Leseprobe aus: "Märchenforschung" (Kathrin Pöge-Alder)

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Das vorliegende Studienbuch bündelt die wichtigsten Forschungsgebiete und Erkenntnisse und bietet so eine übersichtliche Einführung in den internationalen Märchenschatz und die spannendsten Forschungsgebiete. Die Neuauflage ist korrigiert und um die Beschäftigung mit Motivforschungen, weiteren Autoren wie Eugen Drewermann und aktuellen Diskussionen zur mündlich-schriftlichen Tradierung erweitert.

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Kathrin Pöge-Alder

Märchen-

forschungTheorien, Methoden,Interpretationen

2. Auflage

ge-A

lde

rMärchenforschungMärchen, traditionelle Märchen oder ‚Volksmärchen‘ werden

gehört, verfilmt, gelesen, interpretiert. Man findet sie in derWerbung, im Comic, im Film, in Fantasy- und Trivialliteraturund in der Satire. Sie begleiten die Alltags- und Festkultur –wohl ein Leben lang.

Dieses Studienbuch möchte dazu anleiten, sich näher mitMärchen zu beschäftigen. Märchen sind ein Teil derpopulären Literatur mit Sagen, Mythen, Legenden,Schwänken, Witzen und Rätseln. Märchenforschung istdamit ein Teil der Erzählforschung.

Die Märchenforschung befasst sich bereits seit den BrüdernGrimm mit der Herkunft des internationalen Märchen-schatzes. Warum gibt es so viele gleiche Märchen überall aufder Welt, bei allen Völkern? Die im vorliegenden Studienbuchdiskutierten Antworten aus der Wissenschaftspraxisinspirieren zu eigenem Arbeiten. Unterschiedliche Erzähler-persönlichkeiten aus Vergangenheit und Gegenwartbereichern dabei die Überlieferung, denn ihr Erzählen erhältunsere innere Bilderwelt. Zahlreiche Disziplinen beschäftigensich mit diesen Bildern: Struktur- und Stilanalyse, Psycholo-gie, Theologie und Pädagogik, deren wichtigste Forschungs-gebiete und Erkenntnisse hier gebündelt dargestellt werden.

Die korrigierte Neuauflage wurde um die Behandlung zahl -reicher weiterer Autoren und Publikationen zum Themaerweitert.

ISBN 978-3-8233-6629-4

035411 Stud. Pöge-Alder_035411 Stud. Pöge-Alder Umschlag 21.04.11 14:42 Seite 1

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Kathrin Pöge-Alder

MärchenforschungTheorien, Methoden, Interpretationen

2., überarbeitete Auflage

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Dr. Kathrin Pöge-Alder arbeitet an der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Bereich Volkskunde /Europäische Ethnologie. Sie beschäftigt sich mit historisch-vergleichender Erzählforschung und mitOral History auch in Projekten zur Neueren Geschichte und zur Migration.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National -bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

2., überarbeitete Auflage 2011 1. Auflage 2007

© 2011 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 · D-72070 Tübingen

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalbder engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig undstrafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro verfilmungen und dieEinspei che rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruck papier.

Internet: http://www.narr-studienbuecher.deE-Mail: [email protected]

Druck und Bindung: Gulde, TübingenPrinted in Germany

ISSN 0941-8105ISBN 978-3-8233-6629-4

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort ������������������������������������������������������������������������������������������������������ ��

1� ‚Märchen’ als Gegenstand der Erzählforschung �������������������� ���1.1� Zum Begriff ‚Märchenforschung’ ..................................................... 14�1.2� Zur Interdisziplinarität der Märchenforschung ............................. 15�1.3� Über die institutionelle Situation ...................................................... 18�

2� Im Kontext der Gattungen ���������������������������������������������������������� ���2.1� Wort- und Begriffsgeschichte ‚Märchen’ ......................................... 24�2.2� Merkmale von ‚Märchen’ ................................................................... 28�2.3� Grenzen zu den Gattungen der populären Literatur .................... 34�

Sagen .............................................................................................................. 35 �Mythen ............................................................................................................ 38 �Legenden ........................................................................................................ 39 �Schwank, Witz und Rätsel............................................................................ 42 �Sprichwort und sprichwörtliche Redensarten .......................................... 45 �

2.4� Grenzüberschreitungen und Schnittmengen .................................. 48�2.5� Märchen und Märchenmotive .......................................................... 54�2.6� Fantasy-Literatur und Trivialliteratur ............................................. 64�2.7� Mündlichkeit – Schriftlichkeit – Kontinuität? ................................. 65�

3� Entstehungs- und Verbreitungstheorien ��������������������������������� ���3.1� Legitimation durch Wurzeln in der Vorzeit ................................... 70�

Vertreter der mythologischen Schule ......................................................... 74 �Zur naturmythologischen Schule ................................................................ 76 �Transition in Richtung anthropologischer Theorien ................................ 79 �Rezeption der Naturmythologie in der jüngeren Vergangenheit .......... 82 �

3.2� Das Verbreitungsprinzip ‚Migration’ .............................................. 85�Indien als Ursprungsort................................................................................ 86 �Die geographisch-historische Methode ...................................................... 90 �

Prämissen ............................................................................................... 91�Arbeitsmethode ..................................................................................... 92 �Datierung und Wanderung ................................................................. 93 �Lokale Varianz ....................................................................................... 94 �Wirkungen innerhalb der Märchenforschung .................................. 95 �

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Inhaltsverzeichnis 6

Kritische Auseinandersetzungen ....................................................... 97 �Zum heutigen Umgang ...................................................................... 101 �

3.3� ‚Polygenese’: Anthropologische Theorien..................................... 102�Philosophische Grundlagen durch Theodor Waitz ................................ 104 �Die Suche nach ‚Elementargedanken’ ...................................................... 105 �Die Theorie der ‚Survivals’......................................................................... 109 �Gemeinsame Entwicklungsstadien der Menschheit .............................. 111 �

3.4� Kulturgeschichtliche Merkmale als Datierungshilfe ................... 116�3.5� Von der Prüfung des Einzelfalls ..................................................... 118�

4� Die Märchen der Brüder Grimm als Maßstab ���������������������� ����4.1� Zur Entstehung der Sammlung ...................................................... 123�

Märchen als ‚Volkspoesie’ .......................................................................... 123 �Methodisches Rüstzeug .............................................................................. 126 �

4.2� Die Initiation der Märchenforschung ............................................ 130�4.3� Grundsätze zur Gestaltung der Märchen ...................................... 132�4.4� Aufwertung und politische Funktion ............................................ 136�4.5� Zum Beispiel „Das Wasser des Lebens“ ........................................ 139�4.6� Märchen für Häuslichkeit und Erziehung .................................... 142�

5� Erzählen – Erzählgemeinschaft ������������������������������������������������ ��5.1� Erzählen als Kommunikation.......................................................... 146�5.2� Die Märchenerzählerin – der Märchenerzähler ........................... 148�5.3� Erzählen im Kontext des Lebens: Märchenbiologie..................... 152�

Stofftradition – Regionalität – Authentizität ........................................... 152 �Schilderungen von Erzählern und Erzählsituationen ............................ 153 �Einzelne Erzählerpersönlichkeiten ........................................................... 156 �Impulse der russischen Bylinenforschung ............................................... 157 �Aktive und passive Traditionsträger ........................................................ 158 �Fokus auf die Erzählerinnen und Erzähler .............................................. 159 �Erzählen als Performanz............................................................................. 162 �Standards der Erzählerforschung ............................................................. 163 �Die ahistorische Wunsch-Kategorie ‚Mündlich’ ..................................... 165 �Erzählen als Lebensäußerung .................................................................... 166 �

5.4� Von den Anfängen des Erzählens bis zum 19. Jahrhundert ....... 169�5.5� Das Erzählen im 20. Jahrhundert .................................................... 173�

Professionalität und Authentizität ............................................................ 175 �

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Inhaltsverzeichnis 7

Bücher oder Gehörtes als Quelle zum Erzählen ..................................... 176 �Zum Numinosen in der Performanz heutigen Erzählens ..................... 177 �Motivation und Berufung .......................................................................... 179 �Das Erzählen als Kleinkunstform .............................................................. 181 �Requisiten, Symbole und heutiges Erzählen ........................................... 182 �

5.6� Überlegungen zu Erzählertypologien ............................................ 184�5.7� Zeiten und Orte zum Erzählen ....................................................... 185�5.8� Märchenerzählen im 21. Jahrhundert ............................................ 187�

6� Zur Interpretation traditioneller Märchen ���������������������������� ����6.1� Aus der Vielfalt der Methoden und Interessen ............................ 189�6.2� Von der Struktur zur historischen Interpretation ........................ 191�

Biographische Notizen zu Vladimir Propp (1895-1970)......................... 191 �Propps ‚Märchen’-Begriff ........................................................................... 193 �Der Entwurf eines Kompositionsschemas ............................................... 194 �„Historische Wurzeln der Zaubermärchen“ ........................................... 201 �Propps Blick auf das „Wasser des Lebens“ ATU 551 ............................. 207 �

6.3� Form als Gattungseigenschaft ......................................................... 209�6.4� Stilbeschreibung Max Lüthis ........................................................... 212�

Biographische Stationen im Leben Max Lüthis (1909-1991) .................. 213 �Gattungsmerkmal ‚Stil’ ............................................................................... 213 �Quellen und Kritik ...................................................................................... 217 �

6.5� Der Text als Symbol und das Märchen als Medium .................... 218�Zum psychoanalytischen Verständnis der Märchen .............................. 218 �Märchen als Manifestation von Reifungswegen ..................................... 223 �Zur Rezeption tiefenpsychologischer Interpretationsmuster ............... 226 �Das Märchen als Medium in der Psychotherapie ................................... 231 �Märchen in der Pädagogik ......................................................................... 233 �

6.6� Holbeks Synthese und Neuansatz .................................................. 236�Biographische Notizen zu Bengt Holbek (1933-1992) ............................ 236 �Zur Interpretation der Märchen nach Holbek ......................................... 237 �Zur Formanalyse Holbeks .......................................................................... 239 �Holbeks Symbolinterpretation .................................................................. 245 �

6.7� Gender und Genderlect in der Märchenforschung ...................... 248�

7� Literatur zur Märchenforschung ��������������������������������������������� ��7.1� Abkürzungen ..................................................................................... 255�7.2� Ausgewählte Forschungsliteratur .................................................. 257�

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Inhaltsverzeichnis 8

7.3� Schriftenreihe „Ringvorlesungen“ ................................................. 273�7.4� Ausgewählte Textsammlungen ...................................................... 274�7.5� Bücher der Reihe EMG ..................................................................... 277�

8� Personen- und Sachregister ������������������������������������������������������ ����

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Vorwort

Dieses Studienbuch wurde mit der Intention geschrieben, die Auseinander-setzung mit der Märchenforschung seit den Brüdern Grimm zu erleichtern. Ein historischer und ein synchroner Blick auf den Gegenstand scheint daher angeraten. Nicht alle Theorien, die in der Forschung ausgedient haben, sind in der Märchenpflege vergessen. Wissenschaftsgeschichtlich relevante Urteile und Diskurse sind nur auszugsweise enthalten, insoweit als sie für die heuti-ge Arbeit mit/zum Märchen sinnvoll erschienen.

Im Zentrum steht die Auseinandersetzung mit dem traditionellen Mär-chen vor allem aus Mitteleuropa, das eine künstlerische intentionale Gestal-tung darstellt und sich mit überlieferten Stoffen und Motiven beschäftigt. Auf Fragen des sog. Kunstmärchens wird hier nur am Rande eingegangen. Mär-chenforschung begreift sich dabei stets international und interdisziplinär.

Der sog. rote Faden der Darstellung zieht sich durch die Grundfragen der Märchenforschung und behandelt überwiegend Beispiele zum Thema des Verjüngungsmotivs, des Wassers als Motiv und des Erzähltyps vom „Wasser des Lebens“ (ATU 551). Empfohlen wird, die Fassung „Das Wasser des Le-bens“ (KHM 97) aus den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm und möglichst einige andere Versionen zu lesen. Sie sind über Indices (unter AaTh oder ATU 551) der Märchensammlungen und auch auf CD-ROM, her-ausgegeben von Hans-Jörg Uther, zu finden.

Das Studienbuch enthält keine Geschichte der Märchenmotive oder Mär-chen.1 Die mündlich tradierte Literatur ist aus frühen Zeiten des Mittelalters kaum zu belegen. Daher sei darauf verwiesen, dass bekannte Märchen und Märchenmotive in einigen Textsammlungen ediert und kommentiert sind.2 Die Motive finden sich auch in benachbarten Gattungen. Die Kapitelabfolge ist nicht chronologisch, da die Brüder Grimm mit ihren ersten Erörterungen am Anfang der Märchenforschung standen. Die Frage nach dem Ursprung der Märchen ist jedoch grundsätzlich und rückt durch das dargestellte Ge-füge der beteiligten Wissenschaftsdisziplinen den Stellenwert der Grimms in sein entscheidendes Licht.

1 Überblick: Karlinger: Geschichte des Märchens 21988. Neuhaus: Märchen 2005. 2 Röhrich: Erzählungen des späten Mittelalters 1962, 1967. Wand-Wittkowski: Die Zauberin

Feimurgan 1997, S. 1-13. Wesselski: Märchen des Mittelalters 1925. Clausen-Stolzenburg: Märchen und mittelalterliche Literaturtradition 1995. Hellinghaus: Legenden, Märchen, Ge-schichten, Parabeln und Fabeln des Mittelalters 1921.

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Vorwort 10

Auch dieses Lehrwerk kann nicht umfassend sein. Es soll zur Thematik hinführen und ihr Verständnis anregen. Die beiden Ziele – Vollständigkeit und der Zweck, pragmatisches Arbeitsmaterial bereitzustellen – werden ge-geneinander abgewogen. Zwar konnte aus Raumgründen auf das Werk von Rudolf Schenda nicht explizit eingegangen werden, doch sein Wirken für eine sozialgeschichtliche Untersuchung des Erzählens, seine kommunikations- und sozialhistorischen Studien stehen im Hintergrund des Buches und sind an verschiedenen Stellen zitiert. Ähnlich steht es mit den Arbeiten von Her-mann Bausinger, Helge Gerndt, Albrecht Lehmann, Dietz-Rüdiger Moser, Leander Petzoldt, Lutz Röhrich, Heinz Rölleke, Hans-Jörg Uther. Spezifische Fragen wie die genetische Abhängigkeit zahlreicher Märchen von christlichen Moral- und Glaubenslehren sowie der Einfluss sozialgeschichtlicher und mentalitätshistorischer Verfahrensweisen auf den Umgang mit dem ‚Mär-chen’ als Phänomen stehen hier nicht im Zentrum, fließen aber in die Überle-gungen ein.

Im Literaturverzeichnis sind die ausführlichen bibliographischen Angaben der zitierten Literatur zu finden. Angaben des Abkürzungsverzeichnisses werden im Literaturverzeichnis nicht wiederholt. Märchensammlungen sind nur für benutzte Beispiele und Referenzsammlungen angeführt. Literatur, die nur für besondere Stellen wichtig ist, und Artikel der „Enzyklopädie des Märchens“ (EM) erscheinen im Literaturverzeichnis nicht nochmals, um das Verzeichnis nicht zu stark aufzublähen. Für die Typenangaben habe ich den Stichworttitel der EM oder die Angabe aus Uthers Überarbeitung des Mär-chentypenindex (ATU) verwendet. Das Register soll helfen, Verbindungen zu Stichwörtern an verschiedenen Stellen des Textes unabhängig vom Inhalts-verzeichnis herzustellen.

An dieser Stelle möchte ich vielen Menschen danken, zuerst meiner Fami-lie, groß und klein, die dieses Projekt von Anfang an in verschiedenster Weise mit getragen hat. Aber auch zahlreichen Kolleginnen und Kollegen danke ich: insbesondere Christel Köhle-Hezinger, Ruth B. Bottigheimer und Siegfried Neumann.

Mein Dank gilt auch dem Gunter Narr Verlag und seinen Lektorinnen und Mitarbeitern, die das Buch für ihr Verlagsprogramm wünschten und sach-kundig begleiteten.

Kathrin Pöge-Alder

Mai 2006

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Vorwort 11

Vorwort zur zweiten Auflage Märchen gelten als eines der am besten erforschten Genre – sie sind im allge-meinen Bewusstsein präsent, aber mitunter nicht mehr in den aktuellen wis-senschaftlichen Diskurs eingebunden. Dieses Manko liegt auch an der man-gelnden universitären Präsenz der Märchenforschung in den Fächern Literaturwissenschaft und Volkskunde. Hier haben die Ringvorlesungen der Märchen-Stiftung Walter Kahn Abhilfe leisten können. Ihre Veröffentlichun-gen sind als Reihe im Literaturverzeichnis aufgenommen. Ebenso die Veran-staltungen der Stiftung zur Märchenforschung wirkten dem Vergessen von Forschungsergebnissen entgegen. Auch in Meiningen werden seit 2001 Sym-posien zur Märchenforschung abgehalten. Dank dafür allen Unterstützern.

So werden hier nicht nur historische Perspektiven sondern auch aktuelle Tendenzen in der Forschung angesprochen. Die Rezeption dieser traditionel-len Texte ist seit der Kindergartenzeit bestimmend, so dass diese traditionel-len Märchen innere Bilderwelten nach wie vor bestimmen. Dies drückt sich nicht nur im Alltag aus, in der Pädagogik, beim Erzählen, in den Medien, sondern auch in der Forschung, so dass Autoren anderer Disziplinen wie Psychologie und Theologie Themen der Märchenforschung aufnahmen und ihrer Intention folgend weiterentwickelten.

Dabei möchte ich betonen, dass hier keine Geschichte des Märchens oder der Märchenmotive vorliegt. Dies ist im Umfang und inhaltlichen Zuschnitt des Buches nicht vorgesehen. Zahlreiche Autoren, denen nicht explizit ein Kapitel gewidmet ist, können über das Register erschlossen werden. Im Lite-raturverzeichnis sind weiterführende Angaben verzeichnet.

Die Forschungslandschaften sind nicht gleichmäßig vertreten. Prinzipiell ist deren Verständnis aber aufgrund der hier dargestellten Theorien und Me-thoden gegeben. Bengt Holbeks Habilitationsschrift beispielsweise, in Helsin-ki 1987 erschienen, ist eine umfassende Forschungsarbeit anhand dänischen Materials, die Forschungen aus Volkskunde, Philologie und Psychoanalyse zusammenführt. Sie erfährt hier eine kritische Würdigung und Einordnung in den Kontext der Märchenforschung.

Die beiden Ziele – Vollständigkeit und Kürze der Einführung – sind mitei-nander ins Verhältnis gesetzt worden. Dies ist auch in Bezug auf Autoren der Fall, die in dieser Neuauflage ausführlicher dargestellt sind wie Alfred Cam-mann, Walter Scherf und Eugen Drewermann. Letzterer wurde in meinen Email-Korrespondenzen mit Leserinnen und Lesern immer wieder angefragt und wird daher hier an zwei Stellen betrachtet.

Danken möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen für ihre Anregungen zu Änderungen. Diese zweite Auflage war ohne das Drängen des Verlages und der uneigennützigen und umfassenden Unterstützung meiner Groß-

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Vorwort 12

Familie, meines Mannes Andreas Pöge und Christel Köhle-Hezingers nicht möglich. Ihnen allen gebührt mein großer Dank.

Kathrin Pöge-Alder

März 2011

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1 ‚Märchen’ als Gegenstand der Erzählforschung

Innerhalb der Erzählforschung bilden ‚Märchen’ sowohl den umfangreichs-ten, den bereits seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts bestehenden als auch den populärsten Arbeitsteil. Diese Disziplin beschäftigt sich mit Erzählern, dem Erzählen und den Erzählungen sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit. Die diachrone und die synchrone Perspektive bilden hier zwei Seiten einer Medaille. Die Beteiligten innerhalb einer Kommunikations-situation und die dabei wirkenden Prozesse gehören dazu. Ihre Produkte sind sowohl sprachlicher als auch gegenständlich-bildnerischer Art. Die Kommunikationsteilnehmer bedienen sich zum Austausch mündlicher, schriftlicher, gedruckter und elektronischer Mittel. Das Verständnis dieser Prozesse gibt in einem weiteren Zusammenhang Aufschluss über das Spezi-fikum ‚Mensch’ in seiner Lebenssituation. Das Märchen bildet als Produkt und Objekt der Kommunikationsprozesse einen Spezialfall der Erkenntnis-gewinnung über den homo narrans als produktives und rezeptives literari-sches Wesen.1

Die Erforschung der ‚Märchen’ erfreut sich in der allgemeinen Öffentlich-keit einer regen Anteilnahme. Märcheninterpretationen unterschiedlicher Ausrichtung nehmen signifikant zu. Das öffentliche Erzählen zieht immer mehr Interessenten an, wie an den Anmeldezahlen zur Erzählförderung der Europäischen Märchengesellschaft e.V. und an den Eintragungen im Erzäh-lerlexikon zu erkennen ist.2 Die fächerübergreifende Arbeit sowie der Deutschunterricht greifen auf Märchen zurück. Auch in der Erwachsenenbil-dung behaupten Märchen ihren Platz. Dieses Interesse sucht aufgearbeitete Forschungsgrundlagen, die das breite Spektrum der Märchenforschung und den Wissensstand handhabbar darlegen. Danach können Wünsche und Spektulationen zu den Märcheninhalten, gespeist aus Kindheitserfahrungen, medialen Vermittlungen, der Suche nach einem Lebenssinn und der vielfälti-gen Literatur zum Märchen, weitergeführt werden zu individuell geprägten, kreativen und kenntnisreichen Umgang mit den Texten.

1 Vgl. Fischer: Erzählen – Schreiben – Deuten 2001, S. 9. Pöge-Alder: Erzählen 2002, S. 1-2. 2 Pöge-Alder: Erzählerlexikon 2000.

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‚Märchen’ als Gegenstand der Erzählforschung 14

1.1 Zum Begriff ‚Märchenforschung’

Die Märchenforschung beschäftigt sich insbesondere mit sog. traditionellen Märchen, deren Herkunft, Gemeinsamkeiten, Gattungsproblemen, schrift-lichen und besonders mündlichen Überlieferungswegen und der Rezeption durch Erzähler, Hörer und Sammler sowie Leser. Die Tradierung der seit den romantischen Bewegungen häufig als ‚Volksmärchen’ bezeichneten Erzäh-lungen in primärer und sekundärer Stufe stehen im Blickfeld. Der Kommuni-kationsprozess sowie seine Träger sind darin enthalten, Schlagworte dazu sind Performanz- und Kontextstudien. Weiterhin werden formale und inhalt-liche Fragen an das Märchen gestellt. Aspekte der Konstanz und Variabilität werden mit historischem Blick gesucht. Neben historischen Forschungen zu Quellen des Erzählguts stehen Untersuchungen zu Erzähltypen und -motiven sowie die „Biologie der Volkserzählungen“ (vgl. 5.3 Erzählen im Kontext des Lebens). Diese Thematik führten Friedrich Ranke (1882–1950) und Carl Wil-helm von Sydow (1878–1952) sowie in Ungarn Gyula Ortutay (1910-1978) im Zusammenhang mit Diskussionen um die Finnische Schule ein (vgl. 3.2 Die geographisch-historische Methode): Die Autoren hielten die Frage nach dem Sitz der Erzählungen im Leben einer Gemeinschaft für ein zentrales Anliegen des wissenschaftlichen Diskurses.3 Nicht die Rekonstruktion der ‚Urform’ eines Märchentyps, ohne Einbeziehung der Textüberlieferung und deren so-ziokultureller Bedingungen sollten im Zentrum der Forschung stehen, son-dern die Erzählerinnen und Erzähler, deren Repertoire und Bildung, ihre soziale Herkunft und ihr Milieu, ihr künstlerisches Potenzial und ihre eigene Bewertung.

Die Märchenforschung nimmt innerhalb der Erzählforschung den größten Teil der Forschungskapazität für sich ein. Die volkskundliche Erzählfor-schung hat die von André Jolles als „Einfache Formen“ (1930) bezeichneten Gattungen zum Gegenstand4, zu denen als wichtigste Märchen, Sagen, Le-genden, Schwänke, Witze, Sprichwörter und Rätsel gehören. Neuere Gegen-stände der Erzählforschung sind etwa Alltagserzählungen, biographisches Erzählen, Handygespräche, Internetkommunikation und alle mit oral history verbundenen mündlichen Äußerungen. Neu entstehende Kommunikations-formen und Produkte gehören daher ebenfalls in den Aufgabenbereich der Disziplin.

Demgegenüber erweitert die literaturwissenschaftliche Erzählforschung diesen Gegenstandsbereich etwa durch ‚Kunstmärchen’ und literarische Mär-

3 Ranke, F.: Grundsätzliches zur Wiedergabe deutscher Volkssagen. In: Niederdeutsche Zeit-schrift für Volkskunde 4 (1926), S. 44-47, hier S. 45. Sydow: Selected Papers 1948, S. 11. Wehse, R.: Volkskundliche Erzählerforschung. In: Märchenerzähler – Erzählgemeinschaft. Hg. v. R. Wehse. Kassel 1983, S. 7–20. Vgl. Kap. 5 Erzählen – Erzählgemeinschaft.

4 Vgl. Bausinger, H.: Jolles, André. In: EM 7, 1993, Sp. 623-625.

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Zur Interdisziplinarität der Märchenforschung 15

chen der Gegenwart. Die ‚Einfachen Formen’ gelten in diesem Zusammen-hang „als historisch entwickelte und veränderbare literarisch-soziale Institu-tionen“. Strukturalistische Ergebnisse in der Nachfolge Vladimir Propps und ästhetische Fragen nach Max Lüthi wirkten modellbildend.5

Große Bedeutung haben Interpretationsfragen insbesondere psychoanaly-tischer Natur in der Sekundärliteratur gefunden, die von breiten Leserschich-ten rezipiert werden. Die Rolle der populären Literatur bzw. Trivialliteratur spielt unter sozialhistorischen Aspekten auch für Märchen eine besondere Rolle.

Die Märchenforschung arbeitet vor allem mit der geographisch-historischen Methode, die durch die sog. Finnische Schule wichtige Grundla-gen erhielt. Ist auch die Suche nach der ‚Urform’ als einem hypothetischen Text aufgegeben worden, so blieb doch der Umgang mit Varianten und Ver-sionen eines Erzähltyps und dessen geographischer Verbreitung und histori-scher Belege wesentlicher Bestandteil der Märchenforschung.

In der Terminologie hat sich folgende Konvention durchgesetzt: Der Be-griff ‚Version’ betont, dass Märchen sich ständig anpassen bzw. bearbeitet werden, adaptiert, nicht mechanisch geerbt werden. ‚Variante’ dagegen ist mit philologischen Methoden verbunden und verweist auf das Ziel, das ver-lorene Original auf der Basis späterer Kopien zu rekonstruieren.6

1.2 Zur Interdisziplinarität der Märchenforschung

Die Erzählforschung als ursprünglich integraler Bestandteil der Germanistik (germanistischen Altertumskunde) entwickelte sich nach deren Aufspaltung sowohl in der Philologie als auch in der Volkskunde weiter. Das Nebenei-nander einer literaturwissenschaftlichen und einer volkskundlichen Erzähl-forschung, wobei jede dieser Disziplinen andere Aspekte fokussiert, läuft auf eine besondere Interdisziplinarität hinaus. Die Literaturwissenschaft hebt vor allem die jeweilige Gattungsform und das Märchen als Produkt eines Autors hervor. Wichtige Ergebnisse lieferten dazu die Beiträge zur Grimm-Philologie und zu Ludwig Bechstein7. Vor allem für das Phänomen der Buchmärchen und der zwischen Volks- und Kunstmärchen stehenden Texte sind philologi-sche Methoden ergiebig.

5 Bausinger: Erzählforschung. In: EM 4, 1984, Sp. 342-348 zum Stand Mitte der 80er Jahre und

dem Einfluss der Erzählforschung auf Nachbardisziplinen, Zitat Sp. 343. Märchen und Mär-chenforschung in Europa 1993.

6 Holbek: Interpretation of Fairy Tales 1987, S. 160. 7 Z.B. Bottigheimer, R.B.: Ludwig Bechstein’s Fairy Tales. Nineteenth Century Bestsellers and

Bürgerlichkeit. In: IASL 15, 2 (1990), S. 55-88.

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‚Märchen’ als Gegenstand der Erzählforschung 16

Beide Richtungen beschäftigen sich mit den Gattungen Märchen, Mythos, Sage, Legende, Schwank und Witz, Sprichwort und Rätsel. Die Arbeiten von André Jolles „Einfache Formen“, die durch ihre jeweilige Geistesbeschäfti-gung definiert werden sollen, und Axel Olriks „Epische Gesetze“, die den prinzipiellen Aufbau von Volkserzählungen bestimmen sollen, sowie die literaturwissenschaftliche Stilanalyse durch Max Lüthi liegen auf der Schnitt-fläche der beiden Disziplinen.8

Die historische Dokumentation von Erzählstoffen aus mittelalterlichen Quellen erfolgte durch Albert Wesselski und Lutz Röhrich (1962, 1967). Elfriede Moser-Rath (1964) hat die Grundlagen für die Barockliteratur gelegt. Wolfgang Brückner (1974) beschäftigte sich mit den Erzählquellen des Refor-mationszeitalters und Josef Dünninger (1963) mit historischem Sagengut.9

Die volkskundliche Erzählforschung bezieht in ihren Blick die Performanz, Rezeption und das aktuelle Erzählen ein. Hier bilden auch Anekdoten, Mo-derne Sagen (contemporary legends), Witze, Alltagserzählungen bis hin zu Lebenserinnerungen als Material empirischer Feldforschungsarbeiten einen wichtigen Gegenstand, zu dessen Erörterung Hermann Bausinger mit seinen Überlegungen zum „Alltäglichen Erzählen“10 beitrug.

Gegenstand der Forschung war seit den Arbeiten der Finnischen Schule die Analyse der Erzähltypen und Motive. Demgegenüber weitete er sich deutlich aus, so dass man von der Erforschung des homo narrans sprechen kann.11 Innerhalb der Erzählforschung bildet die Biologie oder Soziologie des Erzählguts eine eigene Forschungsrichtung, die im Unterschied zu stoffhisto-rischen Fragestellungen derzeit wesentlich im Zentrum der Disziplin steht.12

Auch die Märchenforschung bildet einen historisch und gegenwärtig we-sentlichen Teil, so dass man von einer eigenen Forschungsrichtung sprechen kann. Hier ist das Allgemeininteresse in breiten Schichten der Bevölkerung anzutreffen. Bedingt ist diese starke Aufmerksamkeit durch die Konfrontati-on der Kinder mit Märchen in einem frühen Alter, so dass sich die Motive als „Bilder“ verstanden für die Rezeption auf zahlreichen Ebenen, z.B. auch in der Werbung13 gebrauchen lassen und die Folie für auch nonverbale Verstän-digungen bilden. So ist auch dem Einfluss von Märchen auf die Entwicklung

8 Jolles: Einfache Formen 61982. Olrik: Epische Gesetze der Volksdichtung 1909, S. 1-12. Lüthi:

Das europäische Volksmärchen 112005. 9 Wesselski: Märchen des Mittelalters 1925. Röhrich: Erzählungen des späten Mittelalters

1962, 1967. Moser-Rath: Predigtmärlein der Barockzeit 1964. Brückner: Volkserzählung und Reformation 1974. Dünninger (Hg.): Fränkische Sagen 1963.

10 Bausinger, H.: Strukturen des alltäglichen Erzählens. In: Fabula 1 (1958), S. 239-254. 11 Homo narrans. Festschrift für Siegfried Neumann 1999. 12 Röhrich: Erzählforschung 2001, S. 515-516. 13 Fischer: Erzählen – Schreiben – Deuten 2001. Ders.: Märchen von der Theke. In: MSP 12

(2001) H. 3, S. 152-155.

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Zur Interdisziplinarität der Märchenforschung 17

der Kinder nachgegangen worden.14 Daher haben Pädagogik und Didaktik ebenfalls ein großes Interesse an Fragen der Märchenforschung.

Weitere Disziplinen trugen zur Erforschung der Märchen bei, wie etwa die historische Rechtswissenschaft, die Theologie, die Psychologie in ihren verschiedenen, vor allem psychoanalytischen Richtungen sowie die Anthro-pologie und die Ethnologie.

Die historische Rechtswissenschaft steuerte zur Märchenforschung die Beziehungen zwischen den „Kinder- und Hausmärchen“ und mittelalterli-chen Rechtspraktiken bei.15 Theologische Untersuchungen fragten nach Pa-rallelen zwischen Bibel und Märchen bzw. Mythen bezüglich der Form und der Motivik.16 „Das Christentum ist eine Erzählgemeinschaft.“17 Mit dieser Aussage eröffnen sich in der narrativen Theologie Perspektiven auf die Funk-tion und den Kontext biblischer Überlieferungen innerhalb ihrer Tradierung. Der Geschichte des Lebens Jesu gilt das Primat gegenüber narrativen Katego-rien und gegenüber Kontextualisierungen. Betont wird die Prozesshaftigkeit des Erzählens.18

Für Anthropologie und Ethnologie besteht in den aufgezeichneten Über-lieferungen schriftloser Völker eine Möglichkeit, etwas über deren Kultur zu erfahren. Da Parallelen zu den europäischen Märchen bei den Völkern aller Kontinente gefunden werden konnten, entstand die Frage nach der Ursache der motivischen Gemeinsamkeiten und nach dem ‚Sitz’ der Volksmärchen im Leben dieser Völker. In der Vergangenheit glaubte man, hier die europäische Entwicklung in einem früheren Stadium nachempfinden und verfolgen zu können. Die gesammelten Märchen sollten generelle Rückschlüsse auf die Herkunft der Gattung insgesamt ermöglichen. Die zunehmende Differenzie-rung der Methoden führte sowohl zu einer stärkeren Spezialisierung, als auch zu wirkungsvolleren Ergebnissen.19

Aus der motivischen Gemeinsamkeit zwischen Traum und Märchen ent-standen die ersten Überlegungen von psychologischen Forschern zum Mär-chen, am prominentesten in Sigmund Freuds „Traumdeutung“ (1900). Dabei

14 Zitzlsperger: Kinder spielen Märchen 1993. Dies.: Märchen neu denken 2000, S. 55–58. 15 Jessen: Das Recht in den KHM 1979. Laeverenz: Märchen und Recht 2001. 16 Gott im Märchen 1982. Murphy/Ronald: The Owl, the Raven and the Dove 2000. Betz, O.:

Erzählen heißt Antwort geben. Über die religiöse Dimension der Volksmärchen. Vortrags-kopie Cloppenburg 2003. Ders.: Der verborgene Gott. Über die religiöse Dimension der Volksmärchen. In: MSP 8 (1997) H. 3, S. 65-70.

17 Weinrich, H.: Narrative Theologie. In: Concilium. Internationale Zeitschrift für Theologie 9 (1973), S. 329-334, hier S. 330. Betz, O.: Vom Geheimnis des Märchenerzählens. In: MSP 1 (1990) H. 2, S. 19-20.

18 Wenzel, K.: Zur Narrativität des Theologischen: Prolegomena zu einer narrativen Texttheo-rie in soteriologischer Hinsicht. Frankfurt a.M. 1997, S. 139-141.

19 Vgl. Pöge-Alder: ‚Märchen’ 1994, S. 119-123.

Page 18: Leseprobe aus: "Märchenforschung" (Kathrin Pöge-Alder)

‚Märchen’ als Gegenstand der Erzählforschung 18

ist bis zu heutigen Arbeiten das Übertragen der eigenen Theorie auf die Gat-tung Märchen zu beobachten.20

Die Märchenforschung versteht sich im Folgenden als eine historisch-vergleichend arbeitende Disziplin. Die Herkunft des Materials sowie die Umstände seiner Erhebung, des Aufzeichners oder der Aufzeichnerin sowie der oder des Erzählenden und die Druck- bzw. Buchgeschichte sind wichtige Koordinaten zur Einordnung des Materials. Literaturwissenschaftliche und volkskundliche Fragestellungen werden hier gemeinsam zur Anwendung gebracht.

1.3 Über die institutionelle Situation

Die Einbindung der Märchenforschung an den Universitäten ist je nach dem Interesse der Lehrstühle unterschiedlich zu finden. Generell kann sie an den volkskundlichen Instituten als Teil der volkskundlichen Erzählforschung sowie den germanistischen Instituten, aber auch in den philologischen und didaktischen Fächern enthalten sein. Schwerpunkte der Erzählforschung fin-den sich an der Universität Göttingen und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, wo die Arbeitsstelle der „Enzyklopädie des Märchens“ ihren Sitz hat, an der Universität Rostock mit dem Wossidlo-Archiv und in Mar-burg mit dem Archiv der deutschen Volkserzählung. Weitere Zentren waren bisher die Universitäten Zürich, Innsbruck, Hamburg und Freiburg, die sich allerdings durch eine Umorientierung der Lehrstuhlinhaber teilweise nicht mehr mit Erzähl- oder Märchenforschung beschäftigen. In Lehre und For-schung vertreten ist die Märchenforschung an der Universität Jena, der einzi-gen Neugründung eines volkskundlichen Lehrstuhls in den neuen Bundes-ländern nach 1989. Zur Grimm-Forschung wurden an der Universität Wuppertal zahlreiche Ergebnisse erarbeitet. Archive zur Erzählforschung befinden sich an den Universitäten Marburg/Lahn, Göttingen, Freiburg und Rostock. Ringvorlesungen der Märchen-Stiftung Walter Kahn zum Thema Märchen organisierten bereits verschiedene Universitäten, so u.a. Regensburg 2002, Augsburg und die Hochschule der Künste in Berlin 2003.

Die Problemstellung und Arbeitsweise der Finnischen Schule bedingte eine umfangreiche Sammelarbeit aller Varianten der Märchen eines Typs. Zur Unterstützung schlossen sich die Erzählforscher bereits 1907 bis 1911 in dem Bund Folklore Fellows zusammen. In der Arbeit der International Society for Folk Narrative Research (ISFNR) fand diese Kooperation eine Fortsetzung.

20 Bausinger: Formen der ‚Volkspoesie’ 21980, S. 37. Poser: Das Volksmärchen 1980, S. 59-60.

Page 19: Leseprobe aus: "Märchenforschung" (Kathrin Pöge-Alder)

Über die institutionelle Situation 19

Regelmäßig finden internationale Kongresse statt. Wissenschaftliche Publika-tionen finden sich in der Schriftenreihe Folklore Fellows Communications (FFC), gegründet 1907, angeregt von Kaarle Krohn und Axel Olrik während der sog. Finnischen Schule, und in der Zeitschrift „Fabula“, gegründet von Kurt Ranke 1957.

Innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde e.V. (DGV) beschäf-tigt sich besonders die 1997 gegründete Kommission für Erzählforschung mit dem Thema Märchen. Dazu finden regelmäßig Tagungen im Wechsel mit den Kongressen der Gesellschaft statt. Die Zusammenarbeit ist die Aufgabe der Societé Internationale d’Ethnologie et de Folklore, die 1964 gegründet wurde. Auch hier stehen die großen Kongresse im Zentrum der Arbeit, bei denen sich ebenfalls Themen der Märchenforschung wiederfinden.

International sind u.a. folgende Institutionen und Publikationen zu kon-sultieren:

• American Folklore Society: Journal of American Folklore, AFS-News (Newsletter), www.afsnet.org

• Anthropolitan. Mitteilungsblatt der Frankfurter Gesellschaft zur Förderung der Kulturanthropologie e.V. (GefFKA), www.gefka.de, herausgegeben vom Institut für Kulturanthropologie an der Goe-the-Universität Frankfurt a.M.

• Culture & Tradition: The Canadian Graduate Student Journal of Folklore & Ethnology, www.ucs.mun.ca/~culture/

• De Proverbio, www.deproverbio.com, gegründet an der Universi-ty of Tasmania, Australia,

• Fabula. Internationale Zeitschrift für Erzählforschung. Göttingen, • Folklore, herausgegeben von The Folklore Society, London,

www.folklore-society.com • Folklore Fellows’ Network, Newsletter, herausgegeben von der

Finish Academy of Science and Letters, • Folklore, herausgegeben vom Institute of Estonian Language, Tar-

tu, www.folklore.ee/folklore/ • kea. Zeitschrift für Kulturwissenschaften Bremen, www.kea-

edition.de • Märchenspiegel. Zeitschrift für internationale Märchenforschung

und Märchenpflege, herausgegeben von der Märchen-Stiftung Walter Kahn, www.maerchen-stiftung.de/index.php4?e1=2&e2=1

• Marvels & Tales. Journal of Fairy-Tale Studies, herausgegeben von der Wayne State University, Detroit, New Directions in Folklore, Postmodern Culture, www.langlab.wayne.edu/marvelshome/ marvels_tales.html