LN15 - LEIPZIGS NEUE

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Palästina-Lösung in weiter Ferne DDR-Botschafter a. D. analysiert, worin der Ausweg aus der dramatischen Situation bestehen könnte Seite 3 Abgehobenes Administrieren Bürger und Stadträte zum Leipziger Theaterdonner Seite 4 Viel Lärm um Flughafen „Von Politik und Wirtschaft inszenierte Farce“ und militärischer Missbrauch erregen Leipziger Seiten 6/7 Der Aufstand in der Kriegsflotte Sommer 1917: In der Matrosenerhebung kündigt sich die Novemberrevolution 1918 an Seite 12 L INKE Z WEIWOCHENZEITUNG für Politik, Kultur und Geschichte 1 1 5 5 2007 15. Jahrgang 27. Juli www. leipzigs-neue.de Nur 1 Euro im Abo 1,30 Euro Tödliche Geschäfte mit der Armut Kaum hatten die G8 in Heiligendamm verkün- det, dass zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose, vornehmlich in den tropi- schen Ländern, ein Betrag von 60 Milliarden Dollar bereitgestellt werden soll, da meldeten schon die Pharmakonzerne ihre Forderungen an. Kein Wunder bei dem riesigen Markt, der sich dort auftut. Leben doch allein von den weltweit 39,5 Millionen HIV-Infizierten 24,7 Mil- lionen, das sind etwa zwei Drittel, in der Sub- Sahara-Region Afrikas und von den weltweit 6 Millionen doppelt Infizierten (HIV und Tuberku- lose) etwa 80 Prozent. Die Zahl der jährlichen Neu-Erkrankungen an Malaria liegt zwischen 1,5 und 2,7 Millionen. Der daraus resultierende und ständig steigen- de Bedarf an wirksamen Medikamenten weckt natürlich die Begehrlichkeit der Pharma-Indus- trie. Für ihre Mitwirkung bei der Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria in den Ent- wicklungsländern verlangen deutsche Pharma- Konzerne umfangreiche Profitgarantien, ver- bunden mit Steuererleichterungen. Weiter wird eine Verschärfung der Patentrechte gefordert. Der Vorsitzende des deutschen Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), Dr. Dr. Andreas Barner, erklärte dazu, dass sonst „die Unternehmen das Interesse verlieren, erfinderisch tätig zu sein“. Bei ihren Forderungen beruft sich die Pharma- Industrie auf die „Public Private Partnerships“ mit den UN, die damit praktisch zur Erfüllung von deren Bedingungen gezwungen sind. Das betrifft auch die Forderungen nach privilegier- ten Zugängen zu afrikanischen Märkten und nach Subventionierung der Pharma-For- schung. Unter anderem soll für den Bayer-Kon- zern die Erprobung eines umstrittenen TBC- Medikaments aus einem internationalen Hilfs- fonds finanziert werden. Auf diese Weise fließen angebliche Hilfsgelder für die Armuts- zonen dieser Welt nach Deutschland zurück. Eine Verschärfung des Patentrechts bedeutet, dass die u. a. in Indien und Thailand auf Grund von Ausnahmeregelungen im internationalen Patentrecht hergestellten bezahlbaren Nach- ahmerpräparate nicht mehr in die bedürftigen Länder geliefert werden. Die Versorgung der dort lebenden Kranken mit lebenswichtigen Medikamenten soll durch westliche Pharma- Konzerne erfolgen. Dass infolge der damit ver- bundenen höheren Medikamentenpreise viele weitere Menschen sterben werden, schert die Konzerne wenig. Bereits 1840 schrieb der von Karl Marx zitierte Thomas Dunning: „Mit ent- sprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft. 50 Pro- zent positiv waghalsig, für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbre- chen, das es nicht riskiert, selbst auf die Gefahr des Galgens.“ • HELMUT ULRICH Jüdisches Gemeindezentrum: Hoch hinaus ... aber nicht problemlos Der Bau des „Jüdischen Gemeindezentrums“ im Leipziger Waldstraßenviertel geht jetzt mit Schwierigkeiten voran. Er war seit Jahren einerseits ein Fall für bürgerschaftliches Engagement und andererseits ein Fall für klagende Klienten und Rechtsanwälte. Jetzt bat der Gemeindevorsitzende Küf Kaufmann zum Rundgang über die Baustelle. LN war dabei und berichtet. Seiten 8/9 Foto: G. Eiltzer

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 Palästina-Lösung in weiter FerneDDR-Botschafter a. D. analysiert, worin derAusweg aus der dramatischen Situation bestehenkönnte Seite 3 Abgehobenes AdministrierenBürger und Stadträte zum LeipzigerTheaterdonner Seite 4 Viel Lärm um Flughafen„Von Politik und Wirtschaft inszenierte Farce“ undmilitärischer Missbrauch erregen Leipziger Seiten 6/7

 Der Aufstand in der KriegsflotteSommer 1917: In der Matrosenerhebung kündigt sichdie Novemberrevolution 1918 an Seite 12

L I N K E Z W E I W O C H E N Z E I T U N Gfür Politik, Kultur und Geschichte

11552007

15. Jahrgang27. Juli

www.leipzigs-neue.de

Nur 1 Euroim Abo

1,30Euro

Tödliche Geschäftemit der Armut

Kaum hatten die G8 in Heiligendamm verkün-det, dass zur Bekämpfung von Aids, Malariaund Tuberkulose, vornehmlich in den tropi-schen Ländern, ein Betrag von 60 MilliardenDollar bereitgestellt werden soll, da meldetenschon die Pharmakonzerne ihre Forderungenan. Kein Wunder bei dem riesigen Markt, dersich dort auftut. Leben doch allein von denweltweit 39,5 Millionen HIV-Infizierten 24,7 Mil-lionen, das sind etwa zwei Drittel, in der Sub-Sahara-Region Afrikas und von den weltweit 6Millionen doppelt Infizierten (HIV und Tuberku-lose) etwa 80 Prozent. Die Zahl der jährlichenNeu-Erkrankungen an Malaria liegt zwischen1,5 und 2,7 Millionen.Der daraus resultierende und ständig steigen-de Bedarf an wirksamen Medikamenten wecktnatürlich die Begehrlichkeit der Pharma-Indus-trie. Für ihre Mitwirkung bei der Bekämpfungvon AIDS, Tuberkulose und Malaria in den Ent-wicklungsländern verlangen deutsche Pharma-Konzerne umfangreiche Profitgarantien, ver-bunden mit Steuererleichterungen. Weiter wirdeine Verschärfung der Patentrechte gefordert.Der Vorsitzende des deutschen VerbandesForschender Arzneimittelhersteller (VFA), Dr.Dr. Andreas Barner, erklärte dazu, dass sonst„die Unternehmen das Interesse verlieren,erfinderisch tätig zu sein“. Bei ihren Forderungen beruft sich die Pharma-Industrie auf die „Public Private Partnerships“mit den UN, die damit praktisch zur Erfüllungvon deren Bedingungen gezwungen sind. Dasbetrifft auch die Forderungen nach privilegier-ten Zugängen zu afrikanischen Märkten undnach Subventionierung der Pharma-For-schung. Unter anderem soll für den Bayer-Kon-zern die Erprobung eines umstrittenen TBC-Medikaments aus einem internationalen Hilfs-fonds finanziert werden. Auf diese Weisefließen angebliche Hilfsgelder für die Armuts-zonen dieser Welt nach Deutschland zurück.Eine Verschärfung des Patentrechts bedeutet,dass die u. a. in Indien und Thailand auf Grundvon Ausnahmeregelungen im internationalenPatentrecht hergestellten bezahlbaren Nach-ahmerpräparate nicht mehr in die bedürftigenLänder geliefert werden. Die Versorgung derdort lebenden Kranken mit lebenswichtigenMedikamenten soll durch westliche Pharma-Konzerne erfolgen. Dass infolge der damit ver-bundenen höheren Medikamentenpreise vieleweitere Menschen sterben werden, schert dieKonzerne wenig. Bereits 1840 schrieb der vonKarl Marx zitierte Thomas Dunning: „Mit ent-sprechendem Profit wird Kapital kühn. ZehnProzent sicher, und man kann es überallanwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft. 50 Pro-zent positiv waghalsig, für 100 Prozent stampftes alle menschlichen Gesetze unter seinenFuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbre-chen, das es nicht riskiert, selbst auf dieGefahr des Galgens.“ • HELMUT ULRICH

Jüdisches Gemeindezentrum:

Hochhinaus ...abernichtproblemlos

Der Bau des „Jüdischen Gemeindezentrums“ im Leipziger Waldstraßenviertel geht jetzt mit Schwierigkeitenvoran. Er war seit Jahren einerseits ein Fall für bürgerschaftliches Engagement und andererseits ein Fall fürklagende Klienten und Rechtsanwälte. Jetzt bat der Gemeindevorsitzende Küf Kaufmann zum Rundgangüber die Baustelle. LN war dabei und berichtet. Seiten 8/9

Foto: G. Eiltzer

LEIPZIGS NEUE • 15 ‘07 • 27. JULI 20072 • MEINUNGEN

DIE LINKE gegründet. Auch in Sach-sen. Wir haben einen Mammutpar-

teitag hinter uns. Dass wir unsere Zieleerreichen konnten, ist insbesondere denDelegierten zu danken, die diszipliniertden Dauerstress durchhielten und aktivmitmachten.Aber es gab bekanntlich auch Stolper-steine. Wenn man davon ausgeht, dasswir – wie kaum ein zweiter Landesver-band – eine wirklich erfolgreiche Zeit derParteineubildung hinter uns hatten, dannhätte dies gerechtfertigt, eine dem ent-sprechende Atmosphäre zu verbreiten.Darüber müssen alle nachdenken, auchder Landesvorstand, nicht nur im Hin-

blick auf die deutlichen Hänger in der Sat-zungsdebatte, ganz besonders auch imZusammenhang mit dem Finanzkonzept,das nicht gut vorbereitet worden war. Dennoch, wir haben uns viel Vorlaufgeschaffen für die kommenden Wahl-kämpfe, auch weil wir die künftigenKreisstrukturen gebildet haben. Beson-ders drei Dinge sind mir wichtig: Zumersten müssen wir die verbleibende Zeitmaximal nutzen, um unsere Konzepte

und Vorschläge für ein soziales Sachsenzu erstellen und in den Wahlkämpfen2008/9 zum Tragen zu bringen, alsoarbeiten, arbeiten, arbeiten. Zweitenssind Wahlen vorzubereiten, zügig und inengster Kooperation mit den Kreis- undStadtverbänden. Drittens ist die Partei imInneren zu entwickeln, dabei auf das Mit-glied zu setzen, solche Formen derArbeit zu unterstützen, die möglichstviele praktisch und verbindlich einbezie-hen.Alle drei Dinge haben eine Grundvoraus-setzung: Vertrauen.Nur auf diese Weise können wir unsereZiele erreichen. Wenn nicht die Menta-lität überwunden wird, nach innen und

insbesondere gegenüber VorständenMisstrauen zu hegen, wird vieles schwererzu erreichen sein. Der neue Landesvor-stand und ich als Vorsitzende wollen dievertrauensvolle Kooperation mit allenMitgliedern und Gremien unserer Parteiohne Wenn und Aber. Dabei ist niemandfehlerfrei, auch ich nicht. Es ist wichtig,sich die Meinung zu sagen, Kritischesauch kritisch zu benennen. Es ist ebensowichtig, solidarisch miteinander umzuge-

hen, Anzuerkennendes auch anzuerken-nen, ohne Ansehen der Person. Es gibtvieles gemeinsam anzupacken und wirhaben alle Chancen für einen erneutenWahlerfolg 2008/9. Dafür lasst uns jetztalle Kräfte bündeln, tun wir es einfach. Und gerade deshalb noch etwas: Dieje-nigen, die sich beispielsweise im letztenLandesvorstand sehr engagiert habenund jetzt nicht mehr darin mitwirken, ver-dienen ebenso unsere Anerkennung. DerDank gilt Claudia Hertlein, Stefan Hart-mann, Sylvia Wohlfeld, Michael Nimz,Mirko Schulze und Nico Brünler! Lasst uns einfach weiterhin gut zusam-menarbeiten.Auf ein Neues!

Auf ein Wort bitte

Grundvoraussetzung: Vertrauen

LN. Immerhin 45 Prozent der-jenigen, die im ersten Halbjahr2007 vor dem Berliner Sozial-gericht gegen ihre Hartz-IV-Bescheide klagten, bekamenganz oder teilweise Recht. Wi-derspruch lohnt sich also. Andererseits belegt diese Bi-lanz, dass die Hartz-Gesetzenicht nur ihrer Intention nachfalsch sind, sondern auch nochdilettantisch umgesetzt werden.Anders lässt sich die enormeZahl der Verfahren kaum er-klären.Die Arbeitsmarktreformenerhöhten massiv den Druck aufErwerbslose, wobei der Umbauder Grundsicherungsträger mitunzureichend qualifiziertemPersonal zusätzlich dazu führte,dass rechtswidrige oder nichtnachvollziehbare Praktiken vorOrt toleriert und fehlerhafteBescheide ausgestellt wurden.Die Schlussfolgerung aus dergerichtlichen Bilanz kann nurlauten: Hartz IV muss weg.

LN. Neonazi Worch gibt auf. Er sagte nach der gerin-gen Beteiligung seines Aufmarsches am 21. Juli die bis2014 angemeldeten Demonstrationen ab. Das ist einErfolg der in Leipzig meist als Chaoten und als linkeKrawallmacher kriminalisierten Gegendemonstran-ten – und gewiss nicht derjenigen, die fernab vom Ge-schehen bei Bier und Bratwurst tapfere Reden widerdie braune Brut schwangen. Es ist auch kein Sieg derSemmelbeißer, die am 21. Juli von der SPD angeführt,ein „Frühstück“ gegen die Nazis veranstalteten. Die LVZ jubelt Worchs Kapitulation vor den antifa-schistischen Gegenkräften zu einem „überzeugendenSieg des Rechtsstaates“ um. Selten so bitter gelacht.Wo war denn der Rechtsstaat? Hat der nicht jedesmalin letzter Minute (nach – womöglich meist zu lauen –städtischen Verbotsanträgen) mit Hilfe seiner Richterder Nazitruppe die Straße freigegeben? Siebzehnmalsuchte die Leipzig heim. Und beim 17. Mal gelang ihrder Durchmarsch zum Völkerschlachtdenkmal – gutvon der Polizei geschützt, wie es sich in einem Rechts-staat gehört. In diesem Sinne ist die Überschrift dernachfolgenden Einschätzung des Bündnisses „SIT-ZENBLEIBEN GEGEN NAZIS“ schon irgendwiesehr treffend: „Eins zu hundert für Worch“:„Mit einem Aufwand von einhundert Polizisten pro Neo-nazi hat die Polizei am 21. Juli den Aufmarsch von Chri-stian Worch durchgesetzt. Während sich die Einsatzkräftenicht zu schade waren, Worchs letztes Aufgebot von sageund schreibe 25 Nazis in ihre schützende Mitte zu neh-men, wurden friedliche Gegendemonstranten mit unver-hältnismäßigem Gewalteinsatz von der Straße gedrängt. Es kam zu diversen Übergriffen der Polizei und zu etwa70 Festnahmen. Besonders hervorgetan haben sich hierbeiwieder einmal die Einsatzhundertschaften aus Berlin unddie Kräfte des bayrischen USK. Auf Seiten der Gegende-monstrantInnen widersetzten sich etwa 2000 Demokratendem Auftritt der Neonazis.,Diese Naziveranstaltung angesichts der breit getragenenProteste durchzuprügeln, ist mehr als skandalös‘, kom-mentiert Stephanie Kesselbauer, Pressesprecherin desBündnisses Sitzenbleiben den Polizeieinsatz. ,Auf dieseArt und Weise wird Worch geradezu zum Wiederkommeneingeladen – nächstes Mal vielleicht auch mit 5 Nazis?‘Das Bündnis verurteilt das Vorgehen der Polizei auf’sSchärfste und fordert die Stadt Leipzig zu einer klarenöffentlichen Position auf.“

DR. CORNELIAERNST,

LANDESVOR-SITZENDE

DIE LINKE.

Widerspruchlohnt sich!

Antifas vertrieben Worch aus Leipzig¸ (Vorerst letzter) kleiner Nazi-Aufmarsch mit großem Polizeiaufgebot durchgesetzt ¸ Sitzenbleiben-Bündnis verurteilt unverhältnismäßiges Vorgehen der eingesetzten BeamtInnen¸ Stadt zu Stellungnahme aufgefordert

Das Nazihäufchen sammelt sich, Worch kann sichimmerhin noch auf sein Auto stützen ...

2000 friedliche und fröhliche Gegendemonstranten wer-den kriminalisiert, schikaniert, eingekesselt.

OBM Jungs geringeAufklärungslust

LN. „Endlich erregen den Leipziger Oberbürger-meister Burkhard Jung einschlägige landespoliti-sche Vorgänge“, wie die beiden linken Stadtparla-mentarier und Mitglieder des Landtags, DietmarPellmann und Volker Külow, erfreut feststellen.Allerdings, dass Jung nach Wochen der Sprachlo-sigkeit von einer Affäre des Verfassungsschutzesspricht, finden sie denn doch höchst merkwürdig.Die Linkspartei jedenfalls würde den ermitteltenInhalten mehr Aufmerksamkeit schenken und vor-erst weniger den Ermittlern: „Es sollte ehrlicher-weise immer noch gelten, dass kein Skandal desArchivs vorliegt, wenn der Inhalt zum Himmelstinkt, der im Archiv abgelegt ist.“Die beiden Linkspolitiker nennen es dreist, wenndas Leipziger Stadtoberhaupt via LVZ-InterviewEntrüstung mimt und der Linkspartei eine bigotteHaltung zum Staat andichtet, denn: „WichtigeInformationen über die Organisierte Kriminalitätin Sachsen können nicht deshalb von der Links-partei ignoriert werden, weil sie in Wahrnehmungihrer politischen Verantwortung als Opposition imLandtag das Gesetz für verfassungswidrig hielt,das dem Verfassungsschutz seit Anfang 2004 dasSammeln dieser Daten vorübergehend erlaubte. ...Ungeachtet der pseudoreligiösen Verdrehungdurch den studierten Religionslehrer Jung warenes bekanntlich höchst irdische Fallkomplexe, dieder Verfassungsschutz da ins Visier nahm. Nichtzuletzt deshalb hat ja auch die SPD-Landtagsfrak-tion am Donnerstag dem Untersuchungsausschussden Weg frei gemacht.“ Im Übrigen, so meinen Pellmann und Külow,könnte der Leipziger Oberbürgermeister in eige-ner Sache manches zur Aufklärung beitragen.„Sein eigenartiges Verhältnis zu dem schillerndenLeipziger Bauunternehmer Steffen Göpel bietetgenug Anlass zu allerlei interessanten Mutmaßun-gen, z. B. aus welchen dubiosen Immobilienge-schäften – mal mit der LWB und mal ohne sie –die sagenhaften Geldbeträge jenes Mannes stam-men und wo sie in der Vergangenheit teilweisehinflossen.“Ihr Hinweis, dass ein OBM, der eine politischeGroßbaustelle nach der anderen aufreißt, leichtden Überblick über die wichtigen strategischenZiele der Kommunalpolitik verlieren kann, istnachvollziehbar. Allein schon angesichts des Kun-gelns mit der CDU in Sachen Stadtwerke-Teilpri-vatisierung, die Jung inzwischen aktiv betreibt.

Vor allem von der SPD massenhaft mobilisierte Leipzigerbeißen mutig in die Semmel. Fotos: Gerhard Märker

LEIPZIGS NEUE • 15 ‘07 • 27. JULI 2007 THEMA • 3

Mitte Juni hatte die islamistischeHamas die Macht im Gazastrei-fen übernommen. Der seit 1948

territorial vom Westjordanland getrenntenGazastreifen ist nun politisch eigenstän-dig, während die säkulare Fatah das West-jordanland kontrolliert. Wie lange? ImNahen Osten spricht man von „Hamastan“(Land der Hamas). Diese Spaltung derPalästinenser ist zutiefst schmerzlich unddramatisch. Eine Regelung der Palä-stinafrage auf der Grundlage der Zwei-Staaten-Lösung ist damit weiter entferntdenn je. Die Verantwortung für diese ka-tastrophale Entwicklung tragen nicht nurdie Führungen der beiden palästinensi-schen Parteien, die offenbar ihre gewalt-tätigen Radikalen nicht im Griff haben undsich außerstande sehen, sich auf eine völ-kerrechtlich akzeptierte und international

unterstützte Form des Kampfes für dienationalen Rechte der Palästinenser zuverständigen. Verantwortlich ist auch Isra-el durch seine fortgesetzte Politik derInbesitznahme palästinensischen Territori-ums und der Bantustanisierung des West-jordanlandes mit einer sich ständig ver-schlechternden Lebenslage der Palästinen-ser. Schuld ist auch die internationaleGemeinschaft, die diese Entwicklungzuließ und sogar förderte. Die Welt habePalästina „begraben“, meint der Nah-ostexperte der „Le Monde diplomatique“Alain Gresh.In Israel und in den USA wurde das Endeder palästinensischen Regierung der na-tionalen Einheit unverkennbar mit Befrie-digung gesehen, entsprach sie doch eige-nen Plänen. Auf dem Gipfeltreffen mitdem Präsidenten der PalästinensischenAutonomiebehörde Mahmoud Abbas,dem ägyptischen Präsidenten Hosni Mou-barak und dem jordanischen König Abdal-lah in Sharm el-Sheikh Ende Juni sah derisraelische Ministerpräsident Olmert nunMöglichkeiten, die sogenannte Road Mapmit dem in ihr enthaltenen Ziel eines eige-nen palästinensischen Staates in die Tatumzusetzen. Er erklärte sich zur Zusam-menarbeit mit der neuen von PräsidentAbbas eingesetzten Notstandsregierung

bereit, sagte Wirtschaftskooperation, diefortlaufende Übermittlung der einbehalte-nen Steuergelder und die Befreiung von250 Fatah-Gefangenen zu. Der palästinen-sischen Bevölkerung des Westjordanlan-des wurde mehr Bewegungsfreiheit undökonomischer Wohlstand zugesagt. Ol-mert erklärte, dass die Bewohner vonJudäa und Samaria – er benutzte wie im-mer für das Westjordanland die jüdischenNamen, die den Anspruch auf dieses Ge-biet beinhalten – spüren sollen, dass dieWahl eines Weges, der nicht aus Terrorund Gewalt besteht, sondern vielmehr einWeg des Dialogs und Friedens ist, neuepolitische Möglichkeiten eröffnet und zueinem besseren Leben führen würde.Nichts dergleichen für den von der Hamasverwalteten Gazastreifen. Olmert erklärtesich lediglich bereit, auf Ersuchen vonPräsident Abbas Versorgungsleistungenzur Vermeidung einer humanitären Kata-

strophe aufrechtzuerhalten. Und das alles,weil die von Abbas eingesetzte Notstands-regierung keine Vertreter der demo-kratisch gewählten Hamas enthält. Hamaswird von Israel wegen ihres gewaltsamenWiderstandes gegen die israelische Okku-pation als Terroristenorganisation be-kämpft. Israels Unterstützung für Präsi-dent Abbas ist an die Bedingung geknüpft,dass er und die Fatah den Konfrontations-kurs gegen die Hamas beibehalten.Diese Linie entspricht der USA-Nahost-strategie und wird leider auch von derEuropäischen Union unterstützt. Schonbeim zweiten Treffen Olmerts mit Palästi-nenserpräsident Abbas am 16. Juli wurdedeutlich, dass die israelische Seite nichtbeabsichtigt, über die Lösung der Kernfra-gen des Konflikts zu sprechen.Israel hatte auch zu einer Zeit, als dieFatah allein das Sagen hatte und Hamasnicht in der Regierung war, Verhandlun-gen, die die Erfüllung der völkerrechtlichlegitimierten Forderungen der Palästinen-

ser nach dem Rückzug Israels aufdie 1967er Grenzen und die Bil-dung eines lebensfähigen palästi-nensischen Staates mit der Haupt-stadt Ostjerusalem beinhalten, ab-gelehnt oder nur zum Schein ge-führt. Stattdessen wurde durch fort-gesetzte Siedlungstätigkeit undMauerbau die territoriale Integritätdes Westjordanlandes zerstört. Dieisraelische Absicht, große Teile desWestjordanlandes mit den israeli-schen Siedlungen dem israelischenStaatsgebiet einzuverleiben, wurdeniemals verheimlicht. Mit der Ha-mas-Regierung und der durch denKompromiss von Mekka vom Fe-bruar angesichts der Bürgerkriegs-gefahr zustande gekommenen Re-gierung der nationalen Einheit ausHamas und Fatah wurden Kontaktekategorisch abgelehnt. Der Boykottdurch Israel, die USA und die Eu-ropäische Union wurde beibehalten.Der israelische Friedensaktivist UriAvnery hatte nach der Bildung derRegierung der nationalen Einheiterklärt, dass diese „ein großer Segen fürIsrael“ sei, könne doch Israel nun mit einerRegierung verhandeln, die die Interessendes gesamten palästinensischen Volkesvertrete, um dem historischem Konfliktein Ende zu setzen. Dafür bot das Pro-gramm dieser Regierung eine ausreichen-de Grundlage. Die Hamas ist zwar nichtbereit, zum gegenwärtigen Zeitpunkt Isra-el anzuerkennen, aber sie verpflichtetesich zum Respekt aller bisherigen mit Isra-el abgeschlossenen Vereinbarungen undist ausdrücklich einverstanden mit derGründung des palästinensischen Staates inden Grenzen von 1967. Dass diese histori-sche Chance nicht genutzt wurde, daran istauch das Nahostquartett schuld.Das wird aus dem vom britischen „Guar-dian“ vom 13. Juni öffentlich gemachtenvertraulichen Bericht des peruanischenDiplomaten Alvaro de Soto, der als stell-vertretender Generalsekretär der UNO denGeneralsekretär im Nahostquartett vertrat,deutlich. Dieser hatte im Mai dieses Jahres

seine Mission zutiefst enttäuscht beendet.Er hielt die vom Quartett in Übereinstim-mung mit Israel verfolgte Politik der Ein-stellung der Hilfe und des Boykotts derHamas-Regierung und der Regierung dernationalen Einheit für kontraproduktivund „extrem kurzsichtig“. Das führe zu„verheerenden Konsequenzen“ und habenur dazu gedient, die Gefühle der Palästi-nenser zu radikalisieren und ein institutio-nelles Chaos zu schaffen, das die radikalenElemente stärkte. Er bedauert zutiefst,dass die UNO mit ihrer Teilnahme amQuartett zu einer Art Mittäter einer Politikwurde, die nicht in Übereinstimmung mitden Prinzipien und Resolutionen der UNOsteht. Die USA hätten auch nach der Ver-einbarung von Mekka auf eine gewaltsa-me Konfrontation zwischen Fatah und Ha-mas hingewirkt. „Mir gefällt dieseGewalt“, habe der USA-Gesandte imQuartett auf einer Sitzung in Washingtongeäußert, weil sie zeige, dass Palästinenserder Hamas Widerstand leisten.

Die Hoffnungen, dass das Quartett denWeg zu einem lebensfähigen palästinensi-schen Staat bahnen könnte, sind kaumnoch vorhanden. Charakteristisch dafür istdie von USA-Präsident Bush betriebeneBerufung des zurückgetretenen britischenPremierminister Tony Blair zum Sonder-botschafter des Nahostquartetts. Ange-sichts der fast bedingungslosen Unterstüt-zung der Nahostpolitik der USA, derBeteiligung Großbritanniens am Irak-Kriegs, der faktischen Unterstützung desisraelischen Krieges gegen Libanon undder Ablehnung der Regierungsbeteiligungder Hamas wurde diese Berufung in derarabischen Welt vorwiegend skeptisch undablehnend aufgenommen. Einer der be-kanntesten arabischen Kommentatoren,Rami G. Khoury, schrieb am 27. Juni imlibanesischen Daily Star: „Tony Blair zumSondergesandten für den arabisch-israeli-schen Frieden zu ernennen, das ist wieNero zum Feuerwehrhauptmann von Romzu ernennen.“

Die dramatische Verschlechterung derLage im Nahen Osten ist auch Ergebniseiner verfehlten Politik des Westens. DiePalästinafrage wurde dem „Krieg gegenden Terror“ untergeordnet und für dieseninstrumentalisiert. Den USA geht es vorallem darum, mit den „Gemäßigten“ in derarabischen Welt, mit Ägypten, Saudi-Ara-bien, Jordanien und mit Palästinenserprä-sident Abbas und seinen Gefolgsleuteneine gemeinsame Front gegen die „Radi-kalen“, gegen Iran, Syrien, Hizbollah inLibanon und Hamas aufzubauen, was wei-tere chaotische Entwicklungen in derRegion zur Folge haben dürfte. DerWesten hat mit dem von den WashingtonerNeokonservativen inszenierten „Krieggegen den Terror“, durch die Kriege inAfghanistan und Irak die Ursachen fürTerrorismus verstärkt. Es wurde keineStrategie entwickelt, um die politischen,sozialen und wirtschaftliche Ursachen fürTerrorismus zu reduzieren. Nun sorgen„Hamastan“ und die Lage im Libanon fürneuen Zündstoff. Eine friedliche Regelung der Palästina-frage durch eine Zwei-Staaten-Lösungohne die Einbeziehung oder gar gegen denWiderstand einer islamistischen politi-schen Bewegung, die Interessensvertretereines großen Teiles der Palästinenser ist –die Wahlen vom Januar 2006 ergaben fürdie Hamas eine Mehrheit – kann es über-haupt nicht geben.Worin könnte und müsste der Ausweg ausder gegenwärtigen dramatischen Situationbestehen?¸ Die Hamas-Führung und die Fatah vonPräsident Abbas nehmen den Dialog wie-der auf. Der ehemalige MinisterpräsidentHaniyeh von der Hamas hat Bereitschaftdazu erklärt. Präsident Abbas wäre gutberaten, einem solchen Dialog zuzustim-men. Schon heute sehen ihn viele Palästi-nenser als Kollaborateur der ihn hofieren-den USA und Israel. Ägypten und Jordanien, die in der Tat einislamistisches „Hamastan“ fürchten, sindim Gegensatz zu USA-Erwartungen we-gen der eigenen starken islamistischenOpposition eher geneigt, Präsident Abbaszu diesem Dialog zu ermutigen. Saudi-Arabien tut diese ohnehin, um den Kom-promiss von Mekka zu bewahren. ¸ Eine wiederhergestellte Regierung dernationalen Einheit wäre Partner für einenFriedensprozess. Verhandlungen mit Israelkönnten auf der Grundlage des ArabischenFriedenplanes der Konferenz von Fez vomMärz 2007 stattfinden. ¸ Anliegen des Nahostquartetts sollte essein, den Dialog zur Bildung einer palästi-nensischen Einheitsregierung und Verhand-lungen auf der Grundlage des arabischenFriedensplanes zu fördern. Das würde abererfordern, dass das Quartett auch von Israeldie Einhaltung der in der Road Map enthal-tenen Verpflichtungen, wie die Beendigungder Siedlungspolitik, einfordert. Über dieFestlegungen der Road Map hinaus müsstedas Quartett den Rückzug Israels auf dieGrenzen vom 4. Juni 1967 und die Bildungeines lebensfähigen Staates mit der Haupt-stadt Ostjerusalem in den Mittelpunkt sei-ner Tätigkeit stellen. Das wäre die Alterna-tive zu „Hamastan“ und ein durch israeli-sche Besetzung in mehrere Teile zersplitter-tes „Fatahstan“. Die Frage ist nur, ob und wann es gelingteine solche Orientierung des Nahostquar-tetts, das nach de Soto eher die Bezeich-nung „Gruppe von USA-Freunden“ ver-dient, gegen den Willen der USA durchzu-setzen oder ob die USA ihren gegenwärti-gen Nahostkurs ändern.

Unser Autor ist Botschafter a. D.

„Hamastan“ –und wie weiter?

Von HEINZ-DIETER WINTER

„Tony Blair zum Sondergesandtenfür den arabisch-israelischen

Frieden zu ernennen, das ist wieNero zum Feuerwehrhauptmann

von Rom zu ernennen.“

LEIPZIGS NEUE • 15 ‘07 • 27. JULI 20074 • LEIPZIGER REFLEXIONEN

L i e b e s b r i e f ei n dd e r JJ a h n-AA l l e e

... dieser Tage von jedermann zu lesen, dennsie waren an eine Ladentür geklebt und galtenNorbert Schiebel. Seines Zeichens Bäckermei-ster und zwar von der knusprigen Art, dass dieNetze und Taschen – obwohl es nicht geradebillig war – immer gut gefüllt aus dem Ladengetragen wurden. „Nun gibt es hier nur nochdas übliche aufgeblasene geschmacklose Einer-lei.“ Und: „Wir werden Sie und ihre Brote undBrötchen sehr vermissen.“ Neuerdings müssen wir Leipziger ja sogar denBegriff „Brötchen“ verteidigen, weil beispiels-weise in meinem Konsum- Supermarkt seitgeraumer Zeit „Wecken“ verkauft werden. Erstdachte ich an die bekannten Einkochgeräte„Weck“, wurde aber aufgeklärt, dass es Wei-zen-Brötchen sind. Warum in Sachsen dieseösterreichische und süddeutsche Formulierungim Schaufenster ausgeschildert ist , konnte mirdie ratlose Verkäuferin auch nicht erklären. Siemeinte nur „Anweisung von oben“ und lächeltemir zu. „Ich darf doch weiterhin Brötchen beiIhnen kaufen?“, fragte ich grienend zurückund hoffte dabei, dass der Teig nicht mittelsLKW aus Österreich oder Süddeutschland zumAufbacken im Laden herangekarrt wird. Aberdas blieb Firmengeheimnis und wurde von derDame hinter der Theke auch nicht ausgeplau-dert. Dass die Netze immer leerer und die Mün-zen, die man über dieLadentafel schiebt, immermehr werden, das bemerktschon langeEuer

L i p s i u s

Der Zufall wollte es, dass dieser Tage im Festsaal desNeuen Rathauses an zwei Abenden ein Thema debat-

tiert wurde: die plötzliche und teure Beurlaubung desOpernintendanten Henri Maier. Zum einen gab es eineaktuelle Stunde während der turnusmäßigen Juli-Sitzungdes Stadtrates. Zum anderen lud der Freundeskreis Leipzi-ger Oper tags darauf interessierte Bürger zur Diskussion.Ein Mann stand (neben dem abwesenden Intendanten) imMittelpunkt: Kulturbürgermeister Georg Girardet. Er stell-te sich an beiden Tagen den unterschiedlichen Gremien.Die Leipziger Theaterfreunde kamen zahlreich zur Einla-dung des Freundeskreises und formulierten ihre Sorge, wienach dem Verwaltungsdesaster „Schaden von ihrer Oper“genommen werden kann. „Dieses berühmte Haus mussnicht mit Berlin konkurrieren, darf aber auch zukünftignicht hinter Halle, Dessau und Chemnitz zurückfallen.” Nachdrücklich forderten die Theatergänger alle Beteiligtenauf, mit der Situation verantwortungsvoll umzugehen undan die Bürger, die Stadt und das Theater zu denken. „Ver-tragstreue und Anwälte schaffen das kaum.“

Während der Stadtratssitzung im Juli gab es eine„Aktuelle Stunde“ zu den unerfreulichen Vorgängen. LEIPZIGS NEUE gibt (leicht gekürzt) den Standpunktder Linksfraktion wieder.DR. ILSE LAUTER referierte ihn:Die Musikstadt Leipzig hat es wieder einmal geschafft. DieAufmerksamkeit der Musikwelt, auf die Leipzig immer sogroßen Wert legt, ist dieser Stadt sicher. Nur ist zu hinter-fragen, wer auf diese Art Publizität stolz sein kann. Dennnach Bach folgte Krach. Die Trennung von Opernintendant Henri Maier kam soplötzlich, dass – nach üblichen Maßstäben – außerordent-liche Gründe für solch einen kulturpolitischen Pauken-schlag vorgelegen haben müssen. Genaues Hinsehen zeigt jedoch: Außerordentliche Tren-nungsgründe lagen nicht vor: Alles, was jetzt als Begrün-dung für den überstürzten Abschied von Henri Maier ange-führt wurde, war schon seit Monaten bekannt. Mehr noch, es hätte nie dazu kommen dürfen,• dass die Verwaltungsspitze – wieder einmal – am Stadtratund speziell am Kulturausschuss vorbei agierte und• dass Henri Maier vor einem Dreivierteljahr eine Ver-tragsverlängerung bekommen hat, welche die Stadt Leipzigteuer zu stehen kommen wird.Der unsägliche Hang der Verwaltungsspitze zum abgeho-benen Administrieren hat wieder einmal die Oberhandgewonnen.

Von kluger Orchestrierung keine Spur, von einer geschick-ten Besetzungsliste kein Hauch. Natürlich tut RiccardoChailly dem Musikleben dieser Stadt gut. Doch die überla-dene Konstruktion, Chailly zugleich als Gewandhauska-pellmeister und Generalmusikdirektor der Oper einzuset-zen, musste schief gehen. Davor hat bereits im Vorfeldunser Fraktionsmitglied Dr. Volker Külow gewarnt. Zudem ist zu hinterfragen, ob mit dem GMD eine Präsenz-pflicht oder eine Mindestanzahl von Dirigaten vertraglichvereinbart wurde. Anscheinend nicht, denn die Oper standnun mit einem Mal vor der Doppelaufgabe, sowohl dieKapazitätslücke des Generalmusikdirektors zu füllen alsauch einen Intendanten aufzubieten, dem das Spagatgelingt, das Feuilleton der überregionalen Presse ebenso inBegeisterung zu versetzen wie die Zuschauer aus Grünau,Paunsdorf und Naunhof. Fünfmal „Maskenball" in zwei Wochen? Das geht in Mai-land, aber nicht in Leipzig. Und dass zur Wiedereröffnungder Oper nach der Schließphase nicht der GMD Chaillydirigieren soll, ist aus unserer Sicht völlig absurd.Als Schlussfolgerung aus dem unwürdigen Abschied vonHenri Maier in Leipzig verlangen wir: • den Stadtrat künftig rechtzeitig über strategische Ent-scheidungen solchen Ausmaßes zu informieren, • den Kulturausschuss rechtzeitig in die Entscheidungsfin-dung einzubinden, • endlich ein Konzept für die Oper zu entwickeln mit einemIntendanten, der dazu passt. Das wurde in den letzten Jah-ren versäumt,• in der Oper für eine Klärung zu sorgen, wie die Aufgabenzwischen dem künftigen Intendanten und dem Generalmu-sikdirektor aufgeteilt werden und wer mit welchem Einsatzdafür wirklich zur Verfügung steht. Dazu müssen nötigen-falls Nachverhandlungen geführt werden.Wir erwarten als Stadträte der Linken ebenso klare Ant-worten wie die Leipziger.Wir haben eine misslungene Aufführung erlebt, die wirklichnur den einen Schluss zulässt, dass nun alles besser werdenmuss. Es bleibt die Frage, welche europäische Spitzenkraftsich künftig berufen fühlt, eine prominente Stelle im Leipzi-ger Musikbetrieb zu besetzen. Und über eines sind wir uns doch wohl im Klaren: Die 600 000 �, die Henri Maier zustehen, sollen nun demHaushalt der Stadt entnommen werden. Noch viele Jahrewerden uns alle Kultureinrichtungen diese Summe um dieOhren hauen, wenn es wieder um „unvermeidliche" Kür-zungen im Haushalt geht – vom Gewandhaus bis zur freienSzene und den vielen rührigen Vereinen.

Abgehobenes AdministrierenBürger und Stadträte zum Leipziger Theaterdonner

Splitter aus dem StadtratFlugroutenDer OBM sagte auf eine Einwohneranfrage zu, sich an die Flugsicher-heitskommission zu wenden und auf eine Veränderung der Flugroutenüber westliche Stadttteile von Leipzig zu drängen. Vor der Ratssitzungübergaben Betroffene 2000 Unterschriften gegen die „Südabdrehroute beiOstwind“..LärmschutzDer Stadtrat behandelte Anträge von Linksfraktion und CDU zur Verbes-serung des Lärmschutzes entlang der südlichen Autobahnumfahrung A 38um Leipzig für Ortsteile in Nachbarschaft.

SchulsportEntsprechend einem veränderten Antrag der Linksfraktion soll gesichertwerden, dass Schulsporthallen auch nach Schulschließungen weiterhin fürVereins- und Freizeitsport genutzt werden können.

GrünauDer Stadtrat beschloss nach intensiver Debatte überraschend einstimmigdie zunächst auf zwei Jahre angelegte, aber visionär bis 2020 reichendeEntwicklungsstrategie für Leipzig-Grünau. Alle Fraktionen setzten sichfür eine Zukunft des Stadtteils als wichtigen Bestandteil Leipzigs ein undwürdigten die aktive Rolle des Baubürgermeisters im Dialog mit denGrünauer Bürgern und den Stadträten.

Doch nicht nur in Indien selbst zelebrieren die Menschen diesen Tag. Auch in Leipzigwurde am Grassi-Museum ein Fest veranstaltet, das in die indische Welt entführte. Es gabregionale Speisen und Getränke, Liveauftritte verschiedener Künstler aus der Region,einen Basar mit Kleidung, Schmuck und Kunst.Alles organisiert und vorbereitet von Mukesh Lal, dem Besitzer des Leipziger RestaurantsIndian Garden. Die vielen Gäste rund um das Grassi-Museum tanzten, feierten und lach-ten gemeinsam. Wichtig war dabei nicht die Herkunft, sondern das Miteinander.

Foto und Text: Sandra Wolf

Indien feiert den 60. Unabhängigkeitstag

LEIPZIGS NEUE • 15 ‘07 • 27. JULI 2007 POLITIK • 5

Haben Sie sich schon malGedanken über das Wort

„Volksvertreter“ gemacht? DemWort nach ist das jemand, derdas Volk der Regierung gegen-über vertritt. Das zu tun, wird erim günstigsten Fall direkt vomVolk gewählt, im weniger gün-stigen von einer Partei zumVolkvertreten abgestellt. Sooder so gibt`s dafür gutes Geld– und so oder so ist der Jobnichts für Weicheier oder Be-rufsrentner. Das kann man z. B.auch an dem schweren Lebender Volksvertreter des schön-sten Freistaats der Welt sehen:Mitten im hellsten Sommer-sonnenschein mussten die näm-lich noch mal im Landtag an-tanzen, weil die penetrant nör-gelnde Opposition partout einenUntersuchungsausschuss (UA)zum seit Wochen nebulös vorsich hin wabernden „Sachsen-Sumpf“ einsetzen wollte. Er habedeswegen extra seine „geliebteInsel Hiddensee“ verlassen müs-sen, jammerte dann auch SPD-Fraktionschef Cornelius Weisstief gekränkt ins Mikrofon. DasBedauern auf den Besucherrän-

gen hielt sich jedoch in Grenzen.Das mag auch daran gelegenhaben, dass die parlamentarischeSommerpause laut Landtagska-lender erst am 20. Juli begann,die Sondersitzung aber am 19.Juli stattfand – und so um die5000 Euro extra gekostet habenmag, um den einen oder anderenVolksvertreter aus dem Urlaubzurückzuholen.Aber das stecken wir lockerweg, denn die Wahrheit ist unslieb und teuer! Schon allein dieNeugier darauf, ob und wievielWahrheit in den Aktenbergender Schlapphüte stecken mag,sollte uns beim Geben beflü-

geln. Auch wenn es dem Beob-achter besagter Sondersitzungschwer fallen mag, die Hoff-nung auf Aufklärung am Lebenzu erhalten. Da nämlich gab espeinliche Auftritte am Stückund so mancher Volksvertretermutierte zum Volkstreter. Neh-men wir nur mal den HerrnSchneider von der CDU. Derwollte eigentlich für seine Frak-tion in die Bütt gehen und eineböse Rede gegen die Aus-schuss-Freaks halten, ist dannaber offenbar zugunsten desLinke-Hassers Hähle (der alteFritz) zurückgepfiffen worden.Um Herrn Schneider aber bei

Laune zu halten, machte die Aus-schuss-Verhinderungs-Front ihnkurzerhand zum „Berichter-statter“ des Landtags-Rechtsaus-schusses, dessen Vorsitzender erist. Der Ausschuss hatte den rot-grün-gelb-blauen UA-Antragzuvor auf Rechtmäßigkeit zuprüfen gehabt. Blöd nur, dass soein Ausschuss-Redner neutralzu berichten hat – und dass derHerr Schneider offenbar seineRede schon vorher fertig hatteund nun vermutlich keine Lustverspürte, diese zu ändern. Sokam es, dass der schmale Herrim feinen Zwirn erstens übereine Antragsvariante palaverte,die überhaupt nicht mehr zurDebatte stand, und zweitensüber alles, nur nicht über dieAusschussarbeit berichtete unddie Antragsteller verbaler mitheftiger Schelte überzog. Daswiederum freute MP (!) Mil-bradt so sehr, dass er das tapfe-re Schneiderlein nach erledigterMission sogleich mit einem

feuchten Händedruck adelte.Die Grünen-Chefin Hermenaudagegen prophezeite dem treu-en Diener seines Herrn, nachDER rechtswidrigen Vorstel-lung könne er seinen Traumvom Justizministersessel ge-trost vergessen …Fast vergessen schien auchSPD-Schwergewicht Karl Nol-le, früher als „Chefaufklärer“gefürchtet und seit der Koali-tion mit einem schicken Maul-korb ausgestattet. Dass dieserlangsam durchgebissen ist,zeigte eine kurze Bemerkung ineben jener Landtagssitzung.Heinz CDU-Eggert, Ex-Pfarrer,Ex-Minister und Ex-Moderator,hatte als einziger seiner Frak-tion gegen den U-Ausschussgestimmt und dies anschließendam Mikrofon begründet. Auf-grund einer technischen Pannehörte das aber keiner – nur derletzte Satz war übertragen wor-den. Leicht angesäuert meinteder multiple Ex daraufhin:„Toll, dass ich zum Schlussnoch übertragen worden bin.“Darauf Nolle: „So geht das abjetzt immer, mein Lieber!“ …

Dresdner Bäbe

Hauptstadtbetrachtungenvon G. HHupf

Sommer, Sonne, Sumpfgebiete

12. JuliHohenstein-Ernstthal. Sachsenring mel-det mit 220 000 vorverkauften Kartenneuen Zuschauerrekord für die Motorrad-WM. Erwartet werden zum Rennfahrerwo-chenende weit über 225 000 Besucher.Leutersdorf. Beim Bau einer Rohr-bombe verletzt sich ein mehrfach vorbe-strafter 20-jähriger Rechtsextremistschwer, als der Sprengkörper explodiert.13. JuliLeipzig. Eine Forsa-Umfrage für n.tvbestätigt den Abwärtstrend der sächsischenSPD: Sie käme derzeit nur noch auf achtProzent der Stimmen (und läge damit mitder NPD gleichauf). Ein historisches Tieferreichte die SPD bereits zur Landtagswahl2004 mit 9,8 Prozent.Die CDU läge gegenüber 2004 mit einemleichten Minus bei 41 Prozent, die Linkewürde von 23,6 auf 26 Prozent zulegen.FDP und Grüne kämen auf sechs Prozent(statt 5,9 bzw. 5,1).14. JuliLeipzig. Der niederländische InvestorKondor Wessels, ein Amsterdamer Bau-konzern (der bereits das Quartier um die

Dresdner Frauenkirche errichtete),bewirbt sich um den Bau des zweitenWinkels am Bildermuseum. Der Firmen-chef favorisiert die Proportionen frühererHäuser in der Katharinenstraße.15. JuliEilenburg/Bad Düben. Ein sogenanntesZeitfenster, ein Kompromiss mit den Na-turschützern, ermöglicht bis 31. OktoberWasserwandern auf der Mulde zwischenEilenburg und Bad Düben, dem. wie esheißt, landschaftlich schönsten Abschnitt.17. JuliBautzen. Das Oberverwaltungsgerichtentscheidet, dass in Sachsen das staatli-che Monopol für Sportwetten für eineÜbergangsfrist bestehen bleibt.18. Juli Kamenz. Gegenüber der Vorjahresmittesind in Sachsen 10 000 neue Arbeitsplät-

ze geschaffen worden. Damit waren zum30. Juni 1,34 Millionen sozialversiche-rungspflichtige Arbeitsplätze gemeldet,wie das Statistische Landesamt mitteilt.Leipzig. Ein 57-jähriger, aus Stuttgartstammender Richter des Bundesverwal-tungsgerichtes nimmt sich das Leben. Erhat sein Amt vor einem Jahr angetreten.Leipzig. Das Rechnungsprüfungamt, dasseit Jahren intern auf Missstände in derLeipziger Stadtverwaltung hinweist,spricht von chaotischen Zuständen bei derBetreuung von kommunalen Grund-stücken, Häusern und Mietverträgen. Invielen Objekten gibt es keine Inventuren.18. JuliChemnitz. Die frühere sächsische Wissen-schaftsministerin und vor einem Jahr zurOberbürgermeisterin von Chemnitz ge-wählte Barbara Ludwig (SPD) wird end-

lich vereidigt. Die 45-Jährige konnte dasAmt bisher nicht offiziell antreten, weilein zur Wahl nicht zugelassener BewerberEinspruch gegen die Wahl erhoben hat.19. JuliKamenz. Die Zahl der Strafgefangenen inSachsen ist gegenüber dem Vorjahr umsechs Prozent auf 3400 Menschen gesun-ken, der Frauenanteil lag mit 7,6 Prozentum ein Prozent über dem Vorjahreswert.20. JuliDresden. Mit einer neuen Satzung der Stif-tung Sächsische Gedenkstätten will Wis-senschaftsministerin Stange auf die ausge-tretenen NS-Opferverbände zugehen. Vor-gesehen sind u. a. zwei getrennte Aus-schüssen für Unrecht in der NS-Zeit undder „SED-Diktatur“.23. Juli.Leipzig. Der wegen Landfriedensbruchund schwerer Körperverletzung angeklagte20-Jährige, der am 10. Februar beim Fuß-ballspiel Lok Leipzig gegen FC Aue Poli-zisten mit einem Stein beworfen hatte, istzu einer Woche Jugendarrest, 1500 EuroGeldstrafe und zum Schreiben eines Auf-satzes verurteilt worden.

SSACHSENACHSEN-C-CHRONIKHRONIK(12. Juli bis 23. Juli)

Linke imBundestagerklären:

Katja Kipping:

Liebestöter Hartz IVJeder Mensch hat das Recht,über seinen Körper und seineSexualität selbst zu bestimmen.Dazu gehört die Möglichkeit,sich mit Verhütungsmitteln vorungewollter Schwanger- bzw.Vaterschaft oder auch vor sexu-ell übertragbaren Krankheiten

zu schützen. Im Regelsatz vonHartz IV sind lediglich rund fünfEuro pro Monat für den gesamtenpharmazeutischen Bedarf vorge-sehen. Damit ist sicherer Sexnicht möglich. Denn von den fünfEuro müssen auch Hustensaft,Salben, Pflaster und andere Arz-neien bezahlt werden. Schon diePille kostet zwischen 5 und 17Euro monatlich.Das ist nur ein Beispiel von vie-len, das verdeutlicht: Der Hartz-IV-Regelsatz reicht vorn undhinten nicht. Deswegen mussHartz IV durch eine bedarfsori-entierte, repressionsfreie Grund-sicherung ersetzt werden. EineErhöhung der Regelsätze auf420 Euro wäre ein erster Schrittdahin.Selbstbestimmte Familienpla-

nung und Schutz vor Aids darfnicht an niedrigen Regelsätzenscheitern. Als Übergangslösungsind die Kosten für Verhütungs-mittel als Mehrbedarf anzuer-kennen. Für jede Frau und jedenMann soll selbstbestimmtesLeben und Lieben möglich sein.

Frank Spieth:

Keine Zuzahlung beiweniger als 980 Euro

Die Krankenkassen – wie es dasBundesgesundheitsministeriumwill – künftig wettbewerbsrecht-lich zu gewöhnlichen Wirt-schaftsunternehmen zu degradie-ren, halte ich für hochgefährlich.Bislang gab es in der Bundesre-publik den Konsens, und in derBevölkerung gibt es ihn immer

noch, dass Krankenkassen einensozialpolitischen Auftrag habenund daher den Status einer Kör-perschaft des öffentlichen Rechtstragen und von einer demokra-tisch gewählten Selbstverwaltunggelenkt werden sollten.Das Gesundheitsministeriumwill nun offenbar den Gesund-heitsbereich vollkommen demmarktwirtschaftlichen Wettbe-werb unterwerfen. Das hättegravierende Folgen:• Der kostenlose Beitragseinzugüber die Arbeitgeber und dieUmsatzsteuerbefreiung würdenden Kassen nicht mehr zustehen.• Für die Versicherten würdenKrankenversicherungen damitdeutlich teurer.Die Gesetzliche Krankenversi-cherung hat bereits viel vonihrem sozialen Charakter verlo-ren. Wahltarife, Leistungsaus-grenzungen, die Einführung

neuer und die Erhöhungen beste-hender Zuzahlungen sind Teileiner rot-grünen und schwarz-roten Strategie, die die Bezieherkleiner und mittlerer Einkommenund Kranke benachteiligt undausgrenzt.DIE LINKE will diese Ausgren-zung beenden. Deshalb haben wireinen Antrag in den Bundestageingebracht, in dem wir die Wie-dereinführung der bis 2003 gel-tenden Härtefallregelung fordern(BT-Drs. 16/6033). Danach müss-sten Personen mit einem Einkom-men von weniger als 980 Eurokeine Zuzahlungen mehr leisten.Union und FDP hielten dieseRegelung bei ihrer Einführung1989 angesichts der damals exi-stierenden Zuzahlungen für sozi-alpolitisch notwendig. Bei denvielfach höheren Zuzahlungen,die die Menschen heute zu tragenhaben, ist sie das erst recht.

UUnnrruuhhee bbiittttee iimm BBuunnddeessttaagg .. .. ..

LEIPZIGS NEUE • 15 ‘07 • 27. JULI 20076 • ZEITGESCHEHEN

Deutschland ist das flugverkehrsreichsteLand Europas, und der Flugverkehrbleibt eine der wenigen Wachstums-branchen in Europa. Schon im Jahr 2010soll die Marke von 3,5 Millionen Flügenerreicht sein. 2006 hatte die DeutscheFlugsicherung (DFS) 2,98 MillionenFlüge kontrolliert. Davon entfiel einDrittel auf Überflüge, der Anteil von In-landsflügen lag nur noch bei rund einemFünftel.Passagieraufkommen in Millionen

Der Flughafen Leipzig/Halle gibt für dasJahr 2006 die Zahl von 2 348 000 Passa-gieren an (von uns in der Tabelle korri-giert). Die 240 000 Krieger der US-Ar-mee sind aber grundsätzlich im Bereichdes Anforderungsverkehrs Militär-Trup-pentransporte gesondert aufzuführen.Auch wenn die Flughafengesellschaftendiesen Bereich ihrer kaufmännischenIntension einer großen und zunehmendenBedeutung beimessen, ist es weder zuverantworten, Transitreisende buchhalte-risch in Kampfanzüge zu stecken, nochden kämpfenden Truppen des Herrn Bushnur völkerrechtlich bedenklichen Erho-lungsflüge zuzuschreiben. So ist den Kaufleuten der Flughafenge-sellschaften zu bescheinigen, dass es überJahre einen Rückgang der Fluggästezah-len gab. Aus den Dornröschenschlaf küs-sten die Politfürsten und kühnen Kauf-mannsleute auch mit dem Bau der Nord-bahn und der uneingeschränkten Be-triebserlaubnis den Provinzflughafennicht.Auch aus den Gerichtsbeschlüssen vonimmer mehr Nachtflugverboten an fastallen Flughäfen Deutschlands war keinKapital zu ziehen. Für die Zukunft ist mitdem Ausbau des Flughafens Berlin/Schö-nefeld ein weiterer Rückgang der Passa-gierzahlen zu erwarten. Trotz bereits beste-hender großzügiger Flughafeninfrastrukturund enormer Ressourcen auf den LeipzigerPisten wollen zu wenige von hier aus in dieweite Welt starten.Wie die bisherige Entwicklung des Passa-gieraufkommens einzuschätzen bleibt, istauch die bisherige Entwicklung des Luft-frachtaufkommens zu bewerten. Es warkeine Steigerung an Tonnage und anFlugbewegungen bis einschließlich 2005ersichtlich.Frachtaufkommen in Mill. t:

Die Entscheidung der DHL, ab 2008 inLeipzig/Halle ihr Europa-Drehkreuz ein-zurichten, warf erst 2006 ihren Schattenauf das Rollfeld. Bereits im August 2005wurde der DHL-Flugbetrieb von Ber-lin/Schönefeld nach Leipzig/Halle verla-gert.Das Ausmaß ungenutzter Kapazitäten aufunserem Flugplatz wird im Vergleich mitanderen Flughäfen deutlich. Während eszum Beispiel in Düsseldorf auf einerFlughafenfläche von 605 ha jährlich215 552 Flugbewegungen gibt, dabei16,6 Millionen Passagiere und über 60Millionen Tonnen Luftfracht befördertwerden, hat Leipzig/Halle bei einerFlughafenfläche von 1400 ha gerade ein-mal 42 333 Flugbewegungen, befördertwerden dabei 2,35 Millionen Passagiereund 29 Millionen Tonnen Luftfracht.Den Gutachten der Flughafengesellschaft

nach verfügte der Flughafen bis 2005über erheblich ungenutzte Ressourcenaller flugbetrieblichen Vorraussetzungen.Obwohl alle Entscheider am und um denFlughafen von der Tatsache wussten, dass

der VerkehrsflughafenLeipzig/Halle bereits we-sentliche technische und

infrastrukturelle Vorbedingungen erfüllte,die ein leistungsfähiger Frachthub erfor-dert, bewerteten diese Behörden den vor-gesehenen hochinvestiven Ausbau als„vernünftigerweise geboten“.

Zur militärischen Nutzungdes Flughafens

Das Vorherrschen militärischen Denkensder Bundesregierung Deutschland durch-dringt zunehmend das gesamte wirt-schaftliche, gesellschaftspolitische undkulturelle Leben unserer Gesellschaft.Militärstrategische Entscheidungen derPolitik verheißen der Flughafengesell-schaft Leipzig/Halle höchste Gewinne.Andererseits gewinnen betriebswirt-schaftliche Gesichtspunkte bei der aktu-ellen Einsatzführung global operierenderdeutscher Kampfeinheiten erheblich anBedeutung.Die Bundeswehr setzt seit Beginn der Af-ghanistan-Mission im Januar 2002 dieAn-124-100 ein. Zwar wurden anfänglichimmer wieder einmal die hohen Kostenkritisiert (269 000 US-Dollar für einenFlug Köln-Kabul mit 80 Tonnen Fracht).Diese Preise erklärten sich aber zu jenerZeit durch das von Deutschland gewählteVerfahren der Ausschreibung, bei demVerträge an deutsche Spediteure verge-ben wurden, die dann Unteraufträge er-teilten.Als Ergebnis eines Ausschreibungsver-fahrens und anschließender Vertragsver-handlungen wurde der SALIS-Vertragschließlich am 26. Oktober 2005 zwi-schen der NATO Maintenance andSupply Agency (NAMSA) und derRuslan SALIS GmbH als Auftragnehmerunterzeichnet. Die an dieser NATO-Ini-tiative teilnehmenden Staaten müssenfestgelegte Kosten für die Aktivierung

entrichten.Im Gegenzug habensich die derzeit 18 Teil-

nehmer verpflichtet, als Gemeinschaft2000 Flugstunden in Gänze, weitere 2800Flugstunden teilweise sowie Kosten fürden Betrieb der Operationsbasis Leip-zig/Halle zu finanzieren. Die Aufteilungder Kosten unter den Teilnehmern erfolgtabgestuft auf der Basis festgelegter Pro-grammanteile sowie anhand der nach na-tionalen Entscheidungen eingegangenenVerpflichtungen zur Abnahme von Flug-stunden.Mit der als Übergangslösung unwahr de-klarierten militärstrategischen Umset-zung des NAMSA-Vertrages gelang esder NATO, die Kosten insgesamt wieauch in allen einzelnen Betrieben effizi-ent zu senken. Aus den NATO-Verträgenerwirtschaften die beiden fliegendenAkteure hohe Erlöse. Innerhalb des lang-fristig angelegtem Ruslan-SALIS-Pro-jekts führte die Volga-Dnepr-Gruppe im

vergangenem Jahr 220 Flüge durch undtransportierte 13500 Tonnen Ladung. Da-bei erwirtschaftete das Unternehmen einenGewinn von 70,2 Million US-Dollar.

Zahlungen aus NATO-Verträgen inMillionen Euro:

Allein im Geschäftsjahr 2006 betrug dergemeinsame Gewinn der Volga-Dnepr-und der Antonov-Fluglinien aus denNATO-Initiativen Ruslan Salis GmbH(Leipzig/Halle) und Ruslan internationalVolga-Dnepr UK Ltd. (Stansted, GB) 122Million US-Dollar. Die genannten Fluggesellschaften wer-den in den nächsten Jahren insgesamt 10neugebaute Flugzeuge des Typ An 124-100M-150 in ihre Dienste und somit derNATO zur Verfügung stellen.

Die Geschäftsleitung der Volga-Dnepr-Gruppe bestätigte die ab 2008 jährlichezusätzliche Inbetriebnahme von je einerAn 124-100M-150. Die neuen Groß-transporter werden ca. 165 Tonnen tragenkönnen, über eine modernere Innenaus-stattung verfügen und mit leistungsstärke-

ren Trieb-werken aus-gerüstet sein.In Ausübungseiner zentra-

len Dispositionsaufgaben im BereichVerkehr und Transport fungiert dabei dasLogistikzentrum der Bundeswehr(LogZBw) in Wilhelmshaven als nationa-le Ansprechstelle im Rahmen vonSALIS. Allein die beiden in Leipzig sta-tionierten Luftfahrzeuge sind technisch inder Lage, jährlich bis zu 4800 Flug-stunden zu leisten. Sie stehen sowohl fürnationale als auch multinationale Auf-

Hohe GGewinne aauf KKosten vvonLebensqualität, GGesundheit

und MMenschenleben

Zur zivilen Nutzung desFlughafens Leipzig/Halle

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006Passagiere 2,28 2,17 1,97 1,95 2,041 2,128 2,108

Mitglieder derAktionsge-meinschaft„Flughafennatofrei!“attackieren auf derFlugshow am 7.Juli einen Tornadomit blutrotemKetchup.Schließlich: Auchder weißgestärkteParadefrack deut-scher Außenpolitikist wieder blutver-schmeirt.Die ausgestelltenKriegsflugzeugewurden daraufhinweiträumig abge-sperrt.

Fotos: AG/ T. Schleip

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006CARGO 15,3 14,4 15,0 15,8 10,3 12,9 29,3

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006LS 2,677 5,524 10,413 15,220 27,516 17,172 13,261SALIS 47,662

Fortsetzung auf Seite 7

LEIPZIGS NEUE • 15 ‘07 • 27. JULI 2007 ZEITGESCHEHEN • 7

Um dem 2008 mit voller Wuchtüber den Norden von Leipzig her-einbrechenden Lärm des Fort-

schritts, der sich im Osten auch nachtsaustoben darf, zu entfliehen, bin ich vomSchkeuditzer Flughafen weg an denAuenrand nach Lützschena gezogen. Ichwar von Beginn an im Widerstand gegendie letztendlich menschenfeindlicheZielsetzung, den Ausbau des Flughafensin Nähe von dicht besiedeltem Geländeund eines Landschaftsschutzgebietes zueinem schmutz- und lärmspeiendenMoloch zu forcieren. Die Verliererrollewar den Oppositionellen trotz demokrati-schen Gehabes von Politik und Wirt-schaft von vornherein zugeschrieben. Ichhabe den Umzug nach mehreren Ge-sprächen mit Flughafenverantwortlichenin gutem Glauben auf Besserung meinerWohnlage vollzogen. Von einer neuenFlugroute, die nun auch die Lützschenaerund Stahmelner beunruhigt, war da niedie Rede. Wohl wissend, dass zur Durch-setzung des „Wunders von Leipzig“geballte Macht am Werke ist, habe ich –ein Narr eben – auch weiterhin meineStimme dagegen erhoben. Das PrinzipHoffnung aber kann nur einer dieserMacher zum Zweck der Volksverdum-mung in die Welt gebracht haben. Dochdem Verlierer bleibt nur dieser fragwürdi-ge Lichtblick, um nicht an den Gegeben-heiten vollends zu verzweifeln. Nachdem Erleben einer Diktatur sehe ich michmit vielen anderen von einer Demokratieenttäuscht, die im Wesentlichen auch nurvon den Mächtigen diktiert wird. DerenVerständnis von Freiheit schließt eben

nur recht begrenzt und pro forma dieMitsprache Andersdenkender mit ein.Aus der Mehrheitendemokratie ist inzwi-schen ein gewaltiger Apperat corriger lafortune – dem Glück ein wenig nachhel-fen – geworden. Die Wirklichkeit ist einDieb, der uns unsere Träume stiehlt. Gerade habe ich an einer öffentlichenSitzung des Ortschaftsrates teilgenom-men, wo unter TOP 6 die „Beratung zumFluglärm nach Einführung neuer Flug-routen“ angezeigt war. Das Geschehenum die Erweiterung des FlughafensLeipzig-Halle ist inzwischen eine Farce,von Politik und Wirtschaft inszeniert undvom Volk teuer bezahlt. Eine Farce istebenso ein derbes Lustspiel wie eine ausverschiedenem Gehacktem zubereitete

Füllung. Mir erscheint hier eine weitereWortbedeutung – Verhöhnung einesGeschehens – am zutreffendsten. Schnellist man da in ein Gestrüpp von Lügen undHalbwahrheiten geraten, in dem derWahrheitssucher an seinem bisschenVerstand zweifelt, sich die Haut wundscheuert und die Zähne ausbeißt. Trotzmeines von der Erfahrung geprägtenMisstrauens musste ich mir bald meineBlauäugigkeit hinsichtlich der Wirklich-keit vorwerfen. Unter der Wortblase

Wirtschaftlichkeit, die sich natürlichrechnen muss – in der DDR hieß es: Alleszum Wohl des Volkes –, soll auch jedeskrumme Ding dem Betrachter geradeerscheinen. Wir alle kennen ja dasMärchen „Der kleine und der großeKlaus“, das man gut und gern auch alsLehrstück zum real existierenden Ka-pitalismus lesen kann. Dirk Schümer,Europakorrespondent der FAZ in Vene-dig, vermerkt dazu: Auf knapp fünfzehnBuchseiten geschehen in diesem Mär-chen: ein Mord, ein Totschlag, einSelbstmord, drei Mordversuche, ein Ehe-bruch. – Der große und der kleine Klaus,ganz ordinäre dänische Bauersleute,arbeiten ohne Tricks; sie kommen mitdem bewährten Reservoir humanerMissetaten aus, das keinem Staatsanwaltjuristische Probleme bereiten würde. –Andersen ... bediente sich einer realisti-schen Volkserzählung aus dem heimi-schen Fünen. Es soll ja Kinder und vorallem Erwachsene geben, die sich nochIllusionen über das Schlamassel machen,das ihnen im Leben bevorsteht. Für sol-che Fälle ist dieses kernige Märchengenau das richtige. Dazu kann ich mich des Gedankens nichterwehren, dass man auch hierzulande –

wie im Märchen geschehen – ohneWeiteres die eigene Großmutter erschla-gen und für einen Scheffel Geld auf demfreien Markt anbieten würde. Die An-wohner kilometerweit um den Flughafensind jedenfalls schon verraten und ver-kauft. Im Getöse des Fluglärms sprichtkaum noch einer von der doch zumindestebenso bedrohlichen Luftverschmutzung.Doch sie senkt sich lautlos aus den Wol-ken, wo ja die Freiheit für die Luftbossezumindest über dem Norden Leipzigs

nun grenzenlos ist, auf uns herab. Ichhöre den Flughafenchef – gehandelt alsÜberflieger mit Bodenhaftung, jung,dynamisch, professionell – noch tönen,dass von Militär auf seinem Flughafenkeine Rede sein kann. Aber in der Hitzedes Erfolgs taut der Schnee von gestern.Der Fluglärm am Tag ist bei dem Ausmaßder zu erduldenden Eingriffe in unserLeben kaum noch Gesprächsstoff. Jetztwill die Ferienfluggesellschaft „Condor“vor Gericht ziehen, die Chefs finden esabsolut nicht verständlich, dass die brül-lenden Frachtflieger nachts starten undlanden dürfen, aber ihre flüsterndenPassagiermaschinen nicht. Sie meinen,hier gehe es nicht um die Schonung derUmwelt, sondern allein um wirtschaftli-che Belange. Da hat mir doch endlich malein Multi beim Tauziehen um Milliar-denprofite aus der Seele gesprochen. Wirsind eben doch alle gleich, nur der einehat‘s und der andere hat‘s nicht. Eine Kette ohne Ende, die sich auf kurzoder lang immer enger um unser allerHals zusammenzieht. Es hätte außerSchkeuditz auch zivilisierte und vorbild-liche Wege nach Rom gegeben; aber derKapitalist geht bekanntlich immer denkürzesten, weil für ihn billigsten Weg

zum Profit. Im Sozialismus habe ich michoft für ein Geschehen, das ich nicht mit-verantworten wollte, geschämt. Im Ka-pitalismus, dem derzeitigen Sieger dervertrackten Geschichte, erregt es meinenWiderwillen. Eine Farce belebt sich manchmal auchmit i-Tüpfelchen aus der Provinz. DerVersammlungsleiter der LützschenaerSitzung, Mitglied einer Partei, die sichden kleinen Leuten nahestehend sieht undihr Interessenvertreter sein will, zeigtesich in Anspruch genommen, Zwischen-rufer knurrig zurechtzuweisen und diePunkte der Tagesordnung abzuhaken. DerEindruck kam jedenfalls nicht auf, dass erals Mitglied des Ortschaftsrates mit Ver-ve das Interesse der Bürger vertritt. EinSchelm, wer da Böses denkt. Ich denkeaber, dass es eine Menge Leute gibt, diefür alles und nichts stehen und in dieKnie gehen, wenn sie nur im Schatten derMächtigen sein dürfen und hier und daeinen Happen vom goldenen Tellerchenzugeworfen bekommen. Der für die Rei-chen und Schönen ausgelegte roteTeppich ist von einer dicken Schleimspurüberzogen. Dem Vertreter des Flughafenshingegen, Lärmschutzbeauftragter undvielseitig einsetzbarer „Prügelknabe“,konnte man anmerken, dass er sich inStoizismus – frei übersetzt: Leckt michdoch alle am ... – gerettet hat, wobei ihnseine vermutlich gut bezahlte Stellungbittere Pillen leichter schlucken lässt. Ich möchte meine erneute Wortmeldungauch als Aufruf zum gewaltlosen Wi-derstand verstanden wissen, an den gera-de die Leipziger sich noch erinnern soll-ten. Heute ist er an mancherlei Ort undeben auch in und um Schkeuditz wieder

vonnöten. Ich selbst, eigentlich keinFreund großen Aufsehens, zögere nicht,auch im fortgeschrittenen Alter an spek-takulären Aktionen teilzunehmen. Dieeinzige Chance, die der mündige Bürgernoch hat, um gehört zu werden, ist, dasfokussierende Interesse der Medien aufdie Sache zu lenken. Nichts fürchtenSaubermänner aus Politik und Wirtschaftso sehr wie das Sichtbarwerden vonSchmutzflecken auf ihrer blütenweißenWeste. Es ist ja nicht so, dass meine wiederhol-ten Wortstücke schmerzlich-leidenschaft-lichen Charakters mir inzwischen nichtselbst auf den Nerv gehen; aber zurschweigenden Mehrheit möchte ich,gerade als Deutscher, nun gar nicht ge-hören.

Die unendlicheGeschichte

vomkleinen

und vom großen Klaus

Von Gunter Preuß

Dazu kann ich mich desGedankens nicht erwehren, dassman auch hierzulande – wie im

Märchen geschehen – ohneWeiteres die eigene Großmutter

erschlagen und für einen ScheffelGeld auf dem freien Markt

anbieten würde.

Das Geschehen um dieErweiterung des Flughafens

Leipzig-Halle ist inzwischen eineFarce, von Politik und Wirtschaft

inszeniert und vom Volk teuerbezahlt.

träge zur Verfügung. Nach Angaben des Bundesministeriumsder Verteidigung (Fü S IV 4), „zeichnetsich ab, dass auch langfristig ein noch zuermittelnder Bedarf zum Lufttransportübergroßen Materials bestehen wird. Eswird spätestens bis Ende 2007 über diekünftige Gestaltung des Projekts zu ent-scheiden sein“.Weder die dienstwillige Abwicklung waf-fenbrüderlicher Schwertransporte imAuftrag der NATO noch die Flüge von

US-Militärpersonal und Gerät über denLeipziger Flughafen wollen die Plan-feststellungsbehörde oder das SächsischeStaatsministerium völkerrechtlich bewer-ten.Im Zeitraum Juli 2006 bis einschließlichMärz 2007 sind von den amerikanischenFluggesellschaften World Airways undNorth American Airways insgesamt 2050Flugbewegungen durchgeführt worden.Solange der allein zuständige Bund keineKonflikte mit dem Völkerrecht feststellt,haben weder die Landesbehörden nochder Flughafenbetreiber Anlass, an der

Rechtskonformität der Flüge und dertechnischen Zwischenlandungen zu zwei-feln.Ob in Zukunft ganze Armeen von bis zu800 Tausend GIs oder bald weit mehrals eine Millionen amerikanische Bür-ger im Kampfanzug über Leipzig/Hallein die Kriegsgebiete starten, hängt nachAnsicht der sächsischen Landesbe-hörden insbesondere davon ab, welchenpolitischen Entwicklungen die Ein-satzgebiete künftig unterliegen und mitwelchen Instrumenten die internationalePolitik darauf reagieren wird.

Wir sagen dazu „Nein!“ Es werden auch in Zukunft engagierteBürger sein müssen, die unbequemeFragen stellen, die bei unpassend erschei-nenden Anlässen ihren ForderungenNachdruck verleihen, um auch so aufAlternativen zur militanten Geschäfts-tätigkeit auf ihrem Flughafen hinzuwei-sen.

• LUTZ METZGERAKTIONSGEMEINSCHAFT

„FLUGHAFEN NATOFREI!“

Fortsetzung von Seite 6

LEIPZIGS NEUE • 15 ‘07 • 27. JULI 20078 • JÜDISCHES LEBEN

Der Baum des Anstoßes„Bäume sind Heiligtümer. Wer mit ihnen zu spre-chen vermag und ihnen zuzuhören weiß, dererfährt die Wahrheit“, meinte einst der DichterHermann Hesse. Viele Kulturen verehren sie alsMittler zwischen Himmel und Erde, zwischenden Menschen und anderen Lebewesen. JedeBaumart besitzt aber auch ein eigenes Wesen,eine individuelle Ausstrahlung. Die nebenste-hende Platane mag ungefähr 120 Jahre alt seinund wurde jetzt im hohen Lebensalter zumStreitfall. Ihr Besitzer nutzte ihre gewachsene Schönheit,um gegen den Umbau des Leipziger „Ario-witsch-Hauses“ in ein Jüdisches Begegnungs-zentrum zu protestieren. Sein Hauptargument:Der Baum würde durch die Bauarbeiten leidenund vermutlich absterben. Ja, so etwas passierteim vergangenen Jahr in Leipzig. Acht Monatespäter, nebenstehendes Foto beweist es, lebt derBaum und auf dem Bau ist ebenfalls Leben. Die Bauherren ließen sich etwas einfallen und sobekam das tolle Gewächs wöchentlich einen rie-sigen Vitamincocktail. Das der angeblicheNaturfreund von nebenan auf seinem Grund-stück inzwischen einen anderen gesunden Baumabholzte, sei hier nur am Rande erwähnt.Könnte die Platane reden, dann wäre zu erfah-ren, dass das „Ariowitsch-Haus“ seit Jahrzehn-ten in dieser Stadt Ängste und Hoffnungen aus-löst. Gehen wir darum in jene Zeit zurück, als diePlatane vermutlich noch nicht gepflanzt war.Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs die Anzie-hungskraft Leipzigs als Geschäfts- und Handels-metropole. Sie entwickelte sich zu einem Zen-trum europäischen Kultur- und Geisteslebens.Somit günstige Bedingungen für rasches Bevöl-kerungswachstum und auch eine empfohleneAdresse für Zuwanderer. Anno 1800 lebten inder Stadt annähernd 50 Menschen jüdischer Her-kunft. 1871 wissen es die Dokumente bereitsgenauer und geben die Zahl 1739 an. 1931 wur-den 12 594 registriert.

Die aus Osteuropa eingewanderte Familie Ariowitschgehörte bald zu den bekanntesten Pelzhändlern derStadt. Julius Ariowitsch baute am Brühl, relativ rasch,sein international tätiges Rauchwarenunternehmen auf.Ein Mann, der keine Publicity liebte.Zwei Jahre vor Hitlers Machtergreifung regte das ansäs-sige „Jüdische Gemeindeblatt“ die Schaffung einesAltersheimes im Stadtgebiet an.Am 17. Mai 1931 öffnete dann das von dem Architek-ten Emil Franz Hänsel geschaffene „Sächsische Israeli-tische Altersheim“ mit einer Kapazität von zunächst 35Plätzen. Es sollte „älteren Juden beiderlei Geschlechts,die ihren Unterhalt nicht mehr selbst verdienen können,Heim und Aufenthalt gewähren.“Deutschlandweit galt der Standard des Hauses als vor-bildlich.In fast keinem anderen Haus dieser Stadt spiegeltensich später Hoffnung und Verzweiflung so konkretwider. Stichpunkte müssen hier genügen.Die Nazis machten es zum „Judenhaus“ für diejenigen,die aus ihren Wohnungen gejagt wurden. Später richte-te die Gestapo hier ihre Leitstelle ein. Nach der Befrei-ung wurde auf den Gängen zunächst Englisch späterRussisch gesprochen, denn die einrückenden Besat-zungsmächte fanden ebenfalls Gefallen an dem Gebäu-de. Dann übernahm es die Stadt und bis 1991 war eserneut ein kleines Altenheim.All das könnte die Platane erzählen, wenn sie könnte.Inzwischen (siehe nebenstehende Chronik) ist neuesBauleben in die beiden Gebäude eingezogen. Mit allenSchwierigkeiten, Hoffnungen und Ängsten, die diesemHaus schon immer innewohnten.Das urspüngliche Ziel, dieses Jahr zu eröffnen, ist nichtmehr zu erreichen. „Aber man sieht, dass man baut“,lächelt Küf Kaufmann und entführt uns mit Witz undCharme in die noch im Moment kaum begehbare Adres-se. Aber viele folgten seiner Einladung und bekameneinen ersten unvollkommenen Eindruck von dem, washier in den nächsten Monaten vollendet werden wird.Ein Haus für die Jüdische Gemeinde, das aber auchBrücken zu seinen Nachbarn schlagen wird.

• MIICHAEL ZOCK

Auch beim Rundgang durch die Baustelle wurde der „Baumdes Anstoßes“ begutachtet. Sein Besitzer missbrauchte diePlatane als „Argument“ gegen das Gemeindezentrum. DieBauleute sorgten mit „Vitaminspritzen“ für Wachtstum.

Foto:Gerd Eiltzer

Drei Bilder – drei Dimensionen

Modellprojekt des künftigen Gemeindezentrums: Vorn rechts die Eingangszone des erhaltenenHauptgebäudes,seinerzeit in Anlehnung an eine Thora-Rolle projektiert. Zwischen dem hinterenHofgebäude und dem Vorderhaus wird ein neuer Gemeindesaal gebaut.Oben rechts: Eine historische Aufnahme des jüdischen Altenheimes kurz nach der Eröffnung imJahre 1931.Unten rechts: Die von der Familie Ariowitsch gestiftete Gedenktafel, die im künftigen Eingangs-bereich ihren Platz finden wird. Fotos: Archiv Bürgerverein

LEIPZIGS NEUE • 15 ‘07 • 27. JULI 2007 JÜDISCHES LEBEN • 9

Mai 1999¸ Die Israelitische Religionsgemeinde zu Leip-zig unter dem damaligen Vorsitzenden AronAdlerstein wendet sich mit einem Brief an denOberbürgermeister Wolfgang Tiefensee mit derBitte um ein Gespräch zu einem möglichen Neu-bau einer Synagoge und eines jüdischen Gemein-dezentrums.

Juni 1999¸ Während eines Gespräches im Neuen Rat-haus an dem unter anderem der LandesrabbinerDr. Almekias Siegl teilnimmt, spricht der OBMvon „einer Bringschuld der Stadt Leipzig gegenü-ber der Israelitischen Religionsgemeinde.“ Eingeeignetes Grundstück für das Projekt wirdgesucht.

September 2000¸ Nach intensiver Beratung innerhalb der jüdi-schen Gemeinde wird das Projekt geteilt: Zumeinen in die Erweiterung der Kapazität der vor-handenen Synagoge Keilstraße und zum anderenin den Bau eines Begegnungszentrums in derAuenstraße (heute Hinrichsenstraße). Erste Ent-würfe eines Architekturbüros werden diskutiert.

Dezember 2000¸ Der Kabarettist Bernd - Lutz Lange über-nimmt den Vorsitz des neu gegründeten Vereins„Synagoge und Begegnungszentrum Leipzig“. Erumfasst anfangs 22 Mitglieder. Ein Kuratoriumwird ebenfalls gegründet.

März 2001¸ Die Stadt Leipzig will sich mit 3,25 Mio. DM(ein Drittel der Kosten) an der Realisierung betei-ligen. Der Stadtrat stimmt einstimmig zu.

Mai 2001¸ Der sächsische Ministerpräsident Biedenkopfsagt die Förderung durch den Freistaat zu.

Oktober 2001¸ Nach Einladung von fünf Architekturbürosfindet ein Auswahlverfahren zum Projekt Begeg-nungszentrum statt.

Juni 2002¸ Erstmals treten Schwierigkeiten mit Nach-barn des Grundstückes Hinrichsenstraße 14 auf,die den Zutritt zu ihren Grundstücken verwei-gern. Dieser ist für wichtige Untersuchungen desBaugrundes jedoch nötig.

August 2002¸ Die Stadt Leipzig erteilt mit Auflagen dieBaugenehmigung für das Vorhaben. Sie wird andie einzubeziehenden Nachbarn geschickt. DieWiderspruchsfrist läuft bis Ende September.Gemeinde und Verein planen den Baubeginn fürden 7. Oktober 2002.

Oktober 2002¸ Die jüdische Gemeinde erhält zunächst zweiWidersprüche. In einem wird der Aufschub desBaubeginns gefordert. Als sich die Widersprücheauf fünf erhöhen wird der geplante Baubeginnabgesagt. Der Beigeordnete Lütke Daldrup lädtalle in Widerspruch gegangenen Parteien zumGespräch, deren Bedenken werden nicht besei-tigt. Die Architekten arbeiten weiter.

Januar 2003¸ Die Gemeinde fragt beim Regierungspräsidi-um nach dem Stand der Verfahren und erhält dieAuskunft: keine Zeitangabe möglich.

Februar 2003¸ Zwei Widersprüche werden vom Regie-rungspräsidium abgelehnt Zur Abarbeitung derübrigen kann kein Termin gennannt werden.

April 2003Der dritte avisierte Termin für einen Baubeginnim Juli wird abgesagt. Die Vorgänge machenunter der Überschrift „Man will uns hier nicht“,Schlagzeilen in der internationalen Presse.

Juli 2003¸ Sachsen steht zu seiner Zusage und stellt dieFördersumme in den Haushalt 2003/2004 ein.

September 2003¸ Da kein Termin für die Gerichtsverfahrenbekannt ist, wird vorgeschlagen, am Grundstückmit bauvorbereitenden Maßnahmen zu beginnen.Nach Aufstellung eines Bauschildes erhält derOberbürgermeister Brief von Bürgern des Wald-straßenviertels, die ihr Unverständnis über denBaubeginn mitteilen.

Januar 2004¸ Der Vorstand des Vereins „Begegnungszen-trum“ berät über eine öffentliche Informations-veranstaltung in Kooperation mit dem Bürgerver-ein „Waldstraßenviertel“.

März 2004¸ Die Veranstaltung findet in der überfülltenAula der Leibnizschule mit sehr starker Medien-präsenz statt. Es tauchen Handzettel gegen dasProjekt auf.

Mai 2004¸ Das Verwaltungsgericht lehnt die Klagen ab.Eine Berufung ist nicht möglich. Ein Klageführerhat daraufhin Beschwerde beim Oberverwal-tungsgericht Bautzen eingelegt.

Juni 2005¸ Ein Bürgerfest findet am künftigen Begeg-nungszentrum zum Abschluss der „JüdischenWoche“ statt. Bisher sind durch Spenden 180 000Euro gesammelt worden.

April 2006¸ Am 24. 4. erfolgt mit großer Resonanz undVerzögerung(!) der erste Spatenstich.

Juli 2006¸ Durch erneutes Insistieren eines Nachbarnwegen einer angeblich durch das Projekt gefähr-deten Platane kommt es zum Bauverzug. In derFolge stellt eine Firma die Arbeiten ein und ziehtmit sämtlichem Gerät ab. Die Baustelle mussgesichert werden. Grundwasser dringt ein.

Oktober 2006¸ Die Bauabläufe sind umgestellt worden.Dach und Fenster werden in Angriff genommen.

Januar 2007¸ Das Begegnungszentrum soll im Oktober2007 fertiggestellt werden. Die Einweihung istfür den 9. November vorgesehen. Es zeigt sichaber schon, dass dieser Termin nicht eingehaltenwerden kann.

Juli 2007¸ Während eines Baurundganges verkündetKüf Kaufmann, der Vorsitzende der JüdischenGemeinde in Leipzig den wahrscheinlichen Er-öffnungstermin für dieses bundesweit einmaligeBegegnungszentrum: Mai 2008.

Juristische Spitzfindigkeitencontra Begegnungszentrum

Chronologie des Projektes „Synagoge und Begegnungszentrum“

Das ehemalige alte Kellergeschoss im „Ariowitsch-Haus“ nutz-te die Gestapo als Folterkeller für Gefangene.

Verschalungsarbeiten zwischen Haupt- und Nebengebäude.(Fotos:Eiltzer)

Ungewöhnlicher Blick in den künftigen tiefgelegenenen Ge-meindesaal. Der Eingang wird sich links befinden.

Fotos:Eiltzer

LEIPZIGS NEUE • 15 ‘07 • 27. JULI 200710 • FEUILLETON

Will man das Wirken des dieserTage 80 Jahre gewordenenKurt Masur auf einen kurzen

Nenner bringen, dann heißt der: uner-müdliche Arbeit im Dienste der Musik.Sie begann für den im schlesischen BriegGeborenen nach Studien an der Landes-musikschule Breslau (1942/44) und ander Musikhochschule Leipzig (1946/48)in der Provinz.

Die musikalische Grundlage für seinLeben sieht Masur im Volkslied. Mit denGeschwistern sang er abends Volksliedervor dem Einschlafen. Bald spielte er amKlavier seiner älteren Schwester. SeinerKlavierlehrerin in Brieg verdankt er eineGrundhaltung, die seine gesamte Lauf-bahn prägte – die Ehrfurcht und Demutgegenüber dem Kunstwerk. An der Oper in Halle gewann der jungeKünstler als Korrepetitor und Dirigenterste praktische Erfahrungen. 1951 enga-gierte ihn das Theater Erfurt als 1. Opern-kapellmeister. Zwei Jahre später beriefihn die Leipziger Oper in die gleichePosition neben Heinz Fricke. Hier be-gann bereits die Zusammenarbeit mitdem in der Oper spielenden Gewandhaus-orchester. Mit „Figaros Hochzeit“ vonMozart, „Iphigenie auf Tauris“ von Gluckund „Sly“ von Wolf-Ferrari fand Masurbesondere Anerkennung. Aber er bewiesauch mit Lortzings „Waffenschmied“,welche Qualitäten dieser Musik eigensind.Dann holte Heinz Bongartz 1955 Masurals zweiten Dirigenten an die DresdenerPhilharmonie und ebnete den Weg zumKonzertdirigenten. Das Orchester musi-zierte gern unter Masur, und das Publi-kum liebte ihn. 1958 wurde Masur in dieerste Chefposition berufen, und zwarzum Generalmusikdirektor der Mecklen-burgischen Staatskapelle Schwerin.Schon 1960 folgte dann die Verpflichtungan die Komische Oper Berlin. Felsensteinwusste, dass er sich mit Masur einen Part-ner an die Seite holte, der auf unbedingteÜbereinstimmung von Szene und Musikbesteht. Als 1964 Masur diesen Vertraglöste, stieß das nicht auf Verständnis imDDR-Kulturministerium. Drei Jahre warder auf kontinuierliche Ensemblearbeitbedachte Dirigent auf (von ministerieller

Seite nicht eben geförderte) Gastdirigateangewiesen.Mit der Verpflichtung zum Chefdirigen-ten der Dresdener Philharmoniker endete1967 die Zeit ohne Orchester. Masur sahin dieser Position eine langfristige Wir-kungsmöglichkeit mit weit gestecktenZielen. Er begann mit der Gestaltung vonZyklen, die er in Leipzig ab 1970 insZentrum seiner Arbeit rückte.Die Berufung in die Messestadt betrach-tete der damals 43-Jährige als die seinweiteres Künstlerleben erfüllende Positi-on. Die von Men-delssohn Barthol-dy und Nikischgeprägte Gewand-haustradition mitdem Blick nachvorn weiterzu-führen, verstand erals große Heraus-forderung. DenBegriff Kapellmei-ster wertete er um-fassend, auf dieGesamtentwick-lung eines Orche-sters bedacht, nichteng auf das Diri-gieren begrenzt.Diese Auffassungveranlasste ihn,sich mit ganzerKraft für den Baueines Gewandhau-ses einzusetzen.Als der für 1971 und dann für 1975 anvi-sierte Beginn wieder verschoben werdensollte, wandte er sich mit einem unbe-stechlich argumentierenden Brief anErich Honecker. Während der Bauarbei-ten kümmerte sich Masur um den plan-mäßigen Fortgang, setzte alle Hebel inBewegung, wenn wegen Materialschwie-rigkeiten Verzögerungen drohten. ZuRecht wurde der immer wieder mitSchutzhelm auf der Baustelle erscheinen-de Dirigent als „Ehrenzimmermann“bezeichnet.

Bevor das neue, das dritte Gewand-haus am 8. Oktober 1981 einge-weiht wurde, bereitete Masur das

Orchester sorgfältig auf die Anforderun-gen vor, die das Haus stellen würde. Diezur Tradition des Gewandhauses ge-hörenden Zyklen – der erste fand 1825/26noch zu Lebzeiten Beethovens mit dessen

neun Sinfonien innerhalb einer Spielzeitstatt – verstand Masur als eine Möglich-keit, zum einen die Spielkultur des Or-chesters kontinuierlich zu erhöhen undzum anderen, den Konzertbesuchersystematisch mit dem Schaffen großerMeister vertraut zu machen.Der 200. Geburtstag Beethovens gebot, inMasurs erster Gewandhaus-Saison1970/71 einen Zyklus mit den neun Sinfo-nien Beethovens zu gestalten, dem einigeJahre später eine Schallplatten-Gesamtauf-nahme folgte. Bis zu Gustav Mahler und

Richard Strausswurden alle gro-ßen deutschenund österreichi-schen Sinfonikerdes 19. undfrühen 20. Jahr-hunderts mitZyklen ge-würdigt, aberauch Dvorák,Debussy, Ravelund Prokofjew.Andere Zyklenwie „Internatio-nale Meisterwer-ke“ und „HeitereWerke großerMeister“ rücktenK o m p o n i s t e nverschiedenerLänder des 19.und 20. Jahrhun-derts ins Blick-

feld. In Zusammenhang damit entstandenweitere Schallplattenaufnahmen aller Sin-fonien von Mendelssohn, Schumann,Bruckner, Brahms, aller sinfonischenDichtungen von Liszt.Aufgeschlossenheit für Schostakowitschwar in den ersten Konzerten im neuenHaus durchaus noch nicht bei allen Besu-chern vorhanden. Manche kamen, wennein Konzert mit Schostakowitsch begann,erst nach der Pause zu Beethoven. Als derDirigent listig die Programmfolge ohneAnkündigung umstellte und mit Beetho-ven begann, stellten die erst zur Pausegekommenen Besucher fest, dass es sichauch lohnt, Schostakowitsch zu hören.Bei den nicht wenigen Aufführungenneuer Werke konzentrierte sich Masur aufKomponisten, die seinen Erwartungen anneue Musik am nächsten kamen. Dazugehörten auch keineswegs bequem zuspielende und zu hörende Werke wie die

abendfüllende Michelangelo-Sinfonievon Friedrich Schenker. Der Dirigentbeließ es nicht bei einmaligen Ur- oderErstaufführungen neuer Werke, sondernzeigte sich mit Wiederaufführungen dar-auf bedacht, Neues vertraut werden zulassen. Werke von Siegfried Matthus undSiegfried Thiele, Alfred Schnittke undGija Kantscheli sind hier vor allem zunennen.Auch als Kurt Masur inzwischen auf denOrchesterreisen und als Gastdirigentlängst internationale Anerkennung gefun-den hatte, blieb er fern von StarallürenDiener am Werk. Ihm ging es um die Ver-mittlung musikalischer Botschaften, umdie humanisierende Kraft der Musik.Seine humanistische Haltung drängte ihnin der Krisensituation im Herbst 1989dazu, gegen öffentliche Gewalt aufzuru-fen. Dabei fand er – das darf nicht ver-gessen werden – in den zu dieser Zeit dieVerantwortung tragenden Sekretären derSED-Bezirksleitung, in Roland Wötzel,Kurt Meyer und Jochen Pommert Bun-desgenossen.

Es war nur eine Frage der Zeit, dassKurt Masur Chefpositionen aus-ländischer Spitzenorchester ange-

boten wurden. Dennoch sahen einige der1991 erfolgten Berufung nach New Yorkskeptisch entgegen. Doch über elf Jahre,für amerikanische Verhältnisse eine langeZeit, führte er dieses nicht leicht zubehandelnde Orchester zu neuen Erfol-gen. Ein führender amerikanischer Kriti-ker konstatierte, Masur habe „den verlo-renen Ruhm der Philharmoniker wiederhergestellt“.Bis 1996 nahm Masur zudem seine Ver-pflichtungen als Gewandhauskapellmei-ster unvermindert wahr. So wie er spezi-ell seine in Leipzig gewonnenen Erfah-rungen für die New Yorker Philharmoni-ker nutzbar machen konnte, brachte ernun manche in New York gewonnenenErkenntnisse ins Gewandhaus ein. Dieverstärkt aufkommenden Spardebatten,denen er mit den Worten entgegnete, erdenke nicht daran, das in 25 Jahren Auf-gebaute abbauen zu helfen, waren einwichtiger Grund zur Demission alsGewandhauskapellmeister. Bis 1998 diri-gierte er noch die bis dahin geplantenKonzerte. Mit der Ernennung zum Ehren-dirigenten bleibt er auf besondere undeinmalige Weise mit dem Gewandhausor-chester verbunden.

Von WERNER WOLF

Masur: Ehrendirigent und Ehrenzimmermann

Der Leipziger Autor und Regisseur Robert UweLaux hat zum 200. Geburtstag von Robert

Blum eine komödiantische Miniatur geschrieben.Die Uraufführung von „Geheimniskrämereien“ imGarten des Schillerhauses konnte zwar den Wetter-gott nicht gnädig stimmen, dafür die Zuschauerumso mehr, die in die politisch unruhigen August-tage des Jahres 1845 zurückversetzt werden. Reiz-voll und originell erscheint die Idee, dass der Spielortgleichzeitig der Ort des – historischen Ereignissennachgebildeten – Geschehens ist. Robert Blum(1807–1848) war ein führender Vertreter der klein-bürgerlich- demokratischen Opposition in Sachsenund 1848 Mitglied der Nationalversammlung.Wegen seiner Teilnahme am Wiener Oktoberauf-stand im November 1848 wurde er von der Reakti-on erschossen.

Im Stück nun treffen Robert Blum und Albert Lort-zing aufeinander, ebenso wie ihre AngetrautenJenny Blum und Rosine Regina Lortzing. Der Böse-wicht darf auch nicht fehlen: Der Baron Josef Alex-ander von Hübner ist nicht nur österreichischerGeneralkonsul in Leipzig, sondern auch Spitzel imDienste Metternichs. Mit Witz und doch auch vielErnst wird eine Zeit ins Bewusstsein gerückt, dieman nur aus der Literatur und Geschichtsstundenrekapitulieren kann. Hier wird alles lebendig.Bravo.Das Schillerhaustheater um Robert Uwe Laux undDietmar Schulze entwickelt sich zu einer festenGröße in der freien Leipziger Theaterszene. DieEnsemblemitglieder proben und spielen in ihrerFreizeit. Der Charme ist sehr sympathisch.

• D. M.

Blum, Frauen und Metternichs Spitzel DasEhepaarBlum(KristinFriedrichundUliLehmann )teilte nichtnur Tischund Bett,sondernauch diefreiheitlichenund fort-schrittlichenGedanken.

Foto:Schillerhaus

Foto:LN Archiv

LEIPZIGS NEUE • 15 ‘07 • 27. JULI 2007 BÜCHER • 11

Eine kleines Winzerdorf inFrankreich, ein norwegischer

Sternekoch, verschwundene Men-schen, eine hübsche Apothekerin –dies sind die Zutaten für einenüberraschenden, sinnlichen undlehrreichen Krimi. Im auf skandi-navische Kriminalliteratur speziali-sierten Verlag Stegemann erscheinterstmals eine deutsche Überset-zung des Bestsellers aus Nor-wegen, gefördert vom norwegi-schen Kulturinstitut NORLA. DerAutor Gert Nygardshaug, geboren1946 in Ostnorwegen, verwebtWeinkultur und griechischeMythologie (!) zu einem bekömm-lichen Ragout. Fredric Drum,Restaurantbesitzer aus Oslo, will inFrankreich eigentlich nur Weinprobieren und kistenweise für seineGäste ordern, schlittert aber schnellin ein mörderisches Komplott hin-ein. Ein sympathischer Gourmet,der viel Wasser trinkt und manch-mal Wein verkostet und das Herzan der richtigen Stelle hat, wenn ersich zum Beispiel über Phrenolo-gen aufregt, die zwischen Schädel-form und Intelligenz einen Zusam-menhang herstellen wollen.

• D. M.

Gert Nygardshaug: Der Honig-krug. Roman. Stegemann Verlag,Dülmen und Radebeul 2007. 224S., geb., 16,95 Euro

Wein, Weibund Mord

Über Ernesto Che Guevara sind Stapel vonBüchern geschrieben worden. Da sich sein

40. Todestag und sein 80. Geburtstag nähern,erscheinen neue. Der nie einem Personenkult hul-digende Jean Paul Sartre schrieb: „Ich halte dafür,dass dieser Mann nicht nur ein Intellektueller, son-dern der vollkommenste Mensch unserer Zeitwar.“ Über dieses Urteil mag man streiten, aberwohl eher dazu neigen, es zu akzeptieren. Der Autor kann sich nichtdarauf berufen, an Ches Seitegekämpft zu haben, er begeg-nete ihm einziges Mal. Aberer will mit dieser Biografie auch den vielen Versu-chen begegnen, ihn für diese oder jene „Seite“ zumissbrauchen. So hatte unlängst ein „neuer“ deut-scher Biograf herausgefunden: „Anders als inKuba ist Che Guevara in der DDR nie offiziellzum Mythos geworden. Solange er lebte, blieb erfür die DDR-Führung ein äußerst unsicherer Kan-didat für die Aufnahme in die Geschichtsbücher“.Solche Behauptungen werden – das erleben wirtäglich – emsig verbreitet, aber nie belegt. Als Che

sich den Freiheitskämpfern im Kongo und danachin Bolivien anschloss, orakelte man, dass er Kubaund Fidel im politischen Zorn verlassen hätte. Inbeiden Ländern operierte er glücklos und wurdeam Ende viehisch ermordet, aber am 9. Oktober2006, seinem 39. Todestag, verkündete der Präsi-dent Boliviens, Evo Morales, die Verstaatlichungder Energievorkommen des Landes mit den Wor-ten: „Den Kampf, den Che begonnen hatte, been-

den wir jetzt.“ So ist esauch verständlich, dassMenschen von Alaskabis Neuseeland noch

immer unter Fahnen gegen das Unrecht kämpfen,von denen Ches Porträt grüßt. Klaus Huhns Biografie kommt zur rechten Zeitund trägt auf dem Umschlag eine Zeile im SinneChes:1 Euro vom Erlös werden an Cuba Si gespendet.

• F. S.

Klaus Huhn; Und immer wieder: CHE. SPOT-LESS, Berlin 2007. 5,10 Euro

Landwirtschaftin Sachsenim Umbruch

Das Erscheinen des Jahresban-des 2006 der Schriftenreihe desHeimatvereins Niederfrohna seizunächst zum Anlass genom-men, auf die bisherigen Publi-kationen hinzuweisen, dennvorgelegt wurde bereits derfünfte Konferenzband zur Ge-schichte der Region in den Jah-ren 1939 bis 1960.Er enthält 22 Beiträge (die teil-weise über den gesetzten Zeit-rahmen hinausgehen) mit Über-blicken, Erlebnisberichten, Do-kumenten und Abbildungen aus20 Orten – faktenreiche Zeug-nisse von Akteuren und Betrof-fenen der Bodenreform und derGenossenschaftsbildung, darun-ter auch ehemalige Großgrund-besitzer und Republikflücht-linge. Gezeichnet wird ein le-bendiges, vielschichtiges Bildgroßer demokratischer Prozessevon historischem Rang – die siein der Tat ungeachtet eines teil-weise undifferenzierten, will-kürlichen und bürokratischenVorgehens und Verhaltens wa-ren, von Erscheinungen, die ineinigen Beiträgen stark betontwerden.Auch bestimmte Aussagen desSchlusskapitels „Ein vorläufi-ges Fazit“ (zum Beispiel: „DieBodenreform war eine Maß-nahme der SMA“) werdendurch die Berichte in ihrer Ge-samtheit nicht gestützt.Die Publikation enthält auchmehrere Nachträge zum Jahres-band 2005 (Kriegsende undNachkriegszeit in Burgstädt).

• G. L.

Wege übers Land. Bodenre-form und LPG-Gründung inder Region Borna-Rochlitz-Chemnitz-Glauchau. Miran-de Verlag Niederfrohna 2006.235 Seiten, 9,50 Euro

Der Titel deutet auf Unspektakuläres.Ein Wissenschaftler berichtet über

sein Leben. Na und ... ist man versucht zufragen. Lebensbeschreibungen sind heutein Mode. Immer mehr Leute melden sichzu Wort, die der Öffentlichkeit als Zeitzeu-gen etwas sagen möchten. Geschichte ist janicht nur die Auswertung von Dokumen-ten, sie ist vor allem das Leben des Einzel-nen, woraus die Summe der Vielen er-wächst. Und genau da wird Peter Hoff-mann interessant. Der Verfasser, ein in in-ternationalen Fachkreisen bekannter undgeschätzter Osteuropahistoriker mit demSpezialgebiet Russische Geschichte unddeutsch-russische Wissenschafts- und Kul-turbeziehungen im 18. Jahrhundert, ziehtBilanz.Schonungslos offen schaut er auf seinLeben zurück und macht keinen Hehl dar-aus, dass er in jungen Jahren den nazisti-schen Ideen verfallen war und Mitglied derWaffen-SS wurde.Der Bruch mit seiner Vergangenheit voll-zog sich im Krieg und vor allem dann imNachkrieg. Der Wendepunkt in seinemLeben war die Gründung der DDR, die erals Chance für sich ansah, und das hat

seine innere Logik. Aber seine deutlicheAbsage an die Vergangenheit hatte auchihren Preis: Es war ein bleibender Fleck inder Kaderakte. Die Karriere bis zum Pro-fessor blieb ihm in der DDR versperrt, erverblieb trotz anerkannter Leistungen imakademischen Mittelbau. Auch die SED,der er 1950 beigetreten war, stieß ihn baldwegen seiner Vergangenheit für Jahrzehntevon sich. Aber sollte er deshalb wenigerehrlich sein? Hoffmann berichtet darüberohne erkennbare Bitternis, ja fast entschul-digend. So entfaltete sich sein wissen-schaftliches Talent in der Stille. Bereits während seiner slawistischen undhistorischen Studien in Berlin geriet er inden Bannkreis des herausragenden Ge-lehrten Eduard Winter. Diesen „Stallge-ruch“ sollte er nie mehr loswerden, auchwenn er sich ab 1961 immer mehr von sei-nem Lehrer „abnabelte“. Die Winter-Schu-le begründete mit ihren Publikationen undKonferenzen einen guten Teil des hervor-ragenden Renommees, den dieser Teil derDDR-Geschichtsforschung international

besaß.Hoffmann bietet in seiner Autobiografiekeine Enthüllungen aus dem Innenlebeneiner Akademie. Er beschreibt den Alltageines bienenfleißigen Arbeiters, der vollerAkribie und Pflichtbewusstsein seine Auf-gaben erfüllt – nicht in einer Nische, son-dern als aktiver Teilnehmer am wissen-schaftlichen und gesellschaftlichen Leben.Besonders bedeutsam wurde für seine wis-senschaftliche Weltsicht das ErlebnisSowjetunion. Die Begegnung mit russi-schen Kapazitäten mündete in eine überausproduktive Zusammenarbeit. Zwei bevor-zugte Themenkreise sollen hervorgehobenwerden: seine auf gründlichen Archivstu-dien basierenden quellenkundlichen Arbei-ten (so zu Leonhard Euler) sowie seineBiografien über Peter den Großen, Alexan-der Suworow, Anton Friedrich Büschingund Gerhard Friedrich Müller. Verfolgtman seine Ausführungen über den Enste-hungsprozess dieser Werke, so wächst voruns das Bild eines Wissenschaftlers ausLeidenschaft, für den andere Lebens-

sphären weitgehend zweitrangig sind (mitAusnahme der Familie natürlich). Für Hoffmann wird die unmittelbare Wen-dezeit zu einer Zeit der Irritationen, zumaler nun Rentner ist. Alles scheint aus demRuder zu laufen. Etliche Buchtitel sindnicht mehr erschienen, die Verlage wurden„abgewickelt“. Aber mit großer Hart-näckigkeit positioniert sich Hoffmann neu.Er greift alte Projekte auf und beginnt neueArbeiten. Er lernt, wie man in der Markt-wirtschaft zu Geld kommt – nicht für sich,sondern für den Druck seiner Bücher. Seit1995 sind fünf Monografien erschienen!Peter Hoffmann rückte nicht über großeFunktionen in den Vordergrund; er meintvon sich, eher in der hinteren Reihe zu ste-hen – aber in der letzten Reihe befand undbefindet er sich gewiss nicht.

• ERHARD HEXELSCHNEIDER

Peter Hoffmann: In der hinteren Reihe.Aus dem Leben eines Osteuropa-Histo-rikers in der DDR. Nora-Verlag, Berlin2006. 328 S.,. 23,50 Euro

In der hinteren Reihe, aber nicht in der letzten ...

Nach mehreren BesuchenVenezuelas als Wahlbeob-

achter der EU hat jetzt der frühe-re DDR-Botschafter in diesemlateinamerikanischen Land,Otto Pfeiffer (1977–1981),seine in den letzten Jahrengehaltenen Vorträge undMedienbeiträge veröffentlicht.Eine Fundgrube für Interes-senten an diesem Erdteil, der inden letzten Monaten immermehr internationale Öffentlich-keit erheischt.Pfeiffers Schrift belegt, dassLateinamerika von unten her inBewegung geraten ist. Die poli-tische Entwicklung Venezuelas

seit der Wahl von Hugo Chavezzum Präsidenten im Dezember1998 zerstreute jeden Zweifeldaran, Militärs und zivile Linkekönnten nicht zusammenfinden.

Pfeiffer, der sich auch mitschwankenden Urteilen überChavez befasst, erinnert an Be-merkungen der früheren, offen-bar schlecht beratenen PDS-Vorsitzenden Gabi Zimmer, dieden heutigen Präsidenten Vene-zuelas als „Polithasardeur“ und

„falschen Freund“ Kubas verun-glimpft hatte. Spätestens seitdiesem Zeitpunkt geht PräsidentChavez bei Fidel Castro ein undaus und holt sich vom latein-

amerikanischen RevolutionärRatschläge und Hinweise.

• FRANZ-KARL-HITZE

Otto Pfeiffer: Venezuela – Ge-schichte, Gegenwart und Per-spektiven. Heft 13. Herausge-geben vom Verband für Inter-nationale Politik und Völker-recht e.V.,Wilhelmstraße 50,10117 Berlin. 82 S., 3 Euro.Zubeziehen über den Verband. E-Mail: [email protected]

Wahlbeobachterin Venezuela

Einmal mehr: CHE

Als der Vater, Straßenbahnschaff-ner aus Leidenschaft, in den

Krieg musste, bekommt der Erstge-borene die Verantwortung für VatersFahrrad. Er ölt es, putzt es, deckt esab, schützt es für den Vater, wennder heimkehrt. Die Mutter lebt ihrLeben, klammert sich daran, zerreißtimmer öfter die Dienstbefehle vomJungvolk und kann ihren Sohn dochnicht vor dieser Horde schützen. DieBriefe von der Front werden immerverzweifelter. Schließlich gilt derVater als vermisst – und steht eines

Tages lange nach Kriegsende dochvor der Tür. Monatelang bleibt erstumm, tatenlos, antriebslos. Panitz’ Erinnerungen an seinen Vaterschildern zugleich die eigene Suche,sich in den dramatischen Zeitenzurechtzufinden. 1978 schrieb er dieGeschichte dieser DDR-Gründerge-neration fern der Heimat auf – wäh-rend eines Studienaufenthaltes imMittleren Westen der USA. 1980verfilmte sie Celino Bleiweiß. Nichts

Neues also für den Leser. Und dochlohnt sich das Wiederlesen. EigeneErinnerungen und Erfahrungen ver-mischen sich mit denen von Panitz,der mit seinem Vater, der außer imKrieg nie aus Dresden herauskam,ausgerechnet in der Berliner S-BahnZwiesprache hält. • MX

Eberhard Panitz: Meines VatersStraßenbahn. Mit einem aktuellenVorwort. Verlag Wiljo Heinen.Böklund 2006. 186 S., 10 Euro

Lohnende Neuauflage

LEIPZIGS NEUE • 15 ‘07 • 27. JULI 200712 • GESCHICHTE

KALENDERBLATT

Die Kloßstraße – der Name wurde 1965 imNeubaugebiet Großzschocher vergeben – isteine der ganz wenigen Straßen, die auchheute noch einen Leipziger Antifaschistenehren, der die Befreiung erlebt hat und zuden Aktivisten der ersten Stunde gehörte.Paul Kloß wurde am 8. August 1892 in derSeumestraße 48 in Knautkleeberg geboren.Hier besuchte er die Volksschule und er-lernte das Tischlerhandwerk. Bereits 1907wurde er, 15-jährig, Mitglied der sozialisti-schen Arbeiterjugend, 1910 Mitglied derSPD und 1911 des Holzarbeiterverbandes.Er war ein begeisterter Sportler und die Mit-glieder seines Vereins im Stadtteil Südwestwählten ihn schon in jungen Jahren zumVorsitzenden.Den Ersten Weltkrieg durchlebte er alsFrontsoldat. Er geriet in Kriegsgefangen-schaft und kehrte im Januar 1919 nach Leip-zig zurück. Hier fand er bis 1921 Arbeit beider ATG und seine Kollegen wählten ihnzum Betriebsratsvorsitzenden. Zugleich warer an der Gründung des Ortsvereins Knaut-kleeberg der KPD beteiligt, deren ersterpolitischer Leiter er wurde.Dieser Ortsverband, zu dem auch Knaut-naundorf und Hartmannsdorf gehörten,umfasste bis 1933 ständig 40 bis 45 Mitglie-der. Außerdem führte er gleichzeitig dieKPD im Gebiet Zwenkau und Pegau alspolitischer Leiter.Während der Kämpfe in Mitteldeutschland imMärz 1921 wurde Paul Kloß schwer verwun-

det und nach der Niederlage der Arbeiter insGefängniskrankenhaus Naumburg eingewie-sen. Nach seiner Entlassung aus dem Gefäng-nis noch im selben Jahr begann er wieder mitseiner politischen Tätigkeit. Noch währendseiner Haft war er als Vorsitzender des Arbei-ter-Turn-und-Sportvereins Knautkleeberggewählt worden. Wichtiger war jedoch seineWahl als Gemeindevertreter der KPD undstellvertretender Bürgermeister seiner

Gemeinde. 1929 wurde Paul Kloß zum Lan-dessekretär für das Land Sachsen der „Interes-sengemeinschaft zur Wiederherstellung derEinheit im Arbeitersport“ berufen, aus demEnde 1930 die „Kampfgemeinschaft für RoteSporteinheiten“ hervorging.1933 wurde Paul Kloß als erster aus Knaut-kleeberg in „Schutzhaft“ genommen. Als erwieder frei kam, das Datum war nicht zuermitteln, hatte er weiße Haare. Im Herbst 1934 erneut verhaftet, erhielt erfünf Jahre Zuchthaus, die er in Waldheimverbüßte. Bei den Verhören vor dem Prozesswurden ihm die Zähne ausgeschlagen. ImAugust 1939 aus dem Zuchthaus entlassen,nahm er erneut Kontakt zu seinen Kampfge-nossen auf. Sein Haus in Knautkleebergwurde zum illegalen Treff mit Bruno Plache,Arthur Hoffmann und anderen Mitgliedernder späteren Schumann-Gruppe. Wie durch

ein Wunder entkam er der Verhaftungswelleim Juli 1944. Er gehörte nun zu jenenGenossen, die die Arbeit des NKfD fortsetz-ten, Verbindungen zu Kriegsgefangenen undZwangsarbeitern aufnahmen und schließlichim April 1945 dafür sorgten, dass Leipzigfast ohne Verteidigung von den Amerikanerneingenommen werden konnte. Nach der Befreiung wurde Paul Kloß Stadt-rat für Sozialwesen. Zu seinem Aufgabenge-biet gehörten: Wohlfahrt, Jugend, Betreuungder Opfer des Faschismus, Umsiedler- undRückkehrer und Eingliederung der Arbeits-losen in den Arbeitsprozess. Das war unterden Bedingungen des Jahres 1945 einegigantische Arbeit. 1946 wurde er als Mini-sterialrat für Sozialwesen in die sächsischeLandesregierung berufen. Doch er war,inzwischen 54-jährig, mit seinen Kräften amEnde. Schon nach einigen Monaten zwan-gen ihn Krankheiten zur Aufgabe dieserFunktion.Kaum einigermaßen genesen, begann er1947 eine Tätigkeit als Abteilungsleiter fürWohnungs- und Sozialwesen im Leunawerkund wurde 1948 zum Kulturdirektor desWerkes ernannt. Am 1. Oktober 1948 wurdeer Mitglied des ersten deutschen Sportaus-schusses.Ein schweres Herzleiden zwang ihn alleseine Funktionen niederzulegen. Er verstarbam 11. Februar 1950. Seine letzte Ruhestät-te fand er im Ehrenhain auf dem Südfried-hof. • DIETER KÜRSCHNER

Kloßstraße

Vor 30 Jahren gestorben

Sepp SchwabSepp Schwab, vor allem be-kannt geworden als Journalist,Kultur- und Außenpolitiker derDDR, wurde am 16. Januar1897 in München geboren.Nach kaufmännischer Lehreund Mitgliedschaft in der Sozia-listischen Arbeiterjugend, trat er1917 der USPD bei und gehörtewährend der Novemberrevoluti-on 1918 dem Münchner Arbeiter-und Soldatenrat an. Vom linkenFlügel der USPD führte ihn seinWeg zur KPD, der er von Anbe-ginn angehörte. Während derBayrischen Räterepublik leiteteer das militärische Eisenbahnwe-sen, wofür er nach der Niederla-ge der Räterepublik (sie unterlagnach erbittertem Widerstand dermörderischen Konterrevolutionam 4. Mai 1919) im November1919 verhaftet und zu vier JahrenFestung verurteilt wurde. NachHaftende kam er in die „Schutz-haft“, aus der er erst im Oktober1924 entlassen wurde. Im Febru-ar 1925 erneut verhaftet, verur-teilte ihn der Staatsgerichtshof inLeipzig zu einem Jahr und neunMonaten GefängnisDerartig durch die Erfahrungenmit der Justiz der Weimarer Re-publik gestählt, übte Schwabnach seiner Freilassung ver-schiedene Funktionen im Pres-sewesen der KPD aus, so vorallem als Redakteur bzw. Chef-redakteur von KPD-Zeitungenin Bayern. Um jedoch einerweiteren Verhaftung zu entge-hen, emigrierte er auf Beschlussdes ZK der KPD 1930 in dieSowjetunion. Hier war er zu-nächst Mitarbeiter des Bürosder Kommunistischen Interna-tionale, Lektor bei der deut-schen Gruppe an der Internatio-nalen Leninschule in Moskauund ab April 1937 bis Herbst1945 Leiter der deutschen Re-daktion des Moskauer Rund-funks. Durch seine Tätigkeit alsRundfunkjournalist, die in dasWirken deutscher Antifaschi-sten während ihrer Emigrationeingebunden war, trug er we-sentlich dazu bei, den antifa-schistischen Widerstand inDeutschland zu unterstützen.Ende 1945 kehrte Schwab nachDeutschland zurück. Er wurdeChefredakteur der Zeitschrift„Neuer Weg“ und von April bisAugust 1946 Chefredakteur des„Neuen Deutschland“, danachihr stellvertretender Chefredak-teur und Chef vom Dienst. AbJuni 1949 änderte sich sein Auf-gabengebiet. Er wurde General-direktor der DEFA und ab August1952 Vorsitzender des „Staatli-chen Komitees für Filmwesen“.Doch bereits ein Jahr spätererfolgte seine Ernennung zumBotschafter der DDR in Ungarn.Danach war er von 1956 bis 1963stellvertretender Minister für aus-wärtige Angelegenheiten derDDR. Am 30. Juli 1977 verstarbSepp Schwab in Berlin.

• K. SCHN.

Im Juni und Juli 1917 war esauf mehreren deutschenKriegsschiffen vor allem

wegen schlechter Verpflegungund ungerechtfertigter Bestra-fungen zu nachhaltigen Empö-rungen unter den Matrosengekommen. Die Situation spitz-te sich zu, als der 1. Offizier desSchlachtschiffes „PrinzregentLuitpold“ der Freiwache denLandurlaub verweigerte unddafür einen militärischen Aus-marsch ansetzte. Aus Protestgegen diese Schikane gingen am2. August sechshundert Matro-sen geschlossen von Bord undführten in einem Lokal eine Ver-sammlung durch, auf der AlbinKöbis als Mitglied der Flotten-zentrale sprach. Er wandte sichgegen den Entzug militärge-setzlicher Rechte und trat fürMenagekommissionen ein, dieein Schritt zur „Bildung vonMatrosenräten nach russischemMuster“ sein sollten. Damit droh-te dieser aufständische Protest derMatrosen zu einer revolutionärenBewegung unüberschaubarenAusmaßes zu werden.Das Flottenkommando geriet inhelle Aufregung. Eine großeVerhaftungsaktion setzte ein,begleitet von einem rigorosenUntersuchungsverfahren. DieMatrosen Albin Köbis und MaxReichpietsch wurden zum Todeverurteilt und am 5. September1917 auf dem Schießplatz Wahnbei Köln erschossen. Die Todes-urteile gegen die Matrosen We-ber, Beckers und Sachse wurdenvom Admiral Scheer, Chef derHochseestreitkräfte, in Zucht-hausstrafen von je fünfzehn Jah-ren umgewandelt. Gegen dieanderen etwa 50 angeklagtenMatrosen wurde eine Strafe von

über vierhundert Jahren Zucht-haus verhängt.Lenin, der den Aufstand in derdeutschen Kriegsflotte als daswichtigste revolutionäre Ereig-nis im Sommer 1917 wertete,schrieb dazu: „Die revolu-tionären Matrosen der deutschenFlotte, die von vornherein wuss-ten, dass ihr Versuch zum Schei-tern verurteilt war, gingen hel-denmütig in den sicheren Tod,nur um durch ihren Tod den imVolke noch schlummerndenGeist des Aufruhrs zu wecken.“Mit dem Flugblatt „Folgt ihrem

Beispiel!“ würdigte die Spar-takusgruppe das Handeln derrevolutionären Matrosen vonWilhelmshaven und veröffent-lichte einen Brief eines zuZuchthaus Verurteilten.Als am 9. August eine Bespre-chung zwischen dem Staatsse-kretär des Reichsmarineamtsvon Capelle und Friedrich Ebert(SPD) über die Unruhen in derFlotte stattfand, vermerkte dieNiederschrift zu Eberts Aus-führungen, „dass seine Partei(die sozialdemokratische Frakti-on im Reichstag) die Angele-

genheit auf das äußerste verur-teile“. Ebert habe die Aktionender Matrosen als „krassen Lan-desverrat“ bezeichnet und in den„schärfsten Ausdrücken verur-teilt“. Und weiter hieß es: „ZurVorbereitung der Gegenwirkungdurch die rechtsstehende sozial-demokratische Presse ... werdeer ein geheimes Rundschreibenan die sämtlichen Chefredakteu-re der rechtsstehenden sozialde-mokratischen Zeitungen veran-lassen, damit sie aufs schroffstegegen das Vorgekommene Stel-lung nehmen.“ Nach wie vorgelte, „dass die Regierung festauf seine Partei rechnen kann“.„Ganz geheim“ wurde derReichskanzler am 16. Oktober1917 davon unterrichtet, dasstrotz der im August erfolgten„Bestrafung von Rädelsführernunter den Matrosen und Heizernneue schwere Vergehungen inder gleichen Richtung zutagegetreten“ sind. Das Bedrohlich-ste sei, dass die „unruhig gewor-denen Marineangehörigen aufein ,Zeichen aus Berlin‘ warten,auf das hin die kriegerischeTätigkeit eingestellt und derGehorsam allgemein verweigertwerden würde“.Es zeigte sich, dass die SPD un-ter Führung von Friedrich Ebertnicht in der Lage war, die an-wachsende Bewegung zur revo-lutionären Beendigung des Krie-ges wirkungsvoll zu unterdrü-cken. Das Zepter des Handelnslag zunehmend in den Händender Spartakusgruppe und derLinken in der USPD. Vorbotender kommenden Novemberrevo-lution 1918 zeichneten sich ampolitischen Horizont ab.

• KURT SCHNEIDER

Was sich hinter LEIPZIGER STRASSENNAMEN verbirgt (51)

Vor 90 Jahren Köbis und Reichpietsch hingerichtet

Aufstand in der deutschen Kriegsflotte

Aber die Regierung konnte fest auf Eberts SPD rechnen

Matrosen des Linienschiffes „Prinzregent Luitpold“, 1917. Hin-ten mitte: Albin Köbis

LEIPZIGS NEUE • 15 ‘07 • 27. JULI 2007 SPORT / ANZEIGE • 13

Wieder begann der Morgen mit frischem Do-ping-Horror und der Abend stellte den Mor-gen in den Schatten. Es langweilt Sie mit der

Zeit? Mich aber erst! Nur: In unserer Gesellschaft, in dersich niemand von Bild überrundet sehen möchte, prägendiese Storys unseren Tag. Wenn Sie die Zeilen, die ichjetzt schreibe, gedruckt lesen, sind neue Tage vergan-gen, die garantiert neuen Horror bescherten. Wohlge-merkt: Im Sport, den man einst mit Spannung verfolgte,weil man wissen wollte, wer gewonnen hatte. Hier also die inzwischen vielleicht schon angestaubtenSkandalgeschichten und was ich davon halte. AmAbend des 18. Juli hatte ein ARD-Sportreporter mitAmtmann-Wichtig-Miene dem Publikum verkündet,dass man die Übertragungen einstellen werde und dassdieser Schritt ein Kapitel Tour-de-France-Geschichtemarkiere. Keine Stunde später erschien der Chef desZDF auf dem Schirm, behauptete das gleiche, tat so, alsgäbe er den Hamlet und verkünde demzufolge hiermit,dass damit die Fernseh-Welt aus den Angeln geraten sei.Und das alles, weil ein Dopinglabor mitgeteilt hatte,man sei bei Patrick Sinkewitz auf eine positive Probegestoßen. Der Radler aus Fulda liest gerne Krimis. Nunist er über Nacht selbst zum Krimistar geworden. SeinPech: Niemand macht sich die Mühe, die schon Sher-lock Holmes aufgebracht hatte, den Fall aufzuklären. Ich schreibe das, obwohl ich jetzt gar nicht wissen kann,was bei der B-Probe herauskommen wird. Ich beganndamit, die Tatzeit zu erforschen, und wurde sofort stut-zig. Niemandem schien aufgefallen zu sein, dass dieuntersuchte Probe vom 8. Juni stammte, also sage undschreibe 29 Tage vor dem Auftakt der diesjährigen Tourde France abgepinkelt worden war, ganz zu schweigendavon, dass der Kontrollierte auf dem Begleitzettel Un-regelmäßigkeiten bei der Urinabnahme moniert hatte.Auch in der Dopingjustiz gilt: Solange nicht jemandrestlos überführt ist, gilt er als unschuldig. Aber vor allem gilt – und das sei den Fernsehbossen

mitgeteilt: Mit der Tour de France hatte dieser Doping-fall nicht das Geringste zu tun. Und: Niemand kann er-klären, wieso eine Dopingkontrolle einen Monat dauert. Keiner soll mir erzählen, das sei nun mal so. Ich war inmeinem Leben bei zahllosen Dopingkontrollen dabei.Auch bei der zum Beispiel, die 1988 in Seoul nach BenJohnsons 100-m-Fabelweltrekord vorgenommen wurdeund die – wie sich vielleicht der eine oder andere nocherinnert – damit endete, dass der Kanadier seine Gold-medaille zurückgeben musste. 26 Stunden nach demLauf hielt der belgische Präsident der IOC-Doping-Kommission, Prinz de Merode, das positive Ergebnis inHänden. Er schrieb damals – also vor 19 Jahren – aufder Stelle der kanadischen Mannschaft einen Brief, der

28 Stunden nach dem Lauf – nachts 1.45 Uhr – imMannschaftsbüro eintraf. Damit war der Fall erledigt. Und nun, in einer Zeit also, da alle Welt inklusive vielerBundestagsabgeordneter, Minister, Funktionäre undÄrzte versichert, dem Doping den gnadenlosen Kampfangesagt zu haben, braucht man 28 Tage – mathema-tisch ausgedrückt 24 mal so lange –, um das Resultateiner Kontrolle mitzuteilen? Da wäre auch SherlockHolmes stutzig geworden. Oder: Als ich diese Zeilen schrieb, trug der Däne Ras-mussen das Gelbe Trikot. Am 20. Juli schien er es los zusein, denn die Welt erfuhr, dass ihn der dänische Rad-sportverband bereits am 21. Juni wegen drei versäumterDopingkontrollen aus dem Verband ausgeschlossen hat-te. Jede halbwegs flugtüchtige Brieftaube der Welt hätteden Weg von Kopenhagen nach Paris, dem Sitz derTour-de-France-Direktion, in fünf Tagen zurückgelegt,wäre also am 26. Juni auf dem Tour-Schreibtisch gelan-det und hätte den Zettel abgeliefert, auf dem stand: Ras-mussen ausgeschlossen! Aber die Dänen schickten we-der eine Brieftaube, noch schickten sie eine E-mail odergriffen zum Telefon. Nein sie müssen eine Schnecke aufden Weg geschickt haben, die am 20. Juli anlangte. Undals die Tour-Direktion endlich erfahren hatte, dass Ras-mussen gegen die Regel verstoßen hatte, ständig denDopingkontrolleuren seinen Aufenthaltsort zu melden,entschied man: Der Mann darf weiterfahren! Rasmus-

sen radelte denn auch gleich nach dem Start zum Wagendes Tour-Chefs Prudhomme und reichte ihm durchsoffene Fenster zum Dank die Hand. Und Prudhomme konnte sich darauf berufen, einen trif-tigen Grund für seine Entscheidung zu haben: Rasmus-sen war am 17. Juli – also während der Tour – bei denDopingkontrolleuren erschienen und die hatten am 19.Juli mitgeteilt, dass die Kontrolle negativ ausgefallen sei. Selbst Sherlock Holmes wäre einmal mehr stutzig ge-worden und hätte garantiert seinen Adlatus Dr. Watsonlosgeschickt, um herauszufinden, wie das Labor dieKontrolle in 48 Stunden geschafft hatte, wo man dochim Fall Sinkewitz einen Monat gebraucht hatte. Ichschwöre: Watson wäre wiedergekommen und hätte

keine Antwort geben können.Denn niemand kann da mehr Antworten geben. Moment: Vielleicht die Fernsehdirektoren, deren GehaltSie und du und ich bezahlen? – Wenn schon von Gelddie Rede ist, hätte ich sie allerdings als erstes gefragt,warum ich zwei Fernsehmannschaften finanzierenmuss, die sich alle 24 Stunden einen Ruhetag leisten.Und hätte jemand zurückgefragt, wie man diese Fragedenn sonst lösen soll, hätte ich vielleicht geantwortet:Jährlich und nicht täglich abwechseln! Und dann hätteich den Fernsehchefs noch die Frankfurter Rundschauzu lesen gegeben: „ARD und ZDF sind ja auch nicht ausder Berichterstattung über die deutsche Politik ausge-stiegen, als sich im Flick-Spendenskandal enthüllte, wiedie Parteien zu Geld gekommen sind.“Da ich wenig mit den Fernseh-Chefs am Hut habe, son-dern mich um die Leser von LN kümmere, will ichdenen noch mitteilen, dass Doping für Nichtrennfahrerdie Pharmakonzerne zu Milliardären macht. Allein derUmsatz des Dopingmittels Epo erreichte bei dem in die-ser Branche führenden Unternehmen einen Jahresum-satz von 6,6 Milliarden Dollar, weltweit sind es 11,8Milliarden Dollar. In Zahlen: 11.800.000.000 Dollar.Wo diese Menge bleibt? Die kleinste in Kliniken undKrankenhäusern, die größte bei denen, die sich den An-forderungen ihrer Bosse nicht mehr gewachsen fühlenund deshalb „nachhelfen“ wollen.

Sportkolumne

Und immer wieder: Doping

VonKLAUS

HUHN

LEIPZIGS NEUE • 15 ‘07 • 27. JULI 200714 • POST

In seiner Rede auf dem Gründungsparteitagder Linken am 16. Juni 2007 nannte OskarLafontaine drei ,,Leitfiguren der deutschenArbeiterbewegung“: Rosa Luxemburg, KarlLiebknecht und Willy Brandt. Er zitierte desletzteren berühmte Forderung: „Von deut-schem Boden darf kein neuer Krieg ausge-hen!“ Nicht jeder Linke sieht Brandt in einerReihe mit Luxemburg und Liebknecht, undder zitierte Satz war bekanntlich Staatsdok-trin der DDR bis zu ihrem Ende, aber be-stimmte Prinzipien der AußenpolitikBrandts sind es wert, aus der Sicht der Ge-genwart geprüft zu werden. Anlass dafürkann der 20. Jahrestag des ,,Dialog-Papiers“als gemeinsames Dokument von SPD undSED sein, das Ende August 1987 das Lichtder Welt erblickte.Die Veröffentlichung galt damals zu Rechtals politische Sensation. Formuliert war derErkenntnisstand in der Friedensfrage, denSPD und SED sich gegenseitig zumutenkonnten. Wir lesen u.a.:„Unsere weltgeschichtlich neue Situationbesteht darin, daß die Menschheit nur nochgemeinsam überleben oder gemeinsamuntergehen kann. Eine solche Alternative isthistorisch ohne Beispiel. Sie verlangt einpolitisches Denken, das historisch ebenfallsohne Beispiel ist, ein neues Herangehen andie internationalen Angelegenheiten, beson-ders an die Sicherung des Friedens. DerKrieg darf im Nuklearzeitalter kein Mittelder Politik mehr sein. Zwischen atomar ge-

rüsteten Bündnissen wäre er das Ende jed-weder Politik, die Zerstörung aller Zwecke.Friedenssicherung ist zur Grundvorausset-zung aller verantwortlichen Politik gewor-den. ... Friede und Sicherheit im Nuklearzeitalterkönnen nicht mit immer mehr und perfekte-ren militärischen Mitteln, sondern dauerhaftallein durch politisches Handeln erreichtwerden. Nicht die Qualität der Waffen, son-dern die Qualität der Politik entscheidetüber Sicherheit und Stabilität in der Welt.“Wenn das ,,Dialog-Papier“ dem Imperialis-mus Friedens - und Reformfähigkeit zubil-ligte, wurden sicherlich Illusionen verbrei-tet, aber die Wirkung des Papiers war unü-bersehbar, u. a. im (noch gültigen) SPD-Pro-gramm vom 21. Dezember 1989 und in derPolitik der DDR, die bis zu ihrem Ende alsFriedensfaktor wirkte. Erst der „Beitritt“ derDDR änderte die Lage grundlegend.Zwanzig Jahre nach dem „Dialog- Papier“ist zu fragen: Was aus den Erkenntnissen istin erfolgreiche Politik umgesetzt worden?Was wäre heute überholt und korrekturbe-dürftig? Was müsste entsprechend der ver-änderten Situation ergänzt werden? Wiegeht die Linke, heute in Deutschland Oppo-sition, mit den damaligen Erkenntnissen um,und wie die SPD, jetzt in der Regierungsko-alition mit der CDU? Deutschland ist wieder kriegführendesLand. Die erste Kriegsteilnahme seit 1945erfolgte unter einer rot-grünen Regierung.

Die Schröder, Scharping und Fischer sindim Sinne des Völkerrechts, der Menschen-rechtskonventionen, des Grundgesetzes unddes 2+4 Vertrages schuldig geworden. WennStruck die Verteidigung Deutschlands anden Hindukusch verlegt, werden das Völ-kerrecht und das Grundgesetz öffentlich ver-letzt, ohne dass es juristische Konsequenzengibt. Für solche Politiker ist das „Dialog-Papier" eine Gefahr.Was ist zu tun? Die Linke müsste ihren Platzals antimilitaristische Partei auch im Selbst-interesse ausbauen, indem sie eine komple-xe und langfristige Strategie in der Sicher-heitspolitik erarbeitet und vom Parteivor-stand bis zu jeder Basisorganisation undjeder Parlamentsfraktion praktiziert, die- durch die Kooperation mit Friedensfor-schern theoretischen Vorlauf schaffen hilft,- die jeweiligen politischen Schwerpunktesetzt, die breite friedenspolitische Bündnisseermöglicht und Aktivitäten auslöst,- die Mitglieder und Sympathisanten mit denArgumenten ausrüstet, die die Unterstüt-zung des Friedenskampfes fördern;- die Bundestagsfraktion verpflichtet, stän-dig und offensiv Hauptaspekte der Ausein-andersetzung Krieg – Frieden zu erörtern(Rüstungs-, Sozial-, Bildungspolitik usw.);- die Basisorganisationen ermutigt, eigeneAktivitäten entsprechend ihren örtlichenBedingungen und Möglichkeiten zu organi-sieren.

HORST SCHNEIDER, DRESDEN

WIR MUSSTEN UNTER-WEGS ETWAS TUN, was wirsonst nie tun: Autos anhaltenund trampen. Alles nur, um nichtzu spät zu kommen. Ja, zumgroßen Würfelspiel um denneuen Ortsnamen. Für alle, dienicht die Details kennen: Lau-scha ist 410 Jahre alt, Steinach488 Jahre. Jetzt wurden die bei-den Städte „vereinigt“, hattensich aber nicht auf den Nameneinigen können und deshalbmachte man ein Spektakel dar-aus: Es wurde um den Namengewürfelt. Jemand schnitzteeinen riesigen Würfel, irgendeinhübsches Mädchen wurde als„Würfelprinzessin“ eingesetztund rollte den Würfel auf einenkünstlichen Teppich. Resultat:

Steinach-Lauscha steht künftigauf den Landkarten! Wir kamen jedoch bald dahinter,dass es ist nicht der pure Spaßwar, den wir da miterlebt hatten.Es ging zum Beispiel darum,dass beide Städte jämmerlichverschuldet sind: In Lauschasind es 8,8 Millionen Euro, inSteinach 2,2 Millionen. Undnun? Erstmal wird natürlich dasPersonal reduziert und dadurchjährlich 150 000 Euro einge-spart. Dann kommt die „Prä-mie“ dazu, die der FreistaatThüringen allen Städten zahlt,die sich zusammentun: 100 Europro Einwohner. Das machtsumma summarum 848.200Euro. Dann stand da noch eine„Überbrückungshilfe“ auf der

Schuldenliste: 740 000 Euro, diean Lauscha gezahlt wordenwaren, als es pleite war. Unddann rechnet man noch mit einerMillion, die als „Entschädi-gung“ für eine unsanierte Kreis-mülldeponie gefordert wird.Denn die stammt noch von derDDR und demzufolge...Übrigens: Wer im Internet etwasüber die Geschichte von Stein-ach erfahren will, erfährt überdie DDR-Zeit fast nur, wann dieersten „Montagsdemos“ statt-fanden. Ob damals schon für die„Vereinigung“ demonstriertworden war, wird nicht verraten.IN ARNSTADT WURDENICHT GEWÜRFELT, aberzwei Gymnasien „vereinigt“,natürlich auch nicht ganz frei-

willig, aber den Ausdruck„Zwangsvereinigung“ darf mandennoch nicht verwenden, denn– so meldete das Lokalblatt: „Esist ein politischer Wille, nichtjener von Schülern und Lehrernbeider Gymnasien.“ Der Land-rat war selbst ins Neideck-Gym-nasium gekommen, um die Ver-einigung mit dem Herder-Gym-nasium zu „begründen“. Umnicht den Eindruck entstehen zulassen, es handele sich um eineAusnahmesituation seien zweiZahlen genannt: Im Schulamts-bereich Saalfeld/Rudolstadtreduzierte sich die Zahl derSchulen von 149 auf 90. – Dasschreibt einer, der mal in Saal-feld das Gymnasium besuchteund Mühe hat sich vorzustellen,

wie es um seine ein-stige Schule heutewohl steht. Das ein-zige, was er weiß:der DDR oder derSED oder der

„Stasi“ oder dem Kulturbundoder dem Staatsrat ist diesesSchulschrumpfen nicht anzula-sten.IN ZELLA-MEHLIS HABENDIE NEONAZIS einen neuenTrick vorgeführt: Sie vermum-men sich nicht mehr, sondernsetzen Clownsmasken auf. Den-noch scheiterten sie bei demVersuch, eine Kundgebung mitdem Motto „...den Wald vor lau-ter Bäumen nicht? Nazistruktu-ren abholzen, den rechten Kon-sens brechen“ zu stören oder garzu verhindern. Ich finde, jedesolche Demo ist das Aufschrei-ben wert!

• KLAUS HUHN

Überall Zwangsvereinigungen Wanderungendurch Neufünfland

Meine erste FilmerinnerungDie Filmschau in LN 14 ‘07 war wieder sehrspannend für mich. Meine erste Kinofilmerin-nerung – ich war 5 – geht auf den „Skander-beg-Ritter der Berge“-Film zurück. Meinegestrenge Tante Liesbeth war Platzanweiserinim heute nicht mehr vorhandenen LößnigerKino „Am Stern“ und hatte mich im Dunkelnreingeschmuggelt, da der Film erst ab 6 warund sie war dafür bei Kindern gefürchtet, weilsie es mit der Altersangabe sonst sehr genaunahm. Gespielt wurde eben dieser Film und ichwar von der Handlung etwas verwirrt undnervte meine Tante, die mir viel erklären mus-ste. Dieser Film ist mir bis heute in Erinenrunggeblieben, begann damit doch meine Kinolei-denschaft.

JUTTA DONAT, LEIPZIG

Zwei GesichterMasurs

Mitte Juni veröffentlichten KurtMasur und Christian Führer einen„Ruf aus Leipzig“, in dem es darumging, die (langsam verblassende?)Erinnerung an die Montagsdemos inLeipzig wieder stärker ins Bewusst-sein zu bringen.Bekanntlich war Masur – nebeneinem Kabarettisten, einem Theolo-gen und drei SED-Sekretären! – Mit-unterzeichner eines Aufrufs, der vorder großen Demonstration am 9.Oktober 1989 zur Gewaltlosigkeitaufrief. Diese Demonstration habe,so Kurt Masur heute, „der kommuni-stischen Diktatur in Ostdeutschlandnach 40 Jahren ein Ende bereitet“(siehe LN 14’07, Seite 2).Nun ist Kurt Masur zweifelsohne einbegnadeter und weltbekannter Musi-ker, dessen künstlerische Entwick-lung – das sollte aber betont werden– sehr eng mit der DDR (vor allemseit 1970 mit seiner Tätigkeit amLeipziger Gewandhaus) verbundenist. Es ist niemals etwas bekanntgeworden, dass es während der„zweiten deutschen Diktatur“ zuernsthaften Konflikten mit derObrigkeit der DDR gekommen ist.Er hatte sogar von der ersten Pla-nung bis zur Einweihung des NeuenGewandhauses stets ein gewichtigesWort mitzusprechen. Er weilte, waszweifelsohne seinen internationalenBekanntheitsgrad erhöhte, mit sei-nem Orchester oft im westlichenAusland. wenngleich die Tatsache,dass er damit das Ansehen der DDRim Ausland erhöhen und wertvolleDevisen einspielen sollte, nicht über-sehen werden darf.Warum dann heute so ein hartes Ver-dammungsurteil über diesen Staat?Wenig bekannt ist, dass er 1972 infol-ge Übermüdung einen Verkehrsunfallverursachte, der seiner damaligenFrau und zwei weiteren Menschen dasLeben kostete. Dafür wurde er nie-mals belangt und darüber erfuhr zuDDR-Zeiten die Öffentlichkeit keinWort – ein durchaus unübliches Ver-fahren. Aber man wollte wohl seineninternationalen Ruf nicht beschädi-gen.

CLAUS R. UHLRICH, LEIPZIG

Das ,,Dialog-Papier“ ist 20 Jahre alt und immer noch aktuell

SED und SPD dem Frieden verpflichtet

Aufsehenerregend war/ist er schon,der Übertritt des sächsischen SPD-

Funktionärs Leo Stefan Schmitt zurPartei DIE LINKE. Allerdings scheintmir dieser Wechsel kennzeichnend zusein für die Situation der SPD in denalten Bundesländern, wenn der Saarlän-der auch bereits sieben Jahre Fraktions-geschäftsführer seiner Partei im sächsi-schen Landtag ist. Offenbar beeindruck-ten ihn die Wahlerfolge der Linkensowohl in Sachsen (23,6 %) als auch imSaarland (9,8 %) ebenso wie das unbe-irrte Engagement für soziale Gerechtig-keit und die praktizierte Friedenspolitik,nannte er doch als letzten Anlass für sei-nen Übertritt die Verantwortung derSPD für Hartz IV wie auch ihre Haltungzur Rente mit 67 und zum Afghanista-

neinsatz der Bundeswehr.Kürzlich wurde auch bekannt, dasssechzig Betriebsräte und Gewerk-schaftsfunktionäre der Linkspartei bei-getreten sind. Sie forderten „alle nochzögernden Kolleginnen und Kollegen“auf, es ihnen unter dem Motto „Jetztgeht es los!“ gleich zu tun. Die neuelinke Partei, so war zu vernehmen, seidie einzige Kraft, die für einen gesetzli-chen Mindestlohn von acht Euro dieStunde eintrete.Insgesamt konnte die DIE LINKE seitihrem Gründungsparteitag am 6. Junischon deutlich mehr als 3000 neue Mit-glieder aufnehmen. Was Freude bereitet.

HERMANN GERATHEWOHL, LEIPZIG

Was Freude bereitet

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Die Schwachen kämpfen nicht,die Starken kämpfen vielleicht eine Stunde.Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre.Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang, diese sind unentbehrlich

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Deine Genossinnen und Genossenvom Ortsverband Schönefeld Die Linke danken Dir,

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Mein Doping waren die Massen.Täve Schur, ND 7./ 8. 7

Rudolstadt – ein Bürgermeister,der in seiner Eröffnungsrede(zum Tanz und Folkfest) 20-malden Hauptsponsor, eine Schwarz-bierbrauerei, erwähnt. 19-malhätte doch gereicht.

DLF 8.7.

Im deutschen Telefonmarkt gibtes immer mehr Wegelagerer, dieihre Opfer bereits in der Warte-schleife fangen.

NDR 9. 7.

Die DDR ist wahrscheinlich dasaus der Luft meistfotografierteGebiet der Welt – durch amerika-nische Spionageflugzeuge wäh-rend des Kalten Krieges.

Arte 11. 7.

Korruption in Sachsen – ganzeinfach bei den „Machern“ denWohnort von 1988 nennen. Na,das wäre lustig, wenn jedersehen würde, wessen SpielwieseSachsen eigentlich ist.

LVZ 12. 7.

In Teilen Bayerns haben durchdie „Schafskälte“ in diesem Jahr80 Prozent der Jungstörche nichtüberlebt.

Bayrisches Fernsehen 12. 7.

Österreich hat jahrzehntelangNaziverbrecher nicht verfolgt.Erst jetzt, nach über 60 Jahren,wird nach zwei von ihnengefahndet. Sie befinden sicheventuell im Ausland oder sindlängst gestorben.

3sat 13. 7.

Pakistan besitzt 100 Atombom-ben.

DLF 15. 7.

In Frankreich ist PhilosophieSchulfach.

DLF 16. 7.

Im BRD - Gesundheitswesen hatsich ein Markt an IGEL-Leistun-gen im Umfang von einer Milliar-de Euro etabliert. IGEL = Inividu-elle Gesundheitsleistungen, dievon den Kassen nicht bezahltwerden.

Die katholische Kirche in denUSA zahlt insgesamt rund zweiMilliarden Dollar an Opfer sexu-ellen Mißbrauchs durch katholi-sche Geistliche oder Bedienste-te. Die Kirchenführung hat sichdamit von einem Prozess freige-kauft.

beides 3sat 16. 7.

ENTDECKT VONMANFRED ERBE

Herausgeber: Projekt Linke Zeitung e.V.,V. i. S. P.: Rahel Springer

Redaktion: Braustraße 15, 04107 Leipzig,Tel./Fax: 0341 / 21 32 345E-Mail: [email protected]: www.leipzigs-neue.deEinzelpreis: 1,30 Euro, im Abonnement halb-jährlich (für 13 Ausgaben): 13 Euro

Vertrieb, Abonnement, Abrechnung,Anzeigen, Werbung:Ralf Fiebelkorn, Büro- und Verlagsservice,Gärtnerstraße 113, 04209 Leipzig.Tel./Fax Redaktion: 0341 / 21 32 345

Druck: Rollenoffset-Kiel GmbH

Einzelne Beiträge müssen nicht mit der Mei-nung der Redaktion übereinstimmen. Fürunverlangt eingesandte Manuskripte undFotos wird nicht gehaftet.

Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 23. Juli 2007Die nächste Ausgabe erscheint am 10.August 2007Spendenkontofür Projekt Linke Zeitung e. V. bei derSparkasse Leipzig, BLZ: 860 555 92, Konto: 11 50 11 48 40

Ein Begriff zieht durchs Land – eben wieBegriffe mitunter zu tun pflegen. Man-

che mit gehörigem Krakeel und nächtlichemFreudenfeuerwerk, sehr zum Pläsier derermit Bratwurst und Bier, andere schleichend,vieldeutbar und hinter den vorgehaltenenHänden einflussreicher „Persönlichkeiten“verborgen. Zum Beispiel: Unterbindungsge-wahrsam!Unterbindungsgewahrsam? Eine Unterartvon Operation Enduring Freedom vielleicht?Viel Interpretationsspielraum ist da. Ver-ruchtes und Schlimmes soll ferngehalten,also unterbunden werden. Etwas, das allebedroht. Alle? Unterbindungskraft sugge-riert Sicherheit im Rechtsstaat. Gewahrsamstrahlt für die einen Rechtsstaatlichkeit aus.Für die anderen Rechts-Staatlichkeit. DieErzeuger des Begriffes definieren das Neue:Es könnte, wenn plötzlich der Fall einträte,unter Umständen zu Vermutetem, aber nochnicht klar Erkennbarem, auf jeden Fall zuGefährlichem kommen, das, wie anzuneh-men, einen Schock auszulösen in der Lagewäre, würde man dem nicht rechtzeitig weh-ren, es also unterbinden. – Eben durchGewahrsam. Die neuen Bedrängnisse durchSchurken aus dem Reich des Bösen .... Dasgefahrenträchtige Neue – es verlangt auchneue Formen der Abwehr. Nicht nur neue –neueste! Zum Beispiel: Unterbindungsge-wahrsam. Aber: Ist der Begriff auch modern,so trägt er doch einen alten, uralten Inhalt,hat also Tradition. Sie zweifeln? Sie zwei-feln zu Unrecht:Am 12. November des Jahres 1701 verließein Brief die Kanzlei des Leipziger Rathau-ses. Wurde gewissermaßen auf den Weg zurKöniglichen Majestät in Polen und Kurfürst-lich-Sächsischen Durchlaucht, dem Landes-herrn in Dresden, August dem Starken,gebracht.Die Obrigkeiten im ganzen Land saßen inder Bredouille. Man konnte der wachsenden

Masse von faulen Bettlern und Müßiggän-gern nicht beikommen. Jenen, die dieHabenden ständig belagerten und belästig-ten. Auch in Leipzig. Besonders zu Messe-zeiten strömten sie frecherweise in die Stadtund suchten – unverschämt, wie das Gesin-del von Natur aus ist – Arbeit, Brot undSuppe. Und viele Weibspersonen hieltensich bei diesen Leuten auf. Na? Was wolltendie schon während der Messezeit? Magds-dienste etwa? Schuldiges Aufwarten undDienen? Demütiges Schaffen? Unzucht wurde über die Stadt gebracht.Scham- und Sittenlosigkeit. Gottlosigkeit.Schlechter Ruf. Das gerade in diesem Jahr –1701 – neu erbaute Zuchthaus, das aus demalten Georgenhaus am Brühl hervorgegan-gen war, sollte Abhilfe schaffen. Deshalb die Bitte an Friedrich August I., ermöchte uns, den Rat, in solchem nützlichenVorhaben gnädigst unterstützen, daß wir sol-che Weibspersonen, welche hier aufliegenund ihres ehrlichen berufs und hanthierungwegen kein Zeugnis haben, ohne unterscheid,wenn sie auch gleich der unzuchtigen thatnicht betreten werden, doch an verdächtigenorten sich antreffen laßen, wegnehmen, inbemeltes Hauß bringen und zu nüzlicherArbeit so lange bis deren würckliche beßerungzu erspüren, anhalten dürfen ...Einsperren also, auf Verdacht, denn irgend-wie könnten diese Weibspersonen ja doch ...auch wenn sie noch nicht haben ... Sie könn-ten! Dem Schreiben des Leipziger Rates istder Begriff „Unterbindungsgewahrsam“noch unbekannt. Unverzeihlich eigentlich.Wäre doch so recht treffend gewesen. Manwar eben in solchen Dingen wenig flexibelam Beginn des 18. Jahrhunderts, nicht hin-reichend medienfixiert, aber in der Sache, jain der Sache ... schon recht gut!Also gibt es denn doch aus der Geschichteso mancherlei zu lernen, auch wenn dasviele bestreiten.

Helmut Bräuer

Unterbindungsgewahrsam1701

Übrigens:Die Tour de Francewird zunehmendeine Spritz-Tour.

MZ

KlaugärtnerEs waren im KleingärtnervereinKanaldreieck nachdem Gartenfeste 40 Biergläser weg. Zerbrochen, dachteman, die Gläsermussten sterben.Doch fand man leiderkeine Scherben.

MB

Übrigens:Wenn man der BibelGlauben schenkendarf, stammt derMensch vom Apfel ab.

RL

Da staunte Johann Sebastian ...

... als am Freitag, dem 13., das weißrussische Kinder-Folklore-Ensemble Sonejka zuseinen Füßen sang und tanzte. 23 Mädchen und Jungen aus dem Dorf Saschirje, einemschwach radioaktiv verseuchten Ort (ca. 95 km Luftlinie von Tschernobyl), verbringenauf Einladung einer Elterninitiative über drei Wochen erlebnisreiche Ferien in und umLeipzig. Seit nunmehr zwölf Jahren besuchen die Dorfkinder Leipziger Familien.

Foto und Text: Petra Radtke