihre Durchführung betrachtet. Staatsgeheimnisse oder Geheimnisse dürfen nur an Befugte weitergegeben werden. Die Sicherheitsüberprüfung ist das Mittel, um festzustellen, ob man einer Person die Befugnis zur Einsicht in Staatsgeheimnisse oder Geheimnisse geben kann. Der Staat braucht Personen, denen Staatsgeheimnisse oder Geheimnisse anvertraut werden, damit sie mit ihnen arbeiten können. Der Bedarf an Geheimnisträgern wird durch die Sicherheitsüberprüfung abgedeckt. Die Sicherheitsüberprüfung hat daher das Ziel und den Zweck, mit ihrer Hilfe Personen zur Verfügung zu stellen, die Zugang zu Staatsgeheimnissen oder Geheimnissen haben können (vgl. Denneborg, Kommentar zum Sicherheitsüberprüfungsrecht, Stand 24.11.2008, Einleitung zum SÜG, Rnr. 38.) Eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übt u.a. aus, wer Zugang zu Verschlusssachen hat oder ihn sich verschaffen kann, die STRENG GEHEIM, GEHEIM oder VS-VERTRAULICH eingestuft sind (§1 Abs. 2 Nr. 1 SÜG). Die Erforderlichkeit einer Sicherheitsüberprüfung bei VS-VERTRAULICH eingestuften Informationen ist im Rahmen der Entwurfsarbeiten zum SÜG diskutiert worden. Eine Meinung votierte zunächst für die Abschaffung der Sicherheitsüberprüfung in diesen Fällen. Der Gesetzgeber hat sich jedoch im Hinblick auf die völkerrechtlich verbindlichen Vorgaben aus dem Geheimschutzabkommen der NATO, C-M (55) 15 (Final) zur Beibehaltung der Sicherheitsüberprüfung beim Zugang zu VS-VERTRAULICH eingestuften Verschlusssachen entschlossen (vgl. Denneborg; § 8 SÜG Rnr. 1).

20

Des Weiteren sind nach Vorschrift des § 3 Abs. 3 Satz 3 SÜG - ihrem Zweck entsprechend - die Bestimmungen des Gesetzes anzuwenden, wenn die Behörde einer Person sicherheitsempfindliche Tätigkeiten zuweisen oder übertragen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SÜG) oder wenn sie eine Verschlusssache an eine nicht-öffentliche Stelle weitergeben will (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 SÜG). Der Einwand des Auftraggebers, Vergaberecht sei nicht anwendbar, ließe sich also bereits auf erste Sicht auf die angeordnete erweiterte Sicherheitsüberprüfung nach § 9 SÜG stützen. Eine etwaige Einschränkung beim Merkmal der besonderen Sicherheitsmaßnahmen ergibt sich aus § 100 Abs. 2 lit. d) GWB nicht, und zwar weder aus dem Wortlaut der Norm noch aus dem Normzweck. Im Ergebnis ist nach Auffassung der Vergabekammer Bund (VK Bund, B. v. 3.2.2006 – VK 1-01/06 ) noch nicht einmal erforderlich, dass die bei dem Auftragnehmer beschäftigten Personen dienstlich auf die Verschlusssachen Zugriff haben werden. Es reicht danach sogar aus, dass sie sich ggf. auf illegale Weise einen Zugang verschaffen können. Die Erforderlichkeit der besonderen Sicherheitsmaßnahmen muss sich nach dem Wortlaut der Vorschrift auf die Ausführung des Auftrags beziehen, was vorliegend laut den Verdingungsunterlagen (Nr. 9 bzw. Nr. 2.11 der Auftragsbeschreibung) durchaus auch geschehen, da für den Betrieb der Leitstelle auf jeden Fall eine erweiterte (§ 9 SÜG) Sicherheitsüberprüfung vorgesehen ist. Nach § 9 SächsSÜG ist eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung für Personen durchzuführen, die 1. Zugang zu GEHEIM eingestuften Verschlusssachen erhalten sollen oder ihn sich

verschaffen können,

2. Zugang zu einer hohen Anzahl VS-VERTRAULICH eingestuften Verschlusssachen erhalten

sollen oder ihn sich verschaffen können, soweit nicht die zuständige Stelle im Einzelfall nach

Art und Dauer der Tätigkeit eine Sicherheitsüberprüfung nach § 8 für ausreichend hält.

Nr. 2 trägt dabei dem Gedanken Rechnung, dass sich bei Personen, die eine hohe Anzahl von VS-VERTRAULICH eingestuften Informationen einsehen sollen oder sich Kenntnis davon verschaffen können, in der Summe ein Wissen ansammelt, das den Geheimhaltungsgrad GEHEIM erreicht. Eine hohe Anzahl kann sich bereits anlässlich einer einmaligen Befassung mit vielen VS-VERTRAULICH eingestuften Verschlusssachen ergeben, z.B. im Rahmen eines Prüfungs- oder Untersuchungsverfahrens oder durch eine auf Dauer angelegte Tätigkeit,

21

bei der immer wieder entsprechend eingestufte Verschlusssachen bearbeitet werden sollen (vgl. Denneborg, zu § 9 SÜG Rnr. 3.). Zudem sind neben dem SÜG auch die Regelungen des SächsSÜG sowie die weiteren

Ausführungsbestimmungen zu beachten. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 4 SächsSÜG übt eine

sicherheitsempfindliche Tätigkeit aus, wer

1. Zugang zu Verschlusssachen hat oder ihn sich verschaffen kann, die STRENG GEHEIM;

GEHEIM ODER VS-VERTRAULICH eingestuft sind

4. an einer sicherheitsempfindlichen Stelle in einer durch Rechtsverordnung der

Staatsregierung gemäß § 34 bestimmten lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtung

tätig ist oder werden soll. Lebenswichtig sind Einrichtungen,

a) deren Beeinträchtigung aufgrund ihrer kurzfristig nicht ersetzbaren Produktion oder

Dienstleistung die Versorgung großer Teile der Bevölkerung ernsthaft und nachhaltig

gefährden kann,

b) deren Beeinträchtigung sich aufgrund der ihnen anhaftenden betrieblichen Eigengefahr die

Gesundheit oder das Leben großer Teile der Bevölkerung erheblich gefährden kann oder

c) die für das Funktionieren des Gemeinwesens unverzichtbar sind und deren

Beeinträchtigung erhebliche Unruhe in großen Teilen der Bevölkerung und somit Gefahren

für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entstehen lassen würde.

Nach Absatz 3 Satz 4 ist eine sicherheitsempfindliche Stelle die kleinste selbstständig han-

delnde Organisationseinheit innerhalb einer Lebens- oder verteidigungswichtigen

Einrichtung, die vor unberechtigtem Zugang geschützt ist und von der im Falle der

Beeinträchtigung eine erhebliche Gefahr für die oben in Satz 2 und 3 genannten Schutzgüter

ausgeht. Darunter können solche Teile von Anlagen oder Funktionen verstanden werden, die

für die Betriebsläufe oder die Weiterführung des Gesamtbetriebs von erheblicher Bedeutung

sind, so dass im Sabotagefall Teil- oder Totalausfälle mit Folgen für die geschützten Güter

drohen. Da bisher keine lebenswichtigen Einrichtungen festgelegt sind, können

konsequenterweise auch keine sicherheitsempfindlichen Stellen dieser Einrichtungen benannt

sein. Darüber hinaus enthält das Gesetz keine Bestimmung, durch wen

sicherheitsempfindliche Stellen festzulegen sind (vgl. Denneborg, zu § 1 SächsSÜG, Rnr.

13.).

Insoweit ist des Weiteren die Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des

Innern zur Ausführung des Sächsischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes heranzuziehen.

22

Diese bestimmt unter Nr. 1: „Schließlich übt eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit aus, wer

an einer sicherheitsempfindlichen Stelle einer lebens- oder verteidigungswichtigen

Einrichtung tätig ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 SächsSÜG in Verbindung mit § 34 SächsSÜG);

(VwVSächsSÜG vom 7. Juni 2004). Nach Nr. 2. sind im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1

SächsSÜG sind „betroffene Personen“, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit

betraut werden sollen, oder bereits wurden, zum Beispiel:

c) Personal in Sicherheitsbereichen (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 SächsSÜG ),

d) Mitarbeiter in Unternehmen der Wirtschaft mit VS-Aufträgen

„Betraut werden soll“ bedeutet, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass

dem Betroffenen auch tatsächlich eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit zugewiesen oder

übertragen wird. Dies setzt in der Regel einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem

Zeitpunkt der Sicherheitsüberprüfung und der Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen

Tätigkeit voraus.

Diesen skizzierten Rahmenbedingungen entspricht der Auftraggeber in den

Verdingungsunterlagen beiliegenden Vertragsentwurfs zum Betrieb der BOS-Stelle und des

Leitstellennetzwerkes. So wird in dem genannten Vertragsentwurf unter 13.1.ausgeführt,

XXXXXX.

XXXXXX

Nach herrschender Meinung kommt es nicht darauf an, ob bereits die Auftragsvergabe

besonderen Sicherheitsmaßnahmen zu unterwerfen ist. Ist die Ausführung des Auftrags

sicherungsbedürftig, so darf der Auftrag nicht ausgeschrieben werden. Dass im

streitgegenständlichen Verfahren eine europaweite Ausschreibung dennoch erfolgt ist, ist

dabei nach Auffassung der Vergabekammer unschädlich, denn maßgebend für die

Anwendbarkeit der §§ 97 ff. GWB und der Vergabeverordnung ist nach dem eindeutigen

Wortlaut des § 100 Abs. 1 GWB und § 1 VgV, ob der geschätzte Auftragswert den

Schwellenwert erreicht, nicht jedoch, ob eine (versehentlich oder absichtlich) eine

europaweite Ausschreibung erfolgt ist (OLG Stuttgart, Beschluss vom 12.08.2002, 2 Verg 9 /

02).

23

In der Entscheidungspraxis ist insoweit nämlich anerkannt, dass Auftragsvergabe und

Auftragsausführung eine Einheit bilden. In Anbetracht dieser eindeutigen Rechtslage würde

einer Auffassung, die unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten eine Ausschreibungspflicht

annimmt, da die Sicherungsbedürftigkeit erst in der Phase der Auftragsausführung, nicht aber

bereits bei der Auftragsvergabe eintrete, jede rechtliche Grundlage fehlen. Die ratio des §100

Abs. 2 lit. d GWB steht einer solchen Aufspaltung entgegen.

b) Erfordernis von Sicherheitsmaßnahmen

Der Vortrag des Auftraggebers, dass besondere Sicherheitsmaßnahmen tatsächlich

erforderlich sind, ist für die Vergabekammer nachvollziehbar und im Ergebnis tragfähig,

darauf die Anwendbarkeit einer Bereichsausnahme zu stützen.

Bereits aus den Verdingungsunterlagen ergibt sich, dass es sich bei der Leitstellenstruktur und

damit auch bei dem Betrieb derselben um eine sicherheitskritische Infrastruktur handelt. Es

werden sensible Daten verarbeitet. Es handelt sich Leitstellen u. a. für Notrufe aus den

Bereichen Polizei, Katastrophenschutz, Feuerwehr und Rettungsdienst. Neben der

Verarbeitung sensibler Daten, ist hier auch von einer erhöhten Sicherheitsrelevanz

auszugehen. Die Sicherheitsrelevanz ist sowohl für XXXXXX als auch für den Betrieb der

Leitstelle nicht abzusprechen. Im Hinblick auf die Bedeutung des Betriebs der Leitstelle für

sicherheitsrelevante Interessen wird vorliegend XXXXXX. Aus diesem Grunde hat die

Vergabekammer anhand der Leistungsverzeichnisse der Ausschreibungen beider

Leistungsanteile zunächst festgestellt, welche BOS (Behörden und Organisationen mit

Sicherheitsaufgaben) vorliegend leitstellentechnisch vernetzt und vertreten werden sollen. Zur

Sicherstellung der Digitalfunkanschaltung der im Freistaat Sachsen regional verteilten

Leitstellen der Polizei und der Feuerwehren/Rettungskräfte wird dann XXXXXX in

XXXXXX und XXXXXX errichtet. Hier erfolgt jeweils die Anbindung an XXXXXX. Im

Einzelnen sind dies XXXXXX. Darüber hinaus erfolgt die Anbindung an XXXXXX. Im

Einzelnen sind dies XXXXXX Stellen im Bereich XXXXXX. Entscheidend ist, dass das

XXXXXX an den XXXXXX. Über XXXXXX werden zudem die BOS-Leistellen XXXXXX

angeschaltet. Insoweit zeigt sich das herausragende Sicherheitsinteresse, das die XXXXXX.

XXXXXX:

24

Insbesondere hat insoweit auch der Bieter, der sich um die Einrichtung des XXXXXX

bewirbt, Nachweise XXXXXX zum BOS-Net vorzulegen. Zudem werden die relevanten

örtlichen Notrufverbindungen (110/112) vollständig angeschaltet. Zu betrachten sind in

diesem Zusammenhang auch die XXXXXX.

Der reine Betrieb muss grundsätzliche XXXXXX erfüllen Als Beispiel seien XXXXXX

genannt. Vernetzt ist damit XXXXXX und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben

(BDBOS). XXXXXX Die Interessen der Nutzer werden auf diese Weise durch die BDBOS

gebündelt wahrgenommen. Insoweit sind auch durch die vorliegend ausgeschriebene Leistung

in erheblichem maße Sicherheitsinteressen des Bundes betroffen.

Hinsichtlich des Aufbaus und der Funktionsweise sind bereits sicherheitsrelevante Bereiche

im Bezug auf die Funktionsfähigkeit und Manipulation von außen betroffen. Gleiches muss

auch für den Betrieb gelten. Bei einer Einschränkung der Funktionsweise kann den

Sicherheitsbedürfnissen im Falle von Katastrophen, terroristischen Angriffen, Einsätzen

beispielsweise bei Großereignissen oder Staatsbesuchen nicht mehr genüge getan werden.

c) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne

Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Sinne einer Abwägung zwischen dem Grad und

dem Gewicht der Sicherheitsinteressen einerseits und den Interessen der Bewerber

andererseits (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. April 2003, Verg 61/02) hat der

Auftraggeber im vorliegenden Fall Genüge getan. Vorliegend ist hinsichtlich der

Verhältnismäßigkeit auf die Handlung des Auftraggebers zur Durchführung von

sicherheitsrelevanten Maßnahmen, nämlich der vorgesehenen Sicherheitsüberprüfung im

Rahmen der Durchführung des Auftrags abzustellen, denn § 100 Abs. 2 lit. d 2. Alt. GWB

knüpft gerade hieran. Zur Erforderlichkeit wurde bereits unter c) vorgetragen.

XXXXXX

. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Auftraggeber hierbei nicht von seinem Ermessen, das

mildeste Mittel auszuwählen, fehlerhaft gebrauch gemacht hätte.

25

Die Sicherheitsüberprüfung soll demnach erst bei nach Auftragserteilung stattfinden, während

in der „Wettbewerbsphase“ zunächst die Vertraulichkeit der Ausschreibungsunterlagen

gesichert werden sollte und Vertraulichkeitserklärungen abzugeben waren.

Insofern hat der Auftraggeber die Sicherheitsrelevanz gestuft. Auch, wenn der Auftraggeber

im Sinne des § 100 Abs. 2 d GWB nach Ansicht der Vergabekammer nicht hätte ausschreiben

müssen, so hat er dies –ggf. aus Unkenntnis- heraus getan. Hierbei ist dem Auftraggeber

offenkundig die Sicherheitsproblematik bereits bewusst gewesen. So ist das Verfahren bereits

auf eine frühe Beschränkung der Teilnehmerzahl im Wege des Teilnahmewettbewerbs

ausgelegt gewesen. Auch war nach Auswahl der Bieter ein gleichartiges Bietergespräch

vorgesehen, nach dem (Phase 4 der Verdingungsunterlagen) nur noch mit einem Bieter

verhandelt werden sollte. In dem Sinne war zudem von einer funktionalen Ausschreibung

auszugehen. Damit werden bereits nach Ansicht der Vergabekammer die Probleme, die eine

Ausschreibung mit sicherheitsrelevanten Erfordernissen mit sich bringt, deutlich. Letztlich hat

der Auftraggeber von Anbeginn des Vergabenachprüfungsverfahrens auf die unbedingte

Geheimhaltungsbedürftigkeit sämtlicher Vergabeunterlagen konsequent hingewiesen.

Zu den BOS gehören neben öffentlichen Organisationen auch gemeinnützige Vereine und im

Rettungsdienst auch private Unternehmen. BOS sind neben den Polizeien, dem Zoll, dem

Technischen Hilfswerk (THW) sowie den Feuerwehren auch die Organisationen des

Rettungsdienstes und Katastrophenschutzes. Damit liegt es auf der Hand, dass bei Aufbau und

Betrieb der mit dem BOS-Digitalfunk verknüpften Leitstellen entscheidende

Sicherheitsinteressen betroffen sind. Insbesondere ist es verhältnismäßig, sowohl die

technischen Voraussetzungen, als auch den konkreten Betrieb als sicherheitsrelevant und

geheimhaltungsbedürftig einzustufen. Die Sicherheitsmaßnahmen sind verhältnismäßig.

d) Rechtsprechung des EuGH

Auch bei Betrachtung der durch die Antragstellerin zitierten Entscheidungen des EuGH

(EuGH, Urteil vom 08.04.2008 - Rs. C-337/05; EuGH, Urteil vom 02.10.2008 - Rs. C-

157/06) ergibt sich keine andere Sichtweise der Dinge.

So führt der EuGH in der Entscheidung EuGH, Urteil vom 08.04.2008 - Rs. C-337/05 aus:

26

„Vorab ist daran zu erinnern, dass die Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten im

Rahmen der berechtigten Belange von nationalem Interesse getroffen werden, nicht

schon deshalb in ihrer Gesamtheit der Anwendung des Gemeinschaftsrechts entzogen

sind, weil sie im Interesse der öffentlichen Sicherheit oder der Landesverteidigung

ergehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. März 2003, Dory, C-186/01, Slg. 2003, I-

2479, Randnr. 30). Der Vertrag sieht nämlich, wie der Gerichtshof bereits festgestellt

hat, Ausnahmen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit namentlich in den Artikeln

30 EG, 39 EG, 46 EG, 58 EG, 64 EG, 296 EG und 297 EG vor, die ganz bestimmte

außergewöhnliche Fälle betreffen. Aus ihnen lässt sich kein allgemeiner, dem Vertrag

immanenter Vorbehalt ableiten, der jede Maßnahme, die im Interesse der öffentlichen

Sicherheit getroffen wird, vom Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts

ausnähme. Würde ein solcher Vorbehalt unabhängig von den besonderen

Tatbestandsmerkmalen der Bestimmungen des Vertrags anerkannt, so könnte das die

Verbindlichkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts

beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Mai 1986, Johnston, 222/84,

Slg. 1986, 1651, Randnr. 26, vom 26. Oktober 1999, Sirdar, C-273/97, Slg. 1999, I-

7403, Randnr. 16, vom 11. Januar 2000, Kreil, C-285/98, Slg. 2000, I-69, Randnr. 16,

und Dory, Randnr. 31). Insoweit muss der Mitgliedstaat, der diese Ausnahmen in

Anspruch nehmen möchte, nachweisen, dass die betreffenden Befreiungen nicht die

Grenzen der genannten außergewöhnlichen Fälle überschreiten (vgl. in diesem Sinne

Urteil vom 16. September 1999, Kommission/Spanien, C-414/97, Slg. 1999, I-5585,

Randnr. 22).“… „Die Notwendigkeit, eine Geheimhaltungspflicht vorzusehen, hindert

insoweit keineswegs an einer Auftragsvergabe im Ausschreibungsverfahren.“

Nach Ansicht der Vergabekammer ist unter Beachtung dieser Entscheidung zunächst der

Antragstellerin insoweit zuzustimmen, dass nicht jede Maßnahme, die im Interesse der

öffentlichen Sicherheit getroffen wird oder, sofern die Notwendigkeit, eine

Geheimhaltungspflicht vorzusehen, gesehen wird, vom Anwendungsbereich des

Gemeinschaftsrechts auszunehmen ist.

Die der Entscheidung des EuGH vom 08.04.2008 zu entnehmenden Grundsätze sind jedoch

auf den hier zu entscheidenden Fall aus drei Gründen nicht übertragbar. Im vom EuGH zu

entscheidenden Fall ging es zum einen (1) um den Erwerb eines isolierten

Beschaffungsgegenstandes im Verhandlungsverfahren. Missbilligt wurde (2) zweitens die

27

„langjährige und anhaltende Praxis ohne jedes Ausschreibungsverfahren und insbesondere

ohne Befolgung der in den Richtlinien 93/36 und 77/62 vorgesehenen Verfahren „ den Erwerb

abzuwickeln. Und (3) drittens hatte der italienische Staat es offensichtlich versäumt, darzutun,

dass ohne die Geheimhaltung das Beschaffungsziel nicht hätte erreicht werden könne. So

führt der EuGH aus: „Die Rechtfertigung des Erwerbs der fraglichen Hubschrauber im

Verhandlungsverfahren mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 93/36 ist deshalb gemessen

an dem Ziel, das Bekanntwerden vertraulicher Informationen im Zusammenhang mit der

Hubschrauberherstellung zu verhindern, unverhältnismäßig. Die Italienische Republik hat

nämlich nicht dargetan, dass dieses Ziel bei einer Ausschreibung, wie sie nach der Richtlinie

93/36 vorgesehen ist, nicht hätte erreicht werden können.“

„Außerdem ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung jede Ausnahme von

den Vorschriften, die die Wirksamkeit der im EG-Vertrag niedergelegten Rechte im Bereich

der öffentlichen Aufträge gewährleisten sollen, eng auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil

vom 17. November 1993, Kommission/Spanien, C-71/92, Slg. 1993, I-5923, Randnr. 36) und

dass die Beweislast für das tatsächliche Vorliegen der eine Ausnahme rechtfertigenden

außergewöhnlichen Umstände derjenige trägt, der sich auf diese Ausnahme berufen will (vgl.

in diesem Sinne Urteile vom 3. Mai 1994, Kommission/Spanien, C-328/92, Slg. 1994, I-1569,

Randnrn. 15 und 16, sowie Kommission/Italien, Randnrn. 57 und 58)…. Daher kann im

vorliegenden Fall für die bloße Behauptung, dass die in Rede stehenden Lieferungen für

geheim erklärt worden seien, dass bei ihnen besondere Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen

seien oder dass eine Ausnahme von den Gemeinschaftsvorschriften notwendig sei, um

wesentliche Sicherheitsinteressen des Staates zu schützen, nicht für den Nachweis genügen,

dass die außergewöhnlichen Umstände, die die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 93/36

vorgesehenen Ausnahmen rechtfertigten, tatsächlich vorliegen.“

Hier ist der Fall jedoch anders zu beurteilen, denn die Rechtfertigung der

streitgegenständlichen Sicherheitsmaßnahmen ist vorliegend gemessen an dem Ziel, das

Bekanntwerden vertraulicher Informationen zu verhindern, im Gegensatz zur zitierten

Entscheidung des EuGH verhältnismäßig: (1) Zum einen geht es bei dem Betrieb der BOS-

Stelle Digitalfunk um die sicherheitskritische Infrastruktur als solche. Es werden sensible

Daten aus allen, für die innere Sicherheit des Staates relevanten Bereichen wie Polizei,

Katastrophenschutz, Feuerwehr und Rettungsdienst tangiert. Mithin ist der Kernbereich der

28

Staatlichen Sicherheit als solcher insgesamt betroffen, was durch die spätere Einbindung in

das bundesweite Netz noch bedeutsamer wird.

XXXXXX

(2) Zudem hat der Auftraggeber vorliegend den Beschaffungsgegenstand europaweit

ausgeschrieben und sich insoweit richtlinienkonform verhalten. Zudem hat er (3) bereits in

der Vergabebekanntmachung und den Verdingungsunterlagen dezidiert die Bedingungen der

Sicherheitsrelevanz und der zu fordernden Sicherheitsüberprüfung dargetan. Insoweit wird

auf die Ausführungen unter 2 c) verwiesen. Dort hat sich die Vergabekammer umfassend mit

der Berührung der Sicherheitsinteressen befasst und festgestellt, dass diese in erheblichem

Maße berührt sind. Die Sicherheitsrelevanz eines Leitstellennetzwerkes für Notrufe der BOS

liegt auf der Hand. Insoweit unterscheiden sich die jeweils zu beurteilenden Sachverhalte

maßgeblich, so dass dem Auftraggeber dahingehend zuzustimmen ist, dass die Entscheidung

des EuGH auf den hier zu beurteilenden Fall nicht übertragbar ist.

e) Entscheidung der VK Mecklenburg-Vorpommern vom 11.01.2007, 2 VK 11/06

Auch unter Berücksichtigung der Entscheidung der Vergabekammer Mecklenburg-

Vorpommern ergibt sich keine andere Sichtweise. Hinsichtlich § 100 Abs. 2 d 2. Alt. GWB

stellt auch die Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern auf das Erfordernis einer

Sicherheitsüberprüfung ab. Das mit dem SächsSÜG und dem SÜG des Bundes in dieser

Hinsicht gleichlautende SÜG-MV verweist in § 34 darauf, dass durch Rechtsverordnung

festgelegt wird, welche Stellen sicherheitsempfindlich sind. In Mecklenburg-Vorpommern

gab es seinerzeit keine derartige Rechtsverordnung. In Sachsen liegt der Fall - wie bereits

dargestellt- anders.

Durch Kenntnisse Unbefugter oder durch das Eindringen Unbefugter in die Systeme, die

verschiedentlich motiviert sein könnten, könnte die Kommunikation zu den mit Sicherheit

und Gefahrenabwehr betrauten Behörden und Organisationen lahmgelegt werden, was

unabsehbare Folgen nach sich zöge.

Soweit die Antragstellerin auf Entscheidungen anderer Vergabekammern oder

Oberlandesgerichte verweist (so OLG Düsseldorf, B. v. 17.07.2002 - Verg 30/02 oder VK

29

Baden-Württemberg, B. v. 15.08.2005 - 1 VK 47/05, VK Hessen, Beschluss vom 02.06.2004

- 69d-VK-24/2004) in denen es bspw. um die Lieferung und Einrichtung von polizeilichen

Einsatz-, Leit und Unterstützungssystemen für Dienststellen des Bundesgrenzschutzes oder

um die Errichtung einer integrierten Notruf-Leitstelle für eine Polizeidirektion oder einen

Landkreis ging, und daraus abzuleiten versucht, dass dort bei vergleichbarer „technischer“

Ausgangslage der jeweilige Beschaffungsvorgang auch nicht dem Vergaberecht entzogen

war, so ist dem entgegen zu halten, dass weder die Komplexität der hier angestrebten

interdisziplinären Vernetzung, noch die späterhin vorgesehene bundeslandübergreifende

Vernetzung, welche hier gerade die besonderen Sicherheitsmaßnahmen begründen und

legitimieren in den zitierten Fällen vergleichbar war.

Im Ergebnis war festzustellen, dass der von der Vergabekammer zu beurteilende Sachverhalt

aufgrund der Komplexität der hier angestrebten interdisziplinären Vernetzung von Polizei,

Feuerwehr und Rettungsdienst eine Ausnahme aus dem Vergaberecht rechtfertigte, weshalb

in letzter Konsquenz eine Unzuständigkeit der Vergabekammer zu bejahen war.

3. Akteneinsicht Der Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht war abzulehnen. Aus den genannten Gründen

war auch, unabhängig von den auftraggeberseits dargelegten Gründen der Geheimhaltung, der

Antragstellerin eine Akteneinsicht nach § 111 GWB zu verweigern. Ein Akteneinsichtsrecht

nach § 111 GWB setzt grundsätzlich voraus, dass überhaupt ein

Vergabenachprüfungsverfahren eröffnet und damit zulässig ist (u.a. OLG Naumburg, B. v.

15.07.2008 - Az.: 1 Verg 5/08). Eine Entscheidung der Vergabekammer über die

Beschränkung oder Nichtgewährung der Akteneinsicht ist nicht isoliert anfechtbar, § 111

Abs. 4 GWB. Vielmehr ist sie zunächst hinzunehmen (vgl auch OLG Düsseldorf, Beschluss

vom 28.12.2007 - Verg 40/07).

4. Entscheidung der Vergabekammer Der Vergabenachprüfungsantrag war damit als unzulässig zu verwerfen. Die erkennende

Vergabekammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Nach § 112 Abs. 1 Satz

2 GWB kann bei Unzulässigkeit des Antrags nach Lage der Akten entschieden werden. § 112

30

Abs. 1 Satz 3 GWB gestattet eine Entscheidung nach Lage der Akten bei Unzulässigkeit des

Antrags. Die Vergabekammer kann auch dann ohne mündliche Verhandlung entscheiden,

wenn sie den Antrag nach § 110 Abs. 2 Satz 1 GWB zugestellt - also eine offensichtliche

Unzulässigkeit verneint - hat und später nach vertiefter Prüfung der Sach- und Rechtslage,

unter Umständen auch erst nach weiteren Ermittlungen, zur Überzeugung von der

Unzulässigkeit des Antrags gelangt (BayObLG, B. v. 20.8.2001, Verg 11/01; VK Hamburg,

B. v. 6.10.2003, VKBB-3/03; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 15.01.2008, VK 2 LVwA LSA -

28/07; VK Schleswig-Holstein, B. v. 05.10.2005, VK-SH 23/05).

III.

Als unterliegende Partei trägt die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens (§ 128 Abs.

3 Satz 1 GWB) einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen

Aufwendungen des Auftraggebers (§ 128 Abs. 4 Satz 2 GWB). Die Höhe der Gebühr

bestimmt sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der erkennenden

Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes

des Nachprüfungsverfahrens (§ 128 Abs. 2 GWB). Der Gesetzgeber hat mit dieser an § 80

Abs. 2 GWB angelehnten Regelung klargestellt, dass - wie im Kartellverwaltungsverfahren -

vorrangig auf die wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens abzustellen ist (Kollmorgen in

Langen/Bunte GWB, 8. Auflage 1998, § 80 Rdnr. 18). Die Vergabekammern des Bundes

haben eine zum 01.01.2003 überarbeitete Gebührenstaffel erarbeitet, die die erkennende

Vergabekammer im Interesse einer bundeseinheitlichen Handhabung übernimmt. Diese

Staffel sieht in Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Hintergrund der Antragstellerin (eigene

Bruttoangebotssumme) eine Gebühr in Höhe von XXXXXX € vor. Dieser Betrag kann

entsprechend § 128 Abs. 2 Satz 2 ermäßigt werden, ggf. bis auf ein Zehntel.

Als Gründe einer Ermäßigung sind dabei nur solche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die

im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Bedeutung sowie dem erforderlichen

Verwaltungsaufwand stehen (vgl. Boesen, a.a.O., Rn. 16 ff. zu § 128). Vorliegend wurde

ohne Beiladung und mündliche Verhandlung entschieden. Daher wird die zu zahlende

Gebühr auf XXXXXX € festgesetzt.

31

Den Betrag von XXXXXX Euro hat die Antragstellerin unter Verwendung beigefügten

Zahlungsformulars binnen zweier Wochen nach Zugang dieser Entscheidung zum

Buchungskennzeichen XXXXXX bei der Hauptkasse Sachsen, Außenstelle Chemnitz, auf das

Konto-Nr. 31 53 01 13 70 bei der Ostsächsischen Sparkasse Dresden, BLZ 850 50 300

(IBAN: DE82850503003153011370; BIC: OSDDDE81) einzuzahlen.

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten des Auftraggebers war

gemäß § 128 Abs. 4 S. 2 GWB i. V. m. § 80 VwVfG notwendig. Beim Vergaberecht handelt

es sich auch aufgrund vielfältiger europarechtlicher Überlagerung um eine wenig

übersichtliche und zudem stetigen Veränderungen unterworfene Rechtsmaterie, die wegen des

gerichtsähnlich ausgestalteten Verfahrens bei der Vergabekammer bereits prozessrechtliche

Kenntnisse verlangt. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung einer anwaltlichen

Bevollmächtigten ist dabei nach den individuellen Umständen des einzelnen

Nachprüfungsverfahrens zu beurteilen. Vorliegend war eine erhöhte rechtliche Schwierigkeit

dahingehend gegeben, dass Abgrenzungsschwierigkeiten einer Bereichsausnahme nach § 100

Abs. d GWB mit Bezugnahme zur Rechtsprechung des EuGH Gegenstand des

Vergabenachprüfungsantrages waren, wozu die Rechtsprechung bisher noch wenige

allgemeine Grundsätze entwickelt hat. Insoweit konnte vom Auftraggeber die Bewältigung

dieser Rechtsfragen ohne Hinzuziehung eines vergaberechtlich versierten Spezialisten nicht

bewältigt werden

IV.

Gegen die Entscheidungen der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen ist gem. § 116

Abs. 1 GWB die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist binnen einer Notfrist von zwei

Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt (§ 117 Abs. 1 GWB), schriftlich

beim Beschwerdegericht einzulegen. Beschwerdegericht für die 1. Vergabekammer des

Freistaates ist das OLG Dresden, Vergabesenat, Schlossplatz 1, 01067 Dresden. Die

Beschwerde muss zugleich mit ihrer Einlegung begründet werden (§ 117 Abs. 2 GWB. Die

Beschwerdebegründung muss enthalten: die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der

Kammer angefochten wird und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, die Angabe

der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt.

32

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für

Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vom

Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu

unterrichten. Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der

Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach

Ablauf der Beschwerdefrist.

Kadenbach Kühne Dr. Gutsfeld

Der ehrenamtliche Beisitzer hat nach Beschlussfassung auf eine Unterschrift verzichtet. Diese ist nach § 5 Nr. 1 der Geschäftsordnung der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen nicht notwendig.