Liebe Geologinnen und Geologen! DER GEOLOGISCHE BLICK · 2020-04-29 · Liebe Geologinnen und...

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Liebe Geologinnen und Geologen! In schwierigen Zeiten ist die Suche nach Auswegen mitunter eine Frage des wirtschaftlichen Überlebens. Vieles, was einem dabei durch den Kopf geht, ist dann vielleicht nicht nur aus der Not geboren, sondern kann auch gleich wieder verworfen werden, weil diese Not auch die inhaltlichen Möglichkeiten der Ausführung betrifft. Der Gedanke, eine Reihe mit geologischen Themen herauszubringen, ist im Laufe der Jahre immer wieder aufgetaucht. Seit im Herbst 1985 – damals noch an der VHS Erlangen – der erste Geologie-Kurs statt- fand, war es Dank des anhaltenden Interesses vieler Freunde der Geowissenschaften möglich, in den Kur- sen ein weites Spektrum von Themen aufzugreifen und viele Länder und Landschaften in Exkursionen kennen zu lernen. Die gesammelten Erfahrungen und auch das Dokumentationsmaterial – Fotos wie Gesteinsproben – sind im Laufe der Zeit immens angewachsen, die dazu verfassten Berichte konnten immer nur einen Teil der Beobachtungen aufgreifen. Diesen Gedanken in die Tat umzusetzen, ist jetzt viel- leicht ein passender Zeitpunkt. Wir können uns gera- de weder zusammen in Kursen treffen, noch gemein- sam Exkursionen machen. Zudem ist der Ausfall der Einkünfte nicht mehr zu verkraften, so dass dieser Schritt jetzt zwar auch aus der Not geboren ist, in Hin- blick auf die Inhalte aber aus einer pralle Fülle von Themen schöpfen kann. Sollte diese Reihe genügend Interessenten finden, dann könnte sie nicht nur eine Übergangslösung für die Zeit der Corona-Krise sein, sondern ein darüber hinausgehendes, längerfristiges Projekt. Ziel ist, inter- essante geologische Lokalitäten, Gesteine und Land- schaften nicht nur zu dokumentieren, sondern sie vor allem auch erkenntnisfördernd zu diskutieren. Die Übung des geologischen Blicks steht dabei im Vordergrund. Die Herausforderungen für Auge und Wahrnehmung sind in der Geologie unerschöpflich vielfältig und können so immer wieder aufs Neue eine Herausforderung sein. Dass ein solches Projekt in der heutigen Welt in elek- tronischer Form umgesetzt werden kann, macht es zugleich auch erst möglich. Eine Druckversion mit der notwendigen Abbildungsqualität wäre nicht finanzier- bar, am Bildschirm hat man hingegen hohe Brillanz, Schärfe und die Möglich- keit, Details heran zu zoo- men – und direkt Links ins Internet zu folgen. Dann wollen wir mal versu- chen, ein helles Licht anzu- zünden! Glück auf! Euer Gottfried Hofbauer DER GEOLOGISCHE BLICK Geologen sehen die Natur unter einem ganz beson- deren Blickwinkel. Genauer müsste man sogar sagen: Aus zwei Blickwinkeln. Der eine hat die Beschreibung der Erde, vor allem ihrer Gesteine und der in ihnen enthaltenen Zeugnisse zum Gegenstand. Klassisches Resultat dieser Tätigkeiten sind die Geologischen Karten und ordnende Sammlungen von Gesteinen und Fossilien. Die andere Perspektive zielt auf die Geschichten, die uns die geologischen Verhältnisse oder Gegenstände erzählen. Statische Ansichten werden dabei in unserer Vorstellungswelt zu bewegten Bildern oder gar längeren „Filmen“. Aber jeder Film hat eine Handlung oder zumindest ein Drehbuch, das die Ordnung der Szenen und die angestrebte Aussage vorgibt. Ähnlich werden geologische Bilder auch nur dann zu einem Film, wenn wir hinter den Bildern ein solches Drehbuch sehen oder es zumindest ahnen 1 GEODOKUMENTE 2020-1 29.4.2020 1 Die Zurundung von Geröllen ist ein weitgehend kontinu- ierlich verlaufender Prozess. Wir können uns gut vorstel- len, wie die einzelnen Gesteine durch die Wellen hin und her bewegt werden, aufeinander schlagen und dabei ihre Ecken abstoßen. Obwohl diese Zurundung vor unseren Augen geschieht, können wir sie dennoch nicht direkt ver- folgen. Doch wir haben ein „Drehbuch“, dass uns in die- sem Fall relativ enge Vorgaben für den Verlauf macht.

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Liebe Geologinnen und Geologen!

In schwierigen Zeiten ist die Suche nach Auswegen mitunter eine Frage des wirtschaftlichen Überlebens. Vieles, was einem dabei durch den Kopf geht, ist dann vielleicht nicht nur aus der Not geboren, sondern kann auch gleich wieder verworfen werden, weil diese Not auch die inhaltlichen Möglichkeiten der Ausführung betrifft.

Der Gedanke, eine Reihe mit geologischen Themen herauszubringen, ist im Laufe der Jahre immer wieder aufgetaucht. Seit im Herbst 1985 – damals noch an der VHS Erlangen – der erste Geologie-Kurs statt-fand, war es Dank des anhaltenden Interesses vieler Freunde der Geowissenschaften möglich, in den Kur-sen ein weites Spektrum von Themen aufzugreifen und viele Länder und Landschaften in Exkursionen kennen zu lernen. Die gesammelten Erfahrungen und auch das Dokumentationsmaterial – Fotos wie Gesteinsproben – sind im Laufe der Zeit immens angewachsen, die dazu verfassten Berichte konnten immer nur einen Teil der Beobachtungen aufgreifen.

Diesen Gedanken in die Tat umzusetzen, ist jetzt viel-leicht ein passender Zeitpunkt. Wir können uns gera-de weder zusammen in Kursen treffen, noch gemein-sam Exkursionen machen. Zudem ist der Ausfall der Einkünfte nicht mehr zu verkraften, so dass dieser Schritt jetzt zwar auch aus der Not geboren ist, in Hin-blick auf die Inhalte aber aus einer pralle Fülle von Themen schöpfen kann.

Sollte diese Reihe genügend Interessenten finden, dann könnte sie nicht nur eine Übergangslösung für die Zeit der Corona-Krise sein, sondern ein darüber hinausgehendes, längerfristiges Projekt. Ziel ist, inter-essante geologische Lokalitäten, Gesteine und Land-schaften nicht nur zu dokumentieren, sondern sie vor allem auch erkenntnisfördernd zu diskutieren. Die Übung des geologischen Blicks steht dabei im Vordergrund. Die Herausforderungen für Auge und Wahrnehmung sind in der Geologie unerschöpflich vielfältig und können so immer wieder aufs Neue eine Herausforderung sein.

Dass ein solches Projekt in der heutigen Welt in elek-tronischer Form umgesetzt werden kann, macht es zugleich auch erst möglich. Eine Druckversion mit der notwendigen Abbildungsqualität wäre nicht finanzier-

bar, am Bildschirm hat man hingegen hohe Brillanz, Schärfe und die Möglich-keit, Details heran zu zoo-men – und direkt Links ins Internet zu folgen.

Dann wollen wir mal versu-chen, ein helles Licht anzu-zünden! Glück auf!

Euer Gottfried Hofbauer

DER GEOLOGISCHE BLICK

Geologen sehen die Natur unter einem ganz beson-deren Blickwinkel. Genauer müsste man sogar sagen: Aus zwei Blickwinkeln. Der eine hat die Beschreibung der Erde, vor allem ihrer Gesteine und der in ihnen enthaltenen Zeugnisse zum Gegenstand. Klassisches Resultat dieser Tätigkeiten sind die Geologischen Karten und ordnende Sammlungen von Gesteinen und Fossilien.

Die andere Perspektive zielt auf die Geschichten, die uns die geologischen Verhältnisse oder Gegenstände erzählen. Statische Ansichten werden dabei in unserer Vorstellungswelt zu bewegten Bildern oder gar längeren „Filmen“. Aber jeder Film hat eine Handlung oder zumindest ein Drehbuch, das die Ordnung der Szenen und die angestrebte Aussage vorgibt. Ähnlich werden geologische Bilder auch nur dann zu einem Film, wenn wir hinter den Bildern ein solches Drehbuch sehen oder es zumindest ahnen

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GEODOKUMENTE 2020-1 29.4.2020

1 Die Zurundung von Geröllen ist ein weitgehend kontinu-ierlich verlaufender Prozess. Wir können uns gut vorstel-len, wie die einzelnen Gesteine durch die Wellen hin und her bewegt werden, aufeinander schlagen und dabei ihre Ecken abstoßen. Obwohl diese Zurundung vor unseren Augen geschieht, können wir sie dennoch nicht direkt ver-folgen. Doch wir haben ein „Drehbuch“, dass uns in die-sem Fall relativ enge Vorgaben für den Verlauf macht.

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können. In vielen Fällen gelingt das ganz gut, mitunter sogar routinemäßig – etwa wenn wir die Zurundung von ursprünglich beliebig geformten Steinen vor un-serem geistigen Auge ablaufen lassen.

Aber wir treffen auch immer wieder auf unerwartete Erscheinungen. Diese aufzulösen und so gut wie möglich zu verstehen, ist nicht selten eine kognitive Herausforderung. Strukturen, die auf den ersten Blick unverständlich oder gar bizarr erscheinen, können vielleicht erst Schritt für Schritt erschlossen werden. Anders gesagt: In vielen Fällen müssen wir erst ein Drehbuch erstellen, und das klappt oft nicht auf Anhieb. Methodologisch würde man ein solches Drehbuch Hypothese nennen. Wenn wir ihr folgend den Film laufen lassen, merken wir vielleicht, dass die eine oder andere Szene nicht gut zu dem passt, was wir tatsächlich vor unseren Augen haben. Einige Handlungsstränge, die wir aufgrund unseres Hinter-grundwissens in das Drehbuch aufgenommen haben, geraten in Widerspruch mit den Erscheinungen, und wir müssen das Drehbuch umschreiben.

Es sind solche Situationen und die damit verbunde-nen Diskussionen, die geologische Exkursionen im-mer wieder zu einem unerschöpflichen Erfahrungsfeld machen. Das richtige Drehbuch zu finden, mag nicht immer auf Anhieb gelingen, und wir werden im Verlauf dieser Reihe auf Fälle treffen, die wir erst Jahre später, in einem von gewachsener Erfahrung ausgehendem Rückblick – vermutlich! – richtig verstehen konnten.

Die beiden möglichen Blickwinkel, unter denen wir geologische Gegenstände befragen können, gehen tatsächlich auf zwei unterschiedliche wissenschaftli-che Traditionen zurück. Bevor es – gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine Wissenschaft mit dem Namen Geologie gab, war die Beschäftigung mit der Natur selten auf einen einzigen Gegenstandsbereich fokus-siert. Dabei wurden sammelnde und beschreibende Tätigkeiten als Naturgeschichte, die auf Erklärungen zielende Forschung als Naturphilosophie bezeich-net.. In den Augen der Gelehrten des 16 bis 18. Jahr-hunderts hieß es, die Geschichte wäre für das Gedächtnis, die Philosophie für den Verstand.

Im Laufe der Zeit haben diese Begriffe natürlich auch Wandlungen erfahren. War die Naturphilosophie im antiken Griechenland in vieler Hinsicht auf empirische und mathematische Grundlagen gestützt, wurde sie im Mittelalter und frühen Neuzeit weithin sehr speku-lativ oder zu einer auf Begriffs-Logik aufbauenden Beschäftigung. Es waren Leute wie Galilei und Newton, die die Naturphilosophie wieder in das Feld empirischer Wissenschaften zurückholten.

Doch auch die vorzugsweise beschreibende Ausein-andersetzung mit den Erscheinungen der Natur ist keineswegs trivial. Die strukturierte Erfassung der Gegenstände ist keine geringere Herausforderung und muss notwendigerweise der philosophischen

Auseinandersetzung vorausgehen, will diese ihren empirischen Ansprüchen nachkommen. Noch im 19. Jahrhundert wurden Naturhistorische Gesellschaften im Sinne dieses traditionellen Verständnisses von Naturgeschichte gegründet, was auch zeigt, wie hoch das Ansehen dieser Art von Auseinandersetzung mit der Natur war.

Dabei hatte der Begriff der Naturgeschichte in jener Zeit bereits eine Bedeutungs-Wandlung, oder Bedeu-tungserweiterung erfahren. Immanuel Kant, der im Jahr 1755 seine Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels veröffentlicht hatte, verwandte den Begriff im Sinne einer Entwicklungsgeschichte der Natur und hat diese Art von Naturgeschichte als eine der großen Projekte der Aufklärung proklamiert.

Diese verschiedenen Blickwinkel wurden im Bereich der Geologie von Wissenschaftshistorikern nicht sel-ten als spannungsgeladener Konflikt unterschied-licher, schwer vereinbarer methodologischer Stand-punkte gesehen [1]. Wir haben hier nicht die Absicht, diese Spannungen in der Geschichte der Geologie zu verfolgen, sondern wollen uns darauf konzentrieren, die Auseinandersetzung mit den Erscheinungen her-auszuarbeiten. Diese Auseinandersetzung folgt dem bereits geschilderten Weg: wir versuchen, Hypothe-sen abzugleichen, also gleichsam Drehbücher zu schreiben, die möglichst wenig Fiktion und möglichst solide Naturgeschichte im Sinne der Entwicklung der Erde und ihrer geologischen Erscheinungen sind.

[1] Laudan, Rachel (1982): Tensions in the concept of geology: Natural History or Natural Philosophy? - Earth Sciences History 1, S. 7-13.

Ereignisse und Prozesse

Eine wiederkehrende Frage bei der Erklärung geolo-gischer Erscheinungen betrifft das Verhältnis von Zeit und Wirkung. Wir müssen unsere Hypothesen im Grunde also immer mit zwei Unbekannten erarbei-ten. Dabei treffen wir erneut auf unterschiedliche An-sätze: viele Erscheinungen können durch kleine Ver-änderungen über lange Zeiträume, oder eben auch durch kurze oder schnelle, aber kräftige Wirkungen erklärt werden. Auch hier treffen wir auf eine wissen-schaftsgeschichtliche Entwicklung, in deren Verlauf diese beiden Ansätze nicht durchweg in gleicher Weise geschätzt wurden.

Heute unterscheidet man zwischen relativ kurzen Ereignissen und längeren Prozessen. Kurze Ereig-nisse – zumeist mit dem englischen Term Event aus-gedrückt – sind gleichsam „Katastrophen“, die entwe-der das Ergebnis eines systemimmanenten Prozes-ses sind, oder die Folge systemäußerlicher Vor-gänge. Letztere ergeben sich nicht notwendig aus der Dynamik des Systems selbst, sondern sind gleichsam „Katastrophen“, die in ein System – auch im buch-stäblichen Sinn – wie ein Meteorit „einschlagen“

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können. Solche Events können aus einer anderen Perspektive durchaus notwendig und systemimma-nent sein, ihre Wirkung auf andere Systeme ist aber aus deren Sicht zufällig und nicht selten folgenreich.

Wissenschaftshistorisch hat das „Event“ eine wechselhafte Geschichte. Im 18. und frühen 19. Jahr-hundert waren die Vorstellungen über die Dimension der Erdgeschichte begrenzt. Das hat bei der Erklä-rung erdgeschichtlicher Zeugnisse Vorstellungen über kurze, aber heftige Ereignisse unterstützt. So wurden viele Zeugnisse der Eiszeit als Folgen einer großen, sintflutartigen Überschwemmung interpretiert – in älteren Büchern oder Karten treffen wir noch immer auf das „Diluvium“, also den lateinischen Begriff für „Überschwemmung“.

Die Zurückdrängung solcher oft ad hoc vorgebrachter katastrophenartiger Erklärungen war das wissen-schaftliche Programm von Charles Lyell und seinen Principles of Geology (ab 1830): Dieses bis in das Jahr 1872 elf Auflagen erlebende Werk hatte den Untertitel: „Ein Versuch, die früheren Veränderungen der Erdoberfläche durch heute wirkende Ursachen zu erklären“. Die „heute wirkenden Ursachen“ waren aber durchweg nur schwache, so dass sie die Erd-oberfläche nur langsam verändern konnten. So führte der Ansatz von Charles Lyell letztlich zur Bevorzu-gung von Hypothesen, die eine Aufsummierung klei-ner und weitgehend gleichförmiger Wirkungsschritte bevorzugten. Dieser auch als Gleichförmigkeits-prinzip bezeichnete Ansatz war sehr erfolgreich bei der Zurückdrängung verschiedener katastrophis-tischer Erklärungen, aber im Laufe der Zeit wurde aus einer methdodologischen Option ein Dogma.

Ein bekanntes Lehrstück für diesen Dogmatismus ist die Geschichte von Harlen Bretz (1882-1981) [1]. Dieser Geologe erklärte die ihm ungewöhnlich er-scheinenden Erosionsformen einer Landschaft im Co-lumbia River Plateau – den Channeled Scablands [2] – durch eine gewaltige Überschwemmung. Diese in den 30iger Jahren entwickelte Vorstellungen hatten Bretz viel Kritik eingebracht und wurden schließlich erst in den 60iger Jahren anerkannt. Als er dann schließlich im Alter von 96 Jahren mit der Penrose-Medaille die höchste Auszeichnung der Geologial Society of America erhielt, soll er gesagt haben: „Alle meine Feinde sind tot, jetzt kann ich mich vor keinem mehr großtun.“

Die im Grunde irrationale Zurückweisung von Meteori-teneinschlägen als mögliches erdgeschichtliches Er-eignis war auch in Deutschland lange Zeit ein schier unüberwindliches Erkenntnishindernis. Als im Jahr 1980 mit der Arbeit von Alvarez et al. ein Meteoriten-einschlag an der Kreide/Tertiär-Grenze postuliert wur-de, war die Öffnung zur Wiederaufnahme von großen Events letztlich vollzogen [3]. Damit war gleichsam auch die „Mutter aller Katastrophen“ in empirisch überzeugender Weise etabliert.

Bei der Frage nach der Zeitdimension kennt die Geologie – fast – keine Grenzen. Am Ende ist es die Lebensdauer der Erde, die uns mit ihrer Entstehung vor 4,54 Milliarden Jahren einen erstaunlich präzise datierten Ausgangspunkt für alle geologischen Prozesse setzt. Mit wachsender Erfahrung und nicht zuletzt verbesserter Datierungsmethoden hat die Geologie heute die Möglichkeit, zwischen Events und lange Prozessen zu unterscheiden. Viele Events liegen sogar nur als geochemische oder Isotopen-Anomalie in Form von Proxydaten („Stellverteter-Daten“) vor, deren Bedeutung und Drehbuch oft erst noch näher herauszufinden bleibt.

Stehen wir im Gelände vor Erscheinungen, dann sind diese in Hinblick auf die zeitliche Struktur ihrer Entste-hung oft nicht auf Anhieb eindeutig zu interpretieren. So müssen wir uns nicht selten entscheiden, ob wir unser „Drehbuch“ erst mal mit Action und Gewalt, oder mit einer stillen, weniger pointierten Geschichte beginnen.

[1] Dazu mehrere auch deutsche Wikipedia-Artikel:

https://de.wikipedia.org/wiki/J_Harlen_Bretz

https://de.wikipedia.org/wiki/Channeled_Scablands

[2] In Abweichung von der Übersetzung in Wikipedia könnte man das als „von Rinnen durchzogene Schorf-Landschaft“ verstehen.

[3] Alvarez, Luis M., Walter Alvaez, Frank Asaro & Heen V. Michel (1980): Extraterrestrial Cause for the Cretaceous-Tertiary Extinction. - Scienece 208;S. 1095-1108.

https://science.sciencemag.org/content/208/4448/1095

Kontinuum oder Kleinkatastrophen?Wenn wir Gerölle im Wellenschlag an der Meeres-küste sehen, werden wir umgehend dazu neigen, ihre Zurundung als einen kontinuierlichen Prozess zu sehen. Ein Sturm kann hier die Steine vielleicht mal für eine bestimmte Zeit heftiger hin und her rollen, aber im Vergleich zur andauernden Bewegung wird er kaum in der Lage sein, die Entwicklung dieser Gerölle in besonderer Weise zu prägen. Dieses Drehbuch ist aber nicht Folge der unmittelbaren Beobachtung, son-dern der Überlegung, in deren Verlauf wir von der der Bewegung der Gerölle aufgrund uns bekannter, ein-facher mechanischer Prinzipien auf ihre Zurundung abstrahieren. In diesem Fall lässt sich das Verhältnis von Prozess vs. Ereignis sehr einfach und zuver-lässig zugunsten einer weitgehend gleichförmigen Wirkung entscheiden. Aber schon gleich werden wir kompliziertere Fälle betrachten.

Fall A: Beispiel Regnitz und Nebenflüsse

Wir haben nun schon gesehen, dass es alleine auf Beobachtung gründend nicht immer möglich ist, die hinter einer Erscheinung wirksam gewesenen Ursachen zu strukturieren. Ohne unsere Erfahrung über mögliche Ereignisse und Prozesse würden wir

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ein Drehbuch alleine aufgrund der Beobachtung wohl nur selten zum erfolgreichen Abschluss bringen.

Wenn wir auf unsere Flüsse blicken, dann sehen wir ein Kontinuum in Form des dauerhaften Fließens, doch ist das tatsächlich der Prozess, der uns die Tä-ler formt, Einschneidung oder Aufschüttung hervor-bringt?

Um in dieser Frage weiter zu kommen, müssen wir auch nach der Umgebung des Flusses und der Art seiner Bodenfracht sehen. Jeder Fluss hat eine eige-ne Charakteristik, die ganz erheblich von seinem geo-logischen Rahmen und damit dem dort wirksam gewordenen Verlauf der Erdgeschichte mitbestimmt wird. Die Regnitz ist – ab Nürnberg nach Norden hin betrachtet– insofern ein interessantes Gewässer, als seine westlichen Zuflüsse aus dem von Sand- und Tonsteinen bestimmten Keuper kommen, die östli-chen hingegen aus dem stark von Karbonatgesteinen geprägten Jura der Frankenalb.

Wenn wir in einen Fließgewässer blicken, sehen wir in der Regel nur die Bodenfracht. Bei verstärkter Strömung kann Bodenfracht zu Schweb- oder

Suspensionsfracht werden. Normalerweise wird die Suspensionsfracht von Tonschlamm, möglicherweise Glimmern, sowie organischen Anteilen (Rinden- und Holzreste, verklebte Bodenpartikel) gebildet. Haben wir einen klaren Blick auf den Boden des Gewässers, dann wird es entsprechend arm an trüber Suspensi-onsfracht sein. Was wir gar nicht sehen sondern nur im Labor bestimmen können, ist die Lösungsfracht, die aus der Verwitterung der Gesteine stammenden gelöste Stoffe (und leider auch von der Düngung der Felder) kommt.

Die Bodenfracht der Regnitz wird von Quarz-Sandkör-nern bestimmt. Wir finden normalerweise keine Geröl-le aus Sandstein, sondern nur die einzelnen Kompo-nenten des Sandsteins: Die Keupersandsteine im Lie-fergebiet der Zuflüsse sind offenbar nicht robust genug, um Flussgerölle bilden zu können. Sie zerfal-len schon vorher in Einzelteile, so dass in den Fließ-gewässern dieses Bereichs tatsächlich nur Sand zum Transport kommt. Die einzige uns bekannte Aus-nahme, in der Sandsteine als Gerölle in die Flußab-lagerungen geraten sind, finden wir südlich Nürnberg,

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2 Ein kleiner Felssturz in der Schwarzach-Schlucht südlich Nürnberg – ein Ereignis oder Event, das in wenigen Sekunden die Entwicklung der Talform weitergeführt hat. Obwohl die Schwarzach in dieser Ansicht nahezu still zu stehen scheint, sehen wir vor unserem geistigen Auge die Felsmasse in das Wasser rutschen und die Wellen auf uns zu schlagen. Diese Rekonstruktion baut auf ein strenges „Drehbuch“: Gesteine können angesichts der Gravitationskraft nur nach unten fallen, und wir sehen darüber die frisch erscheinende, von Bewuchs noch freie Felsfläche. Diese Ereignis ist systemimmanent, denn es wird durchaus in notwendiger Weise von dem im Tal laufenden Gewässer ausgelöst – sei es durch Unterschneidung des Hanges oder Zermürbung des Gesteinszusammenhaltes durch die von der Schwarzach aufsteigenden Feuchtigkeit.

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wo um Worzeldorf-Kornburg eine besonders feste, quarzitische Kornbindung vorliegt (Funde davon in den alten Schottern von Greuth).

Am Boden des Flußbettes können wir oft auch Strömungsrippeln entdecken. Unter normalen Abflussverhältnissen scheinen diese jedoch nicht in Bewegung zu sein, sondern aus vorangegangenen Phasen mit stärkerer Strömung zu stammen.

Die Quarzkörner zeigen kaum Kantenrundung und scheinen in ihrer Gestalt von den Körner in den Keupersandsteinen nicht unterscheidbar zu sein Das bedeutet, dass die Körner beim Transport keine nennenswerte Zurundung erfahren haben. Und das gilt nicht nur für ihren jetzigen Weg im Fluss, sondern auch schon für die erste Umlagerung noch zur Zeit des Keupers, wo sie mindesten 100 km weit aus einem von Graniten dominierten Liefergebiet im Süden heran transportiert wurden [1].

Sand erlebt beim Transport also kaum einen erosiven Effekt. Umgekehrt kann er auch selbst keinen aus-üben. Im „Normalbetrieb“ scheint der Transport von Bodenfracht in Sandkorngröße relativ schwach zu sein und zeitweise völlig zum Erliegen kommen – der Fluss schiebt, über das Ganze betrachtet, also nur sehr langsam Sand durch sein Bett. Das Bett selbst wie auch die Kontur der Ufer wird dabei auch kaum verändert. Die Regnitz ist zudem kein Fluss, der Tie-fenerosion betreibt, eher im Gegenteil: er kann bei Hochwässern seine Talaue erreichen und dort eben-falls Umlagerung von Sand oder stellenweise gar leichte Aufschüttung verursachen. Letzteres wird da-durch dokumentiert, dass Sand soweit suspendiert werden konnte, dass er aus dem Flussbett über das Ufer hinaus aufgeschüttet wurde.

Eine bemerkenswerte Transportleistung vermag die Regnitz also nur bei Hochwasser-Ereignissen zu erbringen. Die hier vom letzten größeren Hochwasser im Jahr 1995 fotografisch dokumentierten Effekte sind allerdings im Vergleich zu manchen früheren Hoch-wässern noch immer relativ bescheiden. In der Talaue gelegene Altwässer zeigen, dass es Situationen gab, in denen der Fluss durch Seitenerosion ganze Arme abgeschnitten haben muss. Das konnte nur möglich gewesen sein, in dem die Regnitz Prallhänge soweit erodiert hat, dass es zum Durchbruch von Schlingen kam – der an einem solche Prallhang eodierte Mate-rial wurde flußabwärts wieder an Gleithängen ange-gliedert. Solche Ereignisse sind in der Gegenwart durch Flußregulierungen weitgehend unterbunden, waren aber in der Vorzeit, je nach Klimaumständen, in Abständen von Jahrzehnten bis Jahrhunderten mög-lich [2].

So ergibt sich für die geologische Aktivität der Regnitz ein Bild, in dem einzelne Ereignisse/Events in Form von Hochwässern die Entwicklung bestimmen. Diese Events sind seit der Besiedelung der Täler durch den Menschen mitunter subjektiv erlebte Katastrophen gewesen. Auf einen größeren zeitlichen Rahmen

bezogen, also in einer die Dimension der Erdge-schichte würdigenden Sichtweise, könnte man diese Events durchaus als kontinuierlichen Prozess sehen. Ein solcher Dimenensionswechsel ändert aber nichts an der ereignisartigen Struktur dieser Vorgänge. Möchte man den Abstand zu wirklich großen, in Hin-blick auf die Erdgeschichte einschneidende Events wie etwa dem Meteoiteneinschlag an der Kreide/Terti-är-Grenze wahren, dann könnte man die Hochwässer als Kleinkatastrophen relativieren. Tatsächlich sind es ja Ereignisse, die dem System der „Flußarbeit“ äu-ßerlich sind und sich nicht aus seinem Prozess, son-dern dem Zusammenspiel verschiedenen Umweltfak-toren ergeben. Klimaverschiebungen, den Oberflä-chenabfluss modifizierende Umstände – seien es na-türliche Vegetationsentwicklungen oder vom Men-schen verursachte Veränderungen – sind nun mal nicht Aspekte, die sich aus dem System „Fluß“ ablei-ten lassen.

An dieser Stelle sei auf den kleinen Felssturz in der Schwarzach-Schlucht (Abb. 2) eingegangen. Auch das ist eine Kleinkatastrophe, sogar nur eine sehr kleine. Doch diese ist in Bezug zum Prozess-System des Flusses immanent: hier führt Unterschneidung und/oder anhaltende Durchfeuchtung zur Lockerung des Felsens, der dann als größere Scholle abstürzen kann. Eine Erscheinung wie die Schwarzach-Schlucht mit ihren engen Felwänden ist allerdings in der Keu-perlandschaft eine Ausnahme. Schluchten gibt es hier, wenn überhaupt, nur an den obersten, quellna-hen Abschnitten. Die Schwarzachschlucht liegt aber im mittleren bis unteren Abschnitt des Flusses.

Im Fall der Schwarzach hat der Fluss nach einer Auf-schüttungsphase seinen ursprünglichen Lauf verän-dert und sich neben seiner einstigen Rinne erneut und zudem auch tiefer eingeschnitten. Zu Hilfe kam der Schwarzach dabei wahrscheinlich ein deutlich verstärkter Abfluss, in dem sie sich von der im Neu-markter Tal zur Donau entwässernden Sulz deren nördlich gelegenen Zuflüsse aneignete. Dabei wurde die Wasserscheide zwischen Donau- und Regnitz-System aus dem Bereich Altdorf in Raum Neumarkt zurückverlegt.

So gesehen, ist die Schwarzachschlucht dem Donau-durchbruch bei Weltenburg ähnlich: auch dort hat ein kleinerer, in Richtung Regensburg laufender Fluss erst in jüngerer Vergangenheit an Erosionspotential gewonnen, in dem er rückgreifend die zuvor durch das heutige Atmühltal laufende Donau an sich gezogen hat.

Zurück im Regnitz-System, sind wir mit den gewalti-gen Massen an Sand konfrontiert – eine Erscheinung, die ja auch wesentlich zu dem Naturschutz-Projekt der Sandachse beigetragen hat. Wo, so könnte man fragen, sind denn eigentlich die Beiträge anderer Gesteine geblieben? Die Gesteinsabfolge des Keupers enthält ja auch in beträchtlichem Umfang

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Ton- und Schluffsteine, und auf der anderen Seite des Flusses finden wir gewaltige Volumen an äußerst massiven Karbonatgesteinen.

Die Abtragung von Feinkorn erfolgt in einem Klima mit regelmäßigen Niederschlägen vor allem an frei liegenden Feldflächen oder Böschung im Grunde nahezu kontinuierlich. Natürlich gibt es auch hier Kleinkatastrophen – schon ein Starkregen, der nur über eine relativ eng begrenzte Fläche niedergeht, kann einen bedeutende flächenhafte Abspülung verursachen, die die anschließenden Fließgewässer mit deutlich sichtbarer Suspensionsfracht versorgt . Vor allem die roten Tonschlämme aus dem Feuerletten oder den Lehrberg-Schichten im Westen können so auffällig werden. Aus dem Osten kommen dann noch dunkle Schlämme aus dem Lias und Dogger des Albvorlandes hinzu.

Tatsächlich treffen wir in den Ablagerungen der Reg-nitz aber kaum auf Tonschlamm-Anteile. Erst wenn das Wasser über Stunden nahezu still steht, kann sich der Schlamm überhaupt absetzen. So wird der Tonschlamm in einem aktiven Flussbett niemals abgelagert werden können. Der größte Anteil dürfte daher weitgehend direkt bis ins Meer getragen werden – während der Sand langsam durch die Täler geschoben wird, erreicht der Tonschlamm sein Ziel wesentlich rascher.

Eine Möglichkeit zur Ablagerung toniger Schwebfracht sind jedoch Überschwemmungen. Kommt die Strömung in den abseits der Flusstäler gelegenen Überschwemmungsbereichen zum Stehen, dann könnte sich der Tonschlamm absetzen. Doch an der Regnitz ist dieser Anteil gegenüber der Sand-Kompo-nente so gering, dass er in den zurückbleibenden Ablagerungen kaum auffällt. In vielen Nebentäler westlich der Regnitz finden sich Weiherketten, die durch einen durchgehenden, aber nur zeitweise aktivierten Abfluss verbundenen sind. In welchem Umfang diese Teiche als Absatzbecken für die tonige Suspensionsfracht funktionieren, ist noch nicht näher bestimmt. Doch ist es eher unwahrscheinlich, dass das eine bedeutende Rolle spielt, denn schon in den früheren, kaltzeitlichen Ablagerung der Regnitz treffen wir auf diesen auffallendem Mangel an Ton-Anteilen.

Ganz anders verhält es sich mit dem Transport des Karbonatgesteins der Frankenalb. Diese Gesteine sind im Grunde so stabil, dass sich kaum mechanisch Stücke lösen. Sieht man in Feldern Kalkbrocken oder Platten liegen, sind diese in der Regel vom Pflug hochgeschleppt. Unter natürlichen Umständen fällt Kalksteinmaterial unter dem gegenwärtigen Klima nur in geringen Anteilen an. Der weitaus höhere Anteil des Karbonatgesteins geht als Lösungsfracht auf den Weg,

Ganz anders war das jedoch in den Kaltzeiten, in denen Frostsprengung im erheblichen Umfang Bruch-stücke anlieferte. Ablagerungen dieser Kaltzeiten ent-

halten daher auch Kalkgerölle – allerdings nur die relativ jüngeren. Mit zunehmender Alter fallen diese kalkigen Anteile in den Sandablagerungen der chemi-schen Verwitterung zum Opfer: sie werden aufgelöst und verschwinden spurlos in der Lösungsfracht der Flüsse.

Das Fazit dieses Kapitels ist, dass die Prozesse in einer Flusslandschaft zum einen sehr konkret von der kleinräumig anstehenden geologischen Umgebung bedingt werden. Jedes Gestein hat eine anderes Ver-witterungsverhalten und landet – in einer Art natürli-cher Mülltrennung – in verschiedenen Transport- und Verwertungswegen, sei es in Lösung, als Suspension oder deutlich sichtbarer Bodenfracht.

Obwohl das Wasser im Grunde dauernd am Fließen ist, folgt die Dynamik der Flüsse in vieler Hinsicht nicht einem kontinuierlichen, sondern ereignisbeton-ten Muster. Dabei sind zum einen systemimmanente Ereignisse möglich, aber viele Aspekte im Verhalten einer Flusslandschaft hängn von äußerlichen Fak-toren ab, die sich in Korrespondenz mit langfristigen Klima- und Vegetationsverschiebungen entwickeln. Diese steuern wiederum Häufigkeit und Ausmaß der Kleinkatastrophen, die als konkrete Ereignisse die Geschichte des Sediment-Transports bestimmen.

[1] Dieses in der Trias im Süden gelegene Hochgebiet wird auch „Vindelzisches Land“ oder „Vindelizischer“ Rücken genannt. Es begann etwa auf der Breite von Landhut und setzte sich in den heutigen (erst später entstandenen) Alpenraum fort.

[2] Für das Main-Regnitz-Gebiet siehe mehrere Beiträge von Wolfgang Schirmer:

Schirmer Wolfgang (1983): Die Talentwicklung an Main und Regnitz seit dem Hochwürm. - Geologisches Jahrbuch, A 71: 11-43.

Schirmer, W. (2007): Der Naturraum Main-Regnitz im ersten Jahrtausend n. Chr. .- In: Bermann Rolf et al. (Hg.): Missionierung und Christianisierung im Regnitz- und Obermain-Gebiet. - Historischer Verein Bamberg, S. 47-60.

Schirmer, Wolfgang, m Beiträgen von M. Friedrichs, M. Knnipping, B. Kroer & U. Abramowski (2012): River history of the Upper Main River area from Tertiary to Holocene. - In: Zöller, L. & Peterek, A. (eds.): From Paleozoic to Quaternary. A field trip from the Franconian Alb to Bohemia: 25–42. – DEUQUA Excursions, Hannover.

Dazu im Internet die sehr schön gemachte Dokumentation(!):http://docs.dpaq.de/3979-umweltbasis_hochwasser.pdf

und weitere Information:

https://www.hopla-main.de/index.php/planungseinheiten/obere-regnitz/hochwasserereignisse.html

https://www.sueddeutsche.de/bayern/die-spuren-des-hochwassers-main-donau-kanal-bleibt-gesperrt-1.1049808

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4 Events und Prozesse sind oft eng miteinander verknüpft. Ein Hochwasser hat die Regnitz über ihr Ufer treten lassen und uns jenseits des Flussbetts ein Zeugnis für kontinuierliches Fließen hinterlassen. Im Gegensatz zu dem Transport der klastischen Bodenfracht im Fluss war dieser hydrodynamische Prozess auf der benachbarten Wiese nur von kurzer Dauer. So können wir an den asymmetrischen Profilen der Rippeln nicht nur den deutlichen Ausdruck der Fließrichtung wahrnehmen, sondern auch die Abnahme und letztlich den Stillstand der Strömung: erst kurz vor dem Stillstand sind die in Suspension mitgetragenen Partikel (miteinander verklebte Bodenpartikel, Wurzel- und Rinden-Flitterchen) im Strömungsschatten hinter den Rippel-Kämmen abgelagert worden. Am Wehr bei Erlangen-Bruck 1995

Vorgefertigte Drehbücher im Kopf, können wir uns aber auch fragen, warum es – erstaunlicherweise! – keinen bedeutenden Anteil noch feinkörnigerer Anteile in Form von Tonschlamm gegeben hat. Ein solcher Anteil hätte sich erst nach Stunden des Wasserstillstand abgesetzt und sich gleichmäßig über die sandigen Rippeln gelegt.

3 Das letzte große Hochwas-ser der Regnitz im Januar 1995. Blick von der Dechsen-dorfer Brücke nach Norden in Richtung Wasserwerk West, Erlangen. Man beachte die kräftige Strömung und die Trübe des Gewässers.

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5 Quarzkörner aus einer über die Ufer getretenen Überschwemmungsschüttung nahe dem Mündungsgebiet der Aisch in die Regnitz (öst. Trailsdorf). Die Körner zeigen nur geringe Abrundungseffekte.

6 Ein erheblicher Anteil des mobili-sierten Tonschlam-mes erreicht nicht die Regnitz, sondern setzt sich am Grun-de der in den Tälern kettenartig angeleg-ten Karpfenteiche ab. Dort überdecken sie den Sand aller-dings auch nur als dünne, maximal eini-ge [cm] mächtige Schicht. An den etwas erhöht liegen-den Rändern der Teiche liegt der Sand zumeist noch frei – auch hier im Hnter-grund rechts.Untermembach

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7 Abfluss nach einem Starkregen über einen Hang aus tonigen Lehrberg-Schichten, Nahe Neuhof an der Zenn

8 Hochwasser an der Zenn, gegenüber Wilhermsdorf: rote Schwebfracht aus den Lehrbergschichten

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9 Baiersdorf 2007 – Eine Kleinkatastrophe, bei der sich die Niederschläge in vor allem vom Feuerletten eingenommenen Flächen konzentrierten. Entsprechend schlamm-beladen waren die Abflüsse, die hier im Hintergrund auch über den Frankenschnellweg schwappten.

10 Baiersdorf 2007. Auch mit einem schnellen Porsche gab es kein Entkommen…

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11 Rote, vom Feuerletten geprägte Sedimente in einem Keller in Hagenau (nördl. Baiersdorf).

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12 Sandgrube am Nordrand von Forchheim. Die Abfolge repräsentiert die sogenannte Niederterrasse, die während der letzten Kaltzeit abgelagert wurde. Die dazwischen eingeschalteten Kieslagen hat die Wiesent aus der Frankenalb zugeführt: es handelt sich um Kalksteine, die im Laufe der Zeit durch Lösung verschwinden werden. Tonschlamm ist in diesem Abschnitt nicht abgelagert worden.

13 Detail der Kalkschotter in der Niederterrasse der Regnitz nördlich Forchheim. Zwischen den Kalk-Komponenten sind untergeordnet auch Fe-reiche Anteile, die aus dem Braunjura stammen. Die Kalk-Komponenten haben nicht die regelmässige rundliche oder elliptische Form, wie man sie von Flußgeröllen normalerweise kennt. Diese unregelmäßige Kontur, vor allem die unebenen Flächen, sind Folge der chemischen Ablaugung. Diese hat bereits im beträchtlichen Umfang im Flussbett der Wiesent stattgefunden.

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14 Die Lillach bei Weißenohe ist ein besonders schönes Beispiel dafür, dass der Beitrag der aus der Frankenalb kommenden Flüsse weniger in Form von Geröll- und Bodenfracht, sondern in Form gelösten Calcium- und Magnesium-Carbonats erfolgt. Diese gelösten Anteile sind so hoch, dass ein Teil davon schon wenige hundert Meter nach dem Austritt aus dem verkarsteten Untergrund wieder in terrassenförmigen Kalktuff-Ablagerungen kristallisiert.

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Fall B: Löss und Flugsand

Löss erscheint uns im wesentlichen als ein Sediment, in dem wir normalerweise keine Trennflächen in Form von Schichtfugen wahrnehmen können. Intuitiv könnte man angesichts dieses zusammenhängenden Erscheinungsbildes zu dem Schluss kommen, dass es sich entweder um eine zusammenhängende, ereignishafte Ablagerung handelt, oder um eine über längere Zeit weitgehend kontinuierliche Bildung.

Nun wissen wir aber, dass Löss – zumindest in seiner primären, unverschwemmten Ablagerungsform – ein vom Wind transportiertes Sediment darstellt. Im Grun-de handelt sich also um Ablagerungen aus Staubstür-men, die während der vegetationsarmen, in weiten Abschnitten auch von Permafrost geprägten Zeiten der letzten Glaziale abgelagert wurden. So betrachtet, kann eigentlich keine der beiden oben erwogenen Möglichkeiten zutreffen. Zwischen Staubstürmen muss es auch relativ windstille Zeiten gegeben ha-ben, so dass wir eine Abfolge von Lagen erwarten sollten, die jeweils [mm] oder [cm] mächtig gewesen sein müssten. Mächtigkeiten pro Ereignis größer 10 cm sind wohl extrem unwahrscheinlich.

Dazu kommt, dass in den Sedimentationspausen manches geschehen kann: chemische Umwandlun-gen infolge Durchfeuchtung und Verwitterung, in län-geren Pausen sogar die Besiedelung mit Vegetation, Bodenbildung mit Besiedelung von Boden-Organis-men, und damit einhergehend eine beginnende Ent-wicklung von charakteristischen Bodenhorizonten. So würden mit Humus angereicherter Oberboden (A-Ho-rizont) entstehen, mit weiterer Entwicklung Unterbo-den (B-Horizont), in dem Oxidation zu bräunlichen Verwitterungsfarben geführt hat (Bv). Reifere Böden könnten sich schließlich zu Parabraunerden entwi-ckeln, bei denen eine Auswaschung von Tonpartikel aus dem an Kalk verarmten Oberboden (Ae) in den noch kalkreich gebliebenen Unterboden (Bt) charakteristisch ist.

Diese bodenkundlichen Überlegungen mögen für manche erst mal unverständlich sein – doch tatsäch-lich sind Bodenbildungen die auffälligsten Zeugnisse, mit deren Hilfe eine Untergliederung von Löss-Abfolgen möglich ist. Merkwürdig ist allerdings, dass richtig dunkle, huminstoffreiche Oberböden fehlen, und dass selbst oberhalb einer Bodenbildung der nächste Lössabschnitt ohne eine merkliche Trennfuge einsetzt.

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15 Mehrere Meter mächtige Lössabfolge über Muschelkalk- und Keupergesteinen, Die Abfolge wird von mehreren, kräftiger gefärbten Paläoböden untergliedert. Steinbruch südl. Kleinrinderfeld, Exkursion Skowronek 2017.

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Wir stehen hier vor einem deutlichen Widerspruch zwischen dem, was wir auf den ersten Blick sehen, und unserem Erwartungshorizont, der eine Löss-Sequenz als Abfolge deutlich unterscheidbarer Lagen erwartet.

Das Ausbleiben klarer Trennflächen muss aber keine primäre Erscheinung sein. Wenn solche Trennfächen auf der einen Seite so bestimmt zu erwarten sind, dann aber doch nicht angetroffen werden, muss man darüber nachdenken, wie ein solcher Widerspruch möglicherweise aufzulösen wäre. Eine Hypothese wäre, das ursprünglich deutliche Schichtgrenzen spä-ter undeutlicher geworden sein könnten. Dieser Effekt ist bei vielen marinen Sedimenten gegeben: Bioturba-tion kann dort zu einer Verwischung sedimentärer Ge-füge führen. Tatsächlich kann aber auch Boden-bildung einen solchen Effekt verursachen: auch hier arbeiten Organismen an der Durchmischung des Sub-strats, und das mit keineswegs geringerem Effekt. Entschichtung eines ursprünglich geschichteten Gefüges ist eines der markantesten Kennzeichen von

Paläoböden – eine Erscheinung, die uns schon bei einigen Exkursionen begegnet ist (Abb. 17).

Wir müssen uns also denken, dass Löss Lage für Lage auf einen mit Kräutern bewachsenen Boden abgesetzt wurde (freundliche Mitteilung Wolfgang Schirmer bzw. [1]). Dabei wird es sich um Spezies handeln, wie wir sie heute in der Tundra antreffen. Wurde die Vegetations-Decke von neuem Löss eingehüllt, sind die Pflanzen in ihrem Wachstum dieser Erhöhung des Substrats gefolgt. Das waren in der Regel Beträge von [mm] oder höchstens wenigen [cm]. Tiefere durchwurzelte Bereiche sind abgestorben, der nächste, jüngere Wurzelhorizont hat sich entsprechend nur ein wenig weiter nach oben verschoben. So gesehen ist Löss eine Ablagerung, in deren Verlauf die Bodenbildung mit der Sedimentation Schritt halten konnte und mit nach oben gewandert ist.

Erst wenn die Staubsturm-Ereignisse nachgelassen hatten oder die Ausbreitung der Vegetationsdecke die Entstehung von Staubstürmen unterband, konnte sich ein Boden von einem stationären Niveau aus entwi-

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16 Lösswand mit Paläoböden (markierte Abschnitte, der mittlere Paläoboden ist relativ schwach ausgeprägt). Böschungsaufschluss westl. Holzkirchhausen Exkursion Skowronek 2017.

17 Paläoboden (PB) im Oberen Burgsandstein. Die Grenze zum noch gut geschichteten Sediment (S) ist nicht ganz scharf.Steinbruch an der Straße Kirchaich-Lembach, 2010.

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ckeln und sich dabei auch zur Tiefe hin erweitern. Diese an Staubstürmen armen Zeiten waren in der Regel von Erwärmung geprägt, was zugleich die Bodenbildungs-Aktivität erhöhte.

Was bleibt, ist die Verwunderung über fehlende fossi-le Zeugnisse der Vegetation und der Mangel an Res-ten dunkler Humusanreicherungen. Doch die Gefüge-eigenschaften des Löss – hohe Interpartikel-Porosität und damit reichlich verfügbarer Sauerstoff –begünsti-gen den Abbau organischer Substanz. So sind die Spuren des einst allgegenwärtigen Kraut- und Wurzel-Geflechts nahezu völlig verschwunden. Diese ehemalige Durchwachsung ist zugleich aber ein wei-terer Grund für die positiven Gefügeeigenschaften des Löss. Diese guten Bodeneigenschaften sind so auch der nach-kaltzeitlichen Welt zugute gekommen: Löss bedeckt ca. 10% der Erdoberfläche, mit Schwer-punkt in den nördlichen Breiten. Dieses Erbe der Eiszeit kann damit einen wesentlichen Beitrag zur Ernährung der Menschheit leisten.

Diese und andere kognitiven Schwierigkeiten haben das Verständnis der Löss-Ablagerungen lange er-schwert. Das Drehbuch für diese Geschichte ist kom-plex und selbst für „normale“ Geologen nicht trivial. Angesichts dieser schwierig zu strukturierenden Erscheinungsweise ist es nicht verwunderlich, dass die äolische Natur der Lössablagerungen in unserer heutigen, weithin von Vegetation eingenommenen Welt so lange im Dunkel blieb. Erst Ferdinand von Richthofen (1833-1905) hat in Anschluss an eine China-Reise im Jahr 1877 den Ursprung des Löss als „Steppenstaub“ herausgestellt und damit Recht behalten [2].

Anhand der datierbaren Paläoböden lässt sich die Ablagerungsrate des Löss relativ gut einschätzen. Eine Studie hat für die Region am Rande des Ober-rhein-Grabens (Nussloch südlich Heidelberg) für den jüngeren Abschnitt der letzten Kaltzeit (Würm) Sedi-mentationsraten von 1-1,2 m/1000 Jahre kalkuliert [3], und das über einen Zeitraum von über mehr als zehn Jahrtausende hinweg. So paradox es klingen mag – nicht immer war die Luft so gut wie heute!

An dieser Stelle sind wir dankbar, dass es in der Geo-logischen Abteilung der NHG Nürnberg mit Wolfgang Schirrmer und Armin Skowronek gleich zwei in Hin-blick auf den Löss kundige Geowissenschaftler gibt – dieses Kapitel hat von deren Erfahrung kräftig profi-tieren können.

[1] Schirmer (2017) im Handbuch der Bodenkunde, 43 Ergänz. Lfg. 2/17, S. 3.

[2] siehe:

https://www.scinexx.de/dossierartikel/herr-von-richthofen-faehrt-nach-china/

https://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_von_Richthofen

https://de.wikipedia.org/wiki/Löss

[3] Antoine, P. et al. (2009): Rapid and cyclic aeolian deposition during the Last Glacial in European loess: a high-resolution record from Nussloch, Germany. - Quaternary Science Reviews, 28, S. 2955-2973.

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18 Die wegen des Fundes der Venus von Willendorf berühmte Lösswand – ihr Fund stammt aus der Kulturschicht 9 (oben im Bild). Es ist bemerkenswert, dass die Region nahezu durchgehend besiedelt war und die Menschen der Bildung des Löss tatsächlich beigewohnt haben – wahrscheinlich mussten sie den einen oder anderen Staubsturm in ihren Zelten oder geborgen unter Tierfellen aussitzen...

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Flugsand und Dünen

Flugsand und Dünen sind ebenfalls vom Wind verlagertes Sediment. Im Unterschied zur Bildung des Löss folgt die Entstehung dieser Sedimente wieder einem relativ einfachen Drehbuch. Selbst jene, die noch nicht in der Wüste waren, können sich die Entstehung von Dünen gut vorstellen. Zudem können wir das Sediment schon mit bloßem Auge erkennen und die Wirkung des Windtransportes auf die Gestalt der Körner wahrnehmen.

Der Umstand, dass wir hier bei uns auf Dünen treffen, ist aber auch ein deutliches Zeichen dafür, dass noch vor relativ kurzer Zeit andere Umweltverhältnisse geherrscht haben müssen. Die Dünen sind ja nicht nur als unförmige Reste von Sand-Akkumulationen erhalten, sondern in ihrer Form auch noch gut erkenn-bar. Wie lange dauert es, bis Wind und Wetter eine Düne unkenntlich machen können? Hier wird es von großer Bedeutung sein, ob die Sandanhäufung Schutz vor Zerstörung erhält. Die größte Zerstörung dürften Abschwemmungen infolge von Starkregen anrichten. Eine schützende Vegetationsdecke kann solche Attacken nahezu wirkungslos werden lassen.

Die Quarzkörner der Dünen und Flugsandfelder stam-men, wie die der bereits diskutierten Flussablagerun-gen, erneut im wesentlich von den Sandsteinen des Keupers. Die Lage der Dünen am Fuß der Frankenalb zeugt von anhaltend aus dem Westen kommenden Winden sowie auch davon, dass der größte Teil der äolischen Sedimentlast vor dieser morphologischen Hürde abgeladen wurde [1].

Die Gestalt der Quarzkörner unterscheidet sich merk-lich von den im Fluss transportierten. Die Rundung ist deutlicher ausgeprägt, die Oberflächen sind matt. Die-se Eigenschaften wurden bei dem über den Boden rollenden und springenden Transport und den zahlrei-chen Kollisionen mit benachbarten Quarzkörnern ver-ursacht (Abb. 21) – offensichtlich ein raueres Regime wie am Boden eines Flusses. Diese Erkennungs-merkmale sind zuverlässig und vor allem dann eine große Hilfe, wenn es um die genetische Beurteilung von Sand-Akkumulation im Gelände geht.

Der helle Sand, der uns in den Flugsandbereichen und Dünen zwischen den oft nur dünnen dunklen Humusauflagen der lichten Kiefernwälder entgegen leuchtet, ist allerdings nur teilweise dem Abrieb beim Windtransport zu verdanken.

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19 Die Düne von Erlenstegen am Nordrand von Nürnberg. Derart frei von Vegetation hätte diese Geländeform wohl nicht die mehr als 10.000 Jahre seit ihrer Entstehung überdauert. Ihr heute freigelegter Zustand wird durch regelmässige Entbuschungs-Massnahmen (Bund Naturschutz) bewahrt.

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Bodenprofile zeigen, dass unter dem Nadelwald zumeist ausgeprägte Podsol-Böden entwickelt sind: die im Oberboden gebildeten Huminsäuren lösen das Eisen von den Quarzkörnern ab und führen es nach unten, wo es dann wieder abgeschieden wird: so wird der weiße, entfärbte Sand wiederum von einer beson-ders kräftig gefärbten Bodenschicht unterlagert.

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21 1 Rollen (Reptation) – 2 Springen (Saltation) – 3 Schweben (Suspension) – Quelle Wikipdia [2]

20 Quarzkörner von der Düne von Erlenstegen. Gute Rundung, gute Sortierung der Korngröße und matte Oberflächen sind zuverlässige Merkmale von Flugsanden.

22 Podsol-Profil Erlenstegen: gebleichter Sand unter dunkler Humuslage

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23 Gut gerundeter, sekundär im Boden gebleichter Flugsand im Kiefernwald. Erlenstegen

24 Umgepflügter Podsol über Flugsand – Umgebung Neumarkt

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Die Flugsandflächen und Dünengebiete haben trotz ihrer fehlenden Kornbindung mehr als 10.000 Jahre überlebt. Das war unter dem Schutz einer von Wald gebildeten Vegetationsdecke möglich. Ein weiterer, für diese Stabiltät bedeutender Faktor ist ihre Position in reliefarmen Landschaftssegmenten, die ein Aufrei-ßen der Vegetationsdecke weitgehend verhinderte. Erst mit den mit der Besiedelung einher gehenden Rodungen ist die Mobilisierung von Sediment durch Wind und Wasser wieder bedeutend aktiviert worden.

[1] Habbe, K.A. (1997): Die äolischen Sandablagerungen vor dem Stufenhang der Nördlichen Frankenalb – Probleme, Beobachtun-gen, Schlußfolgerungen. - Mitteillungen der Fränkischen Geogra-phischen Gesellschaft 44, S. 1-74.http://fgg-erlangen.de/fgg/ojs/index.php/mfgg/article/viewFile/132/119

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Saltation

Exkursionen in Google Earth Google Earth kann jetzt auch ohne installierte Programmversion in Internet-Browsern wie Google Chrome oder Mozilla Firefox als Online-Version gestartet werden:https://www.google.com/intl/de_de/earth/

(1) Es erscheint die Startseite, dort Earth startenanklicken – der Programmstart kann dann etwas dauern(2) in „Suchen“ (Icon „Vergrößerungsglas“) kann dann nach Orten gesucht oder auch Orts-Koordinaten eingegeben werden – siehe unten(2.1.) Beachten Sie dabei die Möglichkeit, im Bildschirm rechts unten zwischen 3D- und 2D-Ansicht hin und her Schalten zu können!(2.2.) Mit Klick auf die Kompassnadel kann die Ansicht eingenordet werden.

Orts-Koordinaten für Google Earth(beide mit einer Markierung zusammengefasstkopieren und in Google Earth Suche - Icon „Vergrößerungsglas“ – kopieren, dann Return-Tasteoder erneut „Vergrößerungsglas“ klicken -gegebenenfalls +/- hinein- oder herauszoomen

Fürth: Pegnitz + Rednitz = Regnitz49.486852°, 10.986590°

Erlangen, Altwasser Alterlanger See49.600915°, 10.990702°

ehemalige Pralhänge südlich Oberndorf49.619078°, 10.994117°

Altwässer Oberndorf49.629881°, 11.000693°

Düne Erlenstegen49.488097°, 11.136448°

Schwarzach-Schlucht, Ende am Brückkanal49.353921°, 11.206695°

Scablands USA, Harlen Bretz47.249629°, -117.971457°

FORUM

An dieser Stelle könnten ab der folgende Ausgaben die Fragen und Beiträge von Teilnehmern diskutiert werden…. Bitte kommunizieren Sie mit mir über Email: [email protected]

DEMNÄCHST (ca. 10-Tage-Rythmus, ohne Gewähr)

2020-2Der geologische Blick: Diskordanzen aller Art und ihre Bedeutung zur Gliederung der Erdgeschichte

2020-3Granit-Täler in NO-Bayern – Granitküsten und Landhebung in Skandinavien

2020-4Kreide-Küsten – Zerfall im Zeitraffer(Ostsee, Normandie)

2020-5Lias-Tonstein-Küsten in Süd-EnglandKonkretiionen in Tonsteinen

2020-6Migmatite (Mischgesteine) und ihre gar nicht so rätselhaftem MusterDer Granit von Skeppshamn und seine Migmatit-Einschlüsse: Späte Erkenntnis

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Die letzte Geologie-Exkursion ist nun schon ein ganze Weile her. Im Oktober 2019 hatten wir in Adorf Quartier und – unter anderem – auch den Geopark Grenzwelten erkundet. Irgendwie haben wir schon damals virtuelle Exkursionsziele wahrgenommen – hier die Bruchhauser Steine in einem Cafe: so gehts auch.- Foto W. Herbst