Leseprobe Clemens Meyer & Claudius Nießen - Zwei Himmelhunde

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Clemens Meyer und Claudius Nießen haben es gewagt: Ein Jahr lang haben sie alte VHS-Archive geplündert, DVD-Sammlungen zerlegt, ihr Sozialleben vernachlässigt und sich durch einen Berg irrer Filme geschaut. Sie fanden Filme, die so unterirdisch sind, dass es wehtat, darüber zu schreiben. Sie entdeckten versteckte Schätze und verkannte Perlen der Filmgeschichte. Und ganz nebenbei hatten sie einen veritablen Selbsterfahrungstrip. https://www.voland-quist.de/buch/?234/Zwei+Himmelhunde

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Zwei Himmelhunde sind nicht zu fassen

Wir gucken die MONSTER­BOX: zwanzig Bud Spencer/Terence Hill-Filme in einer Woche.

Wir haben uns verändert, diese Woche hat uns verändert, nach fast 2000 Minuten brillanter Dialoge, gewitzter Plots, spektaku-lärer Moves und großer Abenteuer sind wir hungrig.

Hungrig nach echter Äkschn, nach Dampfhammerschlägen, doppelten Backpfeifen, nach Nackenschellen, nach guten alten Kinnschwingern, und ab und an gibt’s auch ganz trocken einen Tritt in die Kronjuwelen.

Inspiriert ziehen wir los. Am Hauptbahnhof Leipzig über-kommt uns eine kleine Schwäche, wir kehren ein in der Gleis-bar 8, einer liebenswerten Spencer/Hill-Spelunke, wo wir einige Erfrischungsbiere zu uns nehmen, ganz im Stil unserer Helden. Trinken ohne viele Worte, nur ab und an etwas Luft ablassen zwischendrin, der gute alte Druckausgleich.

Wir stehen am Ticketautomaten, aber irgendwie haut’s nicht hin. Der Dicke drischt wie blöde mit seinem DAMPFHAMMER von oben auf den Automaten. Der andere HIMMELHUND feuert ihn an: „Gib ihm ordentlich eins aufs Blechdach!“HIMMELHUND 2: „Der spuckt einfach nichts aus!“HIMMELHUND 1: „Du bist doch zu dämlich, einen Eimer Was-ser hochzuziehen!“HIMMELHUND 2: „Und du bist schlimmer, als wenn einem ein Schwarm Hornissen um den nackten Hintern rumliegt.“

Die Kombination aus 2000 Minuten und vier großen Bieren in der Gleisbar 8 verhindert einen Geistesblitz: Einfach mal Geld einwerfen.

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„Sag mal, wollen die uns jetzt verarschen?“Schon sind wir im Zug. Das ostdeutsche Ödland, das zwi-

schen Leipzig und Berlin an uns vorbeiliegt, erinnert uns an die staubigen Wüsten und menschenleeren Prärien in VIER FÄUSTE

FÜR EIN HALLELUJA. Im Westernstädchen Bitterfeld müssen Bud Spencer und Terence Hill schon gewesen sein, so verlassen, wie es hier ausschaut …

In den schwarzen Ledersesseln der 1. Klasse dämmern wir der Hauptstadt entgegen und fallen schon bald in einen tiefen, ticketlosen Schlaf.

In unseren Träumen scheint es uns, als würden erst ein Schaf-ner, dann drei Zugbegleiter lamentierend vor uns stehen, sie rüt-teln an uns, sie rufen, und irgendwann schreien sie nur noch, doch Bud Spencer träumt von GYROS­PIZZA, Terence Hill von BOHNEN MIT SPECK.

Von einem UNNACHGIEBIGEN DRANG wachen wir auf und kriegen so noch mit, wie der inzwischen einige Meter entfernt Stellung bezogen habende SCHAFFNERTRUPP telefonisch die Bundespolizei informiert.HIMMELHUND 1: „Du musst Buße tun, bekümmert sein und Be-trofenheit zeigen.“HIMMELHUND 2: „Mach ich, bin betrofen, und jetzt erteilen wir die Absolution, sonst dreh ich denen die Riechpriemen weg.“HIMMELHUND 1: „Du gehst wohl besser erst mal zur Beichte!“Also verstecken wir uns auf dem Klo. Der Klassiker. Die Tür ver-riegeln wir nicht, um die Schafnerbande und die BUNDESPOLI­

ZEI zu täuschen. Eine Berlin-Mitte-Mutti mit nölendem Klein-kind öfnet die Tür. Der Dicke auf der Kloschüssel grunzt. Er-schrocken weichen Mutter und Kind zurück. HIMMELHUND 1: „Hier ist kein Gold, hier hat der Dicke vor Jah-ren ne Tellermine auf Eis gelegt.“

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HIMMELHUND 2: „Du krähst hier rum wie der Gruppenhansel von der Laienspielgruppe!“Im Hauptbahnhof steigen wir aus, von der Staatsmacht weit und breit nichts zu sehen.Die HIMMELHUNDE haben Knast, und zwar üblen Knast. Wir schwingen uns in ein Taxi.Unser Plan, in dem vegetarischen In-Schuppen COOKIES

CREAM einzureiten, wird vom Taxifahrer vereitelt. Mit Blick auf Buddy meint er: „Da ist Ärger vorprogrammiert!“Stattdessen fährt er uns ins GRILL ROYAL. An der Tür erwartet uns ein Dödel. „Haben Sie reserviert?“HIMMELHUND 1: „Nee. Aber sperr ma deine Glubscher auf, er-kennst du den bärtigen Bierbauch etwa nicht?“Ein zweiter Dödel taucht auf und lüstert aufgeregt zu Dödel 1: „Das ist Tech-Nick!“Dödel 1: „Was, der aus der Media-Markt-Werbung?“HIMMELHUND 2 schaltet sich ein: „Ist Saturn, aber passt schon!“Sofort werden wir platziert, Fensterblick. Dödel 3 betritt die Bildläche: „Darf ich Ihnen die Karte rei-chen?“DIE HIMMELHUNDE: „Gib her den Fetzen!“HIMMELHUND 2: „Ich hofe, der hat KEKSE?“HIMMELHUND 1: „Kekse?“HIMMELHUND 2: „Ja, mit Schokoguss. Dafür hab ich schon mal einem mitm Vorschlaghammer n Scheitel gezogen!“HIMMELHUND 1: „Hier gibt’s Fleisch, du Banause!“HIMMELHUND 2 zu Dödel 3: „Na dann trab mal an!“„Meine Herren, heute Abend kann ich Ihnen empfehlen …“„FLEISCH!!!“, brüllen die HIMMELHUNDE im Chor. (Bud zum Kellner: „Ein Kalb mit vier Zentnern Kartofeln! Und ne Flasche Champagner zum KNORPELSPÜLEN!“)

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Zwei Tische weiter dreht sich ne haarlose Latte um und schaut missbilligend zu uns rüber.HIMMELHUND 1: „Ist das nicht dieser Lauter-Dings, das alte Ab-stinenzler-Elend?“HIMMELHUND 2: „Der soll sich ma schön über seinen Teller beu-gen, sonst demolier ich ihm seine Visage.“HIMMELHUND 1: „Ruhig, ruhig, der hatte schon n Herzinfarkt!“

Die drei Dödel schieben sich ins Bild und fangen an zu servieren. „180 Gramm Pommersches Rinderilet, vier Wochen gereift, mit Sauce Bernaise und Pimientos de Padrón.“ HIMMELHUND 2: „Kannste mir ma ne Lupe reichen, damit ich das Ding auf dem Riesenteller auch inde?“HIMMELHUND 1: „Brauchste keine Lupe, sieht aus wie ein Scheißhaufen.“HIMMELHUND 2: „Ziemlich kleiner Scheißhaufen. Eher so Ka-ninchenköttel.“Ein Oberdödel erscheint. Beschwichtigend legt er seinen Zeige-inger auf die Lippen. „Darf ich Sie bitten, Ihre Konversation ein wenig leiser fortzu-setzen.“HIMMELHUND 1: „Ich bin taub auf dem Ohr! Und zwar wirklich taub! Deswegen rede ich so laut, damit ich mich selbst verstehe. Noch so n Spruch und ich mach n Wäschetrockner aus DEINEM Ohr!“Das große Fressen beginnt. Wir lassen noch einmal Fleisch auf-fahren und legen los, als hätten wir 2000 Minuten nichts mehr gegessen. ZWEI AUSSER RAND UND BAND!

HIMMELHUND 2 zwischen zwei Gabelhappen, die den Teller leeren: „Mir werden die Hände schwach und die Knie feucht!“HIMMELHUND 1: „Selber essen macht gesund!“ Ein herzhafter RÜLPS lässt das Restaurant zusammenzucken. Teller klirren.

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HIMMELHUND 2 hat Brand und setzt ohne Umwege über das Glas die Champagnerlasche an seine Lippen. Die Dödel stehen hinter der Bar und tuscheln. Doch ZWEI SIND NICHT ZU BREMSEN.Während der Dicke noch Nachtisch ordern will, bringen die Dö-del ungefragt die Rechnung. Das war wohl ein Furz zu viel.HIMMELHUND 1 reagiert prompt auf diesen Rauswurf: „Hör mal zu, du Meisenarsch, jetzt mach mal ganz schnell diesen hier, ja? Oder willst du deine Schwingen in ner Schlinge tragen?“

Wir legen stapelweise kleine Scheine auf den Tisch und ein paar Münzen aus Muttis Sparschwein. Dann sind wir auch schon draußen. Wir wollen in ein Taxi springen, aus dem gerade die Ochsenknecht-Söhne steigen. Die beiden verstehen uns miss und denken, wir wollen Autogramme, aber sie bekommen das, was sie schon lange verdient haben.

Nackenschellen, Doppelhandbackpfeifen und den guten alten Dampfhammer.

Im Zug zwei Dosenbier und die Erkenntnis, dass dry aged beef wohl doch halluzinogene Wirkung haben kann, oder waren das die zwanzig Filme am Stück?

Von einem brutalen Überfall auf die Ochsenknecht-Jungs ist jedenfalls am nächsten Tag nichts in der Zeitung zu lesen. Aber vielleicht haben sie sich einfach nur geschämt, dass zwei räudige Typen sie so in die Mangel genommen haben.

Und im Zug träumen wir weiter von den großen Abenteuern der HIMMELHUNDE.

Wir wollen mit Strandbuggys durch Leipzig düsen, Stoß-stange an Stoßstange, ZWEI WIE PECH UND SCHWEFEL.

Wir wollen den Mitropa-Koch zwingen, uns eine Pfanne Bohnen zu servieren.

Wir wollen eine alte Frachtmaschine vom Typ DC-3 in einen Hangar semmeln wie ZWEI HIMMELHUNDE AUF DEM WEG ZUR

HöLLE.

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Wir wollen die Knarren von Großwildjägern mit Platzpatro-nen füllen wie DAS KROKODIL UND SEIN NILPFERD.

Wir wollen Telly Savalas den Lolli klauen wie DER DICKE UND

DAS WARZENSCHWEIN.Wir wollen mit ein paar Dampfhammerschlägen alle Probleme

lösen und der Maia zeigen, dass auch ENGEL BOHNEN ESSEN.Wir wollen Boxtrainer sein und trotz Übergewicht alle durch-

trainierten Sportler wegklatschen wie DER BOMBER.Die HIMMELHUNDE wollen als Stuntman und als bärbeißi-

ger Jazz-Saxophonist ein schwimmendes Kasino aufmischen mit VIER FÄUSTEN GEGEN RIO.

Wir möchten gerne JOE DER GALGENVOGEL heißen.Wir hätten gerne Superkräfte, sobald wir ROT sehen wie Dave

Speed, DER SUPERCOP.Wir wollen ein fotograisches Gedächtnis haben wie Johnny,

der mit seinem Halbbruder Charlie, einem ehemaligen Berufs-spieler, ein Verbrechersyndikat bescheißt und damit ein WAISEN­

HAUS rettet, denn diese ZWEI SIND NICHT ZU BREMSEN.Wir wollen uns einen Hamburger aus der Hand eines Spit-

zels zubereiten (extra Mayo und doppelt Käse) wie ZWEI BÄREN­

STARKE TYPEN.Wir wollen einen kleinen Außerirdischen beschützen, der wie

ein ganz normaler kleiner Junge aussieht, wie in DER GROSSE MIT

SEINEM AUSSERIRDISCHEN KLEINEN.Wir wollen einfach auch einmal gemütlich CAMPEN mit un-

serer Familie, so wie BUD, DER GANOVENSCHRECK.Wir wollen auf einer einsamen Insel einen Goldschatz suchen

und uns dabei nicht von einer Piratenbande, einem irren Japa-ner und einem AUSGEWACHSENEN TAIFUN beirren lassen, denn ZWEI ASSE TRUMPFEN AUF.

Wir wollen die MIAMI COPS sein, die eigentlich FBI-Agenten sind.

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Nur einer von uns ist DER DICKE IN MEXIKO.Bananenbootfahrer wollen wir aber beide sein, denn liebens-

werte Hinterwäldler wie BANANA JOE haben den härtesten BUMMS.

Wir wollen endlich einmal BULLEN spielen, Autos anhalten, Menschen verhaften und die blaue Murmel aufs Dach setzen, wie die GELEGENHEITSGANOVEN Wilbur Walsh und Matt Kirby in ZWEI AUSSER RAND UND BAND.

Wir wollen wahlweise der kleine und der müde Joe sein in DIE RECHTE UND DIE LINKE HAND DES TEUFELS und den wilden Osten aufmischen.

„Meine Damen und Herren, wir erreichen in wenigen Minuten unseren Zielbahnhof Leipzig, dieser Zug endet hier. Wir wün-schen allen Fahrgästen eine angenehme Weiterreise und eine gute Nacht. Wir würden uns freuen, Sie bald wieder an Bord begrüßen zu dürfen.“

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