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  • LernenFrdern

    Zeitschrift im Interesse von Menschen mit Lernbehinderungen

    Sonderheft Bildung Januar 2014

    Herausforderung Sonderpdagogische BildungErfahrungen des Bun-desverbands und der Landesverbnde

    Inklusion in den USA Sven Basendowski

    Sonderpdago-gische DiagnostikSnke Asmussen

    Gestalten und LernenEin besonderes sonderpdagogisches Bildungsangebot

    Psychisch belastete Kinder an Frder-schulen LernenHans-Gnter Garz

    Beispiele aus der PraxisFachkrfte und Eltern berichten

    Weiterbildungs-mglichkeitenAufbau eines Landes-netzwerks in Baden-Wrttemberg

    Lernen frdern... Vorurteile abbauen...

    Teilhabe durchSonderpdagogische

    Bildung

    Teilhabe durchSonderpdagogische

    Bildung

  • 2 Lernen Frdern 2014

    Position Bildung

    Frhfrderung, frhkindliche und schulische Bildung

    Der LERNEN FRDERN-Bundesverband setzt sich fr die Gestaltung von Angeboten ein, die auf den Entwicklungsstand und die individuellen Lernbedrfnisse von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Lernbehinderungen eingehen.

    Dies setzt fr den LERNEN FRDERN-Bundesverband und seine Untergliederungen voraus,

    dass individuelle Lernbedrfnisse erkannt und diagnostiziert werden und Grundlage fr die sich daraus ergebenden besonderen Lernformen sind,

    dass Unterricht an einem ganzheitlichen und handlungsorientierten Konzept ausgerichtet ist,

    die Erfahrungsrume und Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen aufgreift,

    neue Handlungs- und Erfahrungsrume erffnet,

    auf die Bewltigung zuknftiger Lebenssituationen vorbereitet,

    dass Leistungsbeurteilungen und die Vergabe von Abschlssen auf der Grundlage von individu-ellen Fortschritten und individuellen Fhigkeiten vorgenommen und Nachteilsausgleiche ange-wandt werden.

    Berufliche Bildung

    Der LERNEN FRDERN-Bundesverband setzt sich fr die berufliche Bildung und lebenslanges Lernen zur Sicherung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhltnissen von Menschen mit Lernbehinderungen ein.

    Der Bundesverband informiert deshalb junge Menschen mit Lernbehinderungen und ihre Angehrigen ber Wege in Arbeit und Beruf und untersttzt diesen bergang begleitend.

    Lebenslanges Lernen

    Menschen mit Lernbehinderungen haben einen Anspruch auf lebenslanges Lernen. Der LERNEN FRDERN-Bundesverband setzt sich dafr ein, dass die dafr erforderlichen Angebote dauerhaft geschaffen werden.

    Zur Sicherung des Bildungsanspruchs von Menschen mit Lernbehinderungen

    initiiert und nutzt der LERNEN FRDERN-Bundesverband Netzwerke und

    gestaltet dadurch Bildungsrume und Bildungsangebote in allen Lebensbereichen.

    Bundesverband LERNEN FRDERN

    Lernen frdern...Vorurteile abbauen...

  • Impressum

    Seite

    LERNEN FRDERN Bundesverband: Position Bildung 2

    Impressum und Inhalt 3

    Sonderpdagogische Bildung

    Martina Ziegler: Eine Bildung fr alle? Sonderpdagogische Bildung in Deutschland 4

    Mechthild Ziegler: Entwicklungen sonderpdagogischer Bildung 8

    Berichte aus den Landesverbnden: Inklusion und Frderschule 10

    Dr. Sven Basendowski:Die High School als Vorbild einer Schule fr alle? 22

    Snke Asmussen:Sonderpdagogische Diagnostik eine Bestandsaufnahme 28

    Dr. Hans-Gnter Garz:Wandel und Anforderungen im Sonderpdagogischen Dienst 30

    Reutlinger Erklrung 33

    Martina Ziegler:Schule und dann? Zur Bedeutung der Berufsvorbereitung 34

    Gerold Haag, Klaus Khn:Gestalten und Lernen 36

    Dr. Hans-Gnter Garz:Psychisch belastete und traumatisierte Kinder und Jugendliche an Frderschulen im Schwerpunkt Lernen 38

    Gerd Beyerbach: Die Johannes-Gutenberg-Frderschule stellt sich der Zukunft 45

    Willi Zierer, Heike Breckle:Aufbau eines Landesnetzwerks zur Weiterbildungsberatung in Baden-Wrttemberg 49

    Elternberichte:Erfahrungen mit den Herausforderungen sonderpdagogischer Bildung 50

    Mechthild Ziegler, Martina Ziegler:Die Zukunft der sonderpdagogischen Bildung unserer Kinder 54

    In dIeser AusgAbe

    LERNEN FRDERN 34. JahrgangFachzeitschrift im Interesse von Menschen mit LernbehinderungenSonderheft Bildung

    Herausgeber: LERNEN FRDERN Bundesverband zur Frderung von Menschen mit Lernbehinderungen e.V.

    Gerberstrae 1770178 StuttgartTel. 0711 6338438Fax 0711 [email protected]

    Verantwortlich: Mechthild Ziegler, Bundesvorsitzende [email protected]

    Redaktion und Layout:Martina [email protected]

    Druck:Gebr. Knller GmbH & Co KG, Stuttgart

    Auflage: 5.000 Exemplare

    ISSN 0720-8316

    Bezugsbedingungen: Einzelheft 6,- Euro; Sonderbedingungen fr Mitglieder und Abonnenten.

    Bildnachweis: Soweit nicht anders ver-merkt, von den Autorinnen und Autoren der Beitrge oder aus dem Lernen Frdern-Archiv.

    Nachdruck: Nur mit Genehmigung der Redaktion bei Quellenangabe gegen Beleg-exemplar.

    Hinweis der Redaktion: In einigen Beitrgen wurde aus Grnden der sprachlichen Vereinfachung und der besseren Lesbarkeit nur die mnnliche Form (z. B. Schler) verwendet. Die Aus-fhrungen beziehen sich gleichermaen auf mnnliche und weibliche Personen (z. B. Schlerinnen und Schler).

    Themen der nchsten LERNEN FRDERN Ausgaben: Heft 1/2014: Teilhabe durch informelle Bildung im Sozialraum

    Heft 2/2014: Teilhabe am Arbeitsleben

  • 4 Lernen Frdern 2014

    sonderpdAgogIsche bILdung

    Umsetzung der UN-Behinder-tenrechtskonvention (UN-BRK): Gleichberechtigte Teilhabe

    Auslser der genannten Vernderungen war die UN Behindertenrechtskonven-tion (UN-BRK), durch die die Lebens- und Lernsituation von Menschen mit Behinderungen auch in Deutschland verbessert werden soll.

    Ziel der aktuellen bildungspolitischen Bemhungen ist es, die Vorgaben dieser Konvention umzusetzen. Die UN-BRK bezieht sich zwar auf alle Aspekte der

    Eine Bildung fr alle?Wie sonderpdagogische Bildung in Deutschland

    gestaltet wird und wie Inklusion fr Jungen und Mdchen mit Lernbehinderungen mglich werden kann

    In der bildungspolitischen Landschaft in Deutschland finden zurzeit groe Umbrche statt, die sich unter dem Stichwort der Inklusion zusammenfassen lassen. Um die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen zu knnen, werden aktuell bestehende (und erprobte) Schulstrukturen umgebaut, neue Konzepte entwickelt und neue Formen der Beschulung ausprobiert. Dabei geht jedes Bundesland seinen eigenen bildungspolitischen Weg.Besonders betroffen sind von diesen Umstellungen Kinder und Jugendliche mit Lernbehinderungen, da die Frderschule mit dem Frderschwerpunkt Lernen oft als erstes im Zuge der Inklusionsbemhungen als nicht mehr notwendig erachtet wird und die Frderschlerinnen und -schler in der allgemeinbildenden Schule inklusiv beschult werden (sollen). Pda-gogen an allgemeinbildenden Schulen stehen deshalb genauso wie Sonderpdagogen vor besonderen Herausforderungen. Das Aufgabenspektrum in der allgemeinen Schule hat sich verndert, Kinder sollen individuell und differenziert unter-richtet werden. Sonderpdagogen in allgemeinen Schulen sind dort nicht Klassenlehrer, ihr Beruf hat sich grundlegend gendert. Sie bernehmen sonderpdagogische Diagnostik, individuelle Frder- und Untersttzungsmanahmen. Sie sind Berater, Netzwerker und vieles mehr. Manchmal sind sie in Grundschulklassen allerdings auch Nachhilfelehrer oder Krankheitsstellvertreter.Diese Umgestaltungen bedeuten aber nicht nur groe Herausforderungen fr die Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch fr die Schlerinnen und Schler und ihre Eltern. Viele Eltern sind zudem verunsichert und sie haben viele Fragen:Was passiert mit unserem Kind? Wo und wie soll es zur Schule gehen? Was soll mein Kind lernen? Ist das Bildungsangebot richtig? Wird mein Kind unterfordert oder berfordert? Wie ist die Situation von Kindern mit Lernbehinderungen?Damit einher gehen grundstzliche bildungspolitische Fragen: Wie ist der Stand der sonderpdagogischen Bildung im Frderschwerpunkt Lernen derzeit? Wie muss Bildung fr Kinder und Jugendliche mit Lernbehinderungen heute aussehen? Was brauchen Kinder und Jugendliche mit Lernbehinderungen unabhngig von der Schulart?Mit diesen Leitfragen setzen wir uns in dem vorliegenden Sonderheft zum Thema Bildung nher auseinander, um Eltern wie Pdagogen einen berblick ber die Entwicklung der Sonderpdagogik geben zu knnen.

    Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)

    Ziel der UN-BRK ist die Gleichstellung aller Menschen, unabhngig von Art und Schwere ihrer Behinderungen. Alle Menschen sollen gleichberechtigt am po-litischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben teilhaben, dazu zhlt auch die Chancengleichheit in der Bildung sowie eine berufliche In-tegration. Hintergrund der UN-BRK ist die allgemeine Erklrung der Menschen-rechte, die hinsichtlich der spezifischen Erfahrungen und Perspektiven von Men-schen mit Behinderungen konkretisiert wurde.

    1 Bildungspolitische Ziele

    Teilhabe in der Gesellschaft, von beson-derer Bedeutung fr die Bundesrepublik wurde jedoch der Bereich der schulischen Bildung und so rckte mit der Ratifizie-

    rung der UN-Behindertenrechtskonven-tion 2009 in Deutschland vor allem das Stichwort Inklusion in den Blickpunkt der deutschen Bildungspolitik.

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    sonderpdAgogIsche bILdung

    Inklusion kein Kind darf verlo-ren gehen

    Inklusive Schule, Abschaffung der Fr-derschule, Gemeinsamer Unterricht... heien die Schlagwrter der Bildungs-politik im 21. Jahrhundert. Um die UN-BRK richtig umsetzen zu knnen, so der bildungspolitische Ansatz, sollten alle Kinder gemeinsam in eine Schule gehen und insbesondere auch zusammen un-terrichtet werden, um ein Ziel der UN-BRK, das gemeinsame zielgleiche und zieldifferente Lernen zu ermglichen und so Aussonderung und Diskrimi-nierung zu verhindern. Dahinter steht auch der Gedanke, dass eine besondere Form der Beschulung diskriminierend fr die betroffenen Kinder sei.

    Bei Bewertungen zum Stand der Um-setzung der Inklusion steht meistens die Frage im Vordergrund, wie gro der Anteil der Jungen und Mdchen mit Frderbedarf ist, die aktuell inklu-siv beschult werden. Gut beurteilt wird, wenn diese Inklusionsquote hoch ist; schlecht, wenn sie niedrig ist. Ignoriert wird dabei leider die Qualitt der Fr-

    der- und Untersttzungsmanahmen, sowie alternative Angebote der Bun-deslnder mit niedriger Inklusions-quote wie Auenklassen und Koo-perationsklassen. Wichtig scheint vor allem zu sein, dass nun endlich inklusiv unterrichtet wird, wie genau und wozu, das ist nicht so wichtig. Leider wird oft auer Acht gelassen, dass die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention nicht Inklusion um jeden Preis sind, sondern dass es vielmehr um die ge-sellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und Beeintrchti-gungen geht und nicht nur um ihre schulische Inklusion. Darauf hat LER-NEN FRDERN bereits in den Ausga-ben 4/09 und 1/12 verwiesen.Betrachtet man die Diskussionen um die Umsetzung der Inklusion in Deutsch-land, zeigen sich jedoch zunehmend kritische bis sehr kritische Stimmen, die deutlich machen, dass auf dem Weg der Inklusion viele verschiedene As-

    pekte beachtet werden mssen und durchaus auch Fehler gemacht werden knnen. An dieser Stelle zeigt sich, dass der Weg selbst noch lange nicht ein-deutig bestimmt ist. Vielmehr gibt es viele Wege, wie die Idee der UN-BRK auch im Bildungsland Deutschland ge-lebt werden kann.

    Status quo in Deutschland

    Inwieweit Inklusion in Deutschland bereits umgesetzt wurde, geht bei-spielsweise aus einer Studie hervor, die im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgefhrt wurde.1

    Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass der Anteil der Schlerinnen und Schler mit Frderbedarf, die inklusiv

    1 Klemm, Gemeinsam lernen. Inklusion leben. Status quo und Herausforderungen inklusiver Bildung in Deutschland. Im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. 2010

    Sicht LERNEN FRDERN

    Der LERNEN FRDERN-Bundesverband untersttzt die Ideen der UN-BRK und setzt sich seit seiner Grndung in allen Be-reichen des Lebens fr die Teilhabe von Menschen mit Lernbehinderungen ein. Ausschlaggebend sind dabei die Interessen der einzelnen Menschen: der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit Lernbehinderungen sowie ihren Angehrigen. Entscheidend fr die Umsetzung der UN-BRK im schulischen Bereich muss also sein, dass sich alle Kinder wohl fhlen kn-nen, zu ihrer Klassengemeinschaft aktiv dazu gehren und in einer positiven Lernumgebung die fr sie passende Frderung und Untersttzung erhalten.

    2 Bildungspolitische Wege und Abwege

    Inklusion

    Nicht die Menschen mit Behin-derungen mssen sich an die Ge-sellschaft anpassen, sondern die Gesellschaft an Menschen mit Be-hinderungen. Gleichberechtigte Teil-habe beginnt schon im Kindergarten und in der Schulzeit. Hinter dem Schlsselwort der Inklusion steht da-her heute vor allem das Ideal, dass alle Menschen gleichberechtigt und ohne Benachteiligungen zusammen leben und so gemeinsam die Gesell-schaft gestalten.

    Auswirkungen auf den Frderschwerpunkt Lernen

    Um dieses Verstndnis der UN-BRK schnell umsetzen zu knnen, gehen die Pl-ne der einzelnen Bundeslnder vor allem dahin, insbesondere die Frderschulen mit dem Frderschwerpunkt Lernen in ihrer Anzahl zu reduzieren oder ganz abzuschaffen und ihre Schlerinnen und Schler in allgemein bildende Schulen zu integrieren. Die Grnde dafr sind vielfltig. Zum einem findet sich hier die grte Grup-pe von Schlerinnen und Schlern mit Behinderungen und Beeintrchtigungen, Inklusionsquoten knnen entsprechend leicht erreicht werden. Zum anderen scheinen die praktischen Hrden der Umsetzung hier vermeintlich am geringsten zu sein. Es mssen beispielsweise keine aufwendigen Umbauten vorgenommen werden, wie es fr einen barrierefreien Zugang bei Kindern mit Krperbehin-derungen der Fall ist, sie brauchen keine durchgehende pflegerische oder me-dizinische Betreuung wie schwerstmehrfach behinderte Kinder. Auerdem ist der Frderbedarf von Kindern mit Lernbehinderungen nicht offensichtlich. Zu beobachten ist, dass insbesondere Kinder mit Lernbehinderungen, die (noch) nicht verhaltensauffllig sind und nicht stren, im gemeinsamen Unterricht will-kommen sind.

  • 6 Lernen Frdern 2014

    sonderpdAgogIsche bILdung

    unterrichtet werden, in Deutschland sehr unterschiedlich ist. Es wird deut-lich, dass es zwischen den einzelnen Bundeslndern groe Unterschiede gibt.

    Herausforderungen und bestehende Risiken

    Ob und wie Inklusion gelingen kann, wird in der Studie der Bertelsmann Stif-tung leider kaum angesprochen. In der Darstellung der Inklusion in Deutsch-land werden mgliche oder bereits be-stehende negative Auswirkungen aus-geblendet. Was dabei ebenfalls zu kurz kommt, sind die Jungen und Mdchen hinter diesen Zahlen sowie ihre indivi-duelle Situation und Bedrfnisse. Aus diesem Grund sind die aktuellen Inklusi-onsbemhungen gerade fr Kinder und Jugendliche mit Lernbehinderungen durchaus mit Risiken verbunden.

    Die bestehenden Risiken zeigen sich beispielhaft am Bezug auf (mgliche) Schulabschlsse der Jungen und Md-chen mit sonderpdagogischem Fr-derbedarf. So wird festgehalten: Bei Abgngern mit Abschlssen aus Fr-derschulen, die unterhalb des Haupt-schulabschlusses anzusiedeln sind, sind daher auch deutliche Probleme beim bergang von der Schule in den Beruf bzw. in die Ausbildung zu erwarten. Ohne eine Ausbildung sind die Chan-cen auf eine dauerhaft gelingende In-tegration in den Arbeitsmarkt und da-mit die Teilhabe am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben stark eingeschrnkt. Damit Kindern und Jugendlichen diese Perspektivlosig-keit erspart bleibt und sie die fr eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben notwendigen Kompetenzen erwerben knnen, ist mehr Inklusion im deut-schen Bildungssystem unabdingbar. Nur auf diesem Wege kann es gelin-gen, die Zahl der Schulabgnger ohne Hauptschulabschluss in Deutschland deutlich zu reduzieren denn ber die Hlfte dieser Jugendlichen kommt aus Frderschulen.2 Nach den Erfahrungen von LERNEN FRDERN verbessert sich die hier dar-

    2 Klemm 2010, Vorwort, S. 5

    gestellte Perspektivlosigkeit jedoch kei-nesfalls durch Erreichen eines formalen Abschlusses. Ein Abschluss alleine ist fr die Teilhabe am Arbeitsleben nicht aus-reichend. Als erfolgversprechend sind vielmehr die gezielten Konzepte der Berufsorientierung und Berufsvorberei-tung und die Begleitung am bergang von der Schule in Arbeit und Beruf zu bezeichnen, die sich in der Praxis der Oberstufe der Frderschule bewhrt haben und die bisher so nicht im in-klusiven Unterricht umgesetzt werden knnen. Es bleibt also die Frage, ob wirklich kein Kind verloren geht. Wichtig ist bei der Umsetzung der In-klusion aber in erster Linie, dass tat-schlich kein Kind verloren geht, also auch nicht zum Schulabbrecher wird und der bergang in Arbeit und Beruf gelingt. Die Umstrukturierungen, die derzeit vorgenommen werden, sollten deshalb besonders sorgsam geplant und umgesetzt werden. Auch Beispiele von Einzelschicksalen zeigen immer wieder, wie schwierig es ist, die passende Frderung fr jedes Kind zu finden. Im inklusiven Unter-richt, dies wird in vielen Berichten und Beitrgen deutlich, gelingt dies nicht in jedem Fall und kann auch gar nicht gelingen. Denn es wird umso schwie-riger, den individuellen Fhigkeiten eines Kindes gerecht zu werden, je he-terogener das schulische Umfeld und die Klassengemeinschaft ist. So zeigen Erfahrungen der inklusiven Beschu-lung der letzen Jahre, dass Inklusion fr manche Kinder ein guter Weg ist. Sie zeigen jedoch auch, dass der Unterricht in einer allgemeinbildenden Klasse nicht zu jeder Zeit fr jedes Kind das Beste ist: Nicht alle Kinder erhalten die son-

    derpdagogische Untersttzung, die sie aufgrund ihres Frderbedarfs bentigen.

    Einzelne Erfahrungen zeigen auch, dass Kinder trotz individuellem Ler-nen keine Aufgaben bekommen, die ihren persnlichen Mglichkeiten und Leistungsfhigkeiten entsprechen.

    Inklusive Beschulung kann sich auf die Persnlichkeit des Kindes ne-gativ auswirken, wenn Kindern gleichstarke Lernpartner fehlen und sie sich in ihren Klassen gegenber ihren Mitschlerinnen und Mitsch-lern schwcher und isoliert fhlen.

    Dies schildert unter anderem die Bun-desvorsitzende von LERNEN FR-DERN, Mechthild Ziegler, in ihrem Beitrag, in dem die Erfahrungen von Kindern, ihren Eltern und Fachkrften dargelegt werden.

    Individueller Bildungsanspruch

    Der Unterricht in allgemeinen Schulen, selbst wenn er inklusiv ist, unterscheidet sich bisher deutlich vom Unterricht an Frderschulen. Auch heute noch gibt es viele schulpflichtige Kinder, die in den allgemeinen Schulen nicht adquat un-terrichtet, betreut und begleitet werden knnen, da ihre Bedrfnisse und Rech-te mehr oder weniger untergehen wr-den. Die Grnde dafr sind vielfltig. uere Faktoren wie zum Beispiel die Gruppen- und Klassengren, die Un-terrichtsorganisation oder die Raumge-staltung spielen ebenso eine Rolle wie eine mangelnde sonderpdagogische Betreuung. So kann vielen Lehrkrften der allgemeinen Schule gar nicht aus-reichend fachliches (sonderpdago-gisches) Wissen zur Verfgung stehen, um ihre Schlerinnen und Schler mit sonderpdagogischem Frderbedarf hinsichtlich ihrer Hintergrnde ange-messen zu frdern oder sie in Bezug auf rechtliche Mglichkeiten oder mgliche Anschlsse und bergnge nach der Schule zu beraten.Darber hinaus besteht ein verkrzter Blick auf die tatschlichen (Lern-)Be-drfnisse der Schlerinnen und Schler: Whrend der Unterricht an den Fr-derschulen passgenau auf Kinder und Jugendliche mit (Lern-)Behinderungen ausgerichtet werden kann, kann dies im Fall eines inklusiven Unterrichts ganz anders aussehen. Im inklusiven Unterricht stellen Kinder und Jugendli-che mit Behinderungen nur eine kleine Gruppe dar. In dieser Konstellation be-steht die Gefahr, dass ihre individuellen Bedrfnisse an den Bildungsanspruch der dominanten Gruppe angepasst werden und ihr individueller Bildungs-anspruch dadurch vernachlssigt oder reduziert wird. Nicht nur der Bildungs-plan, sondern auch die Mehrzahl der Schlerinnen und Schler einer Klasse der allgemeinen Schule bestimmen, welche Bildungsziele erreicht werden

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    sonderpdAgogIsche bILdung

    sollen, was richtig und was wichtig ist. Entsprechende Vorgaben und Ziele werden dem Bildungsanspruch von Schlerinnen und Schlern mit Lernbe-hinderungen aber nicht gerecht. Das zeigt sich beispielsweise dann, wenn ein Kind mit sonderpdago-gischem Frderbedarf lediglich weni-ger Aufgaben machen muss oder ein individuelles Arbeitsblatt erhlt, bei dem die Lerninhalte gegenber den Ar-beitsblttern der Klasse allerdings nur reduziert wurden. Denn eine Differen-zierung ber verschieden schwierige Arbeitsbltter bedeutet nicht automa-tisch, dass ein Kind nun das lernt, was individuell am besten geeignet ist zum Beispiel das, was es fr sein selbstbe-stimmtes Leben lernen muss. Wenn im inklusiven Unterricht die Lern- bzw. Bildungsinhalte reduziert werden, an den grundstzlichen Zie-len aber nichts verndert wird, wird dieser Unterricht dem individuellen Bildungsanspruch von Kindern und Ju-gendlichen mit (Lern-)Behinderungen nicht gerecht. Bercksichtigt wird hier weder ein ganzheitliches Lernen noch die vitalen Interessen der Kinder in be-sonders schwierigen Lebenslagen. Es wird bersehen, dass Kinder mit Lern-behinderungen teilweise ganz andere Bedrfnisse haben als beispielsweise die korrekte Rechtschreibung im Deutsch-unterricht. Auf diese Weise kann ihre Teilhabe sogar gefhrdet werden. Be-sonders deutlich wird dies, wenn es wie oben bereits dargestellt um die Berufsvorbereitung geht.

    Feststellung des Frderbedarfs

    In Auseinandersetzungen und Diskussi-onen ber Inklusion wird immer wieder deutlich, dass es bereits als diskrimi-nierend erachtet werden kann, wenn Behinderungen als Behinderungen be-nannt werden oder in bestimmte Be-hinderungsarten unterschieden wird. Der Vorwurf lautet hier, dass Men-schen ihren Behinderungen entspre-chend bestimmten Gruppen zuge-ordnet werden wrden. Durch diese so genannte Kategorisierung wrden sie letztendlich ausschlielich auf ihre Behinderung reduziert werden. Damit einhergehende Forderungen knnen

    im schlimmsten Fall sogar dazu fhren, dass Behinderungen ignoriert werden. Mit diesen Anstzen sind ebenfalls erhebliche Gefahren verbunden. Da-rauf verwies Prof. Dr. Bernd Ahrbeck in seinem Vortrag Inklusion. Lehrer-bildung ohne Sonderpdagogik? am 20.07.2013 in Reutlingen. Er betonte dabei, dass vor allem nicht vergessen werden darf, dass durch die Inklusion ein bestehender sonderpdagogischer Frderbedarf nicht abgeschafft werden kann. Kinder und Jugendliche verlieren nicht ihre Beeintrchtigung oder Be-hinderung, sie haben deshalb auch ein Recht auf eine entsprechende (=son-derpdagogische) Frderung. Durch die aktuell politisch gewollte Form der Inklusion knne es aber passieren, dass eine Behinderung (und damit auch der bestehende sonderpdagogische Frderbedarf) bersehen werde. Da-bei werde auer Acht gelassen, dass Gleichheit bzw. Gleichberechtigung oft erst durch unterschiedliche und zwar gezielte Frderung ermglicht werde. Eine Feststellung des sonderpdago-gischen Frderbedarfs bleibt demnach unabdingbar. Dies wird von Snke As-mussen ab S. 27 ausfhrlich dargelegt.

    Lehrerbildung - Abschaffung der Sonderpdagogik?

    Zustzliche Herausforderungen stellen sich derzeit an die Lehrerausbildung, die im Zuge der Inklusion stark verndert wird. Eine (durchaus gerechtfertigte) Befrchtung von Seiten der sonderp-dagogischen Fachkrfte ist, dass durch die Inklusionsbestrebungen die Sonder-pdagogik an Bedeutung verliert. Aus-lser fr diese Befrchtung ist der Vor-schlag, dass die sonderpdagogische Ausbildung zuknftig in die allgemeine Lehrerbildung integriert werden soll. Als mgliche Konsequenz wrden zu-knftig nicht nur (sonder-)pdago-gische Spezialisten in der praktischen Arbeit fehlen, sondern damit einher- gehend wrde auch die bisher breit-aufgestellte Fachkompetenz an den Universitten und wissenschaftlichen Einrichtungen in der Forschung und Weiterbildung verloren gehen. Wenn sich die Qualifikation verbreitert, be-steht die Gefahr, dass die Spezialisie-

    rung reduziert wird. Es bleibt fraglich, ob Kinder mit Behinderungen dann noch auf dem hchstmglichen Niveau gefrdert werden knnen.

    3 Konsequenzen fr den Frderschwerpunkt

    Lernen

    Spezielle Bildungsangebote fr den Frderbedarf Lernen sind unverzichtbar

    Wie auch die weiteren Beitrge und Beispiele aus der Praxis in diesem Son-derheft zeigen, bentigen Kinder und Jugendliche mit Lernbehinderungen ziel- und passgenaue sonderpdago-gische Bildung. Spezielle Angebote fr den Frderbedarf Lernen sind aus meh-reren Grnden unverzichtbar. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass dem individuellen Bildungsanspruch eines Kindes gerecht werden kann und sein Untersttzungsbedarf nicht igno-riert wird. Dieser Anspruch entspricht den Zielen der UN-BRK, denn nur da-durch knnen unsere Kinder und Ju-gendlichen gleichberechtigt in allen Le-bensbereichen teilhaben.

    Ziele von LERNEN FRDERN

    Mit seinem Engagement fr Menschen mit Lernbehinderungen deckt der LER-NEN FRDERN-Bundesverband alle Aspekte der Bildung ab. Bildung be-ginnt von Geburt an und begleitet je-den Menschen ein Leben lang. Bildung erfahren und erleben wir nicht nur in Kindergarten und Schule, in Ausbildung und Arbeit, sondern in allen Bereichen unseres Lebens: In der Familie, unter Freunden, in der Freizeit... Aus diesem Grund spielen informelle Bildungsan-stze, die auerschulische Bildung und Freizeitangebote fr alle Altersstufen im Programm von LERNEN FRDERN eine wichtige Rolle. Die Frderung und Untersttzung von Kindern und Jugendlichen darf deshalb nicht erst mit der Schulzeit beginnen und nach der Schule oder Ausbildung enden. Dies ist eines der wichtigsten Anliegen von LERNEN FRDERN.

    Martina Ziegler

  • 8 Lernen Frdern 2014

    sonderpdAgogIsche bILdung

    Entwicklungen sonderpdagogischer Bildung

    Erfahrungen des Bundesverbands

    Bildung ist der Schlssel zur Teilhabe. Sonderpdagogische Bildung ist deshalb ein Schwerpunktthema des LERNEN FR-DERN-Bundesverbands. Bei der Mitgliederversammlung im Jahr 2012 hat der Bundesverband eine Stellungnahme zur Son-derpdagogischen Bildung an unterschiedlichen Lernorten herausgegeben (siehe S. 20) und bei der Mitgliederversammlung 2013 darauf aufbauend seine Position Bildung (siehe S. 2) verabschiedet. Grundlage fr diese Position ist die Frage: Wie muss Bildung fr Kinder mit Lernbehinderungen sein, damit sie in der Gesellschaft teilhaben knnen? Teilhabe bedeutet aber nicht, dabei sein drfen. Teilhabe bedeutet vielmehr, sein Leben aktiv und selbstbestimmt in der Gemeinschaft fhren knnen. Bildung muss deshalb an den persnlichen Mglichkeiten und den individuellen Leistungsfhigkeiten ansetzen. Bildung muss so gestaltet werden, dass sie dem Kind gerecht werden kann.

    Kinder mit Lernbehinderungen haben ein Recht auf ein sonderpdagogisches Bildungsangebot, das ihren persn-lichen Mglichkeiten und individuellen Voraussetzungen entspricht. Dieses Bil-dungsangebot kann ausschlielich auf der Grundlage sonderpdagogischer Diagnostik gemeinsam mit allen betei-ligten Experten und den Eltern festge-legt werden. Entscheidend ist, dass es kontinuierlich individuell entsprechend dem Entwicklungsstand des Kindes fortgeschrieben wird. Welche Schule und welche Schulart ein Kind besucht, ist davon abhngig, wo der Bildungs-anspruch des Kindes eingelst werden kann. Dabei ist der Entwicklung der Per-snlichkeit des Kindes besondere Auf-merksamkeit zu widmen. Ein Kind mit sonderpdagogischem Frderbedarf in der allgemeinen Schule braucht nicht nur angemessene Lernbedingungen, sondern auch Menschen, die es in der Schule und in seinem familiren Umfeld untersttzen und begleiten und eine Beziehung zu ihm eingehen.Frderschule oder allgemeine Schu-le? Diese Frage konnte noch nie ein-fach beantwortet werden. Eltern wn-schen sich fr ihr Kind eine normale Schullaufbahn, ein Frder- und Unter-sttzungsbedarf wird von ihnen oft erst durch Schwierigkeiten in der Grund-schule bemerkt. Eltern sind dann auf Informationen und Beratung ber Lern-bedingungen, Mglichkeiten der Fr-

    derung und Untersttzung angewie-sen. Was kann die Grundschule leisten? Welche Untersttzung bieten inklusi-ve Schulen? Wie sind die besonderen Lernmethoden in einer Frderschule? Was ist berhaupt sonderpdagogische Bildung? In der Vergangenheit wurde fr ein Kind die Pflicht zum Besuch der Sonderschule festgestellt. Manche El-tern waren damit nicht unbedingt ein-verstanden. In der Regel waren sie aber nach kurzer Zeit von der Frderschule berzeugt, wenn sie feststellten, dass ihr Kind sich in der Frderschule wohl fhlt und gut lernen kann. Heute wird kein Kind mehr in die Frderschule auf-genommen, dessen Eltern sich nicht bewusst fr diese Schulart entschieden haben.Das Bildungssystem ist derzeit bun-desweit in einem erheblichen Vern-derungsprozess. Dabei stimmen die Entwicklungen im Bereich sonderpda-gogischer Bildung mehr als nachdenk-lich. Bundesweit wird die Behinderten-rechtskonvention umgesetzt. Dies hat verschiedene Formen der Umsetzung mit unterschiedlicher Qualitt sonder-pdagogischer Bildung zur Folge. Zu beobachten ist leider, dass Eltern viel-fach nicht das Recht haben, sich fr inklusive Bildungswege zu entscheiden, sondern immer mehr dazu gedrngt werden. Es entsteht der Eindruck, In-klusion ist kein Recht, sondern eine Pflicht und dies unabhngig davon,

    ob ein inklusiver Bildungsweg fr ein Kind geeignet ist und von den Eltern gewnscht wird.Manche Lnder werden als Leucht-trme der Inklusion bezeichnet, an-dere als rckstndig. Aussagen zur Umsetzung inklusiver Bildungswege knnen sich jedoch lediglich auf die Quantitt beziehen und nicht auf die Qualitt der Bildung. Auch am Haupt-schulabschluss kann der Erfolg einer Schulart nicht festgemacht werden. In manchen Lndern sind Frderschulen fester Bestandteil im Bildungssystem. Inzwischen werden Eltern, deren Kind eine Frderschule besuchen kann, oft von Eltern beneidet, deren Kind im ge-meinsamen Unterricht Schwierigkeiten hat, ein Wechsel in eine Frderschule aber nicht mglich ist. An den Bun-desverband wenden sich ratsuchende Eltern aller Bundeslnder. Deshalb ist dem Bundesverband die Situation vieler Familien bekannt.

    Situation der Kinder Bauchweh-Kinder

    Berichte von Eltern zeigen im Bereich der sonderpdagogischen Bildung von Kindern mit Lernbehinderungen, dass viele Kinder in inklusiven Klassen unter permanentem Leistungsdruck stehen und nicht individuell gefrdert werden. Manche Eltern erfahren von LERNEN

  • 9Lernen Frdern 2014

    sonderpdAgogIsche bILdung

    FRDERN erstmals etwas ber son-derpdagogische Diagnostik und einen Frderplan, andere legen uns Frder-plne vor, die nicht als individuell und differenziert bezeichnet werden kn-nen. Wenn Kinder unter ihren Misser-folgen leiden und in ihrer Klasse weder Freunde haben, noch Lehrkrfte, die sich die Zeit nehmen knnen, das Kind individuell entsprechend seiner Lei-

    Berichte von Eltern, die uns nachdenklich

    stimmen

    LisaWie kann ich mit meiner Tochter Lesen ben? lautet die Frage ihrer Mutter.Lisa besucht als Frderkind die 3. Grundschulklasse. In ihrem Frder-plan ist als Ziel fr die 3. Klasse an-gegeben, dass Lisa Lesen lernen soll. Die Umsetzung ist als Aufgabe der Mutter eingetragen. Weitere Infor-mationen bekommt die Mutter nicht.

    Was knnen wir Eltern tun? Was knnen und drfen wir von der Schule erwarten? Wie knnen wir unser Kind untersttzen?

    Fragen dieser Art werden LERNEN FRDERN von ratsuchenden El-tern hufig gestellt. Fragen, die uns nachdenklich stimmen. Die Antwort ist nie einfach, sie ist von den indi-viduellen Bedrfnissen eines Kindes abhngig. Unser Anliegen ist des-halb die Weiterentwicklung von Un-tersttzungsmanahmen fr Kinder mit sonderpdagogischem Frderbe-darf Lernen sowie die kontinuierliche Weiterentwicklung von sonderpda-gogischen Bildungsangeboten. Un-ser Ziel ist, Eltern durch Information und Beratung zu untersttzen und die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Pdagogen zu frdern.Damit Eltern ausfhrliche Antworten auf ihre Fragen finden knnen, ist eine LERNEN FRDERN Informati-onsbroschre Sonderpdagogische Bildung Wie Eltern ihre Kinder be-gleiten knnen in Vorbereitung.

    LucaLuca wird individuell gefrdert. Nach Meinung seiner Mutter luft alles gut, auch die Lehrerinnen sind mit ihm zufrieden. Luca sei gut in-tegriert. Nur am Nachmittag hat er niemanden, der mit ihm spielt.

    stungsvoraussetzungen zu frdern und zu begleiten, sind Kinder Belastungen ausgesetzt, denen sie nicht gewach-sen sein knnen. Typisch ist dann, dass Kinder stndig Bauchweh haben, nicht gerne in die Schule gehen und sich schlielich ganz verweigern.

    Situation der Familien

    Viele Familien sind mit enormem Haus-aufgabenstress belastet. Da sie in die Frderplanung und/oder deren Um-setzung nicht einbezogen werden, sind sie ratlos und wissen nicht, wie sie ihr Kind untersttzen knnen. Manche versuchen durch ben zu Hause oder durch Nachhilfe den Lernrckstand aufzuholen und tragen dadurch selbst zum Leistungsdruck und Leidensdruck ihres Kindes bei. Viele Eltern klagen au-erdem, dass sie kaum einen Termin fr

    ein Elterngesprch bekommen knnen. Von Erziehungspartnerschaft kann kei-ne Rede sein. So fhlen Eltern sich hilf-los und ratlos.

    Situation der Pdagogen

    Viele Lehrkrfte haben sich schon vor Jahren freiwillig zur Inklusion bereit er-klrt. Nach uns vorliegenden Berichten sehen viele allerdings wenig Mglich-keiten, Inklusion mit den vorhandenen Mitteln adquat umzusetzen. Immer wieder erfahren wir, dass sie insbeson-dere der Bildung von Kindern mit Lern-behinderungen nicht gerecht werden knnen und sich manchen Herausfor-derungen im Schulalltag nicht gewach-sen fhlen. Kinder mit Lernbehinde-rungen angemessen zu untersttzen und zu begleiten und in der Klasse zu integrieren, sei eine enorme Herausfor-derung fr sie.

    Situation der Sonderpdagogen

    Das Berufsbild des Sonderpdagogen ist im Wandel. Sonderpdagogen in inklusiven Schulen sind oft berlastet durch Aufgaben, die sich ihnen in der allgemeinen Schule zustzlich stellen. Nicht immer haben sie deshalb ent-sprechende Ressourcen, um Kinder fr individuelle Frderung zur Verfgung zu stehen. Immer wieder wird dem Bundesverband neuerdings berichtet, dass Sonderpdagogen im Unterricht der allgemeinen Schule selbst zum

    JonasJonas ist ein BauchwehKind. Sei-ne Mutter erzhlt am Telefon: Seit der 1. Klasse klagt er stndig ber Bauchweh. Jetzt ist er in der 4. Klas-se und weigert sich in die Schule zu gehen. Ich rede ihm gut zu, aber im-mer fter sehe ich ein, dass ich sein Bauchweh ernst nehmen und ihn zu Hause lassen muss. Dann ist er be-reit, mit mir zu lesen und zu rechnen, aber nur das, was er gut kann. Seine Hausaufgaben mchte er nicht ma-chen, er weigert sich strikt, Schimp-fen und Strafen helfen nicht weiter. Mit der Klassenlehrerin hat die Mut-ter mehrmals gesprochen. Sie emp-fiehlt der Mutter mit Jonas viel zu ben, aber die Aufgaben, die Jonas bekommt, sind nach Aussagen der Mutter fr Jonas viel zu schwer.

    SofiaSofia geht in die 2. Klasse. Sie be-kommt individuelle Aufgaben, die sie gut erledigen kann. Auch ihre Hausaufgaben kann sie alleine ma-chen. Sie fllt in ihrer Klasse nicht auf, die Klassenlehrerin und die Son-derpdagogin, die stundenweise im Unterricht ist, gehen gut auf sie ein. Es luft alles prima, sagt die Mutter, deshalb verstehe ich ber-haupt nicht, dass Sofia unzufrieden ist. Sofia sagt mir, dass sie nicht will, dass die anderen Kinder ihr stndig helfen.

  • 10 Lernen Frdern 2014

    sonderpdAgogIsche bILdung

    Leistungs- und damit Leidensdruck der Kinder beitragen und ihre Fachlichkeit der allgemeinen Pdagogik anpassen.

    Fazit Forderungen und Wnsche

    Wir befinden uns derzeit in einem Pro-zess der Weiterentwicklung schulischer Bildung. In einer Zeit, in der das Bil-dungssystem neu gestaltet wird. Diese Neugestaltung soll dazu fhren, dass Bildung knftig noch besser verwirk-licht werden kann. Bei Kindern mit einem Anspruch auf ein sonderpdagogisches Bildungsangebot geht es darum, ihre Strken trotz der vorhandenen Schw-chen zu erkennen und darauf aufzubau-en. Bildung ist der Schlssel zur Teilhabe. In der Schulzeit mssen deshalb nicht nur kulturelle Grundlagen gelegt, son-dern auch Handlungskompetenzen fr eine selbstbestimmte Teilhabe und All-tagsbewltigung entwickelt werden. In die Frderschule sollen nur Kinder mit einem diagnostizierten Anspruch

    Markus

    Markus ist in der 3. Klasse. Er kann jetzt im Zahlenraum bis 10 addieren und bis 20 zhlen. Der Leistungs-druck nimmt zu. Seine Hausaufga-ben mchte er gerne vollstndig und schn machen, auch wenn er sie nicht versteht. Seine Mutter sagt: Ich hel-fe ihm, so gut ich kann. Aber manch-mal wei ich nicht mehr, wie ich ihm etwas erklren soll. Er versteht ein-fach nicht, was ich meine. Wir kom-men nicht weiter. Dazu kommt, dass er stndig Bauchweh hat und nicht in die Schule gehen will. Sie berichtet, dass Markus eigentlich organisch ge-sund ist. Schickt die Mutter ihn trotz Bauchweh in die Schule oder bringt ihn, obwohl er das nicht mchte, ist Markus traurig und weint manchmal still vor sich hin. Manchmal kommt er verstrt nach Hause. Wenn er aber zu Hause bleiben darf, ist er frhlich und spielt.

    Inklusion und FrderschuleDie Bildungssysteme der Lnder im WandelEin berblick ber die Herausforderungen, die sich den

    LERNEN FRDERN Landesverbnden stellen

    Die Bildungschancen und -mglichkeiten von Kindern und Jugendlichen, sonderpdagogische Frder- und Unter- sttzungsangebote sowie deren Umsetzung hngen stets von den regionalen Gegebenheiten und der jeweiligen Situation vor Ort ab. Wer sich mit individuellen Aspekten von Bildung beschftigt, muss stets auch fragen: Welche familiren, welche personellen, welche regionalen und berregionalen Strukturen bestehen? Denn wo ein Kind lebt und aufwchst, ist mit entscheidend fr seine Bildungschancen. Dabei unterscheiden sich nicht nur lndliche Regionen von urbanen Sied-lungen, soziale Brennpunkte von Akademikervierteln, sondern auch die Bundeslnder untereinander.Schulbildung ist in Deutschland Lndersache und damit unterscheiden sich auch die Bedingungen in Bayern und Berlin nicht nur aufgrund der wirtschaftlichen Lage voneinander. Die Grnde dafr sind historisch gewachsen und immer auch mit den jeweiligen politischen Strukturen verbunden. Dadurch muss sich jedes deutsche Bundesland mit Fragen der Inklu-sion auseinandersetzen. Bereits die Voraussetzungen dafr, wie beispielsweise die Schulstrukturen (Dauer der Grundschul-zeit, Aufbau von Frderschulen, Gesamtschulen, bestehende integrative Einrichtungen) unterscheiden sich sehr voneinan-der. Unterschiedlich sind auch die politischen Hoffnungen und Erwartungen.

    Lnderberblick

    auf ein sonderpdagogisches Bildungs-angebot aufgenommen, dem die all-gemeine Schule nicht gerecht werden kann und deren Eltern sich bewusst fr diesen besonderen Lernort ent-scheiden. Manche Kinder sind nur zeit-weise in einer notwendigen Phase der Stabilisierung auf die Untersttzung der Frderschule angewiesen, andere aber auch kontinuierlich whrend ihrer Schulzeit einschlielich der Beruflichen Bildung.Seither bekamen Eltern von Bauch-weh-Kindern Rat und Untersttzung durch die Frderschule. In manchen Bundeslndern besteht inzwischen fr Kinder, die bereits in der Grundstu-fe an Versagensngsten leiden, keine Aussicht auf nderung ihrer Situation. Deshalb wollen und mssen wir Eltern dazu ermutigen, sonderpdagogische Bildung fr ihre Kinder einzufordern.

    Mechthild ZieglerBundesvorsitzende

    LERNEN FRDERN-Bundesverband

  • 11Lernen Frdern 2014

    sonderpdAgogIsche bILdung

    Aktive Mitglieder des LERNEN FR-DERN-Bundesverbands sowie der LER-NEN FRDERN Landesverbnde haben uns darin untersttzt, die derzeitigen Entwicklungen in den verschiedenen Regionen der Bundesrepublik darzu-stellen, ihre Rckmeldungen zu unserer Umfrage stellen wir auf den nchsten Seiten vor.

    Auswertung der Berichte aus den Landesverbnden

    Es wird deutlich, dass die Vorgabe In-klusion in den einzelnen Bundesln-dern unterschiedlich umgesetzt wird und die Entwicklungen auch unter-schiedlich weit vorangeschritten sind. Whrend einige Lnder offen oder eher versteckt dabei sind, Frderschulen abzuschaffen, betonen andere Lnder das Wahlrecht der Eltern, das auch den Besuch einer Frderschule bzw. Fr-derklasse ermglicht. Zwar besteht das Elternwahlrecht zumindest auf dem Papier in jedem Bundesland. Doch ist seine Einforderung oft nicht umsetzbar, da es in den Frderschulen beispiels-weise keine ersten Klassen mehr gibt und die Eltern bzw. ihre Kinder dadurch gar keine andere Wahl haben, als zuerst die allgemeine Grundschule zu besu-chen unabhngig von ihren individu-ellen Bedrfnissen. So bedeutet mancherorts bei genauem Hinsehen die Einfhrung der Inklusion letztlich eine Abschaffung der Frder-schulen Lernen. Dies ist geschehen bzw. geschieht, ohne dass ein adquates Frdersystem in den allgemeinen Schu-len aufgebaut wurde.

    In den meisten Bundeslndern werden sonderpdagogische Frderzentren eingerichtet bzw. weiter ausgebaut. Diese spielen in vielen Fllen fr die sonderpdagogische Bildung von inklu-siv beschulten Kindern mit Frderbe-darf eine wichtige Rolle. Oft werden die sonderpdagogischen Fachkrfte von den Frderzentren an allgemeine Schulen entsandt nicht selten an mehrere, was mit groem Fahraufwand verbunden sein kann. Teilweise werden sie dort von den Schulleitern auch zu ganz anderen Auf-gaben verpflichtet.

    Bildung soll fr Kinder mit sonderpda-gogischem Frderbedarf bzw. mit dem Anspruch auf sonderpdagogische Bil-dung dadurch gewhrleistet werden. Die Stundenzahlen, mit denen die Son-derpdagogen an inklusiven Schulen Kinder und Jugendliche mit Frderbe-darf betreuen (drfen), unterscheiden sich in den verschiedenen Bundesln-dern stark. Uns liegen Angaben von 0,5 Stunden bis 6 Stunden pro Woche/pro Kind vor, die aber nach Elternberichten nicht (immer) umgesetzt werden.

    Auffllig ist dabei auch, dass Inklusion bisher insbesondere an Grund- und Hauptschulen, bzw. Mittelschulen oder Gesamtschulen thematisiert wird.

    In einigen Bundeslndern besteht von Seiten der Eltern und Pdagogen der Eindruck, dass Inklusion politischer Wille ist und deshalb unbedingt durchgesetzt werden muss, ohne dass durchdachte Konzepte dahinterstehen. Darber hin-aus sehen viele die Gefahr, dass mittels der Umsetzung der Inklusion versucht wird, Kosten einzusparen. So wurden unter dem Deckmantel der Inklusi-on Sparmanahmen ergriffen, die zu Lasten der betreffenden Kinder gehen. Beispielsweise werden die Stunden der sonderpdagogischen Frderung wei-ter reduziert, Betreuungsschlssel er-hht und Sonderpdagogen an mehre-ren Schulen eingesetzt. Dies betrifft oft auch in besonderem Mae Kinder und Jugendliche mit Lernbehinderungen. Viele Experten sehen hier die Gefahr, dass sie dem einzelnen Kind nicht mehr gerecht werden knnen, dass die indi-viduelle Frderung der Kinder, insbe-sondere der Kinder mit Lernbehinde-rungen, auf der Strecke bleibt.

    So zeigt sich auf der einen Seite, dass Inklusion politisch gewollt und so schnell wie mglich umgesetzt werden soll. Auf der anderen Seite erscheint In-klusion an anderen Stellen zumindest schulpolitisch nicht gewollt, da dadurch auch die bestehenden Schulsysteme in Frage gestellt werden. Dies wird u.a. durch Rckmeldungen aus Bundes-lndern deutlich, in denen aufgrund bevorstehender Wahlen oder aktueller Koalitionsverhandlungen von poli-tischer Seite wenig konkrete Aussagen

    zur weiteren Gestaltung der Inklusion erfolgen konnten. Insgesamt wird vielerorts beklagt, dass es teilweise sehr schwer ist, aussage-krftige Informationen zum Stand der Inklusion zu erhalten. In vielen Lndern werden die Schulen, die Fachkrfte und die Eltern oft vor vollendete (Konzept-)Tatsachen gestellt, ohne dass sie kon-kret mitgestalten knnen. Es fehlen verbindliche Aussagen, selten werden Untersuchungen und Stati-stiken ber die Auswirkungen von In-klusion gefhrt jenseits von Leucht-turmprojekten. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass Schulver-suchsprojekte aufgrund ihrer besonde-ren Ressourcenausstattung erfolgreich sein knnen, sich aber leider nicht oder nur sehr bedingt in den schulischen All-tag bertragen lassen.

    Die Rckmeldungen aus unseren Lan-desverbnden zeigen auf jeden Fall, dass eine hohe Inklusionsquote noch lange nicht bedeutet, dass die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention tatschlich umgesetzt werden konn-ten. In den Bundeslndern, in denen die Inklusion schon lnger angestrebt wurde, zeigt sich erst langsam, was dies konkret im Einzelfall fr die Kinder be-deutet und wie die inklusive Realitt aussieht. Die Berichte von Eltern und Pdagogen, das zeigen auch die fol-genden Beispiele, sind dabei gemischt. Neben positiven Rckmeldungen gibt es leider auch negative Entwicklungen.

    Die vielfltigen Erfahrungen zeigen aber vor allem eins: Keiner ist gegen Inklu-sion. Jeder hlt den Kerngedanken der UN-Behindertenrechtskonvention fr richtig alle Beteiligten wnschen sich eine gesellschaftliche Teilhabe von Kin-dern und Jugendlichen mit Lernbehin-derungen. Nur sehen sie Rckschritte der sonderpdagogischen Frderung in den aktuell praktizierten Umsetzungen. Entscheidend ist vor allem, das wird aus den Antworten deutlich, dass Kinder mit Lernbehinderungen gut und angst-frei lernen und ihre Persnlichkeit ent-wickeln knnen, und dass ihr Anspruch auf sonderpdagogische Bildung einge-lst wird. Dazu gehrt, dass durch Bil-dung ihre Teilhabe sichergestellt wird.

  • 12 Lernen Frdern 2014

    sonderpdAgogIsche bILdung

    Baden-Wrttemberg

    Der Weiterentwicklungsansatz in Ba-den-Wrttemberg baut auf Erreichtem und auf Empfehlungen eines Experten-gremiums auf und umfasst alle Schular-ten. Das gemeinsame Lernen von Kin-dern mit und ohne Behinderung soll zur Selbstverstndlichkeit werden.

    Alle Staatlichen Schulmter nutzen die bereits bestehenden zahlreichen Mglichkeiten des gemeinsamen Un-terrichts und leisten ihren Teil dazu, in-klusive Bildungsangebote zu etablieren. Im Kern geht es darum, Bildungswege-konferenzen einzurichten, eine Daten-sammlung zum regionalen Bildungsan-gebot aufzubauen, die Initiierung und Pflege gezielter Schulangebotsplanung bei der Schulverwaltung, die Weiter-entwicklung des sonderpdagogischen Dienstes, eine noch engere Ausgestal-tung des Netzwerkes zwischen allge-meinen Schulen und Sonderschulen, die Erweiterung der Arbeitsstellen Koope-ration, die Weiterentwicklung von Son-derschulen, den Ausbau kooperativer Formen der beruflichen Eingliederung und die Qualifizierung der beteiligten Lehrerinnen und Lehrer. Nachdem nicht darauf gewartet werden kann, bis Lehr-krfte aller Schularten auf diese Aufga-be vorbereitet sind, gilt es ein Konzept der Praxisbegleitung zu entwickeln.

    An der nderung des Schulgesetzes wird aktuell gearbeitet. Klrungsbe-drftige rechtliche, finanzielle und ver-waltungstechnische Aspekte werden in so genannten Schwerpunktregionen erprobt, fr die mit den Schulversuchs-bestimmungen erweiterte rechtliche Mglichkeiten geschaffen wurden.

    Aktuell nehmen rund 27 % der Eltern von Kindern, fr die Anspruch auf ein sonderpdagogisches Bildungsangebot festgestellt wurde, ein inklusives Bil-dungsangebot wahr. Die Erfahrungen zeigen, dass ein qualifiziertes Eltern-wahlrecht und der zieldifferente Un-terricht in das Schulgesetz aufgenom-men werden knnen. Allerdings wird auch zuknftig die Schulverwaltung alle Steuerungsmglichkeiten im Sinne der Schulangebotsplanung brauchen, um passgenaue Bildungsangebote fr

    die jungen Menschen zu entwickeln. Auch zuknftig wird es voraussicht-lich nicht mglich sein, fr jedes Kind an jedem Ort alles vorzuhalten. Fr die Schulverwaltung ist der Elternwunsch handlungsleitend, wenn dieser fach-lich verantwortbar und finanzierbar ist. Gruppenbezogene inklusive Bildungs-angebote unabhngig davon, ob sie zieldifferent oder zielgleich durchge-fhrt werden haben sich als Organi-sationsform sowohl aus fachlicher Sicht als auch aus Fragen der Lehrerversor-gung bewhrt. Das gilt weniger fr Kinder mit Sinnesschdigungen und krperlichen Beeintrchtigungen.

    Die Frage der Verwirklichung inklusi-ver Bildungsangebote ist bei allen Be-teiligten zu einem wichtigen Thema geworden. Alle Beteiligten unterneh-men enorme Kraftanstrengungen. Die Erkenntnisse aus den Entwicklungsar-beiten gilt es in die Praxis zu implemen-tieren und nachhaltig zu untersttzen und zu verstetigen. Auch zuknftig wird es notwendig sein, fachlich zu klren, welche sonderpdagogischen Beratungs-, Untersttzungs- bzw. Bil-dungsangebote ein junger Mensch mit Behinderung bentigt, um seine Poten-ziale ausschpfen zu knnen. Insofern muss auch zuknftig darauf geachtet werden, dass der Anspruch des Einzel-nen auf ein solches Beratungs-, Unter-sttzungs- bzw. Bildungsangebot von der Schulverwaltung festgestellt wird. Im Rahmen einer Bildungsplanung fr den Einzelfall kann in der Bildungswe-gekonferenz zusammen mit den Eltern und ggf. weiteren Partnern der Lernort fr das Kind geklrt werden. Auf die-sem Weg soll gesichert bleiben, dass die insgesamt zur Verfgung stehenden sonderpdagogischen Ressourcen auch den Schlerinnen und Schlern zugute kommen, die darauf einen Anspruch haben.

    So vielfltig wie die jungen Menschen sind, die Anspruch auf ein sonderpda-gogisches Beratungs-, Untersttzungs- und Bildungsangebot haben, so viel-fltig mssen die Organisationsformen der schulischen Bildung fr diese Sch-lerinnen und Schler aussehen. Feste Vorgaben helfen hier nicht weiter. Inso-fern wird keine Alternative dazu gese-

    hen, fr den Einzelnen passgenaue und gruppenbezogene Bildungsangebote zu konzipieren. Dieser Weg ist nicht einfach, aber er sichert auch zuknftig, dass den Ansprchen der jungen Men-schen Rechnung getragen wird.

    Snke AsmussenMinisterium fr Kultus, Jugend und

    Sport Baden-Wrttemberg

    Bayern

    Schulkonzepte Grundlage der Inklusion in Bayern ist die nderung des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes (BayEUG) und der ausfhrenden Verordnungen. Hie-rin ist das Recht des Kindes auf Besuch der Regelschule festgeschrieben. In Ba-yern sollen Frderschulen als Kompe-tenzzentren die allgemeinen Schulen ergnzen und bei der Inklusion unter-sttzen. Umgekehrt sollen sich Frder-schulen aller Frderschwerpunkte auch fr Schlerinnen und Schler ohne son-derpdagogischen Frderbedarf ffnen.Derzeit bestehen fr Kinder mit (Lern-)Behinderungen in Bayern verschiedene Formen der sonderpdagogischen Fr-derung. Kinder mit einem sonderpdago-

    gischen Frderbedarf knnen in einem sonderpdagogischen Fr-derzentrum (SFZ) mit den Frder-schwerpunkten Sprache, Lernen und emotional-soziale Entwicklung auf-genommen werden. Schlerinnen und Schler mit Behinderungen ha-ben hier die Mglichkeit des Erwerbs eines Mittelschulabschlusses unter sonderpdagogischen Unterrichts-bedingungen. Fr Schulanfnger gibt es hier Diagnose- und Frder-klassen. Die Diagnose- und Frder-klassen sind die Eingangsstufe fr schulpflichtige Kinder, die durch den Unterricht an der Grundschule noch nicht oder nicht mit Erfolg gefrdert werden knnen. Der Lernstoff der ersten zwei Grundschuljahre verteilt sich auf zwei bzw. drei Schuljahre, in denen intensive, individuelle Frder-manahmen durchgefhrt werden.

  • 13Lernen Frdern 2014

    sonderpdAgogIsche bILdung

    Beschulung in einer Regelschule mit dem Profil Inklusion. In der Grund- und Mittelschule mit dem Profil In-klusion gestalten Lehrkrfte der allgemeinen Schule und Lehrkrfte fr Sonderpdagogik gegebenen-falls mit weiteren Fachkrften ei-genverantwortlich das gemeinsame Lernen. Die Lehrkrfte fr Son-derpdagogik sind in das Lehrer-kollegium der allgemeinen Schule eingebunden. Die Klassenstrke hngt dabei nicht in erster Linie von der Anzahl der Frderkinder ab. Schulrechtlich relevant ist hier-bei die Unterscheidung zwischen dem festgestellten sonderpdago-gischen Frderbedarf (mit Gutach-ten) und sonstigem Frderbedarf.

    Zurzeit gibt es in Bayern 1241 Schu-len (Grundschule, Mittelschule, Re-alschulen und Gymnasien) mit dem Schulprofil Inklusion. Fr diese Schulen mit dem Inklusionspro-fil sind Klassen mit Lehrertandems vorgesehen. Die ersten Schulen mit dem Inklusionsprofil gibt es seit 2011 (damals 41).

    Darber hinaus besteht die Mglichkeit einer inklusiven Beschulung an einer Regelschule: An allgemeinen Schulen (Grundschule und Mittelschule) ohne Inklusionsprofil findet eine Frderung von Schlern mit sonderpdagogischem Frderbedarf in sehr unterschiedlichem Umfang meist mit folgenden Manah-men statt: Inklusion einzelner Schlerinnen

    und Schler mit Untersttzung des MSD (Mobiler Sonderpdago-gischer Dienst, den Sonderpda-gogen leisten) oder durch Integra-tionshelfer/Schulbegleiter. Eltern knnen Antrag auf Betreuung durch den Mobilen Sonderpdagogischen Dienst (MSD) stellen. Diese Mobilen Sonderpdagogischen Dienste be-raten, frdern und diagnostizieren Schler mit sonderpdagogischem Frderbedarf in den Grund- und Mittelschulen.

    1 vgl. Webseite des Bayerischen Staatsmi-nisteriums fr Bildung und Kultus, Wissen-schaft und Kunst: http://www.km.bayern.de/ In Bayern sollten mit dem Schuljahr 2010/11 die Hauptschulen mit einem erweiterten Konzept aufgewertet werden und wurden damit zu Mittelschulen umbenannt.

    Die Beschulung kann ebenso in ei-ner Kooperationsklasse erfolgen, in denen Schlerinnen und Schler mit und ohne sonderpdagogischem Frderbedarf gemeinsam unterrich-tet werden. Kooperationsklassen an einer Regelschule haben ebenfalls ein festes Stundenma des MSD in der Klasse. Kinder mit sonderpda-gogischem Frderbedarf werden dort stundenweise von Sonderp-dagogen mit unterrichtet (je zwei Stunden bei bis zu vier Frder-kindern pro Klasse, also acht Stun-den hchstens).

    Mglichkeit zur Aussetzung der Be-notung.

    Durch den flchendeckenden Ausbau des MSD ist die sonderpdagogische Betreuung von Kindern mit Behinde-rungen durch das SFZ im Prinzip ge-geben. Dabei besteht von Seiten der Eltern Freiwilligkeit. Die Eltern entschei-den, ob ihr Kind Frderung bekommen soll. Der MSD darf ohne Einwilligung der Eltern nur den Lehrer beraten, aber nicht mit dem Kind arbeiten. Die Ausnahme bilden hier Kooperati-onsklassen oder Profilschulen, hier ist der MSD fest in das Profil integriert. Insgesamt ist der MSD nicht so ausge-baut und verfgbar, wie es eigentlich erforderlich ist.

    Schwierigkeiten knnen bei der Um-setzung der Inklusion an den einzelnen Schulen bestehen. Das Profil Inklusion wird nicht wie ein Gtesiegel fr eine Schule verliehen, die sich jahrelang Gedanken ber ein Konzept zur best-mglichen Frderung aller Kinder ge-macht hat. Vielmehr wird das Profil an Schulen verliehen, die ganz am Anfang einer Entwicklung hin zu einer inklusi-ven Schule stehen. Das bedeutet fr die abgeordneten Sonderpdagogen einen groen Aufwand auch in der ber-zeugungsarbeit der Lehrer. Ursprng-lich sollte die gesamte Schulfamilie hin-ter dem Konzept stehen. Faktisch ist das oft nicht der Fall. Bei der Beantragung des Schulprofils bis zur Genehmigung ist das SFZ leider nicht eingebunden.

    Erfahrungen aus der PraxisFr ein Projekt des Bayerischen Rund-funks hatten Hrfunkvolontre 2012

    eine Umfrage an Bayerischen Schulen durchgefhrt.2 Wie zu erwarten, gab es auch hier Pro- und Contra-Stimmen. Generell kann man sagen, dass positive Erfahrungen an einer gut ausgestat-teten Vorzeigeschule und einer privaten Montessorischule gemacht wurden.Es gibt aber auch Berichte von geschei-terter Inklusion, wobei hier vor allem die soziale Isolierung des Frdersch-lers an der Regelschule und generell die mangelhafte Ausstattung an Sonder-pdagogen als Begrndung angefhrt wird. Positive Erfahrung wurde von einem Frderzentrum mit der Mglich-keit zur wirklich individuellen Frde-rung gemacht.

    Erfahrungen der Kinder in inklusiver BeschulungFr Schlerinnen und Schler mit den Frderschwerpunkten Lernen, Sprache und sozial-emotionaler Bereich gibt es in der Praxis eine sehr groe Bandbreite bei der Umsetzung, die von vielen Rah-menbedingungen abhngig ist. Dazu zhlen beispielsweise rumliche Mglichkeiten an einer

    Schule und Ausstattung mit Arbeits-material zur Differenzierung,

    personelle Ausstattung fr Beratung sowie Diagnostik und Frderung

    Fhigkeit zur Zusammenarbeit z.B. von Lehrertandems oder mit Schul-begleitern

    unterschiedliche rumliche Distan-zen zwischen Schulen und Frder-zentren erleichtern oder erschweren Kontakte,

    unterschiedliche Akzeptanz des In-klusionsgedankens bei Lehrern und Eltern,

    unterschiedliche Erwartungen, Ein-stellungen, ngste, Informationen.

    Die Erfahrungen der Kinder mit (Lern-)Behinderungen sind sehr unterschied-lich. In Einzelfllen fhlen die Kinder sich wohl, vor allem im lndlichen Be-reich ist die wohnortnahe Beschulung gemeinsam mit den Dorfkindern ein Ar-gument. Es gibt Schler, die durch die gesteigerten Anforderungen leistungs-bereiter sind und gut mit inklusiver Be-schulung zurechtkommen. Ein Vorteil

    2: http://www.br.de/themen/wissen/inklusi-on-bayern-schulen100.html

  • 14 Lernen Frdern 2014

    sonderpdAgogIsche bILdung

    ist auch, dass durch diese Regelungen die Zeitpunkte einer Aufnahme in das SFZ und auch einer Rckfhrung an die Regelschule vielfltiger geworden sind. Allerdings gibt es auch Kinder, die erst nach einem langen Leidensweg in ein SFZ aufgenommen werden. Hier gilt es, viele Wunden zu heilen. Auch bei en-gagierten Lehrern an Regelschulen, die sich sehr bemhen, leiden manche Kin-der durch die stndige Wahrnehmung trotz aller Anstrengung mit den Kame-raden nicht mithalten zu knnen.Ein Vorteil fr die Arbeit an den Son-derpdagogischen Frderzentren ist die Freiwilligkeit und die Aufnahme auf Antrag der Eltern. Dadurch hat sich die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule erheblich verbessert. Die Rckmeldungen der Eltern ber die Erfahrungen und das Befinden ihrer Kin-der sind hnlich vielfltig. Nach einem erfolgten Wechsel an das SFZ thema-tisieren viele Eltern Erleichterung, weil das Kind psychisch befreit ist. Vor allem Eltern von Grundschulkindern schtzen am Frderzentrum den verminderten Leistungsdruck durch die Mglich-keit der langsameren Vorgehensweise und in der vierten Jahrgangsstufe den Wegfall der bertrittsauslese. Eltern nehmen teilweise gerne und bewusst die Frdermglichkeiten fr ihre Kinder (mit sonderpdagogischem Frderbe-darf) an, die ein Frderzentrum bieten kann. Auf der anderen Seite macht ein mglicher Verbleib an einer Regelschu-le die Eltern stolz. Seitens der Lehrer ergab eine Umfrage des BLLV (Bayerischer Lehrer- und Leh-rerinnenverband) bei 1500 Lehrkrften, dass diese mehrheitlich der Inklusion grundstzlich positiv gegenberstehen, aber zu 92 Prozent eine unzureichende Untersttzung im Hinblick auf organi-satorische, personelle und qualifikato-rische Rahmenbedingungen sehen.

    LERNEN FRDERN Landesverband Bayern mit Beitrgen von

    Jrgen Fuchsloch, Landesvorstand LERNEN FRDERN Bayern;

    Theodora Jarczyk, Sonderpdagogisches Frderzentrum Unterhaching (Hachinger-Tal-Schule);

    Reinhilde Galler, Sonderpdagogisches Frderzentrum

    Passau (Hans-Bayerlein-Schule)

    Hessen

    Die Inklusion wird in Hessen derzeit z-gig umgesetzt. Dabei gibt es nach wie vor zwei Konzepte fr Kinder mit son-derpdagogischem Frderbedarf:1. Die Frderschule mit dem Schwer-

    punkt Lernen bzw. das zustndige BFZ (Beratungs- und Frderzen-trum) ab Klasse 5. (Klassengre im BFZ max. 16-18 Schlerinnen und Schler/Klasse)

    2. Den inklusiven Unterricht frher Gemeinsamer Unterricht (GU), mit einer Zuweisung von 3 Schlerinnen und Schlern mit Behinderung/Klasse (Klassenstrke 20 + 3). Als Basiszuweisung gelten derzeit fr Kinder mit Frderbedarf 3h/Woche, mit festgestelltem sonderpdago-gischem Frderbedarf 6h/Woche.

    Generell werden alle Kinder in der Grundschule angemeldet. Die Klassen 1-4 sind an den Frderschulen nicht mehr existent. Eine Ausnahme bildet die Schule mit dem Frderschwerpunkt Geistige Entwicklung (ehem. Schwer-punkt Praktisch Bildbar). Kinder mit Lernbehinderungen knnen nach der Grundschule die Sekundarschule I in ihren unterschiedlichen Ausprgungen, bzw. das BFZ/die Frderschule besu-chen.Das Hessische Kultusministerium hat den Gemeinsamen Unterricht in In-klusiven Unterricht umgewandelt, da-bei aber die Zahl der Stunden fr Kinder mit Frderbedarf reduziert. Von bisher 6 Stunden/Woche/Schler sind es der-zeit maximal 3 Stunden/Woche/Sch-ler, ausgenommen Schlerinnen und Schler, deren sonderpdagogischer Frderbedarf festgestellt wurde. Doch auch hier kann der Level mit 6 Stunden/Woche derzeit nicht gehalten werden.

    Die Kinder werden in der Regel im in-klusiven Unterricht, im Rahmen der zugeteilten Stunden, von einem Son-derpdagogen untersttzt. Dieser hat nicht immer den Schwerpunkt Lernen in seiner Ausbildung, sondern durchaus auch den Schwerpunkt geistige Behin-derung. Je nach Behinderung es kann durchaus drei Kinder mit unterschied-lichen Handicaps in einer Klasse geben ist zustzlich ein Integrationshelfer je

    Kind aus dem Kontingent der Jugend-hilfe anwesend. Dieser kmmert sich um die Belange seines Kindes wh-rend der Schulzeit und danach. Kinder mit einer Lernbehinderung erhalten di-ese Untersttzung in der Regel nicht.

    Klare Aussage in Hessen ist: Die Fr-derschulen sollen nicht abgeschafft werden. Gleichwohl gibt es Schlie-ungen und Zusammenlegungen, gerade der Frderschulen Lernen. Ei-genstndige Schulen dieser Art gibt es nur noch wenige, meist sind es Be-ratungs- und Frderzentren (BFZ) mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Der Ausbau dieser BFZ zu sogenannten Kompetenzzentren wird angestrebt. Allerdings ist noch nicht klar, wie die-se zuknftig ausgestattet sein werden. Aufgabe der BFZ ist die Strkung der Beratung von Eltern, Schlern und den Schulen in ihrem Schulverbund und die Untersttzung der Kollegien. Neu ist, dass die Kollegen, die bisher im Gemeinsamen Unterricht waren und den dortigen Kollegien zugeordnet sind, nun in den Stellenpool des nch-sten BFZ fallen, dadurch soll der Fr-derbedarf von Kindern mit sonderp-dagogischem Frderbedarf abgedeckt werden.

    Konkrete EntwicklungenDie UN-Behindertenrechtskonvention wird in Hessen durch den Hessischen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK untersttzt. Hierzu wurde Hessen 2012 in vier Modellregionen unterteilt, die im Schwerpunkt unterschiedliche Aufgaben bekommen haben: Bewusst-seinsbildung, Bildung, Arbeit und Aus-bildung, Barrierefreiheit. Die Modelle werden 2014 evaluiert, nachdem die ersten Ergebnisse im November 2013 der ffentlichkeit vorgestellt wurden. Die Modellregion Bildung ist im Raum Wiesbaden. Hier wurden die Frder-

    Die Position des hessischen Landesverbands (SHLF)

    Kinder mit dem Frderschwerpunkt Lernen erhalten nicht die Frderung in einer Inklusionsklasse, die sie be-ntigen, um den bergang in eine BvB oder Ausbildung zu schaffen.

  • 15Lernen Frdern 2014

    sonderpdAgogIsche bILdung

    einen solchen Antrag selbst stellen kn-nen, damit ihr Kind im inklusiven Un-terricht mehr Stunden bekommt, als die 2-3 Stunden/Woche derzeit. Eltern, die uns ansprechen, erhalten die Beratung und folgen ihr auch. Aber ein groer Teil der Eltern steht ohne entsprechende Informationen da. Da heit es von allen Seiten: Inklusion ist gut. Das macht ihr richtig, der Rest kommt schon noch.Kritisch wird es fr viele beim bergang nach Klasse 10 der Gesamtschule etc. Die Jugendlichen sind vielfach berfor-dert, wenn es um Antrge, Termine etc. geht. Auch ihre Eltern sind leider oft nicht informiert.

    Ursula HuserSprechen Hren Lernen Frdern

    Landesverband Hessen

    schulen mit dem Schwerpunkt Lernen geschlossen bzw. sollen die Frder-schulen auslaufen. Das betrifft nicht die dortigen BFZs. Das Hessische Sozialmi-nisterium (HSM), das Hessische Kultus-ministerium (HKM) und Selbsthilfeor-ganisationen sitzen zusammen in einer Lenkungsgruppe, der durch Arbeits-gruppen Vorschlge zur Evaluation und Umsetzung des Hessischen Aktions-planes vorgelegt werden sollen. Start ist 2014. Die Ergebnisse der Arbeitsgrup-pen, an denen Mitglieder der Organi-sationen, auch SHLF, teilnehmen, wer-den von der Lenkungsgruppe erfasst, bewertet und ber die Stabsstelle beim HSM dem Landtag vorgelegt. Derzeit gibt es Arbeitsgruppen fr Bewusst-seinsbildung, Bildung und lebenslanges Lernen, Ausbildung und Arbeit.

    Erfahrungen mit Inklusion Wir beobachten mit Sorge, dass die eigenstndigen Frderschulen Lernen entweder geschlossen werden, oder an Gesamt-, Haupt- und Grundschulen angegliedert werden.Insgesamt befrchten wir, dass sich der bergang in Ausbildung und Arbeit noch schwerer gestalten wird als bisher. Eine Beratung seitens der Agentur fr Arbeit in dieser Zeit, vor allem durch einen Reha-Berater, findet nicht statt. Es bleibt abzuwarten, was Ende dieses Schuljahres ersichtlich wird.Manche Schulen mit inklusivem Un-terricht sind diesem nach unserer Beo-bachtung offensichtlich nicht gewach-sen. Dies betrifft insbesondere Kinder mit den Schwerpunkten Lernhilfe und Erziehungshilfe. Als Ausweg sollen di-ese Kinder in eine Schule fr Kranke wechseln, d.h. sie bekommen noch ei-nen zustzlichen Status, um dort aufge-nommen zu werden. Konkrete Aussa-gen liegen derzeit jedoch nicht vor.

    Erfahrungen von Kindern, die inklusiv beschult werdenViele fhlen sich wohl, fhlen sich aber auch unterfordert bzw. berfordert, wenn sie dem Unterricht nicht richtig folgen knnen und die Aufgaben fr sie unverstndlich (zu komplex sind. Ei-nige fhlen, dass sie trotzdem anders sind. Sie gehen in ihre Klasse, haben aber dennoch andere Arbeitsauftrge etc. Wir haben auch mit Schlern ge-

    sprochen, die aus dem inklusiven Un-terricht heraus an das BFZ gehen und dort glcklich und zufrieden sind. Sie stellen fest, dass sie pltzlich besser ler-nen knnen, dass Schule Spa machen kann und dass sie ihre Ziele erreichen knnen.Besonders bedenklich ist, dass einige Schlerinnen und Schler meinten, dass sie vor dem Verlassen der Sekundar-stufe I nicht ausreichend ber die Zeit nach der Schule informiert wurden. So wussten sie beispielsweise nicht, dass sie besondere Antrge stellen mssen, wenn sie einen Reha-Anspruch geltend machen wollen.

    Rckmeldungen der ElternAuch hier haben wir differenzierte Rckmeldungen, abhngig auch vom Engagement der Eltern. Viele uern sich zufrieden, ihr Kind sei sozial total gut integriert und akzeptiert, nur au-erhalb der Schule, in der Freizeit habe es niemanden oder kaum jemanden zum Spielen. Einige uern Kritik am Unterricht, da das Kind dem Unterricht nicht folgen knne, man auch keine wirkliche Untersttzung bekme und die Frderstunden nicht ausreichten. Sie fhlen sich nicht gut beraten und haben wenig Ahnung, wenn es um die Lsung von Problemen geht. Sie fhlen sich, wenn sie sich fr ihr Kind enga-gieren, von den Pdagogen oft nicht ernst genommen. Der Lehrer geht nicht auf die Probleme ein, bzw. gibt zu erkennen, dass er auch keine Un-tersttzungsangebote machen kann. In einigen Schulen gibt es Sozialarbeit an Schulen, wo das Kind dann etwas Un-tersttzung auerhalb des Unterrichts bekommen kann. Einige Eltern bedauern, dass sie ihr Kind nicht in der 1. Klasse einer Frderschule anmelden knnen. Rein rechtlich knnten sie das nur gibt es keine ersten Klassen mehr. Es ist uerst schwierig, eine Grundschule zu finden, die den Ansprchen des Kindes und der Eltern entgegenkommen kann, da man bei der Einschulung vom Frderbedarf ausgeht, aber nicht vom sonderpdago-gischen Frderbedarf, da die berpr-fung und Einschtzung fr den Schwer-punkt Lernen noch nicht vorliegt.Hier fehlt eindeutig eine Beratungs-struktur fr Eltern, wie und wann sie

    Niedersachsen

    In Niedersachsen heit das Konzept in der Primarstufe (Klassen 14): Son-derpdagogische Grundversorgung. Hier wird nicht mehr von sonderpda-gogischem Frderbedarf gesprochen, sondern von sonderpdagogischem Untersttzungsbedarf.Die Sonderpdagogische Grundver-sorgung bezieht sich auf die Frder-schwerpunkte Lernen, Sprache sowie emotionale und soziale Entwicklung. Zur sonderpdagogischen Frderung dieser Schlerinnen und Schler stehen jeder Grundschule zwei Frderschul-lehrerstunden je Woche pro Klasse zur Verfgung. Hierbei handelt es sich um eine so genannte systembezogene Zuweisung von Frderschullehrerstun-den. So erhlt eine einzgige Grund-schule und davon gibt es im Flchen-land Niedersachsen viele insgesamt acht Frderschullehrerstunden und muss damit alle Kinder mit sonderpda-gogischem Untersttzungsbedarf fr-dern. Die Kinder mit Untersttzungsbe-darf Lernen sowie geistige Entwicklung werden zieldifferent gefrdert; alle anderen werden zielgleich unterrichtet und beurteilt.In der Sekundarstufe I erfolgt die Zu-weisung von Frderschullehrerstunden schlerbezogen.

  • 16 Lernen Frdern 2014

    sonderpdAgogIsche bILdung

    Das Konzept der Sonderpdagogischen Grundversorgung ist seit dem Schuljahr 2013/14 fr alle Grundschulen verbind-lich. Davor konnten Frderschulen das Konzept freiwillig umsetzen. Fr die Frderschule Lernen bedeutet dies kon-kret, dass seit dem Schuljahr 2013/14 keine Schlerinnen und Schler mehr in die Klasse 1 eingeschult werden dr-fen. Fr Eltern der Klassenstufen 2-4, fr die sonderpdagogischer Unter-sttzungsbedarf neu festgestellt wurde, besteht ein Wahlrecht zwischen Inklusi-on und Besuch einer Frderschule. Das Problem dabei ist folgendes: Wo sich Frderschulen schon freiwillig fr die Sonderpdagogische Grundversorgung entschieden hatten, gibt es an den L-Schulen keine Klassen der Grundstufe mehr. Faktisch ist damit das Wahlrecht der Eltern aufgehoben.Der Besuch der Sekundarstufe I an ei-ner Frderschule Lernen ist auch nur noch mglich, wenn ein Kind bereits im Grundschulalter eine Frderschule Lernen besucht. In diesem Fall mssen seine Eltern am Ende der Klasse 4 be-fragt werden, ob ihr Kind weiterhin die Frderschule besuchen soll oder eine andere Schule (Hauptschule, Realschu-le oder Gymnasium) und dort inklusiv gefrdert werden soll. Die Schler im Frderschwerpunkt Lernen erhalten ab Klasse 5 eine schlerbezogene Unter-sttzung im Umfang von 3 Wochen-stunden pro Schlerin/Schler durch Frderschullehrer. Schlerinnen und Schler mit festgestelltem sonderp-dagogischen Untersttzungsbedarf

    werden fr den Klassenteiler doppelt gezhlt. Eine Neu-Einschulung von Schlerinnen und Schlern in die Klasse 5 von Frderschulen Lernen war letzt-malig zum Schuljahr 2013/14 mglich.

    Erfahrungen mit InklusionDie Inklusion von Kindern und Jugend-lichen mit Lernbehinderungen und Lernbeeintrchtigungen ist in weiten Teilen Niedersachsens inzwischen um-gesetzt. Den Grundschulen knnen mangels Frderschullehrern die ver-sprochenen 2 Frderschullehrerstunden pro Klasse und Woche nicht vollstndig zur Verfgung gestellt werden.Eine Untersuchung von Prof. Dr. Man-fred Wittrock (Lehrstuhl fr Verhaltens-gestrtenpdagogik an der Universitt Oldenburg) kommt zu dem Ergebnis, dass berall dort, wo die Sonderp-dagogische Grundversorgung in der Grundstufe flchendeckend umgesetzt ist, ein eklatanter Zuwachs von Sch-lerinnen und Schlern mit dem Frder-schwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung zu verzeichnen ist.Im gleichen Zusammenhang ist festzu-stellen, dass immer mehr Schlerinnen und Schler mit Lernproblemen in die Frderschule fr Geistige Entwicklung berwiesen werden.

    Die geringe Zahl der zugewiesenen Stunden von Frderschullehrern fhrt auerdem zu einer steigenden Nachfrage nach Schulbegleitungen/Schulassistenzen. Diese Krfte wer-den nach SGB VIII bzw. SGB XII be-antragt. Die Kosten werden von den Landkreisen und Kommunen aus den Jugendhilfe- bzw. Sozialetats getra-gen. Es gibt inzwischen eine deutliche Gegenbewegung von den Kommunen und Landkreisen, die diese Kosten nicht mehr tragen wollen; sie argumentieren, damit wrden Personalkosten aus dem schulischen Bereich, fr die eigentlich das Kultusministerium zustndig sei, auf sie abgewlzt.

    Die persnlichen Erfahrungen der P-dagogen und Eltern mit der Umset-zung der Inklusion sind unterschiedlich. Manche geben an, es laufe alles gut mit der Inklusion. Vor allem Pdago-gen an den Regelschulen und Son-derpdagogen, die direkt mit inklusiv

    beschulten Schlerinnen und Schlern arbeiten, beschreiben auch Probleme und Schwierigkeiten. Diese bestehen insbesondere in: der zu geringen Zahl der Frder-

    schullehrerstunden, der Schwierigkeit einer gerechten

    Leistungsbewertung bei zieldiffe-renter Unterrichtung,

    der fehlenden sozialen Integration der Jungen und Mdchen mit Son-derpdagogischem Untersttzungs-bedarf in Klasse und Schule,

    der fehlenden Zeit fr sorgfltige sonderpdagogische Diagnostik,

    fehlenden Erfolgserlebnissen der Schlerinnen und Schler mit Son-derpdagogischem Untersttzungs- bedarf und dadurch bedingt feh-lender Motivation bzw. Entmuti-gung bis zu Schulabsentismus.

    Nicht wenige Eltern sind mit der inklusi-ven Beschulung ihrer Kinder zufrieden; sie nennen als Grnde dafr: Zufriedenheit, dass ihr Kind keine

    Frderschule besuchen muss, krzere Fahrwege, bessere Mglichkeiten, Spielkame-

    raden zu finden.

    Eine groe Zahl von Eltern uert aber auch Zweifel, die sie wie folgt begrn-den: Erfahrungen einer geringen sozialen

    Akzeptanz der Schler mit sonder-pdagogischem Untersttzungsbe-darf an den Regelschulen bis hin zur Ausgrenzung,

    Erfahrungen von zunehmender Fru-stration und Schulunlust der Schler mit sonderpdagogischem Unter-sttzungsbedarf infolge fehlender Erfolgserlebnisse,

    Unsicherheiten hinsichtlich der Lei-stungsbeurteilung und bei der Ge-whrung von Nachteilsausgleichen fr Schler mit sonderpdago-gischem Untersttzungsbedarf,

    Unsicherheiten hinsichtlich der be-ruflichen Eingliederung und der be-ruflichen Bildung (Einlsung des An-spruchs auf Reha-Leistungen durch die Arbeitsverwaltung).

    Rainer TrillerLERNEN FRDERN

    Landesverband Niedersachsen

  • 17Lernen Frdern 2014

    sonderpdAgogIsche bILdung

    Nordrhein-Westfalen

    Mitte Januar durften wir in den Tages-zeitungen lesen: Endlich drfen Eltern von Kindern mit Frderbedarf whlen, ob sie ihr Kind an einer Frderschule oder an einer allgemeinbildenden Schu-le anmelden. An den allgemeinbilden-den Schulen werden zum kommenden Schuljahr Inklusionsklassen eingerich-tet. Die Schulmter schlagen Eltern mit Frderbedarf eine allgemeinbildende Schule vor. Die Eltern mssen diesem Vorschlag aber nicht Folge leisten. Sie drfen auch eine Schule ihrer Wahl fr ihr Kind aussuchen.Aber: Die Zahl der Inklusionspltze an einer einzelnen Schule ist begrenzt. Was passiert, wenn die Eltern die vor-geschlagene Schule ablehnen und dann keinen Platz an der gewnschten Schu-le finden? Wie sollen Eltern in einem System, das noch in der Einfhrungs-phase, und dort ganz am Anfang steht, berhaupt eine Wahl treffen? Fr das Kind im Rollstuhl bietet sich die Bege-hung der Schulgebude als Entschei-dungshilfe an aber fr die anderen?

    Fr den Zugang zur Frderschule ist in jedem Fall schon einmal ein fest-gestellter Frderbedarf notwendig. Dieser ist bei Krper- und Sinnesbe-eintrchtigungen leicht feststellbar. Die Feststellung von sonderpdago-gischem Frderbedarf ist bekannter-maen nicht so einfach und gerade bei Lernbehinderungen oftmals nicht vor dem Beginn der Schulpflicht mglich. NRWs Elternverbnde haben darum gekmpft, dass die Feststellung von sonderpdagogischem Frderbedarf auf Antrag der Eltern im Schulrechtsn-derungsgesetz verankert wird. Diesen Kampf haben sie verloren. Erst nach drei Jahren Grundschule soll die Not-wendigkeit einer sonderpdagogischen Frderung im Rahmen der Grundschule festgestellt werden. Die Zuweisung der Sonderpdagogen berechnet sich nach der Anzahl der Schler mit sonderp-dagogischem Frderbedarf. Damit ist eigentlich schon vorprogrammiert, dass 75 % der Grundschulzeit eines Kindes mit Lernbeeintrchtigung nicht optimal verluft. Ohne die Feststellung des Fr-derbedarfs entfllt natrlich auch die Wahlmglichkeit zwischen Frderschu-

    le und allgemeinbildender Schule fr die nchsten Erstklssler. Optimisten sei erlaubt, dies als Chance fr gelingende Inklusion zu werten: Wenn Kinder mit und ohne Beeintrchtigungen von An-fang an gemeinsam lernen und leben, mag sich Akzeptanz und Wertscht-zung langfristig manifestieren.Was ist aber mit den Kindern, die be-reits im Schulsystem Frderschule verankert sind?Einige Frderschulen in NRW befinden sich derzeit im Auflsungsprozess.Einige sind sogar schon geschlossen.Einige haben mit anderen Schulen eine neue Schule gegrndet.Einige machen sich Hoffnungen, noch einige Jahre bestehen zu knnen. Einige haben Angst, demnchst ge-schlossen zu werden.Eins ist aber in jedem Fall offensichtlich: Der Lernort Frderschule hat so oder so schon ganz viel an Qualitt eingebt.

    Viele Sonderpdagogen werden in den gemeinsamen Unterricht an den allgemeinbildenden Schulen abgeord-net einige mit voller Stundenzahl, andere mit ein paar Stunden. Eine 1:1 Vertretung gibt es dafr nicht, so dass die personellen Ressourcen an den Fr-derschulen deutlich knapper werden. Doppelbesetzungen, die noch als Na-mensschilder an den Klassentren ste-hen, findet man in den Klassenrumen eher nicht mehr vor. Fallen Lehrkrfte durch Krankheit aus, werden Klassen hufig aufgeteilt oder gar nach Hause geschickt.Elternzeitvertretungen oder Vertre-tungen im Falle einer langwierigen Erkrankung knnen immer nur in den Phasen zgig besetzt werden, wenn die Referendare gerade ihre Prfungen ab-gelegt haben. Dann dauert es nmlich ca. 3 Monate, bis sie ihre erste Festan-stellung antreten und das ganz sicher nicht an einer Frderschule. So mssen die Kinder an den Frderschulen extrem hufig ihre Bezugspersonen wechseln, wobei es durchaus sein kann, dass sie den (auf dem Papier stehenden) Klas-senlehrer nur wenige Stunden zu Ge-sicht bekommen, da dieser ja im GU ist.

    Die Lehrer haben bedingt durch diese Situation kaum Gelegenheit, sich aus-zutauschen und ganz sicher knnen

    brennende Probleme nicht zeitnah be-sprochen oder gar gelst werden.

    Durch die dnne Personaldecke ent-fallen an den Frderschulen als erstes einmal die AGs ein wichtiges Ele-ment, um im Rahmen von Schule ber die Unterrichtsfcher hinaus viel Wert-volles fr ein selbstbestimmtes Leben zu erlernen und vor allen Dingen auch innerhalb des Schulbetriebs etwas tun zu knnen, was den Schlern Spa be-reitet.

    Mit der Schlieung bzw. der Zusam-menlegung von Frderschulen kommt es auch zu extrem langen Anfahrten fr einzelne Kinder. Neben der Tatsa-che, dass sie schon mde in der Schule ankommen, haben sie kaum Mglich-keiten, Freundschaften zu knpfen oder gar zu leben. Mit dem Taxi werden viele Schlerinnen und Schler kurz vor Un-terrichtsbeginn zu der Schule gebracht und direkt nach Unterrichtsende wie-der nach Hause. Auerhalb der Schul-zeit und in den Ferien fahren die Taxis natrlich nicht und eine Verbindung mit ffentlichen Verkehrsmitteln gibt es nicht (sonst kmen sie ja nicht mit dem Taxi). Da, wo es diese ffentlichen Ver-bindungen gibt, nutzt das auch nichts: Auerhalb der Schulzeit entfallen di-ese Verbindungen nmlich auch. Eine Freundschaft in 2 x 15-Minuten Pause tglich aufzubauen, ist kaum mglich.

    Es wre wnschenswert, wenn endlich alle Krfte gebndelt werden, um die bestmgliche Frderung aller Kinder zu gewhrleisten, anstatt eine Genera-tion von Kindern mit Lernbeeintrch-tigungen (das gilt vermutlich auch fr andere Beeintrchtigungen) unterge-hen zu lassen. Die Rechnung fr die vielen Sparmanahmen wird am Ende teuer und muss von allen getragen werden: Von den Steuerzahlern mit Geld, aber von den Kindern mit Lern-beeintrchtigungen mit Lebensqualitt. Dieser Preis ist zu hoch und sollte von allen Akteuren bedacht werden, wenn Schler wie Spielfiguren von A nach B geschoben werden und dies auch noch Wahlfreiheit genannt wird.

    Michaele Kster, LERNEN FRDERN

    Landesverband Nordrhein-Westfalen

  • 18 Lernen Frdern 2014

    sonderpdAgogIsche bILdung

    Rheinland-Pfalz

    Die Stimmung in Rheinland-Pfalz ist zurzeit zweigeteilt. Viele Anhnger der Inklusion sind teilweise sehr zufrieden mit der sonderpdagogischen Ver-sorgung ihres Kindes an der Schwer-punktschule im Grundschulbereich. Bei Schlerinnen und Schlern mit sonder-pdagogischem Frderbedarf in der Se-kundarstufe 1 wird die Situation aller-dings kritischer. Hier werden die Eltern oft unzufriedener, so dass die Kinder ab der Klassenstufe 6-7 doch noch in die Frderschule kommen. Dabei zeigen sich auch groe Unter-schiede in den verschiedenen Regi-onen: Whrend die groen Schulen in den Stdten Zulauf haben, mssen die kleineren Schulen auf dem Lande um ihr berleben kmpfen. In Konsequenz werden sie mit G-Schulen gemischt oder aufgelst.

    Schwerpunktschulen In Rheinland-Pfalz wurden so genann-te Schwerpunktschulen benannt. Hier werden die Jungen und Mdchen mit sonderpdagogischem Frderbedarf Lernen mit 2,5 Wochenstunden son-derpdagogisch versorgt besser ge-sagt: sollen versorgt werden. Die Re-alitt sieht leider oft anders aus, da beispielsweise im Vertretungsfall der Sonderpdagoge die ganze Klasse un-terrichtet.

    Bisherige ErfahrungenNach Erfahrungen von LERNEN FR-DERN Rheinland-Pfalz fhlen sich Schlerinnen und Schler bisher an den Frderschulen Lernen wohl und gebor-gen und werden bis an die Grenzen ih-rer Mglichkeiten gefrdert.Aus den Erfahrungen der Eltern hat sich deshalb auch 2011 der Verein Pro Frderschule in Mainz gegrndet, der sich fr den Erhalt der Frderschulen einsetzt, Eltern ber Rechte informiert und ihre Mglichkeiten aufklrt.

    GesetzentwurfIn Rheinland-Pfalz wurde ein Gesetz-entwurf zur nderung des Schulge-setzes (Inklusion und Strkung der Eltern- und Schlerrechte) verabschie-det, der im August 2014 in Kraft treten soll. Dieser Gesetzentwurf enthlt zwei

    Schwerpunkte:1. Die schrittweise Einfhrung eines in-

    klusiven Schulsystems.2. Die Einfhrung eines vorbehaltlosen

    Wahlrechts der Eltern von Schle-rinnen und Schlern mit Behinde-rungen.

    Enthalten ist darin auch eine Definition des gemeinsamen Unterrichts (14a(2)) als allgemeinpdagogische Aufgabe, den mehr Schulen bernehmen sollen. Dabei soll der gemeinsame Unterricht vorrangig von Schwerpunktschulen bernommen werden. In Rheinland-Pfalz gibt es derzeit 262 Schwerpunktschulen. Diese sollen wei-ter ausgebaut werden, so dass sich der Inklusionsanteil, abhngig von der Aus-bung des Wahlrechts der Eltern, von derzeit 25 % auf 40 % erhhen soll. Die im Gesetzentwurf enthaltene Legalde-finition fr Schwerpunktschulen lautet: auf Dauer beauftragt, gemeinsamen Unterricht mglichst wohnortnah zu organisieren (14a). Bei den Schular-ten, die zu Schwerpunktschulen werden knnen, ist auch explizit das Gymnasi-um erwhnt. Eine Experimentierklausel strebt die Vernetzung des allgemeinen Schulsystems mit dem System der Be-rufsbildenden Schulen an.

    In Rheinland-Pfalz gibt es derzeit 138 Frderschulen. Die Exklusionsquote liegt bei 3,9 %. Frderschulen sollen er-halten bleiben und sich zu Frder- und Beratungszentren weiterentwickeln. In diesen Frder- und Beratungszentren wird weiterhin Unterricht wie in einer Frderschule angeboten. Pro Landkreis und kreisfreier Stadt soll es mindestens ein solches Zentrum geben.

    Franz MohrLERNEN FRDERN

    Landesverband Rheinland-Pfalz

    Sachsen

    In Sachsen gibt es derzeit zwar einer-seits Bemhungen, die Inklusionszahlen so schnell wie mglich zu erhhen, an-dererseits steht aber noch kein endgl-tiges umfassendes Konzept dafr zur Verfgung. Eine integrative Beschu-

    lung von Schlern mit sonderpdago-gischem Frderbedarf Lernen ist bisher nur im Grundschulbereich mglich. Beim bergang in die Klasse 5 muss der Frderbedarf aufgehoben werden oder der Schler wechselt an die L-Schule. Teilweise mssen die Pdago-gen an den Regelschulen Integrations-leistungen erbringen, fr die sie keine zustzlichen Ressourcen zur Verfgung gestellt bekommen.Stattdessen gibt es einige Modellpro-jekte. Das Land will zunchst bis 2015 in vier Modellregionen Erfahrungen mit der Inklusion von der Kita bis zur Berufsbildung sammeln. So sollen eine lernzieldifferente Integration in Sekun-darstufe 1 erprobt und Frdermanah-men entwickelt werden. Daran sind jedoch lediglich 123 Schler mit Fr-derbedarf an 22 Schulen beteiligt. In den anderen Fllen entscheidet die Bil-dungsagentur oder in letzter Zeit auch das Verwaltungsgericht. (Wenn Eltern die inklusive Beschulung einklagen.)

    Die Situation an den SchulenBisher ist die integrative Beschulung von Schlerinnen und Schlern mit sonderpdagogischem Frderbedarf Lernen nur im Grundschulbereich mg-lich. Dementsprechend muss beim bergang in die Klasse 5 entweder der Frderbedarf aufgehoben werden oder der Schler/die Schlerin an die Schule zur Lernfrderung wechseln.Dabei werden die Pdagoginnen und Pdagogen an den Grund- und Ober-schulen zu diesem Zeitpunkt in die strukturellen Vernderungen nicht mit einbezogen. Dies hat zur Folge, dass Lehrkrfte an den Regelschulen hufig mit der Problematik berfordert sind. Sie sollen Integrationsleistungen erbrin-gen, ohne dass dafr zustzliche Res-sourcen zur Verfgung gestellt werden. Die Sonderpdagogen (der Schule zur Lernfrderung) haben dagegen fr ein Integrationskind pro Woche ein Stundenvolumen von 0,5 Stunden zur Verfgung. Das hat zur Folge, dass sie von Schule zu Schule eilen mssen, was auch mit lngeren Fahrstrecken ver-bunden ist. Eine individuelle Frderung der Schler ist so nicht gegeben.

    In den Schulen zur Lernfrderung ist eine individuelle und gezielte Frde-

  • 19Lernen Frdern 2014

    sonderpdAgogIsche bILdung

    rung der Kinder dagegen besser mg-lich auch aufgrund der geringeren Schlerzahlen. (Hier lernen in der Klas-senstufe 1-2 bis zu 12 Schler, in der 3. bis 4. Klasse bis 16 und ab dem 5. Schuljahr bis 18 Schler in einer Klasse.)

    Situation der Jungen und MdchenDie Erfahrungen der Kinder (an den Schulen zur Lernfrderung) sind sehr unterschiedlich und in jedem Fall indi-viduell zu betrachten. Viel hngt da-bei auch von den Eltern ab. Vor allem davon, ob sie den Frderbedarf ihres Kindes und die Frderschule akzeptie-ren. Wenn die Eltern kooperativ sind und kritisch die Entwicklung ihres Kin-des begleiten, um es vor dauerhafter berforderung zu bewahren, sprt man auch bei den Kindern, dass sie sich gut aufgehoben fhlen. Diese Kinder haben gelernt, dass sie auch signalisie-ren drfen, wann sie an ihre Grenzen gelangen.

    LERNEN FRDERN in Sachsen

    Sachsen-Anhalt

    Ein Bericht zum Stand der Inklusion in Sachsen-Anhalt ist derzeit nicht einfach, da alles weiterentwickelt wird und dem Landesverband verbindliche Aussagen nicht vorliegen. Deshalb knnen nur Er-fahrungen des Landesverbands und Er-kenntnisse aus einer stichpunktartigen Recherche weitergegeben werden.

    Seit der Einfhrung der inklusiven Be-schulung in den Regelschulen wurden die Rahmenbedingungen nicht an die tatsachlichen Erfordernisse angepasst und verbessert. Ein Schler mit Frder-bedarf erhlt im gemeinsamen Unter-richt 2 Stunden pro Woche individuelle Frderung durch einen Sonderschul-pdagogen. Die Zusammenarbeit zwi-schen den Lehrern der Regelschulen und der Frderschulen hat sich aller-dings noch nicht eingespielt und funk-tioniert an vielen Stellen noch nicht reibungslos. Vor allem die Sonderp-dagogen fhlen sich oft noch nicht als vollstndige Mitglieder des Lehrerkol-legiums. Ihre (alleinige) Aufgabe ist es, ihre Frderschler zu frdern.

    An den Regelschulen werden die Sch-lerinnen und Schler mit sonderpda-gogischem Frderbedarf oft wegen der individuellen Frderung gehnselt.

    Es bleibt fraglich, ob die Vorgabe, dass die Frderschulen in Sachsen-Anhalt erhalten bleiben sollen, wirklich umge-setzt werden kann. Teilweise ist es den Frderschulen schon jetzt personell, konzeptionell und materiell erschwert, einen qualitativ hochwertigen Unter-richt anzubieten. So arbeiten beispiels-weise bereits etwa 30 % der Sonder-pdagogen in den Regelschulen. Eine Diagnostik ist erst nach dem 3. Grund-schuljahr mglich.

    Um sozialen Ausgrenzungen entge-genzutreten, werden Anstrengungen unternommen, auffllige, besonders schwierige Kinder in den Frderschulen zu beschulen. Eine groe Anzahl der Frderschler in unserer Region kommt aus bildungsfernen Familien. Deshalb knnen diese Kinder kaum auf eine starke Interessenvertretung durch ihre Eltern bauen.

    Sandra Lewerenz Vorsitzende LERNEN FRDERN Landesverband Sachsen-Anhalt

    Schleswig-Holstein

    Die Schullandschaft in Schleswig-Hol-stein befindet sich derzeit in einem groen Umbruch, dies gilt auch (und vor allem) fr die Frderschulen, aus diesem Grund ist es schwierig, darber verwertbare Aussagen zu machen.

    In Schleswig-Holstein sind die Frder-schulen weitgehend aufgelst worden. Es wurden sogenannte Frderzentren gegrndet, denen die Schlerinnen und Schler mit Frderbedarf zuge-ordnet werden. Diese Jungen und Mdchen werden an den Grund-/Ge-meinschafts-/Regionalschulen unter Einbeziehung der abgeordneten Fr-derlehrer beschult. Schlerinnen und Schler mit den Frderschwerpunkten Lernen, Sprache, emotionale und so-ziale Entwicklung, Hren, Sehen und

    Zum Schluss

    Die unterschiedlich ausgeprgte Um-setzung des Inklusionsgedankens, die verschiedenen Interpretationen der UN-BRK spiegeln sich auch in der Ar-beit des LERNEN FRDERN-Bundes-verbands. Als Bundesverband, der sich fr die Interessen von Menschen mit Lernbehinderungen einsetzt, sind wir auf die Zusammenarbeit mit Menschen vor Ort angewiesen. Menschen, die sich in Ortsvereinen un