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Abschlußarbeit des Ergänzungsstudiengangs Rechtsinformatik, Universität Hannover Eulisp IV, 2001 Die zivilrechtliche Haftung des Application Service Providers Eine Untersuchung am Beispiel der EINSTEINet AG Betreuer: Prof. Nikolaus Forgò Eingereicht von: Sebastian Voigt Heimstättenweg 22, 31275 Lehrte Matr. Nr. 1778933 Abgabetermin: 03.01.02

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Abschlußarbeit

des Ergänzungsstudiengangs Rechtsinformatik,

Universität Hannover

Eulisp IV, 2001

Die zivilrechtliche Haftung des

Application Service Providers Eine Untersuchung am Beispiel der EINSTEINet AG

Betreuer: Prof. Nikolaus Forgò

Eingereicht von: Sebastian Voigt

Heimstättenweg 22,

31275 Lehrte

Matr. Nr. 1778933

Abgabetermin: 03.01.02

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I

Gliederung:

Gliederung ........................................................................................................... I

Literaturverzeichnis .............................................................................................VI

A EINLEITUNG......................................................................................................................1

I. ALLGEMEINES ...................................................................................................................1

II. GANG DER UNTERSUCHUNG ............................................................................................2

B DIE EINSTEINET AG .........................................................................................................3

I. DATEN UND FAKTEN..........................................................................................................3

II. ANGEBOTENE DIENSTLEISTUNGEN ...................................................................................3

III. TECHNISCHE INFRASTRUKTUR ........................................................................................4

IV. WARUM EINSTEINET ....................................................................................................4

C BESCHREIBUNG DES UNTERSUCHUNGSGEGENSTANDES ....................................5

I. DEFINITION DES HAFTUNGSBEGRIFFS ...............................................................................5

II. CHARAKTERISTIKA DES ASP ............................................................................................5

1. Definitionen................................................................................................................... 6

2. Technische Funktionsweise ........................................................................................... 6

3. Chancen und Risiken des ASP-Modells .......................................................................... 9

III. ZUSATZLEISTUNGEN......................................................................................................10

1. ASP als Dienstleistungsbündel..................................................................................... 10

2. Leistungen der EINSTEINet AG ................................................................................... 11

D VERTRAGSTYPOLOGISCHE EINORDNUNG...............................................................12

I. METHODISCHER ANSATZ .................................................................................................12

II. ASP-LEISTUNGEN IM ENGEREN SINNE ...........................................................................13

1. Bereitstellung der Software .......................................................................................... 13

a) Die vertretenen Ansichten ...................................................................................13

(1) Mietvertrag...............................................................................................................................................13

(2) Rechtspacht............................................................................................................................................14

(3) Dienst- oder Werkvertrag......................................................................................................................15

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II

b) Stellungnahme.....................................................................................................16

(1) Einordnung als Mietvertrag...................................................................................................................16

(a) Sachqualität.......................................................................................................................................16

(b) Gebrauchsgewährung......................................................................................................................16

(c) Mehrere Nutzer..................................................................................................................................17

(d) Urheberrechtliche Einordnung........................................................................................................18

(e) Sonstige Merkmale und Rechtsfolgenbetrachtung......................................................................18

(2) Ablehnung eines Pachtvertrag.............................................................................................................19

(3) Ablehnung eines Dienstvertrags..........................................................................................................20

(4) Ablehnung eines Werkvertrags............................................................................................................20

(5) Zwischenergebnis ..................................................................................................................................21

c) Vergleich von ASP mit ähnlichen Formen der Softwareüberlassung. ................21

(1) Softwaremiete.........................................................................................................................................21

(a) Unterschiede und Gemeinsamkeiten.............................................................................................21

(b) Einordnung durch die Rechtsprechung.........................................................................................22

(2) Outsourcing und Rechenzentrumsverträge.......................................................................................22

(a) Unterschiede und Gemeinsamkeiten.............................................................................................22

(b) Einordnung durch die Rechtsprechung.........................................................................................23

(3) Verträge über Online-Datenbanken....................................................................................................25

(a) Unterschiede und Gemeinsamkeiten.............................................................................................26

(b) Einordnung durch die Literatur.......................................................................................................26

(4) Ergebnis des Vergleichs........................................................................................................................27

2. Bereitstellung der Hardware ......................................................................................... 27

3. Ergebnis: ASP i.e.S. ist Miete....................................................................................... 28

III. ZUSATZLEISTUNGEN......................................................................................................28

1. Verhältnis zur Hauptleistung ........................................................................................ 28

a) Andersartige Hauptleistungen .............................................................................29

b) Andersartige Nebenleistungen ............................................................................29

c) Unselbständige Nebenpflichten ...........................................................................30

d) Modifikationen des Mietrechts .............................................................................30

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2. Einordnung der Zusatzleistungen ................................................................................. 30

a) Hotline ..................................................................................................................31

b) Störungsbeseitigung / Wartung ...........................................................................32

c) Softwareupgrades ................................................................................................34

d) Datenschutz und Datensicherheit........................................................................35

e) Data-Hosting ........................................................................................................35

f) Versenden und Empfangen von Email.................................................................37

g) Vorbereitende Maßnahmen.................................................................................38

IV. EINHEITLICHER MIETVERTRAG ......................................................................................38

E DIE VERTRAGLICHEN PFLICHTEN DES ASP.............................................................39

I. ANWENDBARKEIT DES AGBG..........................................................................................40

II. GEBRAUCHSGEWÄHRUNGSPFLICHT................................................................................40

1. Leistungsbeschreibung oder Haftungs-begrenzung ....................................................... 41

a) Einschränkungen des Leistungsumfangs............................................................42

b) Verfügbarkeitszeiten und Wartungsfenster.........................................................42

(1) Einsteinet.................................................................................................................................................42

(2) Regelungsspielraum ..............................................................................................................................43

2. Programmdokumentation............................................................................................. 45

III. SACHMANGELGEWÄHRLEISTUNG...................................................................................46

1. Mietmangel ................................................................................................................. 46

a) Definition und Verantwortungsbereiche ..............................................................46

b) Verhältnis zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht..........................................46

c) Beweislastprobleme.............................................................................................47

2. Rechtsmangel ............................................................................................................. 49

a) Gesetzliche Regelung..........................................................................................49

b) Regelung der EINSTEINet...................................................................................49

3. Minderung .................................................................................................................. 50

a) Gesetzliche Regelung..........................................................................................50

b) Einschränkungen durch Einsteinet ......................................................................50

c) Regelungsspielraum ............................................................................................51

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4. Schadenersatz ............................................................................................................ 52

a) Gesetzliche Regelung..........................................................................................52

b) Einschränkungen durch EINSTEINet ..................................................................53

(1) Allgemeine Haftungsausschlüsse........................................................................................................53

(2) Haftung für Rechtsmängel ....................................................................................................................54

(3) Haftung für Erfüllungsgehilfen..............................................................................................................54

c) Regelungsspielraum ............................................................................................55

d) Umfang der Schadensersatzpflicht. ....................................................................56

5. Rügepflicht, Anzeigepflicht ........................................................................................... 56

a) Gesetzliche Regelung..........................................................................................56

b) Regelung durch EINSTEINet...............................................................................57

c) Regelungsspielraum ............................................................................................57

IV. KÜNDIGUNGSRECHTE ...................................................................................................58

1. Ordentliche Kündigung. ............................................................................................... 58

a) Gesetzliche Regelung..........................................................................................58

(1) Ausschluß des Kündigungsrechts?.....................................................................................................58

(2) Kündigungsfristen...................................................................................................................................59

b) Regelung durch EINSTEINet...............................................................................60

2. Außerordentliche Kündigung........................................................................................ 60

a) Gesetzliche Regelung..........................................................................................60

b) Regelung durch EINSTEINet...............................................................................61

3. Regelungsspielraum .................................................................................................... 61

V. VERLETZUNG VON NEBENPFLICHTEN .............................................................................62

1. Haftung aus c.i.c. ........................................................................................................ 62

2. Haftung aus pVV ......................................................................................................... 63

VI. VERTRAGSSTRAFE........................................................................................................63

F VERTRAGLICHE HAFTUNG GEGENÜBER DRITTEN.................................................64

G AUßERVERTRAGLICHE HAFTUNG.............................................................................64

I. DATENSCHUTZRECHT......................................................................................................64

1. Klassifizierung der Daten ............................................................................................. 64

2. Abgrenzung von TDDSG und BDSG ............................................................................ 65

3. Vorgaben des TDDSG ................................................................................................. 67

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4. Vorgaben des BDSG ................................................................................................... 67

a) ASP als Auftragsdatenverarbeitung ....................................................................67

b) Pflichten des Auftragsdatenverarbeiters. ............................................................68

5. Vorgaben des TKDV .................................................................................................... 69

6. Rechtsfolgen der Verletzung ........................................................................................ 69

II. FERNABSATZGESETZ......................................................................................................69

III. PRODUKTHAFTUNGSGESETZ .........................................................................................70

IV. TDG.............................................................................................................................70

V. UNERLAUBTE HANDLUNG...............................................................................................70

H ASPEKTE DER SCHULDRECHTSREFORM.................................................................71

I RESÜMEE..........................................................................................................................73

Leistungsschein der EINSTEINet AG ...................................................Anhang A

Rahmenvertrag der EINSTEINet AG .....................................................Anhang B

AGB der EINSTEINet AG .......................................................................Anhang C

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Putzo, Hans:

Zivilprozeßordnung

22. Auflage

München, 1999

Tilch, Horst (Hrsg.): Deutsches Rechtslexikon

Band II G-Q

2. Auflage

München, 1992

Tonnison, John: Internet ASP Forum Recap: Perspectives from an ASP

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von Sponeck, Henning: Überlassung von RZ-Kapazität – ein Fall der Auftragsdatenverarbeitung

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Wächter, Michael: Die “komplementäre Nutzung von Standardsoftware bei

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Zahrnt, Christoph (Hrsg.): DV-Rechtsprechung

Band 1: Halbergmoos, 1993

Band 2: Halbergmoos, 1987

Band 3: Halbergmoos, 1989

Band 4: Halbergmoos, 1991

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XVIII

Derselbe: Vertragsrecht für Datenverarbeiter

2. Auflage

München, 1991

Abkürzungen richten sich nach:

Kirchner, Hildebert: Abkürzungsverzeichnis der

Rechtssprache

4., erneuerte und erweiterte Auflage

Berlin, 1993

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1

A EINLEITUNG

“Ich arbeite nach dem Prinzip, daß man niemals etwas selbst tun soll, was ein an-

derer für einen erledigen kann.”

John D. Rockefeller

I. ALLGEMEINES

In Zeiten wachsenden Kostendrucks scheinen Unternehmen dem Ausspruch des

amerikanischen Industriemagnaten, Inbegriff für erfolgreiches Unternehmertum,

Tribut zu zollen. Outsourcing, d.h. die Auslagerung von Unternehmensaufgaben an

Dritte heißt das Gebot der Stunde, will man Kosten senken und sich auf seine

Kernkompetenzen konzentrieren können. Selbst im Bereich der Informations -

technologie (IT) ist diese Strategie nichts grundsätzlich neues, wie Rechenzentren

oder Wartungsfirmen zeigen, die ihr Know-how zur Lösung von IT-spezifischen

Aufgabenstellungen schon seit Jahren zur Verfügung stellen. Das Netz der Netze

bietet aber neue Chancen: Software, bereitgehalten in leistungsfähigen Serverfar-

men spezialisierter Anbieter, zugänglich bei Bedarf und auf Knopfdruck über Netz-

werke, macht die Vorhaltung eigener Infrastruktur nahezu überflüssig. Auch wenn

das Konzept “Application Service Providing” (ASP1) längst nicht die Marktposition

erreicht hat, die man zu Zeiten der Interneteuphorie prognostizierte, gibt das wirt-

schaftliche Potential Anlaß zum Optimismus: Nach einer im August veröffentlichten

Studie planen ein Viertel der Unternehmen, innerhalb der nächsten zwei Jahre

ASP zu nutzen2.

Der Erfolg hängt nicht zuletzt von den rechtlichen Rahmenbedingungen ab. Nur

wenn der Kunde seine Interessen in den vertraglichen und gesetzlichen Regelun-

gen hinreichend berücksichtigt sieht und der ASP sein Haftungsrisiko auf ein un-

ternehmerisch vertretbares Maß begrenzen kann, besteht eine Basis für eine er-

folgreiche Zusammenarbeit3.

Daher soll im folgenden die zivilrechtliche Haftung des ASP untersucht werden.

Nur am Rande werden die schuldrechtlichen Pflichten des Anwenders gegenüber

1 Je nach Zusammenhang wir ASP als Abkürzung für Application Service Providing oder Application Service Provider verwandt. 2 Siehe Meldung des ASP-Magazins vom 24.10.2001: http://www.asp-magazin.de/texte/3324.asp?r=1 (17.12.01). 3 In diesem Sinne: Knabl Funkschau 6/2000, 43; IBM S. 245, 353.

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dem ASP gestreift, da der Anwender als synallagmatische Hauptleistungspflicht

lediglich die Zahlung der vereinbarten Vergütung schuldet. Auch die vertraglichen

Beziehungen zwischen Hersteller bzw. Lieferanten der Software und dem ASP

bleiben weitgehend außen vor. Sie lassen sich relativ unproblematisch in die be-

kannten Kategorien der Softwareüberlassung einordnen4. Hingegen ist die Diskus-

sion über die Rechtsbeziehungen von ASP und Kunden noch im Fluß5.

Sich bei der Darstellung auf ein konkretes Fallbeispiel, hier die EINSTEINet AG zu

stützen, bringt m.E. zwei wesentliche Vorteile: Zum einen stecken die Rechtsprob-

leme oft im Detail und können daher besser aus einem konkreten Kontext heraus

identifiziert werden. Zum anderen bietet es sich an, ausgehend von der Vertrags-

gestaltung den gesetzlich vorgegebenen Regelungsspielraum auszuloten und dar-

zustellen, da so die Rechtswirklichkeit nicht aus den Augen verloren wird.

Die tägliche Rechtspraxis braucht Sicherheit, die sie aus höchstrichterlicher Recht -

sprechung und gefestigten Literaturansichten schöpft. Doch weder haben sich die

Gerichte bisher zu ASP geäußert, noch lassen sich die Meinungen in der Literatur

ohne weiteres auf einen Nenner bringen. Eine praxisnahe Lösungsmöglichkeit

besteht daher darin, Parallelen zu bekannten Lebenssachverhalten zu ziehen und

rechtliche Folgerungen auf das ASP zu übertragen.

II. GANG DER UNTERSUCHUNG

Daraus ergeben sich Implikationen für den Gang der Untersuchung. Den Aus-

gangspunkt bildet ein kurzes Porträt der EINSTEINet und ihres Leistungsprofils.

Danach wird der Untersuchungsgegenstand umrissen: Welches technische und

ökonomische Konzept steckt hinter ASP und welche Chancen und Risiken birgt es

in sich? Die Beantwortung dieser Fragen liefert wichtige Anhaltspunkte für die Aus-

legung des Vertragswerks, bewertet und gewichtet das Zivilrecht doch gegenläufi-

ge Interessen der Vertragsparteien.

Kernstück der Arbeit ist die darauffolgende Einordnung des ASP in die Vertrags-

systematik des BGB. Der Vertragstyp beantwortet die Frage nach den Rechtsfol-

gen, wenn die Parteien nichts geregelt haben; die dahinterstehenden Grundge-

danken beeinflussen entscheidend die AGB-rechtliche Würdigung. Ausgehend von

4 Vgl. dazu: Kaeding Folie 13 ff; Grützmacher ITRB 2001, 59, 61 ff; Althaus C I 6 u. C II 2. 5 Feil, Verträge.

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den vertretenen Ansichten wird die eigene Meinung dargestellt. Sie soll sodann mit

der Rspr. und Literaturmeinungen zu parallel gelagerten Fällen abgeglichen wer-

den, wofür zuvor die tatsächlichen Unterschiede der Sachverhaltskonstellationen

herauszuarbeiten sind.

Die vertragstypologische Zuordnung erstreckt sich auch auf Leistungsbestandteile,

die über das bloße Bereithalten der Software hinausgehen, um dem Charakter des

ASP als Dienstleistungspaket gerecht zu werden.

Die nachfolgende Darstellung der Haftungsgrundlagen, gleich ob vertraglicher oder

außervertraglicher Natur, vollzieht sich grundsätzlich in drei Schritten. Zunächst

wird die gesetzliche Regelung erläutert, um sie sodann mit den vertraglichen Vor-

gaben der EINSTEINet vergleichen zu können. Anhand derer kann schließlich der

Gestaltungsspielraum, der sich vor allem am AGBG messen lassen muß, darge-

stellt werden. Das Hauptaugenmerk ist insoweit auf die eigentliche ASP-Leistung,

Zurverfügungstellung der Software, gerichtet.

B DIE EINSTEINET AG

I. DATEN UND FAKTEN

Die EINSTEINet AG6 mit Sitz in München wurde im Oktober 1999 gegründet. An-

fang 2000 übernahm EINSTEINet die Münchner Computer Partner AG, ein etab-

liertes Unternehmen, das auf eine über 15jährige Erfahrung bei der Implementie-

rung ganzheitlicher IT- und E-Business Lösungen zurückblicken kann. Die

EINSTEINet AG erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2000 einen Umsatz von 62,7

Mio. EUR und beschäftigte zum 01.10.2001 430 Mitarbeiter an 8 verschiedenen

deutschen Standorten7. Der ursprünglich für Herbst diesen Jahres geplante Bör-

sengang wurde angesichts der ungünstigen Konjunkturlage bis auf weiteres ver-

schoben.

II. ANGEBOTENE DIENSTLEISTUNGEN

Die EINSTEINet AG versteht sich als One-Stop-Service Anbieter und offeriert zu-

sammen mit Partnerunternehmen eine Vielzahl von Leistungen rund um das E-

6 Http://www.einsteinet.de (10.10.01). 7 Http://www.einsteinet.de/de/unternehmen/eckdaten/Unternehmen_Eckdaten.asp (10.10.01).

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Business. Die Konzeption, Umsetzung und Wartung von Netzwerk-, Client-Server-

und Storage-Lösungen gehört ebenso dazu wie die Entwicklung und der Betrieb

von Shopsystemen, Content-Managern oder Webauftritten8.

Kernkompetenz ist aber das ASP. EINSTEINet bietet als "Full-Service-ASP" eine

umfangreiche Palette von Produkten, Dienstleistungen und Services im ASP-

Modell an. So stehen Standardprodukte wie “MS Office 2000” oder “iPlanet Mail”

aber auch erweiterte ASP-Lösungen, bestehend aus Microsoft Back Office Produk-

ten (z.B. “Exchange 2000”, “SQL Server 2000”), Warenwirtschafts- und Shop-

Systemen, Enterprise Resource Planning (ERP)-Software wie “SAP R/3 Hosting”

oder "SAP R/3 Ready-to-Works-Solutions" zur Verfügung.

Der Kunde hat die Möglichkeit, weitere Leistungen in Anspruch zu nehmen. Dazu

gehört vor allem die Dokumentenverwaltung und Archivierung (Data-

Warehousing), aber auch Beratungsaufgaben und Mitarbeiterschulungen sowie die

Erstellung und das Hosting kundenspezifischer E-Business-Lösungen.

III. TECHNISCHE INFRASTRUKTUR

Zur technischen Umsetzung betreibt EINSTEINet leistungsfähige Server in soge-

nannten Datacentern. Für die notwendige Ausfallsicherheit sorgt neben einer au-

tarken Stromversorgung die Spiegelung aller Daten in ein zweites Rechenzentrum.

Um einen sicheren und schnellen Zugang zu gewährleisten, hat EINSTEINet ein

deutschlandweites Glasfasernetz aufgebaut. Die zum Teil angemieteten, teilweise

aber auch selbst verlegten Kabel ermöglichen Übertragungsraten von bis zu 155

Mbit/sec. und sichere Punkt zu Punkt Verbindungen. Alternativ ist der Zugang über

50 regionale Knotenpunkte oder Internet möglich9.

IV. WARUM EINSTEINET

Es bietet sich aus mehreren Gründen an, am Beispiel von EINSTEINet die Haf-

tung des ASP darzustellen. Zum einen hat das Unternehmen durch den Aufbau

der Infrastruktur und die Aktivitäten am Markt seine Kompetenz und Erfahrung im

Bereich des ASP unter Beweis gestellt. Man kann also vermuten, daß auch die

rechtlichen Regelungen eine gewissen Sachverstand widerspiegeln. Zum anderen

bietet EINSTEINet Software zur internen und externen Email Kommunikation

8 Http://www.einsteinet.de/de/leistungen/Leistungen_default.asp (10.10.01). 9 Http://www.einsteinet.de/de/warum_asp/Funtionsweise_Service.asp (10.10.01).

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(Messaging) im ASP-Vertrieb an, die einen der größten Anteile am ASP-Markt

haben. Sie eignen sich daher besonders zur exemplarischen Darstellung der Haf-

tungsrisiken. Dabei deckt EINSTEINet mit der Support -Hotline, Speicher-Services

u.ä. nahezu das gesamte Spektrum an ASP-typischen Leistungen ab. Die nach-

folgenden Ausführungen lassen sich damit auch auf Anbieter übertragen, die ihre

Tätigkeit nur auf Teilaspekte des ASP ausgerichtet haben.

C BESCHREIBUNG DES UNTERSUCHUNGSGEGENSTANDES

I. DEFINITION DES HAFTUNGSBEGRIFFS

Der Begriff der Haftung wird im juristischen Sprachgebrauch unterschiedlich ver-

wendet. Als terminus technicus bezeichnet er die Einstandspflicht des Schuldners

im Wege der Zwangsvollstreckung10. Zu trennen von der Schuld, der Verpflichtung

zur Leistungserbringung und damit dem Sollen, meint Haftung die dahinterstehen-

de Zugriffsmöglichkeit des Gläubigers auf das Vermögen und damit die Durchsetz-

barkeit der Schuld11. Da in unserer Rechtsordnung der Schuldner bis auf wenige

Ausnahmen auch mit seinem ganzen Vermögen haftet, werden beide Begriffe aber

weitgehend synonym verwandt12. Daneben wird der Haftungsbegriff aber auch in

einem engeren Sinne als Verpflichtung zum Schadenersatz aufgefaßt13.

Hier soll er aber im weiten Sinne als Einstandspflicht für die Schuld aus einem

Schuldverhältnis gebraucht werden. Untersuchungsgegenstand sind also alle

schuldrechtlichen Verpflichtungen, die der ASP im Rahmen seiner Dienstleistung

gegenüber dem Kunden eingeht.

II. CHARAKTERISTIKA DES ASP

Das Thema macht eine genaue Beschreibung des Begriffes ASP sowohl unter

technischen, als auch wirtschaftlichen Aspekten unumgänglich. Nur so kann der

Untersuchungsgegenstand bestimmt und eine vertragstypologische Einordnung

auf der Grundlage der wesentlichen Merkmale vorgenommen werden. Zudem soll

ASP mit hergebrachten Formen der Softwarenutzung verglichen werden, um zu

10 Tilch, Band II, Stichwort: Haftung. 11 Creifelds, Stichwort: Haftung; Larenz, SchuldR AT, Rn. 23 f. 12 Creifelds, Stichwort: Haftung; Tilcher Band II, Stichwort: Haftung. 13 Vgl. Larenz, SchuldR AT, Rn. 22.

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prüfen, inwieweit sich bereits ergangene Judikatur und gefestigte Rechtsansichten

für die rechtliche Beurteilung von ASP fruchtbar machen lassen.

1. DEFINITIONEN

Eine allgemein anerkannte Definition konnte sich angesichts der Aktualität der

Themas und der unterschiedlichen Erscheinungsformen noch nicht etablieren14.

EINSTEINet versteht unter ASP das zentrale Betreuen von IT-Anwendungen im

Rechenzentrum eines Dienstleisters (IT als Service) oder unternehmensintern im

eigenen Rechenzentrum (Intra-ASP). Mit PCs, Laptops oder UMTS -Geräten (so

genannte Browser-enabled front ends) erhalten die Anwender per Glasfasernetz

oder Internet direkten, sicheren und ortsunabhängigen Zugriff auf die Anwendun-

gen15.

Das ASP-Consortium, ein Zusammenschluß von mehr als 700 internationalen Un-

ternehmen und Organisationen, beschreibt die Wesenszüge des ASP als das Be-

reitstellen von Anwendungen sowie der dazu notwendigen IT-Infrastruktur. Die

Anwendungen werden dafür typischerweise in Datacentern bereitgehalten und

dem Anwender via Internet oder eigenem Netzwerk zugänglich gemacht16.

Nach der aufkommende juristische Literatur ist ASP die Zurverfügungstellung von

Anwendungen und deren Funktionen sowie den damit verbundenen Dienstleistun-

gen über ein Netzwerk mit der Abrechnung der Softwarelizenz per effektiver Soft -

warenutzung (Pay-As- You-Go)17.

2. TECHNISCHE FUNKTIONSWEISE

Schon die vielfältigen Definitionen zeigen, daß ASP verschiedene Ausprägungen

kennt. Hier soll aber die Grundform des ASP, wie sie auch von EINSTEINet ange-

boten wird, technisch beschrieben werden.

Kennzeichnend ist zunächst, daß der Anbieter in seinen Serverfarmen vorkonfigu-

rierte Anwendungen, Speicherkapazität und Rechenleistung vorhält. Hochentwi-

ckelte Speichermanagmentsoftware garantiert die größtmögliche Verfügbarkeit der

Daten und überbrückt zeitweise Ausfälle einzelner Komponenten18. Dem Spektrum

14 Kretschmer, ASP-Magazin 6/2000, 16, 18 bietet 7 verschiedene Defintionen. 15 http://www.einsteinet.de/de/warum_asp/funktionsweise/Warum_ASP_Funktionsweise.asp (12.10.01). 16 ASP-Consortium, S. 2. 17 Röhrborn/Sinhart, CR 2001, 69. 18 Zu den technischen Einzelheiten: Amesbichler ASP-Magazin 6/2000, 64, 66.

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möglicher Applikationen sind unter technischen Gesichtspunkten kaum Grenzen

gesetzt19. Zur Zeit werden aber in erster Linie Kommunikations-, Büro- (z.B. MS

Office Produkte) und betriebswirtschaftliche Anwendungen (Personal- und Kun-

denverwaltung) offeriert 20.

Der Kunde greift per Datenfernübertragung auf die Applikationen zu, vorzugsweise

über eigens installierte Netzwerke und/oder gemietete Leitungen, um sicherere

Punkt zu Punkt Verbindungen zu gewährleisten. Alternativ kann der Zugang über

Internet realisiert werden. Stand der Sicherheitstechnik sind dabei sog. Virtual Pri-

vate Networks (VPN), die abgeschirmte Verbindungen in offenen Netzwerken er-

möglichen21.

Bei der Arbeit mit einem ASP Programm werden nur Eingabe- und Ausgabeinfor-

mationen (Monitor/Mausbefehle) zwischen Kunden und ASP übertragen. Es wer-

den keine Programmteile in den Arbeitsspeicher des Anwenders kopiert, sämtliche

Verarbeitungsprozesse laufen auf den Servern des Anbieters ab22. Diese flache

Übertragungsstrategie ermöglicht eine schonende Nutzung der Bandbreite und

damit Arbeiten in Echtzeit23. Softwareseitig wird die Datenübermittlung durch eine

eigens zu installierende Software (z.B. Citrix Metaframe) oder einen üblichen

Webbrowser realisiert 24.

Damit können auch die verschiedensten Endgeräte verwendet werden, solange sie

browserfähig sind.

Diese Eigenschaft macht ASP für mobile Anwendungen, beispielsweise für Mobil-

telefone, besonders attraktiv25. Üblicherweise verwendet man aber sogenannte

Thin Clients, Rechner, die lediglich über ein rudimentäres Betriebssystem,

Netzwerkanschluß und Browser verfügen. Die Vorteile liegen in den geringen An-

schaffungskosten (zwischen 500 EUR und 1000 EUR) und der vereinfachten Ver-

waltung und Wartung26.

19 Vgl. http://www.stardock.net/media/asp_primer.html (04.09.2001). 20 Kretschmer, ASP-Magazin 6/2000, 16, 20. 21 Amesbichler, ASP-Magazin 6/2000, 64, 67; Jacobsen, ASPMagazin 3/2001, 39 f; http://www.asp-konsortium.de/de/seiten/3.htm (04.09.2001). 22 Amesbichler, ASP-Magazin 6/2000, 64, 70. 23 NetworkTechnologies: http://www.asp-information.de/faqs.htm (04.09.01). 24 Im Einzelnen: Amesbichler, ASP-Magazin 6/2000, 64, 68; Carli S. 72. 25 Hofmann, ASP-Magazin 1/2001, 50 26 Ausführlich: Matzer, ASP-Magazin 1/2001, 18ff

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Hardware und darauf installierte Applikationen sind nicht dem Kunden, sondern

dem Provider kraft Eigentums oder Lizenz zugeordnet 27. Der ASP beschafft, finan-

ziert und verwaltet die technische Infrastruktur und die Lizenzen. Zu dieser rechtli-

chen Sachherrschaft gesellt sich die technische. Zugriff auf Software und Hard-

ware zu administrativen Zwecken hat lediglich der Anbieter. Ihm obliegt es damit,

die Systeme zu installieren, zu konfigurieren und Störungen zu beseitigen28.

Des weiteren werden die Leistungen nach dem One-To-Many Prinzip vermarktet29.

Bei den angebotenen Anwendungen handelt es sich um Standardsoftware. Der

Provider kann dadurch individuelle Implementierungsleistungen auf ein absolutes

Mindestmaß beschränken30 und somit das selbe Produkt einer Vielzahl von An-

wendern zugänglich machen31. Um die nötige Sicherheit der Daten zu garantieren

und technische Konflikte zu vermeiden, werden die Sitzungen der verschiedenen

Anwender technisch voneinander abgeschirmt32.

Schließlich beruht das Konzept von ASP auf dem Gleichlauf zwischen tatsächli-

cher Inanspruchnahme und Kosten (Pay-As-You-Go). Der Nutzer greift während

der Laufzeit des Vertrages immer dann auf die Server des ASP zu, wenn er die

Applikationen benötigt, berechnet wird nur die effektive Nutzung33.

Als Berechnungsgrundlage können verschiedene Faktoren herangezogen werden:

Anzahl der Verbindungen, Dauer der Sitzung oder Menge der übertragenen Da-

ten34. Zur Zeit werden in Ermangelung geeigneter Programme vielfach monatliche

Pauschalbeträge in Abhängigkeit von der Anzahl der Arbeitsplätze berechnet, wo-

mit ein entscheidender Wettbewerbsvorteil von ASP konterkariert wird35.

ASP läßt sich nach alledem durch folgende Punkte charakterisieren36:

- Zeitlich befristete Bereitstellung von standardisierten Anwendungen

- Notwendige Infrastruktur und Software in Datacentern des ASP

- Infrastruktur und Software sind rechtlich ASP zugeordnet

- Zugang im Wege der Datenfernübertragung über Netzwerke

27 Siemens: http://www.ic.siemens.com/CDA/Site/GHTML/ box/1,1562,6387,00.html (04.09.2001) 28 Cherrytree I, S. 4 f; Stamm S. 55. 29 Ackermann, S. 7. 30 Böhm/Wurdack S. 35. 31 Cherrytree II, S. 2; Stamm S. 56. 32 Carli, S. 71 33 Ackermann, S. 7. 34 Bode, ASP-Magazin 6/2000, 82, 83. 35 Elster, ASP-Magazin, 1/2001, 79; Jordan, ASP-Magazin 1/2001, 76, 77. 36 Kaeding, S. 7; Röhrborn Vortrag S. 11; Tonnison S. 88f.

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- Applikation läuft vollständig auf Servern des ASP ab, keine Über-

tragung von Programmkopien oder -teilen

- Anschaffung, Implementierung und Störungsbeseitigung durch ASP

- One-To-Many

- Pay-As-You-Go

3. CHANCEN UND RISIKEN DES ASP-MODELLS

ASP galt lange Zeit als eines der zukunftsversprechendsten, innovativsten und

lohnendsten Geschäftsmodelle im IT-Bereich. Auch wenn sich die Euphorie deut -

lich abgekühlt hat, werden Branchenkenner nicht müde, die Vorteile und Chancen

des ASP herauszukehren37. Diese, aber auch die Risiken und die dahinterstehen-

den Interessen sollen im nachfolgenden dargestellt werden, weil sie einen Anknüp-

fungspunkt für die rechtliche Beurteilung bieten. Der Grund dafür liegt in der über-

geordneten Aufgabe des Zivilrechts, die mit Interessenausgleich und Risikovertei-

lung umschrieben werden kann.

Für den Kunden stehen natürlich Kostenersparnisse und Effizienzsteigerungen im

Vordergrund. Schon bei einer Gruppengröße von 15 bis 60 Anwendern soll ASP

technisch und wirtschaftlich empfehlenswerter als eine vergleichbar skalierte

Installation in einer herkömmlichen LAN-Umgebung sein38.

Das Chancenpotential ergibt sich in erster Linie daraus, daß auf teure Hard- und

Software verzichtet werden kann und erheblich weniger eigenes Personal für die

Administration und Wartung benötigt wird. Die schnelle Implementierbarkeit, Aus-

tauschbarkeit und Skalierbarkeit der Anwendungen ermöglichen einer flexible

Anpassung an die eigenen, betriebswirtschaftlich Determinanten. Die Kostenkon-

trolle vereinfacht sich auf der Grundlage monatlich zu zahlender Gebühren. Durch

zentralisierte Infrastruktur kann weltweit und unabhängig vom Unternehmens-

standort auf standardisierte Anwendungen zugegriffen werden. Schließlich kann

der ASP seine Ressourcen und Kompetenzen bündeln und damit eine höhere

Verfügbarkeit, besseren Service und zuverlässigere Infrastruktur garantieren39.

37 Siehe Meldung des ASP Newsletter vom 17.10.01: http://www.asp-magazin.de/texte/3316.asp?r=1 (28.11.01). 38 Http://www.online-software.ch/ASP/asp_vergleich.htm ; vgl. auch das Fallbeispiel Oracle Inc. ASP-Magazin 01/2001, 81 ff. 39 Im Einzelnen dazu: Ingler, S. 17 ff; Kretschmer, ASP-Magazin 6/2000 S. 16, 21 f; zu Outsourcing allgemein: Klepper/Jones S. 48 ff; Schott, S. 156 ff.

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Aber es gibt auch eine Kehrseite der Medaille, die ihre Ursache in der nahezu voll-

ständigen Auslagerung des Know-hows und dem damit verbundenen Kontrollver-

lust hat. Zum einen begibt sich der Kunde damit in die Abhängigkeit des ASP, so-

wohl was die Qualität als auch die Verfügbarkeit der Applikationen angeht. Je un-

ternehmenskritscher eine Anwendung ist, d.h. um so stärker der gesamte Be-

triebsablauf durch deren Ausfall tangiert wird, desto mehr gewinnt dieser Aspekt an

Gewicht und kann sogar zur Existenzbedrohung führen40. Der Anwender hat daher

ein vitales Interesse an der ständigen Verfügbarkeit der Software und an der adä-

quaten Absicherung des qualitativ erhöhten Schadensrisikos. Des weiteren ist die

Entscheidung für ASP bis zu einem gewissen Grad unumkehrbar, denn ohne prä-

sentes Know-how wird die Rückführung der Services ein äußerst kostspieliges und

langwieriges Unterfangen41.

Und schließlich erhöht das Konzept des Online – Zugriffs die Gefahr, daß sensible

Daten verloren gehen oder deren Vertraulichkeit und Integrität verletzt werden42.

III. ZUSATZLEISTUNGEN

1. ASP ALS DIENSTLEISTUNGSBÜNDEL

Das Geschäftsmodell vieler ASP geht aber über die eben beschriebene Kernleis -

tung, Bereitstellung von Software, hinaus. In sinnvoller Abrundung ihres Angebots

bieten viele, darunter auch EINSTEINet, ein ganzes Bündel von Zusatzleistungen

an. Sie finden sich vor allem in den sog. Service-Level-Agreements. Sehr oft ge-

hört dazu die Unterstützung und Hilfeleistung für den Kunden (Support), das Be-

reithalten von Speicherplatz, die Sicherung und Pflege der Daten des Nutzers (Da-

tahosting) und die Erstellung und Pflege von Datenbanken (Datawarehousing)43.

Das Leistungsspektrum der ASP beinhaltet aber auch Netzzugang, die Schulung

der Endkunden, das Integrieren verschiedener Anwendungen sowie die Erstellung

oder individuelle Anpassung von Software. Damit kann der Kunde, bis auf die Thin

Clients, seine kompletten IT Infrastruktur auslagern.

40 Dick ASP-Magazin 6/2000 S. 40, 41; Klepper/Jones S. 55 ff; Schott, S. 156 ff. 41 Dick ASP-Magazin 6/2000 S. 40, 41. 42 Berg in Köhler-Frost S. 176; Dick, ASP-Magazin 6/2000 S. 40, 41. 43 ASP-Konsortium e.V.: http://www.asp-konsortium.de/de/seiten/3.htm (04.09.2001); Kretschmer, ASP-Magazin S. 16, 23.

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Im Sinne einer möglichst praxisnahen Darstellung sollen diese Zusatzleistungen

jedenfalls dann in die rechtliche Zuordnung einbezogen werden, wenn sie vom

üblicherweise erbrachten Leistungspaket der EINSTEINet AG umfaßt sind.

2. LEISTUNGEN DER EINSTEINET AG

Ein Standardangebot von EINSTEINet sind Messaging-Applikationen, also Pro-

gramme zur Verwaltung und Organisation der gesamten Email-Kommunikation, sei

es nun mit Dritten oder firmenintern. Messagingsoftware macht derzeit den über-

wiegenden Anteil am ASP Markt aus. Die höhere Kundenakzeptanz erklärt sich

damit, daß diese Anwendungen nicht als derart unternehmenskritisch gelten und

von Natur aus einen engen Bezug zum Internet aufweisen44.

Die Leistungen, zu denen sich die EINSTEINet laut Leistungsschein verpflichtet,

lassen sich in verschiedene Gruppen einteilen:

Im Vorfeld erfolgt eine Ist-Analyse der bestehenden Infrastruktur sowie die Imple-

mentierung und Konfiguration der Infrastruktur in den Datacentern und beim Kun-

den45.

Als Application Service im engeren Sinne hält EINSTEINet Mail Server für das

Senden und Empfangen von Emails und ein entsprechendes webbasiertes Email-

Programm bereit, auf das weltweit mittels verschlüsselter SSL-Verbindung (Secu-

re Socket Layer) zugegriffen werden kann46. Daneben kann der Kunde aber auch

mit bei ihm installierten Emailclients wie Outlook Express oder Netscape Commu-

nicator auf den Mail-Server zugreifen. In diesem Fall wird lediglich die Empfangs -

Sende- und Speicherfunktion dieser Server, nicht aber Software der EINSTEINet

genutzt, so daß dann kein ASP erbracht wird.

Notwendigerweise beinhaltet das Paket Datahosting-Leistungen, so die Speiche-

rung der anfallenden Daten bzw. Emails47.

Zum Schutz der Integrität der Daten verpflichtet sich EINSTEINet zur Durchführung

verschiedenster Maßnahmen, von der Anti-Viren Software, Anti-Spam Program-

men und Firewalls über Datensicherungsmaßnahmen bis hin zu physischen Maß-

nahmen, wie Feuermelder und Einbruchsschutz48.

44 Cherrytree II, S. 5. 45 Vgl. Leistungsschein 5.2. 46 Vgl. Leistungsschein 2.1 und 6.1 , 6.2. 47 Vgl. Leistungsschein 2.1. 48 Vgl. Leistungsschein 2.1.6

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Eine der wichtigsten Leistungen ist die Beseitigung von auftretenden Störungen

innerhalb eines gewissen Reaktionsrahmens 49 sowie die Kundenunterstützung.

Dazu gehört neben dem Betrieb einer Hotline die Wartung und Weiterentwicklung

(Updates, Upgrades) der Dienste50.

Mit diesen Leistungsgruppen ist zugleich der Untersuchungsgegenstand beschrie-

ben. Schwerpunktmäßig werden aber die ASP-Leistungen im engeren Sinne, Be-

reitstellung der Software, behandelt.

D VERTRAGSTYPOLOGISCHE EINORDNUNG

Ausgangspunkt der Betrachtungen muß die Zuordnung des ASP-Vertrags zu den

im BGB normierten Vertragsarten sein. Auch wenn Parteivereinbarungen grund-

sätzlich die dispositiven Regeln des besonderen Schuldrechts verdrängen, ist eine

Typisierung notwendig, um evtl. Vertragslücken durch gesetzliche Regeln schlie-

ßen zu können. Zudem spiegelt sich die zum Ausdruck kommende gesetzliche

Interessenbewertung und -abwägung in Nebengesetzen (vgl. nur §?9?II Nr.1

AGBG) und zwingenden Vorschriften wider und bestimmt so den möglichen Ges-

taltungsspielraum.

I. METHODISCHER ANSATZ

Methodisch können dabei zwei Ansätze verfolgt werden: Der rechtsfolgenorientier-

te gibt dem Vertragsmodell den Vorzug, welches unter Berücksichtigung aller Inte-

ressen die sachgerechtesten Ergebnisse liefert 51. Die gegenstandsbezogene Ver-

tragstypenzuordnung vergleicht hingegen Parteiabreden und Leistungsgegenstän-

de des Vertrages mit den gesetzlichen normierten Leitbildern52. M. E. ist dieser

Ansicht auch der Vorzug zu geben, da sie der Systematik des BGB eher gerecht

wird, nach der sich aus den gesetzlich fixierten Tatbestandsmerkmalen die vom

Gesetzgeber intendierten Rechtsfolgen ergeben. Zudem vernachlässigt sie kei-

neswegs die Rechtsfolgen, sondern zieht sie als ein Kriterium zur Auslegung der

Parteiabrede heran und nivelliert damit die Unterschiede zum rechtsfolgenorientier-

ten Ansatz53.

49 Vgl. Leistungsschein 2.1 und Rahmenvertrag 3.4. 50 Vgl. Leistungsschein 2.1 und 6.1 , 6.2 sowie Rahmenvertrag 3.2. 51 Vgl. Sickinger B I 1. 52 Vgl. Sickinger B I 1. 53 Vgl. Sickinger B I 1.

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II. ASP-LEISTUNGEN IM ENGEREN SINNE

Zunächst soll geklärt werden, welchem Vertragstyp ASP i.e.S., also ohne Zusatz-

leistungen54, zuzuordnen ist. Dabei ist zwischen der Bereitstellung der Hardware

und der Software zu differenzieren.

1. BEREITSTELLUNG DER SOFTWARE

a) Die vertretenen Ansichten

Die Literatur, die sich nach und nach dieses Themas annimmt, diskutiert eine Viel-

zahl verschiedener Möglichkeiten, angefangen vom Miet- oder Operating-

Leasingvertrag55 über Pachtrecht 56 zu Dienst-57 oder Werkvertrag58. Eine Qualifi-

zierung als Finanzierungsleasing59 wird in zutreffender Weise von keinem erwo-

gen, da beim ASP die bedarfsorientierte, kurzfristige Nutzung und nicht die Er-

werbsfinanzierung des Leasinggutes im Vordergrund steht 60.

(1) Mietvertrag

Die überwiegende Meinung, die einen Miet- bzw. Operating-Leasingvertrag an-

nimmt, betont, daß ASP eine Form der entgeltlichen Überlassung von Software

sei, wobei dem Nutzer lediglich ein temporäres Nutzungsrecht eingeräumt werde61.

ASP entspreche damit dem gesetzlichen Leitbild des § 53562.

Die Anwendbarkeit des Mietrechts scheitere nicht daran, daß nur Sachen i.S.d. §

90 Gegenstand eines Mietvertrages sein können. Die Rechtsprechung und der

Großteil der Literatur63 erkenne seit langem an, daß Software zumindest dann eine

Sache oder ihr gleich zu behandeln ist, wenn sie auf einem Datenträger verkörpert

ist64. Nach h.M. berühre selbst die Online-Übertragung von Software nicht deren

Sachqualität, da sie lediglich einen notwendigen Zwischenschritt zur Verkörperung

54 Siehe oben unter C II. 55 Althaus; Bettinger/Scheffelt CR 2001, 729, 731; Glosner/Grimek I; Kling; Koch ITRB 2/2001, 39; Lediger; Rehmann; Röhrbohrn/Sinhart CR 2001, 69, 70; Schröcker; Sedlmaier ASP-Magazin 6/2000, 96, 98. 56 Alpert CR 2000, 345, 349; Feil ASP. 57 Klimek; Redeker, Rn. 629. 58 Zum Schweizer Recht: Ackermann Folie 35. 59 Zum Begriff: von Westphalen, Rn. 32 ff. 60 Sedlmeier, ASP-Magazin 6/2000, 96, 98. 61 Röhrborn/Sinhart CR 2001, 69, 70. 62 Paragraphen sind, soweit nicht anders gekennzeichnet, solche des BGB. 63 BGH 102, 144; BGH NJW 93, 3121. 64 Althaus II 2.

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auf dem Datenträgern des Empfängers darstellt 65. Aber unabhängig davon sei an

der Verkörperung nicht zu zweifeln, weil die Software ständig in den Datacentern

des ASP vorgehalten und nicht zum Kunden übertragen werde66.

Obwohl der Kunde demnach keine Programmkopie erhalte, mangele es nicht am

Merkmal der Gebrauchsgewährung. Es sei nicht erforderlich, den Besitz zu ver-

schaffen, bereits die bloße Zugangs- und Gebrauchsgewährung erfülle das Tatbe-

standsmerkmal67.

Ebenso berühre die simultane Nutzung der Software durch mehrere Anwender

nicht den mietrechtlichen Charakter, solange die anderen Anwender nicht in ihrem

Gebrauch beeinträchtigt werden68.

Demzufolge seien alle Merkmale eines Mietvertrages erfüllt. Eine Abgrenzung zum

Operating-Leasing, der kurzfristigen, bedarfsorientierten Bereitstellung von Gü-

tern69, könne dahingestellt bleiben, da es keine rechtlich relevanten Unterschiede

gäbe70.

Die Regeln der Rechtspacht kommen nicht zum Zuge, da dem Anwender übli-

cherweise nicht die Untervermietung oder Verpachtung gestattet werde und es

insoweit am erforderlichen Fruchtziehungs-recht gemäß § 581 I fehle71.

Ein Dienstvertrag könne nicht angenommen werden, weil er den Interessen des

Anwenders in keiner Weise gerecht werden würde; er verpflichtet den Anbieter

lediglich zu einem nicht erfolgsbezogenen Tätigwerden72.

Auch ein Werkvertrag scheide aus, da der Provider damit einen bestimmten Leis -

tungserfolg bzw. ein bestimmtes Arbeitsergebnis schulden würde. Da dies aber

von den Fähigkeiten und dem Tätigwerden des Anwenders abhänge, könne und

wolle der ASP nicht dafür einstehen73.

(2) Rechtspacht

65 Vgl. Marly A II 3 a cc m.w.N; Müglich, S. 126. 66 Alpert CR 2000, 345, 349; Koch ITRB 2/2001, 39, 40. 67 Bartsch CR 1994, 667, 671; Bettinger/Scheffelt CR 2001, 729, 731; Heymann CR 2000, 23, 25; Koch ITRB 2/2001, 39, 40; Röhrbon/Sinhart CR 2001, 69, 71. 68 Bettinger/Scheffelt CR 2001, 729, 732; Koch ITRB 2/2001, 39, 40. 69 Von Westphalen, Rn. 12 70 Rehmann; Sedlmeier, ASP-Magazin 6/2000, 96, 98. 71 Koch ITRB 2/2001, 39, 41; Rehmann; Röhrborn/Sinhart CR 2001, 69, 71. 72 Tobias Sedlmeier, Posting im Forum ASP-Magazin-Forum, 14.11.2000 http://www.asp-magazin.de/forum/topic.asp?TOPIC_ID=8&FORUM_ID= 8&CAT_ID=2&Topic_Title=ASP%2DVertragstyp&Forum_Title=ASP+Recht(10.10.01); vgl. auch Palandt-Thomas, Einf v § 631 Rn. 5. 73 Althaus II 2.

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Für eine andere Meinungsgruppe fallen ASP-Verträge unter den Anwendungsbe-

reich der Rechtspachtregeln. Ein Mietvertrag würde voraussetzen, daß der

Gebrauch des gemieteten Gegenstands tatsächlich gewährt wird. Im ASP-Modell

werde aber gerade nicht die Software überlassen, sondern der Anwender nutze

über eine Benutzeroberfläche die Software auf dem Server des ASP, nicht einmal

eine Kopie im Arbeitsspeicher sei notwendig74. Außerdem sprächen urheberrecht-

liche Gesichtspunkte gegen die Anwendbarkeit der §?535?ff?BGB, da das Vermiet -

recht ein Unterfall des Verbreitungsrechts gemäß §§ 69c Nr.2 S.1, 17 I UrhG sei,

es im Rahmen von ASP aber gerade an der vorausgesetzten körperlichen Verbrei-

tung fehle75. Auch sei Software eher nichtgegenständlich und daher dem Rege-

lungsbereich des Mietrechts entzogen76.

Hingegen können auch immaterielle Rechte Vertragsgegenstand des Pachtrechts

sein. Die erarbeiteten Daten und Ergebnisse des Programms stellen dabei die

Früchte der Software dar77. Im Ergebnis müsse also Pachtrecht angewendet wer-

den.

(3) Dienst- oder Werkvertrag

Schließlich wird die Ansicht vertreten, ASP richte sich nach Dienst- oder im Einzel-

fall ggf. nach Werkvertragsrecht78. Auch sie bestreitet unter Berufung auf die tech-

nischen Gegebenheiten, daß durch die Nutzung der Programme dem Kunden der

Gebrauch im Sinne des §?535 gewährt werde79. Ihm stünde das Programm nie

vollständig zur Verfügung, vielmehr werde es gleichzeitig von verschiedenen Nut -

zern in Anspruch genommen80. Der Kunde könne lediglich die Programme aufrufen

und für sich arbeiten lassen kann. Der ASP schulde dem Kunden daher die Diens-

te eines bestimmten Programmes, so daß Dienstvertragsrecht einschlägig sei81.

Damit verpflichte sich der ASP gegenüber dem Kunden zwar lediglich zum Tätig-

werden, dessen Interesse an einer rechtlich durchsetzbaren Nutzungsmöglichkeit

werde dennoch nicht beeinträchtigt. Dies sei eine Frage der Verfügbarkeit, die

74 Alpert CR 2000, 345, 349; Feil ASP. 75 Alpert CR 2000, 345, 349. 76 Alpert CR 2000, 345, 349; zweifelnd, im Ergebnis aber offen lassend: Sedlmaier ASP-Magazin 6/2000 96, 98 77 Feil ASP; Sedlmaier ASP-Magazin 6/2000 96, 98. 78 Klimek. 79 Klimek. 80 Redeker, Rn. 519, 629. 81 Klimek.

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zwar auch eine Hauptleistungspflicht darstelle, aber eben nicht typprägend sei.

Vielmehr liege der Schwerpunkt des Vertrags auf der Gestattung der Softwarenut -

zung, die nach Dienstvertragsrecht zu beurteilen sei82.

b) Stellungnahme

(1) Einordnung als Mietvertrag

Der herrschenden Meinung ist, was ASP ohne Zusatzleistungen betrifft, zuzustim-

men.

(a) Sachqualität

Die vorgebrachten Bedenken gegenüber der Sachqualität von Software können

nicht überzeugen. Ohne auf die diffizile Diskussion83 im einzelnen eingehen zu

wollen, sei lediglich auf zwei Punkte hingewiesen. Zum einen zeigt sich, daß Soft -

ware nur in verkörperter Form genutzt werden kann, auch ASP macht angesichts

der permanenten Speicherung in den Datacentern84 insoweit keinen Unterschied.

Es bestätigt sich also, daß die Verkörperung für Software wesentypisch und damit

auch prägend für die Sachqualität ist.

Zum anderen, und das ist aus Sicht der Praxis entscheidend, sieht sich die Ge-

genmeinung mit einer mittlerweile gefestigten Rechtsprechung konfrontiert, die die

Sachqualität im allgemeinen85 als auch im Zusammenhang mit der zeitweiligen

Softwareüberlassung86 bejaht.

(b) Gebrauchsgewährung

Dem Einwand der Mindermeinung, der Softwaregebrauch i.S.d. §?535 BGB werde

nicht gewährt, ist zunächst einmal zuzugeben, daß dem Anwender jedenfalls kein

Besitz an der Software verschafft wird. Denn nach dem oben gesagten ist die

Software nicht auf dem Rechner des Anwenders, sondern lediglich auf den ASP-

seitigen Servern verkörpert. Mangels Sachherrschaft 87 übt der Anwender keinen

Besitz aus.

82 Klimek, Posting im Forum ASP-Magazin, 14.11.00, http://www.asp-magazin.de/ forum/topic.asp?TOPIC_ID=8&FORUM_ID=8&CAT_ID=2&Topic_Title =ASP%2DVertragstyp&Forum_Title=ASP+Recht (22.10.01) 83 Zum Meinungsstand: Marly A II 2 a bb m.w.N. 84 Siehe oben unter C II 2. 85 BGH GRUR 1985, 1055ff; BGHZ 102, 135 ff; BGHZ 109, 97 ff. 86 LG Köln CR 1996, 154; BGH CR 1990, 24; BGH CR 93, 681. 87 Siehe oben unter C II 2.

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Es bedarf also der Auslegung des Begriffes “Gewährung des Gebrauchs”, um zu

klären, inwieweit der Online-Zugang zur Software dem entspricht. Vom Wortlaut

her ist jedenfalls keine Verschaffung der Sachherrschaft notwendig, so kann sich

der Gebrauch, also die Verwendung oder Benutzung eines Gegenstandes, auch

auf immaterielle Dinge (z.B. Namen) erstrecken. Auch verwendet der Gesetzgeber,

soweit er die Besitzverschaffung meint, den Begriff der Übergabe (vgl. §§ 433,

929). Im Mietrecht benutzt er aber ausschließlich o.g. Terminologie, so daß die

Abweichung nicht nur begrifflicher Art ist. Unter teleologischen Gesichtspunkten

spielen zwei Aspekte eine Rolle. Zum einen verfolgt der Mietvertrag das Ziel, dem

Mieter die eigenverantwortliche Benutzung bzw. Verwendung einer Sache im

Rahmen seiner wirtschaftlichen Zielsetzung zu ermöglichen, ohne ein dauerhaftes

Vollrecht erwerben zu müssen88. Es ist nicht ersichtlich, weshalb man dieses Inte-

resse nur durch Verschaffung des Besitzes befriedigen kann. Im übrigen sind die

Grundsätze der Vertragsfreiheit zu berücksichtigen.

Der Umfang des geschuldeten Gebrauchs bestimmt sich demnach immer nach der

vertraglichen Vereinbarung89. Im Rahmen des ASP kommt es dem Anwender

gerade darauf an, die Applikation für die eigene Zwecke nutzen zu können. Dar-

über hinausgehende, auch physische Zugriffsrechte etwa für Upgrade oder War-

tung lassen sich jedenfalls nicht auf den Parteiwillen stützen, würden sie doch die

Eigenart des ASP konterkarieren.

Im Ergebnis genügt der ASP seiner Gebrauchsgewährungspflicht also schon durch

die Gewährung des Online-Zugangs zur Software. Physische Zugriffsmöglichkeiten

fallen nicht unter den vertragsgemäßen Gebrauch, so daß keine Verschaffung des

Besitzes notwendig ist90.

(c) Mehrere Nutzer

Ebenso wenig ist die Exklusivität des Nutzungsrechts ein konstituierendes Merk -

mal des Mietvertrages91. Dafür geben weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck

des Gesetzes irgendwelche Anhaltspunkte. Vielmehr kommt es nach dem oben

88 König Rn 698. 89 Emmerich/Sonnenschein-Emmerich §§ 535, 536 Rn. 6; Palandt-Putzo § 535 Rn. 10; BGH WM 1989, 742. 90 Vgl. auch Staudinger-Emmerich §§ 535, 536 Rn. 23. 91 So aber Redeker Rn. 519.

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gesagten auf den individuellen Parteiwillen an92. Da im Rahmen von ASP der ver-

tragsgemäße Gebrauch durch die simultane Nutzung aber nicht tangiert wird93,

kommt es den Kunden nicht auf ein ausschließliches Gebrauchsrecht an, so daß

dieses auch nicht verschafft werden muß.

(d) Urheberrechtliche Einordnung

Die Kategorien des Urheberrechts, die das Vermietrecht als Art der körperlichen

Verbreitung auffassen, können nicht herangezogen werden94. Das Urheberrecht ist

auf den Schutz der Interessen des Urhebers ausgerichtet, die durch körperliche

und unkörperliche Verbreitungsarten unterschiedlich tangiert werden.

Das Zivilrecht hingegen erfaßt ökonomische Lebenssachverhalte und versucht die

Risiken adäquat zu verteilen. Zumindest im Rahmen eines Mietvertrages spielt der

Aspekt der körperlichen oder unkörperlichen Überlassung nach dem oben gesag-

ten keine Rolle95. Urheber- und Zivilrecht sind daher wesensverschieden. Aus der

Einordnung von ASP in das Raster des Urheberrechts können demzufolge keine

Rückschlüsse auf die zivilrechtliche Beurteilung gezogen werden.

(e) Sonstige Merkmale und Rechtsfolgenbetrachtung

Auch die übrigen Merkmale entsprechen dem in den §§ 535 ff BGB verankerten

gesetzlichen Leitbild96. So spiegelt sich das Merkmal der lediglich zeitweiligen,

nicht auf Dauer angelegten Überlassung (vgl. § 542) in den vereinbarten befriste-

ten Vertragslaufzeiten wider97. Der Zahlung des Mietzinses (vgl. § 535 II) entspricht

die periodische und vom jeweiligen Billing-Modell abhängige Zahlungsverpflichtung

des Anwenders 98.

Schließlich führt auch die grundsätzlich einzubeziehende Rechtsfolgenbetrachtung

zu keinem anderem Ergebnis. So soll nach dem Willen der Vertragsparteien der

ASP dafür sorgen, daß die Software ständig oder zumindest innerhalb eines ver-

einbarten Zeitrahmens zur Verfügung steht99. Im Falle der Nichteinhaltung redu-

92 Vgl. Palandt § 536 Rz. 6; RGZ 108, 204. 93 Siehe oben unter C II 2 94 So aber: Alpert CR 2000, 345, 349. 95 Siehe oben unter D II 1 b) (1) (d). 96 Vgl. Schneider I Rn. 341. 97 Leistungsschein 3.2. 98 Leistungsschein 4. 99 Leistungsschein 6.3.

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ziert sich die zu zahlende Vergütung100. Diese Regelungen korrespondieren mit der

mietvertraglichen Gebrauchserhaltungspflicht und dem damit zusammenhängen-

den Minderungsrecht (vgl. §§ 535, 536). Auch das üblicherweise vereinbarte Son-

derkündigungsrecht 101 sowie die nur eingeschränkten Weiterverfügungsrechte102

sind wesenstypisch für den Mietvertrag103.

(2) Ablehnung eines Pachtvertrag

Der von der Gegenmeinung favorisierte Pachtvertrag ist m. E. nicht einschlägig.

Zwar scheitert die Anwendbarkeit nicht schon an der Körperlichkeit der Software,

auch Sachen im Sinne des § 90 können Vertragsgegenstand sein104. Maßgebli-

ches Unterscheidungskriterium zum Mietrecht ist dann aber die Befugnis zur

Fruchtziehung (vgl. § 581).

Früchte i.S.d. § 90 sind die Erzeugnisse oder die Ausbeute einer Sache (§ 99 I),

oder die Erträge, welche eine Sache aufgrund eines Rechtsverhältnisses gewährt

(§ 99 III). Wie sich aus § 100 ergibt, können Früchte nicht mit bloßen Gebrauchs-

vorteilen, wie sie dem Mieter zukommen, gleichgesetzt werden. Während

Gebrauchsvorteile auf einer originären Leistung beruhen, auf der Benutzung der

Mietsache als Hilfsmittel, ergibt sich die Fruchtziehung geradezu bestimmungs-

gemäß aus der Eigenart der Sache oder des Rechts, aus dessen Beschaffenheit,

Eigenheit oder Einrichtung105.

Demnach sind die erarbeiteten Ergebnisse und Daten bloßes Resultat der originä-

ren Tätigkeit des Anwenders, der die Software lediglich als Werkzeug einsetzt106

und damit keine Früchte. Insoweit könnten lediglich Erträge aus Verwertungsrech-

ten an der Software, wie sie sich aus den §§ 15 ff UrhG ergeben, in Betracht kom-

men107. Derartige Rechte werden dem ASP-Anwender aber weder im allgemei-

nen108 noch im besonderen109 eingeräumt.

100 Rahmenvertrag, 4. 101 Rahmenvertrag, 7. 102 AGB, E 7.1. 103 Palandt-Putzo, Einf v § 535 Rn. 58ff; Schneider I Rn. 342 f. 104 Palandt-Putzo, § 581 Rn. 2 . 105 König, Rn. 698; BGH WM 81, 226. 106 So auch Koch Rn. 698, Paulus CR 1992, 1, 5. 107 Bartsch, CR 1992, 393, 397; Klimek Posting im Forum ASP-Magazin, 14.11.00, http://www.asp-magazin.de/forum/topic.asp?TOPIC_ID=8&FORUM_ID=8&CAT_ID=2& TopicTitle=ASP%2DVertragstyp&Forum_Title=ASP+Recht (25.10.01); Koch Rn. 698. 108 Koch ITRB 2/2001, 39, 41; Rehmann; Röhrborn/Sinhart CR 2001, 69, 71. 109 AGB E 7.1.

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(3) Ablehnung eines Dienstvertrags

Die Ansicht von Klimek , der ASP-Vertrag sei dem Dienstvertragsrecht zuzuordnen,

ist abzulehnen.

Selbst wenn der Provider die Dienste eines bestimmten Programmes schulden

würde110, wäre damit noch nichts über die Zuordnung zu den §§ 611 ff gesagt.

Denn wesenstypisch für den Dienstvertrag ist die Erbringung von Leistungen

durch die andere Vertragspartei111, nicht aber die Bereitstellung von Diensten einer

Sache. Auch der Autovermieter schuldet dem Kunden die Dienste eines Autos,

ohne damit zur Dienstvertragspartei zu werden.

Der von Klimek angesprochenen Unterscheidung zwischen Verfügbarkeit der

Software und Gestattung der Nutzung fehlt sowohl der tatsächliche als auch der

rechtliche Anknüpfungspunkt. Die Überlassung von Sachen bzw. die Online-

Bereitstellung von Software setzt sich immer aus einem Element der Gestattung

und der tatsächlichen Verfügbarkeit zusammen. Beides findet sich jedoch im Miet -

vertrag wieder, sowohl die Nichtgestattung (Rechtsmangel und Erfüllungsverwei-

gerung)112 als auch die Nichtverfügbarkeit (Sachmangel oder Nichterfüllung) wer-

den geregelt.

Ungeachtet dessen spricht auch die Betrachtung der Rechtsfolgen gegen die An-

sicht von Klimek. Nach den §§ 611 ff würde der ASP seine vertraglichen Pflichten

schon dann erfüllen, wenn er Tätigkeiten zur Bereitstellung der Software ausführt,

ein bestimmtes Ergebnis wird nicht geschuldet. Verletzt er diese Pflicht nicht, müß-

te der Kunde die vereinbarte Vergütung zahlen, selbst wenn die Software nicht

oder nicht einwandfrei funktioniert. Die synallagmatische Verbindung von Verfüg-

barkeit und Vergütung prägt aber gerade das Vertragsverhältnis.

(4) Ablehnung eines Werkvertrags

Auch die Anwendung werkvertraglicher Regeln auf den ASP-Vertrag scheidet

letztendlich aus. Insoweit fehlt es mit der h. M.113 an der Vereinbarung, einen be-

stimmten Leistungserfolg herbeiführen zu wollen114. Die erarbeiteten Ergebnisse

selbst werden nicht vom Provider geschuldet, der Anwender arbeitet eigenverant -

110 Klimek. 111 Vgl. Palandt-Putzo Einf v § 611, Rn. 1. 112 Palandt-Putzo, § 542 Rn 5. 113 Siehe oben unter D II 1 a) (1). 114 Vgl. Palandt-Putzo Einf v § 631 Rn. 1.

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wortlich115. Ebensowenig kann der Erfolg mit der Verfügbarkeit eines bestimmten

Programms gleichgesetzt werden, denn damit wird keine werkvertragliche, son-

dern lediglich die mietvertragliche Gebrauchsgewährungspflicht umschrieben.

(5) Zwischenergebnis

Die rechtsdogmatische Einordnung zeigt nach alledem, daß die Erbringung von

reinen ASP-Leistungen dem gesetzlichen Typus des Mietvertrages entspricht. Eine

Abgrenzung zum Operating-Leasingvertrag ist weder nötig noch möglich, da sich

sowohl Voraussetzungen116 als auch Rechtsfolgen gleichen117.

c) Vergleich von ASP mit ähnlichen Formen der Softwareüberlassung.

Aus Sicht der Praxis stellt sich nun die Frage, ob dieses rechtsdogmatische Er-

gebnis im Einklang mit bereits ergangener Rechtsprechung steht. Mangels Ent -

scheidungen, die sich explizit mit ASP befassen, soll die Rechtsprechung und Lite-

raturmeinung zu ähnlich gelagerten Sachverhalten analysiert werden.

(1) Softwaremiete

Soweit man ASP als Variante des Softwarevertriebs auffaßt118, bietet sich ein Ver-

gleich mit der konventionellen Miete von Software an.

(a) Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Hier wie dort wird dem Anwender die Software zeitlich befristet bzw. unter Verein-

barung eines Kündigungsrechts gegen fort laufende Zahlung zur Verfügung ge-

stellt119. Der Anbieter bleibt Eigentümer, es erfolgt keine endgültige Übertragung

absoluter Rechte. Gleiches gilt für die Hardware, wenn diese ebenfalls vermietet

wurde. Weiterhin trifft den Vermieter die Pflicht zur Erhaltung der Mietsache, die in

Pflege- und Wartungsleistungen Gestalt findet.

Der Unterschied zu ASP zeigt sich im wesentlichen darin, daß sowohl Soft- als

auch Hardware vollständig beim Anwender stationiert sind und sich dem gemäß

115 Das erkennt auch Klimek an: Posting im Forum ASP-Magazin, 14.11.00, http://www.asp-magazin.de/forum/topic.asp?TOPIC_ID=8&FORUM_ID= 8&CAT_ID=2&Topic_Title=ASP%2DVertragstyp&Forum_Title=ASP+Recht (25.10.01). 116 Emmerich/Sonnenschein-Emmerich, Vor §§ 535, 536 Rn. 20. 117 Brox, BS 214a; Marly Rn. 183;von Westphalen Rn. 526 ff. 118 Glossner/Grzimek II. 119 Sickinger S. 9; Bömer S. 88.

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alle programmbezogenen Tätigkeiten dort abspielen. Es fehlt das Element der

Datenfernübertragung120. Daneben setzt Softwaremiete wegen der räumlichen

Zuordnung zwangsläufig eine Kopie für jeden Kunden voraus, One-To-Many Dist-

ribution ist damit ausgeschlossen.

(b) Einordnung durch die Rechtsprechung

Die Rspr. behandelt diese herkömmlichen Forme der befristeten Softwareüberlas -

sung übereinstimmend nach mietvertraglichen Regeln121. Für ASP kann trotz der

beschriebenen Besonderheiten nichts anderes gelten. Der Aspekt der Nutzung via

DFÜ berührt weder die Sachqualität noch die Subsumtion unter den Begriff der

Gebrauchsüberlassung. Auch das One-To-One Prinzip prägt nicht den Typus des

Mietvertrags122. Allenfalls ist zu beachten, daß sich bei der Abgrenzung von Ver-

antwortungssphären Unterschiede ergeben könne123, da sich die Software bei kon-

ventioneller Softwaremiete im Besitz des Mieters befindet. Die Rspr. zur konventi-

onellen Softwareüberlassung auf Zeit, steht der Bejahung des mietvertraglichen

Charakters von ASP also nicht entgegen. Unter Berücksichtigung der eben ge-

nannten Besonderheiten kann sie also zur haftungsrechtlichen Beurteilung von

ASP herangezogen werden.

(2) Outsourcing und Rechenzentrumsverträge

ASP ist aber auch eine Form des IT-Outsourcings124, d.h. der Auslagerung IT-

bezogener Aufgaben durch die Inanspruchnahme externer Anbieter125.

(a) Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Je nach Auslagerungstiefe unterscheidet man eine Vielzahl von Varianten126. Typi-

scherweise stellt aber der Outsourcer ebenso wie der ASP Anwendungen für den

Kunden zur Verfügung (Application Managment). Er übernimmt die Wartung, Pfle-

ge und Implementierung der Software127. Hinsichtlich der räumlichen Lage und des

120 Althaus B. 121 BGH WM 1984, 1092, 1093; OLG D’dorf CR 1989, 908; LG Köln CR 1996, 154; vgl. auch Koch Fn. 746 m.w.N. 122 Siehe oben unter D II 1 b) (1) (c). 123 Schneider M Rn. 7. 124 Glossner/Grzimek II; Stamm S. 59. 125 Hodel, S. 17; Horchler S. 1. 126 zu den Gründen: Klepper, 2.5. 127 Schott, 2.2.1.3.

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Eigentums an der Hardware werden sowohl anbieter- (sog. Application Hosting128)

als auch anwenderseitige Lösungen angeboten.

Eine von den möglichen Fallgestaltungen relativ überschaubarer Unterfall des IT-

Outsourcings sind die sog. Rechenzentrumsverträge. Sie bieten sich für eine ver-

gleichende Betrachtung an , da sie schon mehrfach Gegenstand gerichtlicher Ent -

scheidungen waren129. Beispiele für diese Form des Outsourcings gibt es viele130,

am bekanntesten ist wohl die Datev e.G. Der 1966 gegründete Zusammenschluß

von Steuerberatern bietet seit vielen Jahren berufsständische Datenverarbeitung,

insbesondere für Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer an. So sind

Programme zur Lohnbuchhaltung, Kostenrechnung, Steuerberechnung und Kanz-

leiorganisation online verfügbar131.

Ähnlich wie beim ASP stellt ein Rechenzentrum einem, üblicherweise aber einer

Vielzahl von Kunden Rechenzeit und -kapazität zur Verfügung. Die Kunden nut -

zen die installierte Software auf den Rechnern des Rechenzentrums, meistens

handelt es sich dabei um Standardanwendungen132. Die Eingabe bzw. Übermitt-

lung der Daten kann, wie beim ASP mittels Datenfernübertragung erfolgen, die

Übermittlung von Programmkopien ist insoweit nicht erforderlich133. Auch finden

sich Elemente des Pay-As-You-Go Prinzips, wie z.B. Abrechnung nach Rechenzeit

oder nach Inanspruchnahme der Übertragungswege134.

Die Unterschiede zum ASP liegen oft im Detail und variieren je nach konkreter

Ausgestaltung des Rechenzentrumsbetriebs. So kann der Anwender die Software

durchaus selbst stellen135, so daß er Eigentümer und Nutzungsberechtigter der

Software wird136, aber auch die Anfangsinvestitionen tragen muß 137. Auch der Ar-

beitsanteil am Ergebnis der Datenverarbeitung hängt vom Einzelfall ab.

(b) Einordnung durch die Rechtsprechung

128 Wanke. 129 Kretschmer ASP-Magazin 6/2000, 16, 19. 130 Kretschmer ASP-Magazin 6/2000, 16, 18. 131 Kähler, ASP-Magazin 6/2000, 92, 93. 132 Schneider M 1 ff. 133 Vgl. Bartsch, CR 1994, 667, 671; Wanke. 134 Schneider M Rn. 2 ff. 135 Schneider M Rn. 4. 136 Allg. für Outsourcing: Cherrytree I, S. 2; Stamm S. 58. 137 Siemens AG: http://www.ic.siemens.com/CDA/Site/GHTML/box/1,1562,6387,00.html, (04.09.2001)

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Die Rspr. zeichnet dementsprechend ein recht uneinheitliches Bild von der

Rechtsnatur der Rechenzentrumsverträge138. So werden sie als Dienst139-,

Werk140-, Geschäftsbesorgungs 141- oder Mietverträge142 qualifiziert, wobei diffizile

Unterschiede in den Fallgestaltungen zu beachten sind.

Immer dann, wenn die Rspr. von einem Dienst oder Werkvertrag ausging, er-

schöpfte sich der Sachverhalt nicht in der bloßen Bereitstellung von Rechenkapazi-

tät. Der Betreiber verpflichtete sich, Lohnabrechnungen, Mandantenbuchhaltung

und Finanzbuchhaltungen auf der Basis der vom Auftraggeber gelieferten Daten

vorzunehmen143. Dem Vertrag wohnte damit ein Erfolgselement dergestalt inne,

daß der Betreiber die zugrundeliegende betriebswirtschaftliche Aufgabe mittels

der bereitgestellten Software löst144. Die Mitwirkung des Auftraggebers beschränkt

sich auf die Ein- bzw. Übergabe der Daten, die Verarbeitung an sich entzieht sich

seiner Kontrolle und verläuft nach vorgegebenen Programmstrukturen145.

Anders beim ASP, in dessen Rahmen das Erfolgsrisiko beim Anwender verbleibt.

Er kann also nicht nur das Ob, sondern auch Art und Weise der Verarbeitung ges-

talten. Er muß also einen wesentlich größeren Anteil zur Lösung des Problems

beitragen, der ASP gibt ihm lediglich die Mittel an die Hand146.

Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen dem ASP auf der einen

und Rechenzentrumsverträgen der oben beschriebenen Art auf der anderen Seite,

der sich auch in der Beurteilung der Rspr. niederschlägt. Sie qualifiziert Rechen-

zentrumsverträge wegen des Erfolgsmoments größtenteils und folgerichtig als

Werkvertrag147, aufgrund der Sachverhaltsunterschiede aber ohne Präjudiz für die

Einordnung von ASP.

Fallkonstellationen, die dem ASP näher kommen, hat die Rspr. soweit ersichtlich

bisher in zwei Entscheidungen behandelt. Im Fall des OLG Hamm148 stellte ein

Dienstleister seinem Kunden exklusiv Datenverarbeitungsanlagen zur Abrechnung

138 Vgl. Schneider M Rn. 15. 139 LG D’dorf Zahrnt DV-Rspr. RZ-2; LG Osnabrück Zahrnt DV-Rspr. RZ-1. 140 LG Duisburg, Zahrnt DV-Rspr. RZ-3; OLG D’dorf Zahrnt DV-Rspr. RZ-5; AG Singen Zahrnt DV-Rspr. RZ-8 ; OLG Frankfurt Zahrnt DV-Rspr. RZ-12. 141 LG Traunstein; LG Baden-Baden Zahrnt DV-Rspr. RZ-15. 142 BGH NJW –RR 1993, 178; OLG Hamm CR 1989, 910. 143 Vgl. nur OLG Frankfurt Zahrnt DV-Rspr. RZ-9; AG Singen Zahrnt DV-Rspr. RZ-8; OLG D’dorf Zahrnt DV-Rspr. RZ-5. 144 Schneider M Rn. 6. 145 Althaus II 1. 146 Althaus II 1; Schneider M 6. 147 LG Duisburg, Zahrnt DV-Rspr. RZ-3; OLG D’dorf Zahrnt DV-Rspr. RZ-5; AG Singen Zahrnt DV-Rspr. RZ-8 ; OLG Frankfurt Zahrnt DV-Rspr. RZ-12. 148 OLG Hamm CR 1989, 910

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von Laborleistungen zur Verfügung. Die Computer befanden sich in den Räumen

des Auftragnehmers. Er verpflichtete sich vertraglich, nicht näher spezifizierte Leis -

tungen für den Auftraggeber durchzuführen, daneben waren aber auch Mitarbeiter

des Auftraggebers an der Anlage tätig. Das Gericht ordnete den Vertrag als Miet -

vertrag ein und betonte, daß die Gewährung des Gebrauchs im Vordergrund ste-

he149.

Wenn also schon in diesem Fall das tätigkeitsbezogene Element nicht ausschlag-

gebend ist, dann gilt das erst für ASP, da hier die Datenverarbeitungsvorgänge in

erster Linie dem Auftraggeber obliegen. Diese Entscheidung steht also den Mei-

nungen, die tätigkeitsbezogene Vertragstypen wie Werk oder Dienstvertrag favori-

sieren, entgegen.

Noch deutlicher wird der BGH150 in einem von ihm entschiedenen Fall. Dabei ging

es um die Bereitstellung von Großrechnern im Rechenzentrum eines Betreibers.

Der Kunde nutzte zu bestimmten Tageszeiten die Rechenkapazität für seine eige-

nen gewerblichen Zwecke, entweder durch seine vor Ort anwesenden Mitarbeiter

oder Online über Datex -P. Der BGH kam zu dem Schluß, daß dieser Sachverhalt

als Mietvertrag zu qualifizieren sei, wobei er sich allerdings nur auf die Rechenka-

pazität, also die Hardware bezog151. Auf den Aspekt der Softwareüberlassung ging

er nicht ein. Da aber auch Software nach ganz h.M. Sachqualität besitzt, wirkt sich

dieser Umstand m. E. nicht aus. Deutlich wird auch hier, daß nicht Dienstleistun-

gen, sondern die Gebrauchsüberlassung im Vordergrund steht. Des weiteren hat

der BGH keine Bedenken, trotz der Online-Nutzung das Merkmal der Gebrauchs-

gewährung zu bejahen, auf die Verschaffung des Besitzes kommt es mithin nicht

an.

(3) Verträge über Online-Datenbanken

Auch die Bereitstellung von Online-Datenbanken – prominentes Beispiel ist juris -

bietet sich als Vergleichsobjekt an, selbst wenn sich die Rspr. bisher noch nicht

mit den vertraglichen Beziehungen zwischen Nutzer und Anbieter auseinanderge-

setzt hat. Denn zumindest in die Literatur finden sich zahlreiche Autoren, die sich

des Themas angenommen haben .

149 OLG Hamm CR 1989, 910, 911. 150 BGH NJW – RR 1993, 178. 151 BGH NJW – RR 1993, 178.

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(a) Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Im Rahmen von Online-Datenbanken hält der Anbieter auf seinen Servern Daten-

banken zum Zugriff über das Internet bereit.

Zur Recherche ist eine Abfrage-Software (Retrievalprogramm) erforderlich, die der

Nutzer durch die Eingabe von Befehle und Suchbegriffen fernsteuert 152. Hier findet

sich also die Schnittstelle zum ASP, greift der Anwender doch mittels DFÜ auf

Software zu, die sich auf Servern des Anbieters befinden. Weder benötigt der Nut -

zer bis auf einen Browser und Netzzugang eigene Infrastruktur, noch muß er sich

um die Funktionsfähigkeit der Datenbank kümmern. Auch die anderen Elemente

des ASP‘s liegen vor: Die Gebrauchsüberlassung ist zeitlich auf die Laufzeit des

Vertrages befristet, die Bezahlung erfolgt je nach tatsächlicher Inanspruchnahme

und die Datenbank wird einer Vielzahl von Anwendern zur Verfügung gestellt.

Im Unterschied zum ASP ist die Applikation allerdings nur Mittel zum Zweck, der

eigentliche Wert liegt im Zugriff auf die gespeicherten Daten und Informationen.

Nichtsdestotrotz kann man aber zwischen zwei Komponenten, dem ASP-

typischen Zugriff auf die Infrastruktur der Datenbank auf der einen und der

Informationsbeschaffung auf der anderen Seite unterscheiden153.

(b) Einordnung durch die Literatur

Teile der Literatur lassen die Einordnung eines entsprechenden Vertrags schlicht-

weg offen154. Sieber charakterisiert ihn als Typenkombinationsvertrag, ohne die

Frage nach den Rechtsfolgen zu beantworten155. Müller erkennt zwar an, daß die

Komponente der Bereithaltung der Datenbank Dauerschuldcharakter habe, will

aber je nachdem, welche Regelungen auf einzelne Leistungen besser passen,

miet-, pacht- oder dienstvertragliche Vorschriften anwenden156. Die alleinige Ein-

ordnung als Mietvertrag lehnen beide Autoren ab, da der Nutzer keine physischen

Kontrolle bzw. Verfügungsgewalt über Datenbank, Speicher und Server habe157.

152 Mehrings NJW 1992, 3102, 3105. 153 Mehrings NJW 1992, 3102, 3105. 154 Schuster-Müller Rn. 75; Sieber CR 1992, 518, 523. 155 Sieber CR 1992, 518, 523. 156 Schuster-Müller Rn. 75. 157 Schuster-Müller Rn. 75; Sieber CR 1992, 518, 523.

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Eine andere Meinungsgruppe nimmt auf der Grundlage des Dauerschuldcharak-

ters einen Pachtvertrag an158. Das einzelne Rechercheergebnis sei die aus der

gepachteten Datenbank gezogene Frucht159.

Für die vertragstypologische Einordnung des ASP‘s sind die genannten Ansichten

nur bedingt aufschlußreich. Das Argument der fehlenden Verfügungsgewalt kann

nach dem oben gesagten nicht überzeugen160. Dieser Ansicht ist offenbar auch die

letztgenannte Meinungsgruppe, da ein Pachtvertrag ebenfalls eine mit § 535 iden-

tische Gewährung des Gebrauchs voraussetzt161. Hingegen ergeben sich aus der

Bejahung der Fruchtziehungen keine Implikationen für ASP. Denn die Informatio-

nen entspringen der Eigenart des Datenbank und beruhen, anders als das Ergeb-

nis des ASP, nicht auf einer eigenständigen Schöpfungshandlung des Anwenders.

Zusammenfassend spricht die erstgenannte Auffassung nicht gegen die mietrecht -

liche Einordnung des ASP, während die letztgenannte unter Berücksichtigung der

für Datenbanken geltenden Besonderheiten das gefundene Ergebnis eher bestä-

tigt.

(4) Ergebnis des Vergleichs

In konsequenter Weiterführung der geschilderten Entscheidungen und Literaturan-

sichten ist also davon auszugehen, daß die Rspr. ASP im Ergebnis wohl dem

Mietvertragsrecht unterwerfen wird. Dabei können die Entscheidungen zur kon-

ventionellen Softwareüberlassung auf Zeit unter Einschränkungen auf ASP ange-

wendet werden 162.

2. BEREITSTELLUNG DER HARDWARE

Für die Überlassung der ASP-eigenen Server im Wege des Online Zugriffs kann

nach dem oben gesagten nichts anderes gelten. Insoweit ist mit dem BGH163 da-

158 Kilian/Heussen-Moritz Kap. 42 Rn. 31; Mehrings NJW 1992, 3102, 3105. 159 Kilian/Heussen-Moritz Kap. 42 Rn. 31. 160 S. oben unter D II 1 b) (1) (b) 161 Erman-Jendrek § 581 Rn. 11. 162 So auch Althaus II 2. 163 BGH NJW-RR 1993, 178.

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von auszugehen, das der rechtliche Schwerpunkt der Überlassung von Hardware-

kapazitäten im Mietrecht liegt 164.

Die sonst so diffizile Frage, ob Software und Hardware gewährleistungsrechtlich,

beispielsweise im Falle der Kündigung oder Minderung, eine Einheit bilden165, läßt

sich zumindest vom Ergebnis her relativ leicht beantworten. Hardware- und Soft -

wareüberlassung werden durch die selbe Vertragsurkunde verklammert, auch die

Preisstruktur differenziert nicht zwischen beiden Elementen. Die Idee des ASP

beruht auf der einheitlichen Überlassung von Soft- und Hardware, für den Anwen-

der besteht nicht einmal die technische Möglichkeit einer getrennten Nutzung. Daß

diese Einheit auch auf das Gewährleistungsrecht durchschlägt, läßt sich rechtlich

auf den insoweit maßgeblichen Parteiwillen stützen166, da eine getrennte rechtliche

Behandlung den Anwender unangemessen benachteiligen würde.

3. ERGEBNIS: ASP I.E.S. IST MIETE

Sowohl die rechtsdogmatischen Überlegungen als auch die Analyse der Rspr. und

Literatur haben gezeigt, daß die Überlassung von Software inklusive der benötig-

ten Rechnerkapazitäten ohne weitere Zusatzleistungen dem Wesen des Mietver-

trages entspricht.

III. ZUSATZLEISTUNGEN

Damit ist aber nur ein Teilbereich des ASP beschrieben. Die eigentliche Schwierig-

keit bei der Bestimmung der einschlägigen Haftungsgrundlagen besteht darin, die

diversen Zusatzleistungen in das Haftungsgefüge einzuordnen.

1. VERHÄLTNIS ZUR HAUPTLEISTUNG

ASP ist ein typengemischter Vertrag167, dessen rechtliche Behandlung keiner ein-

heitlichen Linie folgt. Die starren Vorgaben der früher dazu vertretenen Theorien,

der Absorptionstheorie und der Kombinationstheorie168, sind einer flexiblen Einzel-

fallbetrachtung unter Berücksichtigung des Parteiwillens gewichen169. Eine gewisse

Richtschnur soll aber die Klassifizierung der typengemischten Verträge bieten.

164 Althaus II 1; i. E. auch Paulus, CR 1992, 1 ff; Schneider M Rn 15. 165 Marly Rn. 244 ff; Moritz / Tybusseck Rn. 40 ff; Schneider D Rn. 461 ff. 166 Vgl. Moritz/Tybusseck Rn. 81; Schneider D Rn. 488. 167 Zum Begriff Palandt-Heinrichs Einf v. 305 Rn. 19 ff; MüKo-Thode § 305 Rn. 40 ff. 168 Vgl. MüKo-Thode § 305 Rn. 45m.w.N. 169 Palandt-Heinrichs Einf v. 305 Rn. 24; vgl. MüKo-Thode § 305 Rn. 45; Ermann-Battes Einl § 305 Rn. 22.

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a) Andersartige Hauptleistungen

In Betracht kommt hier zum einen ein Kombinationsvertrag bzw. ein gemischter

Vertrag i.e.S., der sich dadurch auszeichnet, daß eine Partei mehrere, verschiede-

nen Vertragstypen entsprechende Hauptleistungen schuldet 170. Unter Hauptleis-

tungspflichten werden in erster Linie die den Vertragstyp charakterisierenden Ver-

pflichtungen verstanden. Verletzungen werden mit Gewährleistungsansprüchen

und Ansprüchen aus den §§ 320 ff sanktioniert 171. Bei diesen Kombinationsverträ-

gen ist grundsätzlich das Recht des jeweils einschlägigen Vertragstyps heranzu-

ziehen. Kollidieren die Vorschriften, so soll das Recht der Hauptleistungspflicht

ausschlaggebend sein, die den rechtlichen oder wirtschaftlichen Schwerpunkt des

Vertrages bildet172.

b) Andersartige Nebenleistungen

Zum anderen könnten die Zusatzleistungen des ASP aber auch bloße, eigentlich

einem anderen Vertragstyp zuzuordnende Nebenleistungen zum Mietvertrag dar-

stellen. Nebenleistungen oder auch selbständige Nebenpflichten stehen zu den

Hauptpflichten in einem Über-Unterordnungsverhältnis.

Sie dienen der Vorbereitung, Durchführung und Sicherung der Hauptpflicht 173 und

gewähren selbständig klagbare Erfüllungsansprüche174. Ihre Verletzung löst An-

sprüche aus Verzug, Unmöglichkeit oder pVV aus175.

Nach einer Meinungsgruppe werden diese sog. typischen Verträge mit andersarti-

gen Nebenleistungen rechtlich genauso wie Typenkombinationsverträge behan-

delt176. Eine andere Ansicht hält hingegen grundsätzlich das Recht des Hauptver-

trages auch auf die Nebenleistungen anwendbar177.

Letzterer Ansicht ist zuzugeben, daß sie Inkonsistenzen vermeidet. So ist nach

der Gegenauffassung auf die atypischen Nebenleistungen grundsätzlich das Recht

des entsprechenden Vertrages anwendbar. Damit könnten bei ihrer Verletzung, im

170 Vgl. MüKo-Thode § 305 Rn. 44. 171 MüKo-Kramer § 241 Rn 15; Palandt-Heinrichs Einl. v § 241 Rn. 6. 172 MüKo-Thode § 305 Rn. 45; Palandt-Heinrichs Einf v. 305 Rn. 25; BGH NJW 1981, 342. 173 MüKo-Kramer § 241 Rn 15; Palandt-Heinrichs Einl. v § 241 Rn. 6. 174 Ermann-Werner § 242 Rn. 69; MüKo-Kramer § 241 Rn. 18; Palandt-Heinrichs § 242 Rn. 25. 175 Ermann-Werner § 242 Rn. 69. 176 Palandt-Heinrich Einf v § 305, Rn. 25 m.w.N. 177 MüKo- Battes § 305 Rn. 43.

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Gegensatz zu typischen Nebenleistungen, Gewährleistungsansprüche geltend

gemacht werden, womit letztendlich der Unterschied zu Hauptleistungspflichten

verwischt wird178. Trotzdem ist der ersten Auffassung der Vorzug zu geben, da sie

durch die Berücksichtigung des Parteiwillens eine flexible Lösung ermöglicht.

c) Unselbständige Nebenpflichten

Daneben existieren noch unselbständige Nebenpflichten bzw. weitere Verhaltens-

pflichten, die dem Schutz der Rechtsgüter des Vertragspartners dienen179. Ihre

Erfüllung kann grundsätzlich nicht im Wege der Unterlassungs- oder Verpflich-

tungsklage durchgesetzt werden180, ihre Verletzung wird lediglich durch Schaden-

ersatzansprüche aus pVV sanktioniert181. Eine Differenzierung zwischen vertragsa-

typischen und -typischen Nebenpflichten kann unterbleiben, da sie unabhängig

vom Vertragstyp lediglich Ansprüche aus pVV auslösen.

d) Modifikationen des Mietrechts

Schließlich sind die “Zusatzleistungen” abzugrenzen, die lediglich Modifikationen

der mietvertraglichen Rechte und Pflichten darstellen und damit ohne weiteres den

Regelungen der §§ 535 ff unterfallen182. Dies wird sich danach bestimmen, ob die

Parteien das in den §§ 535 vorgegebene Rechtsfolgenspektrum für ausreichend

erachteten oder zusätzliche Sanktionen vereinbaren wollten.

2. EINORDNUNG DER ZUSATZLEISTUNGEN

Es ist also notwendig, die verschiedenen Zusatzleistungen in die einzelnen Kate-

gorien schuldrechtlicher Verpflichtungen einzuordnen. Services, wie der Zugang

zum Internet 183 oder die Registrierung und Konnektierung von Domainnamen184

sollen unbeachtet bleiben, da sie entweder lediglich optional angeboten werden185

oder untypisch für ASP sind.

Da die Erklärungen der Parteien gemäß §§ 133, 157 unter Berücksichtigung von

Treu und Glauben ausgelegt werden müssen, richtet sich die Einordnung nach

178 Vgl. das Beispiel bei Ermann-Battes Einl § 305 Rn. 23. 179 Palandt-Heinrichs Einl v § 241 Rn. 7. 180 Ehrmann-Werner § 242, Rn. 45; MüKo-Roth § 242 Rn. 209; Palandt-Heinrichs § 242 Rn. 25 jeweils m.w.N. 181 MüKo-Thode § 284 Rn. 3. 182 Lediger, Leßmann Folie 5. 183 Vgl. Leistungsschein 2.1.5. 184 Vgl. Leistungsschein 2.1. 185 Vgl. auch: Leistungsschein 2.1.4.

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dem Parteiwillen186. Für die einzelnen, im Rahmenvertrag und Leistungsschein

beschriebenen Leistungen der EINSTEINet ergibt sich mithin folgendes:

a) Hotline

EINSTEINet stellt seinen Kunden eine Support Hotline zur Verfügung187. An Werk-

tagen kann er sich mit Rechnungs- und kaufmännischen Fragen sowie wegen

Produktinformationen und Vertragsänderungen unentgeltlich an die Mitarbeiter der

EINSTE INet wenden. Störungsmeldungen werden rund um die Uhr an 7 Tagen die

Woche ebenfalls ohne gesonderte Vergütung bearbeitet. Bei sonstigen Problemen,

insbesondere mit der Bedienung der Software, kann die Hotline gegen Bezahlung

in Anspruch genommen werden188.

Dieser Unterstützungsservice der EINSTEINet stellt nicht lediglich eine unklagbare

Nebenpflicht dar. Da die betrieblichen Abläufe des Kunden durch eine Störung des

ASP-Services lahmgelegt werden können, benötigt er zwingend einen direkten,

effizienten und hochverfügbaren Kommunikationskanal zum ASP. Diesen lediglich

durch Sekundaransprüche abzusichern, würde letztendlich dazu führen, daß er bei

längeren Ausfällen der Hotline auf die weitere Durchführung des ASP-Vertrages

verzichten müßte, um Risiken für sein Unternehmen abzuwenden. Nach dem Par-

teiwillen ist daher von einem klagbaren Anspruch auf Erfüllung des Hotlineservices

auszugehen. Dieser könnte als Neben- oder Hauptleistungspflicht ausgestaltet

sein. Angesichts des Umstandes, daß die Hotline nach dem eben gesagten ein

integraler Bestandteil des ASP-Konzeptes ist, prägt diese Pflicht den Vertrag als

solches. Sie zielt auch nicht lediglich auf die Absicherung der Hauptleistung bei

Störungen ab, vielmehr steht sie darüber hinaus für andere, nicht durch Mängel

induzierte Fragestellungen zur Verfügung. Die Bereitstellung der Hotline ist damit

eine Hauptpflicht189, die grundsätzlich rechtlich selbständig behandelt wird.

Nach ganz herrschender Meinung entspricht sie dem tätigkeitsorientierten Charak-

ter des Dienstvertrages, soweit nicht der Großteil der Fehlerbeseitigung ebenfalls

über diesen Kanal erledigt wird190. Dem ist auch im Fall der EINSTEINet zuzu-

stimmen, da hier die Störungen im Regelfall in den Datacentern behoben werden,

186 Vgl. MüKo- Kramer § 241 Rn. 16. 187 Rahmenvertrag 3.2. 188 Leistungsschein 6.4. 189 So auch Heymann, CR 2000, 23, 25. 190 Geißler 1.4.1; Lediger; Schneider D 262.

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die Hotline also keine unmittelbaren Anweisungen zur Fehlerbehebung gibt und

insoweit das erfolgsbezogene Moment eines Werkvertrages fehlt. Die Bereitstel-

lung der Hotline ist demzufolge nach Dienstvertragsrecht zu beurteilen .

b) Störungsbeseitigung / Wartung

Die Regelungen zur Störungsbeseitigung repräsentieren einen weiteren wichtigen

Baustein des ASP-Vertrages. Die EINSTEINet verpflichtet sich zum Austausch von

defekten Geräten in ihren Datacentern191. Updates, d.h. Servicepacks und Pat-

ches, die zum störungsfreien Betrieb notwendig sind, werden kostenlos implemen-

tiert192. Darüber verspricht EINSTEINet, Störungen im Rahmen eines sog. Eskala-

tionsstufenmodells zu beseitigen. Dazu werden die Fehler je nach Relevanz und

Dringlichkeit in verschiedene Kategorien (kritische Probleme, gefährdende Prob-

leme, Störungen, Beeinträchtigungen)193 eingeteilt. In Abhängigkeit von dieser

Einordnung muß EINSTEINet innerhalb eines definierten Zeitraumes bestimmte

Maßnahmen einleiten, die letztendlich den Fehler beseitigen sollen (Anruf entge-

gennehmen, weiterleiten, rückrufen, Störung beheben)194. Für Teile der ASP-

spezifischen Literatur steht bei diesen Leistungen der Aspekt der Herstellung der

Betriebsbereitschaft im Vordergrund. Sie verweisen auf den Meinungsstand zur

Verhältnis von Softwareüberlassungs- und Wartungsverträgen195 und schließen

daraus auf den werkvertraglichen Charakter196 der Störungsbeseitigung durch den

ASP.

Eine unreflektierte Adaption verbietet sich jedoch, da sich die zugrunde liegenden

Sachverhalte in wesentlichen Punkten unterscheiden. So ist die Rspr. in erster

Linie auf das Verhältnis von dauerhafter Softwareüberlassung und Wartung einge-

gangen197. Der Kaufvertrag kennt im Gegensatz zum Mietvertrag aber keine stän-

dige Gebrauchserhaltungspflicht, so daß die Annahme eines selbständigen War-

tungsvertrages naheliegt. Auch das Argument, daß Wartung und Überlassung in

getrennten Vertragswerken geregelt ist198, läßt sich zumindest nicht auf EINSTE I-

191 Leistungsschein 6.1. 192 Leistungsschein 6.2. 193 Rahmenvertrag 3.3. 194 Rahmenvertrag 3.4. 195 Vgl. Junker/Benecke Rn. 175; Marly Rn. 425 m.w.N; Zahrnt 13.3.1. 196 Röhrborn/Sinhart CR 2001, 69, 76. 197 Vgl. BGH Zahrnt DV-Rspr. W-5; vgl. auch Schneider K Rn. 76 m.w.N. 198 Vgl. OLG Stuttgart Zahrnt DV-Rspr. W-1.

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Net übertragen199. Es ist also zu prüfen, ob die oben beschriebenen Pflichten ledig-

lich eine Modifizierung der dem Mietrecht immanenten Gebrauchserhaltungspflicht

darstellt200. Soweit die mietrechtlichen Rechtsfolgen die Interessen der Parteien

hinreichend berücksichtigten, besteht kein Anlaß, darüber hinausgehende War-

tungsverträge zu schließen.

Faßt man die Wartungspflichten als Modifikation der mietrechtlichen Erhaltungs-

pflicht und damit gemäß § 535 I S.2 als Hauptleistungspflicht auf, so hat der Kun-

de, ebenso wie bei einem Werkvertrag, einen klagbaren Erfüllungsanspruch201.

Auch unter zeitlichen Gesichtspunkten ergeben sich keine Nachteile für den Kun-

den, da die Pflicht des § 535 I S.2 während der gesamten Dauer des Mietverhält -

nisses besteht 202. Im Falle von Leistungsstörungen mindert sich der Mietzins (§

536), der Vermieter macht sich bei Verschulden, Verzug oder anfänglichen Miet -

mängeln schadenersatzpflichtig (vgl. §?536a I) und dem Mieter stehen bei Verzug

mit der Mängelbeseitigung die Ersatzvornahme oder Kündigung offen (vgl. §§

536a II, 543?I, III). Eine werkvertragliche Ausgestaltung würde dem Kunden bis auf

das Wandlungsrecht, das von den Rechtsfolgen der Kündigung gleichkommt, kei-

ne zusätzlichen Rechte gewähren.

Hingegen deuten die Vertragsstrukturen darauf, daß die Parteien lediglich die miet -

rechtlichen Rechtsfolgen konkretisieren wollten. So sind die Regelungen integraler

Bestandteil des Vertrages und nicht von den anderen Pflichten drucktechnisch

abgesetzt203. Auch spricht der Rahmenvertrag nicht von Wartung oder Pflege,

sondern von der Behebung von Leistungsausfällen204 und sieht somit in den obi-

gen Leistungen lediglich eine Form der Gewährleistung für die ordnungsgemäße

Erfüllung der Hauptpflichten. Zudem erfolgt die Störungsbeseitigung kostenlos,

was ebenfalls gegen eine werkvertragliche Einordnung spricht.

Im Ergebnis ist nach alledem davon auszugehen, daß die Regelungen zur Stö-

rungsbeseitigung lediglich die mietrechtlichen Bestimmungen konkretisieren205.

199 Siehe Leistungsschein und Rahmenvertrag. 200 So auch Koch ITRB 2001, 39, 41. 201 Palandt-Putzo, § 536 Rn. 1. 202 Palandt-Putzo, § 536 Rn. 21. 203 Vgl. Leistungsschein 6. 204 Rahmenvertrag 3.4. 205 So auch Lediger; Schneider I Rn. 389 zur Kopplung von Miete und Pflegevertrag.

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c) Softwareupgrades

Gemäß Leistungsschein sind Softwareupgrades im Leistungsumfang enthalten

und werden vom Systemadministrator durchgeführt 206. EINSTEINet versteht unter

Upgrades neue Versionen von Software und grenzt sie dadurch von Updates, die

der Beseitigung von Fehlfunktionen dienen, ab207.

Aus diesem Grunde stellt die Klausel, die über die Erhaltung der Gebrauchstaug-

lichkeit hinausgeht auch keine bloße Spezifizierung des Gewährleistungsrechts

dar. Fraglich ist aber, ob die Vertragsklausel dem Kunden einen klagbaren An-

spruch auf einen Releasewechsel gibt. Zwar deuten sowohl der Begriff “Leis -

tungsumfang” als auch die AGB, wonach abgestimmt werden muß, wann die neue

Softwareversion dem Kunden zur Verfügung gestellt wird208, in diese Richtung. Auf

der anderen Seite verpflichten die AGB aber den Kunden zum Update209. Aller-

dings handelt es sich bei den Vertragsbedingungen um vorformulierte einseitige

Klauseln, die dem AGBG unterliegen. Ausgehend von der Unklarheitenregel des §

5 AGBG wird man daher zugunsten des Kunden einen klagbaren Updateanspruch

annehmen müssen.

Dieser ist m.E. als Hauptleistungspflicht ausgestaltet. Neue Versionen dienen nicht

unmittelbar der Sicherung der Hauptleistung, sondern ermöglichen es dem Kun-

den, in den Genuß von neuen Programmfunktionen zu kommen.

Hinsichtlich des damit anwendbaren Vertragsrechts kommt ein Werkvertrag- ge-

schuldet ist die ordnungsgemäße Installation der neuen Software- oder ein Miet -

vertrag in Betracht. Die herrschende Meinung nimmt letzteren an, da der Upgrade-

vertrag die Rechtsnatur des ursprünglichen Beschaffungsvertrages teile, es handle

sich lediglich um die Überlassung einer neuen Programmversion210.

Dieser Auffassung ist im Ergebnis auch zuzustimmen, da der Updateanspruch

letztendlich dem Kunden nur die Option einräumt, den Vertragsgegenstand aus-

zuwechseln. Würde man einen Werkvertrag annehmen, widersprächen dessen

Regelungen denen des fortbestehenden Mietvertrages. So wären von den §§ 631

ff nur anfängliche Mängel erfaßt, während das Mietrecht auch für nachträgliche

Mängel Gewährleistungsansprüche vorsieht. Nach dem oben gesagten211 sind

206 Leistungsschein 6.2. 207 Vgl. zur Begrifflichkeit: Schneider K 19 ff. 208 Leistungsschein 6.2, AGB A 3.1. 209 AGB A 3.2. 210 König Rn. 437; Zahrnt 14.2.1 (3); wohl auch Schneider K Rn. 60. 211 Siehe oben unter D III 1 a).

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diese Widersprüche unter Berücksichtigung des Parteiwillens nach dem Schwer-

punkt des Vertrages zu lösen. Insoweit ist zu beachten, daß die Installation der

neuen Version selbst nur Mittel zum Zweck der dauernden Gebrauchsüberlassung

ist. Dem Kunden kommt es darauf an, die neue Software für seine Zwecke ver-

wenden zu können, so daß der Schwerpunkt des Vertrages auf dem Mietrecht

liegt.

d) Datenschutz und Datensicherheit

Des weiteren treffen EINSTEINet eine Vielzahl von Pflichten zum Schutz der Da-

ten, sei es vor unberechtigten Zugriffen Dritter, Viren, Unglücksfällen oder techni-

schen Defekten212. Sie sichern zum einen die permanente Verfügbarkeit der Soft-

ware als auch die Integrität der vom Kunden generierten Daten. Diese Pflichten

stellen mithin typische Nebenpflichten in Form von Schutz- und Leistungssiche-

rungspflichten dar. Ob diese entgegen dem o.g. Grundsatz ausnahmsweise doch

klagbar sein können, ist in Literatur und Rspr. noch nicht abschließend geklärt 213.

Es zeichnen sich aber Tendenzen ab, unter dem Gesichtspunkt des vorbeugenden

Rechtsgüterschutzes bei Vorliegen einer konkreten Gefahr einen Erfüllungs- oder

Unterlassungsanspruch anzuerkennen214.

Diese Ansicht verdient hier unter zwei Aspekten den Vorzug. Zum einen haben die

Parteien die Schutzpflichten durch den Vertrag konkretisiert und damit deren Be-

deutung über das von § 242 gewährte Maß hinaus unterstrichen. Zum anderen ist

auch unter ökonomischen Gesichtspunkten schwer nachvollziehbar, weshalb die

Schadensliquidierung Vorrang vor der Schadensvermeidung genießen soll und

dem Betroffenen abverlangt wird, einen Eingriff in seine Interessen zunächst zu

dulden.

e) Data-Hosting

Eine weitere Leistungsgruppe bildet das Data-Hosting. Der technische Vorgang

des Senden und Versendens von Emails macht die (Zwischen-) Speicherung ein-

212 Leistungsschein 2.1.6.; zu den sicherheitstechnischen Anforderungen: JAWS technologies S. 183ff. 213 Vgl. MüKo-Roth § 242 Rn. 209. 214 MüKo-Roth § 242 Rn. 209; Palandt-Heinrichs § 242 Rn. 25.

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und ausgehender Emails auf den Servern des Anbieters notwendig215. Zu diesem

Zweck stellt EINSTEINet einen Mail-Server zur Verfügung216. Zudem können die

Kunden die Adressen ihrer Email Kontakte in entsprechenden Datenbanken auf

den Servern des ASP ablegen217

Terminologisch ist das Data-Hosting vom Data-Warehousing abzugrenzen. Letzte-

res umfaßt neben der bloßen Speicherung auch die Strukturierung, Organisation

und Verwaltung der Daten nach den Bedürfnissen des Anwenders 218.

Rechtstechnisch ist das Data-Hosting eine selbständige Nebenpflicht des ASP-

Vertrages. Ohne die Bereitstellung von Speicherplatz könnten Emails nur empfan-

gen werden, solange der Anwender online ist.

Dieser Service ermöglicht also erst die praktische Handhabung der Email-

Applikation und unterstützt insoweit die Hauptleistungspfl icht. Diese Funktion stellt

zugleich einen Eigenzweck dar, der über den bloßen Rechtsgüterschutz hinaus-

geht und die Bereitstellung von Speicherplatz von einer unselbständigen Neben-

pflicht abhebt.

Nach dem oben gesagten richtet sich die haftungsrechtliche Behandlung damit

grundsätzlich nach dem einschlägigen Vertragstyp. Insoweit werden verschiedene

Auffassungen vertreten. Eine weit verbreitete Ansicht sieht in der Bereitstellung

von Speicherplatz eine Gebrauchsüberlassung von Teilen eines Datenträgers, so

daß Mietrecht zur Anwendung kommen soll219. Eine andere Ansicht betont die

datensichernde Übernahme in die Obhut des ASP und schließt daraus auf einen

Verwahrungsvertrag i.S.d. § 688220. Das habe den Vorteil, daß der Provider schon

nach den gesetzlichen Bestimmungen die Daten weder selbst nutzen noch bei

Dritten hinterlegen darf (vgl. § 691 S.1). Im Rahmen von Webhosting-Verträgen,

die die Speicherung von Informationen wie Webseiten auf Rechner des Anbieters

zwecks Abrufbarkeit im WWW zum Gegenstand haben, wird zum Teil ein Werkver-

trag angenommen, da der Provider den Erfolg der Abrufbarkeit schulde221. Ein

Mietvertrag scheide aus, da keine Sache überlassen werde. Auch ein Verwah-

215 Zu den technischen Einzelheiten: Holtmann. 216 Siehe oben unter C III 2. 217 Vgl. Leistungschein 2.1.1. 218 Vgl. Mayr; Röhrborn/Sinhart CR 2001, 69, 73. 219 Röhrborn/Sinhart CR 2001, 69, 73. 220 Koch ITRB 2001, 39, 42. 221 Redeker Rn. 628.

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rungs vertrag sei nur bedingt tragfähig, da die Daten auch nach Abruf im Speicher

verbleiben können, was dem Begriff der Rückgabe i.S.d §§ 688ff widerspricht. Die

wohl überwiegende Ansicht zu Webhosting-Verträgen betont, daß die dauerhafte

Verfügbarkeit aus technischen Gründen nicht garantiert werden könne. Mangels

Erfolgsbezogenheit sei somit Dienstvertragsrecht einschlägig222.

M. E. ist die Einordnung als Verwahrungsvertrag vorzuziehen. Ungeachtet dessen,

ob der Speicherplatz eine Sache ist, tritt neben die Gebrauchsüberlassung die

Übernahme der Obhut, beispielsweise durch Datensicherungsmaßnahmen. Dieses

zusätzliche Element grenzt die Verwahrung vom Mietvertrag ab223. Ob die Definiti-

on der Rückgabe dem entgegensteht, ist zweifelhaft, könnte doch der Zugang als

Minus zum Recht der jederzeitigen Rückforderung gemäß §?695 aufgefaßt oder

zumindest abweichend vereinbart werden. Die Argumentation der Ansichten zu

Webhosting-Verträgen kann nicht ohne weiteres auf ASP übertragen werden. Dort

nämlich spielt das Element der Abrufbarkeit für alle Internetnutzer die entschei-

dende Rolle, was nicht auf ASP zutrifft. Die bloße Abrufbarkeit für den Nutzer geht

hingegen im verwahrungsrechtlichen Element der Gebrauchsüberlassung bzw. des

Rückforderungsrechts auf.

Damit findet nach der hier vertretenen Auffassung auf das Data-Hosting im Rah-

men des ASP Verwahrungsrecht Anwendung.

f) Versenden und Empfangen von Email

Wie bereits erwähnt stellt EINSTEINet auch Mailserver zur Verfügung. Neben der

Funktion der Zwischenspeicherung übernehmen diese auch das Versenden und

empfangen der Emails. Für das Messaging-Paket ist diese Funktionalität unab-

dingbar und damit eine typenprägende Hauptpflicht. Vertragsrechtlich kommt in-

soweit ein Dienst- oder Werkvertrag in Betracht. M. E. entspricht das Senden und

Empfangen der Emails mittels der Posteingangs- und Ausgangsserver am ehesten

einem Dienstvertrag. Der ASP kann mangels Funktionsherrschaft den Transport -

vorgang zum Empfänger bzw. vom Absender außerhalb der eigenen Server nicht

beeinflussen. Damit kann und will er auch nicht für den Erfolg des Zugangs oder

222 Hoeren/Sieber-Kormanicki Abschn. 12 Rn. 57 f; a. A. Redeker Rn. 628, m.w.N für die Gegenmeinung. 223 Palandt-Thomas Einf. v § 688 Rn. 2.

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Empfangs einstehen. Der ASP schuldet daher nur ein Tätigwerden in Hinblick auf

den Sende- oder Empfangsvorgang.

g) Vorbereitende Maßnahmen

Abschließend seien noch die Leistungen erwähnt, die EINSTEINet im Vorfeld des

eigentlichen ASP erbringt. So erfaßt EINSTEINet bei Bedarf und entgeltlich die

bestehende Infrastruktur in Form einer Ist-Analyse224. Auch installiert sie die erfor-

derliche Hardware (Thin-Clients) und Software (Browser oder andere Clients) und

überführt auf Wunsch bestehende Daten des Auftraggebers in die Datacenter-

Umgebung225.

Da diese Maßnahmen allesamt der Vorbereitung der Hauptpflicht dienen, sind sie

Nebenleistungen und damit selbständig klagbar.

Die Ist-Analyse entspricht am ehesten dem Dienstvertrag, da ein Tätigwerden ge-

schuldet wird. In Hinblick auf die Installationsleistungen gilt nach herrschender

Meinung Werkvertragsrecht, erfolgsbezogen geschuldet wird die Herstellung der

Betriebsbereitschaft226. Gleiches gilt für die Migration der Daten.

IV. EINHEITLICHER MIETVERTRAG

Schließlich bleibt im Rahmen der vertragstypologischen Einordnung zu klären, ob

der ASP-Vertrag lediglich einen Rahmenvertrag darstellt, innerhalb dessen mit

jedem Einwahlvorgang ein neuer Mietvertrag abgeschlossen wird. Eine derartige

Beschränkung der eigentlichen Vertragsbeziehung auf den Zeitraum der tatsächli-

chen Inanspruchnahme ist nicht von vornherein abwegig, da die Bezahlung eben-

falls an die Nutzungsdauer gekoppelt ist227. Als Folge dieser Konstruktion, die als

Wiederkehrschuldverhältnis228 bezeichnet wird, würde die verschuldensunabhän-

gige Haftung des Vermieters für anfängliche Mietmängel (vgl. § 536 a I 1. Alt.) mit

jedem Login-Vorgang erneut beginnen.

Die ASP-spezifische Literatur nimmt jedoch zu Recht einhellig einen einheitlichen

Vertrag an229. Sie verweist darauf, daß der Parteiwille nicht auf den Abschluß meh-

224 Vgl. Leistungsschein 5.1. 225 Vgl. Leistungsschein 5.2. 226 Koch Rdn. 151. 227 Siehe oben unter C II 2. 228 Vgl. MüKo-Kramer Einl v § 241 Rn. 86; Palandt-Heinrichs Einf v § 305 Rn. 30. 229 Althaus; Röhrborn/Sinhart CR 2001, 69, 71.

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rerer Einzelverträge gerichtet ist und ein entsprechendes konkludentes Angebot

durch das Einloggen auf eine reine Fiktion hinausliefe. Dieser Vorgang diene ledig-

lich der Identifizierung. Zudem sei es dem Anwender jederzeit möglich, auf die

Software zuzugreifen, so daß er ein dauerhaftes Nutzungsrecht besitze.

Zur Untermauerung dieser Argumentation sei noch folgendes hinzugefügt: Zwar

bezeichnet EINSTEINet einen Teil des Vertragswerkes als Rahmenvertrag, er

bildet aber nur die rechtliche Klammer für die einzelnen, in Leistungsscheinen kon-

kretisierten ASP-, Telekommunikations- und anderen IT-Leistungen230. Die Leis-

tungsscheine selbst unterscheiden nicht zwischen den einzelnen Einwahlvorgän-

gen. Zu berücksichtigen ist auch, daß die Figur des Wiederkehrschuldverhältnisses

von der Rspr. ursprünglich für Energie- oder Wasserversorgungsverträge entwi-

ckelt wurde, um ein insolvenzrechtliches Problem zu lösen231. Der Insolvenzverwal-

ter eines Kunden sollte weiterhin Erfüllung verlangen können, ohne die Masse mit

rückständigen Zahlungsverpflichtungen belasten zu müssen (vgl.

§?55?I?Nr.?2?InsO)232. Im Gegensatz zu den kontrahierungsverpflichteten Energie-

versorgern kann EINSTEINet aber im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

kündigen233. Dem Insolvenzschuldner bleibt es daher ohnehin verwehrt, Erfüllung

zu verlangen, so daß er von der geschilderten rechtlichen Konstruktion nicht profi-

tiert.

Es gibt nach alledem keine Anhaltspunkte, die auf einen Rechtsbindungswillen der

Parteien zum Zeitpunkt des Einwählens schließen lassen. Der ASP-Vertrag ist

daher mit der h. M. ein einheitlicher Mietvertrag, der dem Kunden das Recht zum

jederzeitigen Abruf der Leistungen gewährt.

E DIE VERTRAGLICHEN PFLICHTEN DES ASP

Im folgenden sollen nun die schuldrechtlichen Verpflichtungen der EINSTEINet,

wie sie sich aus dem Vertrag und der zugrundeliegenden rechtlichen Einordnung

ergeben, dargestellt werden. Im Mittelpunkt sollen insoweit die ASP-Leistungen

i.e.S.234 stehen, da sie den Charakter des ASP-Modells prägen.

230 Rahmenvertrag 1 u. 2. 231 RG 148, 330; Köln NJW 1981, 1105. 232 Vgl. MüKo-Kramer Einl v § 241 Rn. 86; Palandt-Heinrichs Einf v § 305 Rn. 30. 233 Vgl. Rahmenvertrag 7 (c). 234 Siehe oben unter C II.

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I. ANWENDBARKEIT DES AGBG

Von besonderer Bedeutung ist dabei, inwieweit die Vertragsregelungen in Einklang

mit den Vorgaben des AGB stehen.

Sowohl die Regelungen des Leistungsscheins als auch die des Rahmenvertrages

sind nach Auskunft von EINSTEINet vorformulierte Vertragsbedingungen für eine

Vielzahl von Verträgen. Gleiches gilt selbstredend für die AGB. Soweit im Einzelfall

keine Individualvereinbarungen getroffen wurden, ist der Anwendungsbereich des

AGBG eröffnet. Dabei finden gemäß § 24 AGBG die §§?2,?10,?11,?12?AGBG keine

Berücksichtigung, da die von EINSTEINet als Zielgruppe anvisierten klein- und

mittelständischen Betriebe235 in der Regel Kaufmannseigenschaft i.S.d. HGB besit-

zen. Kriterien für die inhaltliche Zulässigkeit von Klauseln leiten sich daher von § 9

AGBG ab, wonach der Vertragspartner nicht entgegen Treu und Glauben unan-

gemessen benachteiligt werden darf. Die Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grund-

gedanken des Gesetzes sowie vertragszweckgefährdene Einschränkungen von

Rechten und Pflichten widersprechen diesem Verbot. Auch im kaufmännischen

Verkehr können aber unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten die

Wertungen, wie sie sich aus den §§ 10, 11 AGBG ergeben, herangezogen wer-

den236.

II. GEBRAUCHSGEWÄHRUNGSPFLICHT

Gemäß § 535 ist der ASP verpflichtet, dem Kunden den Gebrauch der vermieteten

Software als auch der Hardware während der Mietzeit zu gewähren und sie in ei-

nem zu dem vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und

zu erhalten. Damit kann der Kunde neben den Sachmängelgewährleistungsrech-

ten auch die Erfüllung, also die Beseitigung auftretender Mietmängel verlangen237.

Die genaue vertraglich vorausgesetzte Beschaffenheit der Mietsache sollte durch

die Vertragsparteien spezifiziert werden, um Streitigkeiten über den Leistungsum-

fang vorzubeugen. Ohne genaue Definitionen oder andere Anhaltspunkte können

235 Vgl. EINSTEINet: http://www.einsteinet.de/de/warum_asp/asp_umfeld/ASP_Umfeld.asp; http://www.einsteinet.de/de/warum_asp/Warum_ASP.asp (22.11.01) 236 MüKo-Kötz § 9 AGBG Rn. 19 m.w.N.; Ulmer/Brandner/Hensen-Brander § 24 Rn. 15. 237 Palandt-Putzo § 537 Rn. 5.

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sich die Gerichte nur an der Verkehrsanschauung orientieren238, was gerade im

Softwarebereich zu kaum kalkulierbaren Resultaten führt 239.

Der Leistungsschein der EINSTEINet beschreibt daher detailliert den Funktionsum-

fang der Messaging-Applikation für Nutzungs- und Administrationszwecke sowie

die Zugangsmöglichkeiten240. Insoweit ergeben sich keine besonderen Schwierig-

keiten.

1. LEISTUNGSBESCHREIBUNG ODER HAFTUNGS-BEGRENZUNG

Von besonderem juristischen Interesse sind jedoch die Klauseln, die die gemach-

ten Leistungsaussagen gewissermaßen wieder relativieren, namentlich der Ab-

schnitt “Beschränkungen des Leistungsumfangs”241 sowie die Regelungen zu Ver-

fügbarkeitszeiten242 und zum Wartungsfenster243. Hier stellt sich die Frage, ob die-

se noch Leistungsbeschreibungen darstellen und als solche gemäß § 8 AGBG von

vornherein der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle entzogen sind244 oder lediglich

das Hauptleistungsversprechen einschränken und damit als partielle Haftungsaus-

schlüsse den Maßstäben des AGB unterliegen.

Zur Abgrenzung haben Literatur und Rechtsprechung Kriterien he-rausgearbeitet.

Zur Leistungsbestimmung zählen Klauseln, die die Art, Güte und Umfang der Leis -

tungen beschreiben und damit den engsten Kern der Leistungszusage definie-

ren245.

Davon abzugrenzen sind Regelungen, die das Hauptleistungsversprechen ausges-

talten, modifizieren und einschränken246. Diese nicht sehr griffige Unterscheidung

wird durch den Regelungszweck konkretisiert, der zum einen das Konzept der

freien Marktwirtschaft unberührt lassen und zum anderen aber den Vertragspartner

von einer einseitigen unangemessenen Verkürzung der vollwertigen Leistung, die

er nach Vertragszweck und -gegenstand berechtigterweise erwarten kann, schüt -

zen will247. Leistungsbezogene Klauseln unterliegen also immer dann der Inhalts-

238 Erman-Jendrek § 535 Rn. 24. 239 Marly Rn. 707; vgl. auch Feil ASP. 240 Vgl. Leistungsschein 2.1, 2.1.1, 2.1.2, 2.1.5. 241 Leistungsschein 2.1.3. 242 Leistungsschein 6.3.1. 243 Leistungsschein 6.3.2. 244 Vgl. MüKo-Kötz § 8 AGBG Rn. 3. 245 MüKo-Kötz § 8 AGBG Rn. 3; Palandt-Heinrich § 8 AGBG Rn. 2; Ulmer/Brandner/Hensen-Brandner § 8 Rn. 26; BGHZ 100, 173; BGH NJW 1993, 2369. 246 Ulmer/Brandner/Hensen-Brandner § 8 Rn. 10. 247 Ulmer/Brandner/Hensen-Brandner § 8 Rn. 27.

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kontrolle, wenn sie die geschuldeten Leistungen abweichend von Gesetz, Treu

und Glauben regeln248

a) Einschränkungen des Leistungsumfangs

Punkt 2.1.3 des Leistungsscheins legt Grenzwerte für die Größe von Postfächern

und Emails sowie die maximale Empfängeranzahl fest und definiert Dateiendun-

gen, die vom System herausgefiltert werden. Diese Regelungen beschreiben ledig-

lich die Funktionalität des Produkts. Da es keine begründete Erwartung des Ver-

tragspartners geben kann, unbeschränkten Speicherplatz und den Zugriff auf po-

tentiell gefährliche Email Anhänge zu erhalten, wird keine einmal gewährte Leis -

tungszusage wieder eingeschränkt, sondern von vornherein nicht gewährt. Diese

Auslegung relativiert auch die expliziten Bezeichnung der Klauseln als “Einschrän-

kungen des Leistungsumfangs249”. Aus Gründen der Klarstellung wäre es aber

empfehlenswert, sie dem Punkt 2.1.1 “Leistungsmerkmale Useraccount” zuzuord-

nen oder eine andere Bezeichnung zu wählen.

b) Verfügbarkeitszeiten und Wartungsfenster

(1) Einsteinet

Punkt 6.3.1 und 6.3.2 des Leistungsscheins regelt die sog. Verfügbarkeitszeiten

und das Wartungsfenster. Danach steht dem Kunden der Service an 365 Tagen

rund um die Uhr zur Verfügung. EINSTEINet garantiert eine Verfügbarkeit für den

o.g. Betriebszeitraum von 99% im Quartalsmittel. Beeinträchtigungen durch peri-

odisch auszuführende Systemarbeiten sollen nicht als Ausfallzeit zu werten sein.

Derartige Verfügbarkeitsquoten sind in der ASP-Praxis üblich. Da es aus techni-

schen Gründen immer wieder zu Ausfällen kommen kann, soll der Kunde erst bei

Unterschreitung der Mindestverfügbarkeit Ansprüche geltend machen können250.

248 Ulmer/Brandner/Hensen-Brandner § 8 Rn. 28. 249 Siehe Leistungsschein Punkt 2.1.3. 250 Schellenberg.

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Es erscheint aber fraglich, ob diese Intention hier zum Ausdruck kommt, da für den

unbedarften Betrachter der Eindruck einer gestuften Einstandpflicht entsteht: Zu-

nächst verspricht EINSTEINet im Sinne einer Leistungsdefinition die Verfügbarkeit

des ASP-Services an 365 Tagen im Jahr, nachfolgend wird eine 99prozentige Ver-

fügbarkeit sogar “garantiert”. Diese Wortwahl251 als auch die Bedeutung eines sta-

bilen Betriebs für den Kunden252 legen es nahe, daß damit eine besondere

Einstandspflicht in Form einer zugesicherten Eigenschaft statuiert werden soll. Der

Kunde könnte insoweit Minderungsansprüche auch bei unerheblicher Minderung

der Gebrauchstauglichkeit253 sowie Vertragsstrafe geltend machen254.

Auf der anderen Seite bezieht sich die Verfügbarkeitsregel auf den “o. g. garantier-

ten Betriebszeitraum”, was gegen eine gesteigerte Verantwortlichkeit spricht. Diese

Zweideutigkeit geht aber gemäß §?5?AGBG zu Lasten der EINSTEINet, so daß

man im Ergebnis wohl von einer zugesicherten Verfügbarkeit ausgehen muß.

(2) Regelungsspielraum

Soweit die Verfügbarkeitsklausel jedoch ohne den Zusatz “garantiert”, also zu Las-

ten des Kunden ausgestaltet ist, stellt sich die erwähnte Frage, ob sie eine Leis -

tungsbeschreibung oder –beschränkung darstellt, wobei insbesondere eine Ent -

scheidung des BGH zum Online-Banking von Bedeutung ist255. Die Postbank ve r-

wendete eine Klausel, nach der aus technischen und betrieblichen Gründen zeit -

weilige Beschränkungen und Unterbrechungen des Zugangs zulässig sein sollten.

Als mögliche Gründe wurden u.a. Änderungen und Verbesserungen an den tech-

nischen Anlagen sowie Wartungs - und Instandsetzungsarbeiten genannt. Der

BGH sah in dieser Klausel keine Leistungsdefinition, sondern einen Haftungsaus-

schluss und erklärte sie wegen § 10 Nr.7 AGBG für unwirksam, da sie undifferen-

ziert die Haftung für Vorsatz und grobes Verschulden ausschließe.

Implikationen für die Verfügbarkeitsklauseln des ASP sollen sich daraus aber nicht

ergeben256. Der BGH habe sich ausdrücklich auf den Wortlaut der Klausel bezo-

gen, die den einmal gewährte Zugang rund um die Uhr wieder beschränkte257. Im

251 Vgl. Erman-Grunewald Vor § 459 Rn. 55; MüKo-Westermann § 459 Rn. 96. 252 Vgl. dazu Erman-Jendrek, § 537 Rn.16. 253 Vgl. Palandt-Putzo § 537 Rn. 18. 254 Rahmenvertrag 4. 255 BGH MMR 2001, 225 256 Lediger ASP-Magazin 4/2001, 48, 49; Schellenberg Systemausfälle. 257 Schellenberg Systemausfälle.

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Gegensatz dazu werde beim ASP die Leistung nicht rund um die Uhr gewährleis -

tet, sondern nur zu einem prozentualen Anteil258.

Dies kann aber nach den Vorgaben des Gerichts nicht gelten, wenn der Vertrag,

wie im Falle von EINSTEINet, zunächst die ständige Verfügbarkeit verspricht. Im

Übrigen verschwimmen die Grenzen. Die Verwendung einer Prozentangabe setzt

immer eine Bezugsgröße voraus, im Rahmen von ASP ist das die ständige Ver-

fügbarkeit der Applikationen. Damit wird schon eine entsprechende Erwartungshal-

tung impliziert, zumal üblicherweise in den Verträgen zunächst schlicht von der

Bereitstellung der Applikationen ohne Hinweis auf Einschränkungen gesprochen

wird.

Es ließe sich also vertreten, daß die Verfügbarkeitsklauseln das ursprüngliche

Leistungsversprechen wieder beschränken259. Es kann daher immer nur auf eine

genaue Einzelfallbetrachtung ankommen.

Zur Lösung des Problems bieten sich zwei Möglichkeiten an. Soweit die Verfüg-

barkeitszeiten in unmittelbaren Zusammenhang mit der eigentlichen Leistungsbe-

schreibung festgelegt werden (z.B. “Die nachfolgenden Leistungen sind zu 99% im

Quartalsmittel verfügbar”), beschränkt sich der Erwartungshorizont des Kunden

von vornherein. Alternativ könnten die Entgelte nach Verfügbarkeitsquoten gestaf-

felt werden 260. Dadurch wird die von § 8 AGBG nicht tangierte unternehmerische

Entscheidungsfreiheit261, verschiedene Produkte anbieten zu können, unterstri-

chen262 und gar eine Individualvereinbarung getroffen.

Fallen Verfügbarkeitsklauseln nach dem oben gesagten in die Kategorie der Leis -

tungsbeschränkungen, müssen sie sich an den Vorgaben des § 9 I AGBG i.V.m.

den Wertungen des § 11 Nr.7 AGBG messen lassen263.

Nach § 11 Nr. 7 AGBG Vorschrift ist die Haftung für Vorsatz und grobes Verschul-

den unabdingbar. Zumindest mittelbar muß daher der Wortlaut der Klausel zwi-

schen den verschiedenen Verschuldensgraden differenzieren264. Schlichte Pro-

zentangaben tun das nicht. Aber auch bei der Vereinbarung von Wartungsfenstern

ist Vorsicht geboten, da der Anlaß für Wartungs - und Instandsetzungsarbeiten

258 Lediger ASP-Magazin 4/2001, 48, 49. 259 So Imping CR 1999, 425, 429 zu Telefondienstleistungen. 260 Lediger ASP-Magazin 4/2001, 48, 49. 261 Siehe oben unter E II 1. 262 Lediger ASP-Magazin 4/2001, 48, 49; Schellenberg Systemausfälle. 263 Imping CR 1999, 425, 429;OLG Düsseldorf NJW RR 1997, 374, 378. 264 BGH MMR 2001, 225, 226.

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auch schuldhaftes Handeln des Verwenders sein kann265. Rechtliche Sicherheit

bietet daher nur die explizite Aussage, für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit trotz-

dem einstehen zu wollen266.

Einen Gefährdung des Vertragszwecks nach § 9 I AGBG vermag man bei einer

üblicherweise hinzunehmenden Ausfallquote von maximal 1% kaum erkennen.

Jedoch sind auch hier Verallgemeinerungen problematisch267. Denn auch wenn

eine Ausfallzeit von umgerechnet 3,5 Tagen im Jahr für ein Messaging-Programm

hinnehmbar sein mag, muß das nicht für unternehmenskritische Applikationen

gelten. Die Wirksamkeit einer derartigen Klausel hängt daher von einer Einzelfall-

beurteilung ab.

Die Vereinbarung eines Wartungsfensters ist im Lichte von §?9?I?AGBG solange

nicht zu beanstanden, wie sie zeitliche Begrenzungen enthält und der Verwender

seine vertraglichen Pflichten nicht nach Gutdünken einzuschränken vermag268.

2. PROGRAMMDOKUMENTATION

Nach ständiger Rspr. und Literatur ist der Softwarevermieter grundsätzlich ver-

pflichtet, dem Kunden eine Programmdokumentation zur Verfügung zu stellen269.

Diese Pflicht stellt nach Ansicht des BGH eine Hauptleistungspflicht dar, deren

Verletzung Ansprüche wegen Nichterfüllung nach sich zieht 270. Für ASP kann im

Grundsatz nichts anderes gelten271, eine kostenpflichtige Telefonhotline genügt

jedenfalls nicht 272. Fraglich ist aber, ob ein Online-Hilfesystem ausreichend wäre.

Die Rspr. verneint das bisher und fordert eine schriftliche Dokumentation273. An-

gesichts technischer Entwicklungen und des Umstands, daß sich Art und Umfang

der Programmdokumentation nach dem angesprochenen Adressatenkreis

bestimmen274, sind jedoch Aufweichungstendenzen zu beobachten275. Für ASP

265 BGH MMR 2001, 225, 226. 266 Lediger ASP-Magazin 4/2001, 48, 49. 267 Röhrborn/Sinhart CR 2001, 69, 72 Fn. 36 betont das Ausfallqouten bis zu 5 % allgemein für angemessen gehalten werden . 268 Beispiel bei Schuster-Müller Rn. 78. 269 König Rn. 221; Moritz/Tybusseck Rn. 761; jeweils m.w.N. 270 BGH CR 1990, 189; BGH NJW 1993, 1063; BGH NJW 1998, 2132. 271 Alpert CR 2000, 345, 349; Röhrborn/Sinhart CR 2001, 69, 72. 272 Vgl. Leistungsschein 6.4.2. 273 OLG Hamm CR 1992, 335; OLG Celle NJW-RR 1993, 432, 433. 274 Marly Rn. 815. 275 OLG Stuttgart CR 1999, 74, 75.

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genügt daher wohl eine Online-Dokumentation mit der Möglichkeit des Ausdrucks,

da das gesamte Geschäftsmodell auf der Online-Kommunikation beruht276.

III. SACHMANGELGEWÄHRLEISTUNG

1. MIETMANGEL

Die Gewährleistungsrechte des Kunden knüpfen an den Begriff des Mangels der

Mietsache an.

a) Definition und Verantwortungsbereiche

Er umfaßt gemäß § 536 I Fehler der Mietsache, die die Tauglichkeit zu dem ver-

traglich vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder nicht unerheblich mindern so-

wie das Fehlen zugesicherter Eigenschaften. Der Sachmangel muß zum Zeitpunkt

der Überlassung vorliegen oder später wegfallen. Schuldhaftes Handeln des Ver-

mieters wird nicht vorausgesetzt, so daß grundsätzlich auch nicht beeinflussbare

äußere Umstände einen Sachmangel begründen können277. Der Verantwortungs-

bereich des Vermieters reicht jedoch nur soweit, wie die Verpflichtung zur

Gebrauchsüberlassung, d.h. Mängel, die im Risikobereich des Mieters entstehen,

können dem Vermieter nicht zum Nachteil gereichen278. Eine Regelung, wonach

die Verantwortlichkeit des ASP am Ausgangsrouter des Rechenzentrums endet279,

entspricht dieser Risikoverteilung und ist damit nicht zu beanstanden.

b) Verhältnis zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht

Des weiteren ist zu klären, wie sich das Verhältnis des Sachmängelgewährleis -

tungsrechts zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht, namentlich zu den §§ 323-

326, gestaltet. Mißlingt der Aufruf der Software, beispielsweise aufgrund eines

Defekts des Ausgangsrouter oder des Softwareservers, so könnte ein Fall der Tei-

lunmöglichkeit vorliegen. Teilunmöglichkeit deshalb, weil die Mietzeit so wesentlich

ist, daß eine verzögerte Gebrauchsgewährung nicht nachgeholt werden kann (z.B.

durch Anhängen an die vereinbarte Vertragslaufzeit)280. Nach der herrschende

Auffassung verdrängen die §§ 536 die allgemeinen Vorschriften der Unmöglichkeit

276 Alpert CR 2000, 345, 350; Röhrborn/Sinhart CR 2001, 69, 72. 277 Emmerich/Sonnenschein-Emmerich § 537 Rn. 3; Palandt-Putzo § 537 Rn. 16. 278 BGH 38, 295; Palandt-Putzo § 537 Rn. 25. 279 Vgl. Leistungsschein 6.3.1. 280 Erman-Jendrek Vor § 537 Rn. 16; MüKo-Voelskow Vor §§ 537-543 Rn. 10.

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ab Überlassung der Mietsache281. Die Überlassung könnte hier zum einen an den

erfolgreichen Login-Vorgang bzw. Start des Programms geknüpft sein, dem An-

wender würde die Software dann mit jedem Aufruf erneut überlassen. Zum ande-

ren käme aber auch die Bekanntgabe der Zugangsdaten in Betracht.

M.E. ist auf letzteres, zumindest aber auf den erstmaligen erfolgreichen Einwahl-

vorgang abzustellen. Wie bereits geschildert, ist ASP ein einheitlicher Mietvertrag,

der dem Anwender das Recht der jederzeitigen Inanspruchnahme der Software

einräumt. Diese Kontinuität würde sachwidrig aufgespalten, wenn man die An-

wendbarkeit des Sachmängelgewährleistungsrechts jeweils an die einzelne Sit-

zung knüpft. Auch dem Mieter, der ein Haus bezogen hat, wird das Haus nicht

jedes Mal erneut überlassen, wenn er abends die Tür aufschließt. Auch unter dem

Gesichtspunkt der Rechtssicherheit macht es Sinn, für die Überlassung auf die

Einräumung der potentiellen Zugriffsmöglichkeit abzustellen. Da mit der Überlas -

sung die besonderen Gewährleistungspflichten der §§ 536 ff Anwendung finden,

muß für den ASP der Zeitpunkt vorhersehbar sein, damit er sich der geänderten

Haftungssituation anpassen kann. Das ist nicht möglich, wenn der Zeitpunkt durch

willkürliches Verhalten des Kunden bestimmt wird.

Soweit nach dem eben gesagten die Unmöglichkeit schon vor der Überlassung der

Software eintritt, gelten die allgemeinen Regelungen der §§ 323-325.

c) Beweislastprobleme

Für die Praxis stellt sich aber das Problem der Beweislastverteilung. Grundsätzlich

muß die Partei die für sie günstigen Umstände beweisen, der Kunde also, daß die

Zugangsstörung im beschriebenen Verantwortungsbereich liegt282.

Eine generelle Umkehr der Beweislast bei Softwareüberlassung wegen der Sach-

nähe des Anbieters wird von der h. M. abgelehnt, da derartige Beweisschwierig-

keiten keine softwarespezifische Erscheinungen und zu lösen seien283.

Im Gegensatz zur bisher üblichen Softwareüberlassung ist es für den Kunden ei-

nes ASP aber äußerst kompliziert, die Ursache für die Nichterreichbarkeit zu veror-

ten, da insoweit neben dem ASP das Internet selbst, der Access-Provider sowie

der Telekommunikationsanbieter in Betracht kommt. Hingegen kann der ASP

281 Erman-Jendrek Vor § 537 Rn. 12; BGH NJW 63, 804. 282 Für Miete: Emmerich/Sonnenschein-Emmerich § 537 Rn. 21; für Software: Marly Rn. 731. 283 Marly Rn. 730; Zahrnt 6.3.6 (3).

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durch Aufzeichnungen relativ leicht die Fehlerursache seinem Verantwortungsbe-

reich zuordnen.

Es liegt daher nahe, wegen der Beweisnot des Kunden eine Umkehr der Beweis -

last zu Ungunsten des ASP zu statuieren. Da ein derartiges generelles Rechtsprin-

zip von der Rechtsprechung aber nicht akzeptiert ist und sich ASP auch nicht in

eine der anerkannten Fallgruppen einordnen läßt284, wird diese Lösung kaum

praktisch durchsetzbar sein. Auch die Grundsätze des prima-facie Beweises, wo-

nach aus einem der Lebenserfahrung nach typischen Lebenssachverhalt auf die

zu beweisende Tatsache geschlossen werden kann285, führen nicht weiter. Selbst

wenn der Kunde Fehler in der Sphäre seines Telekommunikationsanbieters und

Access-Providers auszuschließen vermag, sind immer noch die technischen Kom-

ponenten des Internets (Router, Domain-Name-Server, physikalische Verbindun-

gen) als Fehlerursache in Betracht zu ziehen.

Das Problem läßt sich aber mit den Grundsätzen von Treu und Glauben, bzw. der

daraus abgeleiteten Auskunftspflicht lösen. Diese besteht, wenn die zwischen den

Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, daß der Berechtig-

te in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang eines Rechts im Unge-

wissen ist und der Verpflichtete die Auskunft unschwer geben kann286. Innerhalb

vertraglicher Beziehungen reicht insoweit schon ein begründeter Verdacht auf eine

Vertragsverletzung287, wie er sich aus der Störung des Zugangs ergibt. Zudem trifft

den Kunden keine Verantwortung für den Informationsmangel, da er nur mit erheb-

lichen eigenem technischen Sachverstand, auf den der ASP-Kunde gerade ver-

zichten will, beseitigt werden kann. Er hat daher einen Auskunftsanspruch über

den Erfolg der jeweiligen Einwahlvorgänge und eventuell auftretende Fehler, selbst

wenn, wie hier bei EINSTEINet, nicht ausdrücklich vereinbart.

Im übrigen gelten keine Besonderheiten für Softwaremängel, so daß hinsichtlich

der Erscheinungsformen auf die einschlägige Literatur verwiesen werden kann288.

284 Vgl dazu Thomas/Putzo-Thomas Vorbem § 284 Rn. 26 ff. 285 Thomas/Putzo-Thomas § 284 Rn. 12 ff. 286 MüKo-Keller § 260 Rn. 10; Palandt-Heinrichs § 261 Rn. 8; jeweils m.w.N. 287 MüKo-Keller § 260 Rn. 11; Palandt-Heinrichs § 261 Rn. 10. 288 Umfangreiche Kasuistik bei Marly Rn. 733 ff.

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2. RECHTSMANGEL

a) Gesetzliche Regelung

Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch die Rechte

eines Dritten ganz oder teilweise entzogen, so spricht man von einem Rechtsman-

gel, vgl. § 536 III. Die Vorschrift verdrängt die allgemeinen Regelungen über die

anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit sowie den Verzug289. Die bloße Exis-

tenz eines Rechts ist unschädlich, der Dritter muß es auch geltend machen und

den Gebrauch der Mietsache dadurch entziehen290. Im Rahmen von ASP können

in erster Linie Urheberrechte des Softwareherstellers relevant werden. Da mit der

Nutzung für ASP Services urheberrechtsrelevante Handlungen verbunden sind,

muß sich der ASP die entsprechenden Rechte einräumen lassen291. Versäumt er

das, kommen Ansprüche des Kunden auf Erfüllung, Minderung und Schadener-

satz auf ihn zu, wenn der Hersteller die Unterlassung des weiteren Gebrauchs

verlangt.

b) Regelung der EINSTEINet

Zur Lösung des Problems läßt sich EINSTEINet Rechte zur Installation und Nut -

zung der Software sowie zur Unterlizenzierung übertragen. In Ausübung des letzt-

genannten Rechts räumt EINSTEINet sodann seinen Kunden das nichtausschließ-

liche Recht ein, auf die Software zuzugreifen und sie für interne Geschäftszwecke

zu nutzen292.

Im Leistungsschein findet sich zudem eine Klausel, wonach der Kunde die beige-

fügten und zu unterschreibenden Lizenzbedingungen des Herstellers bzw. Soft -

warelieferanten anerkennt 293. Interessant wird die Klausel dann, wenn die Lizenz-

bestimmungen des Herstellers Einschränkungen enthalten, die über die Nummern

1.2 und 1.3 der AGB hinausgehen und den vertraglich vorausgesetzten Gebrauch

wieder beschränken. Nach der Zweckübertragungstheorie muß der Kunde jedoch

grundsätzlich in der Lage bleiben, das Programm bestimmungsgemäß zu nutzen,

§ 69 d UrhG. Formularvertragliche Nutzungsbeschränkungen, die von diesem

289 Erman-Jendrek, § 541 Rn. 1. 290 Erman-Jendrek, § 541 Rn. 4; MüKo-Voelskow § 541 Rn. 5. 291 Vgl. dazu: Alpert CR 2000, 345ff; Grützmacher ITRB 3/2001, 59; Kaeding; Röhrborn/Sinhart CR 2001 , 69, 73. 292 Siehe AGB A 1. 293 Leistungsschein 6.2.

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Grundgedanken abweichen, wären somit im Verhältnis ASP zum Kunden ge-

mäß § 9 II Nr.2 AGBG unwirksam294. Letzterer kann also weiterhin Erfüllung bzw.

Mängelbeseitigung, d.h. Einräumung des Gebrauchs ohne entgegenstehende

Rechte Dritter verlangen. Soweit der Kunde aber aufgrund der Lizenzbedingungen

des Herstellers entgegenstehende Rechte kannte oder grob fahrlässig nicht kann-

te, sind Ansprüche auf Minderung und Schadenersatz gegenüber dem ASP aus-

geschlossen, § 536 b. Der Erfüllungsanspruch bleibt davon unberührt 295.

3. MINDERUNG

a) Gesetzliche Regelung

Soweit nach diesen Grundsätzen ein Mietmangel vorliegt, mindert sich der Miet -

zins während der Dauer der Gebrauchsbeeinträchtigung (vgl. § 536 I). Die Minde-

rung tritt automatisch kraft Gesetzes ein, ohne daß es weiterer Erklärungen der

Parteien bedarf296. Kommt es zu einen Totalausfall, tendiert die Bedeutung dieser

Vorschrift aber gegen Null, da der Kunde im Rahmen des Pay-As-You-Go Prinzips

ohnehin nur für die tatsächliche Inanspruchnahme zahlt. Im Umkehrschluß kann

der Kunde aber auch keine Minderung geltend machen, wenn er die Applikation

nicht in Anspruch nehmen wollte. Anders aber, wenn die Leistungen durch einen

periodischen Pauschalbetrag abgegolten werden: Hier gilt der allgemeine Grund-

satz, daß es belanglos ist, ob der Mieter die Mietsache genutzt hätte, wenn sie

gebrauchstauglich gewesen wäre297.

b) Einschränkungen durch Einsteinet

§ 536 kann, soweit es sich nicht um Wohnraummiete handelt, abbedungen werden

(vgl. § 536 IV).

294 Koch Rn. 757. 295 Erman-Jendrek § 539 Rn. 1. 296 Allg. M.: vgl Palandt-Putzo § 537 Rn. 21. 297 Ermann-Jendreck § 537 Rn. 20; BGH NJW 87, 432, 433).

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Die AGB der EINSTEINet sehen in Punkt E 3.5 vor, daß Gewähr zunächst durch

Nachbesserung und Nachlieferung geleistet wird und nur bei deren Fehlschlagen

nach Wahl Herabsetzung der Vergütung (Minderung) oder Rückgängigmachung

des Vertrages (Wandlung) verlangt werden kann. Bedenken bestehen, ob diese

Regelung auch die Minderung für ASP-Services i.e.S. umfaßt, da die Terminologie

(Nachlieferung, Wandlung) nicht den mietrechtlichen Gewährleistungsregelungen

entspricht. Sie könnte sich daher auf andere Verträge, wie beispielsweise Soft -

bzw. Hardwarekauf oder Werkverträge beziehen298. Auf der anderen Seite befindet

sich die Klausel 3.4 im Unterabschnitt E, “Allgemeine Bestimmungen”, und nicht in

den vertragsspezifischen Regelungen.

Zudem werden begrenzte Anwendungsbereiche in anderen Klauseln durch explizi-

te Klarstellung gekennzeichnet 299.

Die sich daraus ergebende Doppeldeutigkeit der Klausel geht daher gemäß § 5

AGBG zu Lasten des Verwenders. Danach ist zunächst zu prüfen, ob die Klausel

bei kundenfeindlicher Auslegung nach den §§ 9-11 AGBG Bestand hätte. Bei

Verneinung der Frage ist sie trotz der Mehrdeutigkeit unwirksam. Hält sie sich

demgegenüber im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben, so findet die kunden-

freundliche Auslegungsvariante Anwendung300.

Im Ergebnis kann der Kunde hier die Miete während der Dauer der Gebrauchsbe-

einträchtigung mindern, selbst wenn die Störungsbeseitigung Erfolg zeigt. Denn

entweder ist nach dem eben gesagten eine entgegenstehende Klausel gemäß § 9

ff AGBG unwirksam, oder sie muß zu Gunsten des Kunden so interpretiert werden,

daß sie sich nur auf Werk- oder Kaufverträge bezieht.

c) Regelungsspielraum

Trotzdem soll geklärt werden, ob der ASP Minderungsansprüche auf den Fall des

Fehlschlag der Störungsbeseitigung beschränken kann. § 11 Nr. 10 AGBG ist nach

h.M. nicht auf Mietverträge anwendbar301, so daß auf die Generalklausel § 9 AGBG

abzustellen ist.

298 Vgl. AGB Abschnitt B und D. 299 Vgl. AGB E 3.2. 300 Ulmer/Brandner/Hensen-Ulmer § 5 Rn. 31; BGH NJW 1992, 1097, 1099. 301 Ulmer/Brandner/Hensen-Hensen § 11 Nr. 10, Rn. 3 m.w.N.

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Danach wäre eine entsprechenden Klausel unwirksam302. Die synallagmatische

Verknüpfung von Gebrauchsgewährung und Mietzinszahlung würde aufgehoben,

wenn der Anwender trotz erheblicher Mängel die Vergütung entrichten müßte,

solange nur die Störungsbeseitigung gelingt. Dies widerspräche einem wesentli-

chen gesetzlichen Grundgedanken des gegenseitigen Mietvertrags. Die daraus

resultierende Benachteiligung des Kunden wird auch nicht durch die vereinbarten

Reaktionszeiten ausgeglichen. Zwar ist der Zeitraum, innerhalb dessen die Stö-

rung beseitigt werden muß, relativ kurz angesetzt. Allerdings gelten sie nur im Re-

gelfall303, so daß der Endkunde in besonderen Situationen lange Ausfallzeiten bei

voller Vergütungspflicht hinnehmen müßte.

Hingegen begegnet eine Klausel, die die ipso iure Wirkung der Minderung unter

Verweis auf § 812 und Schadenersatzansprüche aufhebt, keinen Bedenken304.

4. SCHADENERSATZ

a) Gesetzliche Regelung

Eine Schadensersatzpflicht das ASP besteht gemäß § 536a I BGB für unverschul-

dete Mängel, die bereits beim Vertragsschluß vorhanden waren und für verschul-

dete Mängel, die erst im Laufe der Vertragslaufzeit entstehen. Des weiteren be-

steht ein Schadensersatzanspruch des Kunden, wenn der ASP mit der Mängelbe-

seitigung in Verzug ist.

Eine teilweise vertretene Ansicht, die die verschuldensunabhängige Haftung für

anfängliche Mietmängel durch die analoge Anwendung der §§ 463, 635 aus Billig-

keitsgründen abbedingen will305, wird zurecht von der herrschenden Meinung

abgelehnt 306.

Das Argument, Softwarefehler entstünden in der Regel nicht im nachhinein, son-

dern wohnen der Software von Anfang an inne, läßt sich ebenso auf andere kom-

plexe Güter übertragen. Es besteht also kein besonderes Haftungsrisiko für den

Softwarevermieter307.

302 Vgl. Marly Rn. 1145 m.w.N. 303 Vgl. Rahmenvertrag 3.4. 304 Allg. M: Ermann-Jendrek § 537, 28; Palandt-Heinrichs AGBG 9 Rn. 113; Ulmer/Brandner/Hensen-Hensen Anhang §§9-11 Rn. 509; BGH 91, 375. 305 Mehring NJW 1986, 1908; Moritz/Tybusseck Rn. 855. 306 Marly Rn. 493; Schneider I Rn. 425; OLG Düsseldorf Cr 1995, 269. 307 Ausführlich Marly Rn. 492 ff.

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Die Gefahr einer Ausdehnung der Garantiehaftung für anfängliche Mietmängel

durch die rechtliche Konstruktion eines Rahmenvertrages wurde bereits er-

wähnt 308. Abhilfe schafft eine explizite Klarstellung309.

Hinsichtlich das Tatbestandsmerkmal des Verzuges ergibt sich die Besonderheit,

daß der Kunde die Mängelbeseitigung nicht anmahnen muß. Die festgelegten Re-

aktionszeiten sind zwar nicht kalendermäßig bestimmt, jedoch durch die explizite

Erwähnung und ihren Bedeutungsgehalt für den Kunden derart betont, daß der

ASP nach Ablauf der Frist ohne weiteres in Verzug gerät 310. Im übrigen wird man in

der Störungsmeldung über die Hotline eine konkludente Mahnung erblicken kön-

nen. Das Tatbestandsmerkmal des Verschuldens wird gemäß § 285 vermutet,

wobei sich der ASP nicht auf Verzögerungen seines Lieferanten berufen kann311.

b) Einschränkungen durch EINSTEINet

Die AGB der EINSTEINet enthalten eine Reihe von Klauseln, die die skizzierte

Haftung für Schäden einschränken und ausschließen.

(1) Allgemeine Haftungsausschlüsse

Danach haftet EINSTEINet bei Vorsatz in vollem Umfang und bei grober Fahrläs -

sigkeit nur für vorhersehbare Schäden, diese Einschränkung gilt nicht, wenn der

Schaden von einem leitenden Angestellten verursacht wurde. Im Rahmen von

leichter Fahrlässigkeit haftet EINSTEINet in Höhe des typischen Schadens nur bei

Verletzung einer Kardinalspflicht, bei Verzug oder Unmöglichkeit312. Die Regelun-

gen entsprechen in ihrer differenzierenden Ausgestaltung den Vorgaben des §§ 11

Nr. 7 AGBG313. Insbesondere wird die Begrenzung auf typische Schäden für zuläs-

sig gehalten, wenn die leitenden Angestellte nicht zur Verursachung beigetragen

haben314.

Fraglich ist lediglich, in welchem Verhältnis die Klauseln zur verschuldensunab-

hängigen Haftung, und zu zugesicherten Eigenschaften stehen. Der Einleitungs-

satz “ EINSTEINet haftet ... für Schaden, gleich ob aus Vertragsverletzung .... nur

308 Siehe oben unter D IV. 309 Vgl. Röhrborn/Sinhart CR 2001, 69, 71. 310 Vgl. Ermann-Battes § 284 Rn. 35; BGH NJW 1963, 1824. 311 Vgl. Ermann Battes § 285, Rn. 2. 312 AGB 5.1, 5.2, 5.3. 313 Marly Rn. 1195; Vgl. Schmidt in Lehmann Rn. 62; Spindler CR 1999, 626, 631; alle mit m.w.N für die Rspr.. 314 Marly Rn. 1189; Schmidt in Lehmann Rn. 62 m.w.N.

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nach Maßgabe der folgenden Vorschriften” könnte als Ausschlußtatbestand für alle

nichtgeregelten Fälle, also auch die verschuldensunabhängige Haftung, interpre-

tiert werden. Angemessen ist eine derartige Regelung nur in Bezug auf anfängliche

Fehler der Mietsache, nicht aber in Hinblick auf zugesicherte Eigenschaften315.

Nach § 11 Nr. 11 AGBG, der auch auf Mietverträge anwendbar ist316, darf der

Schadenersatzanspruch für zugesicherte Eigenschaften weder ausgeschlossen

noch beschränkt werden.

Allerdings findet sich keine ausdrückliche Regelung, woraus gefolgert werden

kann, daß die diesbezügliche Haftung gerade unberührt bleiben soll. Es widersprä-

che dem Willen verständiger Vertragsparteien, erst eine Eigenschaft zuzusichern

und sich dann umgehend wieder zu exkulpieren. Daher ist mit dem BGH davon

auszugehen, daß mangels greifbarer Anhaltspunkte die Garantiehaftung für zu-

gesicherte Eigenschaften nicht beschränkt wird317. Auch hier wäre eine explizite

Regelung aber angebracht.

(2) Haftung für Rechtsmängel

Des weiteren enthalten die AGB Regelungen, wonach EINSTEINet den Kunden

von Ansprüchen Dritter wegen Schutzrechtsverletzungen und den Kosten der

Rechtsverfolgung unter bestimmten Voraussetzungen freistellt318. Darüber hinaus

will EINSTEINet nur Schadenersatz leisten, wenn sie von der Verletzung der

Schutzrechte Kenntnis hatte bzw. haben mußte.

Die Klausel entspricht den oben geschilderten Vorgaben des AGBG. Eine Begren-

zung der verschuldensunabhängigen Haftung für anfängliche Rechtsmängel ist

danach ohne weiteres zulässig, wohingegen für zugesicherte Eigenschaften im

Zweifel weiterhin gehaftet wird. In Hinblick auf die verschuldensabhängige

Einstandspflicht stellt die Klausel keine Verschärfung der gesetzlichen Regelung

dar, da es ohne Kenntnis oder potentielle Kenntnis von der Verletzung an der

Vorhersehbarkeit und damit auch am Verschulden fehlen würde319.

(3) Haftung für Erfüllungsgehilfen

315 Kling; Marly Rn. 1194, Moritz /Tybusseck, Rn. 894; Schmidt in Lehmann Rn. 55. 316 Palandt-Heinrichs AGBG 11 Rn. 73. 317 BGH NJW 1985, 338, MüKo-Basedow AGBG § 11 Nr. 12 Rn. 204. 318 Vgl. AGB E 4.1. 319 Palandt-Heinrichs § 276 Rn. 20.

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Aus § 278 leitet sich die Einstandspflicht der EINSTEINet für Erfüllungsgehilfen ab.

Deren Verschulden wird der EINSTEINet unter Berücksichtigung der Haftungser-

leichterungen zugerechnet, vgl. Punkt E 5.7 der AGB. Weder die Internet -Access

Provider noch die Softwarelieferanten sind Erfüllungsgehilfen der EINSTEINet, da

sie nicht im Pflichtenkreis der EINSTEINet tätig werden320. Für erstere ergibt sich

das aus Punkt 6.3.1 des Leistungsscheins, wonach die Software am Ausgangsrou-

ter des Datacenters verfügbar ist, EINSTEINet‘s Verantwortungsbereich also dort

endet.

Softwarelieferanten erbringen zwar eine notwendige Vorleistung, tragen aber zur

Gebrauchsüberlassung selbst nicht bei. Sie sind daher ebenso wenig Erfüllungs-

gehilfen wie jeder andere Vorlieferant 321. Daran ändert sich auch nichts, wenn der

Unterlieferant Patches zur Fehlerbeseitigung erstellt, da auch diese Tätigkeit im

Vorfeld der eigentlichen Leistungserbringung (Implementierung und Fehlerbeseiti-

gung) angesiedelt ist322. Etwas anderes gilt nur, wenn der Hersteller unmittelbar bei

der Fehlerbeseitigung, also i.d.R. vor Ort tätig wird.

Der Bedeutungsgehalt der Klausel E 5.4, mit der die Haftung für systemimmanente

und nicht erkennbare Softwarefehler von Drittprodukten abbedungen wird, er-

schöpft sich im Ausschluß der Haftung für anfängliche Sachmängel (§ 536a I 1.

Alt.). Systemimmanente Fehler haften der Software begriffsnotwendig von Vorn-

herein an und können daher nicht nach Vertragsschluß entstehen. Die Garantie-

haftung des Vermieters kann grundsätzlich durch AGB abbedungen werden323,

vorausgesetzt die Einstandpflicht für zugesicherte Eigenschaften bleibt unbe-

rührt. Nach dem oben gesagten ist die Klausel E 5.4. aber trotz Fehlens einer ex -

pliziten Klarstellung entsprechend auszulegen, so daß sie nicht an der Hürde des

§?11?Nr.?11 AGBG scheitert.

c) Regelungsspielraum

Die AGB – Klauseln bewegen sich damit innerhalb des Spielraums für Haftungs-

ausschlüsse, loten ihn aber auch weitestgehend aus. Die Darstellung weiterge-

hender Möglichkeiten erübrigt sich damit.

320 Zu diesem Merkmal vgl. Ermann-Battes § 278 Rn. 14 ff. 321 BGH NJW 68, 2239; NJW RR-89, 1190. 322 Ermann-Battes § 278 Rn. 18 BGH NHW 1978, 1157. 323 Siehe oben unter E III 4 b (1); Kling; Marly Rn. 1194.

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d) Umfang der Schadensersatzpflicht.

Der Umfang der Schadenersatzpflicht richtet sich nach den allgemeinen Vorschrif-

ten. Zu ersetzen ist der adäquat verursachte Schaden einschließlich aller Mangel-

folgeschäden324. Typischerweise wird sich der Schaden durch die Nichtverfügbar-

keit oder sonstigen Störungen in Verdienstausfällen bzw. entgangenem Gewinn,

Datenverlusten und Aufwendungen für kurzzeitige Überbrückungsmaßnahmen

manifestieren. Selbst bei einer Messaging-Anwendung kann damit eine erhebli-

ches Haftungsrisiko auf den Provider zu kommen. Schwierigkeiten bereitet oftmals

die genaue Bezifferung des entgangenen Gewinns325, was aber nicht nur auf ASP

zutrifft.

Im übrigen sei noch erwähnt, daß schuldhaftes mitursächliches Verhalten des

Kunden anspruchsmindernd wirkt. Dazu zählen u.a. die verspätete Mängelanzeige,

unauthorisierte Änderungen an der Software oder sonstige Verletzungen der Mit -

wirkungspflichten326.

5. RÜGEPFLICHT, ANZEIGEPFLICHT

a) Gesetzliche Regelung

Gemäß § 536b sind die Rechte des Mieters aus den §§ 536, 536a ausgeschlossen

oder eingeschränkt, wenn er den Mangel bei Abschluß des Vertrages kennt, grob

fahrlässig nicht kennt oder die Mietsache trotz Kenntnis des Mangels annimmt.

Besonderheiten für ASP ergeben sich nicht.

Die in § 536c I statuierte Anzeigepfl icht für nachträgliche Mietmängel wirft insoweit

Probleme auf, als daß sie lediglich Ausschnitt der allgemeinen Obhutspflicht ist327.

Nach Ansicht des BGH entfällt die Anzeigepflicht daher, wenn der Mangel außer-

halb des Macht- und Einflußbereiches des Mieters liegt328. Dementsprechend fi n-

det die Vorschrift grundsätzlich keine Anwendung auf ASP, das gerade von der

anbieterseitigen Vorhaltung der Infrastruktur geprägt wird, was im Ergebnis grund-

sätzlich auch sachgerecht ist. Üblicherweise kann nämlich nur der Mieter Auskunft

über den vertragsgemäßen Zustand der Mietsache geben, dem Vermieter fehlt es

an einer Kontrollmöglichkeit. Hingegen stehen dem ASP angesichts der Sachherr-

324 Palandt-Putzo § 538, Rn. 14; Emmerich//Sonnneschein-Emmerich § 538 Rn. 9. 325 Näher Schreyer. 326 Vgl. Leistungsschein 2.2 , AGB A 4. 327 Emmerich/Sonnenschein-Emmerich § 545 Rn. 1. 328 BGH WM 1976, 349.

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schaft über die Infrastruktur andere und evtl. auch genauere Informationsquellen

wie Logfiles oder Fehlerprotokolle offen. Die Sachnähe des ASP‘s relativiert damit

die Obhutspflicht des Kunden. Eine Anzeigepflicht besteht daher nur, wenn der

Mangel für den ASP nicht erkennbar ist, er beispielsweise durch außergewöhnli-

ches Nutzerverhalten hervorgerufen wird. Insoweit stammt der Mangel aus dem

Machtbereich des Kunden. Im Zweifel ist jedoch aus praktischen Erwägungen eine

Anzeige angebracht.

Obwohl sich die Anzeigepflicht des Kunden damit im Regelfall erübrigt, wäre die

Geltendmachung einer Minderung rechtsmißbräuchlich, wenn der Kunde über

einen längeren Zeitraum in Kenntnis des Mangels vorbehaltlos zahlt329.

Keine Anwendung auf Mietverträge findet die kaufmännische Rügepflicht des §

377 HGB330.

b) Regelung durch EINSTEINet

EINSTEINet regelt in Punkt E 3.3 der AGB, daß Gewährleistungs- und Störungs-

beseitigungsrechte nur unter der Voraussetzung geltend gemacht werden können,

“daß der Kunde seinen nach §§ 377, 378 HGB geschuldeten Rüge- und Untersu-

chungsobliegenheiten nachgekommen ist”. Die Rüge hat schriftlich zu erfolgen.

Der Wortlaut erfaßt nicht die ASP-Leistungen i.e.S., da wegen des mietrechtlichen

Charakters gerade keine Rügeobliegenheit besteht331, während die systematische

Stellung im Abschnitt E “Allgemeine Regelungen einen erweiterten Anwendungs-

bereich nahelegt. Frei von Widersprüchen ist aber nur eine wortlautgetreue Ausle-

gung, da eine Pflicht zur schriftlichen Rüge unvereinbar mit den Regelungen zur

Telefonhotline wäre, über die alle Störungsmeldungen abgewickelt werden (“Single

Point of Contact”332). Es besteht mithin keine Rügepflicht für Mängel der Applicati-

on Services i.e.S..

c) Regelungsspielraum

AGB-rechtlich unproblematisch könnte aber eine den §§?377,?378?HGB nachemp-

fundene Untersuchungs- und Rügeobliegenheit formularvertraglich begründet wer-

329 Althaus I 2; Emmerich/Sonnenschein-Emmerich § 537 Rn. 18 m.N. für die Rspr; Palandt-Putzo § 537 Rn. 25. 330 Marly Rn. 1229; BGH NJW 1990, 1290, 1293. 331 Marly Rn. 1229; BGH NJW 1990, 1290, 1293. 332 Vgl. Leistungsschein 6.4, Rahmenvertrag 3.2.

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den333. Auch Verschärfungen hinsichtlich der Form der Anzeige (Schriftlichkeit)

sind möglich, da § 11 Nr. 16 AGBG nicht auf den kaufmännischen Verkehr an-

wendbar ist334.

Insoweit sind aber die Wechselwirkungen mit Regelungen über den telefonischen

Support zu beachten. Eine Klausel, die zusätzlich zur fernmündlichen Mitteilung

eine schriftliche Rüge verlangt, benachteiligt den Vertragspartner i.d.R. unange-

messen (§ 9 AGBG), da sie nicht durch anerkennenswerte Interessen des Ver-

wenders gerechtfertigt ist335. Im Übrigen gelten für die Zulässigkeit von Verschär-

fungen der §§ 377, 378 HGB (z.B. Ausschlußfristen für verdeckte und offene Män-

gel, Anforderungen an den Inhalt der Rüge) keine Besonderheiten336.

IV. KÜNDIGUNGSRECHTE

Als Dauerschuldverhältnis endet der ASP-Vertrag mit der Kündigung oder nach

Ablauf der Vertragslaufzeit, § 542 BGB.

1. ORDENTLICHE KÜNDIGUNG.

a) Gesetzliche Regelung

(1) Ausschluß des Kündigungsrechts?

Einige Stimmen in Literatur und Rspr. vertreten die Ansicht, daß Pflegeverträge für

Software, die auf Dauer überlassenen wurde, innerhalb der Grenzen der Zumut -

barkeit nicht vom Lieferanten der Software ordentlich gekündigt werden können337.

Sie stützen ihre Auffassung auf den Grundsatz von Treu und Glauben, einen aus

§?20 I GWB abgeleiteten Kontrahierungszwang sowie auf ältere Rspr. 338, wonach

der Verkäufer bzw. Hersteller von Sachen verpflichtet sei, dem Käufer auf Verlan-

gen die notwendigen Ersatzteile und Betriebsstoffe zu liefern.

Diese Argumentation läßt sich jedoch nicht auf ASP übertragen, obgleich auch

hier Elemente der Softwarepflege anzutreffen sind339. Es fehlt schon an der markt-

333 Marly Rn. 1229. 334 Marly Rn. 1210; Palandt-Heinrichs AGBG 11 Rn. 1; Ulmer/Brandner/Hensen – Hensen § 11 Nr. 16 Rn. 11. 335 Marly Rn. 1210. 336 Vgl. Marly Rn. 1210 ff; Ulmer/Brandner/Hensen-Hensen § 11 Nr. 10e ff. 337 Bartsch Software S. 134; LG Köln CR 1999, 218; OLG Koblenz CR 1993, 626; a.A. Moritz CR 1999, 541, m.N. für die Gegenmeinung. 338 AG München NJW 1970, 218. 339 Siehe oben unter D III 2 b) und c).

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beherrschenden Stellung des ASP hinsichtlich der angeboten Standardsoftware.

Zudem unterscheidet sich die Interessenlage in einem wesentlichen Punkt. Der

ASP überläßt die Software von vornherein nur zeitlich befristet, während der dau-

erhaften Programmüberlassung grundsätzlich eine zeitlich unbegrenzte Nutzungs-

perspektive zugrunde liegt. Diese kann aber nur verwirklicht werden, wenn die

Software ständig im betriebsbereiten Zustand gehalten wird, weshalb eine Be-

schränkung des Kündigungsrechts nur in diesem Fall gerechtfertigt sein kann.

(2) Kündigungsfristen

Die gesetzliche Fristenregelung für die ordentliche Kündigung, §?580a differenziert

nach Mobilien und Immobilien sowie nach der zeitlichen Bemessung des Mietzin-

ses.

Verkörperte Software und die Hardware sind auch bei fester Verbindung mit den

Datacentern bewegliche Sachen oder ihnen zumindest gleichgestellt, da sie ledig-

lich Zubehör und keine Grundstücksbestandteile darstellen. (vgl. §§ 97, 98 Nr. 1).

Da ASP durch eine streng nutzungsabhängige Bezahlung geprägt wird, kommen

unter Umständen sehr kurze Bemessungszeiträume zustande, die sich in erheblich

verkürzten Kündigungsfristen niederschlagen. Gänzlich aus dem gesetzlichen

Schema fallen vom Datenvolumen abhängige Billingmodelle.

M. E. bietet die Zahlungsweise den geeigneten Anknüpfungspunkt340, da ASP-

Verträge langfristige Geschäftsbeziehungen sind, so daß im Gegensatz zu übli-

chen Mietverträgen der Bemessungszeitraum des Mietzinses kein Maßstab für die

Dauerhaftigkeit des Schuldverhältnisses ist.

Aber selbst wenn man die Zahlungsweise zugrunde legt, könnte der Vertrag mit

einer Frist von 3 Tagen gekündigt werden, vgl. §?580a?III?Nr.2, was angesichts der

geschilderten Probleme bei der Re-Migration341 und der Abhängigkeit vom ASP die

Interessen des Kunden nicht auch nur annähernd widerspiegelt.

Die analoge Anwendung des § 580 a II, der den Mieter durch eine 6monatige

Kündigungsfrist vor dem kurzfristigen Entzug betriebsnotwendiger Geschäftsräume

schützt, ist angesichts des klaren Wortlauts unzulässig.

M.E. wäre es aber im Einzelfall rechtsmißbräuchlich, wenn sich der ASP auf die

3tägige Kündigungsfrist beruft. Die Rspr. hat bereits mehrmals entschieden, daß

340 Anders bei Mietverträgen allgemein die h.M.: vgl. Palandt Putzo § 565 Rn. 10. 341 Siehe oben unter C II 3.

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eine ordentliche Kündigung gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn der

Gläubiger besonders schutzbedürftig ist342. Welche Auswirkungen sich daraus auf

die Kündigungsfrist ergeben, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Je un-

ternehmenskritischer die Anwendung und je höher die Anzahl der Nutzer, desto

länger wird jedoch die Kündigungsfrist sein.

b) Regelung durch EINSTEINet

Das Fristenproblem ist aber eher theoretischer Natur, da ein ASP, der keine an-

gemessenen Kündigungsregelungen anbietet, wohl kaum erfolgreich am Markt

agieren wird. Dementsprechend sieht der Leistungsschein Messaging bei einer

Mindestlaufzeit von 6 Monaten eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Quar-

talsende vor343. Der Rahmenvertrag hat eine Vertragslaufzeit von 6 Monaten und

verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn er nicht mit einer Frist von 6

Monaten zum Ende der Vertragslaufzeit gekündigt wird. Kündigt eine Partei den

Leistungsschein, so fällt die Geschäftsgrundlage für den Rahmenvertrag weg,

soweit daneben keine anderen Services geschuldet werden344. Darüber hinaus ist

EINSTEINet verpflichtet, den Kunden bei der Rückführung oder Übertragung der

Services entgeltlich zu unterstützen und die Leistungen für eine Übergangszeit von

weiteren 3 Monaten gegen Vorkasse zur Verfügung zu stellen345. EINSTEINet

bewegt sich damit im oben abgesteckten rechtlichen Rahmen.

2. AUßERORDENTLICHE KÜNDIGUNG

Darüber hinaus steht den Parteien das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund

zu.

a) Gesetzliche Regelung

§ 543 II nennt beispielhaft Umstände, in denen ein wichtiger Grund zu sehen ist,

wie die Vorenthaltung oder den Entzug des vertragsgemäßen Gebrauchs, die

unbefugte Überlassung an Dritte oder den Verzug mit zwei Monatsmieten. Ist die

Mietsache mit einem Mangel behaftet, wird der vertragsgemäße Gebrauch vorent -

342 OLG LG Köln 1999, 218ff (Softwarepflege); OLG Koblenz CR 1993, 626f; kritisch: Moritz CR 1999, 541ff. 343 Leistungsschein 3.5. 344 Vgl. Rahmenvertrag 2. 345 Rahmenvertrag 8.

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halten346. Der Kündigung muß i.d.R. ein Abhilfeverlangen oder eine fruchtlose

Abmahnung gegenüber der anderen Vertragspartei vorausgehen, vgl. §?543 III.

ASP-spezifische Anforderungen können sich aus dem Erfordernis der Unzumut -

barkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses ergeben, vgl. § 543 I S.2. Zugunsten

des Anwenders fällt ins Gewicht, daß eine plötzlicher Verlust der ASP-Services

dessen Existenz bedrohen kann, woraus sich ein überwiegendes Interesse des

Anwenders an einer zumindest befristeten Fortsetzung ergeben kann.

Auf der anderen Seite wird nicht jede Überschreitung der Reaktionszeiten durch

den ASP die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten und eine fristlose Kündigung

des Anwenders wegen Nichtgewährung bzw. Entzugs des Gebrauchs rechtfert i-

gen347. Im Einzelfall kommt es daher auf die Bedeutung der Anwendung, den Grad

der Abhängigkeit vom ASP sowie die Häufigkeit, Dauer und Intensität der Störung

an.

b) Regelung durch EINSTEINet

EINSTEINet gibt in ihren Vertragsbedingungen die gesetzliche Regelung im we-

sentlichen wortgleich wieder348. Verschärfungen finden sich nur insoweit, als daß

die Abmahnung bzw. das Abhilfeverlangen schriftlich zu erfolgen hat und auch die

Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen wichtigen Grund darstellt. Beide Rege-

lungen sind AGB-rechtlich nicht zu beanstanden.

Angesichts der Konsequenzen, die bei Nichtbeachtung der Abmahnung drohen, ist

das Schriftformerfordernis zu Warn- und Beweissicherungszwecken im kaufmänni-

schen Verkehr angemessen349. Gleiches gilt für die Insolvenzklausel, da die ge-

genwärtige Gefahr einer Insolvenz die vertragliche Vertrauensgrundlage zerstört.

3. REGELUNGSSPIELRAUM

Der sonstige Gestaltungsspielraum wird durch § 9 AGBG markiert, §?11 Nr. 12

AGBG strahlt im kaufmännischen Verkehr nicht auf die Generalklausel aus350. Da-

her können längere, im allgemeinen bis zu 10jährige Vertragslaufzeiten vereinbart

346 Palandt-Putzo § 542 Rn. 5. 347 Erman-Jendrek § 542 Rn. 5; Palandt-Putzo § 542 Rn. 6. 348 Vgl. Rahmenvertrag 7. 349 Palandt-Heinrichs AGBG 11 Rn. 97; Ulmer/Brandner /Hensen-Hensen § 11 Nr. 16 Rn. 11. 350 Erman-Hefermehl/Werner AGBG § 11 Nr. 12 Rn. 10; Ulmer/Brandner /Hensen-Hensen § 11 Nr. 12 Rn. 18; BGH NJW 1985, 2695.

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werden351. Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund ist wegen §9 II Nr. 1

AGBG unabdingbar352. § 543 II Nr.1 kann auf den Fall beschränkt werden, daß die

Nachbesserung oder Ersatzlieferung zuvor fehlgeschlagen ist353.

V. VERLETZUNG VON NEBENPF LICHTEN

1. HAFTUNG AUS C.I.C.

Schadenersatzansprüche wegen c.i.c, der vorvertraglichen Pflichtverletzung, resul-

tieren im IT-Bereich in erster Linie aus unterlassener oder unrichtiger Aufklärung

und Beratung durch den Anbieter. In zahllosen Entscheidungen hat sich eine Ab-

grenzung zwischen eigeninitiativer und fremdinitiierter Aufklärungspflicht heraus-

kristallisiert354. Erstere besteht, wenn für den Kunden unbekannte Umstände vor-

liegen, die den Vertragszweck vereiteln können und der Anbieter dies erkennen

konnte355. Dabei müssen Kriterien wie Erfahrung des Kunden, Fachkenntnis des

Anbieters, Kenntnisgefälle sowie Vertrauen des Kunden einbezogen werden356.

Erbittet der Kunde Informationen, so muß der ASP diese richtig und vollständig

beantworten, man spricht dann von fremdinitiierten Aufklärungspflichten357

Letztendlich betont die Rspr. aber immer wieder den Einzelfallcharakter der Ent -

scheidungen, so daß sich keine allgemeingültigen Vorgaben für ASP ableiten las -

sen358. Verwiesen sei daher auf die umfangreiche Kasuistik der Literatur359. Als

Faustregel wird man aber sagen können, daß die im ASP-Modell selbst begründe-

ten Umstände, wie beispielsweise Probleme bei der Datenfernübertragung oder

Kompatibilitätsprobleme mit In-House Anwendungen eher der Aufklärungspflicht

unterliegen, als diejenigen, die der Software innewohnen, wie z.B. die Funktionali-

tät oder Bedienerfreundlichkeit. Denn in der Regel lagert der Kunde lediglich vor-

mals selbst betriebene und genutzte Software aus, so daß er diesbezüglich gewis -

se Vorkenntnisse mitbringt und kein eklatantes Wissensgefälle zum ASP besteht.

351 Erman-Hefermehl/Werner AGBG § 11 Nr. 12 Rn. 10; Ulmer/Brandner /Hensen-Hensen § 11 Nr. 12 Rn. 18. 352 Palandt –Heinrichs AGBG 11 Rn. 81; BGH NJW 1986, 3134. 353 Marly § Rn. 191 (Softwareleasing), Rn. 1147. 354 Koch rn. 200ff; Marly Rn. 497; Scheider D Rn. 533. 355 Vgl. BGH NJW 1985, 1769, 1771 m.w.N. 356 Koch Rn. 203; Marly Rn 500; Schneider D Rn. 534. 357 Marly Rn. 505. 358 Marly Rn. 487. 359 Koch Rn. 218 ff; Marly Rn. 513.ff; Schneider D Rn. 537 ff.

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Die Rechtsfolgen einer Verletzung reichen, abhängig vom Kausalzusammenhang,

vom Ersatz des Vertrauensschadens, über die Vertragsaufhebung bis zum Ersatz

des Erfüllungsinteresses360.

2. HAFTUNG AUS PVV

Nach den Grundsätzen der pVV macht sich der ASP immer dann schadenersatz-

pflichtig, wenn er vertragliche Nebenleistungs- und Schutzpflichten verletzt. § 536a

I genießt jedoch Vorrang, soweit die Pflichtverletzung zu Mangel- oder Mangelfol-

geschäden führt361. Der gegebenenfalls bestehende Anspruch verjährt in 30 Jah-

ren, § 195.

Nebenpflichten der EINSTEINet ergeben sich aus den allgemeinen Bestimmun-

gen362 und insbesondere aus den vertraglichen Vereinbarungen. Beispielhaft seien

hier die diversen Datensicherungsmaßnahmen und die vorbereitende Be-

standsaufnahme genannt.

VI. VERTRAGSSTRAFE

Den Parteien steht es frei, eine Vertragsstrafe für den Fall zu vereinbaren, daß der

Schuldner die im obliegenden Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt, vgl. § 339.

Der damit verfolgte Zweck ist ein doppelter. Zum einen wird dem Gläubiger ein

Druckmittel an die Hand gegeben und zum anderen die Durchsetzung von Scha-

denersatzansprüchen erleichtert 363.

EINSTEINet verspricht eine Vertragsstrafe für das schuldhafte Unterschreiten der

vereinbarten Verfügbarkeitszeiten364. Die Höhe ist nach der Ausfalldauer gestaffelt

und auf maximal 3 Monatsmieten begrenzt.

Das Verhältnis zum Schadenersatz und zur Erfüllung bestimmt sich danach, ob die

Vertragsstrafe für den Fall der Nichterfüllung oder der nicht gehörigen Erfüllung

versprochen wurde, vgl. §§ 340, 341. Schlechtleistung, pVV und Verzug fallen in

die letztgenannte Kategorie365. Da bereits festgestellt wurde, daß sich auch die

Nichtverfügbarkeit der Software nach Gewährleistungsrecht beurteilt, ist die Ver-

tragsstrafe für den Fall der Schlechtleistung versprochen. Nach §?341 I kann der

360 Vgl. im Einzelnen: Palandt-Heinrichs § 276 Rn. 99 ff. 361 Erman-Grunewald Vor § 537 Rn. 19. 362 Vgl. Marly Rn. 577 ff; Palandt-Heinrichs § 242 Rn. 113 ff. 363 Palandt-Heinrichs Vorbem v § 399 Rn. 1. 364 Rahmenvertrag 4. 365 Palandt-Heinrichs § 341 Rn. 1.

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Kunde damit Vertragsstrafe neben der Erfüllung verlangen. Gleiches gilt auch für

die damit korrespondierenden Minderungsansprüche. Im Rahmen des Schadener-

satzanspruches aus § 536a I kann die verwirkte Vertragsstrafe als Mindestschaden

geltend machen werden, § 341 I i.V.m. § 340 II. Damit ist aber gleichzeitig die Ku-

mulation ausgeschlossen, d.h. die Vertragsstrafe wird auf den Schadenersatzan-

spruch angerechnet und kann nicht daneben verlangt werden366.

F VERTRAGLICHE HAFTUNG GEGENÜBER DRITTEN

Aus dem Vertragsverhältnis zwischen dem ASP und dem Endkunden lassen sich

in der in der Regel keine Ansprüche Dritter ableiten. Zwar kann ein Geschäftspart -

ner des Endkunden einen Schaden erleiden, wenn beispielsweise dessen Emails

aufgrund von Störungen der Software verloren gehen. Für einen Vertrag mit

Schutzzweck zugunsten Dritter fehlt es jedoch regelmäßig an einem überschauba-

ren und erkennbaren Personenkreis367.

G AUßERVERTRAGLICHE HAFTUNG

Zur Beurteilung der Haftungsrisiken gehört auch ein Blick auf die außervertragli-

chen Pflichten des ASP.

I. DATENSCHUTZRECHT

Dabei spielt das Datenschutzrecht eine gewichtige Rolle

1. KLASSIFIZIERUNG DER DATEN

Während der Durchführung des Vertrages gelangen eine Vielzahl personenbezo-

gener Daten in den Herrschaftsbereich des Providers. Da wären zum einen Infor-

mationen über den Kunden, wie dessen Name, Anschrift und Kontoverbindung, die

zur Begründung, inhaltlichen Ausgestaltung oder Änderung des Vertrags notwen-

dig sind (“Bestandsdaten”, vgl. § 5 I TDDSG). Eng damit verbunden, weil ebenfalls

zur Vertragsabwicklung erforderlich, sind die Nutzungsdaten, wie beispielsweise

die IP-Adresse des anfragenden Clients, der Benutzername oder Status der Ver-

bindung. Sie ermöglichen technisch die Inanspruchnahme des Services, vgl. § 6 I

Nr.1 TDDSG. Soweit diese auch zur Abrechnung benötigt werden – erwähnt sei

366 Palandt-Heinrichs § 340 Rn. 1. 367 Vgl. Erman-Westermann §328 Rn. 15.

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beispielsweise die Verbindungsdauer -, avancieren sie zu Abrechnungsdaten, § 6 I

Nr.2 TDDSG368.

Den eigentlichen Gegenstand des Vertrages bilden aber die Arbeitsdaten, also all

die Informationen, die vom Kunden mit den bereitgestellten Applikationen verarbei-

tet und ggf. auf den Servern des Anbieters gespeichert werden. Sie können den

ASP-Kunden selbst betreffen, beispielsweise wenn er Finanzbuchhaltungspro-

gramme nutzt. Drittbezogene Daten fallen regelmäßig an, wenn Personal- oder

Kundenmanagmentsoftware (Adressverwaltung, Fakturierung, Lohnbuchhaltung)

zum Einsatz kommt.

Datenschutzrechtliche Relevanz erlangen aber nur die Daten mit Personenbezug,

vgl. § 1 I BDSG. In der Folge sind Angaben zu juristischen Personen nicht ge-

schützt, vgl. § 3 I BDSG. Im Detail kann die Abgrenzung aber schwierig sein. So

haben Daten einer Ein-Mann-GmbH nach h. M. Personenbezug369 und Verbin-

dungsdaten, wie z.B. IP-Adressen, können den Rückschluß auf einzelne Mitarbei-

ter eines Unternehmens zulassen370

2. ABGRENZUNG VON TDDSG UND BDSG

Als bereichsspezifisches Datenschutzgesetz kommt das TDDSG in Betracht. Tele-

dienste sind u.a. Kommunikationsdienste, die für eine individuelle Nutzung von

kombinierbaren Daten wie Zeichen, Bilder oder Töne bestimmt sind und denen

eine Übermittlung mittels Telekommunikation zugrunde liegt, § 2 I TDG. ASP erfüllt

diese Voraussetzungen, da die anfallenden Daten via Internet übertragen werden

und zur individuellen Nutzung des ASP-Kunden bestimmt sind371.

Interessant sind die Neuerungen, die der Entwurf zur Änderung des TDDSG372 mit

sich bringt. § 1 I S.2 E-TDDSG nimmt die Erhebung Verarbeitung und Nutzung

personenbezogener Daten zur ausschließlichen Steuerung von Arbeits- oder Ge-

schäftsprozessen zwischen Unternehmen oder öffentlichen Stellen vom Geltungs-

bereich aus. Zur Begründung wird angeführt, daß wegen besonderer Interessen,

368 Weitere Beispiele zur Klassifizierung: Landesbeauftragter für Datenschutz NRW http://www.lfd.nrw.de/fachbereich/fach_1_2_2.html (11.12.01). 369 Vgl. Ehmann ASP-Magazin 3/2001, 54, 55. 370 Schulz, S.38ff. 371 So im Ergebnis auch: Kling; Ehmann ASP-Magazin 3/2001, 54; Niedermeier/Damm RDV 2001, 213, 214; Röhrborn/Sinhart CR 2001, 69, 74. 372 Abrufbar unter: http://www.bmwi.de/Homepage/download/infogesellschaft/EGG-Entwurf.pdf (12.12.01).

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beispielsweise bei der Verknüpfung von Produktionsprozessen zwischen Unter-

nehmen, die Anwendung des TDDSG nicht sachgerecht wäre373. Da man in ASP

durchaus die Wiederintegration des ausgelagerten Geschäftsprozesses Datenver-

arbeitung in die eigenen betrieblichen Abläufe erblicken kann, liegt es nahe, ASP

für gewerbliche Endkunden künftig vom TDDSG auszunehmen.

Nach § 1 II TDDSG sind die jeweils geltenden Vorschriften anzuwenden sind, so-

weit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Das BDSG ist damit subsidiär gegen-

über den bereichsspezifischen Vorgaben des TDDSG. Folglich werden die in den

§§ 5,6 TDDSG erwähnten Bestands-, Nutzungs- und Verbindungsdaten abschlie-

ßend geregelt, ein Rückgriff auf die allgemeinen Erlaubnistatbestände ist ausge-

schlossen374. Einzelne Regelungen des BDSG, wie beispielsweise zur Datenüber-

mittlung, können jedoch ergänzend herangezogen werden375 .

Auf die Arbeitsdaten findet das TDDSG jedoch keine Anwendung, obwohl § 1 I

TDDSG den Schutzbereich des Gesetzes allgemein auf personenbezogene Daten

bei Telediensten erstreckt. Gemeint sind damit aber nur personenbezogene Daten

des Nutzers selbst, wie das Fehlen von Regelungen zur Verarbeitung von Drittda-

ten (Auftragsdatenverarbeitung) zeigt. Eine entsprechende Klarstellung hat Ein-

gang in § 1 des Entwurfs zur Änderung des TDDSG gefunden. Zudem fehlt es

hinsichtlich der Arbeitsdaten an einer TDDSG-typischen Gefährdungslage, da der

ASP kein eigenes Interesse an den Daten besitzt, deren Verarbeitung vielmehr

allein auf Veranlassung der Kunden erfolgt. Damit erklären sich auch die Inkon-

sistenzen, die die Anwendung des Gesetzes auf Arbeitsdaten mit sich bringen

würde. So stünde das Gebot der Datensparsamkeit, § 4?IV?TDDSG, in diametralen

Widerspruch zum erklärten Ziel der Parteien. Auch hätte der Kunde das Rechts

entgegen der vertraglichen Vereinbarung die von ihm erstellten und gespeicherten

Dokumente mit Personenbezug unentgeltlich einzusehen.

Die Arbeitsdaten unterliegen somit im Ergebnis den allgemeinen Regelungen des

BDSG376.

373 Siehe http://www.dud.de/dud/documents/tddsg-e.pdf, S. 9., (12.12.01). 374 Schaar, Folie 5. 375 Ehmann ASP-Magazin 3/2001, 54; Schaar, Folie 5. 376 Im Ergebnis wohl auch: Niedermeier/Damm RDV 2001, 213, 214f; Röhrborn/Sinhart CR 2001, 69, 74f.

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3. VORGABEN DES TDDSG

Soweit das TDDSG nach dem eben gesagten anwendbar ist, ergibt sich folgendes:

Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung unterliegt dem Zweckbindungsprinzip

und bedarf der Einwilligung oder einer gesetzlichen Grundlage, § 3I, II TDDSG.

Der Nutzer muß vor der Erhebung über die wesentlichen Umstände der geplanten

Datenverarbeitung informiert werden, § 3 V TDDSG; ihm steht ein jederzeitiges

Widerrufsrecht zu. Gemäß § 4 TDDSG obliegt es dem ASP, den jederzeitigen Ab-

bruch der Verbindung und ,soweit zumutbar, die anonyme Nutzung zu ermögli-

chen, die Nutzung vor der Kenntnisnahme durch Dritte zu schützen und perso-

nenbezogene Daten über die Inanspruchnahme verschiedener Teledienste durch

einen Nutzer getrennt zu verarbeiten. Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung

der Bestands-, Abrechnungs- und Nutzungsdaten ist nur in den Grenzen der Erfor-

derlichkeit zulässig, was eine schnellstmögliche Löschung impliziert, vgl. § 6 II

TDDSG. Schließlich gewährt §?7?TDDSG dem Kunden ein unentgeltliches Ein-

sichtsrecht.

4. VORGABEN DES BDSG

a) ASP als Auftragsdatenverarbeitung

Der Umfang der sich aus dem BDSG ergebenden Pflichten hängt von der Verant -

wortlichkeit für die Arbeitsdaten ab. Drei Ebenen sind denkbar: Der ASP verarbei-

tet die Daten lediglich im Auftrag (§?11?BDSG), d.h. der Kunde bleibt “Herr der Da-

ten” und entscheidet selbständig, welche Daten wie verarbeitet werden sollen377.

Er ist damit grundsätzlich selbst für die Zulässigkeit der Datenverarbeitung verant -

wortlich, den ASP treffen nur unterstützende Pflichten. Fehlt es am Weisungsrecht,

weil dem ASP die Aufgaben zur eigenständigen Erledigung übertragen wurden, so

spricht man von einer Funktionsübertragung378, mit der Folge, daß dem ASP die

Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen obliegt. Schließlich könnte

man den Standpunkt einem, daß er nur die Geräte zur Datenverarbeitung bereit -

stelle, aber selbst weder Daten erhebt, verarbeitet noch nutzt. Damit fände das

BDSG schon per definitionem keine Anwendung, vgl. § 1 II BDSG.

377 Bergmann/Möhrle/Herb § 11 BDSG Rn. 8. 378 Bergmann/Möhrle/Herb § 11 BDSG Rn. 10.

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Einige Autoren vertreten zumindest im Fall der Online-Überlassung von Rechen-

zentrumskapazitäten die letztgenannte Ansicht379. Auftrag sei im zivilrechtlichen

Sinne zu verstehen und setzte daher einen gewissen Handlungsspielraum voraus.

Ohne diesen liefen alle Weisungen ins Leere. Der Rechenzentrumsbetreiber stelle

aber nur Hard- und Software zur Verfügung und lasse den Kunden gewähren, ei-

gene Einflußmöglichkeiten habe er nicht. Damit fehle es an einer datenschutzrele-

vanten Gefährdungslage. In der Folge seien die Vorschriften des BDSG nicht auf

ihn anwendbar380.

Die herrschende Literatur sieht im Datenhosting und der Verarbeitung der Daten

einen Fall der Auftragsdatenverarbeitung381. Nur der Kunde entscheide, welche

Daten er beim ASP speichern und welche er mit den angebotenen Applikationen

verarbeiten will. Der ASP stellt lediglich die technische Durchführbarkeit sicher382.

Dieser Ansicht ist beizupflichten, selbst wenn man mit der Gegenauffassung eine

Handlungsspielraum des ASP fordert. Denn es bestehen für ihn durchaus Möglich-

keiten, die Datenverarbeitung zu beeinflussen. Genannt sei beispielsweise die

Sicherung der Kundendaten, zu der er zwar vertraglich verpflichtet ist, die er aber

ohne weiteres Zutun des Kunden durchführt. Zum anderen ergibt sich eine daten-

schutztypische Gefährdungslage schon aus der bloßen Sachherrschaft über die

Anlagen. Gerade in den Datacentern des ASP könnten Mitarbeiter oder Dritte ver-

suchen, unberechtigterweise auf Daten der Kunden zuzugreifen. Daß dieses Risi-

ko vom BDSG abgedeckt wird, zeigt die Anlage zu § 9 BDSG, die organisatorische

und technische Maßnahmen, wie z.B. Zugriffskontrollen vorschreibt.

b) Pflichten des Auftragsdatenverarbeiters.

Der Pflichtumfang der Auftragsdatenverarbeiter bestimmt sich nach §?11 BDSG.

Dieser verweist auf die §§ 5, 9 wonach die Mitarbeiter auf das Datengeheimnis zu

verpflichten und die bereits erwähnten organisatorischen und technischen Schutz-

vorkehrungen zu treffen sind. Darüber hinaus unterliegt der ASP gemäß § 38

BDSG der behördlichen Aufsicht und muß einen Datenschutzbeauftragten einset -

379 Gola/Schomerus § 11 Rn. 2 f; Sponeck CR 1992, 594 f. 380 Sponeck CR 1992, 594 ff. 381 Glossner/Grzimek II e); Jobs/Horchler RDV 1992, 105, 107; Niedermeier/Damm RDV 2001, 213, 214; Röhrborn/Sinhart CR 2001, 69, 75; Schröcker; Wächter NJW CoR 1999, 292, 297. 382 Niedermeier/Damm RDV 2001, 213, 214; Röhrborn/Sinhart CR 2001, 69, 75.

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zen, soweit mehr als 4 Mitarbeiter mit der Datenverarbeitung beschäftigt sind (§§

4f, 4g BDSG).

5. VORGABEN DES TKDV

Erbringt der ASP daneben auch geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste, so

wenn er den Zugang zu den Applikationen über ein eigenes Netzwerk ermöglicht

oder im Zusammenhang mit bereitgestellter Kommunikationssoftware beispiels -

weise Emails übermittelt383, unterliegt er den Bestimmungen der TKDV. Da diese

Verordnung die technische Seite der Telekommunikation regelt, das TDDSG hin-

gegen auf den Inhalt ausgerichtet ist, kommen beide Regelungswerke nebenein-

ander zur Anwendung384. Die Vorschriften zu den Bestands-, Verbindungs- und

Nutzungsdaten (§§5, 6, 7) gleichen aber im wesentlichen den §§ 5, 6 TDDSV.

Zusätzliche Pflichten ergeben sich nur in Bezug auf den nach § 8 TKDV anzubie-

tenden Einzelverbindungsnachweis.

6. RECHTSFOLGEN DER VERLETZUNG

Verletzt der ASP datenschutzrechtliche Vorschriften, so macht er sich gegenüber

dem Betroffenen gemäß § 7 BDSG schadenersatzpflichtig. Voraussetzung ist

schuldhaftes Handeln des ASP. Es obliegt ihm aber aufgrund der statuierten Be-

weislastumkehr, sich insoweit zu entlasten. Für den ASP empfiehlt es sich daher,

seine Datenschutzmaßnahmen zu dokumentieren385.

EINSTEINet beschränkt sich bei vertraglichen Ausgestaltung des Datenschutzes

auf die Bemerkung, daß sie personenbezogene Daten nur dann erhebt, verarbeitet

und nutzt, wenn der Kunde eingewilligt hat oder einschlägige Rechtsvorschriften

dies erlauben386.

II. FERNABSATZGESETZ

Das Fernabsatzgesetz ist nur dann einschlägig, wenn ASP-Kunden nicht lediglich

im Rahmen ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handeln (“Verbraucher”,

vgl. § 13) und zum Vertragsschluß Fernkommunikationsmittel, wie Email oder Brie-

fe eingesetzt werden. Neben spezifischen Informationspflichten (§ 2 FernAbsG)

383 Vgl. OLG Hamburg, AZ 3U 80/99, http://www.ra-kotz.de/tonline.htm (12.12.01). 384 OLG Hamburg, AZ 3U 80/99, http://www.ra-kotz.de/tonline.htm (12.12.01). 385 Vgl. Niedermeier/Damm RDV 2001, 213, 219. 386 AGB E 10.1.

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folgt daraus ein Widerrufsrecht, daß aber mit der erstmaligen Nutzung des Applica-

tion Services erlischt, vgl. § 3 I S.3 Nr. 2b FernAbsG.

III. PRODUKTHAFTUNGSGESETZ

Das Risiko einer Haftung nach dem ProdHaftG tendiert gegen Null, da kaum ein

Fall denkbar ist, in dem fehlerhafte Software eine Gesundheitsverletzung oder die

Beschädigung anderer Sachen verursacht.

IV. TDG

Auch die rechtlichen Konsequenzen des TDG sind überschaubar. Stellt der ASP in

urheberrechtswidriger Weise Software zur Verfügung, so haftet er als Anbieter für

eigene Inhalte nach den allgemeinen Vorschriften, § 5 I TDG. Benutzt der Kunde

die Server des ASP zur Speicherung rechtswidriger Inhalte, z.B. urheberrechtlich

geschützter Dokumenten, so ist der ASP nur verantwortlich, wenn er davon Kennt -

nis hatte und es ihm zuzumuten und technisch möglich ist, den Zugriff zu verhin-

dern, § 5 II TDG. Da der ASP den Inhalt der gespeicherten Informationen aber

nicht überprüft, wird es regelmäßig an der Kenntnis fehlen.

Die vom Bundestag am 9.11.2001 beschlossene Neufassung des TDG387 bringt

kaum Änderungen für den ASP mit sich. Bei fremden Inhalten kommt es wiederum

auf die Kenntnis bzw. auf die unverzügliche Sperrung bzw. Blockierung nach

Kenntniserlangung an (§?11 TDG-neu). Von Interesse dürfte aber die Einführung

des Herkunftslandsprinzips sein, wonach ein in Deutschland niedergelassener

ASP auch dann dem deutschen Rechts, namentlich dem TDG und TDDSG unter-

liegt, wenn er seine Dienstleistungen in einem EU-Mitgliedstaat erbringt, § 4 I

TDG-neu.

V. UNERLAUBTE HANDLUNG

Gleichwohl der Kunden auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung gegen den

ASP haben kann, wird diese Haftungsgrundlage kaum praktische Relevanz erlan-

gen. Die vertraglichen Ansprüche gewähren dem Kunden in der Regel ein effekti-

veres Instrumentarium der Rechtsdurchsetzung. So verlagert sich die Beweislast

für Verschulden, sei es im Rahmen des § 536a I oder der PVV, auf den Anbieter,

387 http://www.bmwi.de/Homepage/download/infogesellschaft/EGG-Entwurf.pdf (12.12.01).

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wenn die Schadensursache aus seinem Gefahrenbereich stammt388. Eine Exkulpa-

tion für das Verschulden von Erfüllungsgehilfen ist nicht möglich. Auch unter dem

Aspekt der Verjährung bietet die deliktische Haftung keine Vorteile. Die vertragli-

chen Schadenersatzansprüche verjähren in 30 Jahren389, deliktische hingegen in 3

Jahren ab Kenntnis des Schadens und des Ersatzpflichtigen, § 852 I.

Nichtsdestotrotz seien einige Punkte kurz angesprochenen.

Bei einem Ausfall oder Fehlern der Applikationen kann das Recht des Kunden am

eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betroffen sein. Sanktioniert wer-

den aber nur betriebsbezogene Eingriffe, die sich spezifisch gegen den betriebli-

chen Organismus richten390. Diese Voraussetzung könnte allenfalls dann bejaht

werden, wenn durch den Ausfall die Geschäftsabläufe des Kunden in existenzbe-

drohender Weise zum Erliegen kommen.

Daten, die der Kunde auf den Servern des ASP ablegt, werden nicht vom Eigen-

tumsschutz des § 823 erfaßt. Da die Sachqualität von Software und auch Daten an

die Verkörperung anknüpft, bestimmt sich das Eigentum nach dem Eigentum am

Speichermedium. Ob man daneben ein selbständiges Recht an Daten oder Infor-

mationen zuerkennen kann, wird zwar mit beachtlichen Argumenten in der Literatur

diskutiert391. Mangels bejahender Entscheidung der Rechtsprechung wird sich

diese Auffassung in der Rechtswirklichkeit jedoch (noch) nicht durchsetzen lassen.

H ASPEKTE DER SCHULDRECHTSREFORM

Am 01.01. 2001 tritt das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts392 in Kraft

und wird tiefgreifende Änderungen mit sich bringen. Die vielschichtige Diskussion

über die Konsequenzen ist gerade im Fluß und endgültige Sicherheit werden wohl

erst höchstrichterliche Entscheidungen bringen. Eine erschöpfenden Darstellung

würde daher den Umfang der Arbeit sprengen, so daß nur einige Aspekte darge-

stellt werden können. Das besondere Mietrecht wird von der Neufassung allerdings

nicht berührt, da es bereits mit Wirkung zum 01.09.2001 eine umfassende Überar-

beitung erfahren hat. Die Ausführungen beschränken sich deshalb auf das allge-

meine Schuldrecht.

388 Erman-Battes § 282 Rn. 6; MüKo.Voelskow § 538 Rn. 18; Palandt-Putzo § 538 Rn.17, § 282 Rn. 8. 389 Erman-Jendrek § 538 Rn. 16. 390 Palandt-Thomas § 823 Rn.21. 391 Vgl. Meyer/Wehlau NJW 1998, 1585. 392 Abrufbar unter: http://217.160.60.235/BGBL/bgbl1f/b101061f.pdf (16.12.61).

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Nach § 276 I n. F., der Regelungen zum Vertretenmüssen enthält, kann sich eine

mildere oder strengere Haftung aus dem sonstigen Inhalt eines Schuldverhältnis -

ses, z.B. aus der Übernahme einer Garantie ergeben. Damit kann die im Kaufrecht

weggefallene verschuldensunabhängige Haftung für zugesicherte Eigenschaften

wieder kompensiert werden393. Der ASP muß daher damit rechnen, daß er auch

für den nachträglichen Wegfall der garantierten Umstände im Endeffekt verschul-

densunabhängig haftet. Allerdings wird man eine derartige Garantie nur dann an-

nehmen können, wenn sich den Erklärungen ein entsprechender Wille unzweideu-

tig entnehmen läßt.

Hingegen wird sich aus der Neufassung keine Haftungserleichterung für Soft -

waremängel ableiten lassen. Wie bereits dargestellt, rechtfertigt die Interessenlage

der Parteien keine Sonderbehandlung, so daß sich aus dem Inhalt des Vertrages

regelmäßig keine Beschränkung des Haftungsmaßstabes ergibt 394.

Die zentrale Haftungsnorm findet sich in § 280 n. F., der die zu vertretende Pflicht -

verletzung zum allgemeinen Haftungsprinzip erklärt. Damit findet die pVV Eingang

in das Gesetz. Materielle Änderungen ergeben sich daraus aber nicht, Schadener-

satz kann weiterhin neben der Erfüllung verlangt werden395.

Die folgenden Normen gewähren Schadenersatz statt Erfüllung, so § 281 n. F.

wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistungen. Zu beachten ist, daß

§ 536a jedoch eine Sonderregelung für Mietmängel enthält396. Im Gegensatz zu

den werkvertraglichen und kaufrechtlichen Vorschriften findet sich kein Verweis

auf §?281?n.?F., so daß diese Norm insoweit vor allem die Fälle des bisherigen §

326 erfaßt. Im Rahmen der Vorschrift kommt es nicht auf den Verzug und die Ab-

lehnungsandrohung an, der Gläubiger muß lediglich eine Frist setzen397. Der

Schadenersatzanspruch ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Schuldner mit dem

Schadenersatzverlangen trotz Fristsetzung nicht rechnen mußte, § 281 I S.2 n. F..

Auch im Falle der Verletzung wesentlicher Nebenpflichten kann der Schuldner

Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wenn ihm die Leistungsannahme

nicht mehr zugemutet werden kann, §?282?n.F. Im Ergebnis könnte der Kunde also

Schadenersatz statt Erfüllung verlangen, wenn der ASP die versprochenen Daten-

393 Bartsch CR 2001. 649, 651. 394 A.A. wohl Bartsch CR 2001, 649, 652. 395 Bartsch CR 2001, 649, 652. 396 Bartsch CR 2001, 649, 652. 397 Dauner-Lieb Anm. zu § 281.

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sicherungsmaßnahmen nicht einhält und damit die permanente Gefahr eines Da-

tenverlustes schafft.

Den gleichen Anspruch hat der Schuldner gemäß §§ 283, 275 n. F., wenn die Leis -

tungserbringung unmöglich ist.

Die §§ 323 ff n. F. regeln das Rücktrittsrecht des Schuldners bei gegenseitigen

Verträgen. Auch insoweit gilt, daß das Mietrecht in Hinblick auf Mietmängel vor-

rangige Regelungen in Form des Kündigungsrechts gemäß § 542 enthält. Im übri-

gen ähnelt die Regelungsstruktur der der §§ 280 ff n. F.. Bemerkenswert ist je-

doch, daß der Schuldner bei jeder Verzögerung nach Fristsetzung zurücktreten

kann, selbst wenn der Gläubiger sie nicht zu vertreten hat398.

I RESÜMEE

Application Service Providing ist mehr als nur ein werbewirksames Schlagwort für

ein althergebrachtes Geschäftsmodell. Zwar kann ASP nicht für sich beanspru-

chen, Pionier der zentralisierten Bereitstellung von Software sein, wohl aber, das

Potential neuer Technologien auszuschöpfen. Globale Netzwerke, leistungsfähig

und zuverlässig, verbunden mit schnellen Servern und Multi-User-fähiger Software

bieten erstmals auch klein- und mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit,

IT-Infrastruktur mit vertretbaren Aufwand auf spezialisierte Anbieter zu verlagern.

Aber gerade die Ähnlichkeiten mit bekannten Formen der Softwareüberlassung

lassen Rückschlüsse auf die rechtliche Qualität des ASP‘s zu. Die Untersuchungen

haben gezeigt, daß das juristisches Fundament des ASP der Mietvertrag ist. Dar-

auf bauen die verschiedenen Zusatzleistungen auf, die ASP den prägenden Cha-

rakter eines typengemischten Vertrages geben. Sie teilen aber nicht zwangsläufig

den Vertragstyp der eigentlichen Softwareüberlassung, so daß es unerläßlich ist,

den von einer Leistungsstörung betroffenen Bereich sorgfältig zu bestimmen.

Ausgehend von der vertragstypologischen Einordnung wurden dann die einzelnen

Haftungsgrundlagen erläutert, denen der ASP im allgemeinen und EINSTEINet im

besonderen unterliegt. Es hat sich gezeigt, daß die rechtlichen Probleme oftmals

im Detail liegen und von inhaltlichen Unklarheiten herrühren. Der ASP steht damit

vor der schwierigen Aufgabe, möglichst detaillierte Bestimmungen frei von Zwei-

398 Bartsch CR 2001, 649, 651.

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deutigkeiten und Widersprüchen zu formulieren, will er die Klippen des AGBG‘s

umschiffen und rechtliche Auseinandersetzungen schon im Vorfeld vermeiden.

Dabei gilt es, der besonderen Interessenlage und den technischen und ökonomi-

schen Gegebenheiten des ASP gerecht zu werden. Sie strahlen auf sensible

Regelungsbereiche, wie beispielsweise Verfügbarkeitsklauseln, aus und verbieten

voreilige Verallgemeinerungen.

Mit den flexiblen Instrumentarien des Vertragsrechts lassen sich die Probleme aber

durchaus bewältigen. Das BGB hat damit einmal mehr unter Beweis gestellt, daß

es trotz einer über hundertjährigen Geschichte auf aktuelle Fragestellungen ange-

messen zu reagieren vermag - ein Aspekt, der in Zeiten hektischer gesetzgeberi-

scher Aktivitäten gerade im IT-Bereich bedacht werden sollte.