Leseprobe Ruh: Ordnung von unten

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Weltweit befindet sich die Wirtschaft in einer permanenten Krise. Hans Ruh legt in seinem neuen Buch offen, welche Probleme uns heute beschäftigen und in Zukunft betreffen und wie das wirtschaftliche Verhalten wieder an eine übergeordnete Ordnung der Werte angekoppelt werden kann. Mit «Ordnung von unten» meint er die Verlagerung des Handlungsschwerpunkts auf die Zivilgesellschaft. Autonomie bzw. Selbstorganisation sind − nach dem Verlust der Regulierung von oben − Anforderungen an die wichtigsten funktionierenden Systeme. Mit seinen sechs Leuchttürmen - das System «Ethische Marktwirtschaft» - Wirtschaft von unten - Agenturen für elementare öffentliche Güter - Ideen, die selbständig fliegen - Projekte - demokratische Zivilgesellschaft zeigt Hans Ruh, wie wir die Zukunft gestalten und in eine andere Richtung, nämlich hin zu einer lebenswerten und überlebensfähigen Wirtschaft beziehungsweise Gesellschaft lenken können.

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Umschlagtexte und -gestaltung: Gottfried Honegger · ZürichSatz und Herstellung: Versus Verlag · Zürich Druck: Kösel · Krugzell

ISBN 978-3-03909-198-0

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung Worum es geht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Drei Grundgedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Wer sind die Adressaten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Teil 1 Analyse der Lage

Kapitel 1 Krisenphänomene und erste Erklärungsversuche . . . . 17

1.1 Krisenphänomene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

1.2 Erste Erklärungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Kapitel 2 Die Ordnung des Seins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2.1 Ethik und Wirtschaft in der europäischen Ideengeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2.2 Zum Fazit der Ideengeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

2.3 Die Ordnung des Seins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25Theologische Begründung der Ordnung des Seins · Ethische Begründungen · Zum Inhalt der Ordnung des Seins · Das ethische Kapital

2.4 Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30Legitimität als Thema der Staatstheorie · Der umfassende Anspruch der Legitimität · Warum braucht der Mensch Ethik? · Das Kulturwesen Mensch · Robustheit als Überlebensstrategie · Fazit: Menschen und Gesellschaft brauchen die ethische Dimension

2.5 Das Maß als Inhalt der Ordnung des Seins . . . . . . . . . . . . 36Maßhalten als Tugend · Der Verlust der Ordnung des Seins als eigentliche Ursache von Krisen

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6 Inhaltsverzeichnis

Kapitel 3 Die Soziale Marktwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

3.1 Die Grundidee der Sozialen Marktwirtschaft: Zusammenschau von Markt und Ethik . . . . . . . . . . . . . . . 41Das Konzept von Müller-Armack

3.2 Markt und Ethik bei Wilhelm Röpke . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Kapitel 4 Abbruch der Beziehung zwischen Wirtschaft und Ordnung des Seins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

4.1 Das Erstarken des wirtschaftlichen Neoliberalismus . . . . . 48Defekte des Marktes · Positive Leistungen des Marktes

4.2 Die Globalisierung der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50Fragliche Legitimität

4.3 Die Auflösung von Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54Autonomie · Freiheit und Bindung · «Befreiungsbewegungen» · Verlust der Balance zwischen Freiheit und Bindung

4.4 Der Untergang der Sowjetunion bzw. des Ostblocks . . . . 59

Kapitel 5 Die Folgen der Abkoppelung der Wirtschaft von der Ordnung des Seins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

5.1 Maßlosigkeit als Ursache der Krisen . . . . . . . . . . . . . . . . . 62Problematik des wirtschaftlichen Wachstums · Erklärungsversuche zur Transformation · Die Rolle des Geldes · Ideengeschichtliche Reminiszenzen zum Geld · Virtualität und Unbegrenztheit des Geldes

5.2 Das Ende der Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68Massenelend · Die Verletzlichkeit der modernen Welt · Das Ende der Zivilisation

Kapitel 6 Überlegungen zur Wiederankoppelung der Wirtschaft an die Ordnung des Seins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

6.1 Dimensionen der Anarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74Massenelend · Kriminalität · Natur · Wissenschaftlich-technologische Entwicklung · Macht und Gewalt · Terrorismus · Globale Machtkonstellation

6.2 Eckpunkte strategischer Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . 78Fragmentarische Lösungen · Praktische Handlungsmöglichkeiten · Verzicht auf Polemik · Stabilität · Idee der Selbstorganisation · Der Marktwert der Ethik steigt · Universalisierbarkeit · Universalisierbarkeit als Postulat in der globalisierten Welt · Chancen für die Idee der Universalisierbarkeit? · Ebene der Zivilgesellschaft · Neue Begründungen für die Zivilgesellschaft · Zum Verhältnis von Politik und Zivilgesellschaft

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Inhaltsverzeichnis 7

Teil 2 Leuchttürme für eine andere Welt

Kapitel 7 Leuchtturm 1 – Das System «Ethische Marktwirtschaft» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

7.1 Wirtschaftliche Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98Ethik-Research · Ethikmanagementsystem (EMS) · Umrisse einer ethischen Unternehmenskultur

7.2 Konsumentinnen und Konsumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

7.3 Investorinnen und Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

7.4 Staat und Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

Kapitel 8 Leuchtturm 2 – Wirtschaft von unten . . . . . . . . . . . . . . 105

8.1 Subsistenzorientierte Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 108

8.2 Alternative Geldsysteme bzw. Komplementärwährungen . 110

8.3 Gemeinwesenorientierte Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

8.4 Genossenschaftsidee und Allmende . . . . . . . . . . . . . . . . 114

Kapitel 9 Leuchtturm 3 – Agenturen für elementare öffentliche Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

9.1 Was sind öffentliche Güter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

9.2 Zur Bedeutung der öffentlichen Güter . . . . . . . . . . . . . . . . 118

9.3 Zum Status der öffentlichen Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

9.4 Gefährdung der öffentlichen Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

9.5 Welches Konzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

9.6 Zwei Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

9.7 Umweltagentur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

9.8 Agentur für die Sicherung des Existenzminimums . . . . . . 127

9.9 Weitere Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

9.10 Zur Grundidee der Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

Kapitel 10 Leuchtturm 4 – Ideen, die selbständig fliegen . . . . . . . 133

10.1 Die Goldene Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

10.2 Niemandem schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

10.3 Das Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136Zur Idee des Rechts · Die autonome Kraft des Rechts

10.4 Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139Die Erfolgsgeschichte der Menschenrechtsidee

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10.5 Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141Erfolgreiche Karriere eines Begriffs

10.6 Freiwilliges Engagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143Freiwilligkeit als condition humaine

10.7 Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

10.8 Respekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

10.9 Muße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

10.10 Hilfsbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

10.11 Maß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

10.12 Schönheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

10.13 Ideen als Elemente eines Weltbürgerethos . . . . . . . . . . . 152

Kapitel 11 Leuchtturm 5 – Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

11.1 Grundsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153Umgekehrter Utilitarismus · Beispiel Share for Food · Beispiel arbeitsunabhängige Grundsicherung · Die ethische Begründung · Die republikanisch-liberale Begründung · Positive Folgen des Grundeinkommens

11.2 Ein neues Modell für die Arbeitsgesellschaft . . . . . . . . . . 162Lösungsrichtungen · Freizeit · Monetarisierte Arbeitszeit · Eigenarbeitszeit · Freiwillige und obligatorische Sozialzeit · Ich-Zeit · Reproduktionszeit · Bildungszeit · Überlegungen zur Umsetzung

11.3 Sozialmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

11.4 Soziale Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

11.5 Obligatorischer Sozialdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173Begründungen · Konzept

11.6 Ethische Selbstregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

11.7 Werte für eine globalisierte Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177Die Bedeutung der Sozialisation · Bedingungen für die Sozialisation · Akademie für die Förderung der Sozialisationsbedingungen · Sozialisation als Thema von Stiftungen · Olympische Bewegung als Sozialisationsfaktor · Universalistischer Ansatz der olympischen Idee · Inhalt der olympischen Idee · Fazit

Kapitel 12 Leuchtturm 6 – Demokratische Zivilgesellschaft . . . . 187

12.1 Legitimatorische Defizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

12.2 Vielfalt der Demokratietheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

12.3 Konsumentinnen- und Anlegerdemokratie . . . . . . . . . . . 191

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Inhaltsverzeichnis 9

Kapitel 13 Schluss – Gibt es einen Lebensstil von unten? . . . . . . 195

13.1 Grundsätzliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

13.2 Konkrete Anregungen zum Handeln in der Perspektive einer Ordnung von unten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199Konsumentinnen und Konsumenten · Unternehmen · Bürgerinnen und Bürger

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

Namensverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

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Einleitung Worum es geht

Gegenstand des vorliegenden Buches sind zunächst die seit 2007 dau-ernden Finanz- und Wirtschaftskrisen, deren Analyse hinsichtlich derUrsachen sowie die Skizzierung möglicher Auswege. Die wichtigstenThesen bzw. Erkenntnisse dieser Untersuchung sind folgende: Die Welt-wirtschaft befindet sich in einer permanenten Krise, einer Krisenlatenz.Die Hauptursache liegt im Verlust einer Werteorientierung, im Verlustder Ordnung des Seins und der Legitimität; als Folge wird die Anarchiezur faktischen Grundstruktur von Weltwirtschaft und Weltgesellschaftmit verheerenden Konsequenzen für Menschen und Umwelt. DieseGrundstruktur lässt sich so rasch nicht verändern, man muss mit ihrleben und einstweilen verhindern, dass die produktive Energie nicht inder Kritik und in der Klage über diese Lage verpufft. Vielmehr muss dieanarchische Grundstruktur als Chance erkannt werden für den Aufbauvon Nebenwelten, die sich an übergeordneten ethischen Werten orien-tieren. Eine mögliche Strategie nimmt also die Herausforderung durchmarktwirtschaftliche Selbstorganisation und Anarchie an und versucht,diese in eine andere Richtung, nämlich hin zu einer lebenswerten undüberlebensfähigen Wirtschaft bzw. Gesellschaft zu lenken. ZentraleGesichtspunkte dieser Strategie sind die Wiederankoppelung des wirt-schaftlichen Verhaltens an eine übergeordnete Werteordnung, die Ver-lagerung des Handlungsschwergewichts in die Zivilgesellschaft, die Per-

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12 Einleitung Worum es geht

spektive einer ethisch orientierten Selbstorganisation. Diese Strategiemündet in sechs konkrete Handlungsfelder: � Das System «Ethische Marktwirtschaft»; � Wirtschaft von unten; � Agenturen für elementare öffentliche Güter; � Ideen, die selbständig fliegen; � Projekte; � demokratische Zivilgesellschaft.

Drei Grundgedanken

Auf einen einfachen Nenner gebracht, sind es drei Grundgedanken,welche die Strategie für den Ausweg aus der Krise bestimmen: Ordnung

von unten; Autonomie bzw. Selbst-organisation; Orientierung an ethi-schen Werten.

Ordnung von unten meint dieVerlagerung des Handlungsschwer-punkts auf die Zivilgesellschaft.

Autonomie bzw. Selbstorganisation sind – nach dem Verlust der Regu-lierung von oben – Anforderungen an die wichtigsten funktionierendenSysteme. Orientierung an ethischen Werten meint die prinzipielle Not-wendigkeit der ethischen Steuerung menschlichen Handelns und gesell-schaftlicher Systeme.

Dieser Ansatz intendiert so etwas wie einen Paradigmenwechsel inder Krisenbewältigung: Der Mainstream redet von Regulierung vonoben, hier geht es um eine Ordnung von unten, die einen anderen Aus-weg aus der Krise sucht. Die Hauptenergie wird nicht auf das Beklagenkommender Katastrophen und auch nicht auf das Postulieren staat-licher oder überstaatlicher Regulierungen gerichtet. Vielmehr geht esum ein zivilgesellschaftliches Engagement.

Auf einen einfachen Nenner gebracht, sind es drei Grundgedanken, welche die Strategie für den Ausweg aus der Krise bestimmen: Ordnung von unten; Autonomie bzw. Selbstorganisation; Orientierung an ethischen Werten.

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Einleitung Worum es geht 13

Wer sind die Adressaten?

Für wen ist dieses Buch geschrieben? Wer sind die Adressaten? Grund-sätzlich will es Interpretationen und Orientierungen, aber auch Anstößefür Handlungsmöglichkeiten vermitteln. Der wichtigste Adressat ist derverantwortungsvolle und engagierte Mensch, der in einer ethischen Per-spektive konkret, wirksam und rasch handeln will. Solche Menschengibt es auf allen Ebenen des Systems: Politikerinnen und Politiker,Medienschaffende, Finanz- und Wirtschaftsfachleute, Akteure im Bil-dungs- und Forschungsbereich, Produzenten und Konsumenten, Ver-antwortliche im Alltag, Betroffene, Mutige und Entmutigte. Für dieseMenschen will das Buch zu einer Vertiefung des Verständnisses desWeltgeschehens beitragen, vor allem aber zu sofortigen ersten Schrittenermutigen. Es gehört zu den Ambitionen des Buches, Aktionsgruppenaller Art auf der ganzen Welt Anstöße zur Schaffung eines Weltbürger-ethos zu vermitteln. Eigentlicher Adressat ist damit die Zivilgesellschaft,entsprechend der Grundüberzeugung, dass Menschen heute ihr Schick-sal in die eigenen Hände nehmen sollen.

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Teil 1

Analyse der Lage

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Kapitel 1

Krisenphänomene und erste Erklärungsversuche

Während einer geheimen Diskussion der Friedrich-List-Gesellschaft imZusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise des beginnenden 20. Jahr-hunderts diskutierten im Jahr 1931 hervorragende Ökonomen dieFrage, ob die damalige Weltwirtschaftskrise eine normale oder eineaußerordentliche Krise darstelle. Diese Frage können wir im Bezug aufdie Gegenwart getrost eindeutig beantworten: Die Welt steckt in einertiefen Finanz- und Wirtschaftskrise, vergleichbar mit nur wenigenKrisensituationen der letzten Jahrhunderte.

1.1 Krisenphänomene

Doch beginnen wir mit einer Beschreibung von Phänomenen der Krise,wozu allerdings eine Vorbemerkung nötig ist: Auch wenn der unmittel-bare Anlass für grundsätzlicheÜberlegungen die akute Finanz-und Wirtschaftskrise der Jahre 2008und 2009 ist, reden wir im Folgen-den nicht von einer Krise sondernvon einer Krisenlatenz. Die Krise

Die Krise 2008/2009 steht in einer Reihevon ähnlichen Krisen, und es ist zu erwarten,dass immer rascher neue, ähnliche, aber auch

andersartige Krisen – zum Beispiel imZusammenhang mit der Klimaveränderung

oder mit Rohstoffkonflikten – auftreten werden.

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18 Teil 1 Analyse der Lage

2008/2009 steht in einer Reihe von ähnlichen Krisen, und es ist zu er-warten, dass immer rascher neue, ähnliche, aber auch andersartige Kri-sen – zum Beispiel im Zusammenhang mit der Klimaveränderung odermit Rohstoffkonflikten – auftreten werden.

Beispiele für zurückliegende Krisen gibt es genug: Der Börsencrashvon 1987, die Schuldenkrise Südamerikas zu Beginn der Achtzigerjahre,die «Savings and Loan»-Krise in den USA, die sogenannte asiatischeFinanzkrise, die New-Economy-Krise zu Beginn des 21. Jahrhunderts,die Krise nach 09/11. Im Hinblick auf die Lösung dieser Krisen standenstets Aktionen der Notenbanken im Vordergrund, die auf Senkung derZinsen oder Erhöhung der Geldmenge bzw. der Liquidität aus waren.

Einige Phänomene der Krise 2008/2009 bzw. der Krisenkonstellatio-nen, die zu erwarten sind: � der Zusammenbruch verschiedener Systeme, zum Beispiel des Fi-

nanzsystems;� eine tiefgreifende Rezession in fast allen volkswirtschaftlichen Berei-

chen;� eine großflächige, weltweite Arbeitslosigkeit;� die Verarmung großer Teile der Bevölkerung, die zu sozialen Kon-

flikten oder radikalen politischen Tendenzen führen kann;� die sich immer weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich;� das mögliche Überhandnehmen von Gewalt und Terror;� der Anstieg technologischer Risiken;� die Bedrohung durch den Klimawandel;� die Zunahme von Kriminalität, Spekulation und Bestechung.

Wann sprechen wir von Krisen? Im Vordergrund stehen erhebliche Ver-luste oder Verlusterwartungen in weiten Teilen der Bevölkerung, dasheißt akute negative Erfahrungen. Zur Krise gehören große sozialeSpannungen und soziale Konflikte. Wesentlich sind Gefühle wie Zu-kunftsangst, Unsicherheit, Ohnmacht, Orientierungslosigkeit und Be-fürchtungen hinsichtlich der Stabilität zentraler Systeme, nicht zuletztdes natürlichen, aber auch des wirtschaftlichen Systems.

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Kapitel 1 Krisenphänomene und erste Erklärungsversuche 19

1.2 Erste Erklärungsversuche

Zur Entstehung von Krisen gibt es verschiedene Theorien. Im Blick aufdie Krise 2008/2009 überwiegen finanztechnische und ökonomischeErklärungsmuster:� Lockere Geldpolitik der Notenbanken;� verspätete Reaktion der jeweiligen Finanzaufsicht;� neue, unübersichtliche Finanzprodukte, zum Beispiel im Zusammen-

hang mit der Verbriefung von Hypothekarkrediten;� falsche Anreize bei der Erteilung von Hypothekarkrediten;� Versagen interner Risikomodelle;� mangelnde Unabhängigkeit von Ratingagenturen;� unkritisch-prozyklische Marktbewertung;� Fokussierung auf kurzfristige Gewinne;� überzogene Löhne und Boni, verbunden mit falschen Anreizen;� globale Ungleichgewichte;� Versagen der Wirtschaftswissenschaften.

Die Relevanz solcher Erklärungsmuster ist nicht zu bestreiten. Die hiersichtbare ökonomische und finanztechnische Ebene reicht allerdingsnicht aus für ein wirkliches Verständnis von Krisenlagen und derenUrsachen. Es braucht eine andere Dimension, jenseits von Markt undÖkonomie, jenseits von Finanztechnik und materiellen Überlegungen.(Siehe dazu auch Eck, 2009.)