Liebe Leserin, lieber Leser, - bender gruppe · 2018. 4. 20. · nach bestem Wissen und...

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die onkologische MRT-Diagnostik der Lymphknoten mit USPIO eröffnet neue Perspektiven für fokussierte und individualisierte Therapiekonzepte. Die neue Ausgabe von VISIONupdate gibt Ihnen einen Überblick über die aktuellen und künftigen diag- nostischen Optionen und Therapieansätze. Lesen Sie außerdem, wie die automatisierte Diagnostik Ärzte bei ihrer täglichen Arbeit entlasten kann, und wie die innovative Hyperpolarisations-MRT die radiologische Landschaft künftig entscheidend verändern könnte. Schließlich finden Sie in die- sem Newsletter eine spannende Bestandsaufnahme des neuen Miteinanders von Radiologie und Viszeralmedizin. Viel Freude bei der Lektüre Ihre bender gruppe Ausgabe N o 5, MAI 2017 Liebe Leserin, lieber Leser, FORSCHUNG FORSCHUNG & TECHNIK KONTRASTMITTEL THERAPEUTISCH MAMMA & KONTRASTMITTEL KONTRASTMITTEL DIAGNOSTISCH PROSTATA INTERDISZIPLINÄR RADIOLOGIE MEETS VISZERALMEDIZIN Inhalt BILDGEBENDE DIAGNOSTIK: DER COMPUTER IST BESSER ALS DER MENSCH VORSTOSS IN DEN SUBMILLIMETERBEREICH ABRECHNUNG MIT DEM PROSTATAKARZINOM DAS NEUE MITEINANDER VON RADIOLOGIE UND VISZERALMEDIZIN „DEM LEBEN BEI DER ARBEIT ZUGUCKEN“ DAS ZIEL VOR AUGEN, DIE LYMPHKNOTEN IM VISIER KOMMT DIE RENAISSANCE DER USPIO-MRT BEIM MAMMAKARZINOM? S.2 S.3 S.6 S.9 S.5 S.7 S.10 Impressum Herausgeber Dr. Timo Bender b.e.imaging gmbh Dr.-Rudolf-Eberle-Str. 8-10 76534, Baden-Baden Redaktion European Hospital Verlags GmbH, Essen www.healthcare-in-europe.com Layout skrober.de Hinweis Der Inhalt des Informationsservices ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt wor- den. Die Komplexität und der ständige Wandel in der in ihm behandelten Rechts- materie machen es jedoch notwendig, Haftung und Gewähr auszuschließen. VISIONupdate® gibt nicht in jedem Fall die Meinung der b.e.imaging gmbh wieder. ISSN 2199-7039

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  • die onkologische MRT-Diagnostik der Lymphknoten mit USPIO eröffnet neue Perspektiven für fokussierte und individualisierte Therapiekonzepte. Die neue Ausgabe von VISIONupdate gibt Ihnen einen Überblick über die aktuellen und künftigen diag-nostischen Optionen und Therapieansätze. Lesen Sie außerdem, wie die automatisierte Diagnostik Ärzte bei ihrer täglichen Arbeit entlasten kann, und wie die innovative

    Hyperpolarisations-MRT die radiologische Landschaft künftig entscheidend verändern könnte. Schließlich finden Sie in die-sem Newsletter eine spannende Bestandsaufnahme des neuen Miteinanders von Radiologie und Viszeralmedizin.

    Viel Freude bei der LektüreIhre bender gruppe

    Ausgabe No 5, MAI 2017

    Liebe Leserin, lieber Leser,

    FORSCHUNG

    FORSCHUNG & TECHNIK

    KONTRASTMITTEL THERAPEUTISCH

    MAMMA & KONTRASTMITTEL

    KONTRASTMITTEL DIAGNOSTISCH

    PROSTATA INTERDISZIPLINÄR

    RADIOLOGIE MEETS VISZERALMEDIZIN

    Inhalt

    BILDGEBENDE DIAGNOSTIK: DER COMPUTER IST BESSER ALS DER MENSCH

    VORSTOSS IN DEN SUBMILLIMETERBEREICH

    ABRECHNUNG MIT DEM PROSTATAKARZINOM

    DAS NEUE MITEINANDER VON RADIOLOGIE UND VISZERALMEDIZIN

    „DEM LEBEN BEI DER ARBEIT ZUGUCKEN“

    DAS ZIEL VOR AUGEN, DIE LYMPHKNOTEN IM VISIER

    KOMMT DIE RENAISSANCE DER USPIO-MRT BEIM MAMMAKARZINOM?

    S.2

    S.3

    S.6

    S.9

    S.5

    S.7

    S.10

    Impressum

    HerausgeberDr. Timo Benderb.e.imaging gmbhDr.-Rudolf-Eberle-Str. 8-10 76534, Baden-Baden

    RedaktionEuropean Hospital Verlags GmbH, Essenwww.healthcare-in-europe.comLayout skrober.de

    Hinweis Der Inhalt des Informationsservices ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt wor-den. Die Komplexität und

    der ständige Wandel in der in ihm behandelten Rechts-materie machen es jedoch notwendig, Haftung und Gewähr auszuschließen.

    VISIONupdate® gibt nicht in jedem Fall die Meinung der b.e.imaging gmbh wieder.

    ISSN 2199-7039

  • 2Ausgabe No 5 / Mai 2017www.bendergruppe.com

    Bereits 2016 haben wir das Projekt ‚Automation in Medical Imaging‘ (AMI) vorgestellt. Welche Fortschritte gibt es? Zusammen mit der Diagnostic Image Analysis Group (DIAG) in Nijmegen entwickeln wir eine selbstlernende Software, die tatsächliche klinische Probleme lösen soll. Erst vor wenigen Wochen haben wir unser Halbzeit-Meeting mit Vertretern aus Industrie und Forschung durchgeführt. Dort haben wir aktuelle Ergebnisse sowie Markt-potenziale vorgestellt. Das Interesse an diesem Projekt ist enorm. Zur Verhandlung steht alles von der Lizensie-rung über den Verkauf von Lösungen bis hin zur Aus-gründung eines eigenen Unternehmens. Wir können kaum die Anfragen befrie-digen, die wir von überall her bekommen.

    Woran liegt das große Interesse an künstlicher Intelligenz? Wann immer Forscher fest-stellen, dass der Computer dem Menschen unterlegen ist, stecken sie ihre volle Energie hinein, um nachzu-weisen, dass der Computer es am Ende auch kann. Mittlerweile sind Compu-ter in vielen Domänen auf dem Weg, schneller und genauer zu urteilen als wir Menschen. Das gilt nicht nur für die Medizin. Com-puter erlernen heute Fähigkeiten, die bis vor kurzer Zeit noch unvorstellbar waren. So können sie kreativ sein, lügen oder Humor zum Ausdruck bringen. Auch können sie inzwischen dichten oder Musik komponieren.

    Manches davon funktioniert inzwischen beim Computer so gut, dass wir seine Leistungen nicht mehr von denen des Menschen unterscheiden können. Der Computer blufft beim Pokern besser als der Mensch; er kann sogar ein echtes von einem fal-schen Lachen präziser unterscheiden, natürlich nur auf Bildern, die Computern und Menschen zum Vergleich vorgelegt werden und die sonst keinen Kontext liefern. Menschen sind nicht so

    Bildgebende Diagnostik: Der Computer ist besser als der Mensch

    FORSCHUNG

    Viele Mediziner sind zunehmend mit den Massen an Daten, die sie zu bearbeiten haben, hoffnungslos überfor-dert. Daher arbeiten Expertenteams aus Industrie und Forschung an Lösungen, um die Flut der immer komplexer werdenden medizinischen Daten automatisiert zu erkennen und auf dieser Grundlage Unterstützung bei der Diagnosefindung zu leisten. Für den Fraunhofer MEVIS-Forscher Dr. Markus Harz ist das Interesse an Ansätzen zur automatischen Bilderkennung keineswegs überraschend: „Dank Deep-Learning-Methoden befinden wir uns in einer neuen Zeit von automatisierter Diagnostik und sie kommt gerade zur rechten Zeit.“

    gut darin, ein statisches Gesicht zu beurteilen. Wir brauchen dafür Kontext und Mimik.

    Gibt es heute schon Fälle, bei denen der Computer Auffäl-ligkeiten entdeckt, die dem Radiologen entgehen und die er dann auch einordnen kann?Unsere Kollegen in Nijmegen haben eine Studie durchgeführt,

    bei der 13 Experten in Lun-gen-CTs Läsionen suchen und klassifizieren sollten. Die gleiche Aufgabe haben sie einem Computer ge-stellt. Im Ergebnis war der Computer besser als jeder der einzelnen Experten. Damit ein solches Ergebnis zustande kommt, muss der Computer Entscheidungen besser getroffen haben als der Mensch. Entweder haben die Experten Dinge übersehen oder sie haben, was sie sahen, falsch beur-teilt. Der Computer konnte es in dieser Aufgabenstel-lung besser als der Mensch. Das führt manche Experten zu der Vorhersage, dass zukünftig die Diagnose von Tumoren eine Aufgabe des Computers sein könnte, selbstverständlich mit abschließender Validierung durch den Radiologen.

    Wo sehen Sie die Grenzen der automatisierten Diagnostik?Grundsätzlich sind mit Deep-Learning-Methoden gefütterte Computer derzeit noch sehr schlecht darin zu abstrahieren, also beispielsweise Erkenntnisse von einer Domäne auf eine andere zu übertragen. Auch können sie bislang nur in sehr wenigen Fällen Konzepte erlernen und übertragen. Darum brauchen sie viel mehr Beispiele als Menschen, um das Gleiche zu erlernen.

    Eine weitere Grenze liegt dort, wo dem Computer das Vorwis-sen oder der Kontext fehlt. In einem hypothetischen Szena-rio, bei dem der Computer alle Information wie Geschlecht, Alter, Laborwerte, Patienten- und Familienhistorie digital zur

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  • 3Ausgabe No 5 / Mai 2017www.bendergruppe.com

    Verfügung hat, sehe ich wichtige Grenzen beim Patientenein-verständnis und der Aufarbeitung der Daten. Denn lege ich die Daten einfach nur ab, reicht das nicht aus, um Computer-unterstützung zu generieren. Die Daten müssen nach Erkennt-niszielen aufarbeitet werden, es bedarf vieler Datensätze und angereichertem Mehrwissen, damit es funktioniert. Das geht bislang nicht automatisch und wird noch lange ein limitieren-der Faktor sein. Doch sobald Menschen dem Computer auch diese Informationen zugänglich gemacht haben werden, wird er auch dabei sicherere Entscheidungen treffen können. Die Vorhersage ist also klar: Der Computer wird irgendwann auf der kognitiven Ebene alles können, was der Mensch auch kann - nur besser und schneller.

    „Vereinfacht ausgedrückt, will es eine Laune der Natur, dass sich manche Atomkerne so verhalten, als hätten sie eine kleine Kompassnadel. Aufgrund ihres Kern-spins gibt es Vorzugsrichtungen in einem Magnetfeld, ähnlich einer Kompassnadel im Erdmagnetfeld. Durch eine Anregung von außen können diese ausgelenkt werden. Nachdem die Anregung vorüber ist, werden durch die Kernspin wiederum schwache Radiosignale ausgesendet, die gemessen werden können“: Mit diesen Worten erklärt PD Dr. Jan-Bernd Hövener, Emmy-Noether-Forschungsgruppenleiter in der Klinik für Ra-

    diologie – Medizinphysik des Universitätsklinikums Freiburg, das Prinzip der Magnetresonanztomographie (MRT). Das Problem dabei: „Diese atomaren Kompassnadeln sind so schwach, dass sie von der Wärme hin- und hergeworfen werden. Die Ausrich-

    Dr. Markus Harz ist Informatiker und arbeitete sechs Monate lang in einem

    Brustkrebszentrum in den USA und

    hat seinen Arbeitsplatz derzeit in der

    Radiologischen Abteilung eines großen

    Krankenhauses in Hamburg, wo er an

    Deep-Learning-basierten Methoden zur

    Unterstützung der Radiologie forscht.

    Dr. Harz verfügt nicht nur über umfang-

    reiche Kenntnisse in der klinischen Praxis, sondern bringt auch

    sieben Jahre Erfahrung im Projektmanagement und zehn Jahre

    Erfahrung in der Analyse medizinischer Bildgebungsdaten mit. In

    seiner Dissertation entwickelte Dr. Harz Methoden für die Com-

    puterunterstützung komplexer bildgebungsbasierter klinischer

    Aufgaben.

    „Dem Leben bei der Arbeit zugucken“

    FORSCHUNG & TECHNIK

    Mittels Hyperpolarisations-MRT, die um ein Vielfaches sensitiver ist als die klassische Kernspintomographie, lassen sich Stoff-wechselvorgänge im Organismus abbilden. Ein Forschungsteam aus Deutschland hat das Verfahren nun wesentlich vereinfacht.

    Schematischer Aufbau der neuen Technologie zur Herstellung von magne-

    tisch markierten 13C-Kontrastmitteln, die vollständig im MRT untergebracht

    sind (a,b). Die so hergestellten Kontrastmittel können direkt appliziert (c)

    und mit Routine MRT-Bildern überlagert werden (d-f).

  • 4Ausgabe No 5 / Mai 2017www.bendergruppe.com

    tung in eine Vorzugsrichtung ist so schwach, dass wir im Ma-gnetfeld der Erde nur wenige Milliardstel beobachten können. Das ist in etwa so, als würden Sie von allen Menschen auf der Erde nur einen sehen “, wie Hövener betont. „Da steckt noch ein gewaltiges Potential, das wir für die Diagnostik nutzbar machen wollen. Selbst moderne MRTs „sehen“ nur wenige Millionstel, von dem was da eigentlich ist“. Er und seine Gruppe gehören zu den Forschern, die daran arbeiten, die MRT um ein Vielfaches empfindlicher zu machen. Dieses neue Verfahren nennt sich Hyperpolarisations-MRT. Bei der Hyperpolarisations-MRT wird die Ausrichtung der Kernmagnete künstlich so stark erhöht, dass eine vieltausendfache Signalverstärkung entsteht. Dieses magnetisch markierte (hyperpolarisierte) Kontrastmittel wird in

    den Körper eingebracht und sendet von dort Signale aus, die wesentlich stärker sind, als sie bei einer klassischen MRT mög-lich wären. Auf diese Weise lassen sich in Echtzeit molekulare Vorgänge detektieren. Den Weg von Molekülen in vivo nachzu-verfolgen bedeutet nichts anderes, als Stoffwechselvorgänge abzubilden. „Das Versprechen der Hyperpolarisierung ist, dass man dem Leben an sich beim Arbeiten zugucken kann“, erklärt Hövener. Natürlich können auch krankhafte Stoffwechselvor-gänge abgebildet werden, etwa bei Krebserkrankungen.

    Bislang werden flüssige hyperpolarisierte Kontrastmittel vornehmlich mit der sogenannten dynamischen nuklearen Polarisierung (DNP) hergestellt. Den Doktoranden Berner und Schmidt in der Hövener-Gruppe ist es gelungen, diese sehr aufwändige Herstellung von Kontrastmitteln – so ist ein teures externes Gerät vonnöten – extrem zu vereinfachen. In dem sogenannten SAMBADENA-Verfahren werden Biomoleküle – genauer gesagt: das im Molekül enthaltene Kohlenstoffisotop C13 – in einer kleinen Reaktionskammer direkt im MRT-Gerät mit Parawasserstoff zusammengeführt und auf diese Weise hyperpolarisiert. So ist es möglich, die Injektionslösung mit dem Kontrastmittel innerhalb weniger Sekunden direkt am Einsat-zort zu produzieren.

    „Wir arbeiten nun intensiv daran, SAMBADENA auf Biomole-küle anzuwenden, die natürlicherweise im Körper vorkommen, um deren Ab- oder Umbau in Echtzeit beobachten zu können“, berichtet der Experte. Da Krebszellen häufig einen veränderten Stoffwechsel aufweisen, könnte ein verstärkter oder vermin-derter Abbau des Kontrastmittels auf Tumorgewebe hindeu-ten. Dadurch ließen sich Metastasen früher detektieren und Tumore genauer charakterisieren. Ebenso möglich scheint es,

    anhand der Veränderung des Krebsstoffwechsels frühzeitig zu erkennen, ob eine Therapie anschlägt oder nicht. Als Anwen-dungsbeispiel nennt Hövener Pyruvat: Dieses Biomolekül wird zu Lactat verstoffwechselt. Dazu braucht es das Enzym Lac-tat-Dehydrogenase, das sich oft in erhöhten Mengen in Tumo-ren findet. Hyperpolarisiert man also Pyruvat und führt es dem Organismus zu, wird dies im Tumor verstärkt in Laktat umge-wandelt. So kommt man Konzentrationen von Lactat-Dehydro-genase, und damit möglichen Tumoren, auf die Spur.

    „Dieses Verfahren ist um viele Tausend mal sensitiver als die klassische MRT“, schwärmt Hönever: „Das ist wie eine visuelle Biopsie.“ Zwar ist die Halbwertszeit der polarisierten Kontrast-

    mittel – sie liegt im Bereich von mehreren zehn Sekunden – eher gering, doch glück-licherweise sind ausgerechnet Tumoren besonders schnell beim Verstoffwechseln. „Deshalb scheint die Hyperpolarisations-MRT eine geeignete Diagnosemethode für Tu-moren zu sein“, bekräftigt der Freiburger Wissenschaftler.

    Eigentlich ist ja die Stoffwechselbildgebung die Domäne der Positronen-Emissions-To-mographie (PET). Doch ein Konkurrenz-verhältnis zwischen diesen beiden Untersu-chungsmethoden besteht nicht, wie Hövener betont: „Hyperpolarisations-MRT und PET

    schauen beide auf den Stoffwechsel, aber von verschiedenen Seiten.“ Tatsächlich gibt es bereits erste Versuche, die beiden Verfahren miteinander zu kombinieren, um einen noch genau-eren Blick auf Stoffwechselvorgänge werfen zu können. Hier arbeitet Hövener mit dem Rigshospital in Copenhagen und der Technischen Universität München zusammen. Ziel ist die Anwendung dieser Methode im Menschen. Doch dies sei noch Zukunftsmusik, sagt der Freiburger Forscher.

    Die Originalarbeit wurde veröffentlicht in nature communications und ist frei verfügbar, https://www.nature.com/articles/ncomms14535

    Arbeitsgruppe Freiburg: www.hyperpolarization.net

    PD Dr. Jan-Bernd Hövener ist Emmy-Noether-Forschungsgruppenlei-

    ter in der Klinik für Radiologie – Me-

    dizinphysik des Universitätsklinikums

    Freiburg. Der Physiker mit den Schwer-

    punkten Metabolische und Molekulare

    MRT, biomedizinische und dentale An-

    wendungen der Magnetresonanz sowie

    Hyperpolarisierung ist auch Forscher im

    EU-gefördertem International Training Network EUROPOL und

    im Programm Radiotherapie und Bildgebung des Deutschen

    Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK). Hövene-

    ner, der 2014 mit dem Young Scientist Award in Medical Physics

    der International Union for Pure and Applied Physics ausge-

    zeichnet wurde, tritt demnächst eine Professur für translationale

    MRT an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel an. Andreas

    Schmidt und Stephan Berner sind wissenschaftliche Mitarbei-

    ter in seiner Gruppe und Physikdoktoranden an der Universität

    Freiburg.

    Die Arbeitsgruppe von Dr. Jan-Bernd Hövener in Freiburg vor dem Universitätsklinikum

    https://www.nature.com/articles/ncomms14535http://www.hyperpolarization.net

  • 5Ausgabe No 5 / Mai 2017www.bendergruppe.com

    Seit jeher war die bildgebende Diagnostik auf Größen-kriterien angewiesen, um einen Lymphknotenbefall sichtbar zu machen. Durch funktionelle Verfahren wie die Perfusions- und Diffusionsbildgebung konnte zwar die Diffe-renzialdiagnostik erheblich verbessert werden, dennoch blieb die Grundvoraussetzung, um eine ausreichende Bildauflösung zu erreichen, die Größenveränderung. „Das gilt zwar so nicht für die Positronenemissionstomografie, da das Bildsignal hier im Vergleich zur MRT tausendfach stärker ist“, räumt Prof. Dr. Stefan Schönberg, Direktor am Institut für Klinische Radiologie und Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Mann-heim, ein, „dennoch hat sich die Erwartung, mit spezifischen

    PET-Tracern in den Submillimeterbereich vorzudringen, nicht erfüllt. Die PET ist der MRT klar überlegen, wenn es um die Dig-nitätsbeurteilung von Lymphknoten geht, aber kleinste Herde von 1 bis 2 Millimetern aufzuspüren, schafft auch sie nicht.“

    Mit USPIO ist dieser Vorstoß nun gelungen. Dabei handelt es sich um ultrakleine superparamagnetische Eisenoxidpartikel (Ultrasmall SuperParamagnetic Iron Oxides), die als Kontrast-mittel injiziert werden. Dank ihrer ultrakleinen Größe können die Partikel in das Lymphsystem eindringen, wo sie von be-stimmten Zellen des Immunsystems in den Lymphknoten, den Makrophagen, aufgenommen werden. „Das Eisenoxid wird von den Makrophagen internalisiert und stellt sich im Bild schwarz dar“, erklärt Prof. Schönberg. „Dort, wo die Krebszellen das Lymphdrüsengewebe infiltriert haben und die Makrophagen nicht mehr am Werk sind, bleibt das Bild weiß. Dadurch kann eindeutig zwischen Nichtbefall (schwarz) und Befall (weiß) unterschieden werden.“

    Bisher ließen sich Lymphknotenmetastasen mithilfe der radiologischen Bildgebung erst dann detektieren, wenn sie eine gewisse Größe erreicht hatten. Beim Prostatakarzinom sind jedoch selbst kleinste maligne Zellabla-gerungen in den Lymphknoten ein entscheidender Faktor, der den Verlauf der Erkrankung bestimmt. Deshalb gehört es heute zur Standardbehandlung, die Lymphknoten im Zweifelsfall vorbeugend zu entfernen oder bei Risikopatienten zu bestrahlen. Mithilfe von Eisenkontrastmitteln, sogenannten USPIOs, ist es erstmals möglich, selbst kleinste lymphatische Tumorherde nachzuweisen.

    Vorstoß in den Submillimeterbereich

    USPIO aus Sicht des Radiologen

    KONTRASTMITTEL DIAGNOSTISCH

    Abbildung 1a und 1b. (a) 3-D Illustration der Beckengefäße und der mar-

    kierten Lymphknoten der MRT mit Ferumoxtran-10 vor Bestrahlung. Grüne

    Lymphknoten wurden als benigne eingestuft, für gelbe Lymphknoten wurde

    ein Verdachtsgrad von 3 ermittelt und für rote Lymphknoten ein Verdachts-

    grad von 4–5 (metastatisch). (b) Beispiel eines metastatischen Lymphkno-

    ten iliakal intern links mit einem Verdachtsgrad von 5. Links der metastati-

    sche Lymphknoten in der axialen T1-gewichteten VIBE-Sequenz, rechts der

    weiß erscheinende Lymphknoten ohne Ferumoxtran-10-Aufnahme in der

    axialen T2*-gewichteten Aufnahme.

    Abbildung 2. Bestrahlungsplanung zur bildgeführten Strahlentherapie

    der Prostataloge, der Anastomosenregion und Ferumoxtran-10 positiver

    Lymphknoten mit einer Höchstdosis von 60 Gy, nachdem Prostataloge und

    die gesamten Lymphabflusswege mit einer Dosis von 44 Gy bestrahlt wur-

    den. Coronare Ansicht links oben, sagittale Ansicht rechts oben, transversa-

    le Ansicht unten. Anschließend wurde die Bestrahlung der Prostataloge und

    der Anastomose bis zu einer Gesamtdosis von 71/75 Gy fortgesetzt.

    a

    b

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    Bekannt ist dieses einfache Prinzip bereits seit den 1990er Jahren. Damals fehlte es jedoch an den technologischen Vo-raussetzungen, um ≥ 2 Millimeter große Läsionen abbilden zu können. Erst Prof. Dr. Jelle Barentsz vom Radboud University Medical Center Nijmegen gelang es, an einem 3-Tesla-MRT bis in den Submillimeterbereich bei Lymphknoten des Beckens vorzudringen. Wobei man bei der USPIO-Untersuchung nicht länger von der Größe der Lymphknoten abhängig ist, sondern die pathophysiologischen Prozesse abbildet, die im Körper stattfinden.

    „Speziell beim Prostatakarzinom legen die Erkenntnisse, die wir aus der bisherigen Forschung gewonnen haben, nahe, dass es so etwas wie eine kritische Größe bei der Lymphkno-tenmetastasierung nicht gibt“, sagt der Radiologe Schönberg. „Das heißt, in dem Moment, wo es zu ersten Zellabsiedlungen kommt, ist die Krankheit bereits im vollen Gang.“ Mit USPIO besteht die große Hoffnung, diese Mikrometastasen zu erken-nen, um sie schonend und effektiv zu bekämpfen. Die ersten Behandlungsergebnisse scheinen sehr vielversprechend, es bedarf jedoch weiterer klinischer Prüfungen, um die Wirksam-keit der Methode zu untermauern.

    Dabei gibt es jedoch ein Problem: Das USPIO-Kontrastmittel steht zurzeit in Deutschland nicht zur Verfügung. Die Zulas-sungshürden der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMEA) sind hoch und für die Pharmaindustrie mit gewissen finanzi-ellen Risiken verbunden – zumal es sich um ein Kontrastmittel handelt, dessen Anwendung auf eine bestimmte Indikations-

    Operative und strahlentherapeutische Verfahren werden beim Prostatakrebs heutzutage gleichwertig einge-setzt. Doch während der lokal begrenzte Primärtumor durch eine radikale Prostatektomie komplett entfernt werden kann, gestaltet sich die Bekämpfung von Lymphknotenmetas-tasen als weitaus schwieriger. Denn im unmittelbaren Umfeld der Prostata befindet sich ein ganzes Netzwerk von Lymph-knoten, in das die Tumorzellen abwandern und sich ansiedeln können. Operativ lässt sich dem Befall kaum beikommen, meist sind es zwischen 10 und 15 Lymphknoten, die reseziert werden. Deshalb sind die Metastasen die Domäne der Radiotherapie.

    stellung beschränkt ist. Seit 2014 wird die Substanz jedoch von der Radboud Universität in Nijmegen in Eigenregie produziert. In einer Kooperation mit den Niederländern bereitet das Uni-versitätsklinikum Mannheim zurzeit eine prospektive Studie vor, um die Etablierung von USPIO weiter voranzutreiben, damit noch mehr Patienten von der diagnostischen Anwendung pro-fitieren können.

    Dieser Artikel basiert auf Informationen aus: Anja M. Weidner et al: Ferumoxtran-10 MR Lymphography for Target Definition and Follow-up in a Patient Undergoing Image-Guided, Dose-Escalated Radiotherapy of Lymph Nodes upon PSA Relapse, Strahlentherapie und Onkologie No. 3/2011, S. 206-212.

    Prof. Dr. Stefan Schönberg studierte Humanmedizin an der Ruprecht-Kar-

    ls-Universität in Heidelberg und ließ

    sich danach am Deutschen Krebsfor-

    schungszentrum (DKFZ) zum Radiolo-

    gen weiterbilden. 2001 wechselte er an

    das Institut für Klinische Radiologie an

    der Ludwig-Maximilians-Universität Mün-

    chen, wo er zunächst als Oberarzt und

    Leiter der MRT und später als geschäftsführender Oberarzt tätig

    war. Seit 2007 ist Schönberg Direktor des Instituts für Klinische

    Radiologie und Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Mann-

    heim. Er veröffentlicht vor allem über vaskuläre und abdominelle

    Bildgebung, funktionelle MRT und CT, Hochfeld-MRT und die

    onkologische Bildgebung. Ende Mai übernimmt er die Präsident-

    schaft der Deutschen Röntgengesellschaft.

    Das Prostatakarzinom ist die am meisten verbreitete Krebser-krankung von Männern in Deutschland. Seit fast drei Jahrzehn-ten nimmt die Häufigkeit von Prostatakrebs laut der Deutschen Krebsgesellschaft sogar zu. Diese Entwicklung geht vorwie-gend auf die verbesserten Methoden der Früherkennung zu-rück. Breitet sich der Prostatakrebs weiter aus, dann typischer-weise entlang der Nervenfasern in Lymphbahnen und -knoten. Deshalb spielt die Lymphknotendiagnostik bei der Therapie-planung eine wichtige Rolle. Erste Behandlungserfolge legen nahe, dass durch die USPIO-verstärkte Magnetresonanztomo-grafie die Heilungschancen verbessert werden können.

    USPIO aus Sicht des Strahlentherapeuten

    Das Ziel vor Augen

    KONTRASTMITTEL THERAPEUTISCH

    Abbildung 3a und 3b. (a) 3-D Illustration der Beckengefäße und der mar-

    kierten nicht metastatischen Lymphknoten der zweiten MRT mit Ferumox-

    tran-10 acht Wochen nach Bestrahlung. (b) Zweite MRT mit Ferumoxtran-10

    8 Wochen nach Strahlentherapie ohne Nachweis metastatischer Lymph-

    knoten entsprechend der Region in Abbildung 1b. Axiale T1-gewichtete

    VIBE-Sequenz links, axiale T2*-gewichtete Sequenz rechts.

    b

    a

  • 7Ausgabe No 5 / Mai 2017www.bendergruppe.com

    „Für die Planung der Bestrahlung ist es zunächst einmal wich-tig zu wissen, ob die Lymphknoten überhaupt befallen sind oder nicht“, betont Prof. Dr. Frederik Wenz, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsklinikum Mannheim. „Wenn keine Lymphknoten befallen sind, kann sich das Bestrahlungsvolumen auf die Prostata und die Samenblase beschränken, wodurch die Therapie sehr gut verträglich ist. Es gibt praktisch keine Nebenwirkungen. Gibt es Hinweise darauf, dass die Lymphknoten ebenfalls befallen sind, dann müssen wir das Bestrahlungsvolumen deutlich ausdehnen, sodass auch gesundes Gewebe wie der Darm, Nerven und Gefäße im kleinen Becken mitbestrahlt werden. In diesem Fall spüren die Patienten Belastungen durch die Therapie wie beispielsweise gastrointestinale Beschwerden.“ Der Grund, warum weiträumig bestrahlt werden muss: Man weiß, dass die Metastasen da sein müssen, man sieht sie aber nicht. Diagnostische Früherkennungsmaßnahmen wie der PSA-Test weisen auf eine fortgeschrittene Erkrankung und das Vorhandensein von Metastasen hin, bildgebende Verfahren wa-ren aber bisher nicht in der Lage, diese darzustellen und damit auch genau anzuzeigen, wo die Miniherde sitzen. „Diese diagnostische Wissenslücke wird die USPIO-verstärkte MRT aller Voraussicht nach schließen“, mutmaßt Wenz. Die Sensitivität der MRT wird durch die ultrakleinen, superparama-gnetischen Eisenoxidpartikel signifikant verstärkt, sodass sich selbst kleinste maligne Zellabsiedlungen detektieren lassen. Im Universitätsklinikum Mannheim wird die Methode bereits einge-setzt, wenn auch nur sehr eingeschränkt. Denn das Kontrast-mittel ist in Deutschland nicht zugelassen. Einzig bei Prof. Jelle Barentsz am Universitätsklinikum Nijmegen in den Niederlan-den wird die Substanz momentan hergestellt. Das heißt, auch die USPIO-Untersuchung der Mannheimer Patienten erfolgt in Nijmegen. „Deswegen suchen wir die Patienten sehr sorgfältig aus“, erklärt der Strahlentherapeut. „Es profitieren vor allem diejenigen von der USPIO-verstärkten MRT, bei denen das

    Bei der auffälligen Konstellation eines nicht suspekten Tastbefundes der Prostata mit zugleich erhöhtem PSA-Wert, ist es Aufgabe des Urologen eine weitere Abklärung durchzuführen. „Das prostataspezifische Antigen gibt generell Auskunft über den Gesundheitszustand der Prostata. Die Biopsie soll dann je nach Höhe des Wertes zu dem histologischen Nach-weis von Prostatakrebs führen“, erläutert Henkel. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Radiologe im Allgemeinen an den Untersuchun-gen nicht beteiligt. Bei der weiteren Ausschlussdiagnostik kommt er allerdings ins Spiel, denn er kann mittels multiparametrischer MRT die Verdachtsareale präziser lokalisieren und folglich eine bessere Detektionsrate erreichen. „Der Radiologe ergänzt mit neuen bildgebenden Verfahren die vom Urologen durchgeführte systematische Biopsie“, so Henkel.

    Der PSA-Wert ist nur ein IndizEin großer Vorteil der multiparametrischen MRT ist, dass die für den Patienten unangenehme Biopsie effizienter und vor allem zielgerichteter durchgeführt werden kann. Das Problem dahinter: Der PSA-Wert ist kein zuverlässiger Indikator für das Prostata-karzinom und lässt einigen Interpretationsspielraum zu. „Zwar gibt der PSA-Wert genauere Auskunft über die Aktivitäten des Prostatagewebes, allerdings produzieren sowohl gutartige als auch bösartige Zellen in der Prostata PSA“, führt der Urologe aus. Und da Krebszellen vermehrt PSA produzieren, schließt man bei erhöhtem Wert auf ein Karzinom. „Dies ist jedoch lediglich ein Verdachtsmoment, der weiter verifiziert werden muss, um insbesondere Entzündungen der Prostata und damit Fehldiagno-sen auszuschließen“, so Henkel.

    Therapieregime von dieser einen Information – Lymphknoten-befall, ja oder nein – abhängt. Die diagnostischen Bilder werden dann in Nijmegen angefertigt und die Therapie in Mannheim durchgeführt. Wir können so ganz gezielt nur die Lymphknoten bestrahlen, die nachweislich von Metastasen befallen sind.“ Durch die Kooperation mit Nijmwegen konnten die Mann-heimer über die letzten Jahre bereits einige Erfahrungen mit USPIO sammeln. Dabei zeichnet sich ab, dass die fokussierte Radiotherapie beim Prostatakarzinom der nicht-fokussierten Bestrahlung überlegen zu sein scheint. Während die Patienten, die auf Verdacht großvolumig bestrahlt wurden, keinen sig-nifikanten Lebensvorteil hatten, wiesen die Patienten, die vor einer Bestrahlung mit USPIO diagnostiziert wurden, ein langes rezidivfreies Überleben auf.

    Dieser Artikel basiert auf Informationen aus: Anja M. Weidner et al: Ferumoxtran-10 MR Lymphography for Target Definition and Follow-up in a Patient Undergoing Image-Guided, Dose-Escalated Radiotherapy of Lymph Nodes upon PSA Relapse, Strahlentherapie und Onkologie No. 3/2011, S. 206-212.

    Professor Dr. med. Frederik Wenz ist seit 2014 Direktor der Klinik für Strah-

    lentherapie und Radioonkologie Mann-

    heim und außerdem Ärztlicher Direktor

    und Geschäftsführer der Universitäts-

    medizin Mannheim. Wenz ist zudem C4

    Professor für Strahlentherapie an der

    Medizinischen Fakultät Mannheim der

    Universität Heidelberg. Er entwickelte

    das Operationsverfahren der Kypho-IORT, ein Meilenstein in der

    Wirbelsäulenkrebstherapie. Seine akademischen Schwerpunkte

    sind innovative Bestrahlungstechniken, für die er mehrfach aus-

    gezeichnet wurde und Radiobiologische Grundlagenforschung.

    Er ist Herausgeber von vier Lehrbüchern und unzähligen Publika-

    tionen sowie Promotionsschriften und Habilitationen.

    Die multiparametrische MRT hat den großen Vorteil, dass sie Verdachtsareale bei Prostatakarzinomen spezifisch ein-grenzt und damit eine präzise Grundlage für die Fusionsbiopsie legt. Doch Urologen und Radiologen stehen bei der Ab-rechnung dieser Untersuchungsmethoden vor einem Problem, denn der offizielle Leistungskatalog der gesetzlichen Kran-kenkassen bildet diese nicht ab. „Für beide Seiten muss ein Anreiz geschaffen werden, diese neuen Methoden zukünftig stärker in die Diagnostik einzubinden“, ist Dr. Thomas Henkel, Gemeinschaftspraxis „Ihre Urologen“, Berlin, überzeugt.

    Abrechnung mit dem Prostatakarzinom

    PROSTATA INTERDISZIPLINÄR

  • 8Ausgabe No 5 / Mai 2017www.bendergruppe.com

    Neue Methoden stellen vor AbrechnungsproblemeSeit vielen Jahren gibt es in der Wissenschaftsgemeinde Aus-einandersetzungen über die Aussagekraft des PSA-Wertes, was unter anderem dazu geführt hat, dass die Krankenkassen die Kosten für diesen Test nicht übernehmen. Auch die multi-parametrische MRT steht als Untersuchungsmethode nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen und kann von Radiologen in der Folge auch nicht adäquat abgerechnet wer-den. Anders ist das nur bei Privatpatienten, bei denen die Kassen die Kosten für die multiparametrische MRT übernehmen. „Der

    gesetzliche Kassenpatient hat derzeit nur die Möglichkeit, als Selbstzahler für diese Untersuchung aufzukommen“, so Henkel.

    Dabei liegen die Vorteile der neuen Methode auf der Hand, denn mit ihrer Hilfe kann der Radiologe anhand der PIRADS-Klassifika-tion das Verdachtsareal so präzise eingrenzen, dass der Urologe das entsprechende Gebiet mittels Biopsie bzw. Fusionsbiopsie direkt ansteuern kann. „Mit dieser Vorinformation reduzieren wir die Anzahl der Biopsien bei steigender Detektionsrate signifi-kant“, bekräftigt Dr. Henkel.

    Argumente für die ZukunftDoch nicht jeder Urologe kann die Bilder der multiparametri-schen MRT interpretieren. „In dieser Hinsicht werden sich Urolo-gen in verschiedene Gruppen aufteilen. Es wird diejenigen ge-ben, die sich weiterbilden und die Fusionsbiopsie in der eigenen Praxis durchführen, und es wird die Gruppe geben, die an einen entsprechenden radiologischen Standort verweisen und die Ko-operation suchen“, blickt Henkel in die Zukunft. Gute Netzwerke zwischen Radiologen und Urologen werden daher immer wichti-ger. „Auch die Weiterbildung ist ein signifikanter Faktor. Gerade junge, noch in der Ausbildung befindliche Urologen sollten sich

    jetzt mit diesen neuen Methoden vertraut machen“, stellt er klar.„Im Übrigen steht der Urologe mit der Fusionsbiopsie vor dem-selben Abrechnungsproblem wie der Radiologe“, verdeutlicht Henkel. Auch für diese Untersuchungsmethode gibt es keine Ziffer im GKV-Leistungskatalog. „Ich hoffe, dass wir es schaffen, eine weitaus bessere Interessenvertretung zu etablieren, damit diese Problematik behoben werden kann“, so Henkel. „Glück-licherweise informieren sich Patienten zunehmend im Internet über neue Methoden und Therapien, sodass der Druck auf die Kassen steigt.“ Zu Hoffnung gibt auch die PROKOMB-Studie

    Anlass: sie ermöglicht es Urologen, Patienten mit Verdacht auf Prostatakarzinom in diese Studie einzubringen, um eine multipa-rametrische MRT durchzuführen. Zeigt sich auf Dauer, dass der Urologe dank der multiparametrischen MRT mehr Informationen erhält und eine bessere Detektionsrate erzielen kann, ist nicht nur ein wichtiges Ziel für die Studie - und die Patienten - erreicht, sondern auch die Grundlage für die tiefere Diskussion mit den Kassen geschaffen.

    Anatomische Darstellung der PIRADS

    Klassifikation Version 2 Transversale und sagittale Ansicht der Prostata während der

    Durchführung einer transperinealen Fusionsbiopsie

    Morphologische Darstellung der Prostata mittels multiparametrischer MRT

    Dr. med. Thomas Oliver Henkel ist Facharzt für Urologie und Andrologie sowie Spezialist für

    LDR-Brachytherapie der Prostata und Medi-

    kamentöse Tumortherapie. Er studierte an der

    University of Windsor, Ontario, Kanada und an

    der Justus-Liebig-Universität in Gießen Biologie

    und Humanmedizin. Seit 2015 betreibt er eine

    Praxis in der MEO Clinic, Berlin, wo er auch die LDR Brachythera-

    pie durchführt. Er ist Präsident der Berliner Urologische Gesell-

    schaft e.V., Gründungsmitglied der wissenschaftlichen PROKOMB

    Studiengruppe Berlin und Vorstand der Berliner Urologische

    Gesellschaft.

  • 9Ausgabe No 5 / Mai 2017www.bendergruppe.com

    MAMMA & KONTRASTMITTEL

    „Das Nodal Staging bei Patientinnen mit Mammakar-zinom ist ein wichtiger Baustein in der prätherapeu-tischen Abklärung“, weiß Prof. Dr. med. Saleh, MBA, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Kinderradiologie sowie Direktor der Klinik für Nuklearmedizin am Klinikum Schwabing in München: „Dieses Staging verfügt über eine erhebliche prognostische Bedeutung und therapeutische Implikationen.“ Daher wird den Leitlinien gemäß jede Patientin mit Mammakarzinom klinisch und mit Ultraschall auf pathologisch vergrößerte Lymphknoten in der Achselhöhle untersucht. Werden dabei keine pathologisch vergrößerten Lymphknoten gefunden, so wird eine soge-nannte Sentinel-Node-Biopsie durchgeführt. Dabei wird der Wächterlymphknoten (Sen-tinel Node) entnommen und untersucht. Weil der Wächter-lymphknoten normalerweise der erste Lymphknoten ist, der von wandernden Tumor-zellen befallen wird, bedeutet ein negativer Befund mit ho-her Wahrscheinlichkeit, dass das Mammakarzinom noch nicht metastasiert hat.

    Die Sentinel-Node-Biopsie ist allerdings eine aufwändige Prozedur, die eine nuklearmedizinische Diagnostik und den ope-rativen Eingriff nach sich zieht. Um den Wächterlymphknoten zu identifizieren, wird ein Radionuklid (99mTechnetium) in oder in die Nähe des Tumors gespritzt, das sich dann im Sentinel Node anreichert. Tags darauf wird der solcherart markierte Lymphknoten bei einer Operation unter Narkose entnommen.

    Da liegt es nahe, sich nach einer nicht-invasiven Methode für das Nodal Staging umzusehen. Als Möglichkeit bietet sich hier eine Lymphknoten-MRT an, die mittels USPIO verstärkt wird. „Die ersten Ergebnisse sind sehr vielversprechend“, erklärt Saleh. Das liege daran, dass Small-Part-Regionen wie die Achselhöhle mit dem Kernspin sehr gut zu untersuchen seien: „Die Lymphknoten liegen sehr nah an der Oberfläche und es gibt keine Bewegungsartefakte, die Untersuchung ist also nicht durch Atmung, Darmbewegung oder Herzschlag limitiert.“ Das diagnostische Verfahren sei auch bezüglich Patientenlagerung, Spulentechnik und Sequenzen „vollkommen unkompliziert“, wie der Radiologe erklärt.

    Dabei sind USPIO-Kontrastmittel keine neue Entdeckung. Bereits vor 20 Jahren wurde die USPIO-MRT für das Lymph-knoten-Staging beim Prostatakarzinom, bei gynäkologischen

    Tumoren und im Kopf-Hals-Bereich eingesetzt. Doch die Mittel wurden nicht in Europa zugelassen, weil – so berichtet Saleh – die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA die Daten aus den Effizienzstudien als unzureichend beurteilte. „Die Studien waren schlecht gemacht“, sagt der Münchener Radiologe gerade-heraus. Gegen Ende der Nullerjahre stellten die Hersteller die Produktion der Kontrastmittel ein. Seither wird die Untersu-chungsmethode in Europa nur noch an der Radboud Universität in Nijmegen, Niederlande, durchgeführt. Das Mammakarzinom stand bei den alten, qualitativ ungenügenden Studien nicht im Vordergrund – weniger aus Kalkül, denn aus Zufall, wie Saleh

    berichtet. „Grundsätzlich sinkt zwar der Stellenwert der Axilla-Diagnostik“, erläutert der Radiologe: „Aber für die neue Methode spricht, dass sie ein invasives Verfahren ablösen könnte. Ich gehe also davon aus, dass die USPIO-MRT genutzt würde, wäre sie verfügbar und gesetzt den Fall, sie ließe sich in Studien und in der täglichen Routine so umsetzen, wie sich das im Moment alle vorstellen.“

    Saleh ist sich auch der Ein-schränkungen der Methode bewusst: „Das Verfahren kann

    aus methodenimmanenten Gründen keine Mikrometastasen detektieren.“ Allerdings werden Mikrometastasen, also Toch-tergeschwülste in der Größe von 0,2 bis 2,0 Millimeter, beim Mammakarzinom heutzutage als weniger bedrohlich angesehen als in früheren Zeiten. Wurden in der Vergangenheit bei einer Sentinel-Node-Biopsie Mikrometastasen gefunden, hat man zur Sicherheit alle Achsellymphknoten entfernt. „Wenn nur Mik-rometastasen gefunden werden, dann entscheidet sich heute ein modernes Tumorboard gegen die Entfernung der axillären Lymphknoten“, berichtet Saleh. Liegen jedoch Makrometasta-sen vor, dann werden bei den meisten Brustkrebspatientinnen nach wie vor die Achsellymphknoten herausgenommen.

    Die mit ultrakleinem superparamagnetischem Eisenoxid (USPIO) verstärkte MRT könnte in Zukunft die Sentinel-Node-Biopsie in Zusammenhang mit dem Mammakarzinom ablösen.

    Kommt die Renaissance der USPIO-MRT beim Mammakarzinom?

    3D-Darstellung eines Lymphknotenbereichs

    Prof. Dr. Andreas Saleh, MBA, ist seit 2011 Chefarzt des Instituts für Diagnosti-

    sche und Interventionelle Radiologie und

    Kinderradiologie, seit 2013 außerdem

    Direktor der Klinik für Nuklearmedizin im

    Klinikum Schwabing, München.

  • 10Ausgabe No 5 / Mai 2017www.bendergruppe.com

    RADIOLOGIE MEETS VISZERALMEDIZIN

    Von diesen wenig märchenhaften Verhältnissen ist man aber mittlerweile ein ganzes Stück entfernt, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Schima, Vorstand der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Vinzenz-gruppe in Wien. Er wird im kommenden Oktober auf dem von netzwerk wissen organisierten 11. Petersberger Symposium in Bonn vortragen, das unter dem Motto „Radiologie meets Viszeralmedizin“ steht. „Meet“, also das Zusammentreffen, ist dabei das Schlüsselwort, denn inzwischen hat die Kooperation zwischen den Disziplinen begonnen.

    Die klassische Abgrenzung zwischen Radiologie und Chirurgie hält Prof. Schima für wenig praxisnah: „Bei vielen Erkrankungen ist die Behandlung zu einer multidisziplinären Angelegenheit

    geworden, vor allem in der Onkologie.“ So finden in seiner Klinik wöchentlich Tumorboards statt, bei denen alle an der Behandlung beteiligten Fachrichtungen vertreten sind. „Chirur-gen, Onkologen, Gastroenterologen, Radiologen, Pathologen, Strahlentherapeuten – sie alle kommen zusammen und legen gemeinsam die Behandlung für den Patienten fest“, sagt der Radiologe. „Sehr oft erwächst daraus ein multimodales Be-handlungskonzept.“

    Bei einem Patienten mit Lebermetastasen kann die Interventi-on etwa so aussehen, dass Chirurg und Radiologe gemeinsam im OP stehen: Der Chirurg schneidet die eher oberflächlichen Metastasen heraus, und der interventionelle Radiologe behan-delt per Tumorablation die schwer zugänglichen Herde tief im Parenchym.“ Diese Herangehensweise nützt dem Patienten, da bei einem rein chirurgischen Eingriff viel gesundes Parenchym geopfert werden müsste, um an alle Metastasen heranzukom-men.

    Auch in der Diagnostik hat sich die Rollenverteilung verändert: „Die Radiologie hat gottseidank in den vergangenen Jahren die Flucht aus dem Elfenbeinturm angetreten und ist mittlerweile ganz entscheidend eingebunden in den Behandlungsprozess“,

    stellt Schima fest. „Der Radiologe sitzt nicht mehr nur in einem Befundraum und hofft, dass seine Befunde auch gelesen und verstanden werden.“

    Auch die fachliche Distanz zwischen Radiologen und Klinikern schmilzt laut Schima dahin: „Man entwickelt ein ge-genseitiges Verständnis: Der Radiologe erkennt die Nöte des Klinikers – und der wiederum versteht, wo die Grenzen der Methoden liegen, etwa, wenn etwas mit dem Ultraschall oder CT nicht darstellbar ist.“ Das gegenseitige Feedback wirkt sich positiv auf die gemeinsamen Inter-ventionen aus, da das Verständnis zum Vorgehen tiefer ist, wenn alle Aspekte der Behandlung in Betracht gezogen werden. So ist der Umgang der beiden Diszipli-nen inzwischen geprägt vom Voneinan-der-Lernen-Wollen. „Wenn man sich als Radiologe aktiv einbringt, gibt es eigent-lich keinen Chirurgen, der diese Hilfestel-lung nicht dankend annehmen würde“, so Prof. Schima.

    Natürlich hat dieses Miteinander auch Limitationen, betont der Experte. In der

    Unfallchirurgie beispielsweise, wo große Mengen an nativen Röntgenbildern in sehr kurzer Zeit angefertigt werden, deren Befunde dann nicht immer auch noch kommuniziert werden können.

    Die eigentliche Hürde stellt für Schima der rasche Klinikbetrieb dar, in dem es oft darum geht, in kürzester Zeit möglichst viele Patienten zu behandeln. „Dann kommt es schon mal vor, dass

    Sie konnten beisammen nicht kommen – ähnlich wie einst um die berühmten Königskinder war es lange Zeit auch um die Radiologen und Viszeralmediziner bestellt. Ein echter Austausch zwischen den Disziplinen fand im Klinikalltag kaum statt.

    Flucht aus dem Elfenbeinturm – das neue Miteinander von Radiologie und Viszeralmedizin

    Die Multidetektor-CT zeigt ein kleines, resektables Pankreaskarzinom (Pfeile) mit Stenose des

    D. pancreaticus (kleiner Pfeil), jedoch ohne Gefäßinfiltration.

  • die nötigen Informationen aus Zeitmangel nicht vor einer Un-tersuchung ausgetauscht werden, sondern erst im Nachhinein – das kann zu Missverständnissen führen.“

    Und natürlich können Radiologen trotz ihrer mannigfaltigen Möglichkeiten nicht immer alle Informationen liefern, die ein Viszeralchirurg benötigt, betont der Experte: „Es wird immer Limitationen der Methoden und Verfahren geben, bei der Computertomographie etwa die Auflösung der Bilder.“ Bei Pankreaskarzinomen kann nicht immer mit 100%iger Sicherheit beurteilt werden, ob ein Gefäß infiltriert ist oder nicht. „Leider ist das aber oft der Knackpunkt um zu entscheiden, ob das Karzinom radikal erfolgreich operiert werden kann oder nicht.“

    Innovative Techniken in der Computertomographie, Magnet-resonanztomographie und beim PET-CT haben allerdings zu großen Fortschritten geführt, so dass der limitierende Faktor mittlerweile oft nicht mehr die mangelnde Bildschärfe, son-dern die schiere Informationsfülle ist. „Eine CT-Untersuchung umfasst heute gut und gerne 2.000 Bilder pro Patient, die alle evaluiert werden müssen.“ So hofft auch Schima auf Deep-Learning- Methoden, die dem menschlichen Radiologen viel

    Arbeit abnehmen können, etwa bei der Vermessung von Me-tastasen. „Ich bin da sehr optimistisch und habe keine Befürch-tungen, dass der Radiologe ersetzt wird. Durch den ständigen Austausch mit den übrigen Disziplinen ist der Radiologe mitt-lerweile die zentrale Informationsdrehscheibe im Klinikalltag“, so Schima abschließend.

    Prof. Dr. Wolfgang Schima, MSc, ist Facharzt für Radiologie und Abteilungs-

    leiter der Abteilung für Diagnostische

    und Interventionelle Radiologie am

    Göttlicher Heiland Krankenhaus, Barm-

    herzige Schwestern Krankenhaus und St.

    Josef-Krankenhaus der Vinzenzgruppe

    in Wien. Er war von 2008 bis 2009 Prä-

    sident der International Cancer Imaging

    Society (ICIS), von 2005 bis 2009 Member of the Board of Di-

    rectors der European Society of Gastrointestinal and Abdominal

    Radiology (ESGAR) und von 2011–2017 Member of the European

    Board of Radiology (EBR). Darüber hinaus war Schima von 2014

    bis 2016 Präsident der Österreichischen Röntgengesellschaft.

    11Ausgabe No 5 / Mai 2017www.bendergruppe.com