Links! Ausgabe 05/2014

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Regierungen lieben Exper- tenkommissionen. Gibt es Kritik an einer Entscheidung, sagen Regierende malizi- ös: „Aber wir haben doch die Experten gefragt!“ Von Hartz bis Rürup gingen Re- gierungen so vor. Feigen- blätter seien die Komissi- onen, sagen KritikerInnen. Nur bedeckt in der bibli- schen Geschichte ein Fei- genblatt die Scham. In Be- zug auf die Hartz-IV-Gesetze ist von den neuen alten Ko- alitionären der SPD von Scham keine Spur. Im Ge- genteil, ganz schamlos ar- beitet eine Kommission der Vorgängerregierung weiter. Ihr Name hat Bandwurmqua- litäten: „ASMK-Bund-Länder Arbeitsgruppe zur Verein- fachung des passiven Leis- tungsrechts – einschließlich des Verfahrensrechts – im SGB II (AG Rechtsvereinfa- chung im SGB II)“. Seit ge- raumer Zeit schlägt sie sich dieser Bandwurm durch den Paragraphendschun- gel der Hartz-Gesetze und scheidet „Verbesserungs- vorschläge“ aus. Sein Ziel: Die schlimmsten bürokra- tischen Monster im Sozial- gesetzbuch II erlegen, die seit Jahren Klagewellen und Widerspruchsfluten verur- sachen. Wovor die LINKE gemein- sam mit Hartz-IV-Initia- tiven seit langem warnt, hat nun auch die BILD-Zei- tung erreicht, und auf ein- mal werden die Pläne zur Schlagzeile. Neben einigen kosmetischen Verbesse- rungen bestehen die „Ver- einfachungen“ vor allem in Kürzungen. Kürzungen bei den Kosten der Unterkunft, Kürzung bei den Zuschlägen für Alleinerziehenden und zu guter Letzt: Kürzung des Rechtswegs für die Betrof- fenen. „Aber die Experten …“, hö- re ich die Regierung sagen. Das Lateinische expertus kommt von „in etwas erfah- ren sein“ und meinte in anti- ker Zeit, etwas am eigenen Leib erfahren zu haben. Nun sitzen in der Kommission schlaue Frauen und Männer, Referentinnen aus den Ar- beits- und Sozialministeri- en zumeist. Nur ExpertInnen sind sie vor allem im einem: Verwaltungsorganisation. Die Lebensrealitäten von Hartz-IV-Beziehenden ha- ben sie in der Regel nicht am eigenen Leib erfahren. Nach einer Vollsanktion plötzlich um die Krankenversicherung bangen zu müssen; nicht zu wissen, wie man den eige- nen Kindern ein möglichst normales Aufwachsen er- möglichen kann; sich Rech- te, die auf dem Papier ste- hen, erst vor Sozialgerichten erstreiten zu müssen, all das sind Dinge, die diese Exper- tInnen in der Regel fremd sind. Das wäre kein Prob- lem, man kann ja fragen. Nur fehlt genau diese Expertise in derartigen Kommissionen. Vertreter von Erwerbslosen- initiativen, Gewerkschaften und Sozialberatungsstellen waren nicht geladen. Das ist gewollt. Und so leidet die Diskussion dieser ministeri- eller Armutsexperten vor al- lem unter einem: Experten- armut. Katja Kipping Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Mai 2014 Bürokratiemonster vs. Bandwurmgruppe: Über Armutsexperten und Expertenarmut

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Ausgabe Mai 2014 der Zeitung LINKS! inklusive Beilagen.

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Regierungen lieben Exper-tenkommissionen. Gibt es Kritik an einer Entscheidung, sagen Regierende malizi-ös: „Aber wir haben doch die Experten gefragt!“ Von Hartz bis Rürup gingen Re-gierungen so vor. Feigen-blätter seien die Komissi-onen, sagen KritikerInnen. Nur bedeckt in der bibli-schen Geschichte ein Fei-genblatt die Scham. In Be-zug auf die Hartz-IV-Gesetze ist von den neuen alten Ko-alitionären der SPD von Scham keine Spur. Im Ge-genteil, ganz schamlos ar-beitet eine Kommission der Vorgängerregierung weiter. Ihr Name hat Bandwurmqua-litäten: „ASMK-Bund-Länder Arbeitsgruppe zur Verein-fachung des passiven Leis-tungsrechts – einschließlich des Verfahrensrechts – im SGB II (AG Rechtsvereinfa-chung im SGB II)“. Seit ge-raumer Zeit schlägt sie sich dieser Bandwurm durch den Paragraphendschun-gel der Hartz-Gesetze und scheidet „Verbesserungs-vorschläge“ aus. Sein Ziel: Die schlimmsten bürokra-tischen Monster im Sozial-gesetzbuch II erlegen, die seit Jahren Klagewellen und Widerspruchsfluten verur-sachen. Wovor die LINKE gemein-sam mit Hartz-IV-Initia-tiven seit langem warnt, hat nun auch die BILD-Zei-tung erreicht, und auf ein-mal werden die Pläne zur Schlagzeile. Neben einigen kosmetischen Verbesse-rungen bestehen die „Ver-einfachungen“ vor allem in Kürzungen. Kürzungen bei

den Kosten der Unterkunft, Kürzung bei den Zuschlägen für Alleinerziehenden und zu guter Letzt: Kürzung des Rechtswegs für die Betrof-fenen. „Aber die Experten …“, hö-re ich die Regierung sagen. Das Lateinische expertus kommt von „in etwas erfah-ren sein“ und meinte in anti-ker Zeit, etwas am eigenen Leib erfahren zu haben. Nun sitzen in der Kommission schlaue Frauen und Männer, Referentinnen aus den Ar-beits- und Sozialministeri-en zumeist. Nur ExpertInnen sind sie vor allem im einem: Verwaltungsorganisation.Die Lebensrealitäten von Hartz-IV-Beziehenden ha-ben sie in der Regel nicht am eigenen Leib erfahren. Nach einer Vollsanktion plötzlich um die Krankenversicherung bangen zu müssen; nicht zu wissen, wie man den eige-nen Kindern ein möglichst normales Aufwachsen er-möglichen kann; sich Rech-te, die auf dem Papier ste-hen, erst vor Sozialgerichten erstreiten zu müssen, all das sind Dinge, die diese Exper-tInnen in der Regel fremd sind. Das wäre kein Prob-lem, man kann ja fragen. Nur fehlt genau diese Expertise in derartigen Kommissionen. Vertreter von Erwerbslosen-initiativen, Gewerkschaften und Sozialberatungsstellen waren nicht geladen. Das ist gewollt. Und so leidet die Diskussion dieser ministeri-eller Armutsexperten vor al-lem unter einem: Experten-armut.

Katja Kipping

Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Mai 2014

Bürokratiemonster vs. Bandwurmgruppe:Über Armutsexperten und Expertenarmut

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Seite 2Links! 05/2014 Links! im Gespräch

Die Umgebung frei gestaltenDresden, Leipziger Straße 33. Grün umrankt erheben sich gealterte Ex-Fabrikgebäude, zwischen denen sich eine bun-te Welt eröffnet: Der „Frei-raum Elbtal“ – ein Biotop für Mensch, Tier und Pflanze, Ort für die freie Entfaltung. Hier blüht das Leben, können Kre-ative und Freigeister sich ver-wirklichen und ihre Umgebung völlig frei gestalten. Die Gren-zen zwischen Arbeit und Frei-zeit verfließen ebenso gemüt-lich wie das Wasser der sich unweit entlangschlängelnden Elbe. Doch das Projekt ist kei-neswegs überall wohlgelitten und ein Beispiel dafür, dass urbane Freiräume beständig erkämpft und verteidigt wer-den müssen. Links! sprach mit Jacqueline „Yaki“ Muth, die als studierte bildende Künstlerin kräftig im Freiraum mitmischt.

Yaki, für jemanden, der sol-che Welten nicht kennt, ist der Freiraum Elbtal in Grö-ße und Form sehr beeindru-ckend. Was macht dieses Projekt aus, warum enga-gierst Du Dich hier?

Der Freiraum Elbtal ist ein ehe-maliges Industriegrundstück. Der Teil, den wir als Freiraum Elbtal nutzen, ist 12.500 Quad-ratmeter groß. Aufgrund seiner Gebäudestruktur – es war ur-sprünglich eine Ruine – bietet er viele Möglichkeiten, um sich selbst zu betätigen. Man kann sich komplett am Gelände aus-toben, seine Vorstellungen um-setzen, Räume unterschiedlich gestalten, sogar Wände raus-nehmen und so weiter. Diese Gestaltungsmöglichkeit, dass man einfach so weit geht, dass man seine Umgebung komplett verändern kann, schätze ich hier sehr, auch weil das immer mehr verloren geht, aufgrund unserer gesellschaftlichen Strukturen und Ordnungen. Das ist auch ein Grund, wes-halb ich mich hier engagiere, ich bin ja selbst freischaffende Künstlerin. Gestaltung hört hier eben nicht hinter dem Schreib-tisch oder hinter der Staffe-lei auf.

Wie viele Menschen sind be-teiligt, woher kommen sie?

Der Freiraum Elbtal e. V. hat ungefähr 30 Mitglieder. Einer-seits sind das Mieter auf dem Grundstück, die die Räume selbst mit hergerichtet haben oder immer noch herrichten und dort Werkstätten, Ateli-ers, Veranstaltungsräume be-treiben. Auf der anderen Seite sind das Leute, die sich ein-fach an den Projekten beteili-gen und den Freiraum nutzen. Zusätzlich gibt es etwa 600 Leute, die sich regelmäßig auf dem Grundstück beteiligen. Zu diesen 600 kommen noch etwa 2.000, die ein- bis zwei-mal im Jahr zu einem der Feste kommen oder eine Veranstal-tung besuchen. Größtenteils ist es aber ein Saisonbetrieb, weil das Grundstück im Winter schwer zu bewirtschaften ist, nur wenige Räume sind beheiz-bar. Meistens liegt das Grund-stück dann ziemlich brach, bis auf diejenigen, die dann ihre Ateliers weiter nutzen oder im Bauwagen wohnen. Im Frühling erwacht das Leben.

Kannst Du näher auf die Ge-schichte des Areals einge-hen?

Das Gelände hat ursprünglich ein Industrieller gekauft, et-wa um 1890, und ein Sägewerk eingerichtet. In der großen Hal-le gab es eine Sägeanlage, auf der Elbe eine Sägemühle, Holz wurde verflößt. Seiner Erben-gemeinschaft gehört das Ge-lände. Vor der Wende wurden hier unter anderem die Melkus-Sportwagen hergestellt. Es gab aber auch noch andere Nut-zungen, man sieht heute noch ein Schild: „VEB Verpackungs-werk“. Nach der Wende stand es leer. Der Freiraum Elbtal e. V. hat 2006 das Grundstück ge-mietet. Vorher hatten schon ein paar Leute, die dann später den Verein gegründet haben, Teile des Grundstückes einzeln gemietet. Ganz am Anfang war es ein reiner Wagenplatz, da waren die Gebäude auch noch nicht nutzbar, voller Müll, die Dächer waren kaputt, Fenster fehlten. Nachdem der Wagen-platz sich dann den Wildwuchs ein bisschen zurechtgeschnit-ten hatte, hat sich peu á peu die Erschließung der Gebäude angeschlossen. Etwa 2010 gab es noch einmal einen Sprung, da war offenbar eine kritische Masse an Nutzern erreicht. Da-mals hat sich die Vereinsmit-gliederzahl ungefähr verdrei-facht, das hat logistisch auch ein paar Probleme mit sich ge-bracht, die haben wir aber ge-meistert. Ab dem Moment gab es viele Veranstaltungen, bei denen offensiv gefordert wur-de, dass mehr Leute das Grund-stück nutzen können, auch wenn sie selbst vielleicht kein

Atelier betreiben. Vorher, in der Pionierphase, wurde zunächst das Gelände urbar gemacht.

Projekte wie den Freiraum findet man relativ selten.

Wagenplätze gibt es in Dres-den nicht weiter, zumindest keine großen, die gibt es mehr in Leipzig und Berlin. Es gab ein paar Versuche, die scheiter-ten aber am Veto der Stadtver-waltung. Die Stadt ist der Mei-nung, dass es das nicht geben müsse, weil es das nie gab. Da sind andere Städte wesentlich weiter, die schauen, was man gemeinsam machen kann. Das geht sogar so weit, dass es An-schlüsse gibt für Strom, Wasser und so weiter. Davon ist Dres-den momentan leider noch weit entfernt. Ansonsten gibt es schon noch viele Projekte, die ideell einen ähnlichen Ansatz verfolgen, zum Beispiel Jugend-projekte, die nicht-profitorien-tiert Angebote machen. Zum Beispiel in Löbtau gibt es einen Werkstattladen, dann gibt es noch die „Werkstattpiraten“, die eine offene do-it-yourself-Werk-statt betreiben. In Pieschen gibt es etwa das „Zentralwerk“. Das sind große Gemeinschaften, und dann gibt es viele kleinere, auch in Dresden. Derzeit sind viele Projekte in Dresden be-droht, durch den Bauboom und steigende Mieten. Viele sind schon weggefallen. Deshalb gibt es seit zwei Jahren eine Interessenverbund von nicht-kommerziell agierenden Pro-jekten, die „Interessengemein-schaft Freiräume“.

Du hast schon übergeleitet: Der Freiraum ist bedroht. Wa-rum?

Das Gelände des Freiraums ist ein Privatgrundstück. Wir waren schon mehrmals bei der Stadt-verwaltung, sowohl im Stadt-planungsamt als auch beim Baubürgermeister, und bei ver-schiedenen Stadträten, und haben um Hilfe gebeten. Die Stadtverwaltung sagt, dass das Grundstück in privater Hand sei und sie uns nicht helfen könn-ten. Wir sind aber konkret mit der Bitte hingegangen, dass wir als Verein weiter bestehen wol-len und sie uns mitteilen mö-gen, welche Grundstücke viel-leicht unseren Bedürfnissen entsprechen. Da war sehr deut-lich, dass die Stadt ihre Verant-wortung aus der Hand gibt. Ich meine, das ist viel zu kurz ge-dacht. Denn erstens gäbe es die Möglichkeit, wenn wir wirk-lich hier wegmüssen, dass wir ein anderes Grundstück bekä-men und unsere Arbeit weiter fortsetzen könnten. Das müss-te allerdings innenstadtnah sein, das ist auch ein Problem.

Da wünschen wir uns von der Stadt mehr Unterstützung. Die Erbengemeinschaft und ein In-vestor wollen hier Luxuswoh-nungen bauen, und wir möchten gern erreichen, dass bei diesen Überlegungen berücksichtigt wird, dass der Verein auch eine Bleibe in Dresden braucht, weil er inzwischen zu einem etab-lierten Kulturverein geworden ist, der hier in diesem Stadtteil seine Notwendigkeit hat. Hinzu kommt, dass die Chefin dieses Investors in der Vergangenheit versucht hat, uns als Kriminelle hinzustellen, auch als Drogen-süchtige. Am Anfang wurde viel über die Presse versucht, uns zu diskreditieren.

Das Gelände des Freiraums ist hochwassergefährdet. Könnte das die Bebauung ver-hindern?

Ich habe den Eindruck, dass die Stadtverwaltung und eine knap-pe Mehrheit im Stadtrat diese Pläne noch immer befürworten. Mittlerweile wissen wir aber auch, dass der Freistaat Sach-sen eine klare Definition be-sitzt, die sagt, dass Flutgebiete nicht bebaut, Retentionsflä-chen erhalten, eher rückgebaut und entsiegelt werden sollen. Die Stadt fährt da einen ande-ren Kurs. Aus eigener Erfahrung wissen wir aber, dass es hier zu Überflutungen kommt. Wir ha-ben uns auch entsprechend mo-bil eingerichtet, eine Wohnbe-bauung wäre etwas anderes.

Was kann man tun, um den Verein zu unterstützen?

Wir haben im Dezember eine Petition gestartet, auch weil wir

mit den Besitzern des Geländes in Kontakt treten wollen. Außer-dem soll die Stadt diesen Pro-zess stärker moderieren und sich für Freiräume stärker ein-setzen.

Vermutlich sind das auch Hauptziele Deiner Stadtrats-kandidatur?

Freiräume für Dresden ist ei-ner meiner wichtigen Schwer-punkte. Auch die Mietenpoli-tik spielt für mich eine wichtige Rolle. Ich bin der Meinung, man muss über die Bedeutung von Kunst und Kultur generell re-den, weil dafür bezahlbare Räu-me gebraucht werden. Außer-dem hatten wir den Fall, dass der elbnahe Radweg im Winter nicht geräumt worden ist, weil die Stadt der Ansicht ist, dass die Leute im Winter auf den öf-fentlichen Nahverkehr auswei-chen sollen. Das finde ich ziem-lich frech, denn der Weg ist eine Hauptader für den Radverkehr, und es gibt immer mehr Men-schen in Dresden, die nur mit dem Rad unterwegs sind, auch im Winter. Die Straßenverkehrs-situation soll stärker an die rea-le Situation angepasst werden. Hinzu kommt die Verbesserung der Situation für Kulturschaf-fende, denn die Stadt kann zum Beispiel Aufträge vergeben, die zu Tarifbedingungen vergütet werden, und öffentliche Gebäu-de öfter für Ausstellungen zu öffnen. Im Moment ist aber die Raumsituation vordergründig.

Die Fragen stellte Kevin Reißig.

Infos und Spendenkonto un-ter www.freiraumelbtal.word-press.com.

Bilder: Freiraum Elbtal e. V. / privat

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Seite 3 05/2014 Links! Die dritte Seite

Das ist so eine Sache mit der Sprache. Landläufig meint man, sie drücke aus, was wir zu sagen beabsichtigen. Das ist ja auch im Normalfall so. Aber wenn wir uns erst einmal auf sie eingelas-sen haben, bleibt sie nicht un-beteiligt an dem, was wir sagen, und sie wirkt oft ganz subtil, fast unbemerkt. Aber sie wirkt! „Der Einsatz unter Beteiligung aller Sicherheitskräfte konzentrier-te sich zunächst auf die Stadt Slawansk“. Diesen Satz habe ich am 13.04.2014 im Internet bei t-online gelesen. „Der Ein-satz ... konzentrierte sich“? Wer ist dieser „Herr Einsatz“? Er ist immerhin in diesem Satz gram-matisches Subjekt. Aber ist er

auch der Akteur bei dem Ereig-nis, über den der Satz etwas aussagt? Nein, er ist es nicht. Der Satz ist nämlich eine „pas-sivähnliche Konstruktion“, wie man in der Sprachwissenschaft sagt. Passiv und passivähnliche Konstruktionen sind „agensab-gewandt“, so wiederum die Lin-guistik. Das heißt, in solchen Sätzen erfahren wir nichts oder nur wenig und Ungenaues über Akteure, über „Täter“. Man könnte hier nun einwenden, es seien im Beispiel die „Sicher-heitskräfte“ als Akteure des Ein-satzes mit genannt. Das sind sie. Nur wie? „Unter Beteiligung al-ler Sicherheitskräfte“ lese ich. Also waren sie zumindest nicht die Hauptakteure. Sie waren nur „beteiligt“. Jener „Herr Ein-satz“ bleibt weiter geheimnisvoll im Verborgenen, doch ER „kon-zentrierte SICH“ auf die Stadt Slawansk. Mag sein, meine Ar-gumentation erscheint spitzfin-dig, wenn auch linguistisch ab-gesichert. Es steht jedoch schon zuvor dies im Text: „Nachdem Aktivisten immer mehr Verwal-

tungsgebäude besetzt hielten, sah sich die Übergangsregie-rung sich (!) zum Handeln ge-zwungen.“ Der erste Teil des Satzes steht im Aktiv, und wir er-fahren deshalb auch, wer da so aktiv wird. Der zweite Teil wird mit diesem „sah sich“ gebildet

– vor lauter Beflissenheit gleich falsch, weil zwei Mal. Und dass ja keine Zweifel aufkommen, wer die eigentlichen Schuldigen am Ereignis sind, kommt noch das Verb „gezwungen“ zum Einsatz – „sahen sich gezwungen“! Wer will jetzt noch an der Verteilung von Schuld und Unschuld zwei-feln? Doch es geht munter wei-ter: „Das Innenministerium warf dem Kreml eine Aggression vor und sah sich nun selbst in die Of-fensive gezwungen.“ Der „Täter“ der Aggression ist klar benannt, das Innenministerium „sieht sich gezwungen.“ „Quod erat de-monstrandum“ sagen die Latei-

ner, „was zu beweisen war.“ Damit keine Missverständnis-se aufkommen: Ich habe diesen Text gewählt, weil er demons-triert, wie man mit Sprache In-terpretationsmacht erlangt, oh-ne es ausdrücklich zu sagen. Ob die Verteilung von „Gut“ und „Böse“, die (un)heimlich im Satz mitschwingt, so stimmt oder nicht, darüber enthalte ich mich jetzt des Urteils. Wir wis-sen aber, Sprache aktiviert Deu-tungsmuster. Dafür hält sie noch mehr bereit als die Möglichkeit, einen Satz aktiv oder passiv zu formulieren und deshalb Akteure ausdrücklich zu benennen oder über sie zu schweigen. Zum Bei-spiel ist unser Wortschatz nicht einfach ein ungeordneter Hau-fen von Benennungsmöglichkei-ten. Er ist sortiert. Seine Elemen-te sind miteinander vernetzt. Quasi in „Planquadraten“ ab-gelegt findet man jene sprach-lichen Mittel, die man braucht, um über bestimmte Wirklich-keitsbereiche zu sprechen oder bestimmte Deutungsmuster her-vorzuholen. Die Sprachwissen-

schaft nennt solche Planquadra-te „frames“ (Rahmen). Gerade feiert wieder der frame „Kalter Krieg“ fröhliche Urständ. Man spricht vom „Osten“ und vom „Westen“. Die alten Deutungen schwingen mit: „Osten“ gleich „Reich des Bösen“, „Westen“ als „Reich der Freiheit“. Das eröff-net dem frame „Antikommunis-mus“ Tür und Tor. Putin wird zu Stalin, Russland zur neu gebore-nen Sowjetunion. Zugleich findet sich in diesem frame das Inven-tar für einen rabiaten Antiame-rikanismus mit Kritik am selbst-ernannten „Weltgendarm“. Agentenstories schlagen hüben und drüben Kabolz. Alles, was die frames „Völkerrecht“ und „Menschenrechte“ hergeben, haut man sich kreuzweise um die Ohren. Schmerzlich vermis-se ich aber auf beiden Seiten die Wiederbelebung des frames der „flower power“, in dem „make love no war“ oder „petting statt pershing“ auf uns warten. Wer steckt Blumen in die Gewehrläu-fe? Hallo Woodstock – wir haben ein Problem!

Sprache macht Macht!

Liberalisierungsschub und Aushöhlung des Rechtsstaates Kanzlerin Angela Merkel und Kommissionspräsident Barro-so hatten die Idee, zwischen der EU und Kanada das Frei-handelsabkommen (CETA) und nun auch mit den USA ein Frei-handelsabkommen auszuhan-deln – euphemistisch auch als „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ (TTIP) bezeichnet. Die bis vor kurzem völlig geheim verlaufen-den Verhandlungen und die der EU-Kommission erteilten Leit-linien zur Verhandlung wurden von Kanzlerin Merkel und vom ehemaligen FDP-Bundeswirt-schaftsminister Rösler inhaltlich mitbestimmt und als geheim eingestuft. Zum Glück wurden diese EU-Leitlinien dem Europa-abgeordneten der Grünen Sven Giegold zugespielt, der sie ver-öffentlichte.In den Vorgaben für die Ver-handlungen wird z. B. der Grund-satz formuliert, dass das in der EU und den USA jeweils spezi-fische Liberalisierungsniveau „auf das höchste Liberalisie-rungsniveau“ per Vertrag ange-hoben werden soll. Das heißt: Nicht mehr die gewählten Poli-tikerinnen und Politiker sollen künftig über mehr oder weni-ger Markt sowie dessen Regeln entscheiden. Politik würde so vollständig wirtschaftlichen In-teressen der großen Unterneh-men untergeordnet. Dabei geht es nicht in erster Linie um den Abbau von Zöllen, sondern um den Abbau „nichttarifärer Han-delshemmnisse“. Darunter sind technische, soziale, ökologische und Verbraucherstandards so-wie Arbeitsbedingungen zu ver-stehen, was die Gewerkschaf-ten elektrisierte. Wenn nun in

den Leitlinien für die Verhand-lungen der EU-Kommission von einer „Harmonisierung der Nor-men, Verfahren sowie Stan-dards“ gesprochen wird, kön-nen wir davon ausgehen, dass sich diese Standards im An-gleichungsprozess nicht an den höheren Normen der EU ori-entieren, sondern ganz sicher zur Abwärtsspirale der Stan-dards in der EU führen werden. Schließlich laufen die Nachhal-tigkeitsstandards für Biokraft-stoffe, die Kennzeichnung von Gentechnik-Lebensmitteln, von Hormonfleisch und chlorbehan-delten Hühnchen, die Chemika-lienrichtlinie und die Normen für Emissionswerte für Autos den amerikanischen Exportinter-essen zuwider. Diese europäi-schen Standards treffen aber im Kern Vorsorge für ein gesundes Leben der Menschen.Schließlich wird von amerika-nischer Seite gefordert, das öf-fentliche Beschaffungswesen

in der EU zu liberalisieren. Das hat den bayerischen Städtetag alarmiert, der davor warnt, dass dieses Handelsabkommen die kommunale Daseinsvorsorge in einer bisher noch nie dagewese-nen Dimension aushebeln und einen massiven Privatisierungs-schub auslösen würde. Schließlich wird mit den Leit-linien der EU dem Ganzen be-züglich der Verhandlungsvor-gaben die Krone aufgesetzt, indem Investoren vor „direk-ter“ und „indirekter“ Enteig-nung durch Staaten geschützt werden sollen. Darunter fallen sämtliche staatlichen Maßnah-men wie grundgesetzlich mögli-che Enteignungen im Sinne des Allgemeinwohls, Verordnungen, Gesetze und steuerliche Belas-tungen für Investoren, die die EU zum Schutz von Arbeitneh-merrechten, zum Schutz der Gesundheit von Bürgerinnen und Bürgern sowie der Umwelt und des Klimas erlassen hat,

die die Profite der Investoren aber schmälern. Danach kön-nen Investoren Staaten verkla-gen, wie das bereits der Konzern Vattenfall wegen des Atomaus-stiegs gegen die Bundesregie-rung in den USA vorführt und 3,7 Mrd. Euro Schadensersatz fordert. Diese Klageverfahren sollen aber nun nicht in den In-stitutionen des demokratischen Rechtsstaates erfolgen, son-dern in Schiedsgerichten, die mit je einer anwaltlichen Ver-treterin bzw. einem Vertreter des Investors, des Staates und einer Konsenskandidatin oder einem Konsenskandidaten be-setzt werden. Berufungsverfah-ren oder eine Überprüfung des Schiedsurteils sollen nicht zu-gelassen werden. Damit würde eine zum Rechtsstaat parallele Rechtsprechung etabliert, die den demokratischen Rechts-staat aushöhlen würde. Sollte es tatsächlich zu solchen Verein-barungen kommen, würden, so

die SPD-Bundesumweltminis-terin Hendricks, die „Errungen-schaften von 150 Jahren Arbei-terbewegung, von 100 Jahren Frauenbewegung und 50 Jahren Umweltbewegung mit einem Fe-derstrich zerstört“. Ich bin ge-spannt, wie sich die im Bund mitregierende SPD im Verlauf der weiteren Verhandlungen und im Zusammenhang mit dem Ratifizierungsprozess verhalten wird. Für die Linke darf es keine Frage sein, diesen ungeahnten Liberalisierungsschub für die Wirtschaft und die öffentliche Daseinsvorsorge durch die Hin-tertür sowie die Zerstörung des demokratischen und sozialen Rechtsstaates zu verhindern. Sollte der Vertrag zwischen der EU und den USA zustande kom-men, muss er als Gesamtpaket vom Europaparlament, von den nationalen Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten wie dem Bun-destag und Bundesrat ratifiziert werden. Einmal ratifiziert, könn-te der Vertrag nicht ohne wei-teres gekündigt werden. Hier-für müssten die USA und die EU inklusive sämtlicher Mitglieds-staaten zustimmen. Aber das Veto eines einzelnen Mitglieds-staates könnte ein solches Vor-haben schon blockieren. DIE LINKE sollte im Europa-Wahlkampf Forderungen stel-len: Sofortiger Verhandlungs-stopp, vollständige Transparenz und Neuformulierung des Ver-handlungsmandats für die EU-Kommission, Beteiligung der Parlamente und von zivilgesell-schaftlichen Organisationen/Verbänden am Verhandlungs-prozess sowie ein europaweites Referendum zum Handelsab-kommen. Dr. Monika Runge

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Seite 4Links! 05/2014 Hintergrund

Zwar hat die radikale Linke im Vereinigten Königreich eine lan-ge und große Geschichte, den-noch gelingt es ihr seit Jahr-zehnten nicht, nennenswert im politischen Betrieb mitzumi-schen. Vor allem die regionale Zersplitterung und das Mehr-heitswahlrecht auf der Insel be-hindern den Aufbau einer star-ken linken Kraft jenseits von Labour. Zwar bieten die Wah-len zum Europäischen Parla-ment (EP) – hier gilt das Ver-hältniswahlrecht – seit 1979 Chancen auf eine parlamenta-rische Vertretung linker Par-teien oder Gruppierungen. Ge-nutzt wurden diese aber weder von der traditionsreichen Kom-munistischen Partei noch den zahlreichen trotzkistischen Or-ganisationen oder dem Anti-Kriegs-Bündnis „respect“ von George Galloway, einem ehe-maligen Labour-Unterhausab-geordneten. „Respect“, ein viel-versprechendes Bündnis linker Parteien und Friedensinitiati-ven, zerfaserte sich nach sei-ner Gründung 2004 rasch und konnte die in es gesetzten Hoff-nungen nicht erfüllen. Sinnbild-lich steht die britische Linke ziemlich alleine da, wie der Ver-käufer des „Morning Star“, dem ich seit über einem Jahrzehnt auf internationalen Festen der europäischen Linken begegne: Viel Papier, ein kleiner Stand und nur ein Mann dahinter. Nun begibt sich die britische Linke in einen neuerlichen Ver-such, die eigene Zersplitterung aufzuarbeiten und mit einem linken Sammelbündnis links von

Labour neue, breitere Wähler-schichten zu erreichen. Im No-vember 2013 gründete sich das Parteiprojekt „Left Unity” und versammelte sich am 29. März 2014 zu einem ersten Partei-tag. Die Gründung der Partei selbst ist Ausdruck der Frus-tration vieler Menschen über die harte Austeritätspolitik der Regierung Cameron, die in vie-len Punkten von der opposi-tionellen Labour Party unter-stützt wird. Ein entscheidender

Anstoß für die linke Sammlung kam von dem Filmregisseur Ken Loach, der im Herbst vergan-genen Jahres einen Aufruf zur Gründung einer neuen linken Massenpartei verfasste, da La-bour als Interessensvertretung der Beschäftigten versagt habe. Trotz Kenntnis des Scheiterns des letzten ambitionierten lin-ken Parteienprojekts „respect“

und des für Neugründungen ex-trem ungünstigen Wahlsystems sahen sich viele Menschen ge-wissermaßen verpflichtet, eine parteipolitische linke Alternati-ve aufzubauen. Der Aufruf wur-de schnell von über 9.000 Unter-stützerInnen getragen. Der Name „Left Unity“ ist vor dem Hintergrund der großen Anzahl linker Gruppen im Verei-nigten Königreich gewählt, die ohne eine Perspektive auf Wahl-erfolge und ob ihrer marginali-

sierten Position in der Gesell-schaft oftmals sektiererische Tendenzen aufweisen.Kate Hudson, eine bekannte Persönlichkeit der britischen Friedensbewegung und Vorsit-zende der Campaign for Nuclear Disarmament, fungiert als Inte-rimvorsitzende der Partei. „Left Unity“ definiert sich selbst als plurales Projekt und nennt sich

selbst sozialistisch, ökologisch und feministisch. Das Spektrum ihrer Mitglieder reicht von ehe-maligen linken Labour-Anhän-gern bis hin zu Kommunisten. Die Communist Party of Great Britain hat ihre Mitglieder aufge-rufen, „Left Unity“ beizutreten und die Gründung einer eigenen Kommunistischen Plattform in-nerhalb der neuen Partei er-reicht. Weitere Organisationen haben diesen Schritt vollzogen. Europapolitisch verortet sich

„Left Unity“ nah an den Be-schlüssen der Europäischen Linkspartei (EL). Ziel ist es dem-nach nicht, den Austritt Großbri-tanniens aus der Union zu beför-dern, sondern die neoliberale EU neu zu begründen. Und so waren die Abstimmungen über die Verortung von „Left Unity“ in europapolitischen Fragen im-mer eindeutig: mehr als zwei

Drittel der Delegierten sprachen sich im März für eine Politikaus-richtung analog zur EL aus.Strategisch sieht sich „Left Uni-ty“ aber in einer komplizierten Situation: Das Mehrheitswahl-recht macht einen Erfolg bei Wahlen schwierig. Demzufolge wird sie auch nur dort antreten (bei Lokal- und nationalen Wah-len), wo eine genuine Verbin-dung zum Wahlkreis besteht, wo lokale linke Bewegungen existieren und Wählerpotentia-le vorhanden sind. Politisch ak-tiv möchte die Partei hingegen flächendeckend sein – auch aus dem Bewusstsein heraus, dass die Teilnahme an Wahlen nicht die einzige und auch nicht die wichtigste Form politischer Ar-beit ist. Heute zählt die Partei et-was über 1.500 Mitglieder. Doch die Zahl steigt stetig. Leider kam die Initialzündung für die Formierung einer neuen linken Sammlungsbewegung im Hinblick auf die Europawahlen 2014 zu spät. „Left unity“ wird demnach hier noch keine Rolle spielen. Nichtsdestotrotz stellt „Left Unity“ ein hoffnungsvol-les Projekt dar, das große in-haltliche Schnittmengen mit der LINKEN in Deutschland und der Europäischen Linkspartei auf-weist. Vor diesem Hintergrund werden in den kommenden Wo-chen und Monaten die Kontak-te zwischen „Left Unity“ und EL ausgebaut. Left Unity wird somit zunächst weiter an dem Aufbau fester Strukturen arbeiten und auf einer weiteren Konferenz in diesem Jahr einen Vorstand wählen. Dominic Heilig

Kostenlos ins Museum? Das gibt´s doch nur im Märchen. Oder? Was auf den ersten Blick an-mutet wie ein Stück Erinnerung an längst vergangene Zeiten, ist keine Ostalgie. „Kosten-los ins Museum“ gibt es tat-sächlich. Und die Frage nach dem „Wo“ ist leicht beantwor-tet: in der Trabant- und Robert-Schumann-Stadt Zwickau. Ge-naueres erfuhr Links! von Ute Brückner, der Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE im Zwickau-er Stadtrat.

In Zwickau ist der Eintritt in Museen kostenlos. Gilt das für alle Museen und ist das ein Alleinstellungsmerkmal Zwickaus?

Der Eintritt ist in alle städtischen Museen kostenlos, ja. Allein-stellungsmerkmal – würde ich so nicht sagen. Es gibt in Berlin einzelne Stadtbezirke, in denen der Eintritt in städtische Museen auch kostenlos ist. Sonst ist mir Vergleichbares nicht bekannt.

Wer kam auf die Idee und wa-rum ist aus Deiner Sicht der kostenlose Eintritt in Museen so wichtig?

Die Idee kam von uns, der LIN-KEN im Zwickauer Stadtrat. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass Kultur und Bildung für je-den möglich sind, unabhängig vom Geldbeutel. Es geht um Bil-dungs- und Kulturgerechtigkeit. Gerade für Menschen mit gerin-gem Einkommen sind Eintritts-preise selbst mit Ermäßigung oft eine Hürde. Diese wollten wir abbauen, sozusagen eine barri-erefreie Teilhabe an Kultur und Bildung ermöglichen.

Wie konnte das Vorhaben um-gesetzt werden, wer waren Verbündete?

Verbündete hatten wir keine. Möglich wurde es im Rahmen der Budgetverhandlungen zum städtischen Haushalt. Der kos-

tenlose Eintritt in städtische Museen ist also Teil des Kom-promisses in der Haushaltsde-batte. Heftige Kritik kommt bis heute aus den Reihen von CDU und FDP. In ihren Augen sind das Geschenke, die unnötig Geld kosten. Ginge es nach ihnen, würden sie den kostenlosen Ein-tritt in Museen sofort wieder ab-schaffen.

Mit Blick auf die Haushaltsla-ge der Kommunen scheint der Verweis auf die Kosten nicht ganz von der Hand zu weisen. Also konkret: Was kostet die-ses „Geschenk“?

Nun, auf der einen Seite feh-len die vorher eingenommenen 45.000 Euro an Eintrittsgeldern. Andererseits fällt aber auch der Verwaltungsaufwand für Kassie-rung, Buchung und Abrechnung weg und die Beschäftigten, die bisher den Eintritt kassierten, stehen nun in den Museen für

Fragen zur Verfügung. Letzt-lich ist es eine politische Ent-scheidung, ob wir Geld lieber für Verwaltungsaufgaben oder für Kultur aufwenden. Nach Auffas-sung unserer Fraktion ist es aber in Kultur und Bildung wesentlich besser angelegt und schafft so einen Mehrwert für die Gesell-schaft.

Wie sieht es mit den Besu-cherzahlen aus?

Sehr gut. Die Besucherzahlen sind deutlich gestiegen. Posi-tive Rückmeldungen kommen auch aus der Lehrerschaft. Der kostenlose Eintritt in die städti-schen Museen bedeutet für die Pädagoginnen und Pädagogen wesentlich weniger Aufwand vor Exkursionen. Die Eintrittsgelder müssen vorher nicht mehr ein-gesammelt werden. Und auch Eltern mit geringem Einkommen haben kein Problem mehr damit, das Eintrittsgeld aufzubringen.

Kurz: Alle Kinder haben nun die gleichen Voraussetzungen!

Und das funktioniert alles oh-ne Probleme?

Naja, ein paar Kleinigkeiten sind schon zu klären. Beispielsweise müssen die Öffnungszeiten dem veränderten Nutzungsverhal-ten, insbesondere durch Schul-klassen, angepasst werden. Aber das wird Aufgabe des neu gewählten Stadtrats sein. In sei-ner Verantwortung liegt es auch, den Beschluss für den kostenlo-sen Eintritt in städtische Muse-en fortzuführen.

Dein Resümee – Nachah-menswert für andere Kom-munen?

Ja, unbedingt. Denn wo Kultur herrscht, herrscht keine Gewalt!

Die Fragen stellen Simone Hock und Sandro Tröger.

Europäische Linksparteien

Linke Einheit auf der Insel

Bild: Luis García / Wikimedia Commons /CC BY-SA 3.0

Bild: Graeme Maclean / CC BY 2.0 / Wikimedia Commons

Page 5: Links! Ausgabe 05/2014

05/2014 Sachsens Linke! Seite 1

Die initiative „Leipzig Korrektiv“ vermittelt hautnahe und persönli-che Eindrücke von der schlechten Lebenssitu-ation der Roma in Un-garn.

Karl-Heinz Gräfe be-leuchtet die Hinter-gründe der Krise in der Ukraine.

Die beiden LINKEN Di-rektkandidierenden Annelore Liebchen und Robert Sobolewski er-läutern ihre Motivation und eröffnen damit ei-

ne Vorstellungsserie.

Die Linksjugend infor-miert über das Pfingst-camp und den Jugend-wahlkampf.

Dialog für SachsenDiskutieren und Vorschläge einbringen - auf

www.dialog-für-sachsen.de

Sachsens Linke

Mai 2014

Die Weichen sind gestellt

Wenn die Wahlkampfmaschine-rie in unserer Partei eine Loko-motive wäre, dann könnte man sagen, sie steht unter vollem Dampf. Die ersten Etappen der langen Reise durch das Wahl-kampfjahr 2014 sind bereits absolviert, die nächsten ste-hen unmittelbar bevor. Mit viel Kraft und Engagement werden derzeit Plakate für den Kom-munal- und Europawahlkampf gehangen, Informationsmateri-al zusammengetragen und ver-teilt, Infostände durchgeführt. Die Partei rotiert mit ganzer Kraft. Und dies wieder einmal ehrenamtlich. Dafür gelten al-len vor Ort Engagierten meine ausdrückliche Anerkennung und mein Dank. Wir zeigen wie-der: Gemeinsam können wir viel erreichen. Wenn am 25. Mai die Wahllo-kale schließen und wir hoffent-lich wieder stark in den Kom-munen und in Europa vertreten sind, dann sind es nur noch et-was mehr als drei Monate bis zur Landtagswahl. Nachdem wir auf dem 11. Landespartei-tag die inhaltlichen Weichen gestellt haben, folgten auf der LandesvertreterInnenver-sammlung in Leipzig die per-sonellen. Betrachtet man die nunmehr vorliegende Landes-liste für die Landtagswahl, so wird sicherlich nicht jeder voll-kommen zufrieden sein. Den-noch, glaube ich, haben wir mit diesem Personalvorschlag ein starkes Angebot, das wir unter-breiten können. Wir können mit diesem Team selbstbewusst in den Wahlkampf gehen. Ich freue mich daher auf die Land-tagswahlen. Lasst uns mit un-serem Angebot für einen Po-litikwechsel in Sachsen einen starken Wahlkampf machen.

Von außen war das Tagungs-objekt keine Zier: Rustika-ler Industriechic begrüßte die TeilnehmerInnen der Landes-vertreterInnenversammlung am 5. und 6. April 2014 in der Alten Wollkämmerei in Leipzig. Doch von Äußerlichkeiten sollte man sich nicht abhalten lassen. Im Tagungssaal selbst waren rund 300 VertreterInnen, Kandidie-rende und Gäste zusammenge-treten, um die personellen Wei-chen für die Landtagswahl 2014 zu stellen. Die Veranstaltung bil-dete den Abschluss einer gan-zen Reihe von Nominierungs-veranstaltungen. Bereits am 1. April hatte der Landesvorstand den 30er-Vorschlag des Lan-desvorsitzenden und der Lan-desgeschäftsführerin auf 20 Namen zusammengekürzt. Am Donnerstag vor der LVV reih-te schließlich die Beratung des Landesvorstandes, des Landes-rates, der Kreisvorsitzenden und des Fraktionsvorstandes diese 20 Namen zum Listen-vorschlag zur Landesliste. Die-ser sollte schließlich auch Be-ratungsgrundlage der Tagung in Leipzig werden. Die LVV hatte eine anspruchs-

und verantwortungsvolle Aufgabe zu bewältigen. Sie bestimmte letztlich über die Zu-sammensetzung der nächsten Landtagsfraktion der sächsi-schen LINKEN. Vor diesem Hin-tergrund mahnte Rico Gebhardt in seiner Eröffnung einen ver-trauensvollen und fairen Um-gang miteinander an und ver-wies auf die Verantwortung der gesamten Versammlung für die Liste. In seiner kämpferischen Bewerbungsrede um den Lis-tenplatz 1 hatte Gebhardt seine Partei danach aufgefordert, mit Selbstbewusstsein in den an-stehenden Landtagswahlkampf zu gehen: „Lasst uns endlich sagen, was wir alles schon er-reicht haben in diesem Land: Glaubt wirklich jemand, dass es einen gesetzlichen Mindestlohn gäbe ohne DIE LINKE?“ Auch antifaschistische Arbeit, Inklu-sion und Umweltschutz seien Punkte, die auch von der LIN-KEN auf die Tagesordnung ge-setzt wurden. Es seien nicht we-niger als die unveräußerlichen Bestandteile eines besseren Le-bens in Sachsen, die seine Par-tei anstrebe. Für einen Politikwechsel sei ein

starke LINKE entscheidend, so Gebhardt: „Wenn man keine neue Monarchie will in Sachsen, dann hat man nur eine Mög-lichkeit, nämlich DIE LINKE zu wählen. Wir stehen für soziale Gerechtigkeit, für sozialen Zu-sammenhalt und für soziale Si-cherheit in diesem Land.“ Und weiter: „Brust raus, Bauch rein und vorwärts, dann wird das mit dem Wahltag am 31. August!“Erwartungsgemäß wurde Gebhardt zum Spitzenkandida-ten zur Landtagswahl gewählt. Für ihn stimmten 134 Vertrete-rInnen, das entspricht 70,5 Pro-zent. Des Weiteren stimmten 47 VertreterInnen gegen Gebhardt, 9 enthielten sich. Auch auf dem Plätzen 2 bis 20 blieben grö-ßere Überraschungen aus. Der Listenvorschlag wurde weitge-hend bestätigt. Lediglich Luise Neuhaus-Wartenberg aus dem KV Nordwestsachsen wurde auf den Listenplatz 11 positioniert, sie war ursprünglich für Listen-platz 5 vorgeschlagen. Die folgenden Listenplätze wur-den vor allen Dingen an Kan-didierende vergeben, die sich zum ersten Mal aussichtsreich um ein Landtagsmandat bewer-

ben. So entstand insgesamt ei-ne Landesliste von 50 Namen, auf der nicht nur erstmals mehr Frauen als Männer kandidieren. Sie ist mit einem Durchschnitts-alter von 41 Jahren auch die jüngste Landesliste der Partei. Fast jeder zweite Abgeordne-te der LINKEN wird dem kom-menden Landtag erstmals an-gehören. Gerhard Besier, Julia Bonk, Edith Franke, Freya-Ma-ria Klinger, Volker Külow, An-drea Roth, Monika Runge und Karl-Friedrich Zais werden dem nächsten Landtag nicht mehr angehören, ebenso wie aller Vo-raussicht nach Heiderose Gläß, die als Unterstützerin nur noch auf dem Listenplatz 39 antritt. Dietmar Pellmann hingegen, der auf eine Bewerbung auf der Lan-desliste verzichtete, will in Leip-zig sein Direktmandat verteidi-gen. Thomas Dudzak

Alle Informationen zur Landes-vertreterInnenversammlung, die Liveberichterstattung wie auch die komplette Landesliste sind auch im Internet zu finden: ht-tp://www.dielinke-sachsen.de/partei/parteitag/lvv-2014/

DIE LINKE. Sachsen wählt Landesliste

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Sachsens Linke! 05/2014 Seite 2

Meinungen

ImpressumSachsens Linke! Die Zeitung der Linken in Sachsen

Herausgeberin: DIE LINKE. SachsenVerleger: Verein Linke Kultur

und Bildung in Sachsen e.V., Kleiststraße 10a,01129 Dresden

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wie-der. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kür-zungen vor. Termine der Redakti-

onssitzungen bitte erfragen.Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Druckerei GmbH in Cottbus in einer Auf-lage von 15.150 Exp. gedruckt.

Der Redaktion gehören an: Ute Gelfert, Jayne-Ann Igel, Rico Schubert, Antje Feiks (V.i.S.d.P.), Andreas Haupt,

Ralf Richter, Stathis Soudias.Bildnachweise, wenn nicht gesondert vermerkt:

Archiv, iStockphoto, pixelio.Kontakt:

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Tel. 0351-8532725

Fax. 0351-8532720

Redaktionsschluss 20.04.2014

Die nächste Ausgabe erscheint am 30.04.2014.

Verfassungsrambo VaatzAusgerechnet Herr Vaatz, sei-nes Zeichens „DDR-Bürger-rechtler“ und Fraktionsvize der Union im Bundestag, fordert eine Einschränkung des Streik-rechts angesichts des Piloten-ausstandes bei der Lufthansa. Er gehört zu jenen, die nicht ganz zu Unrecht freie und un-abhängige Gewerkschaften und die Gewährleistung des Streik-rechts für die Gewerkschafts-mitglieder in der DDR forderten.Mit der Wiedervereinigung gilt nunmehr das Grundgesetz. Arti-kel 9 Abs. (3) verbietet eine Ein-schränkung des Streikrechts! Weiß das der Pseudodemokrat Vaatz nicht? Damit hat er sich endgültig auf die Seite der Ver-treter der Wirtschaft und ihrer Apologeten in den Aufsichtsrä-ten geschlagen. Die Piloten der Lufthansa fordern nur ein, was ihnen nach den bisherigen Ta-rifabschlüssen zusteht. Das will das Management der Lufthansa nun einseitig aufkündigen und provoziert damit bewusst den Arbeitskampf um die Erhaltung sozialer Rechte. Da dies mit sei-nen Auswirkungen Herrn Vaatz nicht passt, denkt er öffentlich über die Einschränkung des Streikrechts nach – unerträg-lich. Herr Vaatz, was würden Sie sagen, wenn den Bundestagsab-geordneten die Bezüge und bzw. Altersversorgung willkürlich ge-kürzt würden? Geht leider nicht, denn diese genehmigen sich ih-re üppige finanzielle Versorgung selbst, ganz ohne Streik.Raimon Brete, Chemnitz

Margaret Thatcher auf der LVVDie frühere britische Premier-ministerin und politische Weg-bereiterin des Neoliberalismus, Margaret Thatcher, war im Jahr 1975 als frisch gewählte Oppo-sitionsführerin im britischen Un-terhaus auf einem Parteitag der CDU zu Gast. In ihren Memoiren schrieb sie über diesen Besuch mit typischer „stiff upper lip“ und im Ton der Verwunderung, dass sie zwar kein Wort von dem, was geredet wurde, ver-standen habe, es aber schein-bar auf Parteitagen in Deutsch-land üblich sei, mit dem Mund so nah wie möglich ans Mikrofon zu gehen, lauf hineinzurufen, ja fast zu brüllen, und dafür dann den Applaus des Saals zu ernten.

Nun haben spätestens seit der Bankenkrise nicht nur die Ge-schichte, sondern auch schlich-te ökonomische Tatsachen über die Politik dieser Frau ihr Ur-teil gesprochen. Trotzdem fühl-te ich mich als Delegierter und Redner auf der letzten Landes-vertreterinnenversammlung an ihre Worte über Parteitage in Deutschland erinnert. Wä-re Frau Thatcher am 5. oder 6. April in der „Alten Wollkämme-rei“ in Leipzig zu Gast gewesen, hätte sie aber noch erwähnen müssen, dass sich so mancher Redner auch entgegen seiner Gewohnheit lauthals am Mikro-fon bemerkbar machen musste, nicht um Applaus heischend die Stimme zu heben, sondern weil im Saal eine permanente Unru-he herrschte, gegen die es anzu-reden galt.Wesentlich ruhiger war es, als am Sonntagnachmittag Gre-gor Gysi sprach. Ihm war die Aufmerksamkeit – vollkom-men zu recht – sicher. Ich hät-te mir diesen Respekt aber ge-genüber allen Rednerinnen und Rednern an diesem Wochenen-de gewünscht. Denn eines kann ja auch nicht sein: Kommt der „Leitwolf“ aus Berlin, sind al-le still und lauschen aufmerk-sam gespannt seinen Worten. Wenn sich aber eine Kandida-tin um Listenplatz XY bewirbt, wird überall im Saal geschwatzt. Auch schlechte, weil vielleicht aufgeregte Rednerinnen und Redner verdienen Respekt und Aufmerksamkeit, zumal die Re-dezeit auf fünf Minuten begrenzt war. Dies ist im Übrigen eine Frage der Glaubwürdigkeit. Wer sich politisch glaubhaft für Soli-darität und Respekt gegenüber allen Menschen einsetzen will, der muss damit in den eigenen Reihen anfangen. Der aktuelle Erfolg des Buches „Das Hohe Haus“ von Roger Willemsen be-steht ja auch darin, dass er sehr klar einen Widerspruch heraus-arbeitet, nämlich dass diejeni-gen, die im Bundestag die Ge-setze beschließen, im Plenum sitzen und dort oftmals Zeitung lesen, miteinander quatschen, sich in der Nase bohren oder den politischen Gegner mit dümm-lichen Zwischenrufen angehen, während auf der Besuchertri-büne diejenigen Platz nehmen, die sich an die beschlossenen Gesetze zu halten haben, sich

aber im Hohen Haus nicht ein-mal räuspern dürfen, ohne vom Besucherdienst streng ange-schaut zu werden, der immer in der Angst agiert, die Würde des Parlamentes könnte durch Gäs-te eine Störung erfahren.Für mich ist es eine Frage der Gerechtigkeit, nicht nur dem exzellenten Fraktionsvorsitzen-den aufmerksam zu lauschen, sondern auch dem ungeübten Redner. Wer sich für die im Saal gehaltenen Reden nicht interes-siert, kann gern außerhalb des Saals das Gespräch mit ande-ren suchen. Und wer vor der Vorstellung einzelner Bewer-berinnen und Bewerber schon weiß, wen er wählt, kann ja trotzdem zuhören und Interesse bekunden. Die Gefahr, dadurch dümmer zu werden, ist nicht ge-geben.Sandro Tröger, Zwickau

Gedenkstätte KZ Lichtenburg Prettin Am 07. März besuchten Heide-rose Gläß, Landtagsabgeord-nete der LINKEN aus Löbau, und der Sprecher der Landes-arbeitsgemeinschaft für anti-faschistische Politik, Jens Thö-richt, die Gedenkstätte KZ Lichtenburg Prettin und berei-teten damit eine Bildungsfahrt vor. Das Lager Lichtenburg hat-te im NS-Staat als eines der ers-ten Konzentrationslager Vorläu-ferfunktion für das Lagersystem im Deutschen Reich. Am 13. Ju-ni 1933 wurde es als „Konzen-trationslager für männliche Schutzhäftlinge“ eingerichtet. Für 1000 Häftlinge geplant, war das KZ Lichtenburg be-reits im September 1933 mit ca. 2000 Häftlingen stark überbe-legt. Dadurch verschlechterten sich die Lebensbedingungen der Häftlinge extrem. Mindes-tens 20 (dokumentiert) Häftlin-ge sind in der Zeit des Lagerbe-stehens durch Misshandlungen, schlechte Haftbedingungen und Morde im Strafbunker um-gekommen. Es heißt, hier wurde der Prügelbock erfunden, der in anderen Konzentrationslagern übernommen wurde.Alfred Schneider – der Vater von Heiderose Gläß – war als Schutzhäftling in dem Lager in-haftiert. Zu 18 Monaten Gefäng-nis wegen Hochverrates ver-urteilt, saß er diese Strafe erst im damaligen Breslau und an-schließend im Görlitzer Gefäng-nis ab. Nach Verbüßen der Haft-strafe wurde er in Schutzhaft genommen. „Angst vor dem Bullen mit dem Ochsenziemer“,

so schrieb Heidis Vater aus der „Lichte“ und meinte damit das KZ Lichtenburg Prettin.Wer Interesse hat, das KZ zu be-suchen und auf den Spuren von Alfred Schneider am Ort des Grauens zu gehen, sollte sich den 12. Juli 2014 fest im Termin-kalender einplanen. Wir fahren 08:00 Uhr am Zittauer Büro der LINKEN in das KZ Lichtenburg Prettin ab. Anmeldungen sind ab sofort bei Jens Thöricht unter 03583/586017 bzw. per Email an [email protected] möglich.

Schwere Bedrohung für Russ-land Es ist schön, dass die LINKE die antirussische Hetze und die ein-seitige Darstellung der gleich-geschalteten systemtragenden Mainstreammedien kritisiert. Leider bleibt auch die „Links!“ davon nicht unbeeinflusst, ins-besondere bei der Karikatur. So fanden in den von den USA, der EU bzw. NATO überfallenen Staaten keine Volksabstimmun-gen statt, die dies befürworte-ten. Umgekehrt widerspricht der Wechsel der Krim von der Ukraine zu Russland nicht dem Völkerrecht und wurde nicht von Putin, sondern der Krim-bevölkerung durchgesetzt. Der „Rechte Sektor“ und die Ban-dera-Anhänger (z. B. Swobo-da, weitere Mächtige) sind zwar keine unmittelbare Bedrohung für Russland, wohl aber für die ukrainischen Linken, die rus-sischsprachige Bevölkerung usw. Außerdem arbeiten sie mit westlichen Kräften zusammen, die eine schwere Bedrohung für Russland darstellen, auch we-gen deren militärischer Über-legenheit. Früher war dies das Dritte Reich, heute EU und USA. Diese wollen eine Unterwer-fung möglichst großer Gebiete (z. B. freier Zugang zu Märkten und Rohstoffen), notfalls mit Gewalt, und eine Schwächung der übrigen Länder. Dafür dient auch die kritisierte Berichter-stattung. Russland will dage-gen, ob aus Überzeugung oder militärischer Schwäche, den Schutz der russisch(sprachig)en Bevölkerung, keine Bedro-hung an den eigenen Grenzen und (Handels-)Beziehungen, von denen alle Beteiligten pro-fitieren, aber keine Besetzung anderer Länder. Deshalb ver-weigerten sie den Einmarsch in die Ukraine und verlangen statt-dessen Volksabstimmungen und Verhandlungslösungen.Uwe Schnabel, Coswig

So gesehen

Revoltierenvon Stathis Soudias

Und nun die Ukraine. Allerorts, wochenlang, ununterbrochen Berichte. Und Drohungen. Von der EU, der NATO, der US-Regie-rung. Mahnungen und Sanktio-nen aller Art. Gegen Russland. Was immer im Einzelnen da-bei Wahrheit sein soll, wir soll-ten nicht vergessen: Erstens ist Russland kein sozialistischer Staat und Putin ein gewichtiger Spieler im Weltkasino. Und zwei-tens sind die Ereignisse in die Ukraine kein singuläres Phäno-men. Vielmehr sind sie Glieder in einer großen Kette. Erinnern wir uns an die „Jasminrevoluti-on“ in Tunesien, die am 17. De-zember 2010 begann. Landes-weite Massenunruhen in der Bevölkerung, die sich in Wellen von Protestaktionen gegen das Regime und die Lebensbedin-gungen richten. Massenprotes-te unterschiedlicher Teile der Bevölkerung auch in Ägypten. Die Demonstranten wenden sich vor allem gegen das Regime des ägyptischen Präsidenten Mubarak, dem Korruption und Amtsmissbrauch vorgeworfen wird. Der „arabische Frühling“ macht die Runde. Libyen und Syrien folgen. Eines haben die-se Aufstände gemeinsam: Das Volk will die Macht an sich rei-ßen, will ein Stück vom Kuchen für sich. Nur kurz davor hat die größte Finanzkrise den Erdball erschüttert. Eine gewaltige Wirt-schaftskrise folgte, deren Aus-wirkungen wir heute noch gar nicht übersehen können. Und nun beginnt ein „neues Spiel“. Regierungsgegner rufen in Venezuela zu Protesten auf. Ähnliches in Thailand. Und in beiden Ländern stehen Multimil-liardäre hinter den Protesten ge-gen die gewählten Regierungen. Kurzum: Der Spieß wurde umge-dreht. Weil die Finanzoligarchen auch die politische Macht haben wollen. Sie korrumpieren Teile des Volkes, finanzieren und ent-fachen „Volksproteste“. Nicht zu vergessen, die „Sparpolitik“ der EU, die ganze Völker entmün-digt und ausraubt, um die Ge-winne der Finanzspekulanten zu sichern. Nüchtern betrachtet ist die Ukraine nur ein weiterer Schritt, ein weiteres Steinchen. Wir sind Zeuge des brutalen, globalisierten Klassenkampfes. Nicht mehr, nicht weniger.

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05/2014 Sachsens Linke! Seite 3

Erstmals war das Gewerk-schaftshaus in der „Karli“ am 8. März Tagungsort der Mitglieder-versammlung der Rosa-Luxem-burg-Stiftung Sachsen. Zum Auftakt gab es Glückwünsche zum Internationalen Frauen-tag mit dem Gedicht „Brot und Rosen“ - vorgetragen von Ge-schäftsführerin Stefanie Götze. 90 Mitglieder und Gäste erwar-teten mit Spannung Antwort auf viele Fragen, die in den vergan-genen Wochen bereits auf meh-reren Zusammenkünften zur neuen Veranstaltungsstrategie diskutiert wurden: Wie schaf-fen wir es, rund 25 Jahre nach

der Gründung der Stiftung, den anstehenden, notwendigen Um-bruch zu meistern, den nicht im-mer einfachen Dialog zwischen den Generationen produktiv zu gestalten? Der vorgelegte Bericht über die Arbeit im zu-rückliegenden Jahr und die Er-gänzungen durch die Stiftungs-vorsitzende Dr. Monika Runge und von Schatzmeister Dr. Bernd Juhran verdeutlichten, dass die neuen Aufgaben von einem so-liden Fundament aus in Angriff genommen werden können. Da-bei blieben Sorgen und Proble-me keineswegs unerwähnt. Rico Gebhardt, Landes- und Frakti-

onsvorsitzender der Partei DIE LINKE, wählte in seinem Gruß-wort den Vergleich vom Schiff, das trotz mancher Wellen sei-nen guten Kurs beibehalten hat. Dass dies auch künftig so sein wird, versicherte der „neue Ka-pitän“ auf der Brücke. Prof. Pe-ter Porsch wurde mit 90 Prozent als Vorsitzender gewählt. Zuvor gab es viel Beifall und Dankes-worte für Dr. Monika Runge, die weiter als Vorstandsmitglied ih-re Erfahrungen einbringen wird. Und die erwarteten Antworten? Auch diese wurden gegeben: im Bericht des Vorstandes, der Dis-kussion und der beschlossenen

Veranstaltungsstrategie bis zum Jahr 2019. Deutliches Indiz für die Akzeptanz durch die Mitglie-

der: Das Konzept wurde einstim-mig angenommen. Manfred Thomas

Wechsel auf der Kapitänsbrücke

Am 12. April 2014 besuchten die deutsch-ungarische Kulturwis-senschaftlerin Magdalena Mar-sovszky, Stephan Bosch und Ri-chard Gauch, allesamt Mitglied in der Bürgerinitiative „Leipzig Korrektiv“ sowie der Bürger-rechtler Aladár Horvath Frau Edit Pikács in Galgagyörk.Etwa zehn Prozent der Bevölke-rung in Ungarn sind Roma. Vie-le von ihnen leben in ärmlichen Verhältnissen. Auch andauern-de Diskriminierung und Aus-grenzung von der ungarischen Mehrheitsgesellschaft prägen ihren Alltag. Die von Roma be-wohnten Häuser sind oft in ei-nem ruinösen Zustand sowie ohne Strom- und Wasseran-schluss. Die Chancen der Ro-ma auf eine Berufsausbildung, einen sicheren Arbeitsplatz, an-gemessene Gesundheitsversor-gung und auf Akzeptanz in der ungarischen Bevölkerung sind erschreckend schlecht.So lebt die Mehrheit der Roma, so wachsen sie auf, so prägt sich das Bild von ihnen. Oft hör-ten wir die Vorurteile: „Die Ro-ma sind kriminell, dreckig und faul und sie wollen es auch nicht anders.“ Spricht man das The-ma Roma gegenüber Vertrete-rInnen der sogenannten Mehr-heitsbevölkerung in Ungarn an, so bekommt man ganz sicher auch eine vorurteilsbehaftete, schreckliche Geschichte über die „Machenschaften der Ro-ma-Clans“ zu hören. Kenntnis-se über die Roma-Kulturen sind hingegen in der Mehrheitsbevöl-kerung so gut wie nicht vorhan-den.In Ungarn leben die Roma in der ständigen Angst vor Über-griffen durch Rechtsextremis-ten. Besonders gefürchtet ist die gewaltbereite „Neue Garde“. Schon unter ihrem alten Namen „Ungarische Garde“, die verbo-ten worden war, verbreiteten sie als Verbündete der Partei Jobbik Angst und Schrecken. Mit ihrer ständigen Hetze gegen die Ro-ma hat sich der kulturell tiefsit-zende und niemals hinterfragte

Antiziganismus in der ungari-schen Gesellschaft radikalisiert. Die „Neue Garde“ verbreitet ei-ne rassistische, antisemitische und antiziganistische Ideologie. Dabei hat sie oft die Unterstüt-zung der sogenannten „gleich-geschalteten staatlichen Me-dien“ sowie ihrer verbündeten Partei Jobbik und einem Groß-teil der ungarischen Mehrheits-bevölkerung. Auf fruchtbaren Boden treffen die Hetztiraden

der „Neuen Garde“ vor allem in den ärmeren Regionen Nordos-tungarns. Nach einer Serie von Morden an Roma in den Jahren 2008 und 2009 ist die Lage im-mer noch höchst gefährlich. Nächtliche Überfälle, Willkür-herrschaft und Einschüchterung durch sogenannte Bürgerweh-ren gehören für viele Roma im-mer noch zum traurigen Alltag.Edit Pikács aus Galgagyörk be-schreibt es so: „Der Höhepunkt des Leidens unserer Familie be-gann 2008. Zu dieser Zeit gingen wir beide, mein Mann und ich, arbeiten. Wir haben drei Kinder, zwei Töchter und einen Sohn. Am 14. Juni gab es eine hefti-ge verbale Auseinandersetzung zwischen einer Roma und einer Nicht-Roma-Familie in unserer Straße. Die Polizei wurde geru-fen und nahm ein Protokoll auf. In der Nacht randalierten mas-kierte Personen in unserer Stra-

ße. Sie haben lautstark gerufen: „Ihr werdet verrecken, ihr dre-ckigen Zigeuner“ und „Wir ma-chen euch den Holocaust“. Wir riefen die Polizei. Jedoch bis die-se eintraf, waren die maskierten Personen schon verschwunden. Bis heute sind sie „unbekannte Täter“. Am folgenden Tag mar-schierte die Ungarische Garde auf und kesselte uns Roma ein. Wieder wurde die Polizei geru-fen, aber die „Magyar Garda“

konnte nur von einer Spezialein-heit der Polizei gestoppt wer-den. Nach einiger Zeit erschie-nen Leute von den TV-Sendern Echo-TV und Hir-TV, mit ihnen kam auch Zsolt Bayer. Er ist mit seinen rassistischen Äußerun-gen ein bekannter Journalist und guter Freund von Victor Orbán. Er machte mit der sogenannten „von der Ungarischen Garda ge-retteten“ Familie ein Interview und daraus eine Reportage, aus der hervorging, dass alles „nur wegen der Roma aus Galgagy-örk“ passiere. Dies weckte die Aufmerksamkeit der Täter der nun folgenden Serie von Mor-den an Roma.“Edit Pikács berichtet weiter: „In der Nacht des 21. Juli 2008 habe ich in der Küche geschlafen, es regnete stark. Auf einmal hörten wir ein lautes Knallen. Zu mei-nem Glück ging ich ins Wohnzim-mer, um Licht zu machen. Wäre

ich weiter in der Küche geblie-ben, so hätten sie mich erschos-sen. Durch die Fenster schos-sen sie hinein. Später sah die Küche aus, als ob eine Bombe eingeschlagen hätte, das Wohn-zimmer bekam auch einiges ab. Hier schlief der Rest der Familie mit unserem Enkelkind Mikike. Mein Sohn und mein Enkel wa-ren leichenblass, sie zitterten am ganzen Körper. Ein Glück, dass meine schwangere Tochter

nicht zu Hause schlief. Wir hat-ten alle Todesängste! Ich rief die Polizei an und sie fragten am Te-lefon: „Wer schießt denn dort?“ Ich sagte: „Keine Ahnung, aber kommen sie schnell, wir werden hier alle gekillt!“ Die Polizei kam, und die Polizisten fassten ohne Handschuhe alles herumliegen-de an. Sie sammelten fünf Pat-ronenhülsen auf. Einige Zeit spä-ter kamen weitere Spezialisten der Polizei aus Budapest, diese trugen wenigstens Gummihand-schuhe. Die Ermittler vernah-men uns. Sie fragten, bei wem wir Schulden hätten? Ich sag-te, dass wir keine Schulden ha-ben, außer bei der OTP (unga-rische Sparkasse). Sie wollten Beweise finden, um zu sagen, es seien irgendwelche Wuche-rer am Werk gewesen. Ich sag-te, es müssen Gardisten gewe-sen sein, doch sie entgegneten, dass es hierzu kein Zusammen-

hang zu finden wäre. Ich wuss-te damals schon, dass es wohl einen Zusammenhang gab. Zu dieser Zeit nahmen die Ermitt-ler die Sache nicht ernst, erst ei-nige Monate später, als es dann Tote gab. Außer unserer Familie waren auch weitere zwei Häuser und deren Bewohner betroffen. Diese Tage hinterließen Spuren in der ganzen Familie. Wir wag-ten es einige Zeit lang nicht, zu Hause zu schlafen. Wir kamen bei meiner Mutter im Nachbar-dorf für einige Zeit unter. Mein Mann war damals schon an Krebs erkrankt, die Chemo-The-rapie und die Bestrahlung belas-teten ihn zusätzlich sehr stark. Wir bekamen von niemandem ir-gendeine Hilfe, am Haus und in der Wohnung sind noch immer Einschuss-Spuren zu sehen. Un-ser einziges Glück ist, dass wir noch leben. Mein damals 4 1/2 Jahre alter Enkel erwähnt die Ta-ge immer wieder, bis heute! Oft weint er in der Nacht vor Angst. Es ist ihm bis heute nicht mög-lich, allein dem Weg zur Schu-le zu gehen. Die Teilnahme an Klassenfahrten oder Ausflüge mit Übernachtung sind für den nun 10jährigen Jungen bis heu-te unmöglich, so tief und unauf-gearbeitet ist sein Trauma“. Frau Pikács weiter: „Wir wurden auch Opfer rassistischer Gewalt. Fa-milien, die durch die Serie von Morden an Roma Todesopfer zu beklagen haben, bekommen vom ungarischen Staat eine Ent-schädigung. Aber wir starben nicht“.Die Bürgerbewegung um Aladár Horvath, die Kooperationspart-ner der BI „Leipzig Korrektiv“ ist, nimmt sich dieser Problematik an. Wir bitten nun alle LeserIn-nen um Hilfe. Der Ausgrenzung und Diskriminierung von Roma in Ungarn auf politischem Wege zu begegnen, scheint ein langer und steiniger Weg. Initiative Leipzig KorrektivRoter Baum e V. Leipzig, Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE49850205000003474500, BIC: BFSWDE33DRE

BI „Leipzig Korrektiv“ besucht Edit Pikács

Bild: Gerd Eiltzer

Bild: Leipzig Korrektiv

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Sachsens Linke! 05/2014 Seite 4

Halli Hallo, mein Name ist Ro-bert Sobolewski, ich komme aus Geringswalde. Ich bin 27 Jahre alt und arbeite seit über zehn Jahren als Mechatroniker und Vorarbeiter in einer Firma, die sich um Kühlwasseranaly-se und Dosiertechnik im Kraft-werksbereich spezialisiert hat. Seit zehn Jahren bin ich Mit-glied der Linksjugend [ solid] und seit sieben Jahren Mitglied in der Linken. Außerdem bin ich seit 2011 auch Teil des Kreis-vorstandes Mittelsachsen, dem ich mit viel Freude und, wie ich meine, auch mit viel En-gagement beiwohne. Dort ver-suche ich den älteren Genos-sen die Bedürfnisse, Sorgen und Anliegen unserer Jugend nahezubringen. Im Gegenzug versuche ich auch der Jugend das Handeln und die Ansichten der älteren Genossen nahezu-

bringen und somit eine Brücke bauen. Seit 2013 bin ich Mit-glied im Vorstand der Tiernot-hilfe Leisnig, die wir als Links-jugend ohnehin seit mehreren Jahren unterstützen.Ich kandidiere für den Säch-

sischen Landtag, um auch ein Mitspracherecht für alternati-ve Jugendliche und Subkultu-ren in der Landespolitik zu er-halten. Außerdem gibt es zu viele Missstände im Freistaat, die geändert werden müssen – angefangen beim lächerlichen sächsischen Demokratiever-ständnis, weiter über kommu-nale Mittelvergabe sowie im Tier- und Umweltschutz. Dazu gehört aber auch der Umgang mit Polizei, Sicherheitsbehör-den und Nazis, denn so etwas wie der NSU muss ein für alle Mal unterbunden werden, weil Nazis leider immer noch frei agieren können.Ich möchte für ein Sachsen streiten und kämpfen, das so-zialer, weltoffener und antifa-schistisch ist und Diskriminie-rung jeder Art aufs härteste verurteilt. Außerdem darf sich

Sachsen nicht länger mit der höchsten „Abschieberate“ von Flüchtlingen in der gesamten Republik rühmen, denn Bleibe-recht für alle – und zwar überall – sollte das Ziel einer weltoffe-nen Gesellschaft sein.

Bis Ende der 1980er Jahre war ich als Werbeleiterin bei der Konsumgenossenschaft Kreis Schwarzenberg tätig. Nach Auf-lösung des Konsums folgte ei-ne Weiterbildung zur Compu-tergrafikerin. 1994 ging ich in die Selbstständigkeit, gründe-te eine kleine Werbefirma und arbeitete bis 2004 als Dozen-tin für verschiedene Bildungs-firmen. Seit meiner Schulzeit bin ich ehrenamtlich politisch aktiv. Mitglied der Partei bin ich seit 41 Jahren. Während der Wen-dezeit engagierte ich mich als Kreisvorstandsmitglied in Schwarzenberg und später in Aue-Schwarzenberg. 2004 wurde ich in den Gemeinde-rat von Pöhla gewählt. Nach vierjährigem Kampf gelang es, Pöhla nach Schwarzenberg ein-zugemeinden. 2008 wurde ich zur Ortsvorsteherin gewählt. Schnell waren wir uns im Ort-schaftsrat einig, dass das ehe-malige Rathaus im Ortszent-rum weiter kommunal genutzt werden soll. Eine Arzt- und Zahnarztpraxis beherbergte das Gebäude schon. Ein neu gegründeter Heimat- und Ge-schichtsverein bezog noch leer

stehende Räume, richtete eine Bibliothek ein, zeigt Ausstellun-gen und führt Veranstaltungen durch. Die Stadt Schwarzen-berg hat sich jetzt dazu be-kannt, das Gebäude zu sanie-ren.2010 gab es nur 13 Anmeldun-gen für die örtliche Grundschu-le, und die Schulschließung wurde angeordnet. Für die Ver-eine, Feuerwehr und das kultu-relle Leben im Dorf ist dies ein erheblicher Eingriff in die Infra-struktur. Viele Kinder sind jetzt erst nach 15 Uhr zu Hause. Für Vereinsarbeit ist wenig Zeit und es gibt Nachwuchsprobleme. Unser Ort war bis zur Wende ein Trainingszentrum Ski und hatte hauptamtliche Trainer. Talentierte Nachwuchssportler gingen nach Klingenthal oder Oberwiesenthal. Jens Weißflog kommt aus Pöhla und profitier-te von der guten Zusammenar-beit des Sportvereins mit der Schule. Jetzt haben wir ehren-amtliche Trainer und keine Leh-rer mehr, die sich im Sportver-ein engagierten.Erhebliche Nachwuchsproble-me hat auch die Feuerwehr, denn mit der Grundschule wur-de eng zusammengearbeitet. Eine kostspielige Werbekam-pagne des Innenministeriums – „Helden gesucht!“ – hat der Jugendfeuerwehr keinen Nach-wuchs gebracht.Im Landtag würde ich mich für eine familienfreundliche Poli-tik durch längeres gemeinsa-mes lernen in Gesamtschulen nahe der Wohnorte einsetzen. In kleineren Orten sollte es doch im Interesse junger Fa-milien Möglichkeiten geben,

erste Klassen mit 10 Schülern zu eröffnen. Schließlich leisten wir uns bundesweit 16 Kultus-ministerien, in denen von Klas-se 1-10 ähnliche Lehrpläne für jedes Bundesland erstellt wer-den. Mit einheitlichen Lehrplä-nen und Lehrbüchern könnte da schon Personal für Schulen frei werden. Der Schülertrans-port auf Kosten der Eltern trägt auch nicht dazu bei, Familien in ländlichen Regionen zu hal-ten. Sie siedeln in Gebiete mit Schulstandorten um.Da auch aus meinem Ort und unserer Umgebung viele Fach-kräfte der Arbeit und fairen Löhnen nachfahren, ist es in Sachsen notwendig, dem Be-triebsverfassungsgesetz mehr Bedeutung zu schenken. Die wenigsten Firmen verfügen über Arbeitnehmervertretun-gen. Teile Sachsens sind zum Billiglohnland und Zeitarbeit ist zur „Dauerarbeit“ geworden. Hier bedarf es klarer Regeln. Dass Zeit- oder Leiharbeit funk-tionieren können, zeigen einige Firmen, in denen Gewerkschaft und Betriebsrat aktiv sind.Wirtschaftsförderung in un-serem Freistaat wird groß ge-schrieben. Nach 25 Jahren Ein-heit ist es an der Zeit, dass auch bei Arbeitnehmerinnen und Ar-beitnehmern etwas vom Ge-winn ankommt. Damit die Men-schen in ihrer Heimat bleiben. Junge Leute wünschen sich si-chere Arbeitsplätze zu fairen Löhnen, Kinderbetreuung und Schulen nahe an den Wohns-tandorten, um Familien grün-den zu können. Nur so kann der demografische Wandel ge-bremst werden.

In dieser Ausgabe: Robert Sobolewski, Annelore Liebchen

Auf in einen engagierten Wahlkampf – Europa geht anders: sozial, friedlich, demokratisch

Direktkandidierende zur Landtagswahl

Liebe Genossinnen und Ge-nossen,

wenn am 25. Mai gleichzeitig mit den Kommunalwahlen in zehn Bundesländern das Eu-ropäische Parlament gewählt wird, dann treten wir an, um Eu-ropa zu verändern. Diese Ver-änderung beginnt vor Ort, mit uns. Wir sind in diesem Wahl-kampf diejenigen, die sich mit den Mächtigen anlegen. Wir werden die Stimme derjenigen sein, die keine Lobby haben. Seit der letzten Wahl ist die Erwerbslosigkeit in der Eu-ropäischen Union gestiegen, besonders bei jungen Men-schen. Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich weiter geöffnet, die Macht der Ban-ken und der großen Unterneh-

men ist gewachsen. Die euro-päische Einigung als Idee des friedlichen Zusammenwach-sens unseres Kontinentes wird immer weiter zu einem reinen Projekt verfremdet – weg von den Menschen und hin zu den Märkten. Die Europäische Uni-on hat die Märkte geöffnet und die Konkurrenz der Standorte befeuert – der Druck auf Löh-ne ist spürbar, soziale Rechte werden beschnitten bzw. ver-weigert. Die Politik der EU fin-det Regelungen für Bratwürs-te und Gemüse, aber keine, die Banken und Spekulatio-nen wirksam kontrollieren. Sie geht mit unmenschlicher Här-te gegen Flüchtlinge vor, die zu Tausenden an den Grenzen umkommen, aber setzt keine Grenzen für Steuerflucht. Und

vor dem Hintergrund der aktu-ellen Entwicklungen wird deut-lich: Europa braucht DIE LINKE mit klaren friedenspolitischen Positionen.Wir haben in Berlin unsere Kampagne zur Europawahl den Medien präsentiert – unsere Schwerpunkte gute Arbeit und soziale Gerechtigkeit, Frieden und Demokratie stehen im Mit-telpunkt des Wahlkampfes. Die Plakate und die ersten Materi-alien sind bereits in die Kreis-geschäftsstellen ausgeliefert – der Wahlkampf kann also los-gehen.Um einen fulminanten Wahl-kampf hinzulegen, brauchen wir wieder viele aktive Wahl-kämpferinnen und Wahlkämp-fer. Unsere Partei verfügt bekanntllch nicht über die Mil-

lionenspenden, mit denen wir Leute fürs Plakatieren oder Zei-tung verteilen einkaufen könn-ten. Vor allem aber ist das per-sönliche Gespräch der beste und nachhaltigste Wahlkampf. Daher unsere Bitte: Wenn Du es noch nicht getan hast, dann meldeDich bei Deinem Kreis-vorstand und besprich, was Du im Wahlkampf tun kannst – es werden für ganz unterschied-liche Aufgaben viele helfen-de Hände gebraucht. Wenn du vor Ort keinen Kontakt findest, dann kannst Du Dich auch an die Bundesgeschäftsstelle per Telefon (030/24 009-111) oder online über www.linksaktiv.de wenden. Und natürlich wäre es großartig, wenn Du selbst neue aktive Mitstreiterinnen und Mitstreiter für unseren Wahl-

kampf gewinnst. Sprich Kol-leginnen und Kollegen, Freun-dinnen und Freunde oder auch Verwandte doch einfach mal an, ob sie nicht mitmachen wollen. Auch Nichtmitglieder sind selbstverständlich herz-lich eingeladen.In diesem Sinne laden wir Dich ein, im bevorstehenden Wahl-kampfwieder gemeinsam mit uns für unsere Ziele und eine starke linke Fraktion im Euro-paparlament zu streiten. Mit Mut, mit einem kritischen Blick und hoffentlich auch mit Lust und Spaß.

Mit solidarischen Grüßen

Katja Kipping Bernd Riexinger Matthias Höhn

Page 9: Links! Ausgabe 05/2014

Kommunal-Info 4-2014

GesundheitDie Rolle der Landkreise bei der gesundheitlichen Versorgung

Seite 3

NebenangeboteEntscheidung des BGH zu Nebenangeboten

Seite 3

FlächenfraßKommunen könnten ihre Brachen und Baulücken besser nutzen

Seite 4

FreihandelsabkommenKommunale Daseinsvorsorge herausnehmen

Seite 4

K o m m u n a l p o l i t i s c h e s F o r u m S a c h s e n e . V .K F S

Online-Ausgabe unter www.kommunalforum-sachsen.de

23. April 2014

Wenn die bei den Kommunalwah-len am 25. Mai neugewählten Stadt-, Gemeinde- Kreisräte danach zu den konstituierenden Sitzungen zusam-menkommen, dann werden in diesen Sitzungen die Räte vom Bürgermeister bzw. vom Landrat auf die gewissenhaf-te Erfüllung ihrer Aufgaben verpflich-tet. In der Regel werden in der konsti-tuierenden Sitzung die Hauptsatzung der Gemeinde/des Landkreises und die Geschäftsordnung des Gemeinderats/Kreistags beschlossen.1

HauptsatzungDie Hauptsatzung ist so etwas wie ein

Grund- und Verfassungsstatut einer Gemeinde. Im Unterschied zu allen an-deren Satzungen, die die Gemeinde be-schließt, muss sie mit der Mehrheit der Stimmen aller Gemeinderatsmitglieder beschlossen werden. Dabei zählt die Stimme des Bürgermeisters mit, da er ja stimmberechtigtes Mitglied im Ge-meinderat ist. Zählt ein Gemeinderat z.B. 16 Gemeinderäte + Bürgermeis-ter (=17), dann wäre für den Beschluss der Hauptsatzung eine Mehrheit von 9 Stimmen erforderlich.

Mit dem Beschluss durch eine qua-lifizierte Mehrheit soll verhindert wer-den, dass die Hauptsatzung etwa durch eine im Gemeinderat gerade zufällige Mehrheit zustande kommt und auch allzu häufigen Änderungen unterwor-fen wird.

Die Gemeindeordnung für den Frei-staat Sachsen (SächsGemO) schreibt in der ab 1.Januar 2014 geltenden Fassung den Erlass einer Hauptsatzung in allen Gemeinden zwingend vor (§ 4 Abs. 2). Jedoch war es bislang schon gängige Praxis in den Gemeinden, Hauptsatzun-gen zu erlassen, um für den Gemeinde-rat eine stabile und kontinuierliche Ar-beitsweise zu gewährleisten.

Hauptsatzung & GeschäftsordnungMit der Hauptsatzung kann das durch

die SächsGemO gesetzte Recht durch spezielle Regelungen ergänzt werden, um bestimmten Gemeindebesonder-heiten (etwa der besonderen Siedlungs-struktur und Größe der Gemeinde) Rechnung zu tragen. Diese Regelun-gen müssen sich aber in jedem Fall in dem durch die SächsGemO vorgegebe-nen gesetzlichen Rahmen bewegen und dürfen den gesetzlichen Bestimmun-gen nicht widersprechen.

Der Sinn kommunaler Satzungs-autonomie besteht gerade darin, den Gemeinden eine eigene Gestaltungs-freiheit zu überlassen, damit sie ihre Angelegenheiten nach eigenen Zweck-vorstellungen und den jeweiligen örtli-chen Gegebenheiten entsprechend re-geln können. Den Gemeinden steht es dabei frei, ihre Hauptsatzung entweder auf das zwingend notwendige Maß zu beschränken oder darüber hinaus wei-tere Bestimmungen aufzunehmen. Je nach den örtlichen Bedürfnissen kön-nen z.B. Bestimmungen zum Gemein-degebiet, zum Leitbild der Gemeinde, zum gemeindlichen Wappen, zu örtli-chen Gedenktagen oder zum Dienstsie-gel aufgenommen werden.

Die Musterhauptsatzung des Sächsi-schen Städte- und Gemeindetags hat für die Gemeinden zwar keinen verbind-lichen Charakter, erfüllt aber für die Abfassung der Hauptsatzungen in den Gemeinden eine wichtige Hilfsfunkti-on, da sie ein hohes Maß an rechtlicher Verlässlichkeit gibt.

Die Hauptsatzung gilt über die Wahl-periode hinaus, d.h. der neugewähl-te Gemeinderat ist zunächst weiterhin daran gebunden. Die Änderung der Hauptsatzung kann nur durch eine Än-derungssatzung erfolgen, die ebenfalls durch eine qualifizierte Mehrheit aller Mitglieder des Gemeinderats zu be-

schließen ist. Die Hauptsatzung sowie Änderungs-

satzungen bedürfen keiner Genehmi-gung durch die Rechtsaufsichtsbe-hörde2, müssen ihr aber unverzüglich angezeigt werden. Wie andere ge-meindliche Satzungen ist die Hauptsat-zung öffentlich bekanntzumachen und tritt erst am Tage nach ihrer Bekannt-machung in Kraft.

Werden mehrere Gemeinden zu einer neuen Gemeinde zusammengeschlos-sen, muss eine neue Hauptsatzung be-schlossen werden, alte Hauptsatzungen aus aufgelösten Gemeinden haben kei-ne Fortgeltung.

GestaltungsspielräumeWelche Gestaltungsmöglichkeiten

lässt die SächsGemO für die Hauptsat-zung einer Gemeinde zu:

das Quorum für Anträge auf Durch-führung einer Einwohnerversammlung kann bis auf 5 % herabgesetzt werden (§ 22 Abs. 2) – in Landkreisen finden prinzipiell keine Einwohnerversamm-lungen statt;

das Quorum für Einwohneranträge, mit denen sich der Gemeinderat inner-halb von 3 Monaten zu befassen hat, kann bis auf 5 % herabgesetzt werden (§ 23) – in Landkreisen besteht keine Möglichkeit, das Mindestquorum von 10 % abzusenken;

das Quorum für Bürgerbegehren kann bis auf 5 % herabgesetzt werden (§ 25 Abs. 1) – in Landkreisen besteht keine Möglichkeit, das Mindestquo-rum von 10 % abzusenken;

die Zahl der Gemeinderäte kann um die nächsthöhere Größengruppe her-aufgesetzt oder auf die nächstniedere Größengruppe herabgesetzt werden (§ 29 Abs. 3) – in Landkreisen besteht für die Zahl der Kreisräte eine analoge Re-gelung nicht;

die Bildung von beschließenden Ausschüssen und die Übertragung be-stimmter Aufgabengebiete zur dauern-den Erledigung (§ 41 Abs. 1);

Anträge, die nicht vorberaten wor-den sind, können auf Antrag des Vor-sitzenden oder eines Fünftels aller Mitglieder des Gemeinderats den zu-ständigen beschließenden Ausschüs-sen zur Vorberatung überwiesen wer-den (§ 41 Abs. 1);

die Bildung von beratenden Aus-schüssen (§ 43 Abs. 1);

beratende Ausschüsse können den Vorsitzenden aus ihrer Mitte wählen, der dann insoweit die Aufgaben des Bürger-meisters wahrnimmt (§ 43 Abs. 3);

die Bildung eines Ältestenrates (§ 45);

die Bildung eines Beirates für ge-heimzuhaltende Angelegenheiten und von sonstigen Beiräten (§§ 46, 47);

die Bestimmung der Hauptamtlich-keit des Bürgermeisters in Gemeinden mit weniger als 5.000, aber mehr als 2. 000 Einwohnern (§ 51 Abs. 2);

das Quorum für Bürgerbegehren zur Einleitung eines Abwahlverfahrens des Oberbürgermeisters in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern kann auf ein Fünftel herabgesetzt werden (§ 51 Abs. 8) – in Landkreisen gilt generell ein Mindestquorum von 50 % für die Abwahl des Landrats;

die dauernde Übertragung von Auf-gaben auf den Bürgermeister (§ 53 Abs. 2);

die Stellvertretung des Bürgermeis-ters kann auf den Vorsitz im Gemein-derat und die Vorbereitung seiner Sit-zungen sowie auf die Repräsentation der Gemeinde beschränkt werden, in diesem Falle hat der Bürgermeister im Einvernehmen mit dem Gemeinderat

Fortsetzung auf Seite 2

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Seite 2Kommunal-Info 4/2014

ImpressumKommunalpolitisches

Forum Sachsen e.V.Großenhainer Straße 99

01127 DresdenTel.: 0351-4827944 oder 4827945

Fax: 0351-7952453info@kommunalforum-sachsen.dewww.kommunalforum-sachsen.de

V.i.S.d.P.: A. Grunke

Die Kommunal-Info dient der kommunalpolitischen Bildung und Information und wird aus finanziellen Zuwendungen des

Sächsischen Staatsministeriums des Innern gefördert.

einen oder mehrere geeignete Bediens-tete zu bestellen (§ 54 Abs. 2);

die Bestimmung der Zahl der Beige-ordneten (§ 55 Abs. 1);

die Bestellung des/der Gleichstel-lungsbeauftragten und weiterer Beauf-tragter für spezielle Aufgabengebiete (§ 64);

die Einführung der Ortschafts-verfassung (§ 65 Abs. 1) und Bestim-mung der Zahl der Ortschaftsräte (§ 66 Abs. 2);

die Übertragung weiterer Angele-genheiten auf den Ortschaftsrat (§ 67 Abs. 2);

die Durchführung von Bürgerent-scheiden und Bürgerbegehren in den Ortschaften (§ 69 Abs. 2);

die Aufhebung der Ortschaftsver-fassung durch Änderung der Hauptsat-zung zur nächsten regelmäßigen Wahl der Gemeinderäte (§ 69a Abs. 1);

die Einteilung des Stadtgebietes der Kreisfreien Städte in Stadtbezirke (§ 70 Abs. 1);

die Bestimmung der Zahl der Mit-glieder des Stadtbezirksbeirates in Kreisfreien Städten (§ 71 Abs. 1).

GeschäftsordnungMit § 38 Abs. 2 SächsGemO hat der

Gemeinderat zwingend seine inneren Angelegenheiten, insbesondere den Gang seiner Verhandlungen, durch ei-ne Geschäftsordnung zu regeln.

Wie bei der Hauptsatzung müssen sich die Regelungen der Geschäfts-ordnung in dem durch die SächsGemO vorgegebenen gesetzlichen Rahmen bewegen und dürfen den gesetzlichen Bestimmungen nicht widersprechen.

Im Unterschied zur Hauptsatzung ist die Geschäftsordnung des Gemeinde-rats von ihrer Natur her keine kommu-nale Satzung, sie bedarf daher nicht zwingend einer öffentlichen Bekannt-machung und ist auch gegenüber der Rechtsaufsichtsbehörde nicht anzeige-pflichtig. Mit ihrer Beschlussfassung tritt die Geschäftsordnung unmittelbar in Kraft, das gilt ebenso für Änderun-gen. Die Geschäftsordnung gilt über die Wahlperiode hinaus für den nächs-ten Gemeinderat, soweit sie nicht aus-drücklich aufgehoben oder geändert wird.3

Die Geschäftsordnung regelt vor-nehmlich die inneren Rechtsbeziehun-gen der Mitglieder des Gemeinderats, darüber hinaus kann sie auch subjek-tiv-öffentliche Rechte der Einwohner regeln (Einwohnerfragestunde).

Die Geschäftsordnung kann jeder-zeit allgemein oder für den Einzelfall durch einfachen Beschluss im Gemein-derat abgeändert werden. Sobald der Gemeinderat mehrheitlich einen Ge-schäftsordnungsbeschluss fasst, der von der bisher geltenden Geschäftsord-nung abweicht, ist dann mit dieser Be-schlussfassung in der Sache auch die bisherige Geschäftsordnung geändert, mit der Folge, dass die bisherige Rege-lung aufgehoben und die neu beschlos-sene Verfahrensweise wirksamer Be-standteil der Geschäftsordnung wird. Diese sogenannte ad hoc (Sofort)-Än-derung der Geschäftsordnung ist aller-dings umstritten.

Da die Geschäftsordnung jederzeit durch einen Gemeinderatsbeschluss geändert werden kann, besitzt der ein-zelne Gemeinderat nur einen beding-ten Anspruch auf Einhaltung. Verstö-ße gegen die Geschäftsordnung, sofern

sie nicht zugleich gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen, haben deshalb keinen Einfluss auf die so gefassten Be-schlüsse.4

Deshalb beeinträchtigt ein Verstoß gegen ihre Bestimmungen die Gültig-keit einer Entscheidung im Gemein-derat nicht, sofern nicht zugleich ein Verstoß gegen gesetzliche Verfahrens-vorschriften vorliegt. Der Bürgermeis-ter kann daher wegen eines solchen Verstoßes nicht nach § 52 Abs. 2 wider-sprechen, die Rechtsaufsichtsbehörde kann Verstöße gegen die Geschäftsord-nung nicht nach § 114 beanstanden).5

Erst wenn ein wesentlicher Verstoß gegen die Geschäftsordnung vorliegt, führt das regelmäßig zur Rechtswid-rigkeit des ihn betreffenden Beschlus-ses des Gemeinderats.

Wesentlich ist ein Verstoß, wenn:gegen die Rechte der Mitglieder des

Gemeinderats, Gruppenrechte (Frakti-

onen) oder Minderheitenrechte versto-ßen wurde,

gegen in der Geschäftsordnung ein-geräumte Außenrechte der Einwohner und Bürger verstoßen wurde.

Inhalt der GeschäftsordnungZum Inhalt einer Geschäftsordnung

des Gemeinderats gehören: die Ladungsfrist zu Sitzungen, die festen Sitzungstage, Fraktionsbildung und Fraktions-

rechte,die Sitzordnung, das Verfahren bei Ausschluss wegen

Befangenheit, das Verfahren zur Durchführung

des Vertretungsverbotes, die Eröffnung der Sitzung, die Be-

kanntgabe der Niederschrift der letz-ten Sitzung, die Feststellung der Be-schlussfähigkeit,

die Abwicklung der Tagesordnung, Wortmeldungen und Worterteilun-

gen, die Verteilung der Redezeiten, der Schluss der Aussprache,

Anträge zur Geschäftsordnung, die Verweisung an einen Ausschuss, die Form der Abstimmung, die Ab-

stimmungsreihenfolge bei mehreren Anträgen, das Feststellen des Abstim-mungsergebnisses,

der Inhalt der Niederschrift, Ordnungsrufe des Vorsitzenden, die

Entziehung des Wortes, der Ausschluss aus der Sitzung,

Einzelheiten bezüglich der Einwoh-nerfragestunde,

Anfragen der Gemeinderäte an den

Bürgermeister, die Zusammensetzung, der Ge-

schäftsgang und die Aufgaben des Äl-testenrates.

Gesetzliche VorgabenDie SächsGemO sieht vor, zu folgen-

den Angelegenheiten gesetzliche Vor-schriften durch die Geschäftsordnung auszugestalten.

Anfragerecht der Gemeinderäte (§ 28 Abs. 6):

Danach kann jeder Gemeinderat an den Bürgermeister schriftliche oder in einer Sitzung des Gemeinderats münd-liche Anfragen über einzelne Angele-genheiten der Gemeinde richten, die binnen angemessener Frist, die grund-sätzlich vier Wochen beträgt, zu be-antworten sind. Näheres ist in der Ge-schäftsordnung zu regeln.

Fraktionen (§ 35a Abs. 1, 4):Die Bildung, die Stärke der Fraktio-

nen, ihre Rechte und Pflichten inner-halb des Gemeinderats sind durch die Geschäftsordnung zu regeln. Außer-dem kann die Geschäftsordnung vorse-hen, dass Arbeitnehmer der Fraktionen zu nichtöffentlichen Sitzungen des Ge-meinderats und seiner Ausschüsse Zu-tritt haben.

Einberufung der Gemeinderats-sitzung (§ 36 Abs. 3):

Die Geschäftsordnung regelt Nähe-res über die Einberufung der Gemein-deratssitzung durch den Bürgermeis-ter, die schriftliche oder elektronische Form in angemessener Frist bei recht-zeitiger Mitteilung die Verhandlungs-gegenstände und der Zustellung der für die Beratung erforderlichen Unterla-gen.

Gang der Verhandlungen (§ 38 Abs. 2):

Gemeinderat regelt insbesondere den Gang seiner Verhandlungen im Rahmen der gesetzlichen Vorschrif-ten durch eine Geschäftsordnung. Zum „Gang der Verhandlungen“ ge-hört alles, was zwischen der Eröffnung der Sitzung und deren Schließung ge-schieht, also die Beratung, Beschluss-fassung und Bekanntgaben zu den Ver-handlungsgegenständen der Sitzung.

Niederschrift (§ 40):In der Geschäftsordnung ist Nähe-

res zur Niederschrift über den wesent-lichen Inhalt der Verhandlungen des Gemeinderats zu regeln. Die Nieder-schrift muss insbesondere den Namen des Vorsitzenden, die Zahl der anwe-senden und die Namen der abwesenden

Gemeinderäte unter Angabe des Grun-des der Abwesenheit, die Gegenstände der Verhandlung, die Anträge, die Ab-stimmungs- und Wahlergebnisse und den Wortlaut der Beschlüsse enthalten. Der Vorsitzende und jedes Mitglied können verlangen, dass ihre Erklärung oder Abstimmung in der Niederschrift festgehalten wird.

Mitwirkung im Gemeinderat und in den Ausschüssen (§ 44):

In der Geschäftsordnung kann Nä-heres bestimmt werden, wie sachkun-dige Einwohner und Sachverständige in die Beratungen einbezogen werden können, wie den Einwohnern oder Ver-tretern von Bürgerinitiativen die Gele-genheit gegeben werden kann, in einer Einwohnerfragestunde das Wort zu er-greifen oder wie bei der Vorbereitung wichtiger Entscheidungen betroffenen Personen und Personengruppen die Möglichkeit gegeben wird, ihre Auf-fassung vorzutragen (Anhörung).

Ältestenrat (§ 45):Wird durch die Hauptsatzung ein Äl-

testenrat gebildet, der den Bürgermeis-ter in Fragen der Tagesordnung und des Gangs der Verhandlungen des Ge-meinderats und seiner Ausschüsse be-rät, ist Näheres über die Zusammen-setzung und den Geschäftsgang in der Geschäftsordnung zu regeln.

A. G.---

1 Gemeinden sind nach § 3 Abs. 1 der Sächsischen Gemeindeordnung (Sächs-GemO) kreisangehörige Städte und Gemeinden sowie kreisfreie Städte. In Städten führt der Gemeinderat die Be-zeichnung Stadtrat (§ 27 Abs. 2). Der Einfachheit halber werden hier nur die Bezeichnungen Gemeinde und Ge-meinderat verwendet. Da in den Land-kreisen entsprechend der Sächsischen Landkreisordnung (SächsLKrO) für die Hauptsatzung und Geschäftsordnung analoge Regelungen Anwendung finden, wird nur dort auf die Landkreise einge-gangen, wo es für sie abweichende Rege-lungen gibt. 2 Rechtsaufsichtsbehörde für kreisan-

gehörige Städte und Gemeinden ist das jeweilige Landratsamt, für Landkreise und Kreisfreie Städte ist es die Landes-direktion Sachsen. 3 Vgl. Gern, Sächsisches Kommunal-

recht, 2. Aufl. Beck, München 2000, Rn.489.4 Vgl. Hegele/Ewert, Kommunalrecht

im Freistaat Sachsen, Boorberg 2004, 3. Aufl., S. 114.5 Vgl. Menke/Ahrens, Gemeindeord-

nung für den Freistaat Sachsen. Kom-mentar, Kohlhammer 2004, S.104.

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PARLAMENTSREPORT

Liebe Leserinnen und Leser,die Vorboten des Wahlkampfes sind inzwischen auch im Parlament unver-kennbar. Vordergründig sieht man sie in Debatten wie jener zum „Autoland Sachsen – Motor für Beschäftigung und Wachstum“, mit der CDU und FDP einmal mehr etwas für sich beanspruchten, woran sie nahezu unbeteiligt sind. Doch auch im Hintergrund findet Bizarres statt. Seit 1999 ist per Erlass geregelt, dass Persönlichkeiten des politischen Lebens in den letzten zwölf Wochen vor Wahlen nicht im Schulunterricht oder bei „sonstigen schulischen Veranstaltungen“ präsent sein dürfen. Mit einem offiziellen Schreiben mahnte das Kultusmini-sterium unlängst die Schulen, genau darauf zu achten, dass der Erlass ein-gehalten wird. Abgeordnete aller Frak-tionen hätten junge Menschen dann zwar in den Landtag einladen, nicht aber mit ihnen über Politik sprechen können. Dabei zählen schon Grund-schulkinder zu den gern gesehenen Gästen auf den Landtagsfluren, soll doch politische Bildung – zu Recht – so früh wie möglich beginnen. Zum Glück wurde diese drohende Skurrilität abgewendet. Der Landtags-präsident, faktisch getrieben durch die demokratischen Fraktionen, griff zum Telefon, beschwerte sich und erreichte, dass Schülerinnen und Schüler das Hohe Haus nun weiter besuchen können – und wir Abgeord-nete jungen Menschen nicht aus dem Weg gehen müssen. Dass das wenig-stens kurzzeitig zu befürchten war, zeigt: Im Freistaat hat sich eine Kultur des blinden Gehorsams gegenüber Oberen etabliert. Das müssen wir ändern. Deswegen braucht Sachsen eine neue, unverbrauchte und ver-nunftgeleitete politische Mehrheit.

Rico GebhardtFraktionsvorsitzender

April 2014 Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag

Kindererziehung ist eine Lebensleis-tung, auf die jede Mutter und jeder Vater besonders stolz sein kann. Bei der Rente muss das angemes-sen gewürdigt werden. Bei dieser Gerechtigkeitsfrage hapert es aller-dings: Zwar haben CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag angekün-digt, „Kindererziehung besser aner-kennen“ zu wollen. Die Umsetzung allerdings – die sogenannte Mütter-rente – lässt das Ziel, Ost- und West-deutsche in der Rentenpolitik gleich und damit gerecht zu behandeln, weiter in die Ferne rücken. Deshalb brachte die Fraktion DIE LINKE das Thema „Staatsregierung blockiert Rentengerechtigkeit: Das Beispiel Mütterrente‘“ mit einer Aktuellen Debatte ins Plenum des Landtages.

Die Bundesregierung will ab Juli 2014 allen Müttern und Vätern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, einen zusätzlichen Entgelt-punkt in der Alterssicherung gewäh-ren. Heiderose Gläß, gleichstel-lungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, bekundete ihre Freude darüber, dass vor allem viele Frauen deshalb sehr bald eine höhere Rente bekommen werden. Freilich müssten jedoch vor allem ostdeutsche Frauen, die bereits frühzeitig wieder ins Erwerbsleben eingestiegen waren, damit rech-nen, weniger zu bekommen als den versprochenen Entgeltpunkt. Denn dieser Aufwuchs wird auf Arbeits-einkommen, Witwenrenten und sogar die Altersgrundsicherung angerechnet. Mit der Mütterrente wird auch keine Gleichstellung erreicht, vielmehr werden ostdeut-

sche Eltern benachteiligt. Zwar ist die staatliche Einheit Deutschlands seit nunmehr 24 Jahren hergestellt. Dennoch haben Ost- und West-rentner bei gleichem Einkommen unterschiedliche Rentenansprüche. Denn ein Entgeltpunkt – als zent-rale Werteinheit der gesetzlichen Rentenversicherung – ist im Osten derzeit 25,73 Euro wert, im Westen hingegen 28,13 Euro. Damit setzt sich die Ungleichbehandlung bei der Mütterrente automatisch fort, da sie ja im Wesentlichen auf der Vergabe zusätzlicher Entgeltpunkte beruht. Der Unterschied von 2,40 Euro sei „durch nichts gerechtfertigt“, so Gläß. „Wir schaffen eigentlich eine Vier-Klassen-Kindergesellschaft. Ein West-Kind vor 1992 ist 56,26 Euro wert, ein West-Kind nach 1992 84,39 Euro. Ein Ost-Kind vor 1992 ist 51,46 Euro wert und ein Ost-Kind nach 1992 77,19 Euro“.

Die Bundesregierung verzichte trotz ihrer satten Mehrheit auf eine gerechte Rentenreform, kritisierte der LINKE Sozialexperte Dr. Diet-mar Pellmann. Auch nach den für 1. Juli vorgesehenen Rentensteige-rungen betrage der Abstand zwi-schen dem Rentenwert Ost und dem Rentenwert West noch neun Pro-zent. Die Staatsregierung habe sich damit abgefunden, dass die Renten-angleichung, sollte sie überhaupt kommen, noch Jahrzehnte dauern werde, so Pellmann. Wohl deshalb habe sie eine Initiative von Thürin-gen, Sachsen-Anhalt und anderen ostdeutschen Ländern im Bundes-rat, die sich gegen die Ungleichbe-handlung von Ost- und Westeltern

Gleichheit statt Vier-Klassen-Kinder-Gesellschaft

richtete, nicht unterstützt. Sie setze sich auch nicht ausreichend dafür ein, dass soziale Leistungen wie die Mütterrente aus Steuermitteln finanziert würden, um die Renten-kassen zu entlasten. „Vielmehr hofft man, dass die zum 1. Juli eintreten-den Regelungen als Beruhigungspille für die Landtagswahlen wirken, und dass niemand merkt, dass eigentlich kein einziges rentenpolitisches Pro-blem auch nur ansatzweise gelöst ist“, kritisierte Pellmann.

Stattdessen müsse endlich dafür gesorgt werden, dass das bestän-dig sinkende Rentenniveau – 2030 soll es noch bei 43,7 % des durch-schnittlichen Arbeitseinkommens liegen – wieder auf 53 Prozent ange-hoben werde, indem Dämpfungs-faktoren in der Rentenberechnung abgeschafft würden. Für alle durch die Rentenversicherung finanzier-ten sozialen Leistungen, also auch für die Mütterrente, müsse ein Aus-gleich aus dem Bundeshaushalt geleistet werden. Aus den Über-schüssen der Rentenkassen müsse eine Demografie-Reserve gebildet werden, um für künftige Generatio-nen vorzusorgen.

Es ist bizarr, dass Deutschland auch im 24. Jahr der staatlichen Einheit Deutschlands weiter durch eine Rentenmauer getrennt wird. Die Staatsregierung muss endlich ihren Teil dazu beitragen, Altersarmut zurückzudrängen. Und sie muss sich dafür einsetzen, dass Lebensleis-tungen in Ost und West gleicherma-ßen zu angemessenen und gerech-ten Renten führen.

Page 12: Links! Ausgabe 05/2014

PARLAMENTSREPORTSeite 2 April 2014

Wer ins Krankenhaus muss, darf mit Recht eine bestmögliche und hochwertige Behandlung erwarten. Gerade in unserer alternden Gesell-schaft wird Krankenhausmedizin immer wichtiger, auch weil das Netz der ambulant tätigen Haus- und Fachärzte dünner wird. Kran-kenhausleistungen müssen sich vorrangig an Qualität und nicht an ökonomischen Interessen messen lassen. Bei Sachsens Krankenhäu-sern existieren jedoch zwei grund-sätzliche Probleme: eine viel zu oberflächliche Bedarfsplanung und ein millionengroßes Finanzierungs-loch. Die politischen Planungen zur Kran-kenhauslandschaft fußen derzeit vor allem auf der Belegungshäu-figkeit und der wirtschaftlichen Entwicklung der Krankenhäuser. Das sagt freilich kaum etwas über die tatsächlich erbrachten Versor-gungsleistungen aus. „So werden nach dem sächsischen Kranken-hausgesetz alle drei Jahre Kranken-häuser, Fachabteilungen und Bet-ten gezählt, auf- und abgebaut und hin- und hergeschoben“, kritisiert Kerstin Lauterbach, gesund-heitspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. „Die Quali-tät der Leistung muss stattdessen Leitkriterium für die Krankenhaus-planung werden“. Es müsse eine

langfristige Entwicklungsperspek-tive her, so Lauterbach. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE „Kranken-hausbedarfsplanung und -finanzie-rung auf neue Herausforderungen einstellen“ (Drucksache 5/13523) forderte dementsprechend die Staatsregierung auf, bis Ende Juni einen bis 2030 reichenden Kran-kenhausbedarfsplan vorzulegen. „Auf dieser guten Planung kann auch eine gute Finanzierung auf-bauen. Ihnen fehlt allerdings bei-des“, wies Lauterbach die Staats-regierung auf das zweite große Problem hin. Nachdem der säch-sische Krankenhausbereich nach 1990 mit großem Aufwand saniert und modernisiert worden war, kam es in den vergangenen zehn Jahren zur Stagnation. Heute nimmt Sach-sen bei den Krankenhausinvesti-tionen den letzten Platz aller Bun-desländer ein. Der so entstandene Investitionsstau, der mit etwa 350 Millionen Euro beziffert wird, wirkt sich zunehmend auf die Qualität der Versorgung aus. Die Krankenhäuser leben von ihrer Substanz. Momen-tan gehen die Krankenhäuser davon aus, dass jährlich etwa 240 Milli-onen Euro gebraucht werden. Der aktuelle Haushalt sieht 101 Milli-onen Euro für diesen Bereich vor; davon stammen allerdings 44 Mil-lionen Euro von den gesetzlichen

Krankenkassen. Diese sind nach 2015 nicht mehr verpflichtet, sich finanziell zu beteiligen. Umso wichtiger ist es, dass der Freistaat rechtzeitig für eine solide Krankenhausfinanzierung sorgt. Nach dem Willen der LINKEN soll sich die Staatsregierung in Berlin für ein Investitionshilfeprogramm für den stationären medizinischen Bereich einsetzen. Außerdem zielte der Antrag darauf ab, dass im nächsten Doppelhaushalt mindes-tens 150 Millionen Euro für Kran-

kenhausinvestitionen eingeplant werden. Sozialministerin Clauß (CDU) erkennt zwar nach eigener Aussage den Zuschussbedarf in Millionen-höhe. Dennoch lehnte das Plenum den Antrag der LINKEN mehrheit-lich ab. Es wird eine Hauptaufgabe der demokratischen Opposition bei den anstehenden Haushalts-verhandlungen sein, die Staatsre-gierung auch im Krankenhausbe-reich zum Handeln zu bewegen – im Dienste der Behandlungsqualität.

Qualität zählt, nicht kalte Zahlen!

Kein Geld für Menschenrechte: Inklusionsgesetz abgelehntSeit fünf Jahren sind die Maßgaben der UN-Behindertenrechtskonven-tion geltendes Recht in Deutsch-land, mithin auch in Sachsen. Die Staatsregierung gibt vor, sächsi-sches Landesrecht seit Jahren so zu ändern, dass den Rechten von Men-schen mit Behinderung zur Geltung verholfen wird. Das ist mitnichten so. Nicht zuletzt deshalb haben die Fraktionen von LINKEN und SPD im vergangenen Jahr ihren Entwurf für ein „Gesetz zur Gleichstellung, Inklusion und selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Behin-derung im Freistaat Sachsen (Säch-sisches Inklusionsgesetz)“ (Drucksa-che 5/11841) vorgelegt. Der Zustand der Inklusion behinderter Menschen ist erreicht, wenn sie gänzlich in der Gesellschaft „angekommen sind“, in dem Sinne, dass sie innerhalb derselben nicht länger als separate Gruppe wahrgenommen werden. Nun stand der Entwurf im Ple-num zur Abstimmung. Die Debatte wurde von einem Gebärdensprach-dolmetscher übersetzt, was Horst Wehner, behindertenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, ausdrücklich lobte. Letztlich müsse das allerdings, wie im Bayerischen Landtag, bei allen Plenarsitzungen zum Standard werden. Anschlie-

ßend begründete der LINKE Sozial-politiker erneut, welche Ziele LINKE und SPD mit ihrem umfassenden Gesetzeswerk verfolgen. Gleichwer-tige Lebensbedingungen und Chan-cen für Menschen mit und ohne Behinderung sind wichtige Grund-sätze. Menschen mit Behinderung sollen gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilhaben und ihr Leben selbst gestalten können. Dazu ist eine Vielzahl von Einzelre-gelungen vorgesehen, etwa etwa ein allgemeines Gebot zur Gleich-stellung und Inklusion von Men-schen mit Behinderung und ein Diskriminierungsverbot, außerdem Festlegungen zu umfassender Bar-rierefreiheit in Bau und Verkehr, auch bei der Kommunikation öffent-licher Stellen, damit Dokumente auch für Sehbehinderte lesbar wer-den. Die Deutsche Gebärdenspra-che soll als gleichberechtigte Amts-sprache anerkannt und in Unterricht und Ausbildung eingesetzt werden, wie auch der Bildungsbereich ins-gesamt – von der frühkindlichen bis zur Hochschulbildung – inklusiv gestaltet werden soll. „Es ist uns bewusst, dass unser Vorhaben sehr ambitioniert ist“, kommentierte Horst Wehner den Entwurf und kritisierte die Koaliti-

onsfraktionen für ihre Verweige-rungshaltung. „In den Ausschüssen hat man uns vorgeworfen, wir hät-ten eine Wünsch-dir-was-Liste vor-gelegt. Was ist schlimm daran, wenn Menschen mit Behinderungen Wün-sche, Träume und Visionen haben? Seien Sie doch ehrlich. Was wün-schen sie sich denn in aller Regel? Dinge, die für Menschen ohne Behinderungen selbstverständlich sind. Was ist das für ein Land, in dem Menschen mit Behinderungen von der Gewährung ihrer Menschen-rechte nur träumen dürfen?“ Selbst-verständlich sei Inklusion nicht zum Nulltarif zu haben, die Maßnahmen kosteten Geld. Da es allerdings um den Grundsatz der Menschenwürde und um Menschenrechte gehe, könne er dieses Argument nicht gel-ten lassen. Es sei zynisch, wenn die CDU betone, dass die dazu notwen-digen Mittel „zunächst erarbeitet werden“ müssten. Das mache ihn „richtig wütend“, bekannte Wehner: „Ich frage Sie: Was ist mit denen, die gern arbeiten wollen und es ein-fach nicht können, weil der Arbeits-platz nicht barrierefrei ist oder weil Menschen mit Behinderungen eben nicht von A nach B gelangen kön-nen? Denken Sie das überhaupt ein-mal mit?“

Bei CDU und FDP überwog letztlich wohl der übliche Hang zu Lippenbe-kenntnissen. Sie schmetterten das Inklusionsgesetz ab. So wird es wohl noch Jahre dauern, bis Sachsen die UN-Behindertenrechtskonvention endlich umsetzt. Die Fraktion DIE LINKE wird weiter Druck machen.

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PARLAMENTSREPORTApril 2014 Seite 3

Die CDU-geführten Staatsregie-rungen haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten etwa die Hälfte der sächsischen Schulen geschlos-sen. Von den 2.591 Schulen, die im Schuljahr 1992/1993 noch ihre Pforten für junge Menschen öffne-ten, sind 1.365 geblieben. Eines der vielen Probleme, die daraus erwach-sen, sind die immer länger und län-ger werdenden Schulwege. Manche Kinder brauchen mehr als 45 Minu-ten, um zur Schule oder wieder nach Hause zu kommen. Das verursacht immer höhere Kosten.Vor dem 1.1.1996 war die Schüler-beförderung im Freistaat für die Eltern kostenfrei. Das änderte sich, als die Landkreise und kreisfreien Städte in die Lage versetzt wur-den, von den Erziehungsberechtig-ten einen Eigenanteil für die Schü-lerbeförderung fordern zu können. In den Landkreisen Mittelsachsen und Zwickau sowie im Erzge-birgskreis müssen Eltern pro Schuljahr und Kind bis zu 145 Euro für die Schülerbeförde-rung zahlen, in der Regel in monatlichen Raten. Im Land-kreis Meißen allerdings sind nun Jahresraten fällig. Ins-besondere Elternhäuser mit mehreren Sprösslingen ste-hen dann schnell vor einer unzumutbaren Belastung.Die Fraktion DIE LINKE hat den Entwurf für ein „Gesetz zur Regelung der Kosten-

freiheit der Schülerbeförderung für Eltern und Schüler in Sachsen (Sächsisches Schulwegekostenfrei-heitsgesetz“ (Drucksache 5/14109) vorgelegt, der nun erstmals im Ple-num zur Diskussion stand. In ihrer Einbringungsrede zeigte die bil-dungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Cornelia Fal-ken, den Handlungsbedarf. „Derzeit ist die Schülerbeförderung in vielen anderen Bundesländern, etwa Thü-ringen und Bayern, nach wie vor kos-tenfrei. Im Freistaat Sachsen gibt es einen einzigen Landkreis, in dem die Eltern nicht für die Schülerbeförde-rung zur Kasse gebeten werden. Das ist der Vogtlandkreis. In allen ande-ren Kreisen werden die Eigenanteile von den Eltern erhoben. Diese wer-den von Jahr zu Jahr höher“. Die Sächsische Verfassung regelt in Artikel 102 Abs. 4, dass der Schul-unterricht unentgeltlich ist. Nach

langem Kampf werden nun Schul-bücher kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Kostenfreiheit müsse folglich auch für die Schülerbeför-derung gelten, so Falken. Mit ihrem Gesetzentwurf wolle die LINKE erreichen, dass die Landkreise und kreisfreien Städte keine Eigenan-teile mehr erheben dürfen. Das solle ab dem Schuljahr 2014/2015 gel-ten. Die Frage, wie die Kommunen dann ohne dieses Geld auskommen sollen, beantwortete Falken mit einem erneuten Verweis auf die Ver-fassung: „Das haben wir ganz klar geregelt. Sollten Mehrbelastungen durch ein Gesetz entstehen, ist den kommunalen Trägern in jedem Fall ein direkter finanzieller Ausgleich zu gewähren“. Daher müsse der Frei-staat die Kosten übernehmen. Das koste zunächst 14 Millionen Euro pro Jahr, die im Rahmen der Haus-haltsbewirtschaftung bereitgestellt

werden könnten. Ab dem Doppelhaushalt 2015/2016, der in diesem Jahr verab-schiedet werden muss, seien diese Kosten in der Haus-haltsplanung entsprechend zu berücksichtigen.

Der Gesetzentwurf wurde zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen. Das Thema Schülerbeförderung, das viele Familien im Land bewegt, bleibt also weiter auf der Tagesordnung.

Kostenlos zur Schule

PlenarspiegelApril 2014Am 9. und 10. April 2014 fanden die 94. und 95. Sitzung des 5. Sächsi-schen Landtags statt. Die Fraktion DIE LINKE war mit folgenden parla-mentarischen Initiativen vertreten:

Aktuelle Debatte:– „Staatsregierung blockiert Rentengerechtigkeit: Das Beispiel ‚Mütterrente‘“

Gesetzentwürfe– „Gesetz zur Einführung der kommunalen Anstalt des öffentli-chen Rechts im Freistaat Sachsen“ (Drs 5/11427)– „Gesetz zur Gleichstellung, Inklusion und selbstbestimm-ten Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Freistaat Sachsen (Sächsisches Inklusionsgesetz – SächsInklusG)“ (Drs 5/11841)– „Gesetz über Musterverfahren in Kommunalabgabenstreitigkeiten im Freistaat Sachsen“ (Drs 5/14073)– „Gesetz zur Regelung der Kos-tenfreiheit der Schülerbeför-derung für Eltern und Schüler in Sachsen (Sächsisches Schulwe-gekostenfreiheitsgesetz – Sächs-SchulKostFreihG)“ (Drs 5/14109)

Dringlicher Antrag:– „Verantwortungsübernahme der Staatsregierung für ihr gescheiter-tes Fondsbetreibermodell V.I.A. Inf-rastrukturfonds GmbH & Co. Fonds Nr. 1 Projekt Beilrode/Arzberg – Entschuldung des ZV Beilrode/Arzberg jetzt!“ (Drs 5/14183)

Anträge:– „Krankenhausbedarfsplanung und -finanzierung auf neue Herausfor-derungen einstellen“ (Drs 5/13523) – „Nachbarschaftsschule Leipzig (NaSch) und Chemnitzer Schulmodell unbefristet fortführen!“ (Drs 5/12202)

Änderungsanträge:– zum Gesetzentwurf von CDU/FDP „Gesetz zur Änderung der Haushaltsordnung des Freistaates Sachsen“ (Drs 5/14206)

Sammeldrucksache 5/14150:In den Berichten der Ausschüsse waren folgende Anträge der Fraktion DIE LINKE enthalten:– „Abschiebestopp von Roma, Ash-kali und Balkan-Ägyptern in die Staaten der Balkanhalbinsel“ (Drs 5/11064)– „Gesundheitlichen Arbeitsschutz verbessern – auf verstärkte psychi-sche Belastungen in der Arbeitswelt reagieren“ (Drs 5/11724)– „Gemeinsame Justizvollzugsanstalt für Sachsen und Thüringen in Zwi-ckau-Marienthal“ (Drs 5//13744)Auf Empfehlung der Ausschüsse lehnte die Mehrheit im Plenum diese Anträge ab.Drucksachen (Drs) und Redebeiträge unter www.linksfraktion-sachsen.de

Länger gemeinsam lernen – Modellversuche retten!Sollen leistungsschwächere und leistungsstärkere Schüler mög-lichst lange gemeinsam lernen? Diese Frage war in Politik und Wis-senschaft lange Zeit höchst umstrit-ten. Inzwischen setzt sich langsam die Sichtweise durch, dass es gene-rell sinnvoll sein kann, junge Men-schen nicht oder wenigstens nicht allzu früh in Schubladen einzusor-tieren. So können sich „Starke“ und „Schwache“ gegenseitig unterstüt-zen, wovon beide Seiten profitieren. Im Freistaat Sachsen gab es in der vergangenen Wahlperiode einen zaghaften Versuch, längeres gemein-sames Lernen praktisch auszupro-bieren. Das von der damals mitre-gierenden SPD vorangetriebene Ansinnen, in Sachsen die Gemein-schaftsschule einzuführen, firmierte unter dem Titel „Schul modellversuch – Schule mit besonderem pädago-gischen Profil – Gemeinschafts-schule“. Neun Schulen waren bereit, sich auf den Weg zu machen, das Interesse der Eltern war groß. So wurde etwa die Gemeinschafts-schule in Geithain mit Anmeldungen förmlich überrannt.

Beim Machtantritt von CDU und FDP im Jahr 2009 war schlagar-tig Schluss. Es war eine der ersten Amtshandlungen des Kultusminis-ters Roland Wöller, den Schulver-such per Verwaltungsvorschrift faktisch zu beenden. Denn die CDU beharrt weiterhin auf der Trennung der Schülerinnen und Schüler nach der vierten Klasse, erteilt länge-rem gemeinsamem Lernen eine Absage. Heute sind die Nachbar-schaftsschule in Leipzig und das Chemnitzer Schulmodell die einzi-gen Schulen, die noch nach einem besonderen pädagogischen Kon-zept unterrichten – im Fall der Nach-barschaftsschule Leipzig seit fast einem Vierteljahrhundert. Teile die-ses Konzeptes sind etwa gemeinsa-mer Unterricht von der 1. bis zur 10. Klasse, Kennenlern-Wochenenden und altersgemischte Klassenstu-fen. Wochenplan- und Projektarbeit spielen eine große Rolle. Der Genehmigungsbescheid für das Chemnitzer Schulmodell ist allerdings bis zum 31. Juli 2018, der für die Nachbarschaftsschule gar nur bis zum 31. Juli 2014 befristet.

„Daraus entnehme ich, dass für die Schulen über den Zeitraum hinaus keine Sicherheit besteht“, so Corne-lia Falken, Bildungsexpertin der Fraktion DIE LINKE. „Wir möchten nicht nur, dass das längere gemein-same Lernen auch im zukünftigen Schulgesetz steht, indem klar for-muliert wird, dass Schulen, die es wollen, es auch ermöglichen kön-nen. Wenigstens müssen diese bei-den Schulen bestehen bleiben!“ Daher brachte die Fraktion DIE LINKE den Antrag „Nachbarschafts-schule Leipzig (NaSch) und Chem-nitzer Schulmodell unbefristet fort-führen!“ (Drucksache 5/12202) ein. Er forderte die Staatsregierung auf, dafür sorgen, dass die beiden Gemeinschaftsschulen, die nach reformpädagogischen Grundsätzen arbeiten und ihren Ursprung in der Bürgerbewegung des Jahres 1989 haben, auch über 2018 hinaus fort-geführt werden können. Die Koali-tionsmehrheit lehnte allerdings ab. Ihr ist die Selektion offenbar wich-tiger als die Suche nach besseren pädagogischen Modellen, die allen Schülern Vorteile bringen können.

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PARLAMENTSREPORTSeite 4 April 2014

ImpressumFraktion DIE LINKE im Sächsischen LandtagBernhard-von-Lindenau-Platz 101067 Dresden

Telefon: 0351/493-5800Telefax: 0351/493-5460

E-Mail: [email protected]

V.i.S.d.P.: Marcel BraumannRedaktion: Kevin Reißig

Am 12. April veranstaltete die Land-tagsfraktion im Dresdener Gewerk-schaftshaus eine „hochschulpoli-tische Bilanzkonferenz“. Sie stand unter dem Titel: „Quo vadis, Hoch-schule?“ und wurde vom hochschul-politischen Sprecher der Fraktion, Gerhard Besier, geleitet. Nach der ersten Hochschulkonferenz im November 2011 war es die zweite ihrer Art und vermutlich auch die letzte, zumindest auf absehbare Zeit. Bekanntlich wird Gerhard Besier der nächsten Landtagsfrak-tion nicht angehören. Von seiner Reputation als Wissenschaftler und als streitbarer Intellektueller profitierten jedoch nicht nur die Hochschulkonferenzen, sondern die Hochschulpolitik der Landtags-fraktion insgesamt. Nur so gelang es der Fraktion, Teile der Professo-renschaft in Sachsen für eine linke Hochschulpolitik zu interessieren und für die eine oder andere Veran-staltung zu gewinnen.

Die Runde, die im Gewerkschafts-haus zusammenkam, um über Hochschulpolitik in Sachsen zu dis-kutieren, war klein, aber fein. Das Publikum war überschaubar, die Professorenschaft hochkarätig. Kurzerhand wich man vom geplan-ten Ablauf mit Workshops und Impulsreferaten ab und setzte sich zu einem Round-Table-Gespräch zusammen. Dem Publikum bot das die Möglichkeit, den Präsidenten der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, den in Leipzig leh-renden Philosophen Pirmin Steke-ler-Weithofer, einmal aus nächster Nähe kennenzulernen, oder auch den Soziologen und Elitenforscher

Michael Hartmann von der TU Darm-stadt, einen der profiliertesten Kritiker der gegenwärtigen Hoch-schulpolitik. Als Dritter im Kreis der Professoren fungierte Eckehard Binas, ein Kulturwissenschaftler, der lange Zeit an der Hochschule Görlitz-Zittau gelehrt hatte und seit 2013 Präsident der Fachhochschule Pots-dam ist. Alle drei klugen Köpfe treten gewöhnlich vor einem großen Audi-torium auf. Sie einmal im persönli-chen Gespräch befragen zu können, machte den Reiz der zweiten Hoch-schulkonferenz aus. Dass sie bis in die Nachmittagsstunden andauerte, unterstreicht den anregenden Cha-rakter der Gesprächsrunde.

Eröffnet hatte sie Rico Gebhardt, der Fraktionsvorsitzende. Danach ging es in medias res. Die angespro-chenen Themen waren breit gefä-chert: Sie reichten von der Bologna-Reform und der Exzellenzinitiative über die Beschäftigungsverhält-nisse in den Hochschulen und den

Einfluss der Politik auf die Hoch-schulen (Stichwort Autonomie) bis hin zum Stellenwert und zur Bedeu-tung von Hochschulen für Sachsen. Dass die Professoren für mehr Pla-nung in der Hochschulpolitik und für eine länder übergreifende Koopera-tion plädierten, überraschte inso-fern ein wenig, als dass Planen in Verruf geraten ist, weil es vorschnell mit sozialistischer Planwirtschaft assoziiert wird. Hier scheint sich ein Umdenken anzubahnen. Zuviel, so die Kritik, bleibe in der Hoch-schulpolitik dem Zufall überlassen. Das führe die Profilbildung an den Hochschulen deutlich vor Augen. Welche Fachrichtungen eingestellt, welche Institute geschlossen wer-den, geschehe in einer völlig unko-ordinierten Weise. Der Grund ist in der Regel ganz einfach: Die Hoch-schulen müssen sparen und Stellen abbauen. Folglich schauen sie, wo Professoren aus Altersgründen aus-scheiden, deren Stellen dann nicht wieder besetzt werden. Im Ergebnis

laufe das auf eine immer größere Angleichung des Fächerprofils in den Hochschulen hinaus. Sachsen leistet sich jetzt schon ein über-durchschnittliches Profil an Inge-nieurwissenschaften, die doppelt so teuer sind wie etwa die Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Unter dieser Art der Profilbildung leiden insbesondere die kleinen, sog. Orchideenfächer und die Geis-teswissenschaften. Im Vergleich mit den MINT-Fächern gelten sie als drittmittelarm und als Kostenfaktor. Deshalb fällt es den Hochschullei-tungen leichter, sie einzusparen.

Den Gedanken der Planung im Hoch-schulbereich hat die Gesprächs-runde leider nicht vertieft. Allein der Wunsch nach Planung ist jedoch bemerkenswert. Er ist eine Aufforde-rung zum politischen Handeln. Poli-tik und Gesellschaft sollten sich der Bedeutung von Hochschulen für das Land bewusst werden und dement-sprechend agieren. Das erfordert zwar auch ein stärkeres Hochschul-ministerium, ist aber nicht mit einer zentralen Steuerung der Hochschu-len zu verwechseln. Vielmehr geht es um eine Kontextsteuerung, die auf ein abgestimmtes bzw. koordinier-tes Handeln aller hochschulischen Akteure setzt. Andernfalls sei, so Gerhard Besier, der Verlust von Viel-falt vorprogrammiert. Und der Präsi-dent der Sächsischen Akademie der Wissenschaften ergänzt: Wenn Sach-sen nicht zu den Verlieren im Wett-bewerb mit den anderen Bundeslän-dern gehören wolle, dann dürften die sächsischen Hochschulen nicht wei-ter an Attraktivität einbüßen.

Jochen Mattern

Wie weiter in der Hochschulpolitik?

Der Tagesordnungspunkt klang wenig aufregend: „Gesetz zur Ände-rung der Haushaltsordnung des Frei-staates Sachsen“ (Gesetzentwurf der CDU-Fraktion und der FDP-Frak-tion). Eigentlich ging es um einen Routinevorgang: Die erste Änderung der im Mai 1992 in Kraft getretenen sächsischen Landesverfassung am 10. Juli 2013, die ja eine Änderung der Finanzverfassung bedeutete, sollte in die bestehende Haushalts-ordnung übersetzt worden.Es ist noch in frischer Erinnerung, wie 102 der 132 Abgeordneten dem von den fünf demokratischen Frak-tionen ausgehandelten Kompromiss zustimmten, der da lautete: Gemä-ßigtes Kreditverbot (mit Ausnah-men bei Steuerausfällen und Katas-trophen) plus sozialer Ausgleich bei der Haushaltsaufstellung plus kom-munaler Mehrbelastungsausgleich. Ein Jahr lang dauerte der Verständi-gungsprozess, bevor die Fraktions-vorsitzenden am 1. Februar 2013 den Entwurf vorlegten, auf dessen Grundlage dann das parlamentari-sche Prozedere begann.

Das entsprechende Verfassungs-änderungsgesetz trat zum 1.1.2014 in Kraft. Doch schon die erste – im Juristendeutsch gesprochen – „ein-fachgesetzliche Umsetzung“ ging jetzt gründlich schief und führte dazu, dass der Konsens dahin ist: Nach heftigem verbalen Schlag-abtausch in der April-Sitzung des Landtags hob nur Schwarz-Gelb die Hände, Rot-Rot-Grün stimmte geschlossen dagegen. Dabei steht doch gleich im ersten Satz des Vor-blattes des Gesetzentwurfes unter der Überschrift „Zielstellung“: „Ziel ist es, die sächsische Haushalts-ordnung (SäHO) an die ab 1. Januar 2014 geltende neue Verfassungs-lage anzupassen.“Doch das, resümierte Klaus Bartl, rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion, „geschieht aber nun ohne jede Plausibilität, Begrün-dung und Rechtfertigung bezogen allein auf Art. 95, mit welchem die so genannte Schuldenbremse (…) eingeführt wurde. Die Neuausrege-lung des Art. 94 Abs. 2 hingegen, der genauso zur Finanzverfassung

gehört, lassen Sie – und hier passt das Wortbild bestens – links lie-gen.“ Dieser Teil der Verfassungsände-rung war auf Initiative der Frak-tion DIE LINKE erfolgt. „Art. 94 Abs. 2 fügt per Verfassungsbefehl hinzu, dass bei der Aufstellung und Ausführung des Haushaltspla-nes neben den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleich-gewichtes, den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsam-keit auch dem sozialen Ausgleich

Rechnung zu tragen ist“, erinnerte Bartl. Das gilt zwar weiter, aber so geht es nicht. Über mögliche Ant-worten, einschließlich einer mögli-chen Verfassungsklage, wird noch zu berichten sein.

Verfassung achten, sozialen Ausgleich umsetzen!

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Seite 3 Kommunal-Info 4/2014

1. Landkreise im Gesundheitswesen: Vernetzung statt Segmentierung

Der Deutsche Landkreistag sieht in der Unterstützung insbesondere durch Vernetzung und Koordinierung der Sicherstellung der flächendeckenden gesundheitlichen Versorgung der Be-völkerung, die immer auch die pflege-rische Versorgung mit bedenken muss, eine der wesentlichen Zukunftsaufga-ben kommunaler Selbstverwaltung auf der Landkreisebene. Die für die Ge-sundheitsversorgung von morgen er-forderlichen Vernetzungs-, Koordi-nations- und Integrationsleistungen können nur im Rahmen eines dezentra-lisierten Gesundheitswesens erbracht werden. Infolgedessen müssen Ent-scheidungskompetenzen verstärkt in die Regionen und an die vor Ort Ver-antwortlichen verlagert werden. Vor diesem Hintergrund wächst den Land-kreisen als Vertreter der überörtlichen

kommunalen Daseinsvorsorge eine be-sondere Verantwortung zu. Dies gilt umso mehr, als sie ohnedies wesentli-cher Akteur des dezentralisierten Ge-sundheitswesens sind – als Träger von Krankenhäusern, mit ihrer Gesund-heitsverwaltung aufgrund ihrer Zu-ständigkeiten im Bereich Soziales, Bil-dung und Jugend sowie als Träger der kommunalen Demokratie auf überört-licher Ebene. Ein dezentralisiertes Ge-sundheitswesen wird ohne demokrati-schen Input von der kreiskommunalen Ebene keine hinreichende Legitimität und Akzeptanz erlangen können...

2. KrankenhausentwicklungDie stationäre medizinische Versor-

gung ist seit Jahrzehnten ein Kernbe-reich der gesundheitlichen Verantwor-tung der Landkreise. Hieran hat sich trotz der aus finanziellen Gründen in manchen Fällen erfolgten Abgabe von

Landkreise in der gesundheitlichen Versorgung

Kreiskrankenhäusern an private oder freigemeinnützige Träger nichts geän-dert. Die Landkreise nehmen auf ih-rem Gebiet den Sicherstellungsauftrag für die stationäre medizinische Versor-gung wahr. Wenn private und frei ge-meinnützige Krankenhäuser ihren Ver-sorgungsauftrag zurückgeben sollten, stehen die Landkreise in der Pflicht, ei-gene Krankenhäuser zu betreiben, so-weit eine bedarfsgerechte Versorgung nicht durch andere Träger gewährleis-tet ist. Daher ist es richtig und wichtig, dass auch Landkreise weiterhin Träger eigener Krankenhäuser sind.

Im ländlich und kleinstädtisch ge-prägten Raum ist in den vergangenen Jahren viel dafür getan worden, die Krankenhausstruktur zu optimieren. Eine Überversorgung ist hier nicht festzustellen. Daher müssen die Kran-kenhäuser im ländlichen Raum finan-ziell so ausgestattet sein, dass sie auch

bei einer normalen Mengenentwick-lung ihren Versorgungsauftrag unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung erfüllen können. Häufig stellt sich eine Finanzierungsproblema-tik bei den die Grund- und Regelversor-gung sicherstellenden Krankenhäusern in der Fläche. Dies ist ein Auftrag an die Finanzierung des laufenden Kran-kenhausbetriebs aus den Einnahmen der gesetzlichen und privaten Kran-kenversicherung ebenso wie an die In-vestitionsfinanzierung der Länder. Die Krankenhäuser in den Landkreisen ge-währleisten eine flächendeckende Ver-sorgung mit stationären medizinischen Leistungen, insbes. der Grundversor-gung, die rund um die Uhr und ganz-jährig zur Verfügung steht. Dies wird noch nicht hinreichend im Fallpau-schalensystem honoriert.

Im Rahmen der Krankenhausinves-titionen leisten in vielen Ländern auch die Landkreise einen erheblichen Bei-trag. So finanzieren die Landkreise – nicht selten aus Schulden – auch In-vestitionen in private oder freigemein-nützige Häuser mit. Für die Länder gilt, dass es einer deutlichen Aufstockung der Landesmittel für Krankenhausin-vestitionen bedarf, um die Infrastruk-tur auf einem angemessenen Niveau zu halten. Dies senkt im Ergebnis auch die Betriebskosten und ist daher auch von dieser Seite aus sinnvoll.

Vor dem Hintergrund des demografi-schen Wandels, aber auch im Hinblick auf den zunehmenden Ärztemangel im ambulanten Bereich, kommt den länd-lichen Krankenhäusern der wohnortna-hen Grund- und Regelversorgung eine besondere Bedeutung zu. Wo dies von den Vor-Ort-Verhältnissen her als sinn-voll und zielführend erscheint, soll-ten hier insbesondere auch intelligente sektorenübergreifende Versorgungs-konzepte gefördert und entsprechen-de Umstrukturierungshilfen geleistet werden. Auch die Länder müssen ihre Zuständigkeit für die Krankenhauspla-nung verstärkt nutzen, um die gesund-heitliche Daseinsvorsorge in der Flä-che nachhaltig zu gewährleisten…(Deutscher Landkreistag, Juni 2013)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 07.01.2014 (X ZB 15/13) zu der aus kommunaler Sicht wichtigen Frage Stellung genommen, ob im Rahmen der vergaberechtlichen Wertung von Nebenangeboten der Preis als alleiniges Zuschlagskriterium zulässig ist. Mit seinem Beschluss hat der BGH jetzt klargestellt: Ist in einem EU-weiten Vergabeverfahren der Preis alleiniges Zuschlagskriterium, dürfen Nebenangebote grundsätzlich nicht zugelassen und gewertet werden.

Der BGH hat im Ergebnis auf die Divergenzvorlage des OLG Jena (Be-schluss vom 16.09.2013 – 9 Verg 3/13) hin entschieden und die in der Recht-sprechung der Oberlandesgerichte un-terschiedlich beantwortete Rechtsfra-ge (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss

vom 23.03.2010 – Verg 61/09, einer-seits sowie OLG Schleswig, Urteil vom 15.04.2011 – 1 Verg 10/10, ande-rerseits) nunmehr abschließend beant-wortet.

Der BGH hat unter anderem ausge-führt, dass die für Nebenangebote vor-zugebenden Mindestanforderungen im Allgemeinen nicht alle Details der Ausführung zu erfassen brauchen, son-dern Spielraum für eine hinreichend große Variationsbreite in der Ausarbei-tung von Alternativvorschlägen lassen und sich darauf beschränken dürfen, den Bietern, abgesehen von techni-schen Spezifikationen, in allgemei-nerer Form den Standard und die we-sentlichen Merkmale zu vermitteln, die eine Alternativausführung aufwei-sen muss.

Die vergaberechtskonforme Wertung von Nebenangeboten, die den vorgege-benen Mindestanforderungen genügen, ist durch Festlegung aussagekräftiger, auf den jeweiligen Auftragsgegenstand und den mit ihm zu deckenden Bedarf zugeschnittener Zuschlagskriterien zu gewährleisten, dies ermöglichen, dass Qualitätsniveau von Nebenangebo-ten und ihren technisch-funktionellen und sonstigen sachlichen Wert über die Mindestanforderungen hinaus nach-vollziehbar und überprüfbar mit dem für die Hauptangebote nach dem Amts-vorschlag vorausgesetzten Standard zu vergleichen.

Mit dem vorliegenden Beschluss hat der BGH die seit dem Jahr 2010 offe-ne Frage nach dem „Preis als alleiniges Zuschlagskriterium“ bei der Wertung

von Nebenangeboten abschließend be-antwortet. Kommunalen Vergabestel-len obliegt es nunmehr, in jedem Ein-zelfall eine bedarfsgerechte Prüfung der in Frage kommenden Zuschlagsk-riterien sowie deren Gewichtung vor-zunehmen. Die alleinige Nennung des Kriteriums „Preis“ ist mithin bei der Wertung von Nebenangeboten nicht mehr zulässig. Einer Vorlage an den EuGH bedurfte es nach Ansicht des BGH vorliegend nicht, weil die An-wendung des nationalen Rechts offen-kundig nicht in Widerspruch zu den vergaberechtlichen Bestimmungen und Vorgaben des Unionsrechts stehe.(http://www.dstgb-vis.de/dstgb_vis/)

BGH zu Nebenangeboten

Auszug aus: Positionen des Deutschen Landkreistages in der Gesundheitspolitik

Page 16: Links! Ausgabe 05/2014

Seite 4Kommunal-Info 4/2014

Kommunale Daseinsvorsorge vom Abkommen ausschließen! Mehr Transparenz schaffen!

Der Ausschuss für Finanzen und Kommunalwirtschaft des Deutschen Städte- und Gemeindebundes befasste sich in seiner diesjährigen Frühjahrs-sitzung in Hüfingen mit dem zwischen der EU und den USA aktuell verhan-delten Transatlantischen Freihandels-abkommen (TTIP).

„Das Abkommen birgt aus kommu-naler Sicht die Gefahr in sich, dass wichtige kommunale Dienstleistungen der Daseinsvorsorge wie die Wasser-versorgung, öffentliche Krankenhäu-ser oder der ÖPNV künftig Liberalisie-rungspflichten unterworfen werden“, äußerte der Vorsitzende des Ausschus-ses, Oberbürgermeister Dr. Bernhard Gmehling, Stadt Neuburg an der Do-nau, besorgt.

„Dies würde nicht nur einen Ein-griff in die kommunale Organisations-hoheit bedeuten, sondern ließe auch Qualitätseinbußen befürchten. Insbe-sondere liefen die Regelungen Gefahr, die bereits auf der Ebene des EU-Pri-mär- und Sekundärrechts geschaffenen Ausnahmen - so zuletzt im Bereich der EU-Dienstleistungsrichtlinie - zu un-terlaufen“, betonte der Ausschussvor-sitzende.

„Wir begrüßen daher das klare Be-kenntnis im Koalitionsvertrag, bei den Verhandlungen über ein Freihandels-abkommen auf die Wahrung der euro-päischen Sozial- und Umweltstandards sowie den Schutz der kommunalen Daseinsvorsorge Wert zu legen. Dies verbinden wir mit dem Appell an die Bundesregierung, sich auf der europä-ischen Ebene dafür einzusetzen, dass die kommunale Daseinsvorsorge expli-zit vom Anwendungsbereich des Ab-

Freihandelsabkommen TTIP

Kommunen könnten ihre Brachen und Baulücken besser nutzen, wären sie bekannt

Würden Kommunen alle Brachflä-chen und Baulücken in ihrem Einzugs-gebiet kennen und nutzen, müssten sie deutlich weniger zusätzliche Fläche auf der „grünen Wiese“ verbrauchen. Doch häufig fehlen genaue Informationen zu diesen Innenentwicklungspotenzia-len. Ein bundesweites Flächenmonito-ring könnte helfen, diese Wissenslücke zu schließen. Das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) hat Grundlagen dafür noch im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) entwickelt.

Wie lassen sich bundesweit potenzi-elle Flächen für die so genannte Innen-entwicklung von Städten und Gemein-den, also Brachflächen und Baulücken im Bestand der Kommunen, erheben und nutzen? Dieser Frage sind die Wis-senschaftler des IÖR gemeinsam mit der Leipziger Projektgruppe Stadt + Entwicklung nachgegangen. Dazu ha-ben sie eine bundesweite repräsentative Online-Befragung von Städten und Ge-meinden aller Größen durchgeführt.

Auf Basis der repräsentativen Be-fragung von 451 Städten und Gemein-den (rund vier Prozent aller deutschen Kommunen) wurden erstmals statis-tisch belastbare Hochrechnungen zu den vorhandenen Flächenpotenzialen in ganz Deutschland möglich. Das Er-gebnis: Mindestens 120.000 Hektar Brachflächen und Baulücken gibt es in deutschen Städten und Gemeinden. Dies entspricht rund 15 Quadratmeter

Flächenfraß eindämmenpro Einwohner.

Dem steht ein Flächenverbrauch von jährlich etwa 3,5 Quadratmeter pro Einwohner gegenüber. Um diese Flä-che erweitern deutsche Kommunen je-des Jahr ihre Siedlungs- und Verkehrs-fläche in Richtung „grüne Wiese“.

„Würden die Kommunen ihre Innen-entwicklungspotenziale kennen und nutzen, müssten rein rechnerisch in den nächsten vier Jahren keine neuen Flä-chen am Stadtrand versiegelt werden“,

erläutert Projektleiter Dr. Georg Schil-ler. Das Potenzial an Flächen im Be-stand ist unter Umständen sogar noch höher. Denn die Untersuchungen haben gezeigt, dass der Umfang vorhandener Flächen von den Kommunen häufig un-terschätzt wird – vor allem dann, wenn

sie selbst nur auf Schätzwerte zu ihren freien Flächen zurückgreifen können. Dies war in 70 Prozent der befragten Städte und Gemeinden der Fall.

Aktuell erhebt nur etwa ein Drittel

aller Kommunen in Deutschland sei-ne Innenentwicklungspotenziale sys-tematisch. Zudem gibt es hier deutli-che Unterschiede zwischen Ost (20 %) und West (40 %) sowie Landgemein-den (25 %) und Großstädten (bis zu 100 %). Gerade in kleinen Kommunen aber schlummert ein großes Potenzi-al: Mehr als ein Viertel der in der Un-tersuchung erfassten Brachflächen und Baulücken lag demnach in Gemeinden

unter 5.000 Einwohner. „Doch gera-de die kleinen Gemeinden tun sich be-sonders schwer mit der systematischen Erfassung ihrer Innenentwicklungspo-tenziale“, so Schiller. „Sie scheuen den hohen Personal- und Kostenaufwand, den es braucht, um vor allem die Erfas-sung kleinteiliger Baulücken zu stem-men – und diese Baulücken stellen mit 56 Prozent den größeren Teil der Flä-chenpotenziale.“

Die Wissenschaftler des IÖR kom-men zu dem Schluss: Sollen Kommu-nen sich künftig nachhaltig entwickeln, informiert und transparent planen und handeln, dann müssen sie auf genaue Informationen zu ihren Flächenpoten-zialen zurückgreifen können.

Entsprechend müssten Rahmenbe-dingungen geschaffen werden, die es Kommunen erlauben, nötige Grund-lagen für ihre Planungen zu erstellen und zu nutzen. Nach Ansicht der Wis-senschaftler ist ein bundesweites Flä-chenmonitoring aktuell nur durch ei-ne Befragung der Kommunen, wie sie im Projekt durchgeführt wurde, mög-lich. „Es hat sich gezeigt, dass sich auf diesem Wege für ganz Deutschland Aussagen zu Innenentwicklungspo-tenzialen und auch zu regionalen Un-terschieden treffen lassen“, erklärt Ge-org Schiller.

Um Informationen über Veränderun-gen erfassen zu könne, müssten die Be-fragungen regelmäßig wiederholt wer-den. Auf dieser Grundlage ließen sich statistisch belastbare Aussagen gene-rieren. Politische Diskussionen zur flä-chensparenden Siedlungspolitik könn-ten daran unmittelbar anknüpfen. (www.ioer.de)

kommens ausgeschlossen wird“, hob der Vorsitzende hervor.

„Dem Abkommen fehlt es vor allem an der nötigen Transparenz“, äußerte Gmehling kritisch. Die Verhandlun-gen finden hinter verschlossenen Türen statt. Erst auf öffentlichen Druck hin re-agierte die EU-Kommission und stellte den ebenfalls kritischen Abschnitt über den Investitionsschutz nun zur öffent-lichen Konsultation. „Um insgesamt mehr Akzeptanz für das Abkommen zu schaffen, müssen jedoch für alle Re-gelungsbereiche entsprechende Kon-sultationsmöglichkeiten des Abkom-mens geschaffen werden“, forderte der Vorsitzende.

Damit die kommunale Ebene nicht vor vollendete Tatsachen gestellt wird, muss das Mandat über die Verhand-lungen offengelegt und gegenüber den europäischen und nationalen Parla-menten und der kommunalen Ebene re-gelmäßig über den jeweiligen Verhand-lungsstand berichtet werden.

Abschließend hob Gmehling her-vor, dass man das Abkommen trotz der Kritik nicht grundsätzlich ablehne, da es positive Effekte für Wirtschaft und Wachstum in Europa, etwa durch die Vereinheitlichung von Standards, mit sich bringen kann.(DStGB, Berlin, 03.04.2014)

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05/2014 Sachsens Linke! Seite 5

USA und EU machten zu ihrer Strategie, was US-Präsidenten-berater Zbigniew Brzezinski 1997 auf den Punkt brachte: „Die Ukraine, ein neuer und wichtiger Raum auf dem eura-sischen Schachbrett, ist ein geo-politischer Dreh-und Angel-punkt, weil ihre bloße Existenz als unabhängiger Staat zur Um-wandlung Russlands beiträgt. Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr .... Wenn Moskau allerdings die

Herrschaft über die Ukraine mit ihren 52 Millionen Menschen, bedeutenden Bodenschätzen und dem Zugang zum Schwar-zen Meer wiedergewinnen sollte, erlangt Russland automa-tisch die Mittel, ein mächtiges Europa und Asien umspan-nendes Reich zu werden.“ Das ist der eigentliche Kernpunkt der sog. Ukraine-Krise, ausge-löst vom unentwegten imperia-listischen Streben von NATO und EU, um nicht nur Osteuropa, sondern auch alle Nachfolge-staaten der UdSSR in ihren Ein-flussbereich zu bringen. So of-fen wird das allerdings von den westlichen Politikern nicht ge-sagt, sie bemänteln es mit der verlogenen Debatte um die Si-cherung von Menschen-und Völ-kerrecht, den Kampf um Demo-kratie und das Recht auf nationale Selbstbestimmung. NATO und EU traten diese von ihnen bei jeder Gelegenheit von Russland eingeforderten hehren Werte bisher mit Füßen, indem sie seit 1989 die Separation al-ler Unionsrepubliken aus dem sowjetischen Staatsverband we-sentlich beförderten, die Groß-macht UdSSR zu Fall brachten. Ebenso unterstützten der Politi-ker und Geheimdienstler, Wirt-

schafts-und Finanzexperten noch bei Existenz der Jugoslawi-schen Sozialistischen Födera-tiven Republik die separatisti-schen Bewegungen in den multiethnischen jugoslawischen Bundesrepubliken Slowenien, Kroatien, Bosnien, Mazedonien und Montenegro, nahmen auch die damit einsetzenden mörde-rischen Bürgerkriege in Kauf. Wer sich dem widersetzte, wie die Republik Serbien, wurde durch eine Militärintervention

1999 abgestraft – 3000 Serben wurden getötet, Hundertausen-de wurde Flüchtlinge, das Koso-vo dem serbischen Staatsver-band „heraus bombardiert“, faktisch in ein NATO-Protektorat umgewandelt. Die vor allem von USA und BRD in der Republik Serbien organisierte „Bunte Re-volution“ putschte ein Jahr spä-ter den demokratisch gewählten serbischen Präsident Slobodan Milosevic weg und schleppte ihn vor ein selbsternanntes „Inter-nationales Tribunal“. Es ist die-sen Politikern unangenehm, sie reagieren bösartig, wenn man ihnen in Erinnerung bringt, wie unglaubwürdig ihr Geschwätz von Freiheit, nationaler Selbst-bestimmung, Demokratie und Menschenrechte auch ange-sichts der todbringenden NATO-Kriege in Afghanistan, Irak, Sy-rien oder Libyen ist. Nach dem Motto „Haltet den Dieb“ erleben auch wir hierzulande diese von nahezu gleichgeschalteten Me-dien und in „Konsens geeinten“ Politikern organisierte, die Wahr-heit vernebelnde Scheindebatte in den letzten Monaten, weil die bisher weitgehend „friedliche“, aber unübersehbare Ostexpan-sion von NATO und EU von der Moskauer Führung unter Putin

endlich gestoppt und energisch zurückwiesen wurde. Nicht weil ein von Volkes Mehrheit gewähl-ter Präsident im Machtrausch Krieg gegen Europa führen und Europa spalten will. Putin ist nicht mehr bereit, zu akzeptie-ren, dass Russlands Sicherheit und Lebensinteressen ernsthaft bedroht werden. Die westlichen Politiker, Militärs, Diplomaten und Ideologen wissen sehr wohl, dass sie mit ihren Aktionen in der Ukraine die rote Linie, die

die Atommacht Russland ihnen jetzt gesetzt hat, nicht über-schreiten können. Das alles erin-nert zwar an den überwunden geglaubten „Kalten Krieg“, der mehrmals bis an den Rand eines Dritten Weltkrieges heranrei-chte. Bei diesem Vergleich wird jedoch außer Acht gelassen, dass es nicht wie noch im kurzen 20. Jahrhundert 1917-1989 um einen kalten oder heißen Krieg zwischen Kapitalismus und des Staatssozialismus geht. Denn Letzterer ist bekanntlich in Chi-na seit den 80er und seit 90er Jahren des 20. Jahrhunderts in den aus der UdSSR hervorge-gangenen Neustaaten wie Russ-land, Ukraine, Kasachstan, Mol-dawien oder Georgien in einen wilden Oligarchen-Kapitalismus transformiert worden. Es han-delt sich heute um gänzlich neue, zwischenkapitalistische Auseinandersetzungen um Macht-und Einflusssphären vor allem in Europa und Asien. Dem „alten Kapitalismus“ der USA geht es dabei um die Sicherung seiner Weltgroßtmachstellung gegenüber den aufstrebenden kapitalistischen Newcomern China und Russland. Die Strate-gie der USA und der von ihr ab-hängigen europäischen NATO-

Verbündeten konzentriert sich mit besonderer Brachialgewalt und scharfen ideologischen At-tacken schon lange auf die ehe-malige Unionsrepublik Ukraine, die einst der UNO angehörte und über Atomwaffen verfügte. Der erste große Versuch, die 1991 entstandene Ukraine ih-rem Einfluss zu unterwerfen, war die in Kiew 2004 inszenierte „Orangenfarbene Revolution“. Ihre Hauptinitiatoren war die aus der „Komsomolwirtschaft“

1989-1992 zur Oligarchin aufge-stiegene Millionärin Julija Tymo-schenko (* 1960), unterstützt vom viertreichsten Oligarchen lgor Kolomojski (6,5 Mrd. $). Es ist verständlich, dass die hierzu-lande Regierenden diese kor-rupte „Gasprinzessin“, die das Land einige Jahre regierte, 2011 ins Gefängnis kam und dann durch den Maidan-Putsch be-freit wurde, zur Märtyrerin ge-macht wird. Der reichste ukrai-nische Oligarch Rinat Achmetow, „Arbeitgeber“ für 300 000 Werktätige in der Donbass-Regi-on, war zunächst Finanzier und Lenker der Partei der Regionen, zog im politischen Skat-Macht-spiel 2010 einen neuen Buben hervor –Viktor Janukowytsch (* 1950), einst kommunistischer Wirtschaftsfunktionär, der samt seiner Familie nicht gerade zu den Bedürftigen des Landes ge-hört. 2010 nach den Regeln der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie zum Staatspräsi-denten gewählt, beharrte er je-doch auf der Neutralität seines Landes. Im November 2013 un-terzeichnete er das EU-Assoziie-rungsabkommen nicht, weil da-durch die schon bestehende soziale und ökonomische Krise des Oligarchen-Kapitalismus

sich zur nationalen Katastrophe ausweiten und die Ukraine in die EU-Schuldknechtschaft führen würde. Daraufhin mobilisierte der Westen, die von ihm und einem Teil der ukrainischen Oli-garchen (Timoschenko, Kolomo-jski, Schokoladenkönig Petro Poroschenko, Stahlmagnat Ser-gej Taruta) aufgebaute, finan-zierte und gelenkte Opposition samt gewaltbereiten Neofa-schisten (Svoboda, Rechter Sek-tor) und putschten im Februar 2014 Janukowytsch aus dem Amt, ernannten sich selbst zur Regierungsmacht. Präsidenten-macher Achmetow ließ in der nationalistisch aufgeheizten Si-tuation der „Maidan-Revolution“ seinen Parteigenossen fallen. Wohl im Interesse der Sicherung seines zumeist im Ausland ge-bunkerten 16-Milliardenvermö-gens. Es würde ausreichen, das Land mit einem Schlag von den Auslandsschulden zu befreien. Nicht um des „Volkes Wohl und Leben“ wie er im Februar 2014 verlogen verkündete, als er auf das schon gesattelte westliche Pferd aufsprang: „Die Wirtschaft kann nicht schweigen, wenn Menschen getötet werden. Das ist eine echte Gefahr für die Spaltung des Landes, wenn eine politische Krise das Land in eine politische Rezession führt und das Ergebnis ein geringerer Le-bensstandard für die Menschen ist.“ Russland beantwortete die-se Aktionen von NATO und EU vorerst mit der Rückeingliede-rung der Krim in die Russische Föderation. Die Halbinsel war seit 1783 Bestandteil des Rus-sischen Reiches und danach der Sowjetunion. Es ist nun das ein-getreten, was die US-Strategen verhindern wollten – Russland hat nun unwiderruflich den „Zu-gang zum Schwarzen Meer wie-dergewonnen“. Die Atommacht Russland wird auch alles daran-setzen, dass die Ukraine mit ih-ren nur noch 46 Millionen Men-schen, ihren reichen Bodenschätzen, großen industri-ellen, landwirtschaftlichen und kulturellen Potentialen weitge-hend im Einflussbereich der schon seit 2012 im Aufbau be-findlichen Eurasischen Wirt-schaftsgemeinschaft unter Rus-slands verbleibt. Die Gegenseite hingegen will nach wie vor die Ukraine der EU und NATO zu-schlagen. Einer ihrer Repräsen-tanten, der an die Regierungs-macht geputschte Arsenij Jazenuk (* 1974), weiß schon, wie man die Ukraine zwar über über „Tränen, Entbehrungen und Schmerzen“, aber im „Schutze der EU“ zu „Demokratie, Freiheit und nationalem Wohlstand“ bringen wird: „Wir werden in un-serem Land tun, was die Grie-chen in dem ihren getan haben“.Karl-Heinz Gräfe

Worum es in der „Ukraine-Krise“ geht

Der Maidan im Februar 2014. Bild: Amakuha / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0

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Sachsens Linke! 05/2014 Seite 6

01. Mai 2014: Nazis in Plauen im Weg stehen, mehr unter ht-tp://takeitback.tk und www.vogtland-nazifrei.de

02. bis 03. Mai 2014: Kultur- und Musikfestival „Rock am Kuhteich“ im ehemaligen Frei-bad Borna, mehr unter http://www.rock-am-kuhteich.de

08. Mai 2014, ab 19:00 Uhr: Podiumsdiskussion „Jugend in Europa - Generation Krise!“ im LinXXnet, Bornaische Straße 3 d, Leipzig, mehr unter http://gleft.de/yG

09. bis 11. Mai 2014: Bundes-parteitag im Velodrom, Paul-Heyse-Straße 26, Berlin, mehr Infos unter http://gleft.de/xf

08. Mai 2014, ab 16:00 Uhr: Zentrale Wahlkampfveranstal-tung zur Europa- und Kommu-nalwahl auf dem Hauptmarkt in Zwickau mit Cornelia Ernst und Rico Gebhardt, mehr unter ht-tp://gleft.de/yI

10. Mai 2014, ab 14:00 Uhr: KooRa-Sitzung in der WahlFab-rik, Kleiststraße 10 a, Dresden

10. bis 24. Mai 2014: antiras-sistische Aktionswochen in Leipzig, Infos auf http://www.rassismus-toetet-leipzig.org/

17. Mai 2014: Rainbowflashs in Dresden, Chemnitz, Leipzig, Pirna, Plauen und wo du willst, Genaueres unter http://gleft.de/xg

18. Mai 2014, ab 12:00 Uhr: BR-Sitzung im Büro der linksju-gend Chemnitz, Rosenplatz 4, Chemnitz

24. Mai 2014: Antirassistische Demonstration in Leipzig, mehr Infos auf http://www.rassis-mus-toetet-leipzig.org

24. Mai bis 01. Juni 2014: CSD in Dresden, alle Infos un-ter http://www.csd-dresden.de/2014

25. Mai 2014: Kommunal- und Europawahlen, das heißt, nach dem 48-h-Wahlkampf noch ein gemütliches Frühstück und dann auf ins Wahllokal um die Ecke

31. Mai 2014, ab 14:00 Uhr: Stay Rebel Festival, Park der Opfer des Faschismus, Chem-nitz, mehr unter http://stayre-bel.blogsport.de/

06. bis 09. Juni 2014, Pfingst-camp im tschechischen Doksy, Infos und Anmeldung unter ht-tp://gleft.de/pM

Mehr Infos unter www.linksju-gend-sachsen.de.

Jugend

TerminePfingstcamp 2014: Für immer 16!Seit 16 Jahren veranstaltet die linksjugend [’solid] Sachsen zu Pfingsten ein mehrtägiges offenes, politisches und kul-turelles Treffen – das Pfingst-camp. Der Veranstaltungsort ist wie die letzten drei Jahre Doksy in der Tschechischen Republik, der Termin der 6. bis 9. Juni. Auch in diesem Jahr steht uns wieder das gesamte Camp zur Verfügung. So viel Platz ist auch nötig, da die Zahl der Teilnehmer_Innen konti-nuierlich stieg und letztes Jahr schon bei 550 lag. Und mit Dir werden es auch dieses Jahr noch mehr unterschiedliche Menschen sein, die ein verlän-gertes Wochenende mit Semi-naren, Workshops, Konzerten und dem ganzen Drumherum erleben.

Bands, Künstler_innen und ShowsJindrich Staidel Combo, xmu-sclefreeyouthx, Miniplay-backshow, Call me Lolita unplugged, DJ Tschüss Ey, Su-permarioperformance: Ein-tauchen in die 8 Bit Welt, acid.milch&honig, DJ Lutz, Sookee, Theory & Praxys und weitere werden zum Tanz aufspielen und so manche Wade zucken lassen. Aber auch nach und

während den Konzerten und Shows sollte für alle Teilneh-mer_innen dieses Wochen-ende im Land der lachenden Rehe ein unvergessliches wer-den.

Einige SeminareKommunalpolitik, Erstehil-fe bei Drogennotfällen, Das Frauenbild in der DDR, Wie Geschlechtsidentitäten ent-stehen, Intersektionalität, Pinkstinks, Schule und Ge-schlecht, Pfingstcampradio, Kritik der Critical Whiteness, verkürzte Kapitalismuskri-tik, Selbstverteidigungswork-shop, Digitales DJ‘ing, Barri-erefreie Veranstaltungsorga, Lockpicking, Asyl in Sach-sen, Was tun bei Polizeikon-trollen, Kadereinsatz in Zei-ten des Fachkräftemangels, 1984 WAS an instruction ma-nual ($NSA), Nähworkshop, Theaterworkshop, Siebdruck-Workshop, Das europäische Asylsystem, Kritik der bürger-lichen Ökonomie, Europa- was läuft da eigentlich?, Stencil-workshop, Einführung Marx, Kritik und Aktualität der Men-schenrechte, Erfahrungsaus-tausch zu selbstverwalteten Hausprojekten, Klettern, De-mo-Ersthelfer_innen-Work-

shop, Verhältnis von Antiziga-nismus und Antisemitismus, Funkworkshop. Löt-Work-shop, Kamingespräch „Ich hab mich im Bundestag verlaufen“, Kochduell, Presseerklärungen selbst schreiben, Barriere-freie Pädagogik-Spiele, Tsche-chisch-Sprachkurs und vieles mehr.

Preis (mit Vollverpflegung, auch vegetarisch oder ve-gan und Wasser- und Obst-buffet)Pro Teilnehmer_in kostet das Pfingstcamp knapp 100 €, davon entfallen 60 € auf Übernachtungs- und Verpfle-gungskosten und 40 € auf Se-minar- und Kulturprogramm sowie die Organisation.

* 60 Euro für ermäßigte Über-nachtung im Bungalow, Zelt oder wo immer du willst* 35 Euro für superermäßigte Übernachtung im Bungalow* 30 Euro für superermäßig-te Übernachtung wo du willst, außer in einem Bungalow (z. B. dein Zelt)* 90 Euro Normalpreis* 90plus Euro für Menschen, die es ermöglichen wollen und können, dass die Teilnahme am Camp bei niemandem am

Geldbeutel scheitert* 15 Euro für Kinder unter 12 JahrenUnterkunft696 Betten in 2-4 Personen-bungalows stehen zur Verfü-gung.Wie auch im letzten Jahr wird es ein ausgetüfteltes Online-Tool geben. Dort kannst Du al-le Plätze, die schon vergeben oder noch frei sind, auf einer Karte des Geländes sehen und Dich für einen Platz entschei-den. So ist es möglich, Dich mit den Menschen, mit denen Du gerne einen Bungalow tei-len möchtest, auf einen be-stimmten zu einigen.

AnreiseAlle zwei Stunden fahren Zü-ge von Dresden nach Zittau. Ab dort gibt es am Freitag von 16 - 24 Uhr einen Bustransfer. Wenn Du das Angebot nutzen möchtest, solltest du dies in der Anmeldung vermerken. Ab Montagmittag geht es in zwei Etappen (11:00 und 14:00) wieder zum Bahnhof nach Zit-tau zurück.

AnmeldungGeht ganz einfach online auf unserer Website oder direkt unter http://gleft.de/pM.

Auf in einen heißen SommerAm 31.08. ist Landtagswahl. Bis dahin haben wir einen großar-tigen Sommer vor uns.

Für den Wahlkampf der Links-jugend Sachsen hat sich ein Wahlkombinat gegründet, das voller Tatendrang steckt, diesen Sommer heiß werden zu lassen. Es wird sich alle zwei Wochen in verschiedenen Städten tref-fen und als feste und konstante Gruppe einen bombiges Kon-zept austüfteln. Genaue Infos zu unseren Ideen werden noch folgen.

Wenn Du allerdings mitmachen waillst und sofort die neusten Infos haben möchtest, melde dich doch einfach bei unsere Jugendwahlkampfmanagerin Marie: [email protected].

Der Sommer wird heiß – lasst uns den schwarzen Riesen zum Schmelzen bringen!

Marco Böhme (Platz 10), Anja Klotzbücher (Platz 15), Werner Kujat (Platz 34), Marie Wend-land (Platz 37), Tom Rumberger (leider nicht im Bild, weil krank - Platz 44) und Anna Gorskih

(Platz 49) kandidieren auf der Landesliste der sächsischen LINKEN für den Landtag. Die zweitgrößte Partei in Sachsen und Oppositionsführerin hat derzeit 29 Abgeordnete. Je stär-ker das Ergebnis bei der Wahl ist, desto mehr Leute aus un-serem Jugendverband können im Landtag für unsere Positi-onen streiten. Foto: Gerd Eiltzer

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05/2014 Sachsens Linke! Seite 7

Im März 2014 sind wir nach Un-garn gereist, um uns dort über die Lage der 700.000 ungari-schen Roma zu informieren, und um den Vorsitzenden der jüngst gegründeten Romapar-tei (MCP), Aladár Horváth, zu treffen. Letztes Jahr fiel die Ent-scheidung, eine eigene Roma-partei zu gründen, um ihre poli-tischen Interessen ausreichend vertreten zu sehen. Laut Hor-váth sind alle anderen Parteien „vom Rassismus“ infiziert und daher weder willens noch in der Lage, die Interessen der größ-ten ethnischen Minderheit in Ungarn (sieben Prozent der Ge-samtbevölkerung) zu vertreten. Die ungarischen Roma sind von allen anderen Parteien zu oft enttäuscht worden, es wurden Versprechungen gemacht, die nicht gehalten werden konnten. Horváth weiß um die Schwierig-keit, wenn sich eine Partei wie die Romapartei als „ethnische Partei“ definiert, denn dies ent-spricht der Argumentation der rechtskonservativen Regierung von Orbán, wonach die Gesell-schaft von klar definierbaren Ethnien oder „Volksgruppen“ dominiert ist. Deshalb versteht sich die Romapartei eben nicht als Partei, die nur für Roma da ist, sondern als Partei, die al-le sozial benachteiligten Men-schen ansprechen soll. Die Ro-mapartei MCP stellte sich bei der Parlamentswahl am 6. April 2014 erstmalig zur Wahl. Leider

konnte sie nicht Teil des links-liberalen Wahlbündnisses wer-den, aber der Vorsitzende Hor-váth hofft, dass dies bei der nächsten Parlamentswahl rea-lisiert werden kann.So wie in vielen Mitgliedstaaten der EU werden Roma in Ungarn ausgegrenzt, leben in separa-ten Siedlungen, finden kaum Arbeit – die Arbeitslosigkeit un-ter Roma liegt derzeit bei fast 90 Prozent. Im Vergleich dazu betrug die durchschnittliche Arbeitslosenquote in der unga-rischen Bevölkerung ca. zehn Prozent. Die Ghettoisierung von Roma nimmt im Laufe der letz-ten Jahre zu: Bereits 2008 gab es in Ungarn mehr als 100 Dör-fer, die vorwiegend von Roma bewohnt waren, und weitere 200 Dörfer, in denen der Roma-Anteil 30 Prozent betrug. Die Mehrheitsbevölkerung begeg-net Roma mit Hass und Abnei-gung. So ließ etwa der Minister für Humanressourcen, Zoltán Balog, verlautbaren, dass die „ungarische Mehrheit der Ro-ma-Minderheit“ ausgeliefert sei. 2008 und 2009 wurden ins-gesamt neun Roma ermordet. Sechs Morde an Roma gehen auf das Konto einer Bande, de-ren Mitglieder erst 2013 zu le-benslanger Haft verurteilt wur-den. Die Aufklärung der Fälle war deshalb besonders schwer, weil der ärztliche Notdienst oder Polizisten die Spuren ver-wischt hatten. Wie verbreitet

der Hass gegen Roma auch un-ter Polizisten war, verdeutlicht ein Ereignis aus dem Februar 2009: Statt die Fußspuren der Mörder zu sichern, urinierte ein Polizist in die Vertiefung im Schnee.Die europäischen Struktur-

fonds stellen Gelder für die In-klusion von benachteiligten Gruppen bereit, und selbstver-ständlich können und sollen diese auch für Roma eingesetzt werden. In der Europäischen Roma-Rahmenstrategie, die im April 2011 vorgelegt wur-de, werden die Mitgliedstaa-ten ausdrücklich dazu aufgefor-dert. Da aber die Strukturfonds nicht von europäischer Seite verwaltet werden, sondern von den nationalen Ministerien (in diesem Falle also von den un-garischen Ministerien), haben

Roma in Ungarn faktisch keinen Zugang zu diesen Fördergel-dern. Denn die Entscheidung, ob ein Projekt förderungswür-dig ist oder nicht, trifft ein un-garischer Beamter in einem un-garischen Ministerium. Und da seit 2010 die rechtskonserva-

tive Partei Fidesz an der Macht und der Antiziganismus (sog. Roma-Feindlichkeit) tief in der Gesellschaft verwurzelt ist, be-steht auf Seiten der Regierung keinerlei Wille, einen Teil der Gelder aus den Strukturfonds für Roma auszugeben. Dabei ist die ungarische Regierung ausdrücklich von Brüssel ge-lobt worden, denn die nationa-le Roma-Strategie, die Ungarn vorgelegt hat, sieht auf dem Pa-pier gut aus. Jedoch leider nur auf dem Papier. Die Realität zeigt etwas anderes: Nahezu al-

le europäischen Fördergelder, die von Ungarn für Roma aus-gegeben wurden, landeten in sog. „Arbeitsprogrammen“, wo Roma einfache Arbeiten ver-richten müssen, um überhaupt Sozialhilfe zu erhalten. Projekt-anträge, die von Roma-Organi-sationen eingebracht wurden, haben bisher noch niemals ei-nen Zuschlag erhalten.Ministerpräsident Orbán hat nur eine einzige Verbindung zu den Roma: Florian Farkas, Mitglied des rechtskonserva-tiven Fidesz und Präsident der Nationalen Selbstverwaltung der Roma. Die Roma nennen ihn nur „Kapo“. Er hat im Par-lament für jedes unsoziale und gegen Roma gerichtete Gesetz gestimmt und das öffentliche Arbeitsprogramm befürwortet, mit dem hauptsächlich Roma schikaniert werden. Seit einiger Zeit führt die ungarische Regie-rung die sog. „liebevolle Segre-gation“ durch. Dabei finanziert die rechtskonservative Fidesz für hundert Roma den Besuch von religiösen Elitehochschu-len, damit eine Art „Roma-Elite“ entstehen kann. Natürlich wird im Rahmen dieses Programmes völkisches und ethnisches Den-ken vermittelt, und diese jun-gen Roma sprechen dann die Sprache von Fidesz und Jobbik – und äußern sich selbst abwer-tend über die Minderheit der Roma.Cornelia Ernst, Manuela Kropp

DIE LINKE im Europäischen Parlament

Roma in Ungarn – Am Rande einer geschlossenen Gesellschaft

Glückwunsch zum 10.!Die Partei der Europäischen Lin-ken (EL) steht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament vom 22.-25. Mai vor einer ihrer größten Aufgaben und Heraus-forderungen. Erstmalig haben sich die Delegierten von über 30 Parteien auf dem jüngsten EL-Kongress in Madrid im Dezem-ber 2013 auf einen gemeinsa-men Spitzenkandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsi-denten geeinigt: Alexis Tsipras, den Vorsitzenden der noch jun-gen griechischen Linkspartei Syriza. Wer hätte das vor zehn Jahren gedacht, als Fausto Ber-tinotti (PRC, Italien) und Lothar Bisky (PDS/resp. Die LINKE) als Gründungsväter mit vielen an-deren MitstreiterInnen aus drei-zehn Parteien die Europäische Linke als neuartiges gemeinsa-mes europäisches Parteienpro-jekt in Rom aus der Wiege ho-ben?Zahlenmäßig gewachsen, als ei-genständiges politisches Sub-jekt anerkannt und mit beiden Füßen in den gesellschaftlichen Kämpfen für ein anderes Euro-pa stehend, ist die EL heute in Lissabon, Paris, Luxemburg, Athen, Madrid, Wien und Berlin ein realer Faktor, in Warschau,

Budapest, Tallinn und auch in Brüssel eine Adresse, die neue nationale Parteienprojekte an-zieht oder auch Hoffnungszei-chen ist für eine notwendige Neuformierung linker Kräf-te. Nicht alles, was damals vor zehn Jahren gedacht und in ers-te Projekte zu investieren ver-sucht wurde, ist aufgegangen: Die EL als Netzwerk, als Bewe-gungspartei. Die EL als eigen-ständiges politisches Subjekt in konsequenter Ausrichtung auf die europäische Politikent-scheidungsebene. Die gleich-zeitige stärkere Hinwendung zu inhaltliche Themenfelder bear-beitenden gemeinsamen, auch dezentral funktionierenden Ar-beitsgruppen und als unter-schiedlichen linkspolitischen Kräften offen stehendes plura-les Parteienprojekt. Vieles an-dere aber konnte weit stärker in der Praxis umgesetzt wer-den: Die EL ist heute akzeptier-ter Partner von sozialen Akteu-ren im außerparlamentarischen Kampf um Frieden und soziale Gerechtigkeit, gegen Austeri-tätspolitik und menschenfeind-liche Flüchtlings-, Asyl- und Mi-grationspolitik. Und mit Pierre Laurent als wiederbestätigtem

Vorsitzenden haben sich ge-rade französische Linkskräfte auf den europäischen Weg ge-macht – in eine EL als Dachor-ganisation unterschiedlicher Linksparteien. Noch sind ande-re wichtige linke Parteien, z.B. in Skandinavien, nicht mit dabei, auch die SP der Niederlande hat sich nicht auf die Mitarbeit in ei-ner paneuropäischen Parteien-struktur eingelassen, ebenso wie die kommunistischen Par-teien aus Griechenland oder Portugal. Deshalb gilt mit Blick auf die künftige parlamentari-sche Zusammenarbeit linker Kräfte im Europaparlament für die Partei der Europäischen Lin-ken und ihre Mitgliedsparteien: Sie werden sich entscheiden müssen, wie sie in diese Kämp-fe gehen und gemeinsam mit anderen erfolgreich Politik ge-stalten wollen und müssen. Ist es uns ernst mit unserem Kan-didaten als klarer Alternative zu einer Politik von Merkel, Came-ron, Hollande und des „Weiter so!“ mit dem Europa der Ban-ken, des Ausverkaufs von Politik und Demokratie an die Finanz-märkte und zunehmender Ab-koppelung der Politikentschei-dungen der Mitgliedstaaten und

der EU-Institutionen von demo-kratischen Teilhabemöglichkei-ten der Menschen? Verbinden wir mit und durch Tsipras unse-ren Anspruch auf ernsthafte ge-sellschaftliche Veränderungen in und auf der EU-Ebene: Was setzen wir der Troika und ih-rer Politik in Bezug auf die drin-gend notwendige nachhaltige sozial-ökologische Entwicklung in der EU mit einer gemeinsa-men Währung entgegen? Wel-che Wege zur Veränderung heu-tiger EU-Politik zeigen wir in konkreter Auseinandersetzung mit den anderen europäischen politischen Parteien auf, damit nicht Ablehnung des “ach so fernen Brüssel“ als einzig greif-bares Gefühl bleibt, Wahlabsti-nenz und politische Gleichgül-tigkeit weiter um sich greifen, oder noch viel bedrohlicher: rechtspopulistische und rechts-extreme politische Kräfte einer Frau Le Pen, eines Herrn Wijl-ders, der ungarischen Jobbik oder gar der griechischen “Gol-denen Morgenröte“ die falsche EU-Politik von konservativen, (neo)liberalen und auch sozial-demokratischen Parteien für ih-re Ziele ausnutzen können. Das EP hat im April in seiner letzten

Plenarwoche der auslaufenden Legislatur mehrheitlich die Ver-ordnung über das Statut und die Finanzierung der europäischen politischen Parteien und politi-schen Stiftungen auf den Weg gebracht und damit auch für die EL und den linken Stiftungsver-bund transform! transparentere Bedingungen im Parteienwett-streit für eine andere Politik (in) der EU geschaffen. Gestiegene Verantwortung für die EL und ih-re Mitgliedsparteien auch in die-sem Sinne.2014 ist also ein wichtiges Jahr für die EL – parlamentarisch wie außerparlamentarisch: Glückwunsch zum Geburtstag und viel Kraft, gute Ideen, Tat-kraft, Überzeugungsfähigkeit, Freundlichkeit und Spaß sowie den immer notwenigen Humor und Optimismus all ihren Mit-gliedern und SympathisantIn-nen. In diesem Sinne und nun erst recht: Carpe Diem! Helmut Scholz

Cornelia Ernst, Aladár Horváth

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Sachsens Linke! 05/2014 Seite 8

Interview mit Caren Lay, stell-vertretende Fraktions- und Par-teivorsitzende der LINKEN

Justizminister Heiko Maas legte das Konzept für seine Mietpreisbremse vor. Kön-nen sich die Bürgerinnen und Bürger bald über sin-kende Mieten freuen?

Zunächst einmal klingt es ja ganz gut: Die Mieten sollen bei Wiedervermietung um ma-ximal 10 Prozent über dem Mietspiegel steigen dürfen. Doch es bleiben viele Fragen und Probleme. Ob das Gesetz überhaupt angewendet wird, soll nach dem Willen der Bun-desregierung in der Verant-wortung der Länder liegen. CDU-geführte Länder können es also einfach aus politi-schen Gründen blockieren. Es ist also offen, ob es in Sach-sen eine Mietpreisbremse ge-ben wird. Außerdem orientiert sich das Gesetz weiterhin am Mietspiegel, und der bildet nur die Entwicklungen bei Neuver-mietungen ab. Damit ist er ein Mieterhöhungsspiegel und als

Grundlage für eine Mietpreis-bremse unbrauchbar. Noch ein letzter Punkt: Völlig unver-ständlich ist, warum nur bei Wiedervermietung und nicht bei Bestandsmieten gebremst werden soll.

DIE LINKE fordert doch auch eine Mietpreisbremse. Wo ist da der Unterschied?

Wir wollen eine echte Miet-preisbremse! Das bedeutet, dass es überhaupt keine Erhö-hungen nur aufgrund von Wie-dervermietungen geben darf, wenn sich der Wohnwert nicht verbessert. Mieterhöhungen

bei Bestandsmieten dürfen maximal im Rahmen des Infla-tionsausgleichs durchgeführt werden. Außerdem muss der Mietspiegel neu gestaltet wer-den: Er muss auf dem Durch-schnitt aller Mieten einer Ge-gend basieren und nicht nur auf der Höhe der Neuvermie-tungen der letzten Jahre. Denn das Gesetz von Minister Maas kann in der Praxis bedeuten, dass eine Wohnung, die we-gen eines alten, langjährigen Mietvertrags beispielsweise noch 200 Euro kostet, aber laut Mietspiegel heute 400 Euro kosten könnte, an den nächsten Mieter für 440 Euro

vermietet wird. Wo da eine Bremswirkung sein soll, sehe ich nicht.

Durchschnittlich sind die Mieten 2013 in Deutschland doch nur um 1,3 Prozent ge-stiegen, und in vielen Gebie-ten ist eher Leerstand ein Problem. Warum müssen da überhaupt die Mieten ge-bremst werden?

Die durchschnittliche Ent-wicklung sagt nicht viel aus. In etlichen Städten explodie-ren seit Jahren die Mieten. Auch in Sachsen erleben wir drastische Steigerungen. Seit 2008 sind binnen fünf Jahren in Leipzig die Mieten um 10 Prozent gestiegen, in Dresden sogar um 19 Prozent. Auch kleinere Städte sind betrof-fen – besonders wenn es sich um Uni-Standorte handelt. In eher kleinen Jena im benach-barten Thüringen stiegen die Mieten im selben Zeitraum um 18 Prozent. Die Folgen sind der Wegzug ganzer Bevölke-rungsschichten und eine Ent-mischung der Stadtteile. Was

nutzen denen, die ihre Umge-bung verlassen müssen, die Durchschnittswerte? Was muss der Bund noch tun?

Ich möchte drei Maßnahmen nennen: Der soziale Woh-nungsbau muss wieder an-gekurbelt werden. Seit 2002 ist jede dritte Sozialwohnung weggefallen, in Sachsen sind es sogar zwei von drei. Da-mit ist das Land Spitzenreiter beim Abbau von Sozialwoh-nungen. Außerdem muss der Staat in unserer alternden Gesellschaft dringend mehr Geld für Barrierefreiheit in den Städten in die Hand nehmen. Ebenso fordern wir, dass die Altschulden ostdeutscher Wohnungsbauunternehmen unverzüglich gestrichen wer-den.

DIE LINKE im Bundestag

Für eine echte Mietpreisbremse!

Ende März war ich zum zwei-ten Mal als Bundestagsabge-ordneter in Afghanistan. Im Rahmen einer Delegationsrei-se mit zwei Staatssekretären und anderen Mitgliedern des Haushaltsausschusses haben wir die deutschen Kontingente der ISAF-Mission in Termez und Masar-e Sharif besucht. Das erste Mal war ich in glei-cher Funktion im Oktober 2007 im Land. Als Haushalts-politiker ging es mir damals darum, die Verwendung von Geldern aus dem Bundeshaus-halt für den sogenannten zivil-militärischen Aufbau zu kon-trollieren und die Ergebnisse der Maßnahmen zu überprü-fen. Kurz zuvor hatte die erste große Operation unter deut-schem Kommando und mit deutscher Beteiligung zur Be-kämpfung von Aufständischen im Norden Afghanistans be-gonnen. Der deutsche Einsatz wandelte sich immer sicht-barer zu einem Kriegseinsatz, dessen Hochzeit in den Jahren 2008 und 2009 kurz bevor stand.Mittlerweile ist der Abzug der deutschen Truppen, den DIE LINKE immer gefordert hat, zum Jahresende längst be-schlossene Sache. Für mich lag das Hauptaugenmerk mei-ner Reise deshalb zum einen auf der Frage, wie die Bilanz ausfällt und wie es weiter geht. Auch die Sicht der Sol-datinnen und Soldaten wollte

ich erfahren. Zum anderen hat mich interessiert, wie die Vor-bereitung und die Umsetzung des Abzugs laufen. Immerhin handelt es sich allein bei der Rückverlegung von Material aus Afghanistan um die bis-lang größte logistische Ope-ration der Bundeswehr. Die Ausgaben dafür sind immens.

Nur die Flugkosten bis in die Türkei werden von der Bun-deswehr schon auf 150 Millio-nen Euro geschätzt. Aufgrund der hohen Rückführungsko-sten werden jedoch nur 47 Prozent des Materials nach Deutschland zurückgebracht.

Nicht weniger als 42 Prozent mit einem Neuwert von 150 Millionen Euro werden an die Afghanen übergeben, verkauft oder verschrottet.Die Begegnungen mit den Sol-datinnen und Soldaten waren offen und informativ. Ich habe keine schießwütigen Rambos kennengelernt, sondern diffe-

renziert denkende Menschen. Sie haben mir von ihren kon-krete Aufgaben berichtet, was mir geholfen hat, einen Ein- und Überblick zu gewinnen. Und sie haben mich einmal mehr darin bestärkt, dass auch für uns LINKE nicht die

einzelnen Soldaten als Feind-bild dienen dürfen, sondern dass der Einsatz zu hinterfra-gen ist, den Politiker beschlos-sen haben. Soweit ich es vor Ort be-urteilen konnte, läuft der Abtransport des Materials ohne Probleme. Der Zeitplan des Abzugs aus Afghanistan

steht. Eine andere Frage ist die Gesamtentwicklung der Kosten, die sich zurzeit noch nicht abschätzen lässt. Al-lerdings zeigen sich bereits Mängel, denen nachgegan-gen werden muss. So sind in dem vor sieben Monaten an

die afghanischen Sicherheits-kräfte übergebenen Feldlager Kunduz, in das insgesamt rund 250 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt geflossen sind, bereits schwere Schä-den entstanden. Die dort sta-tionierte afghanische Bereit-schaftspolizei beklagt massive Probleme bei der Wasser- und Stromversorgung, weite Teile des Lagers werden nicht ge-nutzt. Während von der Bun-deswehr die Afghanen ver-antwortlich gemacht werden, heißt es von diesen, es habe keine ausreichende Übergabe und Einweisung gegeben. Was hat der Einsatz nun ge-bracht? Das lässt sich nicht isoliert beantworten. Nur eine ebenso eine umfassende wie realistische Bestandsaufnah-me statt Zweckoptimismus kann der neuen Prioritäten-setzung auf Entwicklungs-zusammenarbeit und ziviler Außenpolitik dienen: Was Af-ghanistan am dringendsten benötigt, ist Stabilität. Die wird nur zu erreichen sein, wenn es eine Verbesserung der Sicherheitslage gibt. Da-für ist eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung, an der die Menschen auch teilhaben können, die wich-tigste Voraussetzung. Dazu beizutragen sollte der Ansatz-punkte für eine künftige zivile deutsche Afghanistanpolitik sein.Michael Leutert

Bild: DerComputerChecker / CC BY-SA 3.0 DE / Wikimedia Commons

Eindrücke aus Afghanistan

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Seite 5 05/2014 Links! Geschichte: Blickpunkt Erster Weltkrieg

„Ein Krieg der Dichter und Denker“Der Chef des Generalstabes, Helmuth von Moltke (1857-1888), warnte in einer Reichs-tagsrede am 14. Mai 1890: „Wenn der Krieg, der jetzt schon mehr als zehn Jahre lang wie ein Damoklesschwert über unseren Häuptern schwebt – wenn dieser Krieg zum Aus-bruch kommt, so ist seine Dauer und ist sein Ende nicht abzusehen“. Und später: „Es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der Europa in Brand steckt, der zu-erst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!“ Sein Neffe – der deutsche Generalstabschef gleichen Namens (1906-1914) allerdings tat genau daran mit. Von 1914 bis 1918 gingen „Stahlgewitter“ (Ernst Jünger) hernieder. Die tragende Rolle spielte das Militär. Der Vorhang fiel – alles Menschliche versch-wand dahinter.Beide Moltkes dürften gewusst haben: Krieg ist nie nur ein Akt militärischer Gewalt, er ist auch ein Feld geistiger Auseinander-setzung. Gefochten wird nicht nur auf dem Feld, sondern auch in Werkhallen und Ingenieur-büros. Dabei werden auch Pin-sel und Feder zu Waffen. Der jüngere Moltke entdeckte auf seine Art den Geist für sich, als er schrieb: „Eine geistige Weiterentwicklung der Mensch-heit ist nur durch Deutschland möglich ... Es ist das einzige Volk, das zur Zeit die Führung der Menschheit zu höheren Zie-

len übernehmen kann“. Moltke machte mit diesen Worten schon deutlich, worum es dabei geht: Um geistige Führungsan-sprüche, um die Verteidigung und Ausweitung eigener poli-tischer und wirtschaftlicher In-teressen- und Einflusssphären. So werden Kriege vorbereitet und gemacht. Und es gilt: Für Kriege wird militärisch und geis-tig mobil gemacht. Dafür bluten müssen meist weniger die Ge-nerale, umso mehr jedoch die einfachen Soldaten. Während die Kriegsmaschine so am Lau-fen gehalten wird, hallt nicht nur der Geschützdonner über die Schlachtfelder, auch auf propagandistische Begleitmu-sik wird den Soldaten ein An-recht eingeräumt. Im Oktober 1914 unterzeichne-ten 93 Wissenschaftler, Künst-ler und Schriftsteller einen „Aufruf an die Kulturwelt“. Darin erhoben sie „gegen die Lügen und Verleumdungen unserer Feinde in dem aufgezwungenen Daseinskampf“ ihren Protest. Die deutsche Kriegsschuld und der Völkerrechtsbruch wurden in „kulturvoller“ Weise abge-stritten. Letztlich wurde noch das Vermächtnis von Goethe, Beethoven und Kant bemüht, um den Krieg zu rechtfertigen. Für andere wie für den „Zau-berberg“, Thomas Mann, wurde die Feder zum Bajonett. Ganz „Mann-haft“ stach er zu, als er sich zu diesem Waffengang äußerte: „Es war Reinigung, Befreiung, was wir empfanden

und eine ungeheure Hoffnung“. Ferner spricht Mann von der „Veredlung“ des Menschen im Krieg und vom Ausstieg aus ei-ner „satten Friedenswelt“. Der Soziologe Max Weber („Politik als Beruf“), bedauerte hinge-gen, dass er in diesem „großen und wunderbaren Krieg“ nicht mit an die Front ziehen durfte.

Als Lazarettoffizier verteidigte er ihn dennoch: „Wir mußten ein Machtstaat sein und mu-ßten, um mitzusprechen bei der Entscheidung der Zukunft der Erde, es auf diesen Krieg ankommen lassen“. Der Dich-ter der Lüneburger Heide und Urvater der Umweltschutzbe-wegung, Hermann Löns, schaff-te es, obwohl schon relativ alt (Jahrgang 1866), an die Front.

Dort kam die Ernüchterung: „Sehe von meinem Lager den Sternschnuppen zu. Denke an die Leichen, an den erschos-senen Spion. Droben am Fir-mament dieselbe Not. Leben ist Sterben, Werden, Verder-ben“. Bei einem Sturmangriff bei Loivre, am 26. September 1914, schrieb eine Kugel einen

letzten verderblichen Reim und beendete sein Leben. Hinterlas-sen hat Löns ein berührendes wie realistisches Kriegstage-buch. Im August 1914 meldete sich der Maler Franz Marc freiwillig zum Kriegsdienst. Bei Ausbruch des Krieges empfand er ihn noch als „positive Instanz“. In seinen „Briefen aus dem Feld“ beschreibt Marc ein „krankes

Europa“, das durch den „Krieg geläutert werde“. Ein Umden-ken setze erst 1915 ein. Da be-zeichnete er den Krieg als den „gemeinsten Menschenfang, dem wir uns ergeben haben“. 1916 wurde Franz Marc in die Liste der bedeutendsten Künst-ler Deutschlands aufgenommen und damit vom Kriegsdienst be-freit. Doch zwei Granatsplitter rissen den „Blauen Reiter“ nahe Verdun bei einem Erkundungs-ritt am 4. März in den Tod – ei-nen Tag vor seiner Freistellung vom Kriegsdienst. Als der da-malige Kriegsteilnehmer Adolf Hitler, der sein Eisernes Kreuz nur der Fürsprache eines jü-dischen Offiziers zu verdanken hatte, 1933 zur Macht gekom-men war, galt Marcs Kunst übri-gens als „entartet“.In jedem Krieg geht es auch um Ideen und um Köpfe, die sie tragen sollen. Die wahre Kunst staatlichen, politischen und militärischen (Nicht)-Han-delns sollte darin bestehen, so zu arbeiten, dass diese Köpfe nicht fallen müssen, sondern dass mit ihnen im friedlichen Wettbewerb um die besten Ideen gerungen werden kann. Allerdings scheint diese „Kunst-fertigkeit“ nicht sehr geschätzt zu sein. Auf jeden Fall wäre sie kreativer, sinnstiftender und menschlicher als der Bau immer neuer Waffen, die Erfindung im-mer neuer Kriegsgründe und damit verbundener Lügen und die ständige Reanimation alter Feindbilder. René Lindenau

Ein Krieg in BriefenJedes geschichtliche Ereignis lässt Fragen zurück. Bei der „Ur-katastrophe“ des 20. Jahrhun-derts, wie der US-Diplomat und Historiker George F. Kennan den Ersten Weltkrieg nannte, ist das nicht anders. Eine wich-tige Quelle, um sich ein Bild von dessen Verlauf und von seinen Gräueln zu machen – oder auch, um Antworten zu ergrün-den –, ist die Feldpost. In ihr fin-den sich die Schilderungen der Soldaten über den Kriegsalltag. So wurden etwa 28,7 Milliarden Briefe, Telegramme und Post-karten zwischen den Fronten und dem deutschen Zuhause hin- und hergeschickt. Circa 6,8 Millionen Briefe schrieben deut-sche Soldaten pro Tag.So berichtet ein Georg Sally Cohn am 28. November 1914 von einem 17-Jährigen: „Der linke Unterschenkel von einer Granate schwer zersplittert, der rechte große Fleischwun-de. Tränenden Auges stand der Kamerad und Freund neben dem Verwundeten, der seine Hand fest presste (...) Armer Bursch, das Bein muss fort. Er biss wacker ins Hemd, um nicht

zu schreien, als er verbunden wurde...“ Am Ende vergeblich, äußerte Gaston Brion in einem Brief: „Von der Vorsehung erbit-te ich nur, dass mir diese Gnade gewährt wird: Lieber gleich den

Tod, als ein schreckliches Lei-den, Folge dieser fürchterlichen Verwundungen, deren Zeuge wir alle Tage sind“. Vergeblich, denn drei Tage nach seiner Ver-wundung hielt das Leben noch an ihm fest, bevor es ihn am 11.September 1916 nach 30 Jahren fallen ließ.Der 22-jährige Cellist Maurice Marèchal bat in einem Brief an

seine Mutter um Verzeihung, als er ihr am 10. August 1914 schrieb: „Ich hätte bleiben sol-len, hätte für Dich Cello üben sollen, für Dich, die so viele Opfer gebracht, für mein schon

krankes Mütterchen ... Ich bin, ich will nicht feige sein. Doch die Idee, dass eine idiotische Kugel meine Zukunft verpfu-schen kann, das lässt mich angstvoll erzittern“. Aber er hat-te Glück, überlebte den Krieg und wurde zu einem der bedeu-tendsten Cellisten Frankreichs.Weniger Glück war dem 20-jäh-rigen Philosophiestudenten

Heinz Pohlmann beschieden. Er verfasste am 1. Juni 1916 auf dem „Toten Mann“ bei Ver-dun einen letzten Brief an seine Eltern. Da heißt es: „Wenn Ihr diese Nachricht von mir erhal-tet, dann ist wohl herbes Leid über Euch gekommen, denn dann bin ich nicht mehr auf die-ser Welt. Ich kann es verstehen, aber um eins bitte ich Euch: be-klagt mich nicht ... Denn trotz aller trüben Erfahrungen und Nachrichten glaube ich doch an eine Zukunft. Für das neue, grö-ßere, bessere Vaterland gebe ich gern mein junges Leben“. So war Pohlmann, wie viele an-dere Kriegsteilnehmer, selbst im Moment der unmittelbaren Bedrohung des eigenen Lebens nicht frei von „vaterländischem Geist“.Sein Fazit über den Krieg fasste der Berliner Technikstudent Hans Martens am 4. Februar 1915 in folgende Worte: „Das ist überhaupt das Scheußliche in dem jetzigen Krieg – alles wird maschinenmäßig, man könnte den Krieg eine Industrie gewerbsmäßigen Menschen-schlachtens nennen – (…) Mi-

nenwerfer sind das Abscheu-lichste. Sie werden lautlos abgeworfen und schlagen oft dreißig Mann kaputt“. Am 14. Juli 1915 war er „kaputt“, im Al-ter von 22 Jahren fiel Martens.Der US-amerikanische Pilot Mc Connell schrieb „über“ Verdun: „Da unten ist nur der finstere braune Gürtel, ein Streifen ge-mordeter Natur. Wälder und Straßen sind verschwunden, von den Dörfern ist nichts ge-blieben als graue Flecken. Wäh-rend schweren Artilleriefeuers habe ich Granaten wie Regen fallen sehen“.Was bleibt nun als Lehre und Konsequenz aus dieser (Brief)-Geschichte? Der Harvard-Geschichtsprofessor Niall Fer-guson zitiert in seinem Buch „Der falsche Krieg“ (Pantheon-Ausgabe, November 2013) aus einem Aufsatz von George Bernhard Shaw (Seite 15): „Er-schießt Eure Offiziere und geht nach Hause“. Nun – so radikal muss die Bundeswehr bei ih-ren Auslandseinsätzen ja nicht sein. Aber nach Hause gehen – das können sie doch...René Lindenau

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TermineRosa-Luxemburg-Stiftung

Dresden, 1. Mai, Donnerstag, 16.00 UhrBuchvorstellung und Diskussi-on: »Eine Milliarde für Süderlen-au« Bedingungsloses Grundein-kommen: Was wäre, wenn? Mit der Autorin Astrid Wenke.Moderation: Katja Kipping, MdBEine Veranstaltung des WIR e.V. gemeinsam mit der Rosa-Lu-xemburg-Stiftung SachsenWIR AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden

Leipzig, 7. Mai, Mittwoch, 18.00 UhrVortrag und Diskussion: Hartz IV - Anspruch und Wirklichkeit, eine kritische Bestandsanalyse. Mit Prof. Dr. Klaus Dörre, Sozio-loge, Uni Jena. Moderation: Dr. Dieter Janke.Rosa-Luxemburg-Stiftung, Har-kortstraße 10, 04107 Leipzig

Dresden, 10. Mai, Sonn-abend, 11.00 - 16.00 UhrWorkshop: Schreiben auf Leben komm raus! Mit Uwe Hirsch-feld, EHS Dresden. Eine ge-meinsame Veranstaltung des AK kritische Soziale Arbeit, der Hochschulgruppe Lux Dresden und der Rosa-Luxemburg-Stif-tung Sachsen.WIR AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden. Teilnahme-gebühr: 5,00 €, ermäßigt: 3,00 €, SlamteilnehmerInnen „Gutes Leben2“: 0 €

Dresden, 13. Mai, Dienstag, 19.00 Uhr Buchvorstellung: Ruth Fischer. Ein Leben mit und gegen Kom-munisten. Mit Prof. Dr. Mario Kessler, Zentrum für zeithistori-sche Forschung in Potsdam. Ei-ne gemeinsame Veranstaltung des HATiKVA e.V., des Vereins für regionale Politik und Ge-schichte Dresden e.V. und der RLS Sachsen.HATiKVA e.V., Pulsnitzer Straße 10, 01099 Dresden

Chemnitz, 14. Mai, Mittwoch, 19.00 UhrKritische Theorie - eine Einfüh-rung***. Mit Steffen Juhran, Leipzig.Lokomov, Augustusburger Str. 102, 09126 Chemnitz

In linken Kreisen erfreuen sich die Begriffe „Kritische Theo-rie“ oder „Frankfurter Schule“ ebenso wie die Namen Adorno und Horkheimer enormer Popu-larität. Manchmal kann man auf Theorie-Veranstaltungen durch-aus Begriffs-Bingo spielen, wo-bei „Barbarei“, „‚strukturel-ler‘ Antisemitismus“, vielleicht „Kulturindustrie“, mit Sicher-heit „Aufklärung“ und „regres-sive Kapitalismuskritik“ zu den heißen Kandidaten gehören. Die grundlegende Spaltung in jene, welche sich in irgendeiner Form auf „ideologiekritischem“ Boden bewegen und sich damit auch immer irgendwie auf Kriti-sche Theorie beziehen, und je-nen die mit diesem ganzen Be-griffs-Instrumentarium nichts am Hut haben, zieht sich dabei bis in Habitus und Sprache fort.Ziel dieses Referates soll es sein, einige Grundfragen zur Orientierung zu klären und das theoretische Koordinatengerüst abzustecken, auf dem sich die meisten Debatten auch heute noch bewegen: Wer und Was sind nun diese Autoritäten, auf die sich offenbar große Teile der radikalen Linken heute be-ziehen? Was haben ihre Theo-rien mit den geläufigen Positi-onen zu tun, um die sich heute noch die Diskussion dreht? Und: Wie „links“ ist das eigent-lich alles noch? Es wird eine Mischung aus biographischem und theoretischem Input ge-ben, um darzustellen, wieso ge-rade die „Frankfurter Schule“ derartigen Einfluss unter radi-kalen Linken und im deutschen Feuilleton gleichermaßen errin-gen konnte.

Dresden, 14. Mai, Mittwoch, 19.00 UhrVortrag und Diskussion: Das Ende der Billigarbeit in China? Industrieller Umbau und Ar-beitsbeziehungen im Perlfluss-delta. Mit Dr. Florian Butollo, Wissenschaftspreisträger der RLS Sachsen.WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden

In den letzten drei Jahrzehnten ist China zum führenden Expor-

teur von Konsumgütern gewor-den – auf Kosten einer prekären Armee von Arbeitsmigranten, die in den Weltmarkfabriken schufteten. Doch steigende Kosten, wirtschaftliche Un-gleichgewichte und eskalieren-de Arbeitskonflikte zeigen die Grenzen dieses Entwicklungs-modells auf. Auch die chinesi-sche Regierung ist daher um ei-ne technologische Aufwertung der Produktionsstrukturen und eine Befriedung der Arbeits-konflikte bemüht. Im Vortrag wird der Frage nachgegangen, inwieweit die Aufwertung der Produktion auch eine Verbesse-rungen der Arbeitsbeziehungen mit sich bringt und was das für die Zukunft der chinesischen Arbeitskonflikte bedeutet. Dem liegt eine umfangreiche empi-rische Untersuchung über den industriellen Wandel im Perl-flussdelta zugrunde.

Leipzig, 15. Mai, Donnerstag, 18.00 UhrBuchvorstellung und Gespräch:»Dr. Rudolf Franz 1882-1956. Zwischen allen Stühlen – ein Leben in der Arbeiterbewe-gung«. Mit dem Autor Prof. Dr. Gerhard Engel.Rosa-Luxemburg-Stiftung, Har-kortstraße 10, 04107 Leipzig

Zwickau, 15. Mai, Donners-tag, 17.00 UhrVortrag und Diskussion: Krim zwischen Russland und Ukraine - Probleme, Hintergründe und Lösungsansätze. Mit MdB Ste-fan Liebich, Berlin.Politikkontor, Bosestraße 43, 08056 Zwickau

Weißwasser, 16. Mai, Freitag, 18.00 UhrLesung und Gespräch: »Die Frau meines Vaters«. Mit Anja Röhl, Publizistin und Stieftoch-ter von Ulrike Meinhof.Begegnungsstätte Weißwasser, Gutenbergstraße 17, 02943 Weißwasser

Zittau, 17. Mai, Sonnabend, 10.00 UhrLesung und Gespräch: »Die Frau meines Vaters«. Mit Anja Röhl, Publizistin und Stieftoch-

ter von Ulrike Meinhof.Infoladen Zittau, Äußere Weber-straße 2, 02763 Zittau

Dresden, 17. Mai, Sonn-abend, 11.00 - 16.00 UhrWorkshop: Performen auf Le-ben komm raus! Mit u.a. Jo-chen Kretschmer, Schauspieler Dresden.Eine gemeinsame Veranstal-tung des AK kritische Soziale Arbeit, der Hochschulgruppe Lux Dresden und der Rosa-Lu-xemburg-Stiftung Sachsen.Europabüro, Schweriner Straße 50 a, 01067 DresdenTeilnahmegebühr: 5,00 €, ermä-ßigt: 3,00 €, SlamteilnehmerIn-nen „Gutes Leben2“: 0 €

Chemnitz, 17. / 18. Mai, Sonnabend, Sonntag, ganz-tägigAusfahrt in die Gedenkstätte des ehemaligen KZ Mittelbau-Dora***Eine Veranstaltung der Mobi-len Jugendarbeit Mitte AJZ e.V. Chemnitz in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen e.V.Teilnahmebeitrag: 10 EuroUm Anmeldung wird, wegen be-grenzter Teilnehmerzahl, unter [email protected] oder unter 0160/97501483 ge-beten.

Chemnitz, 20. Mai, Mittwoch, 18.30 UhrVortrag und Diskussion: Nach dem Machtwechsel in der Ukra-ine – enttäuschte Hoffnungen und bedrohte Souveränität.Mit Ivo Georgiev, Leiter des Referates Ost-, Mittelost- und Südosteuropa der RLS.Lesecafé Odradek, Leipziger Straße 3, 09113 Chemnitz

Leipzig, 21. Mai, Mittwoch, 18.00 UhrVortrag und Diskussion: Nach dem Machtwechsel in der Ukra-ine – enttäuschte Hoffnungen und bedrohte SouveränitätMit Ivo Georgiev, Leiter des Referates Ost-, Mittelost- und Südosteuropa der RLS.Moderation: Boris Krumnow.RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig

Leipzig, 26. Mai, Montag, 18.00 UhrVortrag und Gespräch: Der gro-ße russische Dichter Michail Lermontow. Mit Prof. Dr. Ro-land Opitz, Literaturwissen-schaftler und ehemaliger Leiter des Reclam-Verlages.RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig

Leipzig, 27. Mai, Dienstag, 18.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Wal-ter Eucken und die Quellen des Ordoliberalismus. Mit Dr. Uwe Dathe, Jena. Moderation: Dr. Jürgen Stahl.RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig

Dresden, 28. Mai, Mittwoch, 19.00 UhrKä – Ki – Tu oder wenn sich Erich Kästner, Egon-Erwin Kisch und Kurt Tucholsky begegnet wären! Mit dem Trio Literale - Marion Neumann, Karin Funke und Gabriel Krappmann.WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden

Leipzig, 29. Mai, Donnerstag, 18.30 UhrREIHE: ROSA L. IN GRÜNAUUkraine - Russland – Krim. Um-bruch und neue Grenzverschie-bungen in Osteuropa. Rückblick und Annäherung an eine neue europäische Gegenwart. Mit Boris Krumnow, RLS Sachsen/ Netzwerk AGRU.Klub Gshelka, An der Kotsche 51, 04177 Leipzig

Cunnersdorf, 30. Mai, Frei-tag, 20.00 UhrREIHE: Philosophinnen in Cun-nersdorf*** Mit Theano von Thurij (Antike) und Hypathia von Alexandria (Spätantike)Eine gemeinsame Veranstal-tung der Rosa-Luxemburg-Stif-tung Sachsen mit der Alten Schule Cunnersdorf e.V.Alte Schule e.V./Schulweg 10/ 1920 Schönteichen OT Cun-nersdorf

*** in Kooperation mit der RLS: Gesellschaftsanalyse und politi-sche Bildung e.V.

ImpressumLinks! Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt

Herausgebergremium: Dr. Monika Runge, Verena Meiwald, Prof. Dr. Peter Porsch, Dr. Dr. Achim Grunke, Rico Schubert

Verleger: Verein Linke Kultur und Bildung in Sachsen e.V., Kleiststraße 10a, 01129 Dresden

Namentlich gekennzeichne-te Beiträge geben nicht un-bedingt die Meinung der Re-daktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinn-wahrende Kürzungen vor. Ter-

mine der Redaktionssitzungen bitte erfragen.

Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Drucke-rei GmbH in Cottbus in einer Auflage von 15.150 Exempla-ren gedruckt.

Redaktion: Kevin Reißig (V.i.S.d.P.), Jayne-Ann Igel, Ute Gelfert, Ralf Richter

Kontakt: [email protected] Tel. 0351-84389773

Bildnachweise: Archiv, iStockphoto, pixelio

Redaktionschluss: 20.04.2014

Die nächste Ausgabe erscheint am 30.05.2014.

Die Zeitung kann abonniert werden. Jahresabo 10 Euro incl. Versand.

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Seite 7 05/2014 Links!

Das Experiment einer besse-ren Gesellschaft begann mit einer Revolution, deren wei-tere Entwicklungen in den frü-hen 20er Jahren von der Grup-pe der Poputschiki begleitet wurden. Aus der Position des Beobachters kommentierten die „literarischen Weggenos-sen“ die Versuche und Irrtü-mer jener frühen Jahre durch-aus bissig und attackierten die Verfehlungen scharfzün-gig. Sehr pointiert geschieht dies in der Groteske Das hün-dische Herz, die die Diskre-panz der Personifizierung von Lumpi und der Reduzierung von Lumpikow behandelt.Hart ist das Los des Straßen-köters Lumpi im Moskau der 20er Jahre. Eine obdachlose Töle, die Hunger und Schmer-zen leidet. Eben hat ihn ein un-freundlicher Koch mit kochen-dem Wasser verbrüht – eine wirklich überflüssige Grau-samkeit –, als ein gut ange-zogener, wohlriechender Herr ihm eine Wurst, „Krakauer spezial“ hinhält, um „den ner-vösen Köter zu ködern“. Sein neuer Herr, Prof. Preobra-shenski, beschäftigt sich mit der Verjüngung der Menschen und möchte experimentell se-hen, was passiert, wenn einem Hund Hoden und Hypophyse

eines Menschen eingepflanzt werden. So beginnt Lumpis Vermenschlichung, akribisch dokumentiert vom Assisten-ten Dr. Bormenthal. Der Hund wächst, verliert sein Fell, geht fortan auf zwei Beinen und be-ginnt zu sprechen, jeden Tag ein neues Wort – meist unfläti-ge Gossensprache. Er denun-ziert, stiehlt, ergattert einen Posten als Funktionär, den er nutzt, um Liebesdienste ei-ner jungen Frau zu erpressen. Auch mit dem Vorsitzenden der Hausverwaltung macht Genosse Lumpikow, wie „der neue Mensch“ genannt wer-den möchte, gemeinsame Sa-che, sodass Preobrashenski in Zeiten der „Wohnflächenkür-zung“ um seine Sieben-Zim-mer-Wohnung bangen muss. Die Geister, die er rief, wird er nun nicht los und sieht, dass sich die Eigenschaften des Or-ganspenders, eines kleinkri-minellen Alkoholikers, der bei einer Messerstecherei ums Leben kam, in Lumpikow ma-nifestiert haben. Diese „fürchterliche Ge-schichte“ schrieb Bulgakow in einer ersten Fassung Anfang 1925, deren Veröffentlichung in der Sowjetunion jedoch erst 1987 möglich wurde. Be-reits im darauf folgenden Jahr

erscheint die Novelle in ei-ner Übersetzung von Thomas Raschke, mit dem Titel Hunde-herz im Verlag Volk und Welt. Doch erst bei der vorliegenden

Version handelt es sich um das Originaltyposkript des Ro-mans, das als „Fassung letzter Hand“ gelten darf. Diese Neu-übersetzung ist jedoch nicht

nur wegen ihres Rückgriffs auf die vom Schriftsteller autori-sierte Fassung zu loben. Vor allem ist es der Übersetzung von Alexander Nitzberg ge-lungen, die furiose Prosa des Originals zu erhalten. In exzel-lenter Weise werden die Poly-phonie, Perspektiv- und Stil-wechsel wiedergegeben. Die Sprache reicht von der des Bildungsbürgers über den po-litischen Jargon des Proleta-riats bis zum primitiven Vo-kabular der Gosse. Ebenso großartig geglückt sind die das Experiment begleiten-den Aufzeichnungen des As-sistenten Bormenthal, die ei-nem Schreibblock gleichen, mit Streichungen, Auslassun-gen und Hervorhebungen. Mit dem Titel „Das hündische Herz“ orientiert sich Nitzberg näher am Original, das auch diese adjektivische Struktur aufweist. Denn, so führt Nitz-berg in seinem bemerkens-werten Nachwort aus, es geht dem Autor nicht um den Un-terschied zwischen Mensch und Hund, sondern zwischen dem Menschlichen und dem Hündischen. Andreas HauptMichail Bulgakow: Das hündi-sche Herz, Galiani Verlag, Ber-lin, 176 Seiten, 16,99 Euro.

Einer der bekanntesten Fil-me der Schauspielikone Ste-ve McQueen ist „Getaway“. Der berühmten Verfilmung von 1972 liegt ein Roman des bis vor kurzem leider fast vergessenen Jim Thompson aus dem Jahr 1959 zugrun-de, ein Autor, der wohl auf ei-ne Stufe mit den Klassikern des hards boiled Krimis, Ray-mond Chandler und Dashi-ell Hammett, zu stellen ist. In Deutschland erschienen sei-ne Romane kurz nach seinem Tod im April 1977 zunächst bei Ullstein, die sich auch in der Aufmachung an die Ori-ginale in den USA anglichen. Sehr farbenfrohe Einbände ließen schwerlich „große“ Li-teratur vermuten, sondern machten mehr den Eindruck klassischer Pulp-Literatur. Erst seit Mitte der Neunziger, als sich der ehrwürdige und wohl über jedes Kritikerur-teil erhabene Diogenes Verlag an Neuübersetzungenen und Neuauflagen machte, erhielt Thompson den ihm gebühren-den Platz – neben Chandler

und Hammett, die beide auch bei Diogenes erscheinen. Die Neuübersetzungen haben den Büchern gut getan, ganz aktu-ell bringt aber auch Heyne die ersten Romane Thompsons neu auf den Markt.Jim Thompsons Leben war nicht einfach, selbst sein Tod – er verhungerte nach meh-reren Infarkten – passte ir-gendwie zu seinen Büchern. In denen wird erstmals in der Kriminalliteratur eingehender auf die Psyche der Täter ein-gegangen. Nicht umsonst war er als Dostojewski der Noir-Krimis bekannt. Seine Mit-gliedschaft in der Kommunis-tischen Partei der USA ließ ihn sehr unter McCarthy leiden – er stand zeitweilig auf der so-genannten „Schwarzen Liste“, was seiner Bekanntheit in der Literatur nicht sehr zuträglich war. Eine der besten Psyche-Stu-dien legte er 1952 mit seinem Roman „Der Mörder in mir“ vor. Ein „Held“ wie der so un-gemein symphatisch wirken-de Lou Ford zeigt im Laufe des

Buches, dass ein psychotisch kranker Mensch eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt; seine Psychose bricht aus und er bringt fünf Menschen um. In seinen Kriminalromanen zeigt Thompson auf, dass Ge-walt, Habgier und Korruption in der amerikanischen kapita-listischen Gesellschaft selbst-verständlich sind. Von seinen 27 Büchern gelten heute zehn als Klassiker des Genres. Ei-nen guten Eindruck auf sein Schreiben vermittelt vielleicht eine Szene aus „The Grifters“: „Während er ihr nachschau-te, wie sie zum Lift ging, dach-te er ohne Bitterkeit, dass das Schlimmste am Altern die Angst war. Die Unsicherheit, die aus der Angst entstand. Man wusste eben, dass man nicht mehr so viel taugte ... Und er wusste auch, dass er sich nicht immer allzu intelli-gent anhörte, und er konnte nie mehr richtig tadellos aus-ssehen, wie sehr er sich auch anstrengte. Und da er genau wußte, dass es es unmöglich für ihn war, jemandem zu ge-

fallen, versuchte er sich tapfer bei allen beliebt zu machen. ... Bis er schließlich sich selbst genauso wenig leiden konn-te wie andere auch. Und dann starb“.Zeitlebens war Thompson schwerer Alkoholiker, auch begünstigt durch seine Arbeit als Alkoholschmuggler wäh-rend der Prohibition. Nach seinem ersten großen Erfolg mit „Nichts als Mord“ drohte

er wieder im Alkohol zu ver-sinken, doch Mitte der Fünf-ziger nahte Rettung in Gestalt von Stanley Kubrik, der mit ihm – als großer Thompson-Fan – seinen zweiten Spiel-film „The Killing“ verwirklich-te. Als Drehbuchautor hatte Thompson damit Einfluß auf Regisseure wie Scorsese, die Coen-Brüder oder Tarantino. Leseempfehlung!Rico Schubert

Weit mehr als schwarze Krimis

Der Lumpenhund in der Revolution Rezensionen

Alexander Nitzberg hat eine Neuübersetzung des Romans „Das hündische Herz“ aus dem Frühwerk von Michail Bulgakow vorgelegt

Michail Bulgakow, um 1910

Jim Thompson, der Dostojeweski der hard boiled Krimis

Page 24: Links! Ausgabe 05/2014

Seite 8Links! 05/2014 Kultur

Léo Ferré, der große Chansonni-er und Anarchist – das Chanson bedeutet ihm Poesie und Kraft. Ein verzweifelter Schrei, der die Hoffnung in sich trägt, die Hoff-nung auf Anarchie als innere Haltung. Seine Lieder, die scho-nungslos politische und soziale Missstände anprangern, trägt er mit beißender Ironie vor. Außer-gewöhnlich und unnachahmlich schleudert er mit vielschichti-gem, teils aggressiv klingendem Sprechgesang dem Publikum, das wie hypnotisiert jeden Satz von seinen Lippen zu lesen scheint, seine Wut entgegen: „Für die Erstürmung der Bastille, auch sie ganz umsonst ist, thank you, Satan!“Léo Ferré betritt diese Welt am 24. August 1916 in Monaco, als Sohn einer Monegassin italieni-scher Herkunft. Sein Vater leitet ein Spielkasino. Die Schulzeit

verbringt er im ihm verhassten Klostercollege Saint-Charles im italienischen Bordighera. Sehr bald entdeckt Ferré seine Lie-be zur Musik und beginnt, Kla-vier zu spielen, wird Mitglied in einem Chor und begegnet Mau-rice Ravel, der in Monaco ein Or-chester dirigiert. Ferrés erste Komposition ist die Vertonung eines Gedichtes von Verlaine: „Soleils couchants“. Schließlich studiert er, dem Willen seiner El-tern zum Trotz, Musik beim aus Russland stammenden Leonid Sabaniev. Wieder nach Beau-soleil zurückgekehrt, kompo-niert er bereits Opern, mode-riert bei Radio Monte Carlo und wird Regieassistent. 1946 lernt er Edith Piaf kennen und zieht nach Paris, wo er im berühmten Kabarett „Le bœuf sur le toit“ als Chansonsänger auftritt. Ein Jahr später folgen weitere Auf-

tritte auf Cabaretbühnen, und er gibt ein großes Konzert für die „Federation Anarchiste“. In Paris entstehen dann auch ers-te Schallplattenaufnahmen. Zu Beginn der Sechziger kommt es zu einem gesanglichen Ren-desvouz mit Josephine Baker im „Olympia“. 1961 schließt er en-ge Freundschaft mit dem kom-munistischen Dichter Aragon, dessen Texte er neben Gedich-ten von Villon, Rimbaud, Ro-ger Caussimon oder Boudelaire ebenfalls in sein Repertoire auf-nimmt. 1968 treffen Ferrés Chansons den Nerv der Zeit, denn die po-etischen Inhalte entsprechen gänzlich den Idealen einer auf-rührerischen Generation. Durch die Zusammenarbeit mit der Rockband „Zoo“ erreicht er auch in der französischen Jugendbe-wegung eine enorme Populari-

tät. Erst in den Achtzigern kehrt er zur alten Chansontradition zurück und interpretiert Songs mit schlichter Klavierbegleitung. 1984 gibt er sehr erfolgreiche Tourneen, die ihn quer durch Eu-ropa und Kanada führen. 1985 und 1986 gastiert Ferré in der DDR, Österreich und der BRD. Ostern 1985 wird er zusammen

mit der Sängerin Juliette Greco als wichtigster Star beim Chan-sonfestival „Printemps de Bour-ges“ gefeiert. Am 14. Juli 1993 hörte sein ruhe-loses Herz auf, zu schlagen. Sei-ne Chansons, die von liebevoller Anarchie geprägt sind, bleiben zeitlos aktuell.Jens-Paul Wollenberg

„Ich provoziere für die Liebe und die Revolution“

Das Ende von Windows XP und das Schweigen der Parteien Dass von der CDU zum Ende von Windows XP am 8. April nichts zu hören war, konnte man abse-hen – im Bundeskanzleramt ver-sucht man gerade zu verstehen, was das Internet ist. Aber was ist eigentlich mit den anderen? LINKEN, Piraten oder Grünen?Zum Hintergrund: Der US-Kon-zern Microsoft beglückte bis-lang die Computergemeinde der Welt alle paar Jahre mit einem Betriebssystem, genannt Win-dows. Wenige davon waren es wert, installiert zu werden – die meisten waren Flops. Dabei ver-danken Sie und ich mit höchster Wahrscheinlichkeit Microsoft, dass Sie den Zugang zu einem PC gefunden haben. Denn mit Windows setzte sich die soge-nannte graphische Oberfläche durch, vorher gab es DOS oder UNIX. Manch einer hier im Os-ten erinnert sich noch an den KC 86, den Kleincomputer von Robotron, mit dem für Tech-nikfreunde der Sonderklasse das Computerzeitalter begann. Programme wurden per Radio-wellen von Jugendradio DT 64 ausgestrahlt und mit einem Kas-settenrecorder zu Hause per Handbedienung aufgezeichnet. Minutenlanges Pfeifen und Rau-schen im Radio und am Ende hatte der Nerd, der sich damals wohl eher als Computer-Freak bezeichnet hat, ein Programm – und in der Klasse schüttelten alle mit dem Kopf, wie man sich mit so spacigen Dingen wie mit einem Computer beschäftigen kann. Doch dann kam in den 90ern Windows auf die Rech-ner der Welt – und plötzlich sah man zwischen Afghanistan und Zypern, dass der PC wohl doch nicht nur etwas für Freaks ist, sondern für den ganz norma-len Menschen. Die Verwaltun-gen aller Länder leckten Blut und fingen an, ihre Dateikarten in den Computer einzugeben,

und Schreibmaschinen wurden zögerlich aufs Altenteil verscho-ben. Seitdem beherrscht Win-dows die Computerwelt – zwar hatte es schon vor Windows ei-ne graphische Oberfläche ge-geben, erfunden von den App-le-Gründern, doch es war nicht das Anliegen von Apple, einen „Volks-Computer“ in der Welt zu verbreiten. So blieb der App-le klein und fein ein elitäres Ni-schenprodukt – überall an den US-Elite-Universitäten wie in Princeton war der Apple verbrei-tet und kam so in westdeutsche Computersäle wie den der Frei-en Universität in Westberlin. Für die Masse war der Apple nix –

gut, aber zu teuer. In etwa zeit-gleich mit der Verbreitung von Windows setzte sich (von An-gela Merkel vollkommen unbe-merkt – weder NSA, CIA noch Bundesverfassungsschutz wol-len sie informiert haben!) das Internet durch. Auch hier hatten die Einzelstaaten in Europa noch ihre eigenen Projekte der Daten-

übertragung gehabt – an franzö-sischen Skiorten und in franzö-sischen Küchen suchte man im Minitel nach Schneeberichten oder Rezepten, die Bundespost experimentierte mit BTX, ge-nannt Bildschirmtext und heute noch bei allen Fernsehsendern zu bewundern. Viele hatten al-so etwas, aber nur einer setzte sich durch: Microsoft im Verein mit Intel, einem Produzenten für Prozessoren. Das „Silicon Valley Saxony“ verdankt seine Entste-hung der Ansiedlung des Intel-Konkurrenten im Dresdner Nor-den. Der kalifornische Konzern AMD versuchte dem Platzhirsch Intel eine Zeit lang den Rang ab-

zulaufen, inzwischen hat AMD längst das Werk verkauft.Wie kann es sein, dass sich Ge-meinden, Privatpersonen und zahlreiche Großbetriebe und Kleinbetriebe auf Gedeih und Verderb den Entscheidungen ei-ner US-Konzernzentrale auslie-fern und unsere Parteien dem Ganzen seit Anfang an zusehen

– obwohl es längst Alternativen zu Windows gibt? Wie lange dau-ert es, bis man begreift, dass die Datenautobahnen und Daten-speicher die Blutbahnen des ge-genwärtigen Zeitalters sind und man diese eben nicht dem Gut-dünken eines Konzerns in Red-mond überlassen kann? Wozu braucht man „Linke Medienaka-demien“, wenn dort nur gelernt wird, einen Blog zu betreiben, Homepages zu gestalten, und bei all dem das Wichtigste auf der Strecke bleibt – weil man danach seine Daten bei Twitter und Facebook verkauft und das in heiliger Einfalt noch als „Er-folg“ feiert? Längst gibt es mit

der nach einem finnischen Stu-denten benannten Software LI-NUX und deren Derivaten Ubun-tu, Suse oder Mint Alternativen bei Betriebssystemen. Diese sind nicht nur kostenlos, son-dern werden demokratisch von allen Computerfreunden der Welt weiterentwickelt.Die Stadt München hat sich

zehn Jahre durchgekämpft, um ihre Computer von Windows zu befreien und auf LINUX umzu-stellen – in den meisten deut-schen Städten ist man noch weit davon entfernt. Aber es gibt Teilerfolge: So arbeitet die erfolgreichste Kommunalbiblio-thek Deutschlands, die Dresd-ner Stadtbücherei, ausschließ-lich mit LINUX. LINUX ist nicht nur kostenlos, sondern auch noch höchst demokratisch – Kommunen und Unternehmen, die sparen wollen und sich ge-gen die Diktatur von Konzernen stellen, sollten es als selbst-verständlich betrachten, auf LINUX umzusatteln. Eine lin-ke Medienakademie hätte die Hauptaufgabe, Interessenten und vor allen Dingen Mitarbeiter in Kommunen LINUX-fit zu ma-chen. Da wäre sogar ein Bünd-nis von LINKEN und Piraten denkbar. Nächste Schritte wä-ren ein europäisches Internet, dessen Daten nicht mehr über US-Knotenpunkte laufen, und die Einführung europäischer Sicherheitsstandards. Doch die Politik muss damit anfan-gen: „Alle Gemeinden, in denen die LINKE die Bürgermeisterin oder den Bürgermeister stellt, arbeiten daran, ihre Compute-rinfrastruktur auf LINUX umzu-stellen und führen kostenlose LINUX-Schulungen für die Be-völkerung durch“. Dies wäre ei-ne Meldung, mit der die Partei bei allen Wahlen dieses Jahres bundesweit punkten könnte – und sollte.Auf 30 Prozent der Computer weltweit ist Windows XP instal-liert – in Deutschland auf Geld-automaten und auf den PCs der Telekom. Und wieder einmal verschlafen Politiker die Chan-ce, sich zu profilieren und vor al-len Dingen etwas für die Wähle-rinnen und Wähler zu tun.Ralf Richter

Bild: Fédération Anarchiste / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0