Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute:...

25
Literatur und Arbeit deutsch-russische literarische Begegnung

Transcript of Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute:...

Page 1: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

Literatur und Arbeitdeutsch-russische literarische Begegnung

Page 2: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

2 3

ImpressumRedaktion: Maria Khavanova Martina Plum (V.i.S.d.P.)

Übersetzungen: Elizaveta Dushina Maria Khavanova Kathrin Lind

Layout: DWD GmbH

Fotonachweis: Titel und Umschlag, Martina Plum Die Bilder auf den Seiten 7 – 47 sind im Rahmen der Literatur-Begegnungen im Mai und September 2018 entstanden. Die Fotografen: Khavanova, Kashirina, Trelenberg, Hummelsheim, Ertmer, Dushiha, Lind und Malcher. Anmerkung zur gendergerechten Schreibweise: Im Interesse einer besseren Lesbarkeit wird nicht ausdrücklich in geschlechtsspezifischen Personenbezeichnungen differenziert. In den literarischen Beiträgen und im Interview wurde die Wahl der gendergerechten Schreibweise den Autoren überlassen.

Inhalt4 Editorial|MartinaPlum5 Отредакции|МартинаПлюм

6 ErichG.FritzüberdenWestfälisch-KaukasischenLiteraturkreis7 ЭрихГ.ФритцоВестфальско-Кавказскомлитературномкруге

9 NataliaKashirinaüberdieBedeutungdesProjektesfür StudentenundDozenten10 НатальяКаширинаозначениипроекта длястудентовипреподавателей

11 MariaKhavanova:DasProjektisttrotzderSprachbarrieregelungen!12 МарияХаванова:Проектудался несмотрянаязыковыебарьеры!

13 UnsereAutoren/ Нашиавторы

15 ThorstenTrelenberg

18 Anne-KathrinKoppetsch

23 DanielaGerlach

28 ThomasKade

30 ViacheslavShulzhenko

35 TatjanaSavchenko

39 Interview43 Интервью

In Kooperation:

Page 3: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

4 5

Editorial | Martina PlumDieses Heft war für mich eine Herausforderung. Ein unbedingtes Muss. Mittlerweile, so heißt es, haben Deutsche „was“ gegen Russen. Wie bitte?

Was das genau ist, bekommt man nicht raus. Deswegen wollte ich ein Zeichen setzen. Diese Publikation zeugt genau von dem Gegenteil.

Seit vielen Jahren - nicht nur in der Auslandsgesellschaft , aber auch und gerade hier – haben wir ein riesengroßes Interesse aneinander in verschiedenen Bereichen und mit vielen Begegnungen auf der zivilgesellschaftlichen Ebene erlebt, und dabei gemerkt, wie nahe wir uns sind. Und das nicht nur in der Literatur.

Ich freue mich ganz besonders, dass es uns gelungen ist, Literaten aus Russland und Deutschland in Dortmund und Pjatigorsk, zusammen zu bringen und das (literarisch) zu leben, was die russisch-deutsche Seele ausmacht. In den Lesungen, Vorträgen und Diskussionen stand in Dortmund das Thema Arbeit im Fokus. Unterscheidet sie sich in Deutschland und Russland, wo sind Ähnlichkeiten? Die Schriftsteller in Russland und Deutschland verbindet eins: Die Lebens- und Arbeitsbedingungen sind gleich. Kaum jemand kann von der kreativen, aber auch sehr anstrengenden Kunst leben. Hier wie dort kämpfen sie oft auf verlorenem Posten. Mit dem Schreiben Geld zu verdienen, das ist eine Utopie, die russisch genauso wie deutsch geträumt wird.

Barrieren auf Seiten der Sprachen haben bei den Begegnungen gar keine Rolle gespielt. Nicht nur die Musik, bei der es ums zuhören geht, sondern auch die Literatur, deren Aufmerksamkeit in diesen russisch-deutschen Literaturtagen auch aufs Zuhören fokussiert war, öffnet Tür und Tor über alle geografischen und kulturellen Grenzen hinweg.

Erich G. Fritz, Natalia Kashirina, Maria Khavanova und Tatjana Savchenko erläutern Ihnen den Verlauf unseres Projektes. Erst die Pflicht, dann die Kür? Nein, so ist es natürlich nicht. Aber auf die Literatur in diesem Heft können Sie sich ganz

От редакции | Мартина ПлюмЭтаброшюрабыладляменявызовом.Мыобязательнодолжныбылиеёвыпустить.Сейчас,какэточастоможнослышать,немцыимеют«что-то»противрусских.Что,простите?Чтоконкретно,никтонеможетсказать.Поэтомуябыхотелавнестиясность.Этапубликациясвидетельствуетобобратном.

На протяжении многих лет не только в Auslandsgesellschaft (рус. Зарубежноеобщество), но в том числе как раз-таки и здесь мы наблюдали огромныйинтерескдругдругувразличныхобластях,напримеремногихвстречнауровнегражданскогообществаизамечали,насколькомыблизкидругдругу.Инетольковобластилитературы.

Я особенно тому рада, что нам удалось собрать литераторов из Германии иРоссиивместевПятигорскеиДортмундеичерезпризмулитературыпоказатьто,чтохарактеризуетрусско-немецкуюдушу.Вцентречтений,докладовидискуссийвДортмундестоялатемаработы.РазличаетсялионавГерманиииРоссии,гдеестьсхожесть?ПисателейвРоссиииГерманиисвязываетодно:условияжизниитрудаодинаковы.Почтиниктонеможетпрожитьзасчеткреативного,новтожевремяоченьтрудногоремесла.Издесь,итамониведутбойбезнадеждынауспех.Зарабатыватьденьгиписательскойдеятельностью–этоутопия,окоторойвРоссиимечтаютточнотакже,какивГермании.

Барьерынеигралиникакойроливходевстреч.Нетолькомузыка, вкоторойречьидётовосприятиинаслух,ноилитература,чьёвниманиевэтироссийско-германскиелитературныеднитакжебылосфокусированонаслушании,открываетдорогусквозьгеографическиеикультурныеграницы.

ЭрихГ.Фритц,НатальяКаширина,МарияХавановаиТатьянаСавченкорасскажутВамвпервойчастиоразвитиинашегопроекта.Сначалаобязательнаяпрограмма,потомпроизвольная?Конечноженет.НомыдляВасподготовилиилитературнуючасть в этой брошюре. Даниэла Герлах, Томас Каде, Анне-Катрин Коппетч,ВячеславШульженкоиТорстенТреленбергделятсясвоимипроизведенияминатемуработы.Приэтомречьидётнетолькоогрубойиэнергозатратнойработе,ноиотрудетех,кточащевсегонезаметен.Всетекстымы,естественно,напечаталинадвухязыках.

Я желаю Вам интересного и возвышающего душу чтения. Давайте вместенаполнятьжизньювсёто,чтохарактеризуетнашусвязь.

Literatur und Arbeitdeutsch-russische literarische Begegnung

In Kooperation:

Car

l Spi

tzw

eg: D

er a

rme

Poet

, 183

9 (a

kg-im

ages

)

18. + 19. September 2018 in Dortmund

Weitere Infos: Maria Khavanova | Tel: 0231 838 00 58 | E-Mail: [email protected]

Vortrag und Podiumsdiskussion:

Welche Rolle spielt die Literaturin der deutschen undrussischen Gesellschaft heuteDienstag, 18. September 2018, 18:30 UhrAuslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund

Lesung:

Früher und heute:Arbeiterliteratur in Deutschlandund RusslandMittwoch, 19. September 2018, 18:00 UhrZeche Zollern, Grubenweg 5, Dortmund

Sprache: Deutsch und Russisch mit Übersetzung Sprache: Deutsch und Russisch mit Übersetzung

besonders freuen: Daniela Gerlach, Thomas Kade, Anne-Kathrin Koppetsch, Viacheslav Shulzhenko und Thorsten Trelenberg lassen Sie teilhaben an ihren Werken zum Thema Arbeit. Dabei geht es nicht nur um handfeste und zupackende Arbeit, sondern auch um die derjenigen, die man meist nicht sieht. Lassen Sie sich überraschen und lesen Sie rein. Selbstverständlich haben wir alle Texte zweisprachig gedruckt.

Ich wünsche Ihnen eine erbauliche und interessante Lektüre und lassen Sie uns gemeinsam das leben, was unsere Beziehung untereinander ausmacht.

Page 4: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

6 7

Erich G. Fritz über denWestfälisch-Kaukasischen LiteraturkreisWas verbindet Westfalen mit dem Kaukasus? Für die Antwort auf diese Fragen muss man weder ein Kenner der beiden wunderbaren Landschaften in Europa sein, noch jemals in beiden Gegenden gewesen sein. Es reicht völlig aus, zu sehen, wie Menschen aus dem Westfälischen und aus dem Kaukasus miteinander umgehen, um zu spüren und zu sehen – das Wesentliche ist die Freude der Begegnung und die Neugier. Kreative Menschen und ihre Neugier verbinden weit entfernte Landstrichte miteinander.

Die Idee wurde in einem Kreis von Schriftstellern in Dortmund geboren. Thorsten Trelenberg stiftete andere an mit der immer wieder zentralen Aufgabenstellung aus dem Ruhrgebiet: „Solln wa nich was machen?“ Trelenberg hatte von der Zusammenarbeit der Deutsch-Russischen Akademie Ruhr in der Auslandsgesellschaft mit der Stadt und Universität Pjatigorsk im (russischen) Nord-Kaukasus gehört und war sich sicher, dort muss es auch Autoren geben, mit denen man in Kontakt treten und gemeinsam „was machen“ könnte. Welt erfassen, schreiben, erzählen, schildern, Gefühle ausdrücken, Eindrücke verarbeiten und in Worte kleiden – all die schönen und manchmal doch mühsamen Tätigkeiten der Verwandlung von Wirklichkeit in Literatur kamen in Frage und noch viel mehr. Reimen, sprechen, vortragen, lesen, Fragen provozieren, Assoziationen anregen, Anstöße geben, auf neue Gedanken und Anregungen lauern; auf das alles konnte man gespannt sein, wenn man denn in eine völlig fremde Gegend aufbräche, unbekannte Menschen kennen lernte, die eigene Sprache in eine fremde Kultur stellte und bereit war, alles was geschähe anzunehmen und damit umzugehen.

Die ersten gemeinsamen Aktionen im Frühjahr 2018 in Pjatigorsk fanden schon auf der Basis gewachsenen Vertrauens statt: die Zusage aus Russland, in der dortigen Literatur-Zeitschrift Gedichte der deutschen Autoren in russischer Sprache zu publizieren, war eingehalten worden. Welch ein seltsames Gefühl, eigene Gedanken in einer Sprache und Schrift zu sehen, die man selbst nicht kennt. Bei dem Besuch von fünf westfälischen Autorinnen und Autoren in Pjatigorsk wurde dann zweisprachig gelesen, an unterschiedlichen Orten, in der Stadt, öffentlich und unter großer Aufmerksamkeit der russischen Besucher. Die Begegnungen, die nicht immer leichte Kommunikation, gemeinsames Essen und Trinken und der ganze Reichtum der Eindrücke, die dabei entstanden, wurden von den Autorinnen und Autoren auf der Website der Deutsch-Russischen Akademie Ruhr zum Ausdruck gebracht und können dort als Dokumente einer ersten Begegnung und Annäherung gelesen werden.

http://www.dra-ruhr.com/category/westfaelisch-kaukasischer-literaturkreis/

„Was haben wir gemeinsam, was es rechtfertigt, unsere Bekanntschaft zu einer dauerhaften Beziehung zu machen?“ Diese unausgesprochene Frage stand im Raum, als während des Gegenbesuches Schriftsteller aus dem Kaukasus nach Westfalen kamen. Hatten die Westfalen in Pjatigorsk unter anderem Lermontov kennen gelernt, saugten die russischen Besucher ein Stück westfälische Kultur und Literatur bei dem Besuch von Schloss Hülshoff in Havixbeck auf, als sie Annette von Droste-Hülshoff kennen lernten und im sonnendurchfluteten Schlosshof Gedichte der Westfälin vorgetragen bekamen. Selbstverständlich wurde in Schulen gelesen, wurden viele Gespräche geführt und gemeinsame Abende verbracht. Zwei öffentliche Veranstaltungen in der Zeche Zollern II/IV und in der Auslandsgesellschaft boten Anlass zu vertiefter Diskussion, auch über die Rolle der modernen Literatur in Deutschland

und Russland. Unterricht bei Schülern, die die russische Sprache lernen, Austausch über Arbeiterlitertur und Besuch des Fritz-Hüser-Institutes waren Teile des Programms. Die Literaturbüros der Region waren gerne und kompetent Gesprächspartner der Gäste. Ein Gespräch mit dem Bürgermeister von Schwerte – die Stadt ist Partnerstadt von Pjatigorsk - machte Hoffnung auf mehr Begegnung und Austausch in der Zukunft.

Nach einer Woche war die gemeinsame Zeit wieder zu Ende, herzliche Zeichen der Verbundenheit und Versprechen der zukünftigen Freundschaft und Zusammenarbeit wurden ausgetauscht und Pläne für das kommende Jahr gemacht. Jedenfalls entstand, sich dauernd verdichtend ein Kreis von schreibenden Menschen, die sich gerne und mit wachsender innerer Beteiligung Westfälisch-Kaukasischer Literaturkreis nennen kann. Was daraus noch wird, ist die spannende und vorerst unbeantwortete Frage.

Danke an alle, die mitgemacht und dafür gearbeitet haben.

Erich G. Fritz, Vizepräsident der Auslandsgesellschaft.de

Эрих Г. Фритц о Вестфальско-Кавказском литературном кругеЭрих Г. Фритц, вице-президент организации Auslandsgesellschaft (рус.:

Зарубежное общество)

Что связываетВестфалиюиКавказ?Для того, чтобыответить на этот вопрос,ненадобытьзнатокомэтихдвухпрекрасныхландшафтовЕвропыилипобыватьтам.Достаточно видеть, как люди изВестфалии и с Кавказа общаются друг сдругом,чтобыпочувствовать,чтосамоесущественное–эторадостьотобщенияилюбознательность.Творческиелюдииихлюбознательностьобъединяютдалекодруготдругарасположенныетерритории.

ИдеяродиласьвкругуписателейвДортмунде.ТорстенТреленбергподстрекалдругихсцентральнойпостановкойзадачи,втойформулировке,каконаобычнозвучитвРурскойобласти:«Анесделатьлинамчто-нибудь?».ТреленбергуслышалосотрудничествеГермано-РоссийскойАкадемииРурприAuslandsgesellschaftсуниверситетомг.Пятигорск,которыйрасположеннаСеверномКавказеРоссии,

Page 5: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

9 8

и был уверен, что там найдутся авторы, с которыми можно было бы наладитьконтактисовместо«сделатьчто-нибудь».Осмыслитьмир,писать,рассказывать,описывать,выражатьчувства,перерабатыватьвпечатленияиоблекатьихвслова–всеэтипрекрасныеипоройтрудныепроцессыпревращениядействительностивлитературуимногоедругоеподвергалосьобсуждению.Рифмовать,говорить,декламировать, читать, провоцировать вопросы, вызывать ассоциации, даватьимпульсы,дожидатьсяновыхидейиинициатив;всёэтоможнобылопредвкушать,когдаотправляешьсявсовершеннонеизвестнуюместность,знакомишьсясранеенеизвестными тебе людьми, приносишь собственный язык в чужую культуру иготовпринятьисправитьсясовсем,чтопроизойдет.

Первые совместные акции весной 2018 г. прошли уже на почве возросшеговзаимногодоверия:обещаниероссийскойстороныопубликоватьстихинемецкихавторовврусскомпереводевместномлитературномжурналебыловыполнено.Какоежестранноечувство–видетьсобственныемысли,написанныминезнакомымтебеязыкомишрифтом.ВходевизитапятивестфальскихавтороввПятигорскбыло организовано чтение стихов на двух языках, которое прошло в разныхместах города, в присутствии общественности и привлекло большое вниманиерусскойпублики.Встречи,невсегдапростаякоммуникация,совместныезастольяивсёбогатствовпечатлений,которыеотэтогобылиполучены,авторывыразиливсвоихотзывахнасайтеГермано-РоссийскойАкадемииРур,тамВыможетенайтиихвкачествесвидетельствпервойвстречиисближения.

http://www.dra-ruhr.com/category/westfaelisch-kaukasischer-literaturkreis/

«Что между нами есть общего, что бы оправдывало превращение нашегознакомствавдолгосрочныеотношения?»Этотнепроизнесённыйвопросвозник,когда в ходе ответного визита писатели с Кавказа прибыли в Вестфалию. ВПятигорске вестфальцы познакомились среди прочего с Лермонтовым. ГостиизРоссиижевходеэкскурсиивкрепостьХюльсхоффвХавиксбекевпиталивсебячастьвестфальскойкультуры,послетогокаконипознакомилисьсАннеттойфон Дросте-Хюльсхофф и на залитом солнцем дворе крепости прослушалистихиэтойвестфальскойпоэтессы.Естественноившколахбылиорганизованычтения, много бесед и совместных вечеров было проведено. Два публичныхмероприятиянашахтеЦоллернII/IVивAuslandsgesellschaftпослужилиповодомдляуглублённойдискуссии,вт.ч.иоролисовременнойлитературывГерманиииРоссии.Урокившколах,гдепреподаётсярусский,обменмнениямио«рабочей»литературе и визит в Институт им. Фритца Хюзера также вошли в программу.Литературные бюро региона были компетентыми собеседниками для гостей.РазговорсбургомистромШверте–этотгородявляетсяпобратимомПятигорска–даётнадеждунаболеечастоеобщениеиобменвбудущем.

По завершении недели совместное времяпрепровождение подошло к концу,участники встречи выразили друг другу сердечные чувства и сплочённость,пообещали в будущем дружить и сотрудничать и обменялись планами напредстоящийгод.Влюбомслучаесложилсяпостояннорастущийкругпишущихлюдей, которыйс удовольствиемивозрастающимвнутреннимучастиемможетназватьсебяВестфальско-Кавказскимлитературнымкругом.Чтоизэтогоещёвозникнет,этоинтересныйвопрос,ответанакоторыйпоканет.Спасибовсем,ктоучаствоваливнёссвойвклад.

Erich Fritz liest Gedichte von Annette von Droste-HülshoffЭрихФритцчитаетстихиАннеттыфонДросте

Хюльсхофф.

Natalia Kashirina über die Bedeutung des Projektes für Studenten und DozentenNatalia Kashirina, Dozentin für deutsche Sprache, Koordinatorin des Projektes von der russischen Seite.

Ich bin kein Dichter und auch kein Schriftsteller, sondern einfach ein Lehrer, der verliebt in die deutsche Sprache ist! Und eben aus diesem Grund ist dieses Projekt für mich von großer Bedeutung. In erster Linie ist es für mich eine Möglichkeit, die eigene Sprachkompetenz zu verbessern und beruflich zu wachsen. Außerdem ist dies eine Möglichkeit, Studierende in unsere Aktivitäten zu involvieren, mit dem Ziel, auch ihre professionellen Kompetenzen zu verbessern und sie zu einem noch tieferen Erforschen der deutschen Literatur zu stimulieren. Die erste Phase des Projektes fand im Mai des laufenden Jahres statt: Ein Festival der Straßenpoesie, ein Runder Tisch zum Thema „Die heutige Literatur Russlands und Deutschlands“. Ich bin mir sicher, dass solche Veranstaltungen zum Aufbau von Freundschaftsbeziehungen zwischen den Menschen in verschiedenen Ländern beitragen, uns helfen, durch die literarischen Werke verschiedener Autoren, die Mentalität anderer Völker zu verstehen und toleranter zu einander zu sein, was in der heutigen, nicht immer einfachen Zeit, sehr wichtig ist. Die Studierenden der Pjatigorsker Universität übersetzten mit Vergnügen und Enthusiasmus literarische Werke, arbeiteten als Dolmetscher und sogar als Stadtführer. Ich entdeckte viele neue Freunde und interessante Ideen für meinen weiteren Deutschunterricht. Ich möchte daran glauben, dass sich das Projekt weiterentwickeln und - erweitern wird und den Teilnehmenden am Prozess noch viele neue Früchte und Ergebnisse bringt.

Page 6: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

10 11

Наталья Каширина о значении проекта для студентов и преподавателейНаталья Каширина, преподаватель немецкого языка, координатор проекта

с российской стороны.

Янепоэтинеписатель,япростопреподаватель,влюбленныйвнемецкийязык!Иименнопоэтомуданныйпроектимеетдляменяособуюважность.И,впервуюочередь,этовозможностьсовершенствованиясобственнойязыковойкомпетенции,роставпрофессиональномплане.Такжеэтовозможностьвовлечениястудентоввдеятельностьсцельюусовершенствованияихпрофессиональныхкомпетенций,стимулированиякещеболееглубокомуизучениюнемецкойлитературы.Перваяфазапроектапрошлавмаетекущегогода:Фестивальуличнойпоэзии,круглыйстол на тему «Современная литература России и Германии». Я уверена, чтоподобные мероприятия способствуют налаживанию дружеских отношениймежду людьми из разных стран, помогают нам через произведения разныхавторовлучшепониматьменталитетдругихнародов,бытьболеетолерантнымидругкдругу,аэтооченьважновсегодняшнееневсегдалегкоевремя!Студентыуниверситета (Пятигорский государственный университет) с удовольствием иэнтузиазмом переводили литературные произведения, участвовали в устныхпереводах, выполняли роль экскурсоводов. Я приобрела много новых друзей,идейдлямоегодальнейшегопреподаваниянемецкогоязыка.Хочетсянадеяться,чтопроектпродолжитразвиваться,расширятьсяипринесетмногомногоновыхплодовирезультатовдлявсехучастниковпроцесса!

Maria Khavanova: Das Projekt ist trotz der Sprachbarriere gelungen!Maria Khavanova, Koordinatorin des Projektes von der deutschen Seite

Ursprünglich war das Ziel der Deutsch-Russischen Akademie Ruhr eine Plattform für den Austausch zwischen den Menschen zu gründen, die zwischen Deutschland und Russland arbeiten und leben. Journalisten, Studenten, Politiker, Beamten waren schon bei uns im Projekt zu Gast. Ich hätte mir aber nicht vorstellen können, dass wir eine literarische Brücke zwischen den beiden Ländern schlagen können. Zuerst dachte ich: um über die Literatur sprechen zu können, muss man die Sprache, in der diese Literatur geschaffen wurde, sehr gut beherrschen. Sonst kann man alle Feinheiten eines literarischen Werkes nicht verstehen. Keiner von den deutschen Projektteilnehmern beherrscht Russisch sowie auch die russischen Literaten kein Deutsch sprechen. Im Laufe des Projektes stellten wir aber fest, dass der literarische Austausch trotz den geographischen und sprachlichen Grenzen möglich ist!

Zum wiederholten Male sehe ich, dass die deutsche und russische Kultur viel mehr Gemeinsames haben, als man es auf den ersten Blick sehen würde. In den Gesprächen mit den Literaten haben wir oft gemeinsame Wurzeln unserer Kulturen in der Mythologie, Religion, in der Tradition der europäischen Aufklärung und Philosophie gefunden.

Russland ist meine Heimat und es macht mich traurig, wenn Menschen im Ausland misstrauisch, ablehnend auf Russland schauen oder Hass Russland gegenüber verspüren. Andersrum freue ich mich jedes Mal, wenn die deutschen Freunde positive Seite Russlands kennenlernen. Ich denke, einige von den deutschen Autoren sind mit einem großen Neugier aber auch einer Skepsis nach Pjatigorsk geflogen: wie wird man sie in einem fremden, unbekannten Land empfangen? Alle sind mit positiven Gefühlen zurückgekehrt und haben möglicherweise ihre Meinung über Russland zum Positiven geändert.

Ich bin den deutschen Schriftsteller dafür dankbar, dass sie Mut hatten nach Pjatigorsk zu fliegen (für alle war das die erste Reise nach Russland). Den russischen Projektteilnehmern danke ich dafür, dass sie sich so viel Mühe gegeben haben, um den deutschen Kollegen russische Literatur und Sprache näher zu bringen.

Natalia Kashirina und Margarita Morozova übersetzen Gedichte von Thorsten Trelenberg auf dem Festival der Straßenpoesie in Pjatigorsk

НатальяКаширинаиМаргаритаМорозовапереводятстихиТорстенаТреленберганафестивалеуличнойпоэзиивПятигорске

Page 7: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

12 13

Мария Хаванова: Проект удался несмотря на языковые барьеры!Мария Хаванова, координатор проекта с российской стороны

Первоначально задачей проекта «Германо-Российская Академия Рур» былосозданиеплощадкидляобщениямеждутемилюдьми,которыеживут,работаютмеждуГерманиейиРоссией.Нашимисобеседникамистановилисьжурналисты,студенты, политики, чиновники, но я бы никогда не подумала, что нам удастсяналадитьлитературныесвязимеждудвумястранами.Поначалуядумала,чтодлятого, чтобыразговариватьо литературе, нужноочень хорошовладеть языком,на котором литература создаётся. Ведь иначе нельзя понять всех тонкостейлитературного произведения. Но никто из немецких участников проекта невладеет русским, так же как и российские литераторы не знают немецкого.Однаковпроцессеработынадпроектомвыяснилось, чтолитературныйобменможетсуществоватьнесмотрянагеографическиеиязыковыеграницы!

В который раз убеждаюсь, что немецкая и русская культура имеют гораздобольше общего, чем кажется на первый взгляд. В беседах с литераторамимычастонаходилиобщиекорнивмифологии,религии, в традицияхевропейскогопросвещенияифилософии.

МоейродинойявляетсяРоссия,имнегрустно,когдазаграницейкРоссииотносятсяснастороженностью,неприятиемилиненавистью.Сдругойстороны,ярадуюськаждыйраз, когда кто-то из немецких друзей узнаетРоссиюс положительнойстороны.Ядумаю,чтонекоторыеизнемецкихавторовотправлялисьвПятигорскс любопыством, но в тоже время с некоторой долей скепсиса: как их примутв чужой, непонятной стране? Все вернулись с положительными эмоциями, ивозможно,изменилисвоемнениеоРоссиииолюдяхвлучшуюсторону.

Я благодарна немецким писателям за их смелость, за то что решилисьотправитьсявПятигорск (длявсехэтобылаперваяпоездкавРоссию).Нашимроссийским участникам я благодарна за то, что приложили так много усилий,чтобыпознакомитьнемцевсрусскойлитературойиязыком.

V.l.n.r.: Patricia Malcher, Anne-Kathrin Koppetsch, Daniela Gerlach, Christiane Bogenstahl, Thorsten Trelenberg und die Projektkoordinatorin Natalia Kashirina

Cлева направо:ПатрисияМальхер,Анне-КатринКоппетч,ДаниэлаГерлах,КристианеБогеншталь,ТорстенТреленбергикоординаторпроектаНатальяКаширина

Unsere Autoren / Наши авторыDelegation der Schriftsteller, die im Mai nach Pjatigorsk gereist sind

Page 8: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

14 15

Tatjana Savchenko

Claudia Hummelsheim

Viacheslav Shulzhenko

Thomas KadeCornelia Ertmer

Thorsten TrelenbergThorsten Trelenberg, Vorstandsmitglied im Verband Deutscher Schriftsteller (VS.Verdi), Vorstandsmitglied in der Fritz Hüser Gesellschaft, Flusspoet, Kinderbuchautor, Zeitmillionär und dem primären Impuls nach Lyriker, lebt als mehr oder weniger freier Schriftsteller in der Dorfstadt Schwerte, auch bekannt als Das Tal der Ahnungslosen des Ruhrgebiets, wo er weder Land, noch eine Quelle besitzt. Er ist mit Kurzgeschichten und Gedichten in zahlreichen Anthologien vertreten und veröffentlichte bis heute 23 Gedichtbände, 25 Kinderbilderbücher (darunter Übersetzungen ins Englische, Französische, Holländische, Portugiesische, Türkische, Schwedische und Letzeburgische), sowie 5 CDs mit vertonten Texten. 2012: Alfred Müller-Felsenburg-Preis für aufrechte Literatur.

Торстен Треленберг,членправленияобществанемецкихписателей(ВС.Верди),член правления обществаФритцаХюзера, «речной поэт», автордетских книг,«миллионер времени» и, в первую очередь – лирик.Живет под видом более-менеесвободногописателявсельскомгородеШверте,известномтакжекак«ДолинанаивныхРурскойобласти»,неимея,каконсамзамечает,никола,нидвора.Помимокороткихрассказовистихов,опубликованныхвомногочисленныхантологиях,ониздалдосегодняшнегодня23сборникастихови25детскихкниг(втомчислепереводынаанглийский,французкий,голландский,португальский,

турецкий, шведский илюксембургский язык), а также 5 дисков с записаннымипод музыку стихами. В 2012году получил призАльфредаМюллера-Фельзенбурга за«честную и правильную»литературу.

Autorinnen und Autoren, die uns besonders unterstützt haben

Russische Literaten

Page 9: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

16 17

Heimatscholle

Wir waren Sklaven Gut bezahlte SklavenMit all unserem MenschenLeid

Unter verklärter HeimatScholle

Wir waren VagabundenZogen durch dunkle SchächteUnd schlugen der Erde faltiges GewandUnter verklärter HeimatScholle

Wir waren Seelen Verlorene die mit Schlägel und Eisen den TodVerleumdeten

Unter verklärter HeimatScholle

Клочок родной земли

МыбылирабамиХорошооплачиваемымирабамиСовсеминашимичеловеческимиГорестями

ПодблаженнымроднымКлочкомземли

МыбылибродягамиСкиталисьпотёмнымшахтамУдаряяпоскладкамЧёрнойрясыземли

ПодблаженнымроднымКлочкомземли

МыбылидушамиПотеряннымикоторыемолотомИжелезомОклеветалисмерть

ПодблаженнымроднымКлочкомземли

Thorsten Trelenberg liest seine Bergbau-Gedichte in der Zeche Zollern.Übersetzung ins Russische: Maria KhavanovaТорстенТреленбергчитаетстихиогорнойпромышленностинашахтеЦоллерн.Переводнарусский:МарияХаванова

Hauers Leid

Auch unterTage drücktMein Schulden Turm

Das treibtMich tiefer In die Erde

Tag für Tag

Treibt mich tieferIn die Schulden

Tag für Tag

Wie in TranceVergeht die Zeit

Zwischen KohleUnd Kohle

Страдания забойщика

ИподземлёйДавитнаменяДолговмоихГора

ЧтотянетменяВсеглубжеПодземлю

Деньзаднём

УтягиваетменяВдолговуюяму

Деньзаднём

КакбудтовтрансеУтекаетвремя

МеждууглёмИденьгами

V.l.n.r.: Norbert Fendler, Elizaveta Dushina, Kathrin Lind, Roman und Tatjana Savchenko, Vladimir Shatakishvili, Cornelia Ertmer, Natalia Kashirina; Zeche Zollern II/IVCлева направо: Норберт Фендлер, Елизавета Душина, Катрин Линд, Роман и Татьяна Савченко,ВладимирШатакишвили,КорнелияЭртмер,НатальяКаширина;ШахтаЦоллернII/IV

Page 10: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

19 18

Anne-Kathrin KoppetschAnne-Kathrin Koppetsch, geboren 1963 in Werdohl / Sauerland; Lehr - und Wanderjahre mit Stationen u.a. in Münster, Tübingen, Jerusalem und Berlin. Seit dem Jahr 2000 in Dortmund; im Hauptberuf Pfarrerin, derzeit in der Evangelischen Miriam-Kirchengemeinde in Dortmund. Veröffentlichungen u.a. die Krimi-Trilogie um die Pastorin Martha Gerlach, die in den 1960er Jahren in Dortmund spielt. Außerdem Sachbuchveröffentlichungen und Veröffentlichungen in Sammelbänden, u.a. mit lyrischen Beiträgen.

Анне-Катрин Коппетч родилась в 1963 году в Вердоле, в Зауерланде. ГодыобразованияистранствийпровелавМюнстере,Тюбингене,ИерусалимеиБерлине.С 2000 года живет в Дортмунде, на данный момент работает священником впротестантскойцерковнойобщинеСв.Мириам.Однаизпубликаций-детективнаятрилогияосвященницеМартеГерлах,имеющаяместовДортмунде1960-хгодов.Крометого,публикуетсявизданияхдокументальнойпрозыивантологиях,втомчислеслирическимипроизведениями.

Abschnitte aus dem Roman „Tod im Stahlwerk“

„Halt! Wo wollen Sie hin? Haben Sie einen Passierschein?“, rief mir der Pförtner zu.„Braucht man so etwas?“ Ich war davon ausgegangen, dass der Zutritt zum Gelände des Stahlwerks an der Rheinischen Straße frei war. Hatte ich hier nicht schon Dutzende von Menschen ein und aus gehen sehen?„Selbstverständlich brauchen Sie einen Passierschein.“ Er ließ die Hosenträger schnalzen, die über das ehemals weiße Hemd gespannt waren. Sein Sakko hing über der Stuhllehne.„Welche Namen darf ich eintragen?“„Martha Gerlach.“„Zu wem wollen Sie?“„Zu Herrn Stankow“, sagte ich auf gut Glück. „Dem Betriebsrat. Ist er im Haus?“ Meines Wissens arbeitete Stankow auf der Stahlhütte und nicht auf der Westfalenhütte im Norden. Im Norden die Horden, schloss er mich durch den Kopf. Nach einer schlaflosen Nacht wollte ich mir Gewissheit verschaffen. War Freddy das Opfer? Und falls es so war, wusste der Vater bereits davon?„Mal sehen.“Ich betrachtete die Anzeigetafel am Werkstor. Der Konzern stellte ein. Hoesch suchte Betriebsschlosser, Fräser, Walzwerksarbeiter, Former, Radio- und Fernsehmechaniker, Rangierer, Hochofenarbeiter.Die Stahlbranche schien zu florieren.Während der Pförtner noch in seinem Telefonbuch blätterte, hielt ein Streifenwagen vor der Schranke.Zwei Männer in Uniform sprangen heraus. „Tach!“, sagte der größere der beiden. „Hat Meldung über einen Unfall hier gegeben!“Der Pförtner hob den Hörer an sein Ohr. Sein Ärmel rutschte bis zum Ellbogen hinauf.„Kommt gleich jemand“, sagte er, nachdem er wieder aufgelegt hatte.Als ein Herr im grauen Anzug die Polizisten abholte, schlüpfte ich mit hinein.

„He!“, rief der Pförtner mir nach.Doch ich folgte dem Grauen.Erst beim Eintritt in das Verwaltungsgebäude bemerkte er mich. „Wer sind Sie denn?“„Gestatten, Gerlach. Pastorin Gerlach“, gab ich Auskunft.„Eine Pastorin?“, wunderte er sich. „Gibt es auch Frauen, die dieses Amt bekleiden? Was wollen Sie hier?“„Ich habe eine Frage: Der Junge, der gestern überfahren wurde, war das Freddy Stankow?“Die Miene des Grauen blieb undurchdringlich. „Darüber darf ich keine Auskunft geben.“ Unter dem Lichtschacht bemerkte ich dunkle Ringe unter seinen Augen.„Hören Sie! Er war in meiner Gemeinde. Ich habe den Jungen konfirmiert! Ich…“„Schon gut. Es war Friedrich Stankow. Der Sohn vom Betriebsrat.“Nun hatte ich Gewissheit. Bittere Gewissheit.„Befindet sich der Vater im Haus?“, fragte ich mit brüchiger Stimme.„Dritter Stock, links den Gang hinunter!“Mit zitternden Knien stieg ich langsam die breiten Treppen hinauf. Unterwegs hielt ich am Holzgeländer fest und atmete tief durch.Es roch nach Bohnenwachs.

Wir fuhren an riesigen Hallen vorbei und überquerten Eisenbahnschienen, begleitet vom Lärm der Walzstraße und kräftigen Gerüchen nach Staub, Stahl und Rost. Gewaltige Stahlkonstruktionen überragten die Gebäude, überall rollten Kräne. Längst schon hatte ich den Überblick verloren. Das Werksgelände bildete eine Stadt für sich. Lkws und Tieflader bretterten geräuschvoll über die Straßen, die von Gleisen gequert wurden. Die Bahnübergänge waren nicht gesichert, doch der Lokführer hupte, sobald der Güterzug die Straße kreuzte.

In der Kantine hörte man die Maschinengeräusche nur noch gedämpft, doch auch hier war es laut. Tiefe Männerstimmen schwirrten durch den Raum, Besteck klapperte auf Geschirr. Arbeiter saßen an Holztischen und aßen von ihren Tellern. Einige wenige wickelten Stullen aus Butterbrotpapier. Vereinzelt sah ich Henkelmänner, aus denen die Arbeiter Mitgebrachtes verzehrten. Gerücht nach Kohl und Fleisch mischten sich mir Rauchschwaden. Bei näherem Hinsehen entdeckte ich obszöne Schnitzereien auf den Möbeln. Ich fühlte mich fehl am Platz. Die einzigen Frauen, die ich ausmachen konnte, trugen blaue Kittel und luden an der Ausgabe Essen auf Teller. Mich beachtete niemand. Luschinski steuerte auf eine der Gruppen zu, klopfte jovial auf kräftige Schultern und ließ sich schließlich nieder. Ich stand da wie bestellt und nicht abgeholt.Gerade, als ich gehen wollte, berührte mich jemand am Arm. Ich sah in das Gesicht von Betriebsrat Stankow, begleitet von einem anderen Mann, beide im Blauzeug.„Kann ich helfen?“„Ich habe nach Ihnen Ausschau gehalten!“Der andere stieß einen anzüglichen Pfiff aus. „Hört, hört! ‘ne hübsche junge Dame hat nach dir geschaut! Na, Fritz?“

„Stören Sie sich nicht daran“, befand Stankow. „Gehen wir in mein Büro!“Dieses Mal ließen wir die Waschkaue links liegen, Stankow betrat das Verwaltungsgebäude im Blauzeug. In seinem Büro bot er mir den Besucherstuhl an und entschuldigte sich einen Moment.

Page 11: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

21 20

Смерть на сталелитейном заводе

-Стойте!Выкуда?УВасестьпропуск?-окликнулменявахтер.-Аонмненужен?Яисходилаизтого,чтовходкучасткусталелитейногозаводанаРейнскойулицебыл беспрепятственный. Разве я не видела здесь множество людей, ходящихтуда-сюда?-Естественно,Вампонадобитсяпропуск.-Онприщёлкнулподтяжками,которыебылинатянутынанекогдабелуюрубашку.Егопиджаквиселнаспинкестула.-Какоеимямнезанести?-МартаГерлах.-КкомуВыхотите?-КШтанкову,-сказалаянаугад-Председателюсовета.Оннаместе?Насколькоязнала,Штанковработалнасталелитейномзаводе,аненавестфальскомметаллургическом заводе на севере. Банды на севере, промелькнуло у меня вголове.Послебессоннойночияхотелаудостовериться.БыллиФреддижертвой?Ивтомслучае,еслиэтобылотак,зналлиобэтомотец?-Сейчаспосмотрим.

Я рассматривала информационную доску на заводских воротах. Концернпринималнаработу.Хёшискалзаводскихслесарей,фрезеровщиков,работниковпрокатного цеха, литейщиков, радио- и телевизионныхмехаников,маневровыебригады,работниковнадоменнойпечи.Сталелитейнаяпромышленность,казалось,процветала.

Anne-Kathrin Koppetsch liest aus ihrem Kriminalroman „Tod im Stahlwerk“ vor. Übersetzung ins Russische: Elizaveta Dushina.Анне-КатринКоппетччитаетотрывкиизсвоегодетективногоромана«Смертьнасталелитейномзаводе».Переводнарусский:ЕлизаветаДушина.

Покавахтерлисталсвоютелефоннуюкнигу,ушлагбаумаостановиласьпатрульнаямашина.Выпрыгнулидвоемужчинвуниформе.- Здрасьте! - сказал тот, который был выше. - Было сообщение о несчастномслучае.Вахтерподнялтрубкуксвоемууху.Егорукавсполздолоктя.-Сейчаскто-топридет,-сказалон,послетого,какположилтрубку.Когдаполицейскихзабралмужчинавсеромкостюме,яюркнулавместесними.-Эй!-крикнулмневдогонкувахтер.Нояпоследовалазасерым.Лишьпривходевадминистративноезданиеонменязаметил.-АВыкто?-Позвольтепредставиться,Герлах.ПасторшаГерлах.-ответилая.-Пасторша?-изумилсяон-Естьиженщины,которыезанимаютэтудолжность?ЧтоВамздесьнужно?-Уменяодинвопрос:Мальчик,котороговчеразадавили,былФреддиШтанков?Выражениелицасерогоосталосьнепроницаемым.-Обэтоммненельзяраспостраняться.Подсветовойшахтойязаметилатёмныекругиподегоглазами.-Послушайте!Онбылвмоейобщине!Япроводилаегоконфирмацию!Я...-Нухорошо.ЭтобылФридрихШтанков.Сынпредседателясовета.Теперьяудостоверилась.Удостовериласьвгорькойдействительности.-Отецздесь?-спросилаяломающимсяголосом.-Второйэтаж,налевопокоридору.Сдрожьюв коленяхямедленноподняласьпоширокойлестнице.Подороге ядержаласьзадеревянныеперилаиглубокодышала.Пахлополировочнымвоском.

Мыпроезжалимимо гигантскихангарови пересекалижелезнодорожныепути,сопровождаемыешумом прокатного стана и крепкими запахами пыли, cтали иржавчины.Огромныестальныеконструкциивозвышалисьнадзданиями,повсюдукатилисьгрузоподъёмныекраны.Яужедавнопотерялаориентацию.Территориязавода образовывала целый город. Грузовики и низкорамные тяжеловозышумно мчались по улицам, пересекающимся с железнодорожными путями.Железнодорожные переезды не были ограждены, но машинист сигналил, кактолькотоварныйпоездпересекалулицу.

Встоловойшуммашинбылприглушен,ноиздесьбылогромко.Низкиемужскиеголосапроносилисьпозалу,столовыеприборыдребезжалинапосуде.Рабочиесидели за деревянными столами и ели из своих тарелок. Некоторые немногиеразворачивалибутербродыизобёрточнойбумаги.Местамияувиделабидончики,изкоторыхрабочиеелипринесённоессобой.Запахикапустыимясасмешивалисьсклубамидыма.Присмотревшись,язаметиланепристойнуюрезьбунамебели.Я почувствовала себя не в своей тарелке. Те немногие женщины, которых ясмоглараспознать,носилисиниехалатыинагружалинавыдачеедувтарелки.Меняниктоне замечал.Лушинскидвинулсяпонаправлениюкоднойиз групп,приветливопохлопалпокрепкимплечамивконце-концовсел.Яосталасьстоятьсрастеряннымвидом.

Page 12: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

22 23

Im Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt, Dortmund (v.l.n.r. Tatjana Savchenko, Thorsten Trelenberg, Iuditha Balint, Elizaveta Dushina)ВИнститутелитературыикультурысферытруда,Дортмунд(слеванаправо:ТатьянаСавченко,ТорстенТреленберг,ЮдитаБалинт,ЕлизаветаДушина)

Какраз,когдаяхотелауйти,кто-тодотронулсядомоейруки.ЯпосмотрелавлицопредседателясоветаШтанкова,сопровождаемогодругиммужчиной,обавсинихрабочихспецовках.-Ямогупомочь?-ЯВасразыскивала!Другойиздалдвусмысленныйсвист.-Послушайте,послушайте!Привлекательная,молодаядевушкатебяразыскивала.Кактебе,Фритц?-Необращайтевнимания,-решительносказалШтанков.-Пройдемтевмоебюро.В этот раз мы оставили кабины для переодевания с левой стороны,Штанковвошёлвадминистративноезданиевсинейрабочейспецовке.Всвоембюроонпредложилмнегостевойстулипопросилподождалегоминуту.

Veröffentlichungen:

2013 „Revierkönige“, ein Roman vor dem Hintergrund der 80er Jahre im Ruhrgebiet,

2014 unter dem Pseudonym Carmen Lange (zusammen mit Lisa Hartmann) eine journalistische Arbeit zum Thema Ehe-Partnerschaft unter dem Titel „Miteinander – Auseinander“,

2015 zwei Geschichten im „Best of Wort-Café 2013-14“,

2015 Roman „Was das Meer nicht will“ im Verlag Stories&Friends, Mitarbeit bei Projekten der Dortmunder AutorInnengruppe „LiteraturRaumDortmundRuhr“: 2017 - „Die lynchen uns“, 2018 - „Glücksorte Dortmund“.

Публикации:

2013 «Королиокруга»,роман,написанныйнафонесобытий80-хгодовв Рурскойобласти,

2014 журналистскаяработанатемусупружестваподзаголовком«Сдруг другом–врозь»,подпсевдонимомКарменЛанге(cовместносЛизой Хартманн),

2015 двеисториив«BestofWort-Café2013-14» (рус.«Лучшееизсловестногокафе2013-14»),

2015 Роман„WasdasMeernichtwill“(рус.«Чегоморенехочет») виздательствеStories&Friends,Сотрудничетсвовпроектах дортмундскойавторскойгруппы„LiteraturRaumDortmundRuhr“: 2017–«Онилинчуютнас»,2018–«МестасчастьявДортмунде».

Daniela GerlachDaniela Gerlach, geboren 1962 in Dortmund. Studium der Neueren deutschen Literatur, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft an der LMU München. Viele Jahre als freie Journalistin, Werbetexterin und Ghostwriter. Pendelt zwischen Spanien und Ruhrgebiet.

Даниэла Герлахродиласьв1962г.вДортмунде.Изучалановейшуюнемецкуюлитературу,историюискусствитеатроведениевУниверситетеим.ЛюдвигаМаксимилианавМюнхене.Работаламногиегодывкачествевнештатногожурналиста,копирайтера,атакжеписаларазличныетекстыназаказ.ЖиветмеждуИспаниейиРурскойобластью.

Page 13: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

24 25

Was habe ich heute gemacht?

Meistens wacht sie vor dem Weckerklingeln auf. Sie hört seinen Atem, Tiefschlafatem, dann ihre Gedanken. Viertel vor sieben, fast gleichzeitig das Stöhnen eines Menschen, der einen schweren Tag vor sich hat. Drei Stunden Mathematik, zwei Stunden Englisch, aufsässige Schüler, nervige Kollegen, draußen ist es kalt, leichte Magenschmerzen. Sie spürt es, sieht es, als wäre sie er, sie ist immer dabei. Heute ist Montag, oder Dienstag. Sie steht auf, zieht den Bademantel über, geht in die Küche, setzt Wasser auf, dann ins Bad, und hier unter dem zögerlichen Licht der Sparbirnen Müdigkeit.

Er gießt heißes Wasser in seine Tasse. „Ich weiß nicht, wie viel Kaffee du nimmst“, sagt er. In den letzten zehn Jahren hat sie diesen Satz oft gehört. Manchmal klingt er wie eine Entschuldigung, manchmal wie eine Rechtfertigung. Er muss zur Arbeit, ein Ort irgendwo da draußen, nicht hier, wo er sein möchte. Sie überlegt, was sie heute Mittag essen sollen. In Gedanken geht sie den Inhalt des Kühlschranks durch. Ganz wichtig: beim Stromanbieter anrufen. Bei der Nachbarin Blumen gießen. Man könnte schon mal eine Wäsche waschen. Sie lässt ihre halb volle Tasse zurück.

Sie holt den Korb aus dem Waschraum eine Etage tiefer. Oben im Schlafzimmer die Wäsche sortieren, das Dunkle und das Helle, er gibt ihr einen Kuss auf die Wange. „Denk dran, dass ich noch die Besprechung habe, bin erst gegen drei zurück.“ Viele Stunden, denkt sie und freut sich ein bisschen. Sie bewegt sich schneller. Sie weiß stets, was sie als nächstes tun muss. Die Wäsche ist drin, die Trommel dreht sich, acht Uhr. Viel Zeit. Dusche.

Jetzt aber den Kamin anmachen, es ist kalt im Haus. Kamineinsatz säubern, die Asche ins Blumenbeet, Terrasse mal kehren, Holz mitnehmen. Ihre Hände sind eiskalt, die Streichhölzer zerbrechen zwischen ihren starren Fingern, das erste Flämmchen, zurückhaltend, fast traurig, man muss kontrollieren, ob der Rauch abzieht. Minuten vergehen im Viertelstunden-Takt, zehn nach neun, das kann nicht sein. Die Flamme züngelt, die Trommel dreht, eben noch die Tassen auswaschen, auch den Wasserkrug für das gefilterte Wasser mit Essig spülen, was wollte ich heute kochen? Sie hat ja noch Zeit. Vielleicht auch ein bisschen für sich, wie früher, als sie allein lebte und noch arbeitete.

Am Telefon wartet sie, die Stromrechnung mit den angestrichenen Daten vor sich. Wie soll sie es sagen? Sie sieht auf die Uhr, erst fünf Minuten, vulgär dringt die Musik in ihr Ohr, Bitte haben Sie noch etwas Geduld. Uhren zeigen Zeit an, acht Minuten. Sie knallt den Hörer auf. Die Flamme ist kleiner geworden, bloß nicht das Feuer ausgehen lassen. Sie öffnet die Kamintür und stochert im Holz, Rauch tritt aus, lüften. Die Wäsche müsste fertig sein. Was wollte sie in der Küche? Tassen auf der Abtropffläche der Spüle, Wasserpfützen darauf, ein Glas mit einem Rest Marmelade, Brotkrümel. Sie trocknet die Tassen ab, wischt die Krümel weg, das Marmeladenglas aus, Wasserhahn auf und zu, hundert oder hundertfünfzig Mal am Tag. Was wollte ich heute kochen? Sie geht die Treppe runter, holt die Wäsche heraus, heute kann man sie draußen aufhängen, es regnet nicht, Wind geht. Betttücher, Handtücher, die weißen T-Shirts, die er unter den Hemden trägt. Alles flattert im Wind.

Die Flamme züngelt noch, Holz nachlegen, die Hände werden schmutzig, wieder in die Küche, was soll ich denn kochen? Nach elf schon. Wirklich? Sie macht den Kühlschrank auf, sieht nichts, zu viele Gedanken in ihrem Kopf, daraus kann man kein Essen zaubern. Sie überlegt, was sie gestern aßen und vorgestern, man will ja Abwechslung. Möhren, Zucchini, gefrorene Erbsen. Vielleicht eine Gemüsepfanne mit Reis. Ist genug Reis da? Obwohl er lieber Fleisch hätte. Sie will kein Fleisch, nicht schon wieder. Sie denkt an sein Gesicht, wenn er sich über den Teller beugt, enttäuscht, aber nein, er sagt ja nie etwas. Der Anruf beim

Stromanbieter lastet auf ihr, seit Tagen schon. Sie wählt noch mal die Nummer, wird endlich verbunden, weiterverbunden, die Wartezeiten sind kürzer, nach drei Minuten ist es vorbei, sie hat das Problem gelöst und freut sich. Dann steht sie eine Weile da. Sie muss noch in die Nachbarwohnung. Und wenn ich doch schnell etwas Hühnerfleisch kaufe? Bügelwäsche türmt sich in Gedanken. Das kann sie am Nachmittag erledigen. Sie sucht ihr Portmonee, reißt Schubladen auf, kramt und wirft alles durcheinander, vielleicht in der Handtasche im Schlafzimmer, sie rennt die Treppe hoch, hier ist ja gar nicht gelüftet, sie reißt die Fenster auf. Das Portmonee auf dem Nachttisch. Das Feuer brennt gut, lodert, Wärme hat sich ausgebreitet, ihr ist warm, den Zug etwas schließen, den Schlüssel von der Nachbarin nicht vergessen. Draußen ist alles anders. Es riecht nach Feuchtigkeit, Herbstgeruch, Geruch aus der Kindheit. In der anderen Wohnung setzt sie sich hin und blickt in das Fremde der Umgebung, hört in die Stille und Kühle. Sie möchte weinen. Sie kehrt mit zwei vollen Einkaufstaschen zurück, die Haustür klemmt, sie setzt die Gewichte ab, schwitzt, den Schreiner muss sie endlich anrufen. Sie verstaut und füllt auf, befreit Lebensmittel aus Tüten und Folien, es knistert und raschelt. Es fehlte doch mehr, immer fehlt etwas. Bei der Bank musste sie schon wieder Geld abheben, nie kommt man aus.

Viertel nach eins. Ab Mittag vergeht die Zeit schneller, sie nimmt an Geschwindigkeit zu wie ein Vehikel ohne Bremsen. Fast zwei, sie schneidet, brät, schmeckt ab, Teller aus dem Schrank, das Besteck, da sind Kalkflecken drauf, putzen, den Reis abgießen, zwanzig vor drei. Noch mal einen Scheit Holz drauf.

Er gibt ihr einen Kuss, sein Geruch, das Seufzen, während er sich hinsetzt. Schwere, jeden Tag aufs Neue. Er erzählt von unruhigen Schülern, Geräten, die nicht funktionieren, Kollegen, die anderer Meinung sind, und was er alles vorbereiten muss. Sie stellt zwei dampfende Teller hin. „Und du?“, fragt er, sieht sie nicht an, „Was hast du heute so gemacht?“ Ein Satz, der auf und zu geht wie der Wasserhahn. „Ich? Ach, hier halt“, sagt sie. Was habe ich heute gemacht? Sie überlegt.

Eindrücke aus Pjatigorsk: das Zentrum der russischen Kultur an der Universität und der Berg Maschuk.ВпечатленияизПятигорска:центррусскойкультурыприуниверситетеигораМашук.

Page 14: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

27 26

Что я сегодня делала?

Чаще всего она просыпается ещё до того, как звонит будильник. Она слышитего дыхание, дыхание глубокого сна, потом свои мысли. Без четверти семь,почтиодновременностончеловека,которомупредстоиттяжёлыйдень.Тричасаматематики,двачасаанглийского,непослушныеученики,нервирующиеколлеги,на улице холодно, лёгкие боли вжелудке. Она чувствует это, видит это, будтобыонаэтоон,онавсегдарядом.Сегодняпонедельникиливторник.Онавстает,накидывает халат, идёт на кухну, ставит чайник, потом в ванную, и здесь подтусклымсветомэнергосберегательныхлампочек–усталость.

Онналиваеткипятоквкружку.«Янезнаю,сколькокофетыкладёшь»,говоритон. За последние десять лет она часто слышала этуфразу. Иногда она звучиткакизвинение,иногдакакоправдание.Емунужнонаработу,втоместо,где-тоснаружи,нездесь,гдебыемухотелосьбыть.Онадумает,чтоимсегодняпоестьна обед. В своих мыслях она перебирает содержимое холодильника. Оченьважно: позвонить поставщику электроэнергии. Полить цветы у соседки. Да ибельёможно было бы уже постирать.Она оставляет свою наполовину полнуючашкустоятьнастоле.

Онанесёткорзинусбельёмвстиральнуюкомнатуэтажомниже.Наверхувспальнеотсортироватьбельё, тёмноеисветлое,онцелуетеёвщёку. «Незабудь, что уменясегодняещёсовещение,вернусьтолькооколотрёх».Многочасов,думаетонаинемногорадуетсяэтому.Онадвигаетсябыстрее.Онавсегдазнает,чтоейнужносделатьвследующуюочередь.Бельёвмашине,барабанкрутится,восемьчасов.Многовремени.Душ.Сейчаснужновсё-такизажечькамин,вдомехолодно.Почиститькаминнуютопку,золу–вцветочнуюклумбу,подместитеррасу,занестидрова. Руки у неё ледяные, спички ломаются между негнущимися пальцами,первый огонёк несмелый, почти грустный, надо проконтролировать, уходит лидым. Время проходит в пятнадцатиминутном такте, десять минут десятого, неможетэтогобыть.Языкипламениизвиваютсявкамине,барабанкрутится,чашкиещёнадосейчаспомыть,ещёкувшиндляфильтрованнойводыуксусомпочистить,чтоясегодняхотелаприготовить?Унеёещёестьвремя.Можетбыть,немногоидлясамойсебя, какраньше,когдаонажилаоднаиещёработала.Онаждётутелефона,счетазаэлектричествосподчёркнутымиданнымиунеёнаготове.Какейэтосказать?Онасмотритначасы,прошлотолькопятьминут,музыкавульгарнопроникает в ухо, Пожалуйста, оставайтесь на линии. Часы отображают время,восемьминут.Онабросаеттрубку.Пламясталослабее,лишьбыогоньнепогас.Онаоткрываетдверцукаминаишуруетуголь,дымподнялся,проветрить.Бельёуже,должнобыть,постиралось.Чтожеонахотеланакухне?Чашкинасливнойполочке раковины, лужицы воды на ней, банка с остатками варенья, крошкихлеба.Онавытираетчашкинасухо,сметаеткрошки,убираетбанкусвареньем,открываети закрываеткран, стоилистопятьдесятраззадень.Чтоясегодняхотелаприготовить?Онаспускаетсявнизполестнице,вынимаетбельё,сегодняегоможноразвеситьнаулице,дождянет,ветренно.

Простыни,кухонныеполотенца,белыефутболки,которыеонноситподрубашку.Всё колышится на ветру. Пламя ещё горит, доложить дров, руки испачкались,снова на кухню, что же мне сварить? Уже двенадцатый час. Правда? Онаоткрываетхолодильник,ничегоневидит,слишкоммногомыслейвеёголове,из

них еду не приготовишь.Она вспоминает, что они ели вчера и позавчера, всё-такихочетсяразнообразия.Морковь,кабачки,замороженныйгорох.Можетбыть,овощисрисом.Рисаещёдостаточно?Хотяонбыхотелбольшемясо.Онанехочетмясо,опятьмясо.Онапредставляетеголицо,когдаоннаклонитсянадтарелкой,разочаруется,нонет,онникогданичегонескажет.

Звонокпоставщикуэлектроэнергиидавитнанеё,уженесколькодней.Онаснованабираетномер,еёсоединяют,напраляютдальше,времяожиданиястановитсякороче, спустя триминутывсё позади, онарешилапроблемуирада этому.Накакое-товремяонаостановиласьнаместе.Ейещёнужновсоседскуюквартиру.Ачто,еслибыстрокупитькурицу?Веёмысляхнагромождаютсягорыбелья.Этимона может заняться после обеда. Она ищет свой кошелёк, рывком открываетящикишкафа,роетсяипереворачиваетвсёвверхдном,можетбыть,всумочкев спальне, она бежит по лестнице наверх, здесь совсем не проветрено, онаоткрываетокнанастежь.Кошелёкнаприкроватномстолике.Огоньгоритхорошо,полыхает,теплораспространилось,ейтепло,вытяжкуприкрыть,незабытьключот соседей. Снаружи всё по-другому. Пахнет сыростью, запах осени, запах издетства. В другой квартире она садится и смотрит на незнакомое окружение,прислушивается к тишине и прохладе. Ей хочется плакать. Она возвращаетсяс двумя сумками, полными покупок, дверь заедает, она ставит тяжести напол, потеет, надо наконец вызвать плотника. Она расставляет и наполняет,освобождаетпродуктыот пакетови упаковки, всё трещитишуршит.Ещёведьчего-то не хватало, всегда чего-то не хватает. Ей снова нужно снять деньги вбанке, их тоже всегда не хватает. Четверть второго.После обеда время бежитбыстрее,ононабираетскорость, словноповозкабез тормозов.Почтидва,онарежет,жарит,пробует,тарелкиизшкафа,столовыеприборы,нанихизвестковыепятна,почистить,слитьводуизриса,бездвадцатитри.Ещёполеноподбросить.

Онцелуетеё,егозапах,вздохвовремятого,каконсадится.Тяжесть,каждыйдень заново. Он рассказывает о неспокойных учениках, приборах, которые неработают,коллегах,которыепридерживаютсядругогомнения,ичтоемунужноподготовить.Онаставитдветарелки,откоторыхидётпар.«Аты?»,спрашиваетон,несмотритнанеё,«Чтотысегодняделала?»Фраза,котораяоткрываетсяизакрываетсясноваиснова,кактоткран.«Я?Датак,тутподому»,говоритона.Чтоясегодняделала?Оназадумалась.

VolkerW.DegenerliestdenVortragüberdieLiteraturinNordrhein-Westfalen,Auslandsgesellschaft.de

ФолькерВ.ДегенерчитаетдокладолитературевземлеСеверныйРейн-Вестфалия,Auslandsgesellschaft.de

Page 15: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

29 28 28

Thomas Kade

Thomas Kade, geboren 1955 in Halle (DDR), 61 ins Ruhrgebiet, lebt seit 80 in Dortmund als Buchhändler, Sozialpädagoge, Autor.Veröffentlichungen: „Landschaft mit Stehgeiger“, „Die Augen beim Lieben“, „Fernabfrage“, „Körper Flüchtigkeiten“. Anthologien: „Budenzauber. Texte am Kiosk“, „Die lynchen uns. Kettenroman“, „Schön hier!“, „Glücksorte in Dortmund“. Übersetzt ins Englische und Niederländische. Stipendium der Kunststiftung NRW 2015 (für Erzählungen), Postpoetry-Preis 2015. Stipendium Kultusministerium NRW (für Erzählungen) 2018.

Томас Каде родился в 1955 г. в городе Галле (ГДР), 1961 г. он переехал в Рурскую область, живет с 1980 г. в Дортмунде, является книготорговцем, социальным педагогом, писателем.

Публикации: «Ландшафт со скрипачом», «Глаза в любви», «Дистанционныйопрос», «Мимолётности тела». Антологии: «Волшебство ларька. Тексты укиоска», «Они линчуют нас.Цепнойроман», «Хорошо здесь!», «Места счастья вДортмунде». Переведён на английский и голландский. Награжден стипендиейФондаподдержкиискусствав2015г.(зарассказы),призомпост-поэзиив2015г.,стипендиейМинистерствакультурыземлиСеверныйРейн-Вестфалияв2018г.(зарассказы).

Geringer Genauigkeitsverlust oder: Excelexzess

Mein Beruffragst du? Excel-Tabellenjeden Tag trage ichAnwesenheiten trage sie einkleine Kreuze es gibt keineSchubladen mehr Menschenreinzuschieben Ecken die überstehen weggeknickt eingestecktStempel der ausstellenden Behördeeine Herde jeden Morgensehe die Akten in Ordnungdaß ich was wiederfindeund wen sauber sortiertsehe die Akten nicht einatme sie verstricktin Unverschulden Staubdes ausstellenden Amteseingeatmet den Atemwir unterscheiden entschuldigteTage von unentschuldigtenund Krankenscheinees gibt einen Verlustder gering ist keine exakteGenauigkeit wenn Datenübertragen werdenwarnt der Computeres gibt keine Menschenmehr fomulierbareBefunde Daten gelöschtdie Tage bleibenkleine bis mittlere

Kreuze ein großes

Thomas Kade

Небольшая потеря точностиИли: эксцесс в Excel

Мояпрофессия

Тыспросишь?Excel-таблицы;

Каждыйденьведуучет

Отсутствующих,отмечаюих

Маленькимикрестиками.Большенет

Ярлыков–всерозданы.

Уголки,торчащиеизстроя,

Загибаю,заправляювряд

Штампвыдавшеговедомства,

Целаятолпакаждоеутро.

Смотрю,чтобыделабыливпорядке

Чтобнайтивсёвнужныймомент.

Тщательноотсортирую

Акты,нобольшевнихнезагляну,

Вдыхаюих.Запутался

Вотсутствующихбезпричины.Пыль

Выдавшеговедомства

Вдыхаю;

Мыотделяемпропускипопричине

Отпропусковбезпричины

Ибольничных;

Естьпотери,

Которыеневелики,нетбольшой

Точностиприпередачеданных,

Предупредилкомпьютер.

Большенетлюдей

Данныеудалены;

Дниостаются

Крестиками,

Отмаленькихдосредних

Идобольшого.

Томас Каде

Page 16: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

30 31

Viacheslav ShulzhenkoViatscheslav Shulzhenko wurde 1953 in einer Arbeiterfamilie geboren und arbeitete ebenfalls vier Jahre lang in einer Fabrik als Elektriker. Er hat die Philologische Fakultät der Staatlichen Lomonossov-Universität in Moskau abgeschlossen und anschließend auch Aspirantur und einen Doktortitel erlangt. Er ist Mitglied des Schriftstellerverbandes Russlands, des Journalistenverbandes Russlands und der Literaturstiftung, dabei gilt er auch als ein bekannter Literaturkritiker und Essayist. Vjatscheslav Shulzhenko ist Gründer und unersetzlicher Leiter der Abteilung des Literarischen Schaffens der Staatlichen Universität Pjatigorsk, welche bereits mehrere dutzende von Schriftsteller und Übersetzer für Belletristik ausgebildet hat. Er ist Leiter des schriftstellerisch-künstlerischen Klubs „Die Tafel der Arche“. Er hat bereits Lesungen zu der modernen russischen Literatur an den Universitäten Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Chinas, Griechenlands, Tschechiens, Bulgariens, Polens, Spaniens, Kirgisistans, des Irans, der Türkei und der Ukraine abgehalten.

Вячеслав Шульженкородилсяв1953г.всемьерабочегоисамдопоступлениявуниверситетчетырегодаработалэлектрикомназаводе.Окончилфилологическийфакультет Московского государственного университета им. М. В. Ломоносова,затемтамжеаспирантуруидокторантуру.ЧленСоюзаписателейРоссиииСоюзажурналистов России, Литературногофонда, известный литературный критик иэссеист.ВячеславШульженкоявляетсяоснователемибессменнымруководителемотделения литературного творчества Пятигорского государственногоуниверситета, подготовившего несколько десятков писателей и переводчиковхудожественной литературы. Он руководитель литературно-художественногоклуба «Новый Парнас», редакторальманаха творческой мастерской«Доска Ковчега». Выступал сдокладами о современной русскойлитературе в университетахГермании, Франции, Италии, Китая,Греции, Чехии, Болгарии, Польши,Испании,Кыргызстана,Ирана,ТурциииУкраины.

Злоключения пятигорских доцентов во времена «сухого закона»

РассказТакужраспорядилсяслучай,чтовесной1990годавМосквепоразнымпричинам,но одновременно оказались трое заведующих кафедрами из Пятигорскогофармацевтического института: Сергей Парфейников, Владимир Пагиев и вашпокорныйслуга.Время,напомню,с точкизрениядоступакалкоголюнесамоелучшее:свирепствует«сухойзакон»,введённыйГорбачёвым,спиртноепродаютвнемногочисленныхмагазинахс14до19часов;мыжеещёвПятигорскенередковместевстречалисьповсякимповодам (даибез),бражничалиили«заседали»,каклюбитговоритьмояжена.

Москве нам было грустно и неуютно, стоять в огромных очередях за строголимитированным количеством бутылок представлялось крайне унизительным,и поэтому предложение Парфейникова нанести визит его ставропольскимтоварищам, приехавшим на очередной съезд народных депутатов, показалосьлучшимвыходомизситуации.Приехаввгостиницу«Россия»,мысразужепопаливномеродногоизкраевых«слугнарода»,хлебосольногоирадушногочеловека,впоследствии ставшего ярчайшим региональным политиком. Однако водочныйзапас, доставленный им с родины, довольно скоро закончился, и мы всталипередтрадиционнойрусскойдилеммой–какбытьдальше?Вышливгостиничныйкоридор и сразу же столкнулись с незнакомым человеком, нёсшим в рукахпрозрачныйполиэтиленовыйпакетснесколькимибутылкамиводки«Московская».Нанашимольбыпродатьхотябыоднубутылкунезнакомецкатегоричноответил«нет»,нотутВолодяПагиевпредложилемупари:онзаэтусамуювожделеннуюполлитровку пройдёт на руках по всему коридорному периметру гостиницы,имевшей, кто помнит ту прежнюю «Россию», форму прямоугольника. Мужикоказалсяазартным,иПагиевтронулсявнелёгкийдвухсотметровыйпуть.Небудуегодолгоописывать,скажутолько,чтонашдругсчестьювыдержалиспытание,апоражённыйегопоистинеподвигомвизавидажевдвоеувеличилприз.Крометого,мынеплохо«подзаработали»надругихпостояльцах,которые,узнавосутипроисходящего,включалисьвпаринатехжеусловиях.

Наследующийдень,сломленныеидуховно,ителесно,мысПагиевымгде-товрайонеулицыВолгиназанялиочередьзадолгодооткрытиямагазина,аСергейпоехалксвоемудругу–известномуактёруГеоргиюТараторкину–законтрамаркаминавечернийспектакльвтеатримениМоссовета.ОколосемиСергейсконтрамаркамиимыспагиевскимпортфелем,вкотороммногообещающепозвякивалиставшиедля нас едва ли не священными бутылки с огненной жидкостью, встретилисьв саду «Эрмитаж» и чинно последовали в партер на престижный первый рядпрямопоцентру.Давали«БратьевКарамазовых»впостановкеПавлаХомскогос тогдашними театральными «звездами»: Тараторкиным (Иван), Киндиновым(Митя), Бортниковым (Смердяков), Пляттом (Фёдор Карамазов), Стебловым(Алёша).ОсобнякомвспектаклестоялаИринаМуравьёвавролиГрушеньки.ЭтасложнейшаяповсемпараметрамрольсталавтотгодвисполненииМуравьёвойнастоящейсенсацией.Ноглавноенеэто.Муравьёва,порассказамТараторкина,имелаобыкновениеприноситьнаслужбувтеатрдомашниепирожки,печеньеиличто-нибудьещёсобственногоприготовления.Ивсёэтошлокчаю,которыйактёрыпили нередко прямо на сцене. В тот же памятный вечер Тараторкин уговорил

Page 17: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

32 33

Муравьёвуоставитьпирожки«подводочку»егопятигорскимдрузьям,скоторымионивместепосидятзакулисамипослеспектакля.Сергей,забираяконтрамаркиуактёра,предупредил,чтонаспектакльмыпридёмне«пустые».

Спектакльсмотрелсянаодномдыхании,наступилантракт,вовремякоторогобылорешеноприкончитьоднубутылкуподбуфетнуюснедь.Втегодывтеатральныхбуфетах было категорически запрещено отпускать какие-либо алкогольныенапитки,включаядажетогдаособеннодефицитноепиво.Осуществивсовсеминеобходимыми предосторожностями задуманное, источая забытое многимизрителями амбре, в чрезвычайно хорошемрасположении духамы вернулись взал,гдекакразначиналсявторойакт.

Вскоре мы обратили внимание на то, что со знаменитым артистом насцене происходят странные метаморфозы. Складывалось ощущение, что кмучительным для романного Ивана Карамазова внутренним противоречиямприбавились собственные страдания актёра, и в карамазовском бунте противсмиренияявственнопросвечивалосьужечто-тосугуболичное,тараторкинское.Он беспрестанно бросал в нашу сторону уничижительные взгляды, как-то по-особому,вытягиваякнамлицо,глубоковдыхалвоздухзала,авкакой-томомент,внезапноизменивтраекториюсвоегосценическогодвижения,он,очевиднонарушаярежиссёрскийзамысел,рухнулпрямоусамогокраярампыисвистящимшёпотом произнёс нам, находящимся в метре от него: «Не выпейте всё, богаради!» Сидевшая по правую руку от Пагиева только накануне приехавшая вМосквуженарумынскогодипломата,наплечокоторойнашнаименеестойкийпочастиспиртного(нонеженщин!)другвременамиприкладывалголову,расценивэтумизансценукакпоследний«писк»русскойтеатральнойшколы,неожиданновзвизгнула: «Браво!», захлопала в ладоши, и её мощными аплодисментамиподдержалничегонепонявшийзал.

Послеспектаклявсёпошло,какпомаслу:водочка,пирожкиМуравьёвой,тостызагениальныйнюхисценическиенаходкирусскихактёров,заснувшийвгримернойВолодяПагиев,грезившейозавтрашнемсвиданиисженойдипломата.

Stadtführung unter der Leitung von Professor Shulzhenko. Pjatigorsk, Ort des Duells von Lermonotov.ЭкскурсияпогородуподруководствомпрофессораШульженко.Пятигорск,местодуэлиЛермонтова.

Abenteuer der Dozenten aus Pjatigorsk zur Zeit des Alkoholverbotes Erzählung

So wollte es der Zufall, dass im Frühling des Jahres 1990, in Moskau aus verschiedenen Gründen und doch zur gleichen Zeit, sich drei Lehrstuhlleiter des Pharmazeutischen Institutes Pjatigorsk befanden: Sergej Parfejnikov, Vladimir Pagiev und euer treue Diener. Ich möchte daran erinnern, dass es aus der Sicht der Alkoholzugänglichkeit nicht die beste Zeit war: es wütet die Prohibition, die durch Gorbatschow eingeführt wurde und es nur erlaubte alkoholische Getränke nur in wenigen Läden von 14 bis 19 Uhr zu verkaufen; wir aber trafen uns noch in Pjatigorsk aus unterschiedlichen Anlässen (aber auch ohne), tranken oder „hielten unsere Sitzungen ab“, wie meine Frau das zu nennen vermag.

In Moskau fühlten wir uns traurig und unbequem und in den großen Schlangen für streng limitierte Anzahl der Flaschen anzustehen fanden wir äußerst erniedrigend, weswegen wir Parfejnikovs Vorschlag, seine Bekannten aus Stavropol zu besuchen, die mal wieder zu einer Deputatenversammlung gekommen sind, für die beste Lösung erachtet haben. In dem Hotel „Rossija“ angekommen, sind wir direkt in das Zimmer eines der „Gebiet-Volksdiener“, eines gastfreundlichen und fröhlichen Menschen, der später einer der herausragendsten Regionalpolitiker wurde, geraten. Aber die, von ihm aus der Heimatregion mitgebrachte Vodkareserve wurde schon bald verbraucht und wir stunden vor dem traditionellen russischen Dilemma – wie soll es weiter gehen? Wir gingen in die Hotelhalle raus und stießen direkt auf einen uns unbekannten Menschen, der eine durchsichtige Plastiktüte mit einigen „Moskovskaja“ Vodkaflaschen in den Händen trug. Unser Bitten und Betteln uns zumindest eine der Flaschen zu verkaufen beantwortete der Unbekannte mit einem kategorischen „nein“ und da schlug Volodja Pagiev ihm vor, eine Wette abzuschließen: er würde für eine dieser hochersehnten Halbliterflaschen die gesamte Hotelflurfläche, welche, falls sich wer an die frühere „Rossija“ erinnert, eine Rechteckform hatte, auf Händen ablaufen. Der Mann stellte sich als ein Glücksspielliebhaber heraus und Pagiev lief auf seinen schwierigen Zweihundertmeterweg los. Ich möchte nicht lange das Ganze beschreiben, sage nur, dass unser Freund mit Ehre seine Prüfung bestanden und der, von seiner Heldentat höchstbeeindruckter Wettpartner den Wetteinsatz sogar verdoppelt hat. Außerdem hatten auch einen guten „Nebenverdienst“ durch andere Beobachter, die von der Sachlage erfuhren und mit in die Wette, auf den gleichen Bedingungen einstiegen.

Am nächsten Tag, geistig und körperlich zerstört, stellte ich mich mit Pagiev irgendwo auf der Höhe der Volgin Straße, weit vor der Eröffnung des Ladens in eine Schlange und Sergej fuhr zu seinem Freund - einem berühmten Schauspieler Georgij Taratorkin – um Freikarten für die Abendvorstellung im Theater namens Mossowjet zu bekommen. Gegen sieben trafen Sergej, mit den Freikarten und wir, mit der Tasche von Pagiev, in der vielversprechend die für uns fast schon heilig gewordenen Flaschen mit dem Feuerwasser klirrten, uns im Garten „Ermitazh“ und sind standesgemäß zu dem Parterre in die angesehene erste Reihe direkt in die Mitte gegangen. Es wurde das Stück „Die Gebrüder Karamasov“, in der Regie von Pavel Homski, mit den damaligen Theaterstars gespielt: Taratorkin (Ivan), Kindinov (Mitja), Bortnikov (Smerdjakov), Plyatt (Fjodor Karamasov), Steblov (Aljoscha).

Als eine Besonderheit galt bei dem Stück Irina Muravjova in der Rolle der Gruschenka. Diese, von allen Seiten unglaublich schwierige Rolle wurde in dem Jahr und der Ausführung Muravjovas zu einer echten Sensation. Aber das ist nicht das wichtigste. Muravjova hatte, wie uns Taratorkin erzählte, die Gewohnheit, zur Arbeit im Theater hausgemachte

Page 18: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

34 35

Tatjana SavchenkoTatjana Savchenko, Dozentin der Sprachwissenschaftlichen Fakultät für Russische Philologie, Literatur und Journalismus, Doktor der Philologie. In Jahre 1992 hat sie die Staatliche Universität Kuban in der Fachrichtung „Russische Philologie“ abgeschlossen und gilt auch als Lehrkraft für Russisch als Fremdsprache. Sie hat an internationalen Kongressen in Spanien, Georgien und China teilgenommen. Ihr wissenschaftlicher Schwerpunkt ist – die Förderung der russischen Sprache und Errungenschaften der russischen Kultur in der modernen globalisierten Welt und die Förderung der russischen Sprache als Mittel des zwischenkulturellen und zwischenethnischen Dialogs. Sie ist Organisatorin und Teilnehmerin vieler kulturfördernder, darunter auch internationaler Projekte. Als Schriftstellerin besonders für ihre szenisch-theatralische Stücke bekannt. In der Abteilung für Literarische Tätigkeit lehrt sie Redaktion der belletristischen Texte und Stilistik der Übersetzung.

Татьяна Савченко, доцент кафедры языкознания, русской филологии,литературногоижурналистскогомастерства,кандидатфилологическихнаук.В1992 году окончилаКубанский государственный университет по специальности«русская филология», преподаватель русского языка как иностранного.ПринималаучастиевМеждународныхконгрессахвИспании,Грузии,Китае.Темаисследований–продвижениерусскогоязыкаидостиженийрусскойкультурывсовременном глобализирующемсямире, а также укрепление позиций русскогоязыка как средства межкультурного и межэтнического диалога. Организатори участник многих культурно-просветительских проектов, в том числемеждународных. В качестве писателя особенно известна своими сценариямитеатральных постановок. На отделении литературного творчества преподаетредактурухудожественноготекстаистилистикуперевода.

Pirozhki, Kekse oder irgendwas Selbstgemachtes mitzubringen. Und das wurde direkt zum Tee gegessen, den die Schauspieler oft auf der Bühne getrunken haben. An demselben, in Erinnerung bleibenden Abend überredete Taratorkin Muravjova die Pirozhki zu der Vodka für seine Freunde aus Pjatigorsk, mit denen er sich nach der Vorstellung hinter den Kulissen zusammensetzen möchte, übrig zu lassen. Denn als Sergej bei dem Schauspieler die Freikarten abholte, warnte er ihn vor, dass wir nicht „leer“ zu der Vorstellung kommen würden.

Die Vorstellung war atemberaubend und als es zu der Pause kam, wurde beschlossen während dieser, eine der beiden Flaschen zu der Kantinenkost zu leeren. In den Jahren war der Ausschank von irgendwelchen alkoholischen Getränken in der Theaterkantine strengstens verboten, eingeschlossen sogar das besonders rare Bier. Nach dem wir, mit aller Vorsicht, den Plan verwirklicht haben, kehrten wir, einen von vielen Zuschauern vergessenen Duft ausströmend, einer äußerst guten Laune zurück in den Saal, wo gerade der zweite Teil begann.

Bald bemerkten wir, dass dem berühmten Schauspieler auf der Bühne merkwürdige Metamorphosen wiederfuhren. Man bekam den Eindruck, dass zu den ohnehin in der Rolle vorgeschriebenen Leiden des Ivan Karamazov auch noch persönlicher Kummer des Schauspielers hinzukam und dass in der Karamazovs Rebellion gegen die Demut wahrlich auch etwas sehr eigenes, taratorkinsches durchschien. Er warf uns ununterbrochen vernichtende Blicke zu, verzog irgendwie besonders das Gesicht in unsere Richtung, atmete tief die Saalluft ein und an einer Stelle veränderte er plötzlich die Bewegungsrichtung, offensichtlich gegen die Anweisungen des Regisseurs, fiel zu Boden am äußersten Rand der Bühne und flüsterte pfeifend zu uns, die ein Meter von ihm entfernt saßen: „Um Gottes Willen, trinkt nicht alles aus!“. Rechts von Pagiev sitzende, vor kurzem nach Moskau angereiste Frau des rumänischen Diplomaten, auf deren Schulter unser, dem Alkohol (aber nicht den Frauen) verfallener Freund ab und an den Kopf ablegte, hielt diese Mise en Scène für den letzten Schrei der russischen Theaterschule, schrie unerwartet „Bravo!“ und klatschte in die Hände was der irritierte Rest des Saals mit einem kräftigen Applaus unterstützt hat.

Nach der Vorstellung lief alles wie geschmiert: Vodka, Pirozhki von Muravjova, Reden auf den genialen Geruchssinn und die szenische Kreativität der russischen Schauspieler und auch der in der Umkleide eingeschlafene Volodja Pagiev, der von einem romantischen Treffen mit der Frau des Diplomaten träumte.

Lesung in der Zeche Zollern. Tatjana Savchenko liest die Erzählung von V. Shulzhenko. Übersetzung ins Deutsche: Kathrin Lind.ЧтениянашахтеЦоллерн.ТатьянаСавченкочитаетрассказВ.Шульженко.Переводнанемецкий:КатринЛинд.

Page 19: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

36 37 37

Моё открытие современной Германии

Скажучестно:допоездкивГерманию,этастранабыладляменястранойвеликих–писателейипоэтов,композиторовимузыкантов.Состуденческойпорывмоемчитательскомбагаже–ФридрихШиллер,братьяГримм,ВильгельмГауф,ИоганнГете,ТомасМанн,БертольдБрехтиЭрихМарияРемарк…НочтотакоеГерманияXXIвека?Очемпишутсовременныенемецкиеписателиипоэты?Чтодумаютониопроблемахнетолькоистолькоглобальных,мировых,нопростыхчеловеческихвзаимоотношениях?Надо сразу отметить великолепно организованную, чрезвычайно насыщеннуюпрограммунашеговизита:каждыйденьмыбылиучастниками3–4мероприятий:встречи, круглые столы, дискуссии,– на которых обсуждались самые разныевопросы:рольлитераторавсовременномобществеиусловиятрудаписателявГерманиииРоссии.ОткрытиемсталодляменяпосещениемузеяписательницыАннеттыфонДросте-Хюльсхофф–сегодняэтакрепостьнепростомузей,ацентркультурныхпроектов.Неслучайно,чтонашезнакомствосцентромлитературыпроизошлоименновнём.Незабываемымсталопоявлениеоченьэнергичногомолодогочеловека,которыйсразуже начал представлять свои весьма интересные и оригинальные идеи ипроекты.ЙоргАльбрехт–эточеловек-проект,человек-креатив,человек-идея.Чрезвычайно плодотворной была встреча в Литературном бюро г. Унна. У насбылооченьмноговопросовобопытеработыэтогооченьмаленькогоколлектива,нотакмногоделающегодлясвоегорегиона:множествопроектов,причеммногиеизнихдолговременныеиоченьпопулярныесрединаселения.Мне, как преподавателю, было интересно познакомиться со школьниками,которые изучают русский язык. Мы провели занатия в гимназии им. ГенрихаФридрихаШтейнавг.Люнен,атакжевшколеим.РудольфаШтайнера.Чтознаетсовременный немецкий школьник о России? Чтобы ответить на этот вопрос,ребятамбалпредложенурок-презентация«ПутешествиевРоссию».Виртуальнаяэкскурсия в столицу России, в Санкт-Петербург, а также на Кавказ, рассказ орусскихтрадициях,кавказскомгостеприимствевызвалиинтересушкольников,аигровыезаданияспособствовалиактивномудиалогуивозникшимвопросам.ПосещениеИнституталитературыикультурысферытрудаимениФритцаХюзераоткрыло нам огромный пласт литературы трудовых отношений, характерныйдля шахтерского региона Северный Рейн-Вестфалия, бережно собранныйоснователеминститутаисохраненныйегопреемниками.Никогонемоглаоставитьравнодушнымидискуссияоролилитературывнемецкомироссийскомобществе.Докладчикираскрыливесьмазлободневныепроблемы,которые характерны для литературы Германии и России – и разгорелосьоживленноеобсуждение,затронувшеемногихприсутствующихвзале.Незабываемоевпечатлениепроизвелилитературныечтениянашахте«Цоллерн»,знакомство с Домом литературы в г.Херне. Теплые дружеские встречи внеофициальной обстановке позволили нам всем познакомиться ближе изакрепитьуверенностьвтом,чтоирабочие,идружескиеотношениябудуттолькопродолжатьсяиукрепляться.МнеособохотелосьбыотметитьактивнуюдеятельностьЗарубежногообщества,атакжевсехавторовизДортмундаиокрестностей.Этолюдинеравнодушные,деятельные,живореагирующиеназапросыипроблемыобщества.

Meine Entdeckung des modernen DeutschlandsIch muss ehrlich sagen: vor der Reise nach Deutschland, war dieses Land für mich das Land der großen Schriftsteller und Dichter, Komponisten und Musiker. Seit meinem Studium habe ich Friedrich Schiller, Gebrüder Grimm, Wilhelm Hauff, Johann Goethe, Thomas Mann, Bertolt Brecht und Erich Maria Remarque in meinem „Lesevorrat“… Doch was ist Deutschland des XXI. Jahrhunderts? Worüber schreiben moderne deutsche Schriftsteller und Poeten? Was denken sie nicht nur über globale und Weltprobleme, sondern über einfache menschliche Beziehungen?Man muss auch das gut organisierte, äußerst inhaltsvolle Programm unseres Besuchs hervorheben: jeden Tag nahmen wir an 3-4 Veranstaltungen teil. Das waren Begegnungen, Runder Tisch, Diskussionen, bei denen wir ganz unterschiedliche Fragen diskutiert haben: die Rolle der Literaten in der modernen Gesellschaft und die Arbeitsbedingungen eines Schriftstellers in Deutschland und Russland.Der Besuch des Museums von der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff war für mich eine Entdeckung. Heute ist diese Burg nicht nur das Museum, sondern auch ein Zentrum für kulturelle Projekte. Nicht zufällig haben wir gerade dort das Center for Literature kennengelernt. Die Begegnung mit dem sehr energischen jungen Mann, der sofort mit der Vorstellung seiner interessanten und originellen Ideen und Projekte begann, bleibt unvergesslich. Jörg Albrecht – ist ein kreativer Mensch, ein Ideen-Mensch, ein Projekt-Mensch.Das Treffen mit dem Literaturbüro in Unna war sehr produktiv. Wir hatten viele Fragen an das kleine Team, das so viel für die Region macht: eine Vielzahl der Projekte, viele davon sind langfristig und populär in der Bevölkerung.Für mich als Dozentin war es interessant, die Schüler zu begegnen, die Russisch lernen. Wir hatten den Unterricht im Freiherr-vom-Stein- Gymnasium in Lünen und in der Rudolph-Steiner-Schule in Dortmund. Was wissen die heutigen deutschen Schüler über Russland? Um diese Frage zu beantworten, habe ich eine Präsentation „Reise nach Russland“ vorbereitet. Eine virtuelle Reise in die Hauptstadt Russlands, nach Sankt Petersburg sowie in den Kaukasus, die Erzählung über die russischen Traditionen, kaukasische Gastfreundschaft haben das Interesse der Schüler geweckt; spielerische Aufgaben haben den aktiven Dialog und einige Fragen angeregt.Dank des Besuchs im Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt haben wir eine große, für die Bergbauregion Ruhrgebiet typische Schicht der Arbeiterliteratur entdeckt, die sorgsam von dem Institutsgründer gesammelt und von seinen Nachfolgern aufbewahrt wurde.Die Diskussion über die Rolle der Literatur in der modernen Gesellschaft hat keinen gleichgültig gelassen. Die Referenten haben sehr relevante Themen angesprochen, die für die Literatur Deutschlands und Russlands charakteristisch sind – das hat zu einer regen Diskussion geführt, die viele Zuhörer getroffen hat.

Die Lesung in der Zeche Zollern sowie die Gespräche im Literaturhaus in Herne haben unvergessliche Eindrücke hinterlassen. Die warmen, freundlichen Begegnungen in einer inoffiziellen Umgebung haben uns geholfen, einander näher kennenzulernen und haben uns in unserem Glauben befestigt, dass die Zusammenarbeit sowie die Freundschaft fester werden.Ich möchte besonders die Tätigkeit der Auslandsgesellschaft und aller Autoren aus Dortmund und Umgebung hervorheben. Das sind leidenschaftliche, engagierte Menschen, die schnell auf die Bedürfnisse und Probleme der Gesellschaft reagieren.

Page 20: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

38 39

InterviewKurzer Steckbrief (Name, Vorname, Alter, Beruf)

Thorsten Trelenberg: Beruf? statt Beruf müsste es bei mir eigentlich Berufung heißen; also...Berufung: Poet, Lyriker. Alter? Ups, da muss ich tatsächlich nachrechnen...55. Das Nachrechnen hängt damit zusammen, dass ich mit einer zauberhaften Frau zusammen lebe, bei der ich das Gefühl habe, ich werde immer jünger. Aktuell fühle ich mich wie 27.

Anne-Kathrin Koppetsch: 55 Jahre, Pfarrerin.

Daniela Gerlach: 55 Jahre, Autorin.

Viacheslav Shulzhenko: 65 Jahre, Literaturkritiker, Professor an dem Institut für Übersetzungswissenschaften und Mehrsprachigkeit der Universität von Pjatigorsk.

Tatjana Savchenko: Dozentin für russische Philologie, Literatur und Journalismus.

Welches Buch lesen Sie zur Zeit?

Thorsten Trelenberg: „Die heiklen Passagen der wundersamen Herren Wilde & Hamsun“ von Matthias Engels.

Anne-Kathrin Koppetsch: Ich lese z.Zt. Mia Conto, Unter dem Frangipangibaum, Astrid Plötner, Enkeltrick (Regionalkrimi), Tim Crohn, Herr Brechbühl sucht eine Katze.

Daniela Gerlach: Jakob Wassermann: Das Gänsemännchen.

Viacheslav Shulzhenko: „Juni“ von Dmitrij Bykov. Es ist ein dermaßen einzigartiges Buch heutzutage, welches über das Ende der Dreißiger und Mitte des Jahres 1941 erzählt. Eine vollkommen neue Darstellung des damaligen sowjetischen Menschen, der Angst vor dem Krieg hat, diesen aber auch aufbegehrt, in der Hoffnung, dass dadurch viele Probleme gelöst werden könnten.

Tatjana Savchenko: Ich versuche moderne Werke von Autoren der heutigen Zeit zu lesen. Und das am besten ohne Voreingenommenheit gegenüber dem neuen Werk. Um eben die Freiheit der Neuinterpretation fühlen zu können! Im Moment lese ich ein Roman von G. Jachina „Meine Kinder“ und muss zugeben, dass ich nicht enttäuscht wurde. Nach der Veröffentlichung von ihrem ersten Roman „Suleika öffnet die Augen“, welcher zu einer der beeindruckenden Veröffentlichung wurde, gab es schon Zweifel, ob eine junge Autorin es wirklich schafft, auch in ihrem weiteren Werk für die Leser interessant zu bleiben. Und sie hat es geschafft!

Haben Sie Vorbilder, Lieblingsschriftsteller?

Thorsten Trelenberg: Richtige Vorbilder habe ich nicht. Allerdings berauschen mich immer wieder Autor*innen wie z. B. Elfriede Jelinek, Herta Müller, Doris Lessing, Simone de Beauvoir, Olav Hauge, Robin Fulton, Zbigniew Herbert oder J. M. le Clezio. Wobei die hier aufgeführten wirklich nur eine kleine Auswahl meiner Lieblingsautor*innen sind. Im Grunde wechseln meine Lieblinge mehrmals im Jahr. Je nachdem in welchen Büchern ich gerade abtauche.

Anne-Kathrin Koppetsch: Sabine Deitmer als eine der ersten deutschsprachigen Krimi-Schriftstellerinnen hat mir Impulse gegeben; ansonsten gefällt mir z.B. Judith Taschler, eine österreichische Schriftstellerin, die gesellschaftliche Themen auf „Beziehungsebene“ erzählt.Daniela Gerlach: Ich würde eher sagen, Schriftsteller*innen, die mich – in jungen Jahren –

Die deutsch-russische Schriftsteller Delegation und der Leiter des Center for LiteratureJörg Albrecht, Burg Hülshoff.Российско-немецкаяделегацияписателейидиректорЦентралитературыЙоргАльбрехт,крепостьХюльсхофф.

Page 21: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

40 41 40

in die Tiefen der Literatur gezogen haben. Dazu gehören Heinrich Böll, Franz Kafka, Doris Lessing, auch die deutschen Klassiker, die mich für die Schönheit des literarischen Ausdrucks sensibilisiert haben, sowie die französischen Existenzialisten und die russischen Autoren, besonders Fjodor Dostojewski und Lew Tolstoi.Zu denen, die im Laufe des Bücherverschlingens „Spuren“ hinterlassen haben, gehören in erster Linie Thomas Mann, ferner Ernest Hemingway und Henry Miller, von den neueren Autor*innen Javier Marías, Paul Auster. Viacheslav Shulzhenko: Ein Literaturkritiker ist dazu verdammt viel und schnell zu lesen, wodurch sich oft die Qualität des Lesens verringert. Auf meinem Arbeitstisch liegen manchmal drei bis vier Romane, welche ich gleichzeitig lesen muss. Ich kenne viele Schriftsteller persönlich und bin auch mit vielen befreundet – mit Z. Prilepin, S. Shargunov, A. Varlamov, S. Jesin, V. Litschutin. Sie sind äußerst originelle Persönlichkeiten und man kann von ihnen viel lernen. In der historisch-literarischen Perspektive fühle ich mich am meisten zu Tschechov hingezogen und im Geiste mit ihm verwandt.Tatjana Savchenko: An Hand der Einzigartigkeit des Schriebens und des erzählerischen Stils, natürlich Dina Rubina. Heutzutage fragen sich viele was denn wichtiger für den Leser sei: die Schönheit oder die Wahrhaftigkeit der Erzählung. Ich denke, dass das Wichtigste, was Rubina hat, ist eine eigene Message – eine Botschaft an die Menschheit.

Russland und Deutschland gelten als die Länder der Dichter und Denker, stimmt das Klischee noch?Thorsten Trelenberg: Die Frage ist nicht pauschal zu beantworten, da sich die Lesewelten und Lesegewohnheiten in Deutschland sehr stark verändert haben. Die Verkaufszahlen beim Buchverkauf brechen ein, Buchhandlungen sterben, E-Books sind auf dem Vormarsch, und wenn man sich den teilweisen Schund anschaut, der es bis in die Bestsellerlisten schafft könnte man als Schreibender verzweifeln. Aber der Eindruck mag täuschen. Ich bin der festen Überzeugung, dass es immer gute Literatur von guten Dichtern und Denkern geben wird. Nur sind die Leser*innen, die diese suchen, heute mehr denn je gefordert, da es für diese Art von Literatur leider nicht immer so ist, dass sie auch entsprechend in den Buchhandlungen präsentiert wird. Manchmal muss man als Leser*in schon die Akribie eines gewieften Archäologen entwickeln, um seine Schätze zu finden.Anne-Kathrin Koppetsch: Diese Welt wird immer pluralistischer; ich könnte nicht sagen, wer da im Bereich „Dichter und Denker“ die Nase vorn hat.Daniela Gerlach: Für Deutschland sicher nicht. Mag es nach wie vor Dichter*innen und Denker*innen geben, so ragt Deutschland künstlerisch-literarisch keineswegs heraus. Im Zuge der Bestseller-Verflachung, Amerikanisierung und Schreibschulen-Gleichmacherei sind sie untergegangen. Diejenigen, die sich retten konnten, leben auf einer einsamen Insel und werden dort von nur wenigen Deutschen besucht.Für Russland kann ich das nicht beurteilen. Allerdings habe ich den Eindruck, dass die Literatur und Dichtung in Russland auch heute noch einen höheren Stellenwert einnimmt, dass man sie schätzt und dass Schriftsteller*innen geachtet, sogar verehrt werden. Vielleicht wäre das heutige Russland nicht als Land der Dichter und Denker zu bezeichnen, aber doch als eines, in dem das geschriebene Wort mehr Gewicht hat.Viacheslav Shulzhenko: Meine Generation wurde mit der deutschen Philosophie erzogen und auch mein Sohn hat letztens voller Begeisterung den „Zauberberg“ von Thomas Mann gelesen. Auf einer gewissen Ebene haben Russen und Deutsche sehr viel gemeinsam, sogar mehr als mit manchen anderen slavischen Völkern. Deswegen suchen wir auch in der neuen Welt intuitiv einander durch die Philosophie und Literatur, wobei die Interpretationen etwas anders als früher aussehen.

Tatjana Savchenko: Ich habe den Eindruck, dass diese Nähe, die fast schon auf einer ontologischen Ebene, in den Bereichen des menschlichen Verstandes und Geistes sich zeigt, unsere heutigen Beziehungen nur noch wichtiger und tiefergehender als alle anderen macht.

Würden Sie jüngeren Leuten empfehlen als Schriftsteller zu leben?

Thorsten Trelenberg: Ohne wenn und aber: JA!

Anne-Kathrin Koppetsch: NEIN. Nur wer unbedingt muss und gar nichts anderes will oder kann... und bereit ist, mit wenig auszukommen. Mit meiner Variante, als Autorin Themen aus meinem Beruf aufzugreifen, bin ich derzeit ganz zufrieden.Daniela Gerlach: Empfehlen nicht. Schriftstellerin sein ist ein hartes Brot, im wahrsten Sinne des Wortes. Erfolg und ein gewisses Einkommen haben hier nicht nur (oder sogar weniger) mit Talent und Fleiß zu tun, sondern mit Glück, Beziehungen oder einem Bekanntheitsgrad. Den wenigsten Autor*innen gelingt es vom literarischen Schaffen zu leben. Dennoch kann und sollte man niemanden davon abhalten, als Schriftsteller*in zu arbeiten, wenn es denn seine/ihre Berufung ist. Man sucht sich diesen Beruf nicht aus, man ist es oder man ist es nicht.

Viacheslav Shulzhenko: Ich bin der Leiter der Abteilung für Literarisches Schaffen an der Universität und weiß, dass der Wunsch der jungen Leute, sich durch das eigene kreative Schreiben zu behaupten, groß ist. Kinder schreiben heutzutage mit 12-13 Jahren und das sind spannende Experimente und Erfahrungen, welche belohnt werden sollten. Ich bin überzeugt, dass das Schreiben die höchste Ebene des Freiheitsgefühls ofenbaren kann!

Tatjana Savchenko: Ich würde raten zu schreiben! Aber Schriftsteller zu werden… Ich denke nicht, dass das die Wahl des Menschen ist. Echte Schriftsteler haben keine Wahl. Sie können nicht nicht schreiben. In meiner Vorstellung ist ein Schriftsteller ein Mittler zwischen dem Himmel und den Menschen. Aber kann ein angehender Schriftsteller die eigene Tätigkeit als Selbstaufopferung betrachten? Wird denn dieser Mensch sein Leben der Suche nach der Wahrheit widmen und sich dabei in diesem Mitleidsdurst vergessen? Das sind durchaus keine rhetorischen Fragen!

Welchen Wert hat Arbeit der Literaten gestern und welchen heute?

Thorsten Trelenberg: Viele Leser*innen in meinem Alter haben Arbeiterliteratur bzw. Literatur aus der Arbeitswelt oft nur als Geschichten in Romanform oder als Gedichte aus Arbeitswelten wahrgenommen, zu denen sie selbst oft keinen Bezug, keinen Zugang hatten. Arbeiterliteratur hatte und hat auch heute noch immer die Kraft, uns Einblicke in die Lebensrealitäten von Mitmenschen zu verschaffen. In Zeiten der Schwerindustrie und des Kohlebergbaus war es die Möglichkeit ein Bewusstsein für die Arbeiterklasse zu schaffen. Aus meiner Sicht ist eine zeitgenössische Form einer Arbeiterliteratur heute mehr denn je von Nöten. Durch die Zersplitterung von Arbeitsverhältnissen wie z. B. in den verschiedenen Dienstleistungssektoren (Stichworte: Zeitverträge; schlechte Bezahlung, Mobbing, usw) erreichen oftmals die daraus resultierenden Problem für den Einzelnen die Normalbürger nicht mehr. Hier müssen wir als Schreibende immer wieder neu ansetzen, um auch in Zukunft weiterhin gesellschaftspolitisch relevant zu sein, um den Millionen von Geknechteten, die in unserem Land teilweise ausgebeutet werden und von Lohnarbeit abhängig sind, eine Stimme zu verleihen.

Anne-Kathrin Koppetsch: Ich glaube, dass das Internet als schnelllebiges Medium den zumindest „Geldwert“ der Literatur geschmälert hat, zum einen durch Raubkopien

Page 22: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

43 42

etc, zum anderen, weil Informationen und Unterhaltung schnell und kostenfrei erhältlich sind. Andererseits bedeutet Literatur ein Spiegelbild, eine Reflexion von Gesellschaft, eine Einordnung von Phänomenen nach Möglichkeit auf unterhaltsame Art (siehe z.B. Juli Zeh: Unter Leuten) – und eine komplexe Darstellung. Das kann das Internet nicht ersetzen. Solange die Zahlungen an die Auflagezahlen geknüpft sind, wird es schwieriger und schwieriger – nur sehr wenige Literaten können z.Zt in Deutschland vom Schreiben leben. So weit ich das aus unserem Forum in Russland mitbekommen habe, ist es dort ähnlich.

Daniela Gerlach: Einen sehr großen, damals wie heute. In einer Zeit des Werteverfalls wie wir ihn heute (wieder) erleben, ist sie wichtiger denn je. „Gestern“ ging es um Erbauung und Bildung, darüber hinaus darum, den Menschen die Augen zu öffnen für gesellschaftliche Zustände, einen kritischen Geist und das Verständnis auch für das uns Fremde zu fördern. Dies gilt heute ebenso. Die Wert der Arbeit der Literat*innen bestand und besteht im Sichtbarmachen dessen, was uns Menschen ausmacht.In der modernen Gesellschaft geht der Wert der literarischen Arbeit nicht nur durch Digitalisierung verloren, sondern leider auch durch Sensationsmedien, Streichungen im Bereich Kultur und Bildung. Anstatt die Unkultur der Masse weiter voranzutreiben, ist es wichtig und dringend, Literatur immer und überall – besonders in den Medien – zu fördern, Menschen zum Lesen anzuregen und zum Denken (!) zu bewegen.

Viacheslav Shulzhenko: Ich beschäftige mich viel mit dieser Frage in letzter Zeit. Es hat sich nicht nur der Wert des Buches innerhalb der Gesellschaft, sondern auch die Wege der Texterschaffung und des Lesens gewandelt. Innerhalb der literarischen Arbeit werden immer mehr journalistische Methoden sichtbar, da man den Text unbedingt verkäuflich machen will. Früher war ein Buch eine gewisse Realitätsspiegelung, heutzutage stellt sie für die meisten Menschen eher Unterhaltung da und ist dadurch in erster Linie zu einem Gebrauchsgegenstand geworden. Ich bin davon überzeugt, dass die Pflege des Bücherlesens zu einer staatlichen Aufgabe gemacht werden sollte.

Tatjana Savchenko: Die Literatur konnte im Verlauf der Jahrhunderte das Verständnis der Menschen verändern und dadurch auch das Leben an sich. Literatur ist nichts Künstliches, vom Leben abgesondertes – sie ist die Quintessenz des Lebens. Ich denke, dass der Mensch heute, so sehr wie noch nie, ein Verlangen nach Wärme, ehrlichem Umgang mit einander, einer Idee, die ihm einen Glauben an das Leben und den Sinn des Lebens geben und ihn von der Einsamkeit befreien kann, verspürt…Und das alles kann die Literatur ihm geben.

Das Interview wurde geführt von Martina Plum.

ИнтервьюКраткие сведения о себе (имя, возраст, профессия)

Торстен Треленберг: Профессия? В моём случае это скорее можно назватьпризванием; так что...мое призвание: поэт, лирик. Возраст? Упс, тут мне надоподсчитать...55.То,чтомнепришлосьподсчитыватьсколькомненасамомделелет,связаностем,чтояживусчудеснойженщиной,скоторойуменяпоявляетсячувство, чтоястановлюсь толькомоложе.Наданныймоментя чувствуюсебя,словномне27лет.

Анне-Катрин Коппетч:55лет,пастор.

Даниэла Герлах:55лет,писательница.

Вячеслав Шульженко: 65 лет, литературный критик, профессор в институтепереводоведенияимногоязычияПятигоскогогосударственногоуниверситета.

Татьяна Савченко:51год,доцентнакафедреязыкознания,русскойфилологии,литературногоижурналистскогомастерства.

Какую книгу Вы читаете сейчас?

Торстен Треленберг: «Щекотливые пассажи удивительных господ Вильде иХамсуна»МаттиасаЭнгельса.

Анне-Катрин Коппетч:Вданныймоментячитаю:„Подплюмерией“МиаКоуто,местный детективный роман «Энкельтрик» (рус.: «Трюк со внуком») АстридПлётнер,и«ГосподинБрехбюльищеткошку»ТимаКрона.

Даниэла Герлах:ЯкобВассерменн„DasGänsemännchen“.

Вячеслав Шульженко: «Июнь» Дмитрия Быкова. Это столь редкая сегоднякнигаоконцетридцатыхисередине1941года.Совершенноновоеизображениетогдашнего советского человека, который боится войны, но и торопит её внадежде,чтоонарешитмногиепроблемы.

Татьяна Савченко: Стараюсь читать современные произведения современныхавторов. Чтобы ещё и критики на новое произведение не было. Чувствоватьсвободуинтерпретационную!СейчасчитаюроманГ.Яхиной«Детимои»–и,надосказать,неразочарована.Послевыходаеёпервогоромана„Зулейхаоткрываетглаза“,которыйсталоднимизсамыхяркихдебютов,былисомнения–сможетлимолодаяписательницавновомпроизведенииостатьсяинтереснойдлячитателя.Ионасмогла!

У Вас есть примеры для подражания или любимые писатели?

Торстен Треленберг: Настоящих примеров для подражания у меня нет. Но ячасто наслаждаюсь такими авторами, как Эльфриде Йелинек, Херта Мюллер,ДорисЛессинг,СимонадеБовуар,ОлафХауге,РобинФултон,ЗбигневХербертилиЖан-Мари Гюстав Ле Клезио. Хотя, надо сказать, что названные писателипредставляютсобойменьшуючастьмоихлюбимыхавторов.Собственноговоря,моилюбимыеавторыменяютсянесколькоразвгоду,взависимостиоттого,чтоячитаю.

DieDelegationderdeutschenAutorenaufdemInternationalenLermontov-Kongress(v.l.n.r.Anne-KathrinKoppetsch.PatriciaMalcher,ThorstenTrelenberg,DanielaGerlach,ChristianeBogenstahl).

ДелегациянемецкихавторовнаМеждународномЛермонтовскомКонгрессе(слеванаправо:Анне-КатринКоппетч,ПатрисияМальхер,ТорстенТреленберг,ДаниэлаГерлах,КристианеБогеншталь)

Page 23: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

44 45

Анне-Катрин Коппетч: Забина Дайтмер, будучи одной из первых немецкихписательницдетективныхроманов,подтолкнуламенявэтомнаправлении.ЕщемненравитсяЮдитТашлер,австрийскаяписательница,описывающаясоциальнуютематикунауровнелюдскихвзаимоотношений.Даниэла Герлах:Ябысказала,этоскорееписатели,которыевмоиюныегодызавлекли меня в глубины литературы. К ним относятся Генрих Бёлль, ФранцКафка,ДорисЛессинг, также немецкие классики, которые побудили интерес ккрасотелитературногослова,такжеифранцузскиеэкзистенциалистыирусскиеавторы,особенноФёдорДостоевскийиЛевТолстой.Ктем,которыевходепоглощениякнигоставилисвоиследы,яотнесувпервуюочередьТомасаМанна,далееЭрнесаХемингуэяиГенриМиллера,изновейшихавторовХавьераМариаса,ПолаОстера.Вячеслав Шульженко:Литературныйкритикобреченчитатьмногоибыстро,отчегопропадаетнередкосамокачествочтения.Нарабочемстолеуменялежатиногдапотри-четыреромана,которыеприходитсячитатьодновременно.Личнознакомидружусомногимиписателями–сЗ.Прилепиным,С.Шаргуновым,А.Варламовым,С.Есиным,В.Личутиным.Ониоченьоригинальныеличностиунихесть чему поучиться. В историко-литературном плане мне ближе всего Чехов,чувствуюиногдаособоеродствомеждунами.

Татьяна Савченко:Посвободеписьмаистилюповествованияэто,конечно,ДинаРубина.Сегоднямногиезадаютсявопросом,чтоважнеедлячитателя:красотаизложенияилиправдаизложения.Ядумаю,чтоглавное,чтоестьуРубиной–свойmеssage–посланиемирулюдей.

Германия и Россия всегда считались странами писателей и мыслителей. Этот стереотип ещё действителен?Торстен Треленберг:Наэтотвопросневозможноответитьвцелом,таккакмирлитературыипривычкичтениявГерманииоченьсильноизменились.Торговыепоказатели книжных продаж рушатся, книжные лавки вымирают, электронныекнигивсеболеепопулярны,илюбойписательвпадаетвотчаяние,взглянувнавесьмусор, которыйзачастуюпопадаетвспискибестселлеров.Ноэтовпечатлениеможетоказатьсяобманчивым.Яуверен,чтовсегдабудетсуществоватьстоящаялитература хороших поэтов и мыслителей - только читателям, ищущим такуюлитературувнашевремя,будетсложнее,чемкогда-либо,таккактакаялитература,к сожалению, не всегда предлагается читателю надлежащим образом. Поройчитателям нужна тщательность скрупулёзного археолога, чтобы откопать себесокровища.Анне-Катрин Коппетч: Этот мир становится все более плюралистичным, и янесмогусказать,ктонаданныймоментнаходитсявпервомряду„писателейимыслителей“.Даниэла Герлах: В отношении Германии определенно нет. Возможно, как ипреждеестьписетелиимыслители,ноГерманияневыделяетсявмирелитературыи искусства. В ходе снижения уровня литературы за счёт бестселлеров,американизации и уравниловки, которую осуществляют школы писательства,онизатерялись.Те,которыесмоглиспастись,живутнаодинокомострове,иихнавещаюттамлишьнемногиенемецкиечитатели.ПоложениевРоссииянемогуоценивать.Однакоуменясложилосьвпечатление,

чтолитератураипоэзиявРоссииисегодняимеютбольшоезначение,чтоихценятичтописателямуделяютвниманиеидажеуважают.Можетбыть,сегодняшнююРоссию нельзя назвать страной писателей и мыслителей, но в любом случаестраной,гдеписьменноесловоимеетбольшийвес.Вячеслав Шульженко:Моепоколениевоспитанонанемецкойфилософии,мойсыннедавносвосторгомпрочёл«Волшебнуюгору»Т.Манна.Наэкзистенциальномуровнеунемцевирусскихестьмногообщего,дажебольше,чемснекоторымиизславянскихнародов.Поэтомуивновомвременимыинтуитивноищемдругдругачерезфилософиюи литературу, правда, интерпретируем несколько иначе, чембылопрежде.Татьяна Савченко:Мнекажется,вотэтаедвалиненауровнеонтологиинашаблизость в этих сферах человеческого разума и духа и сегодня делает нашиотношениядругсдругомособыми,болееглубокимииважными,чемкакие-либодругие.

Стали ли бы Вы советовать молодым людям становиться писателями?Торстен Треленберг:Безвсяких„но“и„если“-ДА!Анне-Катрин Коппетч:НЕТ.Толькотем,кточувствуетсебяобязанным,нехочетилиженеможетзаниматсяничемдругимиготовобходитьсясамыммалым.Моимже вариантом – в качестве писательницы прорабатывать темы моей основнойпрофессиональнойдеятельности-явданныймоментдовольна.Даниэла Герлах:Советоватьбынестала.Бытьписателемозначаетзарабатыватьсебе на хлеб тяжёлым трудом. Успех и определенный доход имеют здесь нетак много общего с талантом и усердием, а скорее с удачей, связями илистепеньюизвестности.Оченьнемногимавторамудаётсязарабатыватьнажизньлитературным творчеством. И всё же нельзя и не надо никого отговариватьработатьвкачествеписателя,еслиэтоегоилиеёпризвание.Этупрофессиюневыбирают,тылибоявляешьсяписателем,либонет.Вячеслав Шульженко: Я руководитель отделения литературного творчествав университете и знаю, как велико желание молодых людей заявить о своейличности через художественное слово. Дети сегодня пишут в 12-13 лет, и этоинтересныеопыты,надоихвсяческипоощрять.Ещеяубежден,чтописать–этозначитощутитьвысшеенаслаждениесвободой!Татьяна Савченко: Я советовала бы – писать! А становиться писателем… Недумаю,чтоэтовыборсамогочеловека.Унастоящегописателянетвыбора.Оннеможетнеписать.Вмоёмпонимании,писатель–этопосредникмеждуНебесамии людьми. Сможет ли начинающий писатель воспринять писательство каксамопожертвование?Посвятитлионсвоюжизньпоискуистины,забудетлисебявжаждесострадания?Этоотнюдьнериторическиевопросы!

Какую ценность имела деятельность литераторов раньше и какую сегодня?Торстен Треленберг: Многие читатели в моем возрасте воспринималилитературуомирерабочихвсеголишькакисториивформеромановиливвидестихов из другого мира, которые, всё-таки, никак их напрямую не касались.Рабочая литература имела, и все ещё имеет некую силу ознакомлять нас сдействительностью жизни людей вокруг нас. Во времена тяжёлой индустриии угольной промышленности она была возможностью для широких масс

Page 24: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

46 47

заглянуть в мир работников тяжёлой промышленности. Я думаю, появлениесовременнойформытакогородалитературыпришлосьбысейчасоченькстати.Из-заразобщённостирабочихотношений,какнапример,вразныхсекторахуслуг(ключевые слова:временныйдоговор,плохаяоплата,травля,ит.д.),проблемырабочихзачастуюнедоходятдосреднестатистическогогражданина.Именновэтотмоментобрисовываетсяглавнаязадачаписателя–находитьновыеивескиеслова,чтобы,идявногусовременем,статьголосоммиллионовузурпированных,номолчащихрабочих.Анне-Катрин Коппетч:Ядумаю,чтоИнтернет,подверженныйскоропостижныминедолговечнымвлияниямимодам,поменьшеймереуменьшилматериальнуюценностьлитературы: с однойстороныблагодаряпиратству, с другойсторонытем, что информация и развлечения добываются быстро и дёшево. Конечно,литератураявляетсяещеиотражениемобщества,классификациейявлений,повозможностизанимательным(например:ЮлиЦе-“Унтерлойтен“)изамысловатымизложением.Интернетнесможетэтогозаменить.Покагонорарыбудутзависетьотразмератиражей,всёбудетусложняться-лишьнемногиелитераторымогутвнашевремяжитьзасчетсвоеготворчества.НасколькояпонялананашемфорумевРоссии,тампохожаяситуация.Даниэла Герлах: Очень большую, как раньше, так и сегодня. Во временадеградации ценностей, которое мы сегодня (снова) переживаем, она важна,какникогда.«Вчера»речьшлаоназиданиииобразовании,помимоэтогоотом,чтобыотрыть людям глаза на состояние общества, воспитать критический духи понимание чего-то нам незнакомого. Сегодня речь идёт о том же. Ценностьдеятельности литераторов состояла и состоит в том, чтобы выявлять то, чтохарактеризуетнас,людей.Всовременномобществеценностьлитературноготворчестваисчезаетнетолькоиз-за процесса дигитализации, но к сожалению, и из-за СМИ, гоняющихся засенсациями, сокращения финансирования в сфере культуры и образования.Вместо того, чтобы усиливать бескультурье масс, надо срочно всегда и везде– особенно в средствах массовой информации – поддерживать литературу,побуждатьлюдейкчтениюикосмыслению.Вячеслав Шульженко:Ямногодумаюнадэтимвпоследнеевремя.Изменилосьнетолькоместокнигивобществе,ноиспособысозданиятекстови«режимы»чтения. В литературной работе стали преобладать приемы журнализма, таккак текст надо во что бы то ни стало продать.В прежние времена книга быласвоеобразным отражением реальности, сегодня она у большинства людейвыполняетфункциюразвлечения,тоестьсталапредметомпотреблениявпервуюочередь.Яубежден,чтозаботаокнижномчтениидолжнастатьгосударственнойзадачей.Татьяна Савченко: Литература на протяжении веков была способна изменятьсознаниелюдей,азначитисамужизнь.Литературанеестьнечтоискусственное,оторванноеотжизни,–этосамажизньвеёквинтэссенции.Ядумаю,чтосегоднякакникогдачеловекощущаетпотребностьвтеплом,искреннемобщении,видее,котораяможетподаритьчеловекуверувжизнь,всмыслжизни,избавитегоотодиночества…Идатьвсеэтоможетлитература.

ИнтервьюпровелаМартинаПлюм.

Die Delegation der deutschen Autoren auf dem Internationalen Lermontov-Kongress (v.l.n.r. Anne-Kathrin Koppetsch. Patricia Malcher, Thorsten Trelenberg, Daniela Gerlach, Christiane Bogenstahl).ДелегациянемецкихавторовнаМеждународномЛермонтовскомКонгрессе(слеванаправо:Анне-КатринКоппетч,ПатрисияМальхер,ТорстенТреленберг,ДаниэлаГерлах,КристианеБогеншталь)

Offizielle Treffen: mit Andrej Skripnik, Bürgermeister von Pjatigorsk (oben) und mit Dimitrios Axourgos, Bürgermeister von der Partnerstadt Schwerte (unten).Официальныевстечи:сАндреемСкрипником,мэромПятигорска(фотосферху)иДимитриосомАксоргосом,мэромгорода-побратимаШверте(фотоснизу).

Page 25: Literatur und Arbeit...Auslandsgesellschaft, Steinstrasse 48, Dortmund Lesung: Früher und heute: Arbeiterliteratur in Deutschland und Russland Mittwoch, 19. September 2018, 18:00

48