Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz

19
 A.FR ANCKE V ERLAG TÜBINGEN U ND BASEL Stefan Scholz I deologien des Verstehens Eine Diskurskritik der neutest amentlichen H ermeneutiken  von Kla us Be rge r, E li sab et h Sc h üss ler F io renza, Peter Stuhlmacher und Hans W eder

description

Klaus Berger, Elisabeth Schüssler Fiorenza, Peter Stuhlmacher und Hans Weder beherrschten gemeinsam und gegeneinander die neutestamentliche Diskussion zur Bibelinterpretation der vergangenen 40 Jahre. Die Studie untersucht diese vier Ansätze, befragt sie nach den diskursiven Triebfedern (Ideologien) ihrer Themenauswahl und Argumentationsweisen und stellt die Ergebnisse vergleichend nebeneinander. Dadurch entsteht ein kulturwissenschaftlich orientiertes Gesamtbild des jüngeren Diskurses zur Bibelhermeneutik. Es zeigt sich dabei, dass auch neutestamentlich-wissenschaftliche Interpretationen, welche primär als textgetreue Auslegungen biblischer Texte gelten, als ideologiebesetzte Strategien zur Durchsetzung bestimmter Machtinteressen aufgefasst werden können. Die mit dieser Studie begründete Einsicht in die Perspektivität, Pluralität und Determination biblischer Interpretationen verstärkt die Integration der neutestamentlichen Wissenschaft in das Paradigma der Postmoderne.

Transcript of Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz

5/11/2018 Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/leseprobe-aus-ideologien-des-verstehens-von-stefan-scholz

A . F R A N C K E V E R L A G T Ü B I N G E N U N D B A S E L

Stefan Scholz

Ideologien des

VerstehensEine Diskurskritik

der neutestamentlichen Hermeneutiken

 von Klaus Berger, Elisabeth Schüssler Fiorenza,

Peter Stuhlmacher und Hans Weder

5/11/2018 Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/leseprobe-aus-ideologien-des-verstehens-von-stefan-scholz

Neutestamentliche Entwürfe zur TheologieBand 13 · 2008

Herausgegeben von Friedrich W. Horn, François Vouga,Oda Wischmeyer und Hanna Zapp

5/11/2018 Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/leseprobe-aus-ideologien-des-verstehens-von-stefan-scholz

Stefan Scholz

Ideologien desVerstehensEine Diskurskritikder neutestamentlichen Hermeneutikenvon Klaus Berger, Elisabeth Schüssler Fiorenza,Peter Stuhlmacher und Hans Weder

A.Francke Verlag Tübingen und Basel

5/11/2018 Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/leseprobe-aus-ideologien-des-verstehens-von-stefan-scholz

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de>abrufbar.

Dissertation an der Theologischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg, 2006.

© 2008 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 · D-72070 Tübingen

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertungaußerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlagesunzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro-verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier.

Internet: http://www.francke.deE-Mail: [email protected]

Druck und Bindung: Laupp& Göbel, NehrenPrinted in Germany

ISSN 1862-2666ISBN 978-3-7720-8246-7

5/11/2018 Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/leseprobe-aus-ideologien-des-verstehens-von-stefan-scholz

 

„Ihr durchschaut mich, ihr seid mir über“,antwortete Hermes ehrerbietig.

„Jetzt, da ihr alle wieder im Spiel seid,werde ich euer Bote sein wie früher,

und ich verspreche euch: kein bißchen zuverlässiger.“

Sten Nadolny,

Ein Gott der Frechheit

5/11/2018 Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/leseprobe-aus-ideologien-des-verstehens-von-stefan-scholz

 

Inhalt

Vorwort ......................................................................................................... 13

1 Einleitung.

Ideologien des Verstehens .............................................................. 151.1 Von Heiligen Schriften, der Bibel und ihren DeuterInnen .......... 15 1.2 Verstehenskrisen ................................................................................ 171.3 Verstehenswege ................................................................................. 18

1.4 Kontexte des Verstehens ................................................................... 221.5 Ideologien des Verstehens ................................................................ 29

Teil A Methodenreflexion .................................................................... 31

2 Einführung in die Gesamtuntersuchung:

Allgemeine Textanalyse – Ideologiekritik – Diskursanalyse ... 33 

3 Methodenreflexion zur Ideologiekritik ....................................... 373.1 Was leistet Ideologiekritik? ............................................................... 373.2 Was ist Ideologie? .............................................................................. 373.3 Ideologiekritische Positionierungen ............................................... 40

3.3.1 Die Anfänge– Bacon und die Idéologistes ............................................ 40 

3.3.2 Ideologiekritik als Entlarvung der Camera obscura– Die Marxsche Ideologiekritik ......................................... 41 

3.3.3 Ideologiekritik als Enttarnung der Standortgebundenheitsämtlichen Denkens– Karl Mannheim und die Wissenssoziologie ................ 43

3.3.4 Ideologie und Struktur– Louis Althusser ................................................................ 44 

3.3.5 Ideologiekritik als Aufdeckung diskursiver Störungen– Die Textsoziologie von Peter V. Zima .......................... 46 

3.4 Die ideologiekritische Methodik dieser Untersuchung ............... 48 3.4.1 Die Ambivalenz von Ideologien ....................................... 48

3.4.2 Die Partikularität von Ideologien ..................................... 493.4.3 Ideologien als diskursive Formationen einerAussageneinheit ............................................................... 50 

3.4.4 Ideologiekritik als Aufdeckung diskursiver Strukturender Ideologie ........................................................................ 50

5/11/2018 Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/leseprobe-aus-ideologien-des-verstehens-von-stefan-scholz

8 Inhalt 

4 Methodenreflexion zur Diskursanalyse ....................................... 554.1 Kontexte des Diskursbegriffs ........................................................... 554.2 Das kulturelle Feld der Diskursanalyse Foucaults:

Der Poststrukturalismus ................................................................... 564.3 Foucaults Diskursanalyse ................................................................. 594.4 Applikationsprobleme der Foucaultschen Diskursanalyse ......... 61 4.5 Modifikation des Foucaultschen Themas:

Das diskursanalytische Modell von Siegfried Jäger ..................... 634.6 Die diskursanalytische und diskurskritische Methodik dieser

Untersuchung ..................................................................................... 654.6.1 Diskursanalyse und Untersuchungsgegenstand ............ 65 

4.6.2 Die diskursanalytische Untersuchung von Aussagen ... 66 4.6.3 Subjekt und Macht im Diskurs ......................................... 674.6.4 Diskursanalyse als Ermittlung diskursiver Bezüge und

Diskurskritik als vergleichende Interpretation ............... 68

5 Schaubild zu den einzelnen Untersuchungsschritten ............... 71

Teil B Einzelanalyse der vier hermeneutischen Basistexte ........ 73

6 Untersuchungen bei Klaus Berger ................................................ 756.1 Allgemeine Textanalyse: Textinhalt – Wertung – Pragmatik ...... 75 6.2 Ideologiekritische Untersuchung .................................................... 89

 Ideologie als Erzählstruktur:6.2.1 Dualismen ............................................................................ 89 6.2.2 Mythische Aktanten ........................................................... 926.2.3 Naturalismus und Identitätsdenken ................................ 946.2.4 Monolog ............................................................................... 95 

 Ideologie als Aussagestruktur:6.2.5 Schlüsselbegriffe und deren Kombination und

Klassifizierung ................................................................. 98 6.2.6 Relevanzkriterien ................................................................ 1006.2.7 Rückschlüsse auf Soziolekte .............................................. 102

6.3 Diskursanalytische Untersuchung .................................................. 1066.3.1 Überschneidung mit anderen Diskursfragmenten ........ 106 6.3.1.1 Der Gebrauch von Bibelstellen ......................................... 1066.3.1.2 Überschneidung mit weiteren Diskursfragmenten ........ 109

6.3.1.3 Überschneidung mit eigenen Diskursfragmenten ......... 1116.3.2 Überlappung mit anderen Diskurssträngen ................... 1146.3.3 Bezüge zum Interdiskurs ................................................... 119

7 Untersuchungen bei Elisabeth Schüssler Fiorenza .................... 1217.1 Allgemeine Textanalyse: Textinhalt – Wertung – Pragmatik ...... 121 

5/11/2018 Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/leseprobe-aus-ideologien-des-verstehens-von-stefan-scholz

Inhalt 9

7.2 Ideologiekritische Untersuchung .................................................... 136 Ideologie als Erzählstruktur:

7.2.1 Dualismen ............................................................................ 1367.2.2 Mythische Aktanten ........................................................... 1407.2.3 Naturalismus und Identitätsdenken ................................ 1417.2.4 Monolog................................................................................. 142

 Ideologie als Aussagestruktur:7.2.5 Schlüsselbegriffe und deren Kombination und

Klassifizierung ................................................................. 146 7.2.6 Relevanzkriterien ................................................................ 1487.2.7 Rückschlüsse auf Soziolekte .............................................. 148

7.3 Diskursanalytische Untersuchung .................................................. 1537.3.1 Überschneidung mit anderen Diskursfragmenten ........ 153 7.3.1.1 Der Gebrauch von Bibelstellen ......................................... 1537.3.1.2 Überschneidung mit weiteren Diskursfragmenten ........ 1557.3.1.3 Überschneidung mit eigenen Diskursfragmenten ......... 1597.3.2 Überlappung mit anderen Diskurssträngen ................... 1617.3.3 Bezüge zum Interdiskurs ................................................... 167

8 Untersuchungen bei Peter Stuhlmacher ....................................... 1698.1 Allgemeine Textanalyse: Textinhalt – Wertung – Pragmatik ...... 169 8.2 Ideologiekritische Untersuchung .................................................... 186

 Ideologie als Erzählstruktur:8.2.1 Dualismen ............................................................................ 1868.2.2 Mythische Aktanten ........................................................... 1918.2.3 Naturalismus und Identitätsdenken ................................ 1948.2.4 Monolog ............................................................................... 195

 Ideologie als Aussagestruktur:

8.2.5 Schlüsselbegriffe und deren Kombination undKlassifizierung ................................................................. 197 

8.2.6 Relevanzkriterien ................................................................ 1988.2.7 Rückschlüsse auf Soziolekte .............................................. 199

8.3 Diskursanalytische Untersuchung .................................................. 2028.3.1 Überschneidung mit anderen Diskursfragmenten ........ 202 8.3.1.1 Der Gebrauch von Bibelstellen ......................................... 2028.3.1.2 Überschneidung mit weiteren Diskursfragmenten ........ 2058.3.1.3 Überschneidung mit eigenen Diskursfragmenten ......... 2098.3.2 Überlappung mit anderen Diskurssträngen ................... 2098.3.3 Bezüge zum Interdiskurs ................................................... 214

9 Untersuchungen bei Hans Weder .................................................. 2179.1 Allgemeine Textanalyse: Textinhalt – Wertung – Pragmatik ...... 217 9.2 Ideologiekritische Untersuchung .................................................... 232

5/11/2018 Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/leseprobe-aus-ideologien-des-verstehens-von-stefan-scholz

10 Inhalt 

 Ideologie als Erzählstruktur:

9.2.1 Dualismen ............................................................................ 2329.2.2 Mythische Aktanten ........................................................... 2379.2.3 Naturalismus und Identitätsdenken ................................ 2399.2.4 Monolog................................................................................. 240

 Ideologie als Aussagestruktur:

9.2.5 Schlüsselbegriffe und deren Kombination undKlassifizierung ................................................................. 242 

9.2.6 Relevanzkriterien ................................................................ 2449.2.7 Rückschlüsse auf Soziolekte .............................................. 245

9.3 Diskursanalytische Untersuchung .................................................. 249

9.3.1 Überschneidung mit anderen Diskursfragmenten ........ 249 9.3.1.1 Der Gebrauch von Bibelstellen ......................................... 2499.3.1.2 Überschneidung mit weiteren Diskursfragmenten ........ 2529.3.1.3 Überschneidung mit eigenen Diskursfragmenten ......... 2559.3.2 Überlappung mit anderen Diskurssträngen ................... 2559.3.3 Bezüge zum Interdiskurs ................................................... 263

Teil C Diskurskritik.Auswertung der Untersuchungen im synoptischenVergleich ........................................................................................... 265

10 Vergleich des Textaufbaus ............................................................. 267 

10.1 Formationen ....................................................................................... 26710.2 Gemeinsamkeiten – Differenzen – Leerstellen .............................. 267

11 Vergleich der ideologiekritischen Ergebnisse ............................ 269 

11.1 Dualismen ........................................................................................... 26911.1.1 Formation A: Abgrenzungen (Dualismen nach Typ 1) . 269 11.1.2 Formation B: Vermittlungen (Dualismen nach Typ 2) .. 269 11.1.3 Gemeinsamkeiten – Differenzen – Leerstellen ............... 270 

11.2 Mythische Aktanten .......................................................................... 27211.2.1 Formationen ........................................................................ 27211.2.2 Gemeinsamkeiten – Differenzen – Leerstellen ............... 272 

11.3 Naturalismus und Identitätsdenken ............................................... 27211.3.1 Formationen ........................................................................ 272 

11.3.2 Gemeinsamkeiten – Differenzen – Leerstellen ............... 273 11.4 Monolog .............................................................................................. 27311.4.1 Formationen ........................................................................ 273 11.4.2 Gemeinsamkeiten – Differenzen – Leerstellen ............... 274 

11.5 Schlüsselbegriffe ................................................................................ 27411.5.1 Formationen ........................................................................ 274

5/11/2018 Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/leseprobe-aus-ideologien-des-verstehens-von-stefan-scholz

Inhalt 11

11.5.2 Gemeinsamkeiten – Differenzen – Leerstellen ............... 275 11.6 Relevanzkriterien .............................................................................. 277

11.6.1 Formationen ........................................................................ 27711.6.2 Gemeinsamkeiten – Differenzen – Leerstellen ............... 278 

11.7 Soziolekte ............................................................................................ 27811.7.1 Formationen ........................................................................ 27811.7.2 Gemeinsamkeiten – Differenzen – Leerstellen ............... 279 

12 Vergleich der diskursanalytischen Ergebnisse ........................... 28312.1 Überschneidung mit anderen Diskursfragmenten ....................... 283

12.1.1 Formationen ........................................................................ 283

12.1.2 Gemeinsamkeiten – Differenzen – Leerstellen ............... 284 12.1.2.1 Zum Gebrauch von Bibelstellen ....................................... 28412.1.2.2 Zur Überschneidung mit weiteren Diskursfragmenten 28512.1.2.3 Gegenseitige Bezugnahmen .............................................. 28612.1.2.4 Zur Überschneidung mit eigenen Diskursfragmenten .. 289

12.2 Überlappung mit anderen Diskurssträngen .................................. 28912.2.1 Formationen ........................................................................ 28912.2.2 Gemeinsamkeiten – Differenzen – Leerstellen ............... 291 

12.3 Bezüge zum Interdiskurs .................................................................. 294

12.3.1 Formationen ........................................................................ 29412.3.2 Gemeinsamkeiten – Differenzen – Leerstellen ............... 294 

13 Diskurskritische Einordnungen:

Institutionen – Macht – Selbstanspruch ....................................... 297 

13.1 Institutionsbezüge ............................................................................. 29713.2 Macht ................................................................................................... 299

13.2.1 Machteinwirkung ............................................................... 30013.2.2 Machtausübung .................................................................. 301

13.3 Selbstanspruch ................................................................................... 306

14 Das spezielle Profil der vier hermeneutischen Ansätze ............ 30914.1 Die ethisch vermittelnde Hermeneutik

– Klaus Berger .................................................................................... 30914.2 Die feministisch autonome Hermeneutik

– Elisabeth Schüssler Fiorenza ......................................................... 31014.3 Die kirchlich-dogmatisch orientierte Hermeneutik

– Peter Stuhlmacher .......................................................................... 312

14.4 Die kerygmatisch selbstreferentielle Hermeneutik– Hans Weder ..................................................................................... 313

5/11/2018 Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/leseprobe-aus-ideologien-des-verstehens-von-stefan-scholz

12 Inhalt 

Teil D Überprüfung der Untersuchungsergebnissean exemplarischen Texten der vier AutorInnen .............. 315

15 Klaus Berger:

Im Anfang war Johannes. Datierung und Theologie

des vierten Evangeliums ................................................................. 317 

15.1 Überprüfung ...................................................................................... 31715.2 Fazit der Überprüfung ...................................................................... 324

16 Elisabeth Schüssler Fiorenza:

Das Buch der Offenbarung. Vision einer gerechten Welt  ........ 327

16.1 Überprüfung ...................................................................................... 32716.2 Fazit der Überprüfung ...................................................................... 333

17 Peter Stuhlmacher:

Der Brief an Philemon ..................................................................... 335 

17.1 Überprüfung ...................................................................................... 33517.2 Fazit der Überprüfung ...................................................................... 340

18 Hans Weder:

Die „Rede der Reden“. Eine Auslegung der Bergpredigt heute 34318.1 Überprüfung ...................................................................................... 34318.2 Fazit der Überprüfung ...................................................................... 350

Rückblick .................................................................................................... 351

19 Ideologien des Verstehens. Ein methodologischer Rückblick 35319.1 Perspektivität ..................................................................................... 353

19.2 Pluralität ............................................................................................. 35719.3 Diskursivität ....................................................................................... 36219.4 Was bleibt? ......................................................................................... 365

Abkürzungen, Literatur und Register ............................................... 371

20 Abkürzungen .................................................................................... 373 

21 Literatur .............................................................................................. 375

22 Register ............................................................................................... 39322.1 Begriffe ................................................................................................ 39322.2 Personen ............................................................................................. 396

5/11/2018 Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/leseprobe-aus-ideologien-des-verstehens-von-stefan-scholz

 

Vorwort

Die vorliegende Studie wurde 2006 von der Theologischen Fakultät derFriedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation ange-nommen und verknüpft die Fachwissenschaft der (Evangelischen) Theologiemit den methodologischen Ansätzen der Ideologiekritik und der Diskurs-analyse in Blick auf die Hermeneutik der Bibel. Wenngleich ich die Thesenund Formulierungen der Ergebnisse selbst zu verantworten habe, konntenProblemstellung, Lösungswege und Schlussfolgerungen freilich nur entste-hen, da ich selbst konkreten Ideologien angehöre und von speziellen Diskur-sen geprägt bin.

Mein Dank gilt allen, die auf vielfältige Weise zum Entstehen dieser Arbeitund ihrer Veröffentlichung beigetragen haben. Zuerst meinen Eltern – ihnenverdanke ich weit mehr als ich hier schreiben kann. Ich danke besondersmeiner Doktormutter Prof. Dr. Oda Wischmeyer; sie hat engagiert und pro-fessionell diese Studie betreut. Durch zahlreiche bereichernde und kritischeGespräche und das Angebot, als Hilfskraft und Assistent an ihrem Lehrstuhltätig zu sein, hat sie meine Reflexionen zur Bibelhermeneutik entscheidendmitgeprägt. Bedanken möchte ich mich bei Prof. Dr. Walter Sparn für dieErstellung des Zweitgutachtens und seine nützlichen Hinweise vor allemzur Ideologiekritik. Ebenso danke ich Prof. Dr. B. Hamm für die Übernahmeder kirchengeschichtlichen Prüfung des Rigorosums. Weiterhin danke ichunterschiedlichen Forschungskolloquien, in denen ich meine Thesen zurDiskussion stellen durfte. Ich nenne hier die Arbeitsgemeinschaft neutesta-mentlicher Assistenten und Assistentinnen sowie die Doktorandenkollo-quien von Prof. Dr. Oda Wischmeyer und Prof. Dr. Peter Pilhofer. Weiterdanke ich allen, die in leichten und heiklen Phasen der Promotion die Frei-

zeit mit mir teilten, allen voran meinem Freund Thomas Zeitler; ich dankeallen, die dabei interessiert an meinen Thesen waren – oder gerade auchnicht und mir dadurch zeigten, dass eine Promotion nicht das Einzige imLeben ist.

Den Weg zur Veröffentlichung vereinfachten mir entscheidend SusanneLuther, die den Text noch einmal Korrektur las, und Andrea Siebert, die dieDruckvorlage erstellte.

Der Universität Erlangen-Nürnberg sowie der Evangelisch-LutherischenLandeskirche in Bayern bin ich für ihre finanzielle Unterstützung durch

Promotionsstipendien zu Dank verpflichtet. Sie ermöglichten mir ein effek-tives und zeitlich überschaubares Promovieren. Für Druckkostenzuschüssedanke ich der „Frau Dorothea und Dr. Richard Zantner-Busch-Stiftung“, derEvangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern sowie der Vereinigten Evange-lisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. Schließlich danke ich den Heraus-gebern der „Neutestamentlichen Entwürfe zur Theologie (NET)“ für die

5/11/2018 Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/leseprobe-aus-ideologien-des-verstehens-von-stefan-scholz

14 Vorwort 

Aufnahme in ihre Reihe sowie Frau Pfaller und Frau Fischer vom Francke-Verlag für die zuverlässige und kooperative Zusammenarbeit.

Nürnberg, im September 2007 Stefan Scholz

5/11/2018 Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/leseprobe-aus-ideologien-des-verstehens-von-stefan-scholz

 

1 Einleitung.

Ideologien des Verstehens

1.1 Von Heiligen Schriften, der Bibel und ihrenDeuterInnen

Heilige Schriften üben in unterschiedlichen Religionssystemen eine ordnende

und identitätsbildende Funktion aus: Sie erzählen die eigene Stiftungs-geschichte und archivieren als kollektives Gedächtnis die maßgebendenAnfänge. Sie fixieren Normen und Werte, die innerhalb der Glaubens-gemeinschaft zu gelten haben bzw. nach außen universalisiert werden sol-len. Und sie formulieren die Wünsche, Hoffnungen und Träume ihrer Trä-gergruppen. Damit erhalten Heilige Schriften im sozialen Regulierungspro-zess einer Religion eine zentrale Stellung, wenn nicht die höchste Autorität:Sie trennen zwischen wahr und  falsch,  gut und böse, Gebotenem und Verbote-

nem. Sie ordnen nicht weniger als die Wirklichkeit in ihrer Relevanz für die

Gläubigen. Wer diese Heiligen Schriften zu deuten vermag und hierzu legitimiert ist,

partizipiert an der machtvollen Autorität, welche den Heiligen Schriftenzuerkannt wird. Und um diese Deutungsmacht besteht mitunter ein Wett-streit, ein Kampf konkurrierender Interessenlagen: ein Ringen um ‚Wahrheit‘. 

Auch das Christentum hat seine Heilige Schrift, die Bibel aus Altem undNeuem Testament, wenngleich ich das Christentum nicht als Buchreligionbezeichnen möchte.1 Im strengen Sinn lassen sich als Buchreligionen nur das

  Judentum und der Islam beschreiben. Denn dort besteht konstitutiv eineVerehrung von Thora bzw. Koran, und die Identität zwischen göttlicherSelbstmitteilung und schriftlicher Fixierung wird in der Regel vorausge-setzt.2 Zwar kennzeichnet Bibliolatrie auch Teile der christlichen Frömmig-keitskultur3, ebenso gibt es auch hier fundamentalistische Strömungen, die

1 Anders A.  H OLZEM , Einleitung. Normieren – Tradieren – Inszenieren, 9: „Das Christentumist durch seine Wurzel im Judentum und durch den früh einsetzenden Prozess derVerschriftlichung seiner Tradition, die das Judentum aufnimmt und sich gleichzeitig  von ihm distanziert, bereits in seinen Anfängen eine Religion des Buches und derSchrift. 

2 Vgl. L. PRIJS , Die Welt des Judentums, 48–55; A.T. K  HOURY  , Der Islam, 35–41.3 Siehe hierzu M. N ICOL, Kult um die Bibel und Kultur des Lesens. Nicol argumentiert für

eine Profilierung der Bibel als Kultbuch, die er wie folgt begründet: „Für Christen bil-den die beiden Testamente der Bibel die ‚Heilige Schrift‘ […]. Das Epitheton ‚heilig‘zeigt an, daß dieses Buch aus allen anderen Büchern herausragt. Es ist das Buch derBücher. Und es ist Medium der Transzendenz. In diesem Buch wird, wie auch immer,

5/11/2018 Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/leseprobe-aus-ideologien-des-verstehens-von-stefan-scholz

16 1 Einleitung. Ideologien des Verstehens 

Gottes Offenbarung mit der Schrift identifizieren4 – weit charakteristischerist jedoch innerhalb der heterogenen Vielfalt christlicher Theologien dieVorstellung der Bibel als einer von der personalen Offenbarung Jesus Chris-tus abgeleiteten Größe. Dies trennt das Christentum entscheidend von denherkömmlichen Schriftreligionen. Darauf kann gerade ein Bibelexeget hin-weisen. So hält der Alttestamentler Otto Kaiser fest:

„Der christliche Glaube ist eine Religion des Geistes und trotz seines basalen Ange-

wiesenseins auf die Bibel keine Buchreligion“.5 

Weiterhin hat die Bibel als Heilige Schrift des Christentums ihre besonderenDeuterInnen.6 Ich fokussiere den Blick hier sogleich auf die akademische

TheologInnenwelt und übergehe weitere institutionsmächtige Deutungs-organe wie Heilige Frauen und Männer, BischöfInnen, PfarrerInnen, Kir-chengremien und nicht zuletzt die KirchenjuristInnen.

Akademische TheologInnen operieren in den unterschiedlichen Fachdis-ziplinen aus verschiedenen Perspektiven heraus mit dem christlichenGrundtext: Naheliegend zuerst die BibelwissenschaftlerInnen der exegetischenFächer des Alten und Neuen Testaments. Sie beanspruchen für sich die pro-fessionelle und sachgemäße Auslegung der christlichen Heiligen Schriftnach Vorgabe der gegenwärtigen textwissenschaftlichen Interpretations-

paradigmen. Die KirchengeschichtlerInnen zeichnen die Kontinuitäten undBrüche der christlichen Auslegungstradition nach und veranschaulichen

die Stimme Gottes vernehmbar“, a.a.O., 2. Zwar anerkennt Nicol die Innovationen derBibelauslegung unter den Bedingungen der Aufklärung, welche vor allem als De-sakralisierungsprozess gedeutet werden können, sein Plädoyer muss m.E. jedoch alsReetablierungsversuch des Christentums als Buchreligion gelesen werden. Die Diffe-renz zwischen der ‚Wort-Gottes-Offenbarung in Jesus Christus‘ und der ‚Bibel alsZeugnis von dieser Offenbarung‘ wird somit zumindest verunklart.

4 So beispielsweise und sehr dezidiert R. SLENCZKA , Geist und Buchstabe. Vgl. zum Fun-damentalismusproblem C. SCHWÖBEL  , Christlicher Glaube im Pluralismus. Schwöbelformuliert in Rückgriff auf G. Ebeling: „Hat Ebeling recht, daß das für das Christen-tum Konstitutive, also sein Fundament, nicht in einem Fixierten, Feststehenden, alsoz.B. in fixierten ‚fundamentals‘, zu sehen ist, und das Fundamentale nicht darum fun-damental ist, weil es fixiert ist, so bietet das Anlaß zu der Frage, ob der Fundamenta-lismus, der das Konstitutive mit etwas Fixiertem identifiziert, im Christentum – und,wie ich denke, auch in anderen Religionen – ein Phänomen deplazierter Fundamenta-lität ist. Dogmatisch gesprochen ginge es um die Verwechslung der Offenbarung mitdem Zeugnis der Offenbarung“, a.a.O., 35.

5  O. K  AISER  , Einleitung in das Alte Testament, 10. Ebenso E. LESSING  , Theologischer An-spruch und faktische Geltung des Schriftprinzips, 135. 

6 Die besonderen DeuterInnen unterscheiden sich von der allgemeinen Leserschaft derBibel durch ihre Professionalität, d.h. der berufsmäßigen Ausübung der Schriftinter-pretation. Der protestantische Leitgedanke vom allgemeinen Priestertum aller Gläubi-gen hat an der Institution der besonderen DeuterInnen nichts geändert, vielmehr för-derte die Freigabe der Schriftinterpretation aus den Händen des Klerikertums ge-radewegs die wissenschaftlich-professionalisierte Bibelforschung, vgl. O. W ISCHMEYER ,Tolle, lege – intellige. Vom Lesen des Neuen Testaments aus der Sicht einer Neutestamentle-rin.

5/11/2018 Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/leseprobe-aus-ideologien-des-verstehens-von-stefan-scholz

1.2 Verstehenskrisen 17

somit die kulturelle Bedingtheit jeder Auslegungsvariation. Die Dogmati-

kerInnen und EthikerInnen reflektieren die biblische Textwelt in ihrer Bedeu-tung für theologische und pragmatische Aussagen einer veränderlichen Ge-genwart. Und die Praktischen TheologInnen stellen Bezüge zwischen der Bibelund den konkreten Glaubensvollzügen gelebter Religiosität her.

Evangelische Theologie lässt sich somit insgesamt als Schriftdeutung ver-stehen, wenngleich dieses Verständnis die theologische Arbeit freilich nuraspekthaft wiedergibt.

1.2 Verstehenskrisen

Nun leidet speziell der gegenwärtige Protestantismus an seiner unaufge-arbeiteten Verhältnisbestimmung von christlichem Glauben und biblischemGrundtext.7 Ich führe dieses Problem vor allem darauf zurück, dass dasreformatorische Schriftprinzip nicht überzeugend und nachhaltig8 in einesäkularisierte, d.h. nachmetaphysische Kultur überführt wurde. Entstandenim Zusammenhang der reformatorischen Emanzipationsbemühungen vomDeutungsmonopol der päpstlichen Amtskirche, geriet das Schriftprinzipdeshalb spätestens im Sog der autonomiezentrierten Autoritätenkritik der

Aufklärung selbst in den Ruf der Bevormundung. Der Systematische Theo-loge Falk Wagner beschreibt das daraus resultierende Legitimationsproblemder Bibel wie folgt:

„[D]as neuzeitlich-moderne Bewußtsein kann geradewegs durch das Prinzip der

theoretisch selbstdenkenden und praktisch autonomen Vernunft so definiert werden,

daß dieses Prinzip zugleich die Kritik von Autoritätsansprüchen tradierter Bücher

und Institutionen einschließt. […] Dieser ebenso selbständige wie öffentliche

Gebrauch der Vernunft verträgt sich nicht mit der Abhängigkeit von überlieferten

Autoritäten, so daß die bloße Berufung auf die Bibelautorität ebenso der Kritik ver-

fallen muß wie die Autorität eines monopolisierten kirchlichen Lehramtes“.9 

In Verbindung mit dieser grundsätzlichen Autoritätskritik der Bibel wurdeauch das reformatorische Interpretationsmodell sacra scriptura sui ipsius in-

terpres destruiert: Denn der erkenntnistheoretische Weg, von der Schrift alsobjektiver Größe zu klar bestimmbaren Aussagen und Anleitungen zurgottgefälligen Lebensgestaltung zu kommen, führte in die Aporie. Sukzes-sive löste sich dabei das Schriftprinzip auf. Dieser Prozess wurde zum einen

7 Zur röm.-katholischen Debattenlage vgl. P. N EUNER  , Das Schriftverständnis der katholi-schen Theologie. 

8 Am Gesamtproblem haben auch einzelne, mitunter sehr innovative und wirkmächtigeKonzeptionen nichts ändern können. Ich nenne hier beispielhaft das Werk Rudolf Bultmanns und die Gott-ist-tot-Theologie.

9 F. W  AGNER , Zwischen Autoritätsanspruch und Krise des Schriftprinzips, 69. Siehe auch U.LUZ  , Was heißt ‚Sola Scriptura‘ heute?, 32: „Das protestantische Schriftprinzip trug mitseiner Loslösung der Schrift von der heteronomen Autorität des kirchlichen Lehramtesden Keim seiner Auflösung bereits in sich“.

5/11/2018 Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/leseprobe-aus-ideologien-des-verstehens-von-stefan-scholz

18 1 Einleitung. Ideologien des Verstehens 

durch die divergierenden theologischen Positionen selbst gespeist, die sichin ihrer unvereinbaren Differenz auf  die eine Heilige Schrift beriefen, zumanderen durch die Dekanonisierung10 der Bibel in der historisch-kritischenForschung11. Bereits bei G.W.F. Hegel ist dieses erkenntnistheoretische Prob-lem der Orientierungsfindung durch die Schrift eindrucksvoll formuliert:

„Die Kommentare über die Bibel machen uns nicht sowohl mit dem Inhalt der Schrift

bekannt, sondern mit der Denkweise einer jeden Zeit. […] Aus der Schrift sind daher

die entgegengesetztesten Meinungen exegetisch durch die Theologen bewiesen, und

so diese sogenannte heilige Schrift zu einer wächsernen Nase gemacht worden. Alle

Ketzereien haben sich gemeinsam mit der Kirche auf die Schrift berufen“.12 

Die Schrift als selbstverständliche Autorität und normierende Kraft ist zumChamäleon mutiert, wodurch ein Vakuum in der theologischen Positionsbe-gründung entstanden ist. Folglich ist die Schrift als orientierende Richt-schnur und hermeneutisches Prinzip selbst zum hermeneutischen Problemgeworden und wird als Krise des Schriftprinzips diskutiert.13 

Dieses ebenso fundamentaltheologische wie kirchenpraktische Problemerfährt überall dort seine Fortschreibung und weitere Verschärfung, woakademische Theologien, christliche Gruppierungen und der Pragmatikverpflichtete Kirchenleitungen den normativen Schriftgebrauch vorausset-

zen, faktisch jedoch ein eklektisches Verfahren anwenden, welches in einerkonkreten Debatte die Funktion erfüllt, die eigene Position biblisch zu un-termauern.14 Darin zeigt sich die Verbindung zwischen biblischem Referenz-text und partikularen Interessenlagen, oder einfacher: Der Zusammenhangvon Bibelauslegung und Macht.

1.3 Verstehenswege

In dieser Problemlage will Hermeneutik Antworten geben.

Hermeneutik wird dort notwendig, wo unmittelbares und eindeutigesVerstehen nicht oder nicht mehr möglich ist.15 Seit ihren Anfängen in dergriechischen Antike bemüht sie sich um ein Verstehen der jeweils kulturell-relevanten Literatur.16 Sie stellt aber nicht nur Interpretationsverfahren zur

10 Zum Begriff vgl. O. W ISCHMEYER , Hermeneutik des Neuen Testaments, 73–80. 11 Siehe zur Problemgeschichte der historistisch-historischen Lösungsversuche K.

N EUMANN  , Die Geburt der Interpretation, besonders 83–105. 12 G.W.F. H EGEL , Vorlesungen über die Philosophie der Religion, 39f. 13 F. W  AGNER , Zwischen Autoritätsanspruch und Krise des Schriftprinzips, 70–77. Siehe auch

W. P ANNENBERG  , Die Krise des Schriftprinzips; siehe insgesamt H.H.  SCHMID /J.  M EHLHAUSEN (H G.), Sola Scriptura. 

14 Dieses Problem ist beispielhaft erkannt bei J. K EGLER , Wie Man(n) mit der feministischenTheologie nicht umgehen sollte. 

15 H. SEIFFERT  , Einführung in die Hermeneutik, 13. 16 Vgl. G.W. M OST  , Art. Hermeneutik. Most benennt für die antike Hermeneutik neben der

Allegorese als wichtigste Interpretationsmodi den Biographismus, die Historisierungund den Formalismus.

5/11/2018 Leseprobe aus: "Ideologien des Verstehens" von Stefan Scholz - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/leseprobe-aus-ideologien-des-verstehens-von-stefan-scholz

1.3 Verstehenswege 19

Deutung von Texten und Wirklichkeiten bereit, sondern sie reflektiert auchdie Rahmenbedingungen des Verstehens.17 

Der hermeneutische Diskursstrang18 innerhalb der evangelisch-theologi-schen Diskussion organisiert sich weitgehend inter- bzw. transdisziplinär.Dennoch lassen sich folgende disziplinäre Forschungsschwerpunkte be-schreiben: Die ‚Biblische Hermeneutik‘, wie sie besonders intensiv im Fach

 Altes Testament betrieben wird, bearbeitet die Frage nach der Verhältnisbe-stimmung von Altem und Neuem Testament.19 Die Neutestamentliche Herme-

neutik reflektiert grundsätzlich die Bedingungen, Möglichkeiten und Gren-zen des Verstehens biblischer Texte.20 Die Praktische Theologie weitet denBegriff der Hermeneutik als umfassende Suchbewegung nach Deutungs-

mustern auf das christliche Leben insgesamt aus.21 Auch die SystematischeTheologie bearbeitet die hermeneutische Fragestellung. Sie verknüpft alle dreigenannten Forschungsfragen und bedenkt die Normativität biblischer Aus-sagen.22 

Die Neutestamentliche Hermeneutik beschäftigt sich somit originär unddaher an erster Stelle mit der Frage nach den Verstehensmöglichkeiten derbiblischen Texte angesichts der seit der Aufklärung bestehenden Geltungs-probleme. Aus diesem Grund möchte ich dieses Forschungsfeld nun näherin Blick nehmen. Ich halte zuvor fest:

17 U.H.J. K ÖRTNER  , Der inspirierte Leser, 22: „Die Wissenschaft von der Hermeneutikuntersucht, nach welchen Regeln wir schriftliche und mündliche, verbale und nonver-bale Lebensäußerungen anderer verstehen und auslegen, von einer Sprache in die an-dere, von einer Vorstellung in eine andere, aus einer vergangenen Epoche in die Ge-genwart übersetzen können“ (im Original kursiv).

18 Ich unterscheide in Anschluss an Siegfried Jäger einzelne Diskursstränge vom Gesamt-diskurs. Siehe zur diesbezüglichen Nomenklatur 4.5 Modifikation des FoucaultschenThemas: Das diskursanalytische Modell von Siegfried Jäger. 

19 Vgl. H. GESE, Der auszulegende Text; C. DOHMEN, Art. Hermeneutik; L. SCHMIDT, DieEinheit zwischen Altem und Neuem Testament.

20 Vgl. die Doppeldefinition zur Neutestamentlichen Hermeneutik von O. W ISCHMEYER ,  Hermeneutik des Neuen Testaments, 3: „Neutestamentliche Hermeneutik ist die Lehre  vom angemessenen Verstehen und der angemessenen Interpretation der neutesta-mentlichen Texte. Neutestamentliche Hermeneutik ist die Lehre von den Bedingungenund Möglichkeiten angemessenen Verstehens und angemessener Interpretation derneutestamentlichen Texte“. – Ähnlich G. SCHUNACK   , Art. Hermeneutik, 1651: „Ntl.H[ermeneutik]. befaßt sich, als Lehre und Reflexion des Verstehens, der Interpretationund verantwortlicher Vermittlung ntl. Texte, mit den hermeneutischen Erfahrungen,die sich dabei einstellen. Hermeneutische Aufgabe ist, die Texte und ihre Sache ge-genwärtigem Wirklichkeitsverständnis und Wahrheitsbewusstsein zu vermitteln“. 

21 Vgl.   M. M  AYER-BLANCK   , Zweisprachige Hermeneutik christlicher Praxis; A.  GRÖZINGER ,Praktische Theologie als Kunst der Wahrnehmung.

22 Vgl. R. LEONHARD , Grundinformation Dogmatik, vor allem 103–120, ferner 154–164 und 171–187; W.G. J EANROND , Art. Hermeneutik; J. B AUR , Sola Scriptura; W. N ETHÖFEL , Theo-logische Hermeneutik.