Lithiumdisilikat, die unbemerkte Revolution in der Vollkeramik? · 2011. 6. 9. · weiche,...

5
ZMK | Jg. 27 | Ausgabe 5 ________________ Mai 2011 Dentalforum 322 Lithiumdisilikat, die unbemerkte Revolution in der Vollkeramik? Der Dentalmarkt stellt für die Vollkeramik ein breites Materialangebot zur Verfügung, das verschiedene Mate- rialgruppen beinhaltet. Die Autoren des folgenden Beitrages haben sich bereits in einem ersten Artikel zu die- sem Thema in der Sonderausgabe der ZMK aus dem November 2010 gefragt, welches Material aus der Fülle des Angebotes ihren Anforderungen und denen ihrer Patienten gerecht wird. Zirkoniumdioxid, Glaskeramik, Lithi- umdisilikat, Feldspatkeramik sind die Vollkeramikmaterialien, die sie am häufigsten in ihrer Praxis nutzen. Ihr Einsatz erfolgt situationsbedingt, wie der nachfolgende Materialvergleich anhand dieser vier Keramiken eines Herstellers beispielhaft und unter Einbeziehung der Produktcharakteristika erläutert. Die Materialwahl sollte keine Bauchentscheidung sein, steht und fällt doch mit ihr der Erfolg ein jeder Versorgung. Dennoch setzen sich die wenigsten gerne mit Werkstoff- kunde auseinander. Sie ist oftmals ein Buch mit sieben Sie- geln. Überwindet man sich nun doch und setzt sich mit Scherspannungen, Biegefestigkeit und Co. auseinan- der, verliert man in der Regel schnell den Überblick und damit jede Motivation für diese Thematik. Hier werden un- einheitliche Angaben in Shore-, Vickers- und Brinell-Härte gemacht, aus Biege- und Spannungsversuchen gewon- nene Daten kann man nicht miteinander vergleichen, die abstrakte Datengewinnung klinischer Studien lässt kaum Rückschlüsse auf die Praxistauglichkeit der Werkstoffe zu. Hat man es doch geschafft, für die in der eigenen Praxis benutzten Materialien zum Beispiel jeweils einen Wert für „Biegefestigkeit“ zu finden, stellt sich die Frage, ob die ge- nannte Biegefestigkeit durch einen Drei- oder Vierpunkt- oder gar einen biaxialen Biegeversuch ermittelt wurden und ob diese Angaben eigentlich miteinander vergleichbar sind. Materialvergleich: Anwendung erfolgt situationsab- hängig | Gerne würden wir an dieser Stelle einen „Uni- versalplan“ präsentieren, doch leider gibt es für dieses Pro- blem keine Patentlösung. So, wie es auch nicht „die“ Wun- derkeramik gibt. Mit diesem Artikel möchten wir über un- sere Erfahrungen berichten. Zirkoniumdioxid, Glaskeramik, Lithiumdisilikat, Feldspatke- ramik sind die Vollkeramikmaterialien, die wir am häu- figsten nutzen. Diese sind anwenderfreundlich und haben die besten Langzeiterfolge. Je nach klinischer Situation zei- gen sich die materialbedingten Vor- und Nachteile der ver- schiedenen Keramiken. Aus diesem Grund haben wir verschiedene Materialien eines Herstellers (Ivoclar Vivadent/Schaan) einem Vergleich unterzogen. In einem Patientenfall, bei welchem vier Front- zahnkronen hergestellt werden sollten (Abb. 1), wurden für den Vergleich insgesamt sechzehn Frontzahnkronen angefertigt und zwar aus Zirkon (e.max ZirCAD), Lithiumdi- silikat LT (e.max CAD TL), Lithiumdisilikat MO (e.max CAD MO) und Glaskeramik (Empress CAD Multi) (Abb. 2). Vergleich der verschiedenen Materialien | Zirko- niumoxid | Zirkoniumdioxid findet sowohl bei den Be- handlern als auch bei den Patienten große Akzeptanz. Durch die hohe Biegefestigkeit von ca. 1.000 MPa 1,2,8 und seine Farbe gibt es ein sehr weites Indikationsgebiet. Be- sonders bei großen Spannweiten bei Brückenversorgungen und in kritischen Bereichen wird es gerne als Metallalterna- tive herangezogen 3,5,19,20 . Patienten bewerten das im Ver- gleich zur VMK weit reduzierte Allergiepotenzial als beson- ders positiv und die gelegentlich im Laufe der Zeit durch Zahnfleischrückgang entstehenden weißen Ränder werden von ihnen meist wesentlich besser toleriert, als dunkle Me- tallränder an vergleichbaren Stellen 4,5,21 . Auch erfolgt bei Zirkongerüsten keine Penetration von Metallionen in das Abb. 1: Zustand nach Kronenpräparation. Abb. 2: Angefertigte Kronen zum Vergleich.

Transcript of Lithiumdisilikat, die unbemerkte Revolution in der Vollkeramik? · 2011. 6. 9. · weiche,...

Page 1: Lithiumdisilikat, die unbemerkte Revolution in der Vollkeramik? · 2011. 6. 9. · weiche, abgerundete Formen zur Vermeidung von Span-nungen (und damit Brüchen) in der Keramik zwingend

ZMK | Jg. 27 | Ausgabe 5 ________________ Mai 2011

Dentalforum

322

Lithiumdisilikat, die unbemerkte Revolution in der Vollkeramik? Der Dentalmarkt stellt für die Vollkeramik ein breites Materialangebot zur Verfügung, das verschiedene Mate­rialgruppen beinhaltet. Die Autoren des folgenden Beitrages haben sich bereits in einem ersten Artikel zu die­sem Thema in der Sonderausgabe der ZMK aus dem November 2010 gefragt, welches Material aus der Fülle des Angebotes ihren Anforderungen und denen ihrer Patienten gerecht wird. Zirkoniumdioxid, Glaskeramik, Lithi­umdisilikat, Feldspatkeramik sind die Vollkeramikmaterialien, die sie am häufigsten in ihrer Praxis nutzen. Ihr Einsatz erfolgt situationsbedingt, wie der nachfolgende Materialvergleich anhand dieser vier Keramiken eines Herstellers beispielhaft und unter Einbeziehung der Produktcharakteristika erläutert.

Die Materialwahl sollte keine Bauchentscheidung sein, steht und fällt doch mit ihr der Erfolg ein jeder Versorgung. Dennoch setzen sich die wenigsten gerne mit Werkstoff-kunde auseinander. Sie ist oftmals ein Buch mit sieben Sie-geln. Überwindet man sich nun doch und setzt sich mit Scherspannungen, Biegefestigkeit und Co. auseinan-der, verliert man in der Regel schnell den Überblick und damit jede Motivation für diese Thematik. Hier werden un-einheitliche Angaben in Shore-, Vickers- und Brinell-Härte gemacht, aus Biege- und Spannungsversuchen gewon-nene Daten kann man nicht miteinander vergleichen, die abstrakte Datengewinnung klinischer Studien lässt kaum Rückschlüsse auf die Praxis tauglichkeit der Werkstoffe zu. Hat man es doch geschafft, für die in der eigenen Praxis benutzten Materialien zum Beispiel jeweils einen Wert für „Biegefestigkeit“ zu finden, stellt sich die Frage, ob die ge-nannte Biegefestigkeit durch einen Drei- oder Vierpunkt- oder gar einen biaxialen Biegeversuch ermittelt wurden und ob diese Angaben eigentlich miteinander vergleichbar sind.

Materialvergleich: Anwendung er folgt situationsab­hängig | Gerne würden wir an dieser Stelle einen „Uni-versalplan“ präsentieren, doch leider gibt es für dieses Pro-blem keine Patentlösung. So, wie es auch nicht „die“ Wun-derkeramik gibt. Mit diesem Artikel möchten wir über un-sere Erfahrungen berichten.

Zirkoniumdioxid, Glaskeramik, Lithiumdisilikat, Feldspatke-ramik sind die Vollkeramikmaterialien, die wir am häu-figsten nutzen. Diese sind anwenderfreundlich und haben die besten Langzeiterfolge. Je nach klinischer Situation zei-gen sich die materialbedingten Vor- und Nachteile der ver-schiedenen Keramiken.Aus diesem Grund haben wir verschiedene Materialien eines Herstellers (Ivoclar Vivadent/Schaan) einem Vergleich unterzogen. In einem Patientenfall, bei welchem vier Front-zahnkronen hergestellt werden sollten (Abb. 1), wurden für den Vergleich insgesamt sechzehn Frontzahnkronen angefertigt und zwar aus Zirkon (e.max ZirCAD), Lithiumdi-silikat LT (e.max CAD TL), Lithiumdisilikat MO (e.max CAD MO) und Glaskeramik (Empress CAD Multi) (Abb. 2).

Vergleich der verschiedenen Materialien | Zirko­niumoxid | Zirkon iumdioxid findet sowohl bei den Be-handlern als auch bei den Patienten große Akzeptanz. Durch die hohe Biegefestigkeit von ca. 1.000 MPa 1,2,8 und seine Farbe gibt es ein sehr weites Indikationsgebiet. Be-sonders bei großen Spannweiten bei Brückenversorgungen und in kritischen Bereichen wird es gerne als Metallalterna-tive herangezogen3,5,19,20. Patienten bewerten das im Ver-gleich zur VMK weit reduzierte Allergiepotenzial als beson-ders positiv und die gelegentlich im Laufe der Zeit durch Zahnfleischrückgang entstehenden weißen Ränder werden von ihnen meist wesentlich besser toleriert, als dunkle Me-tallränder an vergleichbaren Stellen4,5,21. Auch erfolgt bei Zirkongerüsten keine Penetration von Metallionen in das

Abb. 1: Zustand nach Kronenpräparation.

Abb. 2: Angefertigte Kronen zum Vergleich.

Page 2: Lithiumdisilikat, die unbemerkte Revolution in der Vollkeramik? · 2011. 6. 9. · weiche, abgerundete Formen zur Vermeidung von Span-nungen (und damit Brüchen) in der Keramik zwingend

ZMK | Jg. 27 | Ausgabe 5 ________________ Mai 2011

Dentalforum

323

gingivale Gewebe6. Die Verarbeitung von Zirkoniumdioxid gehört in erfahrene Zahntechnikerhände. Die von den Her-stellern ausgesprochenen Verarbeitungshinweise müssen exakt eingehalten werden, um Chipping und Frakturen zu vermeiden7. Zudem ist eine entsprechende technische Aus-stattung notwendig. Werden industriell vorgefertigte Roh-linge mit subtraktiven Methoden (CAD/CAM) bearbeitet, hat man allerdings nahezu konstante optimale mecha-nische Eigenschaften5. Zur Festigung der zumeist verwen-deten Weißlinge ist ein ca. achtstündiger Sinterungsbrand im speziellen Sinterofen notwendig. Die gesamte weitere Verarbeitung des Werkstückes muss ebenso im zahntech-nischen Labor mit entsprechend geschulten Technikern er-folgen. Bei der Präparation muss sich der Zahnarzt an den üblichen Präparationsregeln für Vollkeramikversorgungen orientieren, für Gerüst und Verblendung ist ein Materialab-trag von mindestens 1,5 mm notwendig. Dem Zahnarzt steht es frei, je nach persönlicher Vorliebe den Zahnersatz konventionell oder adhäsiv zu befestigen, wodurch wiede-rum ein brei teres Indikationsfeld und erhöhte Anwender-akzeptanz für die tägliche Praxis entsteht. Intraorale Kor-rekturen sollten auf ein Minimum reduziert werden. Nach Einschleifmaßnahmen an der Gerüststruktur muss unbe-dingt darauf geachtet werden, einen Regenerationsbrand durchzuführen. Wurden Korrekturen an der Verblendung vorgenommen, muss zwingend eine ausgedehnte Politur erfolgen, da verbleibende Rauigkeiten Verblendfrakturen auslösen können12. Insgesamt ist die Fertigung von Zirko-noxidrestaurationen ausgesprochen zeitintensiv und tech-niksensitiv. Als durchschnittliche Arbeitszeit kann (inklusive Konstruktion, Ausschleifen, Reinigungsbrand, Sinterungs-brand, ggf. Aufpassen mit Regenerationsbrand, Verblen-dung, Glanzbrand etc.) für eine Einheit mit etwa 11 Stun-den kalkuliert werden. Bedingt durch die lange Verarbei-tungszeit ergeben sich selbstverständlich auch relativ hohe Herstellungskosten. Typische „Chairside-Behandlungen“ sind bei dieser Fertigungstechnik ausgeschlossen. Dank neuer Sinterungsöfen und neuer Verfahrenstechniken (VITA Multilayer- und Ivoclar CAD-on-Brückentechnik) ist es möglich, die Sinterung auf 90 Minuten zu reduzieren. Mit diesem Equipment sind unter Berücksichtigung aller Ar-beitsschritte chairside gefertigte Brücken innerhalb eines Ta ges möglich.

Glaskeramik | Glaskeramiken zeigen im Vergleich zu Zir-koniumdioxid eine deutlich geringere Biegefestigkeit von ca. 120 MPa9,22. Bei auftretenden Kaukräften von ca. 250 N im Frontzahnbereich, im Prämolarenbereich von ca. 350 N und im Molarenbereich von ca. 500 N10,11 stellt sich die Fra-ge, ob nur ca. 10 % der Biegefestigkeit des Zirkoniumoxids ausreichend ist, adäquaten Zahnersatz herzustellen, bzw. es ist zu hinterfragen, ob ein Material mit 1.000 MPA z. B. bei Einzelzahnkronen tatsächlich notwendig und sinnvoll ist. Zirkongerüste werden bei uns mit Verblendkeramik finali-siert. Vergleicht man die Werte der Biegefestigkeit einer vom Techniker hergestellten Verblendung, welche zwi-schen 60 und maximal 120 MPa2,13 liegen kann, so liegt die

Glaskeramik mit ihrer Biegefestigkeit am oberen Ende die-ser Werte, welche durch die manuelle Herstellung möglich sind. Das heißt, die 1.000 MPa des Zirkongerüstmaterials haben letztendlich keinen Einfluss darauf, wie sich die Ver-blendstruktur klinisch bewährt. Ein Misserfolg, zum Bei-spiel in Form von Chipping, liegt ausschließlich in der Ver-blendstruktur oder dem Verbund der Verblendstruktur zum Zirkon begründet. Zirkon wird bei uns zzt. nicht vollforma-tig ausgeschliffene Kronen oder Brücken verwendet. Wir befürchten, dass es infolge der Materialeigenschaften der von uns angewendeten Zirkonkeramiken bei antagonis-tischem Kontakt zu den Zähnen im Gegenkiefer zu Abrasi-onen, Überempfindlichkeiten bis hin zu pulpitischen Be-schwerden kommen könnte14,15. Die sowohl in poly- als auch monochromatischer Fertigung erhältlichen Glaskeramiken sind aufgrund ihrer Transluzenz und Fluoreszenz besonders für ästhetische Restaurationen im Frontzahnbereich geeignet. Sie ähneln in ihren Materi-aleigenschaften dem natürlichen Zahn, hervorzuheben ist hierbei das zahnähnliche Abrasionsverhalten16. Sie können nach vollformatigem Ausschleifen recht einfach durch Poli-tur oder Glanzbrand finalisiert werden, oder je nach Wunsch des Behandlers und des Patienten, einer Individu-alisierung durch Bemalung unterzogen werden. Bei diesem Vorgehen eignen sich Glaskeramiken besonders für chair-side-Behandlungen. Die Arbeitsschritte können deshalb vom Behandler selbst oder einer entsprechend geschulten Assistenz durchgeführt werden, jedoch ist hierzu die ent-sprechende technische Ausrüstung in Form eines Standard-keramikofens notwendig. Auch kann eine Individualisie-rung durch Verblendung (nach Cut-back) durchgeführt werden. Die Glaskeramiken sind sehr vielseitig verwendbar, jedoch müssen sie adhäsiv eingesetzt werden, weshalb weit subgingivale Präparationen nicht mit Glaskeramik ver-sorgt werden können. Der Materialabtrag sollte bei ca. 1,5 mm liegen, um ausreichende Schichtdicken zu erzielen. Es ist hier wie bei jeder Vollkeramikpräparation darauf zu achten, den üblichen Prinzipien zu folgen. Deshalb sind weiche, abgerundete Formen zur Vermeidung von Span-nungen (und damit Brüchen) in der Keramik zwingend notwendig17,18. Glaskeramiken erfordern eine ausgeprägte Stufenpräparation. Die Verarbeitungszeit variiert nach der gewählten Finalisierungsart: Bei reiner Politur ist eine aus-gesprochen kos tengünstige Herstellung des Zahnersatzes möglich, doch auch bei den anderen oben genannten Ar-beitsweisen ergibt sich ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis und der Zahnarzt kann seinen Patienten hochästhetische Versorgungen in einer Sitzung anbieten.

Lithiumdisilikat | Die innovative IPS e.max CAD Lithium-disilikat-Glaskeramik kombiniert höchste ästhetische An-sprüche mit herausragender Anwenderfreundlichkeit.Lithi-umdisilikat wird als Presskeramik und für die CAD/CAM-Technologie in Form präfabrizierter Blöckchen in unter-schiedlichen Transluzenzen für verschiedene Herstellungs-arten (als Gerüstmaterial, für die vollanatomische Gestal-tung und die Multi-Layer-Technik) angeboten. In unserer

Page 3: Lithiumdisilikat, die unbemerkte Revolution in der Vollkeramik? · 2011. 6. 9. · weiche, abgerundete Formen zur Vermeidung von Span-nungen (und damit Brüchen) in der Keramik zwingend

ZMK | Jg. 27 | Ausgabe 5 ________________ Mai 2011

Dentalforum

324

Praxis verwenden wir hauptsächlich e-max CAD MO (= me-dium opacity) zur Gerüstherstellung und e.max CAD LT (= low translucency) zur vollformatigen Konstruktion. Lithi-umdisilikat mittlerer Opazität hat zwar die gleichen physi-kalischen Eigenschaften (360 MPa Biegefes tigkeit, gleiches Abrasionsverhalten, gleicher Wärmeausdehnungskoeffizi-ent etc.) wie e.max CAD LT, unterscheidet sich aber durch die Verarbeitungsmöglichkeiten (s. Beitrag in der ZMK Son-derausgabe 11/2011, S. 46 ff. bzw. auf www.zmk­aktu­ell.de/werling). Man kann es als Gerüstmaterial auch für endodontisch vorbehandelte Zähne heranziehen, aller-dings muss man bei der Präparation darauf achten, einen Mindestmaterialabtrag von 1,5 mm für Gerüst und Ver-blendung vorzunehmen. Theoretisch wäre auch die volla-natomische Verarbeitung möglich, sie liefert aber ästhe-tisch ausgesprochen unbefriedigende Ergebnisse aufgrund der Opazität des Materials. Verwendet man die Keramik ihrer Bestimmung entsprechend, benötigt man einen Tech-niker zur Schichtung der Verblendkeramik und die dafür notwendigen technischen Voraussetzungen in Form von Verblendmaterialien und Keramikofen. Auf diese Weise lassen sich hervorragende ästhetische Ergebnisse erzielen, es werden dadurch aber auch die Herstellungskosten und die Herstellungszeit entsprechend erhöht. Dem Behandler steht es aufgrund der guten Materialeigenschaften der Ke-ramik frei, sie konventionell, selbstadhäsiv oder adhäsiv einzusetzen, was die Handhabung dieser Keramik er-leichtert und das Indikationsgebiet entsprechend erweitert. Die Präparation kann bei Lithiumdisilikat sowohl in Form einer Stufe als auch einer Hohlkehle angelegt werden.

Präferiert: Lithiumdisilikat | Als effektivstes Material zur Fertigung typischer Chairside-Restaurationen hat sich in unserer Praxis – neben den Glaskeramiken verschiedener Hersteller – das Lithiumdisilikat e.max CAD LT etabliert. Als entscheidenden Vorteil sehen wir die nahezu universelle Nutzbarkeit, und zwar hinsichtlich der Stumpfbeschaffen-heit (hier kann zum Beispiel auch eine tiefer liegende Prä-paration eines stiftversorgten Zahnes erfolgen), der Verar-beitungsweise (chairside, semi-chairside oder labside) wie auch der Befestigung (konventionell, selbstadhäsiv und ad-häsiv). Somit kann je nach klinischer Situation die Handha-bung individuell an die intraoralen Gegebenheiten ange-passt werden, ohne dass eine große Lagerhaltung verschie-denster Materialien notwendig ist. Darüber hinaus sehen wir einen großen Vorteil in der teilkristallinen Verarbeitung. Im typischen „blauen“ Zustand bietet es den CAD/CAM-Schleifern nicht allzu großen Widerstand (wodurch deren Abnutzung reduziert ist), besitzt aber gleichzeitig aufgrund seiner Biege festigkeit von ca. 120 MPa genügend Stabili-tät, um Okklusionskontrollen im Patientenmund zu ermög-lichen. Hierbei kann gleich die Passung überprüft werden und, sofern dies nicht direkt bei der Konstruktion berück-sichtigt wurde, eventuelle Umgestaltungen unmittelbar am Behandlungsstuhl unter Wasserkühlung durchgeführt wer-den. Dies getreu dem Motto „What you see is what you get”. Da durch die Kristallisation lediglich eine Verdichtung

von 0,2% auftritt, ist keine klinisch relevante Größenände-rung bemerkbar. Die vorab kontrollierte Passung der Situa-tion entspricht der nach dem nur 20-minütigen Kris-tallisationsbrand im Standardkeramikofen. Durch die hohe Festigkeit kann man Lithiumdisilikat auch zur Versorgung von Molaren heranziehen, sogar im okklusionstragenden Seitenzahnbereich kann sehr hartsubstanzschonend gear-beitet werden, da bei vollanatomischer Konstruktion eine Materialstärke von nur 0,5 mm ausreicht. Mit dieser Kera-mik ist es möglich, sehr effektiv und dadurch kostenredu-zierend zu arbeiten und die Patienten in kurzer Zeit mit hochwertigen Restaurationen zu versorgen.

Materialvergleich im klinischen Fallbeispiel | Dies zeigte sich auch in dem bereits oben erwähnten und im Folgenden weiter vorzustellenden Patientenfall aus dem Jahre 2007. Die Herstellung der Einzelkronen erfolgte mit dem Cerec-System mit der damaligen Cerec-Software 2.9. bzw. in der InLab-Software 2.91 R 2600. Zur Herstellung der Kronenkäppchen aus Zirkon und redu-zierter Kronen für Lithiumdisilikat MO: Nach der Präparati-on und der Weißmattierung der Zahnoberfläche (Abb. 3) wurden die Aufnahmen in den Präparationskatalog aufge-nommen (Abb. 4). Ein Wax-up der Patientensituation auf Situationsmodellen (Abb. 5) wurde in den Okklusionskata-log (Abb. 6) aufgenommen und diente als Korrelationsvor-

Abb. 4: Virtuelles Modell der Präparation.

Abb. 3: Weißmatierung vor der Aufnahme.

Page 4: Lithiumdisilikat, die unbemerkte Revolution in der Vollkeramik? · 2011. 6. 9. · weiche, abgerundete Formen zur Vermeidung von Span-nungen (und damit Brüchen) in der Keramik zwingend

ZMK | Jg. 27 | Ausgabe 5 ________________ Mai 2011

Dentalforum

325

lage für die Zahnform bei der virtuellen Konstruktion (Abb. 7). Über diesen Weg konnten die vollanatomischen Kronen für die Versorgung der Zähne 12 bis 22 zügig im Quadran-tenmodus konstruiert werden. Vollformatig wurden Glas-keramikblöcke Empress CAD Multi der Farbe A2 und Lithi-umdisilikat LT der Farbe A2 ausgeschliffen. Die Glaskera-

mikkronen wurden zur Finalisierung nur mit Sof-Lex-Schei-ben (3M ESPE) poliert. Bei Lithiumdisilikat LT wurde zur Fertigstellung nach dem vollformatigen Ausschleifen der 30-minütige Kristallisationsbrand mit gleichzeitiger Bema-lung durchgeführt. Für die Herstellung der Zirkonkäppchen wurden die Daten aus der Cerec-Software in die InLab-Software importiert und unter Konstruktionsmodus Frame-work die Zirkonkäppchen angefertigt. Nach Ausschleifen und Sinterung der Zirkonkeramik Ivoclar e.max ZirCAD er-folgte die Verblendung mit Ivoclar e.max Ceram. Die Kon-struktion der Lithiumdislikat-MO-Kronen erfolgte auch in der InLab-Software, im Menü „Krone reduziert“. Dadurch ist es möglich, virtuell am PC die Schichtstärke für die spä-tere Verblendung optimal auszugestalten und festzulegen. Nach Ausschleifen wird dann nach dem Kristallisations-brand die Verblendung der Lithiumdisilikat MO-Kronen mit Ivoclar e.max Ceram durchgeführt. Bei der klinischen Anprobe zeigte sich, dass für den Pati-enten keine Unterschiede bei den angefertigten 16 Kronen feststellbar waren. Für das klinische Fachpersonal, beste-hend aus drei Zahnärzten, zwei Zahntechnikern und sieben Zahnarzthelferinnen, waren bei der Anprobe einige Unter-schiede feststellbar. Zusammenfassend lässt sich Folgendes feststellen:

Glaskeramik Empress CAD Multi | Diese zeigte durch den polychromatischen Verlauf und die zahnadäquaten Materialeigenschaften ein überraschend gutes Ergebnis. Dies ist insofern bedeutsam, als dass die Finalisierung „nur“ durch eine Politur erreicht worden war. Mit diesem Material ist es also möglich, eine schnelle und hochästhe-tische Versorgung in kürzester Zeit anzufertigen. Die ty-pische Indikation sehen wir bei supra- oder äquigingivalen Präparationen, bei welchen eine adhäsive Befestigung möglich ist (Abb. 8).

Zirkon | Bei den Zirkonkronen war uns der „weiße Rand“ im zervikalen Bereich negativ aufgefallen, welcher durch die dünnen Verblendstrukturen gerade im Randbereich sichtbar wurde. Da Zirkonmaterial keine Fluoreszenz be-sitzt, ist bei der Verblendung darauf zu achten, dass diese Eigenschaft eines natürlichen Zahnes durch die Verblend-keramik nachgebildet wird. Für die Zirkonversorgung ist der größte zeitliche und apparative Aufwand nötig. Unter dem Aspekt der ästhetischen Erscheinung stellte diese Ke-ramik nach Meinung der Fachkräfte das Schlusslicht im Vergleich der vier Materialien dar. Eine Indikation sehen wir bei uns in der Praxis nur für die Versorgung von stark ver-färbten Stümpfen oder von mit Stiftaufbau versorgten Zäh-nen. Dabei nehmen wir Abstand von der „weißen“ Ziron-keramik und verwenden lieber die vom Hersteller einge-färbten Materialien (e.max ZirCAD MO 1 oder MO 2.; Ivoclar Vivadent, Abb. 9).

Lithiumdisilikat LT | Transluzenz, Fluoreszenz und die perfekte Form durch das vollformatige Ausschleifen der ko-pierten Wachsvorlage machten diese Keramik zum Gewin-

Abb. 6: Wax-up als virtuelles Modell.

Abb. 7: Virtuelles Wax-up als Korrelationsvorlage zur Konstruk-tion.

Abb. 5: Wax-Up auf Situationsmodell.

Page 5: Lithiumdisilikat, die unbemerkte Revolution in der Vollkeramik? · 2011. 6. 9. · weiche, abgerundete Formen zur Vermeidung von Span-nungen (und damit Brüchen) in der Keramik zwingend

ZMK | Jg. 27 | Ausgabe 5 ________________ Mai 2011

Dentalforum

326

ner dieses Vergleichs. Diese Kronen wurden letztendlich bei dem Patienten adhäsiv eingesetzt. Klarer Vorteil ist hier, ne-ben den Materialeigenschaften der Keramik und der ein-fachen und schnellen Verarbeitung, die Möglichkeit, diese Versorgungen mit selbstadhäsiven Materialien einsetzen zu können (Abb. 10).

Lithiumdisilikat MO | Ein ähnlich gutes Ergebnis wie mit Lithiumdisilikat LT konnte auch mit Lithiumdisilikat MO erzielt werden. Die Transluzenz ist, bei diesem Material herstellungstechnisch gewünscht, etwas geringer als bei LT. Darin sehen wir auch die Vorteile dieser Keramik in den Fällen, in denen weniger Zahntransluzenz im Vergleich zu den Nachbarzähnen vorhanden ist. Falls die Nachbarzäh-ne wenig Transluzenz aufweisen oder wenn es sich um leicht verfärbte Zahnstümpfe handelt, ist die Lithiumdisili-katkeramik MO deshalb für uns die erste Wahl. Aus Mate-rialgründen ist für diese Keramik verarbeitungstechnisch immer eine Verblendung erforderlich. Dadurch benötigt man bei diesem Material einen höheren Zeit-, Herstel-lungs- und Kostenaufwand. Bei korrekter zeitlicher Pla-nung sind auch mit dieser Keramik Versorgungen inner-halb eines Arbeitstages – also chairside – möglich (Abb. 11). Eine Übersicht über die besprochenen Materialien bietet eine Tabelle auf dem Online-Portal www.zmk­aktuell.de/werling1.

Fazit | Natürlich war es in der Vergangenheit, der Zeit der VMK-Technik, für die Behandler sehr einfach, eine Krone in einem Labor zu bestellen. Vollkeramik ersetzt aufgrund ih-rer Material- und ästhetischen Vorteile immer mehr die klassische VMK-Therapie. Die Zahnärzte stehen in der Ver-antwortung, ihre Patienten über die unterschiedlichen Ver-sorgungsmöglichkeiten aufklären zu müssen. Die Materialübersicht und der klinische Fall sollten zeigen, dass es verschiedene Möglichkeiten der Versorgung von Zähnen mit unterschiedlichen Vollkeramikmaterialien gibt. Entscheidend ist, dass der Behandler für den jeweiligen in-dividuellen Patientenfall das beste Material aussucht.Zahlreiche Fallbeispiele, weitere Verarbeitungshinweise so-wie Tipps und Tricks rund um die Anwendung und Inkor-poration von Vollkeramiken stehen dem interessierten Le-ser zur weiteren Vertiefung in die Thematik auch als Video-Tutorial auf der Webseite www.dental-users.com zur Ver-fügung.

Literaturliste unter www.zmk-aktuell.de/literaturlisten

Autoren: Dr. Gerhard Werling, Dr. Ute Werling

Korrespondenzadresse:Dr. Gerhard WerlingHauptstraße 172, 76756 Bellheim, Tel.: 07272 1040E-Mail: [email protected], www.zahnarzt-bellheim.de

Abb. 8: Glaskeramik Empress CAD Multi.

Abb. 10: Lithiumdisilikat LT.

Abb. 9: Zirkon mit Verblendkeramik.

Abb. 11: Lithiumdisilikat MO mit Verblendkeramik.

VOCO GmbH · Postfach 767 · 27457 Cuxhaven · Deutschland · Tel. 04721 719-0 · Fax 04721 719-109 · www.voco.de

NEU

DEm ZahN am NächstEN

In der summe seiner physikalischen Eigenschaften ist Grandio®sO

das zahnähnlichste Füllungsmaterial weltweit.* Das bedeutet für sie:

Langlebige, zuverlässige Restaurationen und vor allem zufriedene Patienten.

• Für höchste Ansprüche im Front- und Seitenzahnbereich universell einsetzbar

• Natürliche Opazität für zahnähnliche Ergebnisse mit nur einer Farbe

• Intelligentes Farbsystem mit neuen, sinnvollen Farben VCA3.25 und VCA5

• Geschmeidige Konsistenz, hohe Lichtbeständigkeit, einfache Hochglanzpolitur

„Mich hat die Zahnähnlichkeit von GrandioSO überzeugt!“ Dr. H. Gräber

* Fordern Sie gern unsere wissenschaftliche Produktinformation an.

VOCO_Quint-DE_0511_GrandioSO2_210x280.pdf 15.03.2011 9:37:19