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Leitwertquantisierung an Einzelatomkontakten Praktikumsversuch Nr. 44 im physikalischen Fortgeschrittenenpraktikum der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Inhaltsverzeichnis 1 Historische Entwicklung 2 1.1 MCBJ-Technik .................................... 2 1.2 Leitwertquantisierung an Einzelatomkontakten ................... 4 2 Material 6 2.1 Überblick über den gesamten Versuchsaufbau ................... 6 2.2 Proben ......................................... 7 2.3 Einkerbevorrichtung ................................. 7 2.4 Bruchkontaktapparatur ................................ 8 2.4.1 Kopfplatte ................................... 8 2.4.2 Mechanik ................................... 9 2.4.3 Elektrische Beschaltung ........................... 10 2.5 DAQ-Box ....................................... 10 2.6 Software ........................................ 12 2.6.1 MCBJ ..................................... 12 2.6.2 FP44Viewer .................................. 13 3 Physikalische Grundlagen 15 3.1 Mechanisch kontrollierte Bruchkontaktmethode .................. 15 3.2 Widerstand eines perfekten eindimensionalen einmodigen Leiters ......... 16 3.3 Landauer-Formalismus ................................ 18 3.3.1 Streumatrix .................................. 18 3.3.2 Eigenkanäle .................................. 20 3.3.3 Einschränkungen des Landauerformalismus ................. 20 3.3.4 Zusammenhang des Stromtransports mit der elektronischen Struktur .. 21 3.4 Leitwertquantisierung oder diskrete Verkleinerung des Kontaktdurchmessers .. 21 3.5 Weitere den Leitwert beeinflussende Effekte .................... 22 3.5.1 Elastische Streuung an Defekten ....................... 22 3.5.2 Inelastische Streuung ............................. 22 3.5.3 Serienwiderstände ............................... 23 3.6 Shell-Effekt ...................................... 23 3.7 Tunneleffekt ...................................... 23 1

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Leitwertquantisierung an Einzelatomkontakten

Praktikumsversuch Nr. 44im physikalischen Fortgeschrittenenpraktikum der

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Inhaltsverzeichnis

1 Historische Entwicklung 21.1 MCBJ-Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2 Leitwertquantisierung an Einzelatomkontakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2 Material 62.1 Überblick über den gesamten Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.2 Proben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.3 Einkerbevorrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.4 Bruchkontaktapparatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2.4.1 Kopfplatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.4.2 Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.4.3 Elektrische Beschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2.5 DAQ-Box . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.6 Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2.6.1 MCBJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.6.2 FP44Viewer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3 Physikalische Grundlagen 153.1 Mechanisch kontrollierte Bruchkontaktmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153.2 Widerstand eines perfekten eindimensionalen einmodigen Leiters . . . . . . . . . 163.3 Landauer-Formalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3.3.1 Streumatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183.3.2 Eigenkanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.3.3 Einschränkungen des Landauerformalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.3.4 Zusammenhang des Stromtransports mit der elektronischen Struktur . . 21

3.4 Leitwertquantisierung oder diskrete Verkleinerung des Kontaktdurchmessers . . 213.5 Weitere den Leitwert beeinflussende Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

3.5.1 Elastische Streuung an Defekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223.5.2 Inelastische Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223.5.3 Serienwiderstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

3.6 Shell-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233.7 Tunneleffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

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1 Historische Entwicklung

1.1 MCBJ-Technik

Die Technik des mechanisch kontrollierbaren Bruchkontaktes ist entwickelt worden, umVakuum-Tunnel-Barrieren genauer untersuchen zu können. Das war lange Zeit nicht möglich,da aufgrund von Vibrationen keine stabilen und reproduzierbaren Vakuum-Barrieren erzeugtwerden konnten.

Ein erster Schritt dahin war 1981 die Erfindung des Rastertunnelmikroskops (ScanningTunneling Microscope) durch Binnig et al. [Bin82], die dafür 1986 den Nobelpreis bekamen.Erstmals war es möglich, Abstände zwischen Elektroden mit Auflösungen besser als 1 Å zuver-lässig herzustellen.

Feiner justierbare Tunnelkontakte wurden mit den Squeezing Electron Tunneling Kontaktenerreicht [Mor84], mit deren Hilfe eine Barrierengenauigkeit von 0,001 Å erreicht werden konnte.Dieser höheren Auflösung fiel jedoch die Scanmöglichkeit in den beiden anderen Raumrichtun-gen zum Opfer.

Abb. 1: Skizze des Versuchsaufbaus von Moreland und Ekin[Mor85]

1985 wurde von Moreland und Ekin[Mor85] erstmals ein Bruchkontakt-Aufbau verwendet (s. Abb. 1). Mit ihmkonnten spröde Materialien gebrochenund der Abstand zwischen den Bruch-kanten dann fein kontrolliert werden.Dazu wurde ein dünnes Mikroskop-Deckglas auf einen Glas-Objektträgergeklebt, wobei zwischen den beiden Kle-bestellen eine Lücke von etwa 3 mmblieb. Nach dem Brechen des Deckglaseswurde die Probe mit Silberfarbe aufge-klebt. Durch Biegen des Substrates mit

einem Elektromangeten in einer 3-Punkt-Halterung (ein Druckpunkt, zwei Gegenhalter) in flüs-sigem Helium konnte die Probe gebrochen und durch Regulation der Kraft der Abstand aufatomarer Größenordnung eingestellt werden. Der Vorteil gegenüber den SET-Kontakten sinddie sauberen Kontakte, die erst beim Durchbrechen entstehen.

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Abb. 2: Skizze des Versuchsaufbaus nachMuller et al. [Mul92a]

Diese MCBJ-Technik wurde 1992 durch Muller et al.[Mul92a] in Leiden weiterentwickelt (s. Abb. 2). Die we-sentlichen Vorteile gegenüber der Apparatur von More-land und Ekin [Mor85] sind:

1. Arbeiten im Vakuum ist möglich.

2. Eine Kombination von mechanischer Grobjus-tierung und einer Feinjustierung mithilfe einesPiezo-Kristalls zur Einstellung der biegendenKraft.

3. Neue Probenpräparation, mit der auch nicht-spröde Materialien wie normale Metalle unter-sucht werden können.

Mit diesem neuen Aufbau ist es nun möglich, für prak-tisch alle Materialien den Tunnel- und den “weak link”-Bereich sowie den Übergangsbereich dazwischen an sau-beren Kontakten sehr fein und stabil zu messen.

Abb. 3: Mittels Elektronenstrahllithogra-phie hergestellte MCBJ-Probe [Rui96]

Der heutzutage verwendete Aufbau ähnelt dem vonMuller et al. [Mul92a], es gibt jedoch verschiedene Va-rianten, z.B. Aufkleben des eingekerbten Drahtes aufein Substrat (Glas, Prosphor-Bronze, . . . ), Festschrau-ben der Probe auf dem Substrat (z.B. für Alkalime-talle), Herstellung mittels Elektronenstrahllithographie[Rui96] (s. Abb. 3) und einige weitere mehr. Es lassensich damit neben Tunnelkontakten auch Einzelatomkon-takte untersuchen.

Weiterhin wird die Bruchkontakt-Technik benutzt, umeinzelne Moleküle zu kontaktieren. Dazu wird ein Gold-oder Platindraht in einer MCBJ-Apparatur gebrochen.Dabei ziehen sich atomar feine Spitzen. Nun werden Mo-

leküle durch Einlassen eines Gases oder durch Auftropfen hinzugefügt, und man versucht mitden Metallspitzen durch wiederholtes Öffnen und Schließen des Kontakts wie mit einer Pinzetteeines zu greifen. Das so kontaktierte Molekül kann nun auf seine elektrischen Eigenschaften hinuntersucht werden.

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1.2 Leitwertquantisierung an Einzelatomkontakten

Abb. 4: Messung der Leitwertquanti-sierung in 2D Elektronengas. Der Leit-wert als Funktion der Gatespannung (∝Kontaktdurchmesser) zeigt einen stufenar-tigen Verlauf [Wee88]

Nachdem man bereits erste theoretische Erkenntnisseüber elektrische Eigenschaften mesoskopischer Systemehatte, wurde das Phänomen der Leitwertquantisierungin ganzzahligen Vielfachen von G0 = 2e2/h im Jahre1988 durch van Wees et al. [Wee88] in 2D-Elektronengas(2DEG) entdeckt (s. Abb. 4). Dieses Verhalten wurde1991 durch Tekman und Ciraci [Tek91] erklärt. Sie be-rechnen in dieser theoretischen Arbeit den Einfluss ver-schiedener Parameter auf die Form der Leitwertkurve.

Im Jahre 1990 wurden von Dürig et al. [Dur90] erstmalsKraftmessungen an Einzelatomen durchgeführt. Dabeiwurden die Adhesionskräfte bei der Annäherung einerSTM-Spitze aus Iridium an eine Iridium-Oberfläche ge-messen.

Abb. 5: Leitwertmessung an Pt-Kontakten in ei-ner MCBJ [Mul92b]

Nach der Weiterentwicklung der MCBJ-Technikdurch Muller et al. [Mul92a] im Jahre 1992 wur-de erstmals die Änderung des Leitwerts bei Ver-änderung des Kontaktdurchmessers auf atomarerSkala untersucht. Dabei werden von Muller et al.[Mul92b] Sprünge im Leitwert eines Platin-Punkt-kontaktes sowie im Suprastrom eines Niob-Punkt-kontakts, die mithilfe der MCBJ-Technik herge-stellt wurden, gemessen (s. Abb. 5). Die beob-achteten Stufen entstehen nicht direkt durch dieQuantisierung des Leitwerts wie in 2DEG, sonderndurch Veränderungen in der atomaren Struktur.Dass die Sprünge dennoch in der Größenordnungvon G0 liegen wird dadurch erklärt, dass einzel-

ne Atome nur wenige Leitwertkanäle haben, wobei ein Leitwertkanal eine Transparenz (oderTransmission) T zwischen 0 und 1 haben kann; der Leitwert des Kanals ist dann T · G0. So-mit sind bei der Änderung des Kontaktdurchmessers um ein einzelnes Atom Effekte dieserGrößenordnung zu erwarten.

Abb. 6: Simulation der Atomstruktur beimAnnähern einer STM-Spitze an eine Metal-loberfläche [Tod93]

Im Jahr 1993 wurden durch Todorov und Sutton[Tod93] dynamische Computersimulationen durchge-führt, mithilfe derer erstmals die tatsächliche Struk-tur und Dynamik des Kontakts und deren Einfluss aufden Leitwert untersucht wurden (s. Abb. 6). Kurz dar-auf wurden durch Agraït et al. [Agr93] Leitwertmessun-gen mit einem STM durchgeführt. Dabei wurden dieSprünge im Leitwert auf die Restrukturierung der Ato-me zurückgeführt, die dem Effekt überlagerte, weichereStruktur aber als Quanteneffekt interpretiert. Noch imselben Jahr wurden durch Krans et al. [Kra93] mithilfeeines MCBJ Einzelatomkontakte verschiedener Materia-lien untersucht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dasdie elektronische Struktur der Atome entscheidenden Einfluss auf das Leitverhalten hat.

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Im Jahre 1995 kamen zum ersten Mal Histogramme zur statistischen Auswertung der Messun-gen zum Tragen [Ole95, Kra95b]. Die Verschiebung der Peaks im Vergleich zu ganzzahligenVielfachen von G0 wurde durch einen Serienwiderstand erklärt.

Im selben Jahr wurde durch Costa-Krämer et al. [Cos95] ein sehr einfacher Versuchsaufbauvorgestellt, mit dem man Leitwertquantisierung an verschiedenen Metallen beobachten kann.Dabei wurden die Kontakte durch überkreuzte Drahte gebildet, die durch Vibrationen (Klopfenam Tisch o.ä.) geöffnet und geschlossen werden. Mit einer hohen Datenrate kann die stufenweiseÄnderung des Stroms bzw. des Leitwerts beobachtet werden.

1996 wird in einer Arbeit von Krans et al. [Kra96] erstmals versucht, die Effekte der atoma-ren Umstrukturierung von denen der Leitwertquantisierung zu trennen. In Natrium-Kontaktenmit einem MCBJ-Aufbau wurden die Sprünge mit der Umstrukturierung erklärt, das Fehleneiniger Stufen aber als Zeichen für Quantisierung gedeutet, da dies auch bei theoretischen Be-rechnungen mit kontinuierlich variierendem Kontaktdurchmesser aufgrund degenerierter Modenzustande kam.

Abb. 7: Simultane Leitwert- (a) und Kraft-messungen (b) [Rub96]

Mit simultanen Kraft- und Leitwertmessungen zeigenRubio et al. [Rub96] 1996, dass Sprünge im Leitwert im-

mer einhergehen mit mechanischen Entspannungen unddamit mit Umstrukturierung der Atome (s. Abb. 7).

Nachdem 1997 durch Scheer et al. [Sch97] eine Me-thode entwickelt wurde, mit der (zumindest für Su-praleiter) nicht nur die Gesamttransmission, sondernauch die Transmissionswahrscheinlichkeiten der ein-zelnen Leitungskanäle und damit ihre Zahl ermittelnwerden konnte, wurde im darauffolgenden Jahr durchScheer et al. [Sch98] ein klarer Zusammenhang zwischender Orbitalstruktur und dem Leitverhalten gemessen,wie er von Cuevas et al. [Cue98] theoretisch berechnetworden ist.

Kurz darauf wurde gezeigt, dass sich längere Ketten voneinzelnen Goldatomen ziehen lassen und sich der Leit-wert dabei nicht ändert [Ohn98, Yan98]. Außerdem wur-de ein Zusammenhang zwischen mechanischer Stabilitätund elektronischer Struktur hergestellt [Yan99]. Dabeiberuht die erhöhte Stabilität auf gefüllten Elektronen-schalen, wie es auch schon bei Clustern beobachtet wor-den ist, oder geschlossenen Atomlagen. Man nennt die-sen Effekt Shell-Effekt (s. Abschnitt 3.6)

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2 Material

2.1 Überblick über den gesamten Versuchsaufbau

Der Versuchsaufbau besteht aus folgenden Komponenten (s. Abb. 8):

• Drähte

• Einkerbevorrichtung

• Stereomikroskop (SMT 4 von Mikroskop Technik Rathenow GmbH)

• Bruchkontaktapparatur

• DAQ-Box

• IV-Konverter (SR570 Low Noise Current Preamplifier von Stanford Research Systems)

• PC mit Softwarepaket

(a) Foto

(b) Skizze

Abb. 8: Übersicht über den Versuchsaufbau

Zusätzlich werden noch Pinzetten, Schraubenzieher, Inbusschlüssel und Seitenschneider benö-tigt. Um zu verhindern, dass Drahtreste (überwiegend Gold!) überall verteilt werden, hat sich

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eine kleine Sortierschachtel als praktisch erwiesen. Darin können alle Drahtstücke, also sowohlsolche, die noch als Probe verwendbar sind, jene, welche nur noch zum Einjustieren und Probie-ren der Einkerbvorrichtung brauchbar sind und auch der für den Versuch völlig unbrauchbareRest aufbewahrt werden.

Für das Tabletop-Experiment benötigt man außerdem noch ein paar Kabel, BNC-Adapter,Klemmen zum Kontaktieren der Drahtstücke sowie Papier und Klebeband, um den Aufbaugeeignet zu fixieren.

2.2 Proben

Abb. 9: Drähte in Sammelbox

Zur Herstellung einatomarer Kontakte dienen Dräh-te mit 100 µm Durchmesser und hoher Reinheit (≥99,99 %). Für den größten Teil des Versuchs wird Goldverwendet, da sich dieses sehr duktile Material gutziehen lässt und weitgehend unempfindlich gegen Ver-schmutzungen aus der Luft ist. Gold hat als einwerti-ges Metall nur einen Leitungskanal pro Atom, der eineTransparenz sehr nahe 1 zeigt. Selbst an Luft sind beiRaumtemperatur die untersten Stufen deutlich zu er-kennen und sehr nahe am erwarteten Wert von 1 G0,2 G0, . . . .

Als weitere Materialien für den entsprechenden Versuchsteil liegen Kupfer und Platin bereit.Zur Ergänzung wären aber auch noch weitere Möglichkeiten denkbar.

2.3 Einkerbevorrichtung

Abb. 10: Einkerbevorrichtung

Bei der Vorbereitung der Proben muss der Draht eingekerbtwerden, damit er an der vorgegebenen Stelle reißt. Dazu dientdie Einkerbevorrichtung (s. Abb. 10). Sie besteht aus einerfeststehenden Skalpellklinge, unter der man den Draht mit-hilfe einer aufgerauten Glasplatte hindurchrollen kann. Umdie richtige Einkerbtiefe zu erreichen, kann die Klinge miteiner Mikrometerschraube (0,5 mm/Umdrehung) vertikal verfah-ren werden. Die Aufrauung der Glasplatte ist nötig, um dienötige Haftung zwischen Glas und Draht zu erreichen. An-dernfalls würde der Draht an der Klinge hängen bleibt unddas Glas darunter durchrutschen. Auf diese Weise können die2 − 3 cm langen Drahtstücke auf etwa 1/3 ihres Durchmesserseingekerbt werden.

Als Klingen werden Skalpellklingen vom Typ Nr. 24 verwen-det, alternativ stehen auch die Typen Nr. 23 und 27 zur Verfügung. Die Klingen sind mit einerKlemmvorrichtung an der Mikrometerschraube befestigt und können leicht gewechselt werden,falls dies nötig wird.

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2.4 Bruchkontaktapparatur

Abb. 11: Bruchkontaktapparatur

Der Aufbau basiert auf dem von Muller et el. [Mul92a]. Al-lerdings ist das Substrat für den Bruchkontakt zweigeteilt.Der Draht wird nur festgeklemmt und nicht aufgeklebt, wo-durch eine für das Praktikum nötige schnellere Probenprä-paration ermöglicht wird.

Die gesamte Bruchkontaktapparatur (s. Abb. 11) setzt sichaus mehreren Komponenten zusammen: die Kopfplatte, dieden eigentlichen Bruchkontakt trägt, ist auf die Mechanikaufgesetzt, die den Piezokristall für die Feinjustierung so-wie die Grobjustierung enthält. In der Bodenplatte sind dienötigen Anschlüsse eingebaut. Das Ganze steht auf einemschwingungsdämpfenden Unterbau.

2.4.1 Kopfplatte

Die Kopfplatte (s. Abb. 12) trägt den eigentlichen Bruch-

(a) Kopfplatte von oben

(b) Kopfplatte (halb geöffnet) auf Appa-ratur

(c) Schematische Darstellung

Abb. 12: Kopfplatte

kontakt. Sie besteht aus einer 2,5 cm dicken PVC-Platte.Diese kann aufgrund von drei Führungsbolzen nur in derrichtigen Richtung auf die Apparatur aufgesteckt werden.Mit 4 Schrauben wird die Kopfplatte arretiert.

Der Bruchkontakt wird durch einen eingekerbten Drahtgebildet, der auf zwei 20 mm × 25 mm großen und 0,3 mmstarken Messingblechen, festgeklemmt wird. Die Vorder-kanten sind auf 1 mm Tiefe auf eine Bereite von 5 mmverjüngt. Sie sind etwas erhöht auf der PVC-Platte be-festigt, so dass die Vorderkanten parallel zueinander inetwa 0,1 mm Abstand liegen. Die Bleche sind nach derVerjüngung jeweils mit einem Messingklotz verlötet, derim unbelasteten Zustand auf dem PVC-Grundkörper auf-liegt und die Bleche waagrecht hält. In der Mitte sind dieKlötzchen auf 8 mm Breite auf etwa 2 mm Dicke gefräst.Hier liegt der Druckpunkt für das Hochbiegen der Ble-che. Die äußeren Enden sind isoliert. Die Bleche werdenmit Federstiften unten gehalten, so dass sie beim Öffnendes Kontakts stets am Druckpunkt aufliegen. Von obenwird über einen weiteren Messingklotz der Draht mit je2 Schrauben fest auf das Blech gepresst. Lockert man dieSchrauben, drücken Federn den Klotz nach oben, so dassder Draht leicht eingeführt werden kann.

Der elektrische Kontakt zum Draht wird über die Mes-singbleche hergestellt. Diese sind mit 2 ebenfalls an derKopfplatte befindlichen BNC-Buchsen verbunden, bei de-nen die Arretierungsnasen entfernt wurden. Während desAufsetzens der Kopfplatte wird automatisch der Kontaktmit den geschirmten Kabeln in der Apparatur geschlossen.

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2.4.2 Mechanik

Abb. 13: Gesamte Mechanik

Um den Bruchkontakt zu Öffnen und zu Schließen, d.h.den Draht an der Einkerbung zu brechen und den Ab-stand der ich gegenüberstehenden Drahtenden einzu-stellen, wird ein Piezo-Kristall (P170 von PI, 5 µm Ver-fahrweg bei 1000 V) verwendet, der über den Piezokon-troller E461 von der Software angesteuert wird. Auf demPiezo ist ein Verlägerungsstück aufgesetzt, das durchein Loch in der PVC-Kopfplatte zu den Messingblechenreicht. Am oberen Ende sitzt mit geringem Spiel eineGlaskugel (∅ 8 mm). Dadurch wird eine Selbstzentrie-rung der Kugel auf die exakte Mittelstellung zwischenden Druckpunkten an den Messingklötzchen und damiteine gleichmäßige Kraftverteilung auf die beiden Blecheerreicht.

Der Piezo ist auf einem vertikal verfahrbaren Schlittenbefestigt, der über eine M5-Gewindestange mit einerSteigung von 0,8 mm/Umdrehung positioniert werden kann(s. Abb. 13). Diese wird über ein Schneckengetriebe (Un-tersetzung 80:1) mithilfe einer Handkurbel gedreht. Ei-ne Umdrehung der Handkurbel resultiert also in 10 µmVertikalbewegung des Piezo! Da eine halbe Kurbelum-

drehung gerade der maximalen Piezoauslenkung entspricht, ist es somit leicht möglich, denPiezo hinreichend genau zu positionieren, um das Öffnen und Schließen des Kontakts letztlichallein mit dem Piezo zu bewerkstelligen.

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2.4.3 Elektrische Beschaltung

Abb. 14: Schematische Darstellung der elektri-schen Beschaltung. Die Pfeile zeichnen den Strom-weg von der DAQ-Box zum Bruchkontakt (rot),weiter zum IV-Konverter (blau) und über dieGrundplatte zurück zur DAQ-Box (grün) nach.Die Erdungskabel (hellgrün) sind mit der Labor-erde verbunden.

Wie in Abb. 14 schematisch zu sehen ist, liegt demVersuch ein einfacher Schaltkreis zugrunde.

Die DAQ-Box (s. Abschnitt 2.5) dient als Span-nungsquelle (U = 0..1000 mV). Der Strom fließtzunächst im Innenleiter eines Koaxialkabels überein geschirmtes Kabel (Schirm auf Erdpotenti-al) bis zur Kopfplatte und ab dort ungeschirmtüber ein kurzes Stück Kabel und das Messing-blech bis zum eigentlichen Bruchkontakt. Danachfließt er weiter bis zum IV-Konverter, der sichwie ein Amperemeter verhält. Von dort fließtder Strom über die Außenleiter der Koaxialkabeldurch die Grundplatte der Apparatur zurück zurDAQ-Box. Der IV-Konverter wandelt den zu mes-senden Strom in eine dazu proportionale Span-nung um, die über die DAQ-Box aufgezeichnetwird. Die Empfindlichkeit des IV-Konverters kannzwischen 5 · 10−3 A/V und 1 · 10−12 A/V variiert wer-

den.

Ebenso wie die Außenleiter dieser beiden Durchführungen ist auch der des Piezokristalls leitendmit der geerdeten Grundplatte verbunden. Dadurch wird auch der Piezo-Kontroller geerdet.

2.5 DAQ-Box

Abb. 15: DAQ-Box mit Netzteil: DieDAQ-Box (links) ist mit dem USB-Kabel(schwarz) mit dem PC verbunden und überdas grün-gelbe Kabel geerdet. Die Span-nungsversorgung erfolgt über das graue Ka-bel.

Als Schnittstelle zum Computer dient die DataAcQuisition Karte NI USB-6211 von National In-

struments. Diese verfügt über 2 analoge Ausgänge undbis zu 16 analoge Eingänge (von denen allerdings nur ei-ner genutzt wird) mit einer Auflösung von jeweils 16 bitund einem maximalen Spannungsbereich von −10 V bis+10 V. Im Betrieb ist die Karte gegen Überspannungenbis 30 V geschützt.

Die eigentliche Karte ist zusammen mit zusätzlicherElektronik in einer Box versteckt (s. Abb. 15). DerSchaltplan ist auf dem Deckel der Box abgebildet. Diesermöglicht, die beiden analogen Ausgänge und einenanalogen Eingang mit einem BNC-Stecker zu kontaktie-ren. Außerdem werden die beiden Ausgänge durch In-strumentation Amplifier (AD620) von der Erdung desPCs entkoppelt, um unerwünschte Erdschleifen und diedamit verbundenen 50 Hz-Störungen zu vermeiden. Die Spannungsversorgung des Kontaktswird noch durch 10 geteilt (in der Software bereits berücksichtigt), um die volle Auflösung derDAQ-Karte zu nutzen. Beide Ausgänge werden mit Tiefpass-Filtern geglättet, um Störungenaus dieser Quelle weiter zu minimieren. Die Spannungsversorgung der Operationsverstärker

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erfolgt durch ein externes Netzteil, welches 2 × ± 12 V mit unabhängigen floatenden Bezugs-potentialen für die beiden Ausgänge liefert. Das Gehäuse der DAQ-Box liegt auf demselbenPotential wie der Versuchsaufbau, das Netzteilgehäuse ist über den Netzstecker geerdet.

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2.6 Software

2.6.1 MCBJ

Abb. 16: Die Software “MCBJ”

Zur Durchführung des Versuchs steht eine speziell darauf zugeschnittene Software zur Verfügung(s. Abb. 16), mit der sich alle nötigen Einstellungen tätigen und die Messungen durchführenlassen.

Das Programm verfügt über eine große Haupt- und eine kleine Nebenanzeige. In ersterer wer-den die Messergebnisse dargestellt, während in der zweiten die aktuelle Messung zu beobachtenist. Wird gerade keine spezielle Messung durchgeführt, so kann die momentane Strommessungauch auf die Hauptanzeige gelegt werden. Die Achsen werden während der Messung standard-mäßig automatisch angepasst (kann aber deaktiviert werden), in das fertige Messergebnis kannhineingezoomt werden, um Details zu betrachten. Gibt man die Einstellung des IV-Konvertersim entsprechenden Feld ein, können die Messungen in Einheiten von 1 G0 skaliert werden. Eskann manuell die am Bruchkontakt anliegende Spannung sowie die Steuerspannung des Piezoeingestellt werden. Solange gerade keine Messung läuft, kann die Hauptanzeige “abfotografiert”und in einer Datei abgelegt werden.

Es können verschiedene Messungen vorgenommen werden: Messung von Einzelkurven, Leitwert-histogramme, Längenhistogramme und das Tabletop-Experiment. Um eine Messung zu starten,muss lediglich der entsprechende Reiter ausgewählt und der Startknopf betätigt werden. DieMessungen werden automatisch im angezeigten Verzeichnis gespeichert. Diesem können Un-terverzeichnisse hinzugefügt werden. Der Dateiname setzt sich zusammen aus einer laufendenNummer, einer Kennung für die Art der Messung sowie einem frei zu vergebenden Text. Ge-speichert werden neben allen momentanen Einstellungen auch ein Kommentar.

Für Einzelmessungen muss die Geschwindigkeit, mit der der Piezo bewegt werden soll sowiedie Rate, mit der Daten aufgezeichnet werden, festgelegt werden. Dies kann für die beiden

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Messrichtungen getrennt oder gekoppelt erfolgen. Es kann auch eine Pause nach den Messungeneingestellt werden, die sich jedoch erst in den Histogrammen auswirkt. Es wird anhand desletzten Messwerts vor Beginn der Messung automatisch erkannt, ob der Kontakt zu Öffnenoder zu Schließen ist. Das Programm ändert dann linear mit der eingestellten Geschwindigkeitdie Piezo-Steuerspannung und nimmt synchron Daten mit der vorgegebenen Rate auf. Erreichtder Messwert die jeweilige Grenze des Messbereichs, werden die Daten gespeichert und dieMessung beendet. Kann die Messung nicht imnnerhalb des Piezobereichs beendet werden, wirdder Vorgang abgebrochen. Ebenso ist ein manueller Abbruch möglich.Die Einstellungen für die Einzelmessungen werden auch den Histogrammen zugrundegelegt.

Zur Aufnahme von Leitwerthistogrammen muss zusätzlich festgelegt werden, wie viele Messun-gen durchgeführt werden sollen. Weiterhin muss der auszuwertende Bereich spezifiziert werden,indem man die beiden Grenzen angibt, sowie die Zahl der Unterteilungen. Der Messvorgangläuft identisch zu den Einzelmessungen ab, die Ergebnisse werden jedoch getrennt in 2 Hi-stogrammen (Öffnen in weiß, Schließen in rot) verarbeitet. Je Messrichtung werden 2 Dateiengespeichert, jeweils 1 für das Histogramm und 1 für die dazugehörigen Messungen. Per Voraus-wahl kann auch nur eine Richtung gespeichert werden.

Beim Längenhistogramm wird die Länge des ersten Plateaus statistisch untersucht. Dazu müs-sen Abgrenzungen für das erste Plateau sowie die Zahl der Messungen angegeben werden. Injeder Messkurve wird die Zahl der Datenpunkte innerhalb des spezifizierten Bereichs ermitteltund deren Verteilung in 2 Histogrammen (Öffnen und Schließen) dargestellt. Es können hierbereits mehrere Datenpunkte zu einem Balken zusammengefasst werden. Die Datensicherungerfolgt analog zu den Leitwerthistogrammen. Zusätzlich wird noch jeweils eine Datei gespei-chert, die die Längen der ersten Stufe in den einzelnen Messungen enthält.

Beim Tabletop-Experiment wird die Piezospannung nicht mehr geändert. Aus der kontinuier-lichen Messung werden fallende Kurven ausgewählt, die die beiden eingestellten Trigger in derangegebenen Reihenfolge durchlaufen und im spezifizierten Längenbereich liegen. Diese wer-den entsprechend den Einstellungen als Histogramm ausgewertet. Die Datenrate ist hier fixbei 250000 Hz. Die Triggerpunkte und die Längenrestriktionen können während der Messungoptimiert werden. Gespeichert wird eine Datei mit den einzelnen Messungen und eine mit demHistogramm. Die Messung endet nicht selbsttätig, sie muss manuell abgebrochen werden.

2.6.2 FP44Viewer

Um die Auswertung zu erleichtern, steht ein Betrachtungstool zur Verfügung, mit dem allsMessungen bequem angezeigt werden können: FP44Viewer (s. Abb. 17).

Beim Öffnen einer Datei wird diese zunächst vollständig durchsucht. Dabei wird der Dateiheaderausgelesen und bei Dateien mit mehreren Kurven die Startpositionen der einzelnen Messungenermittelt. Das ermöglicht, die Kurven dann ohne Wartezeit direkt anzusteuern. Angezeigt wer-den alle gespeicherten Information, also alle Parameter, über die die Software Kenntnis hat,den abgespeicherten Kommentar sowie den Startzeitpunkt der Messung. Außerdem wird dieAnzahl der Einzelmessungen in der Datei angezeigt. Die ausgewählte Messkurve (nach demÖffnen einer Datei die erste) wird von der ermittelten Startposition aus eingelesen und bautsich in der Anzeige auf.

Die Darstellung kann jederzeit zwischen linearer und logarithmischer Skalierung der Ordinateumgeschaltet werden. Dadurch lassen sich exponentielle Abschnitte, z.B. Bereiche mit Tun-nelstrom, leichter erkennen. Die Achseneinteilung lässt sich beliebig ändern, indem man dasZoom-Werkzeug benutzt oder die Achsenmaxima und -minima anklickt und direkt ändert.

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Abb. 17: Die Betrachtungssoftware “FP44Viewer”

Beim Einlesen einer Messkurve wird die Achseneinteilung automatisch gewählt, um die ge-samte Kurve darzustellen. Um Werte aus den Messkurven genauer auslesen zu können, kanndurch Rechtsklick in das Cursorfenster ein neuer Cursor hinzugefügt werden, der sich mit dementsprechenden Werkzeug auch verschieben lässt.

Die aktuell angezeigte Kurve kann per Knopfdruck in einer eigenen Datei gesichert werden,wobei sich der Dateiname aus dem alten Dateinamen ergibt, dem noch die Nummer der Mes-sung angehängt wird. Die momentane Anzeige kann auch in eine Graphikdatei (*.EPS, *.EMF,*.PICT oder *.BMP) exportiert werden. Es besteht weiterhin die Möglichkeit, eine Sammelda-tei zu eröffnen, der die angezeigte Messkurve ebenfalls durch einfachen Knopfdruck beigefügtwerden kann.Aus beliebigen zusammenhängenden Teilen der geöffneten Datei lässt sich ein Histogrammerzeugen. Dazu müssen erste und letzte einbezogene Messkurve, Ober- und Untergrenze desHistogramms sowie die Zahl der Histogrammbalken angegeben werden.

Der aktuelle Verarbeitungsstatus wird in einer Balkenanzeige wiedergegeben. Alle Ladevorgängekönnen problemlos abgebrochen werden.

14

3 Physikalische Grundlagen

3.1 Mechanisch kontrollierte Bruchkontaktmethode

Die verwendete Versuchsmethode geht, wie bereits in Abschnitt 1.1 erwähnt, auf Morelandund Ekin [Mor85] zurück und wurde im wesentlichen durch Muller et al. [Mul92a] verfeinert.Die grundsätzliche Idee besteht darin, eine bereits sehr fein dosierbare Bewegung (z.B. dieBewegung eines starken Untersetzungsgetriebes oder die Auslenkung eines Piezo-Kristalls) starkzu untersetzen. Dadurch wird nicht nur eine sehr feine Abstandskontrolle ermöglicht, es werdenauch die durch die Probenaufhängung einkoppelnden Vibrationen herabgesetzt.

Dazu wird die eigentliche Probe zunächst mit einer Sollbruchstelle versehen und dann auf einerbiegsamen, isolierten Unterlage fixiert. Dabei wird auf möglichst kleine Abmessungen geachtet,also ein möglichst dünnes Drahtstück, das an zwei möglichst eng zusammenliegenden Punktenbefestigt wird (s. Abb. 18(b)). Die so präparierte Probe wird anschließend in eine 3-Punkt-Biegemechanik gebracht und durch den mittleren Stempel nach oben gebogen 18(a). BeimBiegen ändert sich die Länge einer neutralen Lage nicht, darunter liegendes wird gestaucht,darüberliegendes gestreckt. Dabei konzentriert sich die Zugkraft auf den nicht fixierten, ein-gekerbten Teil der Probe zwischen den Klebepunkten. Je geringer die Dicke h der gesamtenProbe und je kürzer der Abstand u der Klebepunkte ist, um so weniger der Vertikalbewegungdes Stempels wird in eine Horizontalbewegung übersetzt. Ein großer Abstand der Gegenaufla-gen L setzt dieses Übersetzungsverhältnis rd = ∆x

∆yweiter herab. Es gilt

rd =3uh

L2(1)

Für typische Dimensionen (L = 20 mm, u = 0,1 mm, h = 0,5..1 mm) ergibt sich rd ≈ 10−3.Allerdings wird durch plastische Verformung der Unterlage und andere nicht zu kontrollierendeEffekte dieses Verhältnis verschlechtert (erhöht), und der genaue Wert muss für jede Probeüber ein Kalibrationsverfahren neu ermittelt werden.

(a) Schematische Darstellung (b) Fotographie

Abb. 18: Mechanisch kontrollierte Bruchkontaktmethode nach Muller et al. (entnommen aus [Agr03])

15

3.2 Widerstand eines perfekten eindimensionalen einmodigen Leiters

Abb. 19: Vereinfachtes Modell: zweiideale Elektronen-Reservoire werdendurch einen perfekten Draht der LängeL verbunden.

Als erstes soll der einfachste Fall des Stromflusses auf ato-marer Größenordnung beleuchtet werden wie er auch in[Lei06] dargestellt ist. Dazu stellt man sich die Atomket-te aus monovalenten Atomen, die den Kontakt bildet, alsperfekten eindimensionalen Leiter der Länge L mit nur ei-ner besetzten Mode vor, der die Verbindung zwischen zweiidealen Reservoiren mit den chemischen Potentialen µ1 bzw.µ2 bildet (s. Abb. 19). Die Elektronen sind in Längsrichtung(x-Richtung) völlig frei, während senkrecht zum Leiter (y- und z-Richtung) keine Bewegungmöglich ist. An den Kontakten mit den beiden Elektroden soll keine Reflexion auftreten. Des-weiteren sei T = 0 K.

Die zu den Elektronen im Leiter gehörenden Wellenfunktionen lassen sich schreiben als

Ψ(x) =

1L

eikx, k = ±2πn

L, n = 1, 2, 3, . . . (2)

wobei die Wellenfunktionen mit positiver Wellenzahl rechtslaufende Elektronen darstellen (po-sitive x-Richtung), die mit k < 0 linkslaufende. Die zugehörige Energie ist die kinetische Energieder Elektronen (Masse m) und lässt sich in Abhängigkeit von k schreiben als

E(k) =~

2k2

2m=

~2

2m

(2π

L

)2

n2. (3)

Diese Energiezustände werden von unten her besetzt, wobei für jeden k-Wert jeweils ein Elek-tron mit positivem und eines mit negativem Spin Platz findet. Der höchste besetzte Zustand

definiert dann die Fermi-Energie EF = ~2

2m

(

2πL

)2n2

F mit der zugehörigen Wellenzahl kF = 2π nF

L.

Für die Zahl N der Elektronen gilt N = 4nF . Da für monovalente Atome die Zahl der Elektro-nen gleich der Atomzahl ist, folgt N = L

amit dem mittleren Atomabstand a und damit

kF =πN

2L=

π

2a, EF =

~2π2

8ma2. (4)

Mit der allgemeinen Definition des Teilchenstroms [Lei06] ~j = ~

2im

[

Ψ∗ ~∇Ψ − Ψ~∇Ψ∗]

lässt sichder Beitrag Ik des Zustandes k zum elektrischen Strom schreiben als

Ik =~e

2im

[

Ψ∗k

∂xΨk − Ψk

∂xΨ∗

k

]

=

=~e

2im

1L

[

e−ikx(ik)eikx − eikx(−ik)e−ikx]

=1L

~k

me.

(5)

Der Gesamtstrom ergibt sich durch Summation über alle besetzten k-Zustände. Im thermischenGleichgewicht gilt I−k = −Ik; es tritt kein Stromfluss auf.

Durch Anlegen einer Spannung U wird bei einem symmetrischen Kontakt das Potential derlinken Elektrode um 1/2U abgesenkt, das der rechten um 1/2U angehoben, wodurch sich daschemische Potential im linken bzw. im rechten Reservoir um eU

2nach unten bzw. oben verschiebt

(s. Abb. 20). Zum Strom tragen nun die rechtslaufenden Elektronen mit Energien zwischenµ2 = EF + eU

2und µ1 = EF − eU

2bei, da diese nicht mehr durch linkslaufende kompensiert

werden. Mit den Gleichungen (2) und (3) findet man die größte bzw. kleinste Quantenzahl der

16

Abb. 20: Die Energie als Funktionder Wellenzahl k in einem eindimen-sionalen Leiter. Der Abstand der k-Werte beträgt 2π/L.(a) Die Zustände sind bis zur Fermi-energie besetzt (•), darüber unbesetzt().(b) Beim Anlegen einer Spannung Ubleiben einige Zustände mit k < 0unbesetzt, während auf der anderenSeite dementsprechend mehr besetztwerden.

beitragenden Elektronen:

n+ = L

2m(EF + eU/2)

hn− = L

2m(EF − eU/2)

h. (6)

Der Nettostrom ergibt sich zu

I =−1/2∑

s=+1/2

n+∑

n=n−

I(n) = 2n+∑

n=n−

1L

hn

mLe = 2

he

mL2

n+∑

n=n−

n =

= 2he

mL2

(n+ − n− + 1)(n+ + n−)2

∼=he

mL2

(

n2+ − n2

)

=

=he

mL2

[

L2

h22m(EF + 1/2eU) − L2

h22m(EF − 1/2eU)

]

=2e2

hU.

(7)

Damit folgt für den Leitwert des perfekten eindimensionalen einmodigen Leiters

G =U

I=

2e2

h. (8)

Dies ist die Quanteneinheit G0 des Leitwerts, die sich nur aus universellen Naturkonstantenzusammensetzt. Der Widerstand R eines perfekten eindimensionalen Leiters ist also R = 1

G≈

12,9 kΩ, nicht wie makroskopisch erwartet 0 Ω.

17

3.3 Landauer-Formalismus

Abb. 21: Modell für den Landauer-Formalismus: 2 ideale Reservoire mit denchemischen Potentialen µ1 und µ2 werdendurch perfekt leitende Drähte mit N1 bzw.N2 besetzten Moden mit der Probe verbun-den. Diese wird durch eine Streumatrix S be-schrieben.

Der Landauer-Formalismus ist eine allgemeinere For-mulierung für einen Punktkontakt. Der Leiter wird alsWellenleiter für Elektronen betrachtet, analog zu einemLichtwellenleiter für Photonen. Es wird angenommen,dass die Transporteigenschaften von den Reflexions-und Transmissionseigenschaften des Kontakts herrüh-ren. Diese “Streuzone” wird über perfekte Drähte mitden Elektroden verbunden, die sich wieder wie idea-le Reservoire verhalten. Zwischen Reservoir und Drahtsoll eine perfekte Kopplung herrschen. Die Zahl derModen N1 bzw. N2 in den beiden Drähten ist nichtweiter beschränkt und auch nicht notwendigerweisegleich.

3.3.1 Streumatrix

Die ein- und ausfallenden Wellen werden durch eine (energieabhängige) Streumatrix

S =

(

s11 s12

s21 s22

)

=

(

r t′

t r′

)

(9)

miteinender verknüpft (s. Abb. 21), wobei die einzelnen Einträge Nα × Nβ-Matrizen sind undderen Komponenten (sαβ)mn das Verhältnis von ausfallender Amplitude der Mode n in Drahtα und einfallender Mode m in Draht β darstellen. r und t beschreiben also, wie die einfallendenElektronenwellen aus Draht 1 zurückgestreut bzw. transmittiert werden, r′ und t′ analog füreinfallende Wellen in Draht 2.

Aufgrund der Stromerhaltung bzw. der Zeitumkehrsymmetrie der Schrödinger-Gleichung ist Seine unitäre Matrix und es gilt tmn = (t′

mn)∗. Weiterhin gilt

S†S =

(

rr′ + tt′ r′t′ + t′r′

rt + tr t′t + r′r

)

= 1. (10)

Nach Agraït et al. [Agr03] bzw. Büttiker [But92] ist es sinnvoll, Erzeugungs- und Vernichtungs-operatoren a†

mα(ε) und amα(ε) für einfallende und b†mα(ε) und bmα(ε) für ausfallende Zustände

zu definieren. Diese sind über die Streumatrix via

bmα =∑

(sαβ)mn anβ (11)

miteinander verknüpft. Die Besetzungszahl einer einfallenden Mode ist aufgrund der perfek-ten Reservoir-Draht-Kopplung gegeben durch

a†mα(ε)anβ(ε)

= δmnδαβfα(ε), wobei fα(ε) dieFermiverteilung in dem Reservoir ist, das mit Draht α verbunden ist.

Der Strombeitrag der Mode m im Draht α rührt von einem Ungleichgewicht zwischen einfal-lenden und ausfallenden Zuständen her und ist gegeben durch [Agr03]

Imα =2e

h

∫ ∞

−∞dε[⟨

a†mα(ε)amα(ε)

−⟨

b†mα(ε)bmα(ε)

]

. (12)

18

Nimmt man für α = 2, betrachtet also den bei Draht 2 herauskomenden Strom (ohne Ein-schränkung der Allgemeinheit, denn aus der Stromerhaltung folgt, dass der Gesamtstrom inbeiden Drähten gleich sein muss), und ersetzt die bm2 mittels Gleichung (11), so ergibt sich

Im2 =2e

h

∫ ∞

−∞dε

[⟨

a†m2am2

−⟨(

(s2β)mn anβ

)†(∑

(s2β)mn anβ

)⟩]

=2e

h

∫ ∞

−∞dε

[

f2 −∑

a†nβ

(

(s2β)mn

)† (

(s2β)mn

)

anβ

⟩]

=2e

h

∫ ∞

−∞dε

[

f2 −[

n

a†n1

∣tmn

2an1

+∑

n

a†n2

∣r′mn

2an2

⟩]]

=2e

h

∫ ∞

−∞dε

[(

1 −∑

n

∣r′mn

2)

f2 −∑

n

∣tmn

2f1

]

.

(13)

Der Gesamtstrom in Draht 2 ergibt sich dann durch Summation über alle Moden unter Aus-

nutzung von∑

mn

(

A)2

mn= Tr(A†A) zu

I1 =2e

h

∫ ∞

−∞dε [(N2 − R22)f2(ε) − T12f1(ε)] (14)

wobei R22 = Tr(r′†r′) und T12 = Tr(t†t). Aus Gleichung (10) folgt T12 + R22 = N2 und damit

I1 =2e

h

∫ ∞

−∞dε T12 (f2 − f1) . (15)

Mit der Fermiverteilung f(ε) = 1

1+e

ε−EFkBT

bzw. den Fermiverteilungen

f1(ε) =1

1 + eε−EF +eU/2

kBT

f2(ε) =1

1 + eε−EF −

eU/2

kBT

(16)

für die beiden Reservoire mit µ1 = EF − eU/2 und µ2 = EF + eU/2 erhält man den Leitwert Gdurch

G =I

U=

Ie

eU=

2e2

h

∫ ∞

−∞dε

(f2 − f1)eU

T12. (17)

Mit(

−∂f

∂ε

)

=1

kBT

1

eε−EFkBT + 2 + e

−ε−EFkBT

(18)

und

f2 − f1 =e

eU/2

kBT − e−

eU/2

kBT

eε−EFkBT + e

−eU/2

kBT + e−

eU/2

kBT + e−

ε−EFkBT

≈eU/kBT

eε−EFkBT + 2 + e

−ε−EFkBT

(19)

(wobei für eU ≪ kBT die Taylornäherung ex ≈ 1 + x verwendet wird) ergibt sich für kleineSpannungen der lineare Leitwert zu

G =2e2

h

∫ ∞

−∞dε

(

−∂f

∂ε

)

T12 (20)

der sich für T = 0 K auf die Landauer-Formel G = (2e2/h) T12 reduziert [But85].

19

3.3.2 Eigenkanäle

In Gleichung (20) kann man sehen, dass sich der Leitwert aus den Koeffizienten tmn berechnenlässt, die das Verhältnis von ausfallender Amplitude der Mode n in Draht 2 und einfallenderAmplitude der Mode m in Draht 1 wiedergeben.

Obwohl t im allgemeinen keine quadratische Matrix ist, ist t†t eine hermitesche N1 ×N1-Matrix.Demzufolge gibt es eine unitäre Transformation U , für die U t†tU Diagonalform annimmt mitreellen Eigenwerten τi, i = 1 . . . N1. Als Spur einer hermiteschen Matrix bleibt T12 invariantunter unitären Transformationen, es gilt also

T12 = Tr(t†t) =∑

i

τi. (21)

Aufgrund der Unitarität der Streumatrix wird auch r†r unter der selben Transformation Udiagonal. Da sowohl t†t als auch r†r positiv definit sind, folgt aus Gleichung (10): 0 ≤ τi ≤ 1für alle i.

Die zugehörigen Eigenvektoren nennt mal Eigenkanäle, die bestimmte Linearkombinationeneinfallender Moden wiederspiegeln, die unter Reflexionen an der Probe invariant bleiben, die τi

sind die zugehörigen Transmissionen (oder Transparenzen). Das Problem reduziert sich damitauf eine einfache Superposition unabhängiger Einzelmodenprobleme, und der Leitwert lässt sichschreiben als

G =2e2

h

i

τi. (22)

Die Eigenkanäle scheinen nicht wohldefiniert, da ja die Zahl der Moden, die die beiden Drähtebeschreiben, beliebig hoch sein kann. Aus der Stromerhaltung folgt aber, dass die Zahl derLeitungskanäle durch die engste Stelle bestimmt wird, denn nur in Kanälen, die hier besetztsind, kann Strom fließen. In allen anderen verschwindet die Transmissionswahrscheinlichkeit, dader Strom die Probe ja durchqueren muss. Die Zahl der zum Strom beitragenden Eigenkanäleist also durch die schmalste Stelle der Probe bestimmt, unabhängig von der eventuell zu hohenZahl der betrachteten Moden in den beiden Drähten.

3.3.3 Einschränkungen des Landauerformalismus

Der Landauer-Formalismus erklärt zwar viele Beobachtungen, ist aber keine vollständige Theo-rie. Er ist vielmehr eine phänomenologische Beschreibung, welche die Streueigenschaften derProbe (die in der Streumatrix S stehen) mit den elektrischen Eigenschaften verknüpft. Aller-dings ist im Landauer-Formalismus nicht beinhaltet, wie die Einträge von S aus einer mikro-skopischen Theorie heraus zu ermitteln sind.

Die relativ einfache Beschreibung des Stromtransports in mesoskopischen Systemen durch denLandauer-Formalismus rührt außerdem von einigen Vereinfachungen her. So handelt es sichum eine Ein-Elektron-Theorie, die nur stimmt, wenn inelastische Streuprozesse zwischen Elek-tronen sowie zwischen Elektronen und Phononen vernachlässigt werden können. Außerdemwird vollständige Quantenkohärenz angenommen, was aber nur bei T = 0 K für Elektronenbei der Fermi-Energie richtig ist; für endliche Spannungen und Temperaturen können Abwei-chungen auftreten. Desweiteren sind die Transmissionskoeffizienten im Allgemeinen nicht nurenergie-, sondern auch spannungsabhängig. Um auch Vorhersagen für höhere Spannungen mög-lich zu machen, müssen diese aus dem exakten elektrostatischen Potential bestimmt werden,

20

wozu kompliziertere Methoden nötig sind. Auch können Elektronen-Korrelations-Effekte mit-hilfe des einfachen Ansatzes nicht richtig berücksichtigt werden. So können beispielsweise starkeCoulomb-Wechselwirkungen die benötigte Beschreibung vollkommen verändern.

3.3.4 Zusammenhang des Stromtransports mit der elektronischen Struktur

Mithilfe von Leitwertmessungen kann nur auf die Gesamt-TransmissionswahrscheinlichkeitT =

∑N1 τi geschlossen werden, nicht jedoch auf die Transmissionswahrscheinlichkeiten τi der

einzelnen Leitungskanäle. Durch die Untersuchung der Strom-Spannungs-Charakteristika vonAluminium-Punktkontakten im supraleitenden Zustand konnten Scheer et al. [Sch97] zeigen,dass hier auch bei einem Leitwert unter 1 G0 mindestens zwei, wahrscheinlich sogar drei teilwei-se transparente Leitungskanäle zum Stromtransport beitragen. Die Transmissionseigenschaftender einzelnen Kanäle wurden dabei durch Ausnutzung der Nichtlinearität der “subharmonic gapstructure”, dem Verlauf der Strom-Spannungs-Kurve unterhalb einer charakteristischen Span-nung ermittelt. Die Messdaten sind nicht mehr durch einen einzelnen nahezu transparentenKanal zu erklären, während die Fits für drei Kanäle sehr gut passen (s. Abb. 22). In keinem derDatensätze in [Sch97] wurden für einen Einzelatomkontakt mehr Kanäle gefunden als Orbitalevorhanden waren.

Abb. 22: Von Scheer et al. gemessene Gesamttransmis-sion und die ermittelten einzelnen Transmissionskoeffi-zienten [Sch97]

Cuevas et al. [Cue98] legten in ihren theore-tischen Rechnungen eine Basis aus Orbitalenzur Beschreibung der elektronischen Strukturzugrunde, wobei nur die Orbitale berücksich-tigt wurden, die einen nennenswerten Anteilan der Zustandsdichte in der Nähe der Fer-mienergie haben. Die Zahl der Leitungskanä-le ist dann durch die Zahl der Orbitale ander schmalsten Stelle beschränkt, also maxi-mal 4 für Aluminium (1 s-Orbital und 3 p-Orbitale). Die Rechnungen liefern nur 3 be-teiligte Kanäle mit Transmissionswahrschein-lichkeiten ähnlich zu den experimentell be-stimmten in [Sch97] und bestätigen damit de-ren Annahmen. Die Eigenkanäle von Alumi-nium können als Linearkombination der Orbitale identifiziert werden: ein fast transparentesspz- hybridisiertes Orbital sowie zwei nur schwach geöffnete Kanäle die sich aus den px- undpy-Orbitalen zusammensetzen. In diesem Modell ergibt sich für Gold ein einzelner nahezu trans-parenter Kanal, da es sich als monovalentes Metall in der Nähe der Fermi-Energie EF durchein einzelnes s-Orbital beschreiben lässt [Cue98].

3.4 Leitwertquantisierung oder diskrete Verkleinerung desKontaktdurchmessers

Nach der Entdeckung des stufenartigen Verhaltens des Stroms in Kontakten mit nur wenigenAtomen entbrannten heftige Diskussionen über die Herkunft dieser Stufen. Während einigeAutoren für die Leitwertquantisierung plädierten [Ole94, Ole95], wurde dies von anderen be-stritten. Letztere erklärten die Beobachtungen durch Rekonfigurationen der Atomstruktur desKontakts [Kra95a].

21

Tatsächlich zeigen simultane Messungen von Leitwert und Zugkraft, wir sie z.B. von Rubio etal. [Rub96] gemacht wurden (s. Abb. 7), dass die Sprünge im Leitwert durch Umstrukturierungder Atome zustande kommen, da mit jedem Sprung im Leitwert auch eine Relaxation der Krafteinhergeht, die sich in den Plateaus aufgebaut hatte. Krans et al. [Kra95b] sehen im Fehlen

einiger charakteristischer Peaks im Leitwerthistogramm ein Zeichen echter Leitwertquantisie-rung, das aber erst nach einer Mittelung über viele Atomstrukturen zutage tritt. Dieser Effektist der Rekonfiguration der Atomstruktur überlagert.

3.5 Weitere den Leitwert beeinflussende Effekte

Im Experiment beobachtet man den Leitwert von 1 G0 für einen vollständig transparenten Leit-wertkanal selbst in monovalenten Materialien wie Gold häufig nicht exakt. Neben der vollstän-digen Transparenz des Kanals, die zumindest für Gold nahezu erfüllt ist, spielen noch andereEinflüsse eine Rolle.

3.5.1 Elastische Streuung an Defekten

Abb. 23: Modell für elastische Streuprozes-se [Agr03]

Der Landauer-Formalismus geht davon aus, dass Streu-ung ausschließlich direkt am durch die Streumatrix be-schriebenen ballistischen Punktkontakt auftritt. Dieserbesteht allerdings nur aus der Kontaktfläche (bei Ein-zelatomkontakten also dem Zentralatom) und der direk-ten Umgebung. Auch außerhalb davon kann Streuungan Defekten auftreten, die durch eine elastische Streu-länge l charakterisiert wird. Dazu modelliert man denKontakt wie in 3.3 beschrieben durch Transmissions-und Reflexionswahrscheinlichkeit für Elektronen vonlinks (T , R) und von rechts (T ′, R′). Dieser wird vonzwei diffusen Bänken eingeschlossen, in denen die Elek-

tronen mit einer Wahrscheinlichkeit a zurückgestreut werden (s. Abb. 23). Die verschiedenenzum Gesamtstrom beitragenden Komponenten (schwarz) interferieren dabei je nach aufgesam-melter Phase. Da nur solche Elektronen, die durch den Kontakt zurückgestreut werden, denerwarteten Strom vermindern, spielen nur Defekte nahe am Kontakt eine Rolle. Weiter entfernteDefekte erscheinen nur unter einem kleinen Sichtwinkel. Der Effekt liegt in der Größenordnungweniger Prozent [Agr03].

3.5.2 Inelastische Streuung

Obwohl es sich bei den betrachteten Kontakten um sogenannte ballistische Punktkontakte han-delt, heißt dies nicht, dass keine inelastischen Streuprozesse stattfinden können. “Ballistisch”bedeutet lediglich, dass die Kontaktabmessungen deutlich kleiner sind als die mittlere freieWeglänge der Elektronen. Für die meisten Elektronen ist der zurückgelegte Weg also längerals der untersuchte Kontakt. Für jedes Elektron gibt es allerdings eine geringe, aber nicht ver-schwindende Wahrscheinlichkeit, z.B. mit einem Phonon zu Wechselwirken bzw. Atom- oderMolekülschwingungen anzuregen, sofern es genügend Energie für die Anregung besitzt. Dabeiverliert das Elektron Energie und kann den Kontakt nicht mehr passieren, d.h. es wird reflek-tiert. Dies führt zu einer Reduktion des Stroms. Die Größenordnung dieses Effekts liegt unter1 % [Agr03].

22

3.5.3 Serienwiderstände

Auch die Widerstände der Messaufbaus, z.B. Kontaktierung des Golddrahts, Kabel oder Mess-geräte, beeinflussen die Messung. In Verbindung mit Leitwerthistogrammen wird oft auch voneinem phänomenologischen “effektiven Serienwiderstand” gesprochen. Dabei wird vereinfachendangenommen, dass sich die Verschiebung der Peaks zu niedrigeren Werten durch einen ohm-schen Gesamtwiderstand beschreiben lässt. Die Größe dieses Widerstands beträgt je nach De-fektkonzentration zwischen 10 Ω und 1000 Ω [Bak02]. Diese Methode hat sich für Experimentean 2DEG bewährt, ist jedoch für dreidimensionale Strukturen sehr ungenau [Agr03].

3.6 Shell-Effekt

Aus der Cluster-Physik kennt man sogenannte “Magische Zahlen” für die Größe der Cluster.Diese sind auf gefüllte Elektronenschalen zurückzuführen und sind gegeben durch die Nullstel-len der sphärischen Bessel-Funktionen. Daher bilden sich bevorzugt Cluster aus 8, 10, 40, 48,70, 92,. . . Atomen. Mit denselben Annahmen lassen auch für die Zylindersymmetrie von Nan-odrähten ähnliche stabile Zustände finden, die energetisch günstiger sind als die umliegenden.Die zugehörigen Radien der Drähte korrespondieren mit den Radien der Metallcluster. DieserEffekt konnte bisher allerdings nur für Alkalimetalle nachgewiesen werden [Yan99].

Abb. 24: Gefüllte Atomschalen bei Gold: Modell (a),simuliertes (b) und gemessenes Bild (c) [Agr03]

Für Gold wurde auch ein geometrischer Shell-Effekt beobachtet. Dieser rührt von geschlos-senen Atomschichten her, wobei Zahl derAtomreihen in jeder Schale um 7 zunimmt.Mögliche gefundene Strukturen sind 7-1, 11-4, 13-6, 14-7-1 (s. Abb. 24) und 15-8-1. DieKontaktflächen bestehen demnach aus 8, 15,19, 22 oder 24 Atomen [Agr03].

3.7 Tunneleffekt

Klassisch kann Strom nur dann fließen, wenn der Kontakt geschlossen ist. Quantenmechanischkann einem Elektron aber kein fester Ort mehr zugeordnet werden, es gibt nur noch eineAufenthaltswahrscheinlichkeit. Außerhalb des Leiters verschwindet diese nicht, sondern ragt inden klassisch verbotenen Bereich hinein und klingt dort exponentiell ab. Das hat zur Folge,dass auch über eine Unterbrechung des Leiters hinweg Strom fließen kann.

Für den Widerstand ergibt sich nach [Agr03]

R ∝ exp

(

2√

2meΦ~

δ

)

. (23)

Dabei ist me die Elektronenmasse, Φ die Auslösearbeit, ~ = h2π

das durch 2π dividiertePlanck’sche Wirkungsquantum und δ der Abstand zwischen den beiden Kontakten.

23

Literatur

[Agr93] Agraït, N.; Rodrigo, J. G. ; Vieira, S.: Conductance steps and quantization inatomic-size contacts. In: Physical Review B 47 (1993), Mai, S. 12345–12348

[Agr03] Agraït, N.; Yeyati, A. L.; van Ruitenbeek, J. M.: Quantum properties of atomic-sized conductors. In: Physics Reports 377 (2003), April, S. 81–279

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[But85] Büttiker, M.; Imry, Y.; Landauer, R.; Pinhas, S.: Generalized many-channelconductance formula with application to small rings.In: Physical Review B 31 (1985), Mai, Nr. 10, S. 6207–6215

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